+ All Categories
Home > Documents > Das Netz der Korruption: Wie eine weltweite Bewegung gegen Bestechung kämpft

Das Netz der Korruption: Wie eine weltweite Bewegung gegen Bestechung kämpft

Date post: 08-Dec-2016
Category:
Upload: dinhhanh
View: 215 times
Download: 1 times
Share this document with a friend
301
Transcript

Das Netz der Korruption

Peter Eigen, Jahrgang 1938, war jahrzehntelang in Südamerikaund Afrika als Direktor der Weltbank tätig. Vor zehn Jahren grün-dete er Transparency International zum Kampf gegen weltweiteKorruption. Was als Ein-Zimmer-Büro mit einem Telefonan-schluss begann, ist zu einer der erfolgreichsten Nichtregierungsor-ganisationen mit Niederlassungen in 100 Ländern geworden.2002 erhielt Transparency International den Carl-Bertelsmann-Preis.

Peter Eigen

Das Netz der KorruptionWie eine weltweite Bewegung

gegen Bestechung kämpft

Campus VerlagFrankfurt/New York

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist beiDer Deutschen Bibliothek erhältlich

ISBN 3-593-37188-X

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere fürVervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und

Verarbeitung in elektronischen Systemen.Copyright © 2003 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main

Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, KölnSatz: Fotosatz L. Huhn, Maintal-Bischofsheim

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.

Printed in Germany

Für Jutta

Inhalt

Vorwort von Bundespräsident a.D. Richard von Weizsäcker . . 9

1. Einführende Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2. Arbeit bei der Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3. Erkenntnisse und Widerstände . . . . . . . . . . . . . 28

4. Es geht los . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

5. Die Organisation wächst . . . . . . . . . . . . . . . . 46

6. Konflikt mit der Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . 56

7. Die OECD-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

8. Der Integritätspakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

9. Wie Unternehmen handeln müssen . . . . . . . . . . . 82

10. Wie man Korruption bekämpft: the Corruption Fighters’Toolkit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

11. Das Internet als entscheidendes Werkzeug . . . . . . . . 104

12. Der Corruption Perceptions Index . . . . . . . . . . . . 112

13. Der Bribe Payers Index . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

14. Der TI-Integritätspreis – Schutz für Whistleblower . . . 126

15. Korruption in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . 138

16. Kohl, Klüngel und die Konsequenzen . . . . . . . . . . 148

17. Das (deutsche) Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . 161

18. Der Global Corruption Report . . . . . . . . . . . . . 173

19. Internationale Organisationen und ihr Kampf gegen die Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

20. Es gibt nicht nur Transparency . . . . . . . . . . . . . 193

21. Der Kreis schließt sich – Kenia als gutes Beispiel . . . . . 206

22. Wie es weiter geht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Nachwort von Hans Küng 223

Nachwort von James D. Wolfensohn 238

Anhang

Die Weltkarte der Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . 247Der Corruption Perceptions Index . . . . . . . . . . . . . 283Der Bribe Payers Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288Web-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

8 Das Netz der Kor r upt ion

Die gekaufte WeltVorwort von Bundespräsident a.D.

Richard von Weizsäcker

Seit zehn Jahren kämpft sich Transparency International vor-wärts, um einem Grundübel unserer Welt das Handwerk zu legen:der Korruption. Man könnte beinahe glauben, es wäre ein Kampfgegen Windmühlen. Wir sind Menschen und keine Engel!

Gewiss, wir machen Geschenke, um anderen eine Freude zu be-reiten, oder einfach aus Freude am Schenken, aus Freundschaft.Aber es ist auch eine verbreitete Versuchung, zu schenken, um da-bei ein Ziel zu erreichen. Im Normalfall benutzt jemand seineMacht bewusst, um einen persönlichen Vorteil zu erzielen. Dennder Starke sitzt am Schalthebel. Der Schwache hingegen muss ihnerst günstig stimmen, damit sich der Hebel bewegt. Das ist einklassischer Fall von Korruption, vor allem dort, wo Rechtsstaatund freie, wirklich unabhängige freie Presse noch fehlen.

Aber auch unsere Demokratien sind davon nicht frei. MächtigeParteien haben bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Postenund Aufträgen, und allzu gern lassen sie sich zusätzlich zu ihrenohnehin allzu üppigen Mitteln alimentieren.

In der Weltwirtschaft stoßen wir auf alle Arten von dunklen Ka-nälen, die einen fairen Wettbewerb durch Korruption ersetzen.Schließlich sind es mafiotische Mächte und auch Terroristen, diesich mit Korruptionsmethoden ihre Ziele vor dem Zugriff derOrdnungshüter freikaufen wollen.

Peter Eigen hat zusammen mit seiner großartigen Frau Jutta dieInitiative zu einem planmäßigen Kampf gegen diese Seuche ergrif-

erstellt von ciando

fen, um díe es sich bei der Korruption handelt. Weltweit hat er Er-fahrungen gesammelt. Er berichtet darüber in seinem Buch DasNetz der Korruption, das die strenge Objektivität eines Sachbu-ches präsentiert und sich zugleich wie ein hochspannender Romanliest. In allen Kontinenten rückt er dieser Krankheit auf die Spurund überall hat er Mitstreiter gefunden. Zu ihnen gehören mutigeJournalisten, gewissenhafte Staatsanwälte, Bürger aus allenSchichten bis hin zum nigerianischen Präsidenten Obasanjo, der inseinem Land gegen das Übel kämpft.

Der Korruption die Stirn zu bieten heißt nicht, einfach nur Mo-ralkeulen zu schwingen, um eben doch aus uns Menschen Heiligezu machen. Aber es gilt, dem egoistischen Machtmissbrauch dasHandwerk zu legen und den Schwachen zu ihren Chancen zu ver-helfen. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von uns Bürgern, zumWohle des Rechts, der Transparenz und Gerechtigkeit. Daher istdas Werk von Peter Eigen, das er mit Transparency Internationalgeschaffen hat, eine vorbildliche Leistung, die uns hoffen lässt, aufeine engagierte Zivilgesellschaft zu setzen, wenn wir rund um denGlobus lernen wollen, human zusammenzuleben.

Richard von Weizsäcker

10 Das Netz der Kor r upt ion

1Einführende Gedanken

Korruption ist der Missbrauch von Macht zum privaten Nutzen.

Definition, Transparency International

Korruption ist ein Grundübel unserer Zeit. Sie zeigt ihr hässliches

Gesicht allenthalben. Sie liegt an der Wurzel fast aller wichtigen

Probleme – oder verhindert zumindest ihre Lösung – und wirkt be-

sonders verheerend in den armen Regionen in der Welt, wo sie

viele Millionen Menschen in Elend, Armut, Krankheit, gewalttäti-

gen Konflikten und Ausbeutung gefangen hält.

Peter Eigen, im März 2003

Ich verbrachte mein Arbeitsleben vor allem in der Weltbank, jenerinternationalen Entwicklungsorganisation, die weltweit den ar-men Ländern mit Krediten bei ihrer wirtschaftlichen und sozialenEntwicklung hilft. Aber das Wort Korruption gab es im offiziellenSprachgebrauch der Weltbank nicht. Zwar wussten wir, dass Be-stechung allgegenwärtig war und immer noch ist, wir wusstenauch, dass sie viele unserer Entwicklungsbemühungen behinderte,wenn nicht gar unseren Erfolg unmöglich machte, doch darüberredeten wir nur hinter vorgehaltener Hand, denn als Gegenstandernsthafter Arbeit war sie off limits, sie war tabu. Die Weltbankwar dabei keineswegs selbst in besonderem Maße betroffen. Dochsie schloss die Augen davor, dass beinahe jedes Entwicklungspro-gramm, das sie unterstützte, durch eine korrupte Realität verzerrt

war. Hohe Summen wanderten in die privaten Taschen von mäch-tigen Politikern und Beamten, Firmen aus dem Westen bereicher-ten sich durch unnötig hohe Auftragssummen, oder die Entschei-dungsmacht wurde anderweitig missbraucht. Jedes böse Wort vonuns Weltbankangestellten blieb ungehört. Vorschläge oder gar ver-bindliche Regeln, die verhindert hätten, dass sich die Plutokratender Entwicklungsländer und korrupte Lieferanten aus dem Nor-den auf Kosten ihrer Bürger mit dem Geld der Geberländer berei-cherten, wurden gänzlich abgelehnt. Denn das, so die Argumenta-tion unserer Rechtsabteilung, wäre eine politische Einmischung indie inneren Angelegenheiten des jeweiligen Staates, die nach derSatzung der Weltbank verboten war.

Natürlich konnten sich aufgeweckte Beobachter der katastro-phalen Auswirkung der Korruption nicht verschließen. Ich erin-nere mich gut an eine Bemerkung meiner Frau Jutta, dass dieWeltbank »auf den Dächern geigt, während Rom brennt«. Dochdie Ansicht, dass es geradezu die Pflicht dieser Institution sei, eineklare Position gegen die Korruption einzunehmen, galt als ketze-risch.

Als ich daher versuchte, mich privat in meiner Freizeit gegen dieKorruption zu engagieren, wurde mir auch das per Memorandumdes Weltbankpräsidenten Conable ausdrücklich verboten. Ichhatte immer mit vollem Einsatz und Überzeugung für diese Institu-tion gearbeitet. In vielen Jahren haben wir vieles erreicht und denLändern der Dritten Welt sehr helfen können. Bis heute achte undschätze ich die Weltbank und bereue keinesfalls meine Entschei-dung, ihr so lange anzugehören. Ich trat ihr aus der Überzeugungbei, zu helfen, eine bessere Welt zu schaffen. Jetzt verließ ich ausderselben Überzeugung die Organisation nach 25 Jahren vorzeitigund gründete im Mai 1993 mit einigen wenigen Freunden undMitstreitern aus aller Welt die Nichtregierungsorganisation(NGO) Transparency International (TI) zum Kampf gegen die all-gegenwärtige Korruption.

12 Das Netz der Kor r upt ion

Der Ausgangspunkt 1993 sah trübe aus. Über Korruptionwurde weder in der Politik, der Gesellschaft noch in der Wirt-schaft gesprochen. Dabei war gerade die Wirtschaft in einem Teu-felskreis gefangen. Um im weltweiten Konkurrenzkampf bestehenzu können, glaubte sie bestechen zu müssen. Keine Korruption,kein Auftrag, so lautete die Formel. Wer versuchte, aus diesem Di-lemma auszubrechen, konnte sein Unternehmen an den Rand desRuins bringen. Und warum sollten sie es auch versuchen? Das Sys-tem funktionierte doch perfekt – und wurde sogar von staatlicherSeite gefördert. Als einzige führende Wirtschaftsmacht hatten nurdie USA bereits 1977 mit dem Foreign Corrupt Practices Act ihrenUnternehmen bei Strafe verboten, im Ausland zu bestechen. AberStaaten wie Deutschland erlaubten dies nicht nur stillschweigend,sondern unterstützen es sogar, indem sie im Ausland gezahlte Be-stechungsgelder steuerabzugsfähig machten.

Der bis heute immer wiederholte Spruch, es sei in den Ländernder Dritten Welt nun einmal Tradition, zu bestechen und Beamtenund Diktatoren Bakschisch an die Hand zu geben, war schon da-mals nicht nur zynisch und weltfremd, sondern einfach falsch. Esstimmt natürlich, dass in verschiedenen Kulturen Geschenke undauch die Unterstützung von Familien- oder Stammesangehörigeneinen unterschiedlichen Stellenwert haben. Doch es gibt kein Landin der Welt, in dem akzeptiert wird, dass die Mächtigen, denenman die Entscheidung über Wohl und Wehe der Gesellschaft an-vertraut hat, sich große Geldbeträge auf anonyme Bankkontenüberweisen lassen, um falsche wirtschaftspolitische Entscheidun-gen zu treffen. Wenn solche Systeme mancherorts entstanden sind,und oft wurden sie vom Westen dort eingeführt, dann tragen pri-vate Unternehmen daran eine große Mitschuld. Übrigens wäredann auch Deutschland ein Land der Dritten Welt: Auch hierzu-lande wird bestochen, geschoben und gemauschelt, und zwar aufallen Ebenen. Das zeigte nicht zuletzt der noch ungelöste Spen-denskandal Kohl oder die Affären in Köln und Wuppertal.

Ein führende Gedanken 13

Michael Wiehen, langjähriger Vorsitzender der deutschen Sek-tion von Transparency International, drückt es so aus: »Die Kor-ruptionsbereitschaft ist in Deutschland vor allem auf mittelständi-scher und kommunaler Ebene immer noch sehr groß. OhneGeschenke läuft gar nichts. Das sieht man dort gar nicht als Kor-ruption an, weil es eben immer schon so war.« Doch ganz genausowie in den Kreisen der Weltbank redete man auch in Deutschlandjahrelang einfach nicht darüber, ein Unrechtsbewusstsein fehltefast gänzlich. Erst durch immer zahlreichere Veröffentlichungen inden Medien und einen immer schlechter werdenden Platz in unse-rem Corruption Perception Index, einem Indikator, der weltweitdie wahrgenommene Korruption misst, wurde man hierzulandedarauf aufmerksam, dass Korruption eben kein Problem allein derDritten Welt ist.

Viel wichtiger noch ist aber die Einsicht, dass Korruption keinKavaliersdelikt ist. Immer wieder wird sie bagatellisiert und damitverkannt. Denn Korruption bringt weltweit Tod und Verderben.Sie vernichtet immense volkswirtschaftliche Werte und hindert dieStaaten der Dritten Welt in ihrer Entwicklung. Korruption zerstörtehrliche Unternehmen und verzerrt den Wettbewerb, sie beein-flusst die Politik führender Staaten, unterhöhlt die Demokratieund wird von der organisierten Kriminalität und dem Terrorismusbenutzt.

So vielfältig wie das Gesicht der Korruption ist, so vielfältig wa-ren 1993 auch die Motive der Menschen, die sich zusammentaten,um mit den Mitteln der Zivilgesellschaft einen Ausweg zu findenund Transparency International zu gründen. Einige kamen wie ichaus der internationalen Entwicklungshilfe, andere aus der Wirt-schaft, der Wissenschaft, von Regierungen oder Medien. Es warenMänner und Frauen aus der Ersten, der Zweiten und der DrittenWelt, Politiker, Journalisten, Rechtsanwälte, Aktivisten und Bür-gerrechtler.

Aber eines einte uns: Wir waren Menschen, die alle bereits ein

14 Das Netz der Kor r upt ion

langes Leben international hohe Ämter bekleidet hatten oder im-mer noch bekleideten. Und alle hatten die Auswirkungen der Kor-ruption mehr oder weniger direkt erlebt. Kamal Hossein zum Bei-spiel, der als Justizminister von Bangladesch, als Mitarbeiter derVereinten Nationen und als internationaler Anwalt jahrzehnte-lange Erfahrung mit internationalen Korruptionsfällen hatte; dasKommunikationsgenie Frank Vogl, ehemaliger Sprecher der Welt-bank und unser erster Pressesprecher; Hansjörg Elshorst, Ge-schäftsführer der deutschen Gesellschaft für Technische Zu-sammenarbeit (GTZ), der sich in seiner Entwicklungsarbeit nichtmehr dem Bestechungskartell unterwerfen wollte, und Fritz Hei-mann, der als Rechtsberater von General Electric mit ansehenmusste, wie sich die internationale Konkurrenz durch BestechungWettbewerbsvorteile verschaffte.

Wir waren alle keine langhaarigen Weltverbesserer oder Revo-lutionäre in zerrissenen Jeans, sondern gestandene Professionelle,Anwälte, Politiker und Bankmanager. Wir hatten auch nicht vor,uns an Werkstore zu ketten oder in Schlauchbooten vor Ölbohrin-seln zu kreuzen. Im Gegenteil: Von Anfang an wollten wir uns mitden traditionellen Akteuren dieser korrupten Welt an einen Tischsetzen und gemeinsam Lösungen finden. Wir wollten das Systemder Korruption anprangern, nicht diejenigen, die durch jahrelangePraxis im Kreislauf der Bestechung gefangen waren. Als Pragmati-ker wollten wir genau mit den Methoden kämpfen, die wir überdie Jahre hinweg praktiziert hatten. Und die bestanden für unsdarin, durch Überzeugung alle Beteiligten an einen Tisch zu brin-gen, Kompromisse zu finden, Allianzen zu schmieden und mög-lichst gemeinsam für Transparenz zu sorgen.

Um eine Chance zu haben, mussten wir nicht nur weltweit aktivund vor Ort präsent sein, sondern uns auch von dem Wissen, demEngagement und dem Willen der lokalen Zivilgesellschaft leitenlassen. Daher begannen wir sofort, nationale Ableger zu gründen.Heute, zehn Jahre später, hat Transparency International Sektio-

Ein führende Gedanken 15

nen in über 100 Ländern, unsere so genannten National Chapter.Kontakte bestehen sogar in über 120 Ländern: Von Deutschlandüber Bangladesch, Kenia, Chile und den Philippinen bis zu Russ-land und den USA haben sich Tausende für unser Ziel engagiert.In den vergangenen Jahren haben wir Instrumente geschaffen, umdie Korruption effizient einzudämmen, z. B. schufen wir so ge-nannte »Inseln der Integrität«, schlossen »Integritätspakte«, ver-anstalteten Schulungen und Seminare, stellten weltweit den Gradder Korruption sowie die Bereitschaft, Bestechungsgelder zu zah-len, in Ranglisten dar und engagierten uns für mehr Transparenzin Wirtschaft, Verwaltung und Politik.

Im vergangenen Jahrzehnt erlitten wir Rückschläge und konn-ten Erfolge verbuchen, wir haben aber noch lange nicht genug er-reicht. Transparency International steht vor einem großen Umbau,die Herausforderungen wachsen. Der 11. September hat die Kor-ruption in ein völlig neues Licht getaucht, denn seither müssen wirsie nicht mehr nur als ein Wirtschaftsdelikt, sondern ganz klarauch als Werkzeug von Terroristen begreifen. Denn wie es RolandNoble, Generalsekretär von Interpol, ausdrückt: »Was hilft die be-ste technische Ausstattung der Polizei, wenn ihre Organe korruptsind? Wenn Terroristen alle Fahndungs- und Sicherheitsmaßnah-men umgehen können, indem sie die Leute, die sie eigentlich vonihren Taten abhalten sollen, korrumpieren?«

Eine weitere Herausforderung für TI ist die Geldwäsche – einerder Eckpfeiler der organisierten Kriminalität und des Terrorismus.Wir müssen uns um das wirtschaftliche Weiterkommen der armenLänder der Welt kümmern, um jene Zustände zu verhindern, dieerst zu Terrorismus und organisierter Kriminalität führen. Undschließlich auch um Umweltschutz und das Wiederauffinden dervon den Potentaten der Dritten Welt geraubten und veruntreutenGelder.

Welche Methoden wir als Organisation der Zivilgesellschaft da-bei anwenden, wie sich TI aus einer kleinen Idee zu einer weltwei-

16 Das Netz der Kor r upt ion

ten Bewegung entwickelt hat, und auch, was jeder Einzelne durchpersönliche Integrität und Transparenz zu einer neuen Weltord-nung beitragen kann, möchte ich in diesem Buch erzählen. Es istein bisschen meine Geschichte. Aber es ist vor allem die Ge-schichte von Tausenden von Menschen, die sich tagtäglich für eineSache engagieren, von der sie so überzeugt sind, dass manche da-bei sogar ihr Leben riskieren.

Ein führende Gedanken 17

2Arbeit bei der Weltbank

Mein Mann stand der Weltbank immer kritisch-loyal gegenüber. Er

bewundert sie auch jetzt noch und bereut es in keinster Weise,

so lange für sie tätig gewesen zu sein, auch wenn er ihr gegenü-

ber in einzelnen Fragen eine sehr kontroverse Meinung hatte.

Jutta Eigen

Ich war nie ein Revoluzzer. In bin in einem liebevollen und groß-zügigen Elternhaus im fränkischen Erlangen aufgewachsen undwar wohl das, was Jutta Philippi, meine spätere Frau, scharfzün-gig einen »Kleinstadtkönig« nannte. Ich hatte einen studentischenReiterverein gegründet, wo ich meiner Leidenschaft, dem Reiten,frönen konnte. Im gemeinsam eingerichteten Studentenkellerspielte ich Klarinette in einer Jazzband, bei der Schülermitverwal-tung im musischen Gymnasium organisierte ich Sport-, Tanz- undandere Feste und ich schrieb regelmäßig kleine Artikel für das Er-langer Volksblatt. Abgesehen von einigen wenigen Abstechern zuden bayerischen Jungdemokraten, zu denen mich ein Mitschülerschleppte, wuchs ich relativ unpolitisch auf, studierte Jura in Er-langen und Frankfurt am Main, wo ich schließlich meinen Doktormachte.

Doch im Sommer 1963 änderte sich mein Leben durch eineSüdamerika-Reise. Ich hatte gerade ein Jahr als Fulbright-Stipen-diat in den USA verbracht und wollte nun per Anhalter durch denSüden des Doppelkontinents fahren. Auf dieser Reise bekam ich

erstmals ein Gefühl für die Ungerechtigkeiten der Welt, ein Ge-fühl, das mich nachhaltig verändern sollte. Denn je nachdem, wermich auf dieser viermonatigen Reise gerade mitnahm oder mirUnterkunft gewährte, lernte ich sowohl die Herrschenden als auchdie Arbeiter und Studenten kennen.

In Nicaragua zum Beispiel war ich eingeladen bei reichenFreunden des Diktators Somoza. Nie werde ich vergessen, wie ar-rogant die lokale Elite sich verhielt, in die mein Gastgeber micheinführte, als wir durch die wunderbare Landschaft Nicaraguasfuhren. Sie ließen Polizisten stramm stehen und kommandiertensie herum, belästigten die Landbevölkerung mit verächtlichenSprüchen und benahmen sich überall wie mittelalterliche Feudal-herren. Von linksgerichteten Studenten wiederum, die mich mit-nahmen, als ich per Anhalter nach Costa Rica fuhr, hörte ich sehrviel über die politischen Zusammenhänge. Auf einer Bananen-plantage im Süden des Landes lernte ich einiges über die wirt-schaftlichen Interessen amerikanischer multinationaler Gesell-schaften in Mittelamerika.

In Ecuador schließlich heuerte ich auf einem Frachter an, ummir die Weiterfahrt nach Peru zu verdienen. Von dort ging es nachChile, wo ich bei kommunistischen Aktivisten und Künstlernwohnte, die die Ausbeutung durch die USA anprangerten. Aberüber einen amerikanischen Diplomaten lernte ich auch Peter Reit-ter, den Vertreter der Weltbank, kennen. Er war es, der mir denFloh ins Ohr setzte, für die Weltbank zu arbeiten, als er mir vonden positiven Effekten seiner Arbeit vorschwärmte.

In Argentinien lernte ich jüdische Flüchtlinge, Alt-Nazis, ehe-malige Kameraden aus der Burschenschaft meines Vaters und Mit-glieder der Militärjunta kennen. Hier versuchte ich morgens Ar-beit auf einem Schiff zu finden, und nachmittags bewegte ich dannin feinem Zwirn die Pferde von General Carlos Delia, dem damali-gen Weltmeister im Jagdspringen und Mitglied der Junta.

Auf dieser Reise erlebte ich hautnah, wie feudal sich die herr-

Arbe i t be i der Wel tbank 19

schende Klasse vielerorts gebärdete und wie chauvinistisch sie aufKosten der großen Mehrheit ihrer Bürger lebte. Und so entdeckteich gleichzeitig meine Liebe für Lateinamerika und meinen Ab-scheu für Diktatoren und Ausbeuter. Schon als ich als Matrose aufeinem holländischen Schiff zurück nach Europa fuhr, wusste ichzwei Dinge: Ich würde wiederkommen und ich wollte etwas Nütz-liches mit meinem Leben anfangen.

Es dauerte 20 Jahre, bis ich tatsächlich Abteilungsleiter fürsechs südamerikanische Länder in der Weltbank wurde und end-lich in der Lage war, etwas zu bewegen. Aber erst einmal kam ich1963 aus Lateinamerika zurück und ging viel ernsthafter als zuvoran mein Studium. Ich suchte die Nähe politischer Kreise, orien-tierte mich dabei nach links und wurde auch Mitglied der Studio-bühne Erlangen, einer Gruppe aus Brecht-Anhängern. Wir gingenauf Tournee und besuchten unter anderem Lehrgänge am BerlinerEnsemble unter Helene Weigel. Wir gastierten in Polen und ge-wannen 1964 mit einer Peymann-Inszenierung der »Straßenecke«von Hans Henny Jahnn sogar den 1. Preis bei einem Festival inWarschau. Dass ich mein Studium trotz meiner neuen Schauspiel-interessen mit einer guten Note abschloss, verdanke ich nur einemsehr guten Freundeskreis, dem ich bis heute eng verbunden bin.

Schon ein Jahr nach dem Abschluss meiner Promotion lud michder Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht an der UniversitätFrankfurt, Professor Heinrich Kronstein, ein, mich über interna-tionales Wettbewerbsrecht zu habilitieren. Im September 1966nahm er mich mit in die USA an das »Institute for Internationaland Foreign Trade Law« an der Georgetown-Universität Washing-ton, wo ich als sein Assistent über die amerikanischen Wettbe-werbsbehörden recherchieren wollte.

Aus meiner Habilitation über die »Möglichkeiten der Domesti-zierung privater Wirtschaftsmacht in internationalen Märkten«wurde nichts. Bis heute liegt sie unfertig in der Schublade. Dennnach anderthalb Jahren in Washington warb mich die Weltbank

20 Das Netz der Kor r upt ion

1968 für ihre Rechtsabteilung ab. Die Entscheidung fiel mir relativleicht, da ich ja schon seit meinem Chile-Aufenthalt mit dem Ge-danken gespielt hatte, ihr beizutreten. Vor allem wollte ich nunendlich etwas bewegen.

In den vier Jahren, die ich in der Rechtsabteilung in Washingtonarbeitete, war es privat recht turbulent. In dieser Zeit bekam un-sere Tochter Johanna zwei Brüder, unsere beiden Söhne Christianund Tobias. Aber auch in meinem Beruf hatte ich alle Hände vollzu tun. Meine Aufgabe bestand nun hauptsächlich darin, in Ar-beitsgruppen mit anderen Experten der Weltbank die rechtlichenAspekte unserer Programme auszuarbeiten. Meine Kollegen wa-ren einerseits die Loan Officers, die für einzelne Länder, und dieProject Officers, die für einzelne Sektoren wie Transport, Land-wirtschaft, Erziehung, Bergwerke und Gesundheit zuständig wa-ren. Ich nahm an zahlreichen Projektmissionen in die verschieden-sten Ländern teil, von Costa Rica über Tansania bis Pakistan, undarbeitete mit daran, die Teilung von Bangladesch und Pakistanrechtlich zu vollziehen. Außerdem betreute ich in der Rechtsabtei-lung die immer wichtiger werdenden Anleihen an den deutschenKapitalmärkten.

1971 kam das Angebot, für einige Zeit nach Botsuana zu gehenund der dortigen Regierung im Auftrag der Ford Foundation beimAufbau eines Justizsystems zu helfen. Zunächst hatte ich Zweifel,ob ich der Weltbank für diesen Zeitraum den Rücken kehrensollte. Doch als auch meine Frau das Angebot bekam, in einemRegierungskrankenhaus als Ärztin zu arbeiten, war die Entschei-dung gefallen. Ich nahm unbezahlten Sonderurlaub bei der Welt-bank und ging mit meiner Familie für zwei Jahre nach Afrika, umdas, was ich bei der Weltbank gelernt hatte, weiterzugeben. Undich glaube, ich habe meinen Teil dazu beitragen können, dass indiesem Land heute ein stabiles Rechtssystem und relativer Wohl-stand herrschen.

Von mir wurde verlangt, alle wichtigen internationalen Wirt-

Arbe i t be i der Wel tbank 21

schaftsverhandlungen rechtlich zu betreuen. Das war in der dama-ligen geopolitischen Situation von Botsuana nicht einfach, denn eswar von allen Seiten von rassistischen und undemokratischenNachbarn umgeben. Nur im Norden berührte Botsuana in einemgeometrischen Punkt mitten im Sambesi-Fluss den unabhängigenSchwarzen Kontinent. Dieser Punkt hatte völkerrechtlich keineAusdehnung und konnte – auch gegen den Willen der Nachbarn –mit einer Fähre überfahren werden. Aber am Gefühl der Einge-schlossenheit konnte dieser Punkt nichts ändern. Dies war wohlauch einer der Gründe, warum die Regierung von Seretse Khama,der das Land 1966 in die Unabhängigkeit geführt hatte, so sehrauf Verhandlung und Recht setzte. Das kam der Rationalität derKonzessionsverträge für große Diamantenminen, die wir HarryOppenheimer und seinem Team abhandelten, sehr zupass. Niewieder sollte ich eine so offene und vernünftige Regierung inAfrika oder anderswo vorfinden wie damals in Botsuana.

Aufgrund der guten Erfahrungen in Botsuana hatte ich schondamals mit dem Gedanken gespielt, die Weltbank gänzlich zu ver-lassen und eine gemeinnützige Organisation mit dem Ziel zu grün-den, Staaten der Dritten Welt insbesondere bei Verhandlungen mitinternationalen Bergwerksgesellschaften zu beraten. Ich trautemich aber 1974 nicht, die Weltbank zu verlassen und kehrte 1975als so genannter Loan Officer zurück, der für die Elfenbeinküste,Benin und Togo zuständig war.

Es war eine sehr intensive Zeit, in der ich viel reiste und sehrviel über diese Länder lernte. 1977 wurde ich dann Abteilungslei-ter und blieb – unterbrochen von einem Sabbatjahr, in dem icheine Gastprofessur an der Universität Frankfurt übernahm – zu-ständig für die sieben zentralafrikanischen Länder Kamerun, Zen-tralafrikanische Republik, Tschad, Volksrepublik Kongo, Äquato-rial-Guinea, Gabun und São Tomé/Príncipe.

Es war eine harte und aufreibende Zeit, auch mit sehr erschüt-ternden Erlebnissen, wie beispielsweise 1977 im Kongo. Wir

22 Das Netz der Kor r upt ion

unterstützten dort ein großes Eisenbahnprojekt. Doch der gigan-tische Tunnelbau wurde von Freiheitskämpfern aus Angola ange-griffen und kam völlig zum Stillstand. Die beteiligten Firmen wa-ren nur bereit, das wichtige Projekt fortzusetzen, wenn siemilitärischen Schutz und eine Gefahrenzulage bekommen wür-den. Ich unternahm alles, um das Projekt zu retten und reistedurch die ganze Welt, um die Gelder bei den Geberländern zu or-ganisieren. Am Vorabend meiner Abreise traf ich einmal den Prä-sidenten der Republik Kongo, Marien Ngouabi, der mir einenBrief an den Weltbankpräsidenten McNamara mitgab. Als ich inWashington ankam, war Ngouabi bereits tot. Er und die Leute,die zufällig bei ihm waren, sind ermordet worden, weil er eineÖffnung zum Westen anstrebte. Erstmals wurde mir bewusst,dass meine Arbeit auch Risiken hatte. Viel später, als ich gegen dieKorruption aktiv wurde, bekam ich das noch viel stärker zu spü-ren.

Immer wieder kam es aufgrund meiner rigorosen Positionenauch zu Konflikten mit dem Management der Bank. Ich konntezwar meistens ungehindert arbeiten, da die von mir betreuten Län-der manchen Personen anscheinend nicht wichtig genug erschie-nen, doch häufig eckte ich auch an. So beschwerte sich ein ameri-kanisches Unternehmen direkt bei Robert McNamara über mich,als ich auch nach 1972 der Regierung von Botsuana den einenoder anderen Ratschlag gab, der das Land vor der Ausbeutungdurch internationale Konzerne bewahren sollte. Ich würde dieMenschen vor Ort radikalisieren und aufwiegeln, hieß es. Darauf-hin musste mein damaliger Vorgesetzter und heutiger MitstreiterMichael Wiehen, der Direktor für Ostafrika war, den Canossa-Gang antreten und sich für mich entschuldigen. Der Regierungvon Botsuana schrieb die Weltbank einen Brief, in dem alles, wasich sagte, als meine ganz persönliche Meinung heruntergespieltwurde. Allerdings ohne die erhoffte Wirkung. Der damaligeStaatssekretär im Finanzministerium und heutige Präsident des

Arbe i t be i der Wel tbank 23

Landes, Festus Mogae, antwortete nur: »Sehr gut. Das ist genauder Grund, warum wir Peter Eigens Rat befolgen.«

Doch selbst wenn ich hin und wieder kritisch war und meinenÜberzeugungen treu blieb, war ich meist ein treuer Soldat derWeltbank. Ich war pragmatisch und konnte alles, was geschah, ra-tionalisieren – ganz im Gegensatz zu meiner Frau Jutta. Sie war es,die mich immer wieder auf den Boden brachte, die mit mir disku-tierte und mehr als einmal meine Arbeit in Frage stellte. Sie sagte,wenn wir mit den Diktatoren und Plutokraten gemeinsame Sachemachen würden, würden wir auch unsere Glaubwürdigkeit bei derBevölkerung und in der Welt verlieren. Schon 1965 stand sie de-monstrierend mit dem Kinderwagen vor den Toren des Gebäudes,in dem ich in Erlangen mit einer amerikanischen Delegation disku-tierte. Bis zu ihrem Tod im Sommer 2002 engagierte sie sich fürkranke und unterprivilegierte Menschen in aller Welt. 1972 inBotsuana eröffnete sie zusätzlich zu ihrer Arbeit in einem Regie-rungskrankenhaus eine Buschklinik außerhalb der HauptstadtGaborone, in der sie gemeinsam mit traditionellen Wunderheilerndie Ärmsten der Armen behandelte. 1999 gründete sie die »Stif-tung Kinder-Hilfe« und als Mitglied der »Ärzte für die 3. Welt«verbrachte sie auch nach unserer Rückkehr aus Afrika jedes Jahrmehrere Monate in Krankenhäusern in Entwicklungsländern.Während ich mit den Herrschenden der afrikanischen und latein-amerikanischen Länder konferierte, arbeitete sie in den Slums undwar mit dem alltäglichen Elend konfrontiert. Unser Sohn Tobiaserinnert sich: »Meine Mutter hatte immer heftige Kontroversenmit meinem Vater. Das war in Chile so, als er mit Pinochet zu-sammenarbeitete, und auch später in Afrika. Sechs Tage die Wo-che verbrachte sie in den Slums, während Vater bei den Weltbank-meetings in den feinen Büros saß. Am Frühstückstisch kam esdann immer zu Diskussionen. Er vertrat die Position der Welt-bank, sie hatte eine völlig andere Perspektive. Wir sahen dennoch,dass es ihm nicht immer leicht fiel, wie er frustriert nach Hause

24 Das Netz der Kor r upt ion

kam, wenn die afrikanischen Potentaten wieder einmal ein unsin-niges Projekt auf Kosten eines sinnvollen durchgesetzt hatten.«

Diese Gespräche blieben bei mir nicht ohne Wirkung. Dochlange Jahre blieb ich bei meiner Überzeugung, dass ich nur etwaserreichen konnte, wenn ich mich mit den Mächtigen an einenTisch setzte. Mehr als einmal musste ich dabei riesige Krötenschlucken. Doch ohne meine Frau hätte ich vielleicht noch dieeine oder andere mehr geschluckt. Kurz vor ihrem Tod erinnertesie sich: »Der Reichtum unserer Beziehung und gleichzeitig derGrund für einen ständigen Konflikt war, dass ich immer mehr aufdem Boden gearbeitet habe, während er mit den Herrschendenverkehrte. Ich denke, das hat ihm geholfen, eine andere Perspek-tive zu erhalten, auch wenn unsere Diskussionen oft heftig waren.Dennoch musste Peter auch nach meinem Empfinden mit denMächtigen der Länder zusammenarbeiten, er hatte keine andereWahl.«

1983 wurde ich Abteilungsleiter für Lateinamerika und war zu-ständig für Argentinien, Chile, Ecuador, Paraguay, Peru and Uru-guay mit einem jährlichen Kredit-Budget von 1,5 Milliarden US-Dollar. Ich war nun mehr als je zuvor damit beschäftigt, dieWirtschaft ganzer Staaten zu fördern und verhandelte ständig mitden Regierungen dieser Länder auf der einen Seite und den Geber-ländern, Entwicklungshilfeorganisationen, den Banken und demInternationalen Währungsfonds (IWF) auf der anderen Seite.

Dies war die Zeit der Schuldenkrise, in der die Weltbank nebendem IWF versuchte, mit großem Aufwand von finanziellen undanderen Mitteln als Feuerwehr einzugreifen. Aber wir mussten äu-ßerst vorsichtig sein, um uns nicht vor den Karren der großen Ban-ken spannen zu lassen. Im Gefolge des Ölschocks hatten sie sichzu freimütig und unverantwortlich in vielen Ländern Lateinameri-kas engagiert und wir sollten ihnen nun die Kastanien aus demFeuer holen. Wiederum war meine rigorose Haltung häufig denBanken und unserem Management nicht genehm. In Chile kam

Arbe i t be i der Wel tbank 25

die Kritik von links, einschließlich Jutta, die draußen vor der Welt-bank dagegen protestierte, dass wir mit Strukturanpassungsdarle-hen der Pinochet-Regierung helfen wollten, aus der tiefen Krise zukommen; für Peru wurde ich von rechts beschimpft, weil ichweiterhin die Kredite auszahlen wollte, obwohl Alan Garcia denSchuldendienst verweigerte; für Ecuador bekamen wir von denUmweltschützern Prügel, weil die Erdölgesellschaften mit unsererHilfe den Urwald und seine Bewohner gefährdeten; und bezüglichArgentinien hagelte es von allen Seiten Kritik, da wir dem demo-kratisch gewählten Präsidenten Alfonsin eine bessere Wirtschafts-politik aufzwingen wollten. Zu all dem kam fast überall ein tiefsit-zendes System der Korruption ...

Auf diesem Posten blieb ich bis 1988, um dann nach Afrika zu-rückzukehren. Mit meiner Familie zog ich nach Kenia, wo ich nunDirektor der Regionalmission der Weltbank für Ostafrika wurdeund etwa 100 Mitarbeiter hatte. Hier, auf dem letzten Posten mei-ner Laufbahn, wurden die Auswirkungen der Korruption am uner-träglichsten. Auf allen meinen Stationen war ich mit den verschie-densten Formen der Bestechung und Bestechlichkeit konfrontiertgewesen. Zwangsläufig hatte ich sie hinnehmen müssen. In Afrikaaber spürte ich ihren direkten Einfluss. Und ich lernte durch vielesehr gute, bis heute bestehende Kontakte, dass die Bevölkerungkeineswegs aus Tradition an der Korruption festhält. Einen großenAnteil daran hatte nicht zuletzt meine Frau, die jeden Tag in dieSlums fuhr und abends wieder in die luxuriöse Villa zurückkehrte.Sie erinnerte sich: »Korruption war in den Gesprächen mit meinemMann lange nicht das Thema. Erst in Kenia habe ich hautnah er-lebt, wie sich die Minister der Regierung bereicherten, und dies aufeine geradezu schamlose Art. Es war auch ein sehr gefährlichesLand, Kritiker mussten hier um ihr Leben fürchten. Wir haben hierdrei Jahre sehr intensiv gelebt.«

Kenia hätte nicht unbedingt meine letzte Station in der Welt-bank sein müssen. Ich hätte noch einige Jahre bis zu meiner Pen-

26 Das Netz der Kor r upt ion

sionierung warten, vielleicht noch etwas die Karriereleiter hinauf-klettern können. Doch dann gab es plötzlich Dinge, die wichtigerwaren. Für mein Engagement gegen die Korruption bekam ich im-mer mehr Resonanz von Freunden aus der Ersten, Zweiten undDritten Welt. Aber innerhalb der Weltbank waren mir die Händegebunden. Ich musste sie verlassen.

Arbe i t be i der Wel tbank 27

3Erkenntnisse und Widerstände

Als mich Peter Eigen zum ersten Mal fragte, was ich von einer

internationalen Antikorruptionsinitiative hielte, war ich mehr als

skeptisch. Ich sagte: »Du bist ein Illusionist. Lass die Finger da-

von! Du hast keine Chance.« Seitdem ist Peter Eigen von unzähli-

gen weiteren Menschen als Utopist verlacht worden. Aber er hat

es geschafft, sehr viele gute und motivierte Leute von seinen

Ideen zu überzeugen und sie zur Mitarbeit zu bewegen.

Michael Wiehen, ehemaliger Direktor der Weltbank und später

Vorsitzender von Transparency International Deutschland

Für uns ist Kenia die Heimat von TI. Hier wurde die Saat gesät.

Auch wenn die Regierung zunächst die Gründung eines TI-Chap-

ters untersagte. Wir fühlen uns Peter Eigen sehr stark verbunden,

ohne ihn wären wir lange nicht da, wo wir heute sind. Wenn je-

mand anderes eine Organisation wie Transparency International

gegründet hätte, hätten wir ihm vermutlich nicht so vertraut.

John Githongo, Staatssekretär im Büro des Präsidenten Kibaki

von Kenia, ehemaliger Journalist und Vorsitzender von TI Kenia

Einmal im Jahr treffen sich in Paris die Vertreter der Geberländerund -organisationen für Kenia zum so genannten »ConsultativeGroup Meeting«. Da die Weltbank traditionell den Vorsitz führt,gehörte es von 1988 bis 1991 zu meinen Aufgaben, auch in Keniaregelmäßig eine technische Geberkonferenz zu leiten. Hier ging esdarum, welche Entwicklungsprojekte förderungswürdig und aus

unserer Sicht sinnvoll waren. Natürlich war es eine politische Ver-anstaltung, bei der jede Organisation und jeder Staat ihre eigenenInteressen vertraten. In zähen Verhandlungen gelang es uns aberimmer wieder, Gelder für wichtige Projekte bereit zu stellen, dieKenia unserer Ansicht nach in seiner Entwicklung nach vornebrachten.

Doch meist war alles umsonst. Während wir uns in Paris undNairobi noch um Details stritten, hatten sich die Firmenbosselängst mit Regierungsmitgliedern und hohen Beamten der Ent-wicklungsländer an einen Tisch gesetzt und sie dazu gebracht, völ-lig unnötige und überteuerte Projekte zu beschließen. Wenn dieWeltbank oder eine andere staatliche Entwicklungsorganisationsich weigerten, diese sinnlosen oder gar schädlichen Projekte zu fi-nanzieren, sprangen die privaten Hausbanken der Lieferunterneh-men nur zu gerne in die Lücke. Sie gewährten den Staaten des Sü-dens einen schnellen, aber oft überteuerten Kredit, der häufiggenug mit staatlichen Garantien gedeckt war. Denn ihr Kalkülbeinhaltete, dass es früher oder später zu einer Umschuldung oderEntschuldung durch die Geberländer kommen würde, wenn dembetroffenen Staat die Zahlungsunfähigkeit drohte.

Solche unnötigen Projekte und überhöhten Kredite sind derHauptgrund für die hohe Verschuldung, die schlechte Infrastruk-tur und die Umweltzerstörung in den Ländern der Dritten Welt.Die Unternehmen, die bestechlichen Potentaten und die Bankenhaben ihre Schäflein im Trockenen – die Leidtragenden sind dieBevölkerung ebenso wie die künftigen Generationen. Das Grund-übel in diesem System ist die Korruption. Denn um die zum Teilwidersinnigen Projekte durchzusetzen, müssen große Summen indie privaten Schatullen der Entscheidungsträger geflossen sein.

Ich erinnere mich, dass wir in der Weltbank beschlossen, einenTeilbetrag für ein Telekommunikationsprojekt in der Elfenbein-küste nicht auszuzahlen, da die Regierung es nicht dem günstig-sten Anbieter zusprechen wollte. Offensichtlich aus sachfremden

Erkenntn isse und Widers tände 29

Erwägungen bekam ein Auftragnehmer mit guten Beziehungen,der einen viel höheren Preis verlangte, den Zuschlag. Doch unsereEntscheidung änderte nichts. Eine westliche Privatbank finan-zierte, vermittelt vom Auftragnehmer, das völlig überteuerte Pro-jekt.

Ähnlich unsinnig war der Plan einer deutschen Firma, eineMautstraße in einem der ärmsten Länder Afrikas zu bauen. Ganzbewusst verhinderte die Regierung in Kamerun vor Jahren denBau einer Straße, die die Hauptstadt an die Hafenstadt Douala an-gebunden hätte. Die Gebergemeinschaft hatte entschieden, diesenBau zu finanzieren, der den dringenden Bedürfnissen der Men-schen dort genau entsprach. Die Straße hätte sich als Allwetter-straße durch schwieriges Terrain entlang der Berghänge gewundenund wäre mit einer maximal zulässigen Geschwindigkeit von 80km/h ausreichend gewesen für die wenigen zu erwartenden Autos.Vor einem Jahr fuhr ich mit Hochgeschwindigkeit über die mehr-spurige Autobahn, die die Regierung inzwischen hatte bauen las-sen. Für das geringe Verkehrsaufkommen war sie noch jetzt zugrandios und teuer – ein weißer Elefant im armen Umfeld.

In Kenia finanzierte die Weltbank ein großes Gesundheitspro-jekt, bei dem in einem Slum auch eine moderne Aidsklinik errich-tet werden sollte. Als die Zusage der Weltbank kam, rissen dieMitarbeiter der Klinik das behelfsmäßige Gebäude ab, das kaummehr als eine Wellblechbaracke war, um Platz für das neue Ge-bäude zu schaffen. Da auch meine Frau Jutta dort arbeitete undden sterbenskranken Menschen half, wussten sie von mir, dass dasGeld an die Regierung ausgezahlt worden war. Nun warteten siejeden Moment darauf, dass es kam. Aber nichts geschah. DasGeld kam nicht. Ich hakte nach und kämpfte darum, dass es an dieHilfsorganisation ausgezahlt würde, wurde aber nur beschwich-tigt und vertröstet. Und dabei blieb es. Anstatt zu helfen, hattenwir die Kranken nun auch ihrer provisorischen Klinik beraubt.Denn da der Platz in den Slums knapp war, mussten wir hilflos

30 Das Netz der Kor r upt ion

und frustriert zusehen, wie die Bewohner mit ihren Wellblechhüt-ten und Pappkartons auf den frei gewordenen Platz zogen.

Frustrierend war auch ein anderes Projekt zur Wasserversor-gung im Küstengebiet um Mombasa. Wir waren der Meinung,man müsste zunächst das vorhandene, aber sehr marode Systemreparieren. Nach unserer Schätzung hätte dies etwa 40 MillionenDollar kosten sollen. Ein Firmenkonsortium aus Deutschland, Ja-pan und anderen Ländern hingegen wollte für über 200 MillionenDollar eine nagelneue Pipeline von den Nzima-Springs bis nachMombasa bauen. Die Nzima-Springs liegen am Fuße des Kili-mandscharo in einem der schönsten, aber auch wasserärmstenParks Kenias. Nicht auszudenken, welchen Schaden das Ableitenvon großen Wassermengen aus dieser Trockenzone für Flora undFauna des zerbrechlichen Mikrokosmos bedeutet hätte. Doch dieFirmen hatten Kredite von privaten Banken organisiert und sichlängst mit dem zuständigen Minister geeinigt. Dieser tat nun alles,um unsere Pläne zu sabotieren. Er argumentierte, dass die Welt-bank die Wirklichkeit in Afrika nicht kenne und das Potenzial fürden Tourismus vergesse. Aber in der afrikanischen Realität füllendie Reichen bis heute ihre Swimmingpools mit dem kostbarenWasser und die Armen müssen nach wie vor für ihr weniges GeldTrinkwasser bei fahrenden Wasserhändlern kaufen. Ich war undbin überzeugt, dass hier Korruption im Spiel war. Doch ich konntenichts tun. Denn das wäre gegen die Politik der Weltbank gewe-sen.

Andere hielten sich nicht zurück. So kämpften die deutschenund skandinavischen Geberorganisationen heftig gegen diesesProjekt und ein ähnliches Staudammprojekt am Turkwell-Fluss imWesten des Landes. Die Norweger wurden daraufhin sogar ausge-wiesen. Die kanadische Botschafterin, die ein paar deutlicheWorte gesagt hatte, wurde fast zur persona non grata erklärt.

Die Stimmung hatte sich Ende der 80er, Anfang der 90er Jahredeutlich gewandelt. Immer mehr Geberorganisationen und Part-

Erkenntn isse und Widers tände 31

nerländer hatten erkannt, dass sie auch eine politische und sozialeVerantwortung für das trugen, was in den Ländern der DrittenWelt geschah. Die Zeit, in der vom Westen großzügig Geld nachAfrika gepumpt wurde, nur um die Potentaten vom Überlaufenzum bösen Feind aus dem Osten abzuhalten, war spätestens mitdem Fall der Mauer vorbei.

In dieser Situation vernichtete ein Versprechen aus Deutschlandein kleines, aber sehr wirksames Projekt, das die katastrophaleVerkehrssituation in Nairobi für die nächsten Jahrzehnte verbes-sert hätte. Mit etwa 20 Millionen Dollar wollten wir ein Verkehrs-managementprojekt unterstützen, das ein Verkehrsleitsystem,Parkplätze und eine Infrastruktur geschaffen hätte. Doch aus demBüro von Präsident Moi hörten wir, dass der deutsche Bundes-kanzler Helmut Kohl, beraten von deutschen Wirtschaftsführern,ihm den Aufbau eines Schnellbahnsystems in Nairobi für etwa700 Millionen Mark versprochen hätte. Wie sich auf Nachfragenherausstellte, waren nur die Studien als Entwicklungshilfe ver-sprochen worden – diese allerdings für viele Millionen Mark, vondenen ein Großteil für deutsche Berater vorgesehen war. Die 700Millionen Mark für den Bau der Bahn hätte sich Kenia natürlichleihen müssen. Letztlich kam es doch nicht zu diesem ehrgeizigenProjekt, aber auch unser kleines Vorhaben war gescheitert. Bisheute versinkt Nairobi im Verkehrschaos.

Aber nicht nur in Kenia und in den anderen Ländern Ostafrikasstand Korruption auf der Tagesordnung. Auch mein Freund Hans-jörg Elshorst etwa, der damals Geschäftsführer der deutschen Ge-sellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) war, konnte da-von ein Lied singen. Die GTZ ist eine staatliche Organisation, diemit etwa 10 000 bis 12 000 Mitarbeitern neben der Weltbank diegrößte Entwicklungshilfeorganisation der Welt ist. Während aberdie Weltbank Projekte des Staates finanziert, besteht die Leistungder GTZ zum Teil aus Beratung, die sie auch im Wettbewerb mitanderen Consultingfirmen auf dem freien Markt anbietet. Allein

32 Das Netz der Kor r upt ion

in Saudi-Arabien arbeiteten bis zu 400 Berater der GTZ, die vonden Scheichs bezahlt wurden. Doch immer mehr sah sich die GTZmit Korruption konfrontiert. Elshorst erinnert sich: »Es wurde im-mer schwieriger, Aufträge zu bekommen, ohne Schmiergeld zuzahlen. Aber wir konnten und wollten es nicht tun. Einige meinerMitarbeiter waren nicht dieser Meinung. Sie sagten: ›Aber anderetun es doch auch.‹ Darauf antwortete ich: ›Wenn es morgen in derZeitung stehen kann, dann tun wir es auch, wenn nicht, dann istdas ein klares Nein.‹ Daraufhin verloren wir Anfang der 90erJahre ein sehr lukratives Geschäft in Indonesien. Einen Auftragüber 100 Millionen Dollar.

Auf meine Entscheidung hin gab es innerhalb der GTZ sehr vielÄrger und ich wurde auf einer Betriebsversammlung heftig ange-griffen. Schließlich gefährdete diese Entscheidung auch Arbeits-plätze. Ich sagte daraufhin: ›Wenn wir nicht schmieren können,müssen wir eben die Korruption abschaffen‹.«

Die Korruption abschaffen – damit hatte Hansjörg Elshorst denNagel auf den Kopf getroffen. So wie ihm ging es auch mir. In jah-relanger Zusammenarbeit hatten wir uns kennen und schätzen ge-lernt. Sicher waren wir oft unterschiedlicher Meinung, besondersweil Hansjörg nur zu gerne die Politik der Weltbank kritisierte, dieich als loyaler Vertreter der Organisation verteidigte.

Unter seiner Führung, und später auch seinen Nachfolgern,wurde die GTZ die wichtigste Hilfe für Transparency Internatio-nal. Nicht nur nahm sie schon ganz früh, als die meisten uns nochfür weltfremde Spinner hielten, das Risiko auf sich, unser Anliegenpolitisch und fachlich zu unterstützen, sondern sie war auch fort-laufend bereit, in kritischen Situationen mit Geld und guten Wor-ten unsere Organisation zu fördern.

Allmählich erkannte ich, dass die Korruption das Grundübelder bisherigen Entwicklungshilfe und die zentrale Ursache für denMisserfolg fast aller Entwicklungsbemühungen ist. Hier war eineunheilige Allianz von Lieferanten aus dem Norden und lokalen

Erkenntn isse und Widers tände 33

Behörden entstanden. Mit dieser Einschätzung war ich nicht al-lein. Nicht nur viele Entwicklungshelfer und Unternehmer ausdem reichen Norden teilten meine Meinung, sondern auch diejunge afrikanische Elite von Intellektuellen. In vielen Gesprächenbestätigten sie mir, dass sie keineswegs mit der Situation zufriedenwaren. Wieder aber war es meine Frau, die mir den entscheiden-den Satz sagte: »Das brauchst Du nicht hinzunehmen.« In der Tat– das wollte ich auch nicht länger.

In dieser Situation traf es sich, dass alle Weltbankvertreter inAfrika zu einer Konferenz in Swasiland eingeladen waren – undder zuständige Vizepräsident, Kim Jaycox, mich bat, dort überKorruption zu sprechen: »Du hast da Erfahrung, denn Du arbei-test in Kenia.« Ich wollte mir diese Chance nicht entgehen lassenund erzählte einem kenianischen Freund bei einem unserer wö-chentlichen Mittagessen von meinem kommenden Vortrag. JoeGithongo arbeitete für eine große Buchprüfungsgesellschaft undwurde damals diskriminiert, weil er ein Angehöriger des Stammesder Kikujo war. Wegen seiner Abstammung bekam er beispiels-weise keine Regierungsaufträge mehr. Er hörte mir aufmerksam zuund sagte: »Ich schreibe Dir dieses Papier.« Zusammen mit seinemKollegen Laurence Cockroft verfasste er ein Thesenpapier, das ichweiterentwickelte und auf der Konferenz meinen Weltbankkolle-gen vortrug. Die Essenz dieses Papiers war:

1. Die Afrikaner wollen etwas gegen Korruption tun.2. Korruption ist allgegenwärtig und höchst schädlich.3. Man kann etwas dagegen unternehmen.

Die Reaktion meiner Kollegen war enthusiastisch. Diesen Prakti-kern in anderen afrikanischen Ländern ging es wie mir. Sie hattenlange genug still gehalten und waren erleichtert, dass endlich einerdas aussprach, was uns allen am Herzen lag. Wir gründeten soforteine Task Force, die Methoden zur Korruptionsbekämpfung ent-wickeln sollte und zu deren Leiter sie mich bestimmten. Doch

34 Das Netz der Kor r upt ion

kaum hatten wir mit der Arbeit angefangen, als das Memorandumunserer Rechtsabteilung kam: Was wir taten, war nicht zulässig.Wir mussten sofort aufhören und die Task Force auflösen, dennder Weltbank sei jedwede politische Aktivität und Einmischung indie »inneren Angelegenheiten« eines Landes verboten. Und unserVorgehen gegen die Korruption fiel darunter.

Nach dem ersten Schock akzeptierte ich das Verbot und sagtemir: »Dann engagiere ich mich eben privat, nach Feierabend.«Auch viele andere waren jetzt noch bereit mitzuhelfen. Wir entwi-ckelten eine Idee, den »Business Practice Monitor«, in dem sichFirmen selbst verpflichten sollten, sich keiner Korruption schuldigzu machen. Wir konnten damals noch nicht wissen, dass es sichhierbei um einen ersten Vorläufer unseres heute unverzichtbaren»Integrity Pact« handelte.

In der Folge wollten wir mit Weltbankvertretern und Externeneine Konferenz veranstalten, um über diese Ideen zu diskutieren.Hansjörg Elshorst erklärte sich bereit, diese Veranstaltung zu fi-nanzieren. 9 900 Mark konnte er eigenmächtig aus dem GTZ-Etatfür einen solchen Zweck bewilligen. Weitere 9 900 Mark wolltePeter Sötje von der Deutschen Stiftung für Entwicklung beisteu-ern. Mit diesen Zusagen in der Tasche luden wir 20 wichtige undinteressierte Gäste für den 1. September 1990 nach Berlin ein, umdort in der Villa Borsig unsere Ideen zu konkretisieren.

Doch erneut war alles umsonst. Der Staatssekretär im Ministe-rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Siegfried Lengl, hattedie Auszahlung der Gelder verboten. Zwar durften sowohl dieGTZ als auch die Stiftung für Entwicklung ohne Zustimmung desMinisteriums Mittel von bis zu 10 000 Mark ausgeben, aber, soseine Argumentation, die Gesamtsumme beider Bundeseinrichtun-gen überstieg diesen Betrag – und deshalb konnte er unsere Konfe-renz de facto verbieten. Nur eine Woche vor dem geplanten Ter-min mussten wir die Sache abblasen.

Allen Teilnehmern, die die Anreise teilweise auf eigene Kosten

Erkenntn isse und Widers tände 35

bereits gebucht hatten, musste ich innerhalb kürzester Zeit absa-gen und meine Konferenzidee vorerst auf Eis legen. Ich ließ michaber nicht davon abhalten, privat weiterzumachen. Bis das zweiteMemorandum der Weltbank kam, das nun vom Weltbankpräsi-denten Conable persönlich unterschrieben war. Als Direktor derWeltbank könne ich auch nicht privat am Aufbau einer Strukturgegen Korruption mitarbeiten, da dies ein schlechtes Licht auf dieWeltbank werfe, ich müsse deshalb sofort jede Art von Bemühun-gen in diese Richtung einstellen.

Für mich war dies das endgültige Signal, meinen Abschied zunehmen. Ich war kurz davor, die so genannte »Rule of 80« zu er-füllen, nach der man ohne größere finanzielle Einbußen in den Ru-hestand gehen kann, wenn die Summe aus Lebensalter und Dienst-jahren die Zahl 80 erreicht. So war es für mich kein allzu großesOpfer, eher ein Neuanfang. Mit 54 fühlte ich mich natürlich nochzu jung für den Ruhestand. Ich hatte viel vor, wollte noch ein paarBeraterverträge annehmen und mich vielleicht ein, zwei Tage dieWoche um den Aufbau einer Antikorruptionsorganisation küm-mern.

Es war wieder meine Frau Jutta, die mich auf den Boden zu-rückholte: »Wir brauchen doch jetzt kein Geld mehr durch Bera-terverträge zu verdienen«, sagte sie, »sondern wir können jetzt ge-nau das tun, was wir für richtig halten.« Und das war, wie sichbald herausstellte, nur als Fulltime-Job möglich: die Gründungvon Transparency International.

36 Das Netz der Kor r upt ion

4Es geht los

Hier waren wir, eine Horde von weißen, westlichen, älteren Män-

nern mit einer Menge Pragmatismus und umfangreichen Erfah-

rungen in der Wirtschaft und gründeten eine NGO. Eine Nichtre-

gierungsorganisation, wie sie sonst nur von idealistischen,

jungen Menschen ins Leben gerufen wird.

Frank Vogl, ehemaliger Pressedirektor der Weltbank

Eigentlich hatte ich geplant, nahtlos aus der Weltbank auszuschei-den und mich sofort in die Arbeit an der neuen Antikorruptions-organisation zu stürzen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein-mal einen Namen hatte. Doch das Verbot des Initialtreffens durchStaatssekretär Lengl warf uns um ein komplettes Jahr zurück. Alsich im Juli 1991 die Weltbank verließ, ging ich erst einmal fürsechs Monate nach Namibia. Im Auftrag der Ford Foundation, dieja schon vor Jahren meine Beratertätigkeit in Botsuana geförderthatte, half ich dem jungen Staat, der gerade seine Unabhängigkeitvon Südafrika gewonnen hatte, eine neue Rechtsordnung auf denWeg zu bringen. Meine Frau Jutta arbeitete auch hier wieder alsÄrztin in einem Programm von UNICEF.

Mein Vorgesetzter während dieser Zeit war der brillante Gene-ralstaatsanwalt Hartmut Ruppel, mit dem mich bald eine engeFreundschaft verband. Auch mit dem obersten Richter TheoFrank entwickelte sich ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis.Beide waren brennend daran interessiert, die neue demokratische

Regierung, die aus einem mutigen Freiheitskampf gegen das Apar-theid-Regime in Südafrika hervorgegangen war, auch für die Zu-kunft offen und integer zu halten. Theo Frank leitete eine Antikor-ruptionskommission, die Präsident Nujoma eingesetzt hatte –deren Untersuchungsergebnisse dann allerdings nicht veröffent-lichen werden durften. Und Hartmut Ruppel setzte mich gezieltein, einen Verhaltenskodex für hohe Beamte und Mandatsträgerzu entwerfen. Beide sollten sich später bei der Gründung vonTransparency International engagiert beteiligten. Ein weiterer An-trieb für meine Arbeit für TI war der Besuch von General Oba-sanjo, dem damaligen Vorsitzenden des African Leadership Fo-rums und ehemaligen und amtierenden Präsidenten von Nigeria.Er gab in einem Treffen mit Präsident Nujoma der Idee von Trans-parency International schon damals wichtigen Auftrieb. Anschlie-ßend besuchten wir Südafrika, wo Obasanjo bei seinem FreundMandela für unsere Sache warb. Auf derselben Reise machten wirin Harare halt, wo er auf einer großen Konferenz der Global Coa-lition for Africa als eines ihrer Mitglieder die Antikorruptionsbe-wegung anpries.

So hielten wir an unserer Idee auf verschiedenen Konferenzenfest und konnten allmählich einige wichtige Bundesgenossen füruns gewinnen: den Ex-Weltbankpräsidenten Robert McNamara,die Entwicklungshilfeminister Jan Pronk (NL), Linda Chalker (UK)und Carl-Dieter Spranger (D) und ihre engsten Mitarbeiter, denChef der Interamerikanischen Entwicklungsbank Enrique Iglesias,den Generaldirektor für den Europäischen Entwicklungsfonds, Die-ter Frisch, Huguette Labelle, die Präsidentin der Kanadischen Ent-wicklungsorganisation CIDA, und zahlreiche weitere Persönlichkei-ten, insbesondere auch aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Eswar eine aktive Vorbereitungszeit zwischen meinem Abschied vonKenia im Sommer 1991 und der formellen Gründung von TI.

Als wir nach Jahrzehnten im Ausland nach Berlin zurückkehr-ten, hatte ich verschiedene Ideen, was ich hier mit meiner neu ge-

38 Das Netz der Kor r upt ion

wonnenen Freiheit anfangen wollte. Sicher war, dass ich immerwieder nach Namibia fahren würde, denn die Ford Foundationhatte einen entsprechenden Fonds eingerichtet, der mir erlaubte,dorthin zu reisen, wenn ich gebraucht wurde. Ich dachte aber auchan die Gründung einer Anwaltskanzlei oder an ein Engagement beider Osteuropa-Bank (EBRD), die nach dem Fall der Mauer drin-gend erfahrene Führungskräfte brauchte. Dort übernahm ich auchtatsächlich das eine oder andere Projekt als Berater. Die hochinte-ressante, aber umstrittene Aufgabe, die Sicherung der Atomenergiein Mitteleuropa zu betreuen, lehnte ich aber auch auf den Rat mei-ner Frau hin ab. Instinktiv war sie gegen den Ausbau der Atom-energie – und zum anderen meinte sie, dass wir wegen unsererWeltbankpension kein Geld mehr brauchten. Stattdessen warb icheinen der Vizepräsidenten der EBRD Miklos Nemeth, für Transpa-rency International an – er ist bis heute Mitglied des Beirats.

Es ist das große Verdienst von Hansjörg Elshorst, dass ich michschließlich voll und ganz auf Transparency International konzen-trierte. In vielen Gesprächen überzeugte er mich, alle meine Auf-merksamkeit auf TI zu richten – und unterstützte mich mit einemBeratervertrag der GTZ für eine Veranstaltung in Eschborn auchfinanziell. So wurde aus der geplanten Nebentätigkeit schließlicheine Vollzeitbeschäftigung.

Zu Jahresbeginn 1993 sah es natürlich noch ganz anders aus.Meine Frau und ich teilten uns ein kleines Zimmer unter dem Dachunseres damals komplett vermieteten Hauses in Berlin. Nur mit ei-nem Telefon und einem Faxgerät ausgerüstet, machte ich michdaran, alte Bekannte in aller Welt zu mobilisieren und von meinerIdee zu überzeugen. Es kam zu einer Reihe von Treffen mit denunterschiedlichsten Personen, die aus ebenso unterschiedlichenGründen etwas gegen die Korruption unternehmen wollten. Unserekleine Gruppe, die langsam entstand, traf sich in Eschborn, Kam-pala, Fairfax, London und einigen anderen Städten rund um denGlobus.

Es geht los 39

Eine der bis heute wegweisenden Zusammenkünfte fand An-fang 1993 in der Nähe von London statt. Paul Batchelor, heuteMitglied des Beirats von TI und damals Generaldirektor derUnternehmensberatung Coopers & Lybrand (heute Pricewater-houseCoopers), hatte uns die Ausbildungsstätte des Unterneh-mens als Tagungsort zur Verfügung gestellt. Das Latimer Housewar ein wunderschönes Schlösschen außerhalb von London. Hiertrafen wir uns mit rund 20 Mitstreitern, die den Kern von Trans-parency bilden sollten. Noch wussten wir nicht einmal genau, wel-che Art von Organisation wir gründen wollten. Zu unterschiedlichwaren die Motivationen der einzelnen Teilnehmer und die An-sätze, wie wir unseren Kampf beginnen wollten. Frank Vogl, derfrühere Pressedirektor der Weltbank und Mann der ersten Stunde,erinnert sich an die Ausgangssituation: »Hansjörg Elshorst, Ge-schäftsführer der GTZ, war Feuer und Flamme, denn er hatte er-lebt, wie Korruption Entwicklungsprojekte behinderte und ver-hinderte. Fritz Heimann dagegen, oberster Rechtsberater vonGeneral Electric, war frustriert, dass US-Unternehmen nicht beste-chen durften, während andere Länder korrumpierenden Firmensogar Steuervorteile gewährten. Er wollte also durch eine interna-tionale Aktion die Chancengleichheit wieder herstellen. JermynBrooks war erzürnt, dass die Buchhalter und Unternehmensbera-ter seines Unternehmens überall auf der Welt unfreiwillig Teil desTeufelskreises waren und nur viel zu oft ihre Augen davor ver-schließen mussten. Laurence Cockroft kannte als Entwicklungs-hilfeberater das Problem der Korruption sehr gut. George MoodyStuart wusste als Repräsentant verschiedener britischer Unterneh-men, wo man überall in der Welt wen wie bezahlen musste.«

Michael Hershman hingegen war als ehemaliger stellvertreten-der Generalinspektor der amerikanischen EntwicklungsbehördeUSAID und Inhaber einer weltweit tätigen amerikanischen Sicher-heitsfirma einer der wenigen Mitgründer von Transparency Inter-national, der tatsächlich Erfahrung mit der aktiven Bekämpfung

40 Das Netz der Kor r upt ion

der Korruption und großen Sachverstand bei Strafverfolgungs-prozessen hatte.

Aufgrund der unterschiedlichen Positionen aller Teilnehmerhatten wir schon viel Zeit mit wirrem Gedankenaustausch vergeu-det. Deshalb bat ich Hansjörg Elshorst, den Vorsitz der Konferenzim Latimer House zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass wirgreifbare Ergebnisse erzielen würden. Er erinnert sich: »Ich mussteeine gewisse teutonische Rücksichtslosigkeit einsetzen, um eine or-dentliche Diskussion durchzusetzen. Denn noch war nicht einmalklar, worüber wir sprechen wollten. Die einen wollten ein interna-tionales Forum schaffen, die anderen eine weltweite Strafverfol-gungsbehörde. Die holländische Regierung bot uns Büros undsechs bezahlte Stellen an – aber das lehnten wir sofort ab, da dieGefahr bestand, zu einer Regierungsbehörde zu werden.«

Nicht einmal über den Namen konnten wir uns zunächst eini-gen. Ich war von Anfang an für Transparency International. Dochdas Wort »transparency«, also Transparenz, stieß bei den Ameri-kanern auf wenig Gegenliebe. Michael Hershman meinte abfällig:»Bei diesem Begriff denke ich an Kondome. Besser wäre Honestyoder Integrity International.« Aber ich wollte dabei bleiben underzählte meinen amerikanischen Freunden, dass das Wort in Eu-ropa einen sehr, sehr guten Klang hätte und genau das ausdrückte,was wir wollten. Meinen europäischen Freunden, die auch nichtsmit dem Begriff anfangen konnten, erzählte ich, dass die Amerika-ner ganz begeistert seien. Heute sagt Michael Hershman: »Die an-deren setzten sich mit ihrem Namen durch – und im Nachhineinmuss ich sagen, sie hatten Recht.« Erstaunlicherweise fanden wirnicht in einer aufgeregten Diskussion zum ersten Gerüst für Trans-parency International, sondern just an dem einzigen Tag, den wiruns frei genommen hatten. Ich fuhr mit Hansjörg Elshorst undFrank Vogl nach Oxford und Cambridge, um mit ihnen die male-rischen Städte und die Universitäten anzusehen. Als wir durch diewunderschönen Gärten von Cambridge liefen und uns unterhiel-

Es geht los 41

ten, wurde uns immer klarer, dass Transparency Internationalnicht so sehr ein Wachhund oder Ankläger werden, sondern ehereine katalytische Rolle spielen und alle Beteiligten aus dem Kor-ruptionskreislauf an einen Tisch bringen sollte. Hier sprachen wirwohl auch das erste Mal unsere Idee aus, so genannte »Inseln derIntegrität« im Meer der Korruption zu schaffen. Das war derpragmatische Ansatz, kleine, begrenzte Gebiete oder Märkte zu si-chern, in denen es möglich sein sollte, Geschäfte ohne Korruptionabzuschließen – auch wenn die Beteiligten sich sonst korrupterMethoden bedienten. Dies war der erste Ansatz für unseren »Inte-grity Pact«, der heute weltweit in Gebrauch ist.

In unserem Gespräch wurden wir aber auch konkreter, was dieweitere Entwicklung von Transparency anbetraf. Frank Vogl er-innert sich: »Die nächsten Schritte waren klar. Zunächst musstenwir uns die Unterstützung wichtiger Persönlichkeiten aus den Ent-wicklungsländern sichern. Denn wir konnten ihnen nicht einfachnördliche Wertevorstellungen aufzwingen. Sie mussten von Anfangan dabei und vor allem überzeugt sein. Dann mussten wir eine Or-ganisation mit Strukturen schaffen. Hansjörg Elshorst als Leiter ei-ner Regierungsorganisation bzw. Fritz Heimann als führendes Mit-glied eines Unternehmens fielen aus – so wählten wir Peter zuunserem Chairman.«

Der erste Schritt zu einer Organisation war die Gründung eineseingetragenen Vereins. Sie erfolgte ziemlich schnell und auf etwasungewöhnliche Art. Im Februar lud nämlich der niederländischeEntwicklungshilfeminister Jan Pronk die wichtigsten Mitgliederunserer Gruppe nach Den Haag ein, damit wir ihm das Konzeptvon Transparency International vorstellten. Er und sein enger Be-rater Michel van Hulten hatten schon länger nicht nur Organisa-tionen wie die Global Coalition for Africa, sondern auch unserekleine Gruppe unterstützt, er zahlte auch jetzt unsere Anreise. Undhier, in seinem Konferenzraum, gründeten wir nun TransparencyInternational. Er rief einen deutschen Notar aus Amsterdam her-

42 Das Netz der Kor r upt ion

bei, der die Gründung nach deutschem Recht belegte. Gleichzeitigsorgten wir dafür, dass der Verein auch in Berlin ins Vereinsregis-ter eingetragen wurde. Die Gründungsmitglieder waren: HansjörgElshorst, Joe Githongo, Fritz Heimann, Michael Hershman, Ka-mal Hossain, Dolores L. Español, George Moody Stuart, JerryParfitt, Jeremy Pope, Frank Vogl und ich.

Gleichzeitig formten wir ein Direktorium, das die neue Organi-sation leiten sollte – also einen Vereinsvorstand. Ich wurde Vorsit-zender, Kamal Hossain aus Bangladesch und Frank Vogl aus denUSA die Vize-Vorsitzenden. Zum Vorstand gehörten außerdem:Laurence Cockroft (Großbritannien), Dolores Español (Philippi-nen), Theo Frank (Namibia), Joe Githongo (Kenia), MichaelHershman (USA) und Jerry Parfitt (Großbritannien).

Nach einem Empfang mit etwa 100 niederländischen Vertreternaus Polizei, Justiz und Politik flog ich wieder zurück nach Frankfurtam Main, wo ich mir ein Auto mietete und mich auf den Weg nachBerlin machte. Ich schaltete das Radio ein und traute meinen Ohrenkaum, als die Nachricht kam: »In Den Haag ist heute der DeutschePeter Eigen zum Vorsitzenden einer internationalen Organisationgewählt worden, die weltweit die Korruption bekämpfen will.« Erstjetzt bemerkte ich, wie wichtig es war, das KommunikationsgenieFrank Vogl und damit die Presse auf unserer Seite zu haben.

Nun ging es an den zweiten Schritt. In Berlin wollten wir unsereGründungskonferenz abhalten und dazu möglichst viele promi-nente Politiker und Wirtschaftsgrößen in die deutsche Hauptstadtholen. Hierzu formulierten wir klare Ziele. Wir wollten:

1. die Mauer aus Schweigen rund um die Korruption durchbre-chen, indem wir ausführlich und professionell über das Themasprachen;

2. gemeinsam die Realität der Korruption erkennen und definierenund die Mängel bestehender nationaler und internationalerGegenmaßnahmen aufzeigen;

Es geht los 43

3. Koalitionen gegen die Korruption bilden, indem wir verschiedeneSeiten zusammenbringen würden und gleichzeitig Ressourcen fürdie neue Organisation mobilisieren;

4. die Aufmerksamkeit der Medien auf die Gefahren der Korrup-tion lenken und zeigen, welchen Schaden sie besonders in denEntwicklungsländern anrichtet.

Die Konferenz sollte vom 4. bis 6. Mai 1993 in der Berliner VillaBorsig stattfinden, dem Sitz der Deutschen Stiftung für internatio-nale Entwicklung (DSE). Da ich allein mit der Organisation derVeranstaltung sowie dem Aufbau von Transparency überlastet ge-wesen wäre, engagierten wir unseren ersten Mitarbeiter, FrederikGaltung, den Sohn des norwegischen Friedensforschers und Trä-gers des Alternativen Nobelpreises Johan Galtung.

Endlich konnte ich mein Büro aus dem kleinen Zimmer unterdem Dach unseres Haus verlagern, da wir vom Institut für Wasser-gefährdende Stoffe an der Technischen Universität Berlin ein klei-nes Büro zur Verfügung gestellt bekamen. Dort teilten wir uns ei-nen Computer, dessen Tastatur sich immer derjenige schnappte,der gerade etwas tippen musste, der Drucker allerdings stand 50Meter entfernt im Zimmer der Sekretärin des Instituts. Gemein-sam verschickten wir unzählige Einladungen per Fax und E-Mailund telefonierten, bis uns die Ohren glühten. Aber ohne das Orga-nisationstalent Frederik, der auch noch unglaublich viele Sprachenspricht, hätte ich es niemals geschafft.

Die Konferenz mit 70 Teilnehmern aus mehr als 20 verschiede-nen Staaten war ein Erfolg und brachte uns einen großen Schrittvoran. Vor allem, weil so viele hochrangige Freunde aus aller Weltgekommen waren.

Robert S. McNamara, der ehemalige US-Verteidigungsministerund Ex-Chef der Weltbank, war begeistert von unserem Konzeptder »Inseln der Integrität« und sagte sein Kommen zu, wenn esmir gelingen würde, mindestens einen hochrangigen Wirtschafts-

44 Das Netz der Kor r upt ion

vertreter und einen führenden Politiker aus einem bedeutendenLand nach Berlin zu holen. Und tatsächlich schaffte ich es, den Vi-zepräsidenten von Ecuador, Alberto Dahik, nach Berlin zu holen.Zusammen mit Fritz Heimann als Stellvertreter von General Elec-tric reichte das McNamara aus, um anzureisen. Allein sein Er-scheinen und seine Aussage: »Die Chance, die Korruption effektivzu mindern, ist nun größer als in den letzten 50 Jahren« half uns,glaubwürdiger zu werden – sowohl in den Industriestaaten alsauch in der Dritten Welt.

Aber es kamen noch weitere wichtige Persönlichkeiten, ohnederen Unterstützung Transparency International niemals soschnell gewachsen und international akzeptiert worden wäre.

Mit all den bedeutenden Persönlichkeiten aus allen Teilen derWelt an Bord riefen wir gleich während der Konferenz ein Advi-sory Council, also eine beratende Versammlung ins Leben, derenVorsitz Alberto Dahik aus Ecuador übernahm. Außerdem be-schlossen wir, möglichst schnell nationale Niederlassungen, alsounsere Chapter, zu gründen. Und schon bald nahmen die Ersten inKenia, USA, Bangladesch, Großbritannien, Deutschland undEcuador ihren Betrieb auf.

Es geht los 45

5Die Organisation wächst

Es war von Anfang an klar, dass wir eine internationale Koalition

bilden mussten, deren Mitglieder nicht nur aus Entwicklungshilfe-

organisationen kamen, sondern die unterschiedliche Lebens-

hintergründe hatten. So fingen beispielsweise wir Amerikaner

sehr früh an, unser eigenes Chapter zu organisieren. Das stellte

sich als ziemlich schwierig heraus. Doch bereits 1994 gingen wir

an den Start.

Fritz Heimann

Da war sie also, die neue Organisation namens TransparencyInternational, oder zumindest das Gerüst, das wir nun mit Lebenerfüllen mussten. Unser Hauptquartier in Berlin bestand aus demkleinen Büro in direkter Nähe zum Bahnhof Zoo. Da ich der ersteMitarbeiter war, fiel die Entscheidung für Berlin als vorläufigemSitz von TI. Außerdem beherbergte die deutsche Hauptstadt sokurz nach dem Fall der Mauer noch keine andere internationaleNGO. So erhofften wir uns hier ein bisschen mehr Aufmerksam-keit als in den anderen Hauptstädten der Welt, wo es gleich Dut-zende von nichtstaatlichen Organisationen mit den unterschied-lichsten Zielen gab. Die endgültige Entscheidung über den Sitzsollte fallen, wenn wir einmal einen hauptamtlichen Geschäftsfüh-rer anheuern würden.

Natürlich war das Geld knapp. Wir waren auf Spenden undUnterstützungen von diversen internationalen Organisationen an-

gewiesen. Da waren etwa die GTZ, die mit einer Bürgschaft von70 000 Mark für unsere Miete einstand, und später die FordFoundation, die uns mit hohen Beträgen unterstützte. 5 000 Dol-lar jährlich kamen von der Global Coalition for Africa, an derzum Beispiel McNamara, Minister Pronk vom niederländischenEntwicklungshilfeministerium und Präsident Masire von Botsuanabeteiligt waren. Mittel, die es uns erst ermöglichten, eine tatkräf-tige Organisation aufzubauen. Hansjörg Elshorst erinnert sich:»Die Unterstützung war notwendig. Schließlich musste Peter nichtnur den Lebensunterhalt seiner Angestellten bestreiten, Miete be-zahlen und Reisekosten aufbringen, sondern noch eine Organisa-tion aufbauen. Ohne die Ausfallbürgschaft der GTZ hätte eineheute solide und anerkannte Organisation vor zehn Jahren nochnicht mal ein Büro anmieten können.«

Bei jeder Gelegenheit versuchte ich große oder kleine Spendeneinzutreiben – natürlich immer unter unserem Gebot der Transpa-renz. Wir waren so erfolgreich, dass wir schon im Jahr 1993 mitMargit van Ham unsere erste Office-Managerin und mit FrederikGaltung unseren ersten Programme Officer fest einstellen konn-ten. Am 1. Januar 1994 schließlich fing Jeremy Pope als erster Ge-schäftsführer bei uns an. Er und seine Frau Diana waren so begei-stert von Berlin, dass sie die Entscheidung über den Hauptsitz dortbereitwillig akzeptierten. Nach und nach übernahmen wir immermehr Räume in dem Universitätsinstitut am Bahnhof Zoo.

Wir wollten jedoch nicht nur in Berlin schnell operativ undunübersehbar sein, sondern auch in möglichst vielen anderenStaaten. Von Anfang an stürzten wir uns darauf, nationale Sek-tionen, unsere National Chapter, zu gründen. Wir wollten damitnicht nur vor Ort auf die Regierungen einwirken können, son-dern auch die Zivilgesellschaft auf unsere Seite bringen. FrankVogl drückt es so aus: »Der Erfolg von Transparency basiert aufdem außergewöhnlichen Mut der Menschen in den Entwick-lungsländern, die teilweise unter Einsatz ihres Lebens für unsere

Die Or gan isat ion wächst 47

Sache eintreten. In ihren nationalen Chapter begründen sie dieEffektivität von TI.«

Die ersten nationalen Chapter wurden mit sehr viel Privatein-satz und Eigeninitiative von unseren Mitgliedern vor Ort schnellaus dem Boden gestampft. Michael Hershman und Fritz Heimannetwa gründeten unsere Niederlassung in den USA und nutzten da-bei die Infrastruktur ihrer Firmen. Joe Githongo versuchte es inKenia.

Mit unserem Drang, möglichst schnell international vertretenund aktiv zu sein, machten wir leider auch Fehler. So bedauere iches im Nachhinein sehr, so stark auf Alberto Dahik gesetzt zu ha-ben, den Vizepräsidenten von Ecuador und damaligen Vorsitzen-den unseres Advisory Councils. Denn TI sollte, das ist die Er-kenntnis aus dem Fall Dahik, politisch unabhängig sein undkeinesfalls von Regierungsmitgliedern eines Landes geleitet oderübermäßig protegiert werden. Doch 1993 war ich von der umfas-senden Unterstützung durch Dahik und seinen Präsidenten SixtoDurán Ballén unglaublich begeistert, fast geblendet. Schon bei un-serem ersten Besuch in seinem Land bestellte er den OberstenRichter des Landes, den Chef der staatlichen Ölgesellschaft, undweitere Vertreter aus Politik, Justiz und Wirtschaft einfach in seinBüro, wo wir regelrecht Hof hielten und unser Konzept erläuter-ten.

Kraft seiner politischen Macht stampfte er TI in Ecuador ausdem Boden. Wir flogen zusammen nach Guayaquil, wo er denPräsidenten der katholischen Universität, übrigens den späterenStaatspräsidenten, schlichtweg zum Vorsitzenden des nationalenChapters machte. Kaum hatten wir unser Konzept der »Inselnder Integrität« entwickelt, wurde es sofort bei der Ausschrei-bung für eine neue Ölraffinerie eingesetzt. Damals war ich be-geistert davon, wie schnell hier ein schlagkräftiges Chapter auf-gezogen wurde. Leider übersah ich, dass allein durch dieZusammensetzung aus Vertretern der lokalen Eliten TI-Ecuador

48 Das Netz der Kor r upt ion

schon fast so etwas wie eine Persiflage auf unsere eigentlicheIdee geworden war.

Erst als Alberto Dahik 1995 selbst in einen Korruptionsskandalverstrickt wurde – ihm wurde vorgeworfen, mit schwarzen Kassenpolitischen Einfluss genommen zu haben –, wurde mir die Gefähr-lichkeit einer so engen Liaison zur Politik klar. Dahik floh ausEcuador in Richtung Costa Rica und ich musste innerhalb einerhalben Stunde die schwere Entscheidung treffen, ihn als Vorsitzen-den unseres Beirats zu suspendieren – unabhängig davon, ob diegegen ihn erhobenen Vorwürfe nun zutrafen oder nicht. UnsereFreundschaft ist darüber zerbrochen.

So sehr ich menschlich betroffen war, so sehr war dieser Vorfallein enormer Rückschlag für unsere Zweigstelle in Ecuador. Esdauerte Jahre, bis wir die Fehler korrigieren konnten. Erst dieneue Vorsitzende von TI-Ecuador, Valeria Merino Dirani, räumtedort auf wie Jesus im Tempel – verscherzte es sich dann aber auchmit den lokalen Eliten.

Der bedauerliche Fehler mit Alberto Dahik unterlief mir, weilich Transparency International und unsere Ideen möglichst schnellverbreiten und bekannt machen wollte. Denn ohne das öffentlicheInteresse hatten wir keine Chance. Umso dankbarer waren wir,dass wir den Kommunikator Frank Vogl an unserer Seite hatten,der uns in die Medien brachte. Auch wenn sie mich anfangs – wieder britische Economist – als »Don Quichotte« belächelten.

Auch andere Mitstreiter machten immer wieder auf unsere Sa-che aufmerksam. So etwa George Moody-Stewart, der 1993 seinBuch Grand Corruption veröffentlichte. Der britische Geschäfts-mann im Ruhestand war der Erste aus dem Kreis der Wirtschafts-führer, der offen die korrupten Methoden darlegte, mit denen dieExporteure und Unternehmen weltweit arbeiteten. Zum erstenMal legte er mutig und eloquent dar, wie die Privatwirtschaft Re-gierungen und jede Entwicklungsbemühung in der Dritten Weltbeeinflusste und torpedierte. Ihn kostete das ein paar Sitze in eini-

Die Or gan isat ion wächst 49

gen Aufsichtsräten, aber für unsere Sache war das Buch so wert-voll, dass er das verschmerzen konnte.

Wir begannen nun damit, die ersten intellektuellen Werkzeugegegen Korruption zu entwickeln. Jeremy Pope sammelte das Ma-terial für die erste Auflage des Source Book, das heute in mehr als20 Sprachen Methoden, Beispiele und Mittel auflistet, wie mander Korruption beikommen kann. Es entstand aus einer Check-liste, die er mir mit nach Ecuador gegeben hatte. In dieser Listewaren die relevanten Elemente für ein unbestechliches, also ein In-tegritätssystem genannt: Gesetze, Institutionen, Richtlinien. In ih-rer Gesamtheit und ihrem reibungslosen Zusammenspiel solltensie ein Integritätssystem ausmachen, das gegen Korruptionschützt. Außerdem arbeiteten wir weiter an unserem Konzept der»Inseln der Integrität« und entwickelten daraus langsam unserenIntegritätspakt.

1994 hielten wir unsere erste Jahreshauptversammlung mitrund 20 Mitgliedern ab. Alberto Dahik empfing uns in der ecua-dorianischen Hauptstadt Quito, wo wir uns entschieden, unsereAktivitäten auszuweiten. Bisher hatten wir, die pensionierten Ent-wicklungshelfer und langjährigen Banker, hauptsächlich die großeKorruption in der internationalen Wirtschaft ins Auge gefasst.Doch die junge ecuadorianische Aktivistin Valeria Merino Diraniüberzeugte uns, dass wir uns auch um die ganz alltägliche Korrup-tion kümmern müssten, die die Bürger jeden Tag spüren würden:die korrupten Polizisten, die bestechlichen Zollbeamten und diegekauften Politiker, mit denen sie jeden Tag konfrontiert seien.Wir spürten, dass sie Recht hatte und stimmten ihrem Vorschlagzu.

Außerdem fassten wir den Beschluss, weiterhin keine einzelnenKorruptionsfälle zu untersuchen oder Namen zu nennen. Wirwollten keine uns bekannt gewordenen Einzelfälle anprangern,sondern ein Klima für eine transparente Zusammenarbeit schaffen– und die Mittel dazu liefern. Das Aufdecken von Skandalen, so

50 Das Netz der Kor r upt ion

meinten wir schon damals, ist die Aufgabe von Behörden undJournalisten. Wir aber analysieren die aufgedeckten Fälle und ent-wickeln Systeme, um Korruption in Zukunft verhindern zu kön-nen. Durch diese Entscheidung brachten wir uns in jene objektivePosition, die es uns ermöglichte, mit allen Seiten zu sprechen – denBestochenen, den Bestechenden und der Strafverfolgungsbehör-den. Und es half uns dabei, unsere Mitglieder vor Ort zu schützen.Denn uns war klar, dass investigativ tätige Aktivisten in nicht we-nigen Ländern der Erde um ihr Leben fürchten mussten. Insofernwandten wir uns ab von der Strategie von Amnesty International,die ja gerade durch das Anprangern von Menschenrechtsverlet-zungen so erfolgreich ist.

Die Mitgliederversammlung in Quito setzte wichtige Akzente.So schickten wir eine Resolution an die Regierungen der Organi-sation of American States (OAS), in der wir darauf hinwiesen, wiewichtig die Korruptionsbekämpfung in Lateinamerika ist. Mit die-ser Aktion erzielten wir unseren ersten größeren Erfolg, als esnämlich unseren lateinamerikanischen Sektionen gelang, die Kor-ruption auf die Agenda des im Dezember stattfindenden Gipfel-treffens der beiden Amerikas zu bringen. Frank Vogl erinnert sich:

»Im Vorfeld des Gipfels suchte die Clinton-Administrationwohl recht verzweifelt nach einem anderen Thema als Drogen.Aber die Korruption wollten sie nicht unbedingt selbst auf dieAgenda setzen. Also übte TI etwas Druck auf die südamerikani-schen Regierungschefs aus, damit diese die Korruption auf die Ta-gesordnung brachten. Tatsächlich wurde dieser Gipfel zum ersten,auf dem das Thema Korruption offensiv angesprochen wurde –und damit zu einem symbolischen Meilenstein im Kampf gegendie Korruption. Das zu einem Zeitpunkt, als das TI-Hauptquartiergerade mal vier Mitarbeiter hatte.«

Dieser Erfolg zeigte uns, wie wichtig es war, regionale Chapterzu haben, die auch eng miteinander kooperierten. Denn nur durcheine konzentrierte Aktion, gesteuert aus Berlin und von unseren

Die Or gan isat ion wächst 51

Freunden in den lateinamerikanischen Staaten ausgeführt, hattenwir es geschafft, politisch Einfluss zu nehmen. Im Anschluss an dieKonferenz wurde auch eine Konvention unterzeichnet, mit der dieamerikanischen Staaten sich zur besseren Kooperation im Kampfgegen die Korruption verpflichteten.

Außerdem schlugen General Obasanjo und Oskar Arias ausCosta Rica in Quito vor, die Finanzierung des Source Book derFord Foundation anzutragen, die seitdem ein hervorragender Part-ner und Sponsor von TI geblieben ist. 1994 war auch insofern einMeilenstein, als sich die argentinische Poder Ciudadano (»Bürger-macht«) als erste nationale Nichtregierungsorganisation Transpa-rency International anschloss. Ihr charismatischer Führer LuisMoreno Ocampo wurde Mitglied unseres Advisory Councils undMitglied des Direktoriums; heute ist er Chefankläger des Interna-tionalen Strafgerichtshofs.

Im Jahr 1995 wurde die Welt erstmals in größerem Ausmaßeauf TI aufmerksam. Der erste Corruption Perceptions Index, derseine Veröffentlichung nur einem Zufall verdankt, brachte unsweltweit Schlagzeilen. Denn erstmals erstellten wir eine Ranglisteder Korruption, mit der wir bewerteten, welche Staaten nach Um-fragen vieler unabhängiger Meinungsforschungsinstitute be-sonders korrupt waren und welche nicht.

Im selben Jahr übernahm James Wolfensohn das Amt des Präsi-denten der Weltbank. Für uns bedeutete dieser Wechsel eine ent-scheidende Änderung. Denn während uns die Bank bisher bis aufsMesser bekämpft hatte, saß nun ein Mann am Ruder, der die Kor-ruption als allgegenwärtiges Übel begriff. Gegen die heftigstenWiderstände aus den eigenen Reihen lud er uns zu sich ein, ummehr über unseren Kampf zu erfahren.

Michael Hershman bezeichnet es heute als »monumentales Er-eignis« für TI, dass wir 1995 auch erstmals an der alle zwei Jahrestattfindenden Internationalen Antikorruptions-Konferenz (IACC)teilnahmen – und uns kurz darauf angeboten wurde, das Sekreta-

52 Das Netz der Kor r upt ion

riat für die Konferenzserie zu übernehmen. Allerdings stand dienächste Konferenz 1997 unter einem schlechten Stern, da sie – wassich nicht mehr ändern ließ – in Peru stattfand. Fujimori, der peru-anische Präsident, der heute wegen seiner Korruption und unde-mokratischen Praktiken weltweit diskreditiert ist, eröffnete sogarpersönlich die Konferenz – und viele lateinamerikanische TI-Sek-tionen blieben der Veranstaltung lieber fern. Doch die nächstenKonferenzen in Durban (1999) und Prag (2001) wurden ein vollerErfolg.

1995 war auch das Jahr des Skandals um Alberto Dahik. Gene-ral Olusegun Obasanjo aus Nigeria folgte ihm als Vorsitzenderunseres Beirats nach und wurde einer der radikalsten Verfechterder Demokratie in Nigeria, wo General Abacha gerade sein bluti-ges Regime angetreten hatte. Als ich ihn bei einem Frühstück imUN-Plaza-Hotel in New York warnte, doch etwas vorsichtiger mitseinen öffentlichen Angriffen auf Abacha zu sein, verlachte ermich nur: »Die würden sich nie trauen, mir etwas anzutun. DieNigerianer würden wie ein Mann für mich auf die Straße gehen.«Leider hatte er sich geirrt. Als Obasanjo nach Nigeria zurück-kehrte, wurde er aus fadenscheinigen Gründen vom Abacha-Re-gime verhaftet und in einem skandalösen Prozess zu 25 JahrenHaft verurteilt. Von da an verging kein Tag, an dem TransparencyInternational nicht für seine Freiheit kämpfte und Position bezog.Bei jeder Gelegenheit erinnerte ich an sein Schicksal. Immer wie-der erwähnte ich seinen Namen, wenn ich öffentliche Vorträgeoder Reden hielt. Einmal, zu Beginn einer Konferenz in Lima, ließich sogar offizielle Regierungsvertreter Nigerias gegen ihrenWillen in einer Schweigeminute für Obasanjo aufstehen.

Als Diktator Abacha 1998 unerwartet starb, kam Obasanjofrei. Er feierte seine Freiheit mit uns in Berlin und wollte nun mitvoller Kraft sein Amt als Vorsitzender des Beirats wieder aufneh-men. Solange Obasanjo im Gefängnis saß, hatte Ahmedou Ould-Abdallah aus Mauretanien es kommissarisch ausgeübt. Heute ist

Die Or gan isat ion wächst 53

er der Präsident Nigerias, des Landes, das auf unserem Korrup-tionsindex regelmäßig einen der letzten Plätze einnimmt. Gemäßunseren – nach dem Fall Dahik verschärften – Prinzipien gab ersein Amt in unserem Beratungsgremium an Kamal Hossein ab,den ehemaligen Justiz- und Außenminister von Bangladesch.

Ende 1997, also vier Jahre nach der Gründung von TI, hattenwir bereits 38 nationale Niederlassungen gegründet. Jeremy Popetrat damals als Managing Director zurück und ging nach London,um unsere Abteilung für »Innovationen und Forschung« zu leiten.Als seinen Nachfolger hätten wir uns keinen besseren Mann alsHansjörg Elshorst wünschen können. In seiner Position als Ge-schäftsführer der GTZ war er einer der Männer gewesen, ohne de-ren intellektuelle wie auch finanzielle Unterstützung TransparencyInternational heute überhaupt nicht denkbar ist. Im Herbst 2002schließlich übernahm Elshorst den Vorsitz über TI Deutschlandvon Michael Wiehen.

TI wurde unter Hansjörg Elshorst noch professioneller und be-schäftigt heute mehr als 50 Mitarbeiter in unserem BerlinerHauptquartier. Er schuf vor allem eine Organisation, die es unsund unseren überall verstreuten Chaptern ermöglichte, miteinan-der zu kommunizieren und an der weltweiten Arbeit von TI akti-ven Anteil zu nehmen.

Im Jahr 1999 entstand der Bestechungsindex (Bribe Payers In-dex – BPI), der die andere Seite der Korruption misst, nämlichjene, die Bestechungsgelder bezahlen. Es handelt sich also um dieRangfolge der Länder, deren Unternehmen bereit sind, Schmier-gelder in Entwicklungsländern zu bezahlen.

Ein Jahr später halfen wir dabei, die Wolfsberg-Prinzipien insLeben zu rufen, eine Vereinbarung der größten Privatbanken derWelt, die Geldwäsche und Korruption verhindern soll. 2001schließlich erschien zum ersten Mal unser Global Corruption Re-port (GCR), der eine Art Standortbestimmung der weltweitenKorruption ist.

54 Das Netz der Kor r upt ion

Heute hat TI fast 100 Chapter überall in der Welt und ist tat-sächlich innerhalb von zehn Jahren zu einer anerkannten Organi-sation geworden, die 2002 den renommierten und mit 150 000Euro dotierten Carl-Bertelsmann-Preis erhielt. Bis dahin war es einlanger, steiniger Weg – der jedoch längst nicht zu Ende ist.

Und auch ein Weg, der niemals zu schaffen gewesen wäre, ohnedie großzügige Hilfe all der zahlreichen Partner und Freunde, dieich natürlich nicht alle namentlich aufführen kann. Dazu sind eseinfach zu viele. Zu ihnen gehören die Frauen und Männer der er-sten Stunde ebenso wie unsere Freunde in Berlin und in unserennationalen Sektionen weltweit, die später auf den fahrenden Zugaufgesprungen sind. Und natürlich all diejenigen, die bis heute un-sere Idee mittragen. Um all ihnen gerecht zu werden, hätte dies einanderes Buch werden müssen. Ein Buch, das im Detail erzählt, wiees uns gelungen ist, eine erfolgreiche Nichtregierungsorganisationfast aus dem Nichts zu schaffen – ein Buch, das für viele, die ihrZiel mit Mitteln der Zivilgesellschaft verfolgen möchten, Anre-gung und Ermutigung sein könnte.

Hier jedoch geht es um einen umfassenden Überblick über dieEntstehungsgeschichte von TI, die Konflikte, die wir ausfechtenmussten, einen Überblick über das weltumspannende Problem derKorruption – und darum, zu zeigen, welche Werkzeuge wir fürden Kampf gegen den Bestechungssumpf entwickelt haben.

Die Or gan isat ion wächst 55

6Konflikt mit der Weltbank

Die Weltbank hat die Korruption zum größten Hindernis für wirt-

schaftliche und soziale Entwicklung erklärt. Korruption untergräbt

die Entwicklung, indem sie den Rechtsstaat verzerrt und die insti-

tutionellen Grundlagen schwächt, auf denen wirtschaftliches

Wachstum basiert.

www1.worldbank.org/publicsector/anticorrupt

Von wenig wohlmeinenden Kritikern wurde Transparency Inter-national über Jahre hinweg als »Kreatur der Weltbank« angese-hen, obwohl ausgerechnet diese Institution uns von Anfang anmehr als feindlich gegenüberstand. Zwar kam ich aus den Reihender Bank, doch gerade weil es mir dort unmöglich gewesen war,etwas gegen die Korruption zu unternehmen, hatte ich sie ja ver-lassen. Ähnlich ging es einigen meiner Mitstreiter, aber umgekehrtäußerte sich ein Teil unserer früheren Kollegen bei jeder Gelegen-heit verächtlich über TI, als seien wir eine Ausgeburt von dilettan-tischen Weltverbesserern.

Viel schlimmer noch: In den ersten Jahren versuchten Vertreterder Weltbank alles, um uns in unserer Arbeit zu behindern. Es halfnicht einmal, dass der ehemalige Präsident der Weltbank Robert S.McNamara auf unserer Seite stand und von der Bank forderte, un-sere Vorhaben und ganz besonders unser Konzept der »Inseln derIntegrität« zu unterstützen. Während er sogar persönlich mit unszu sieben afrikanischen Staatschefs reiste, um sie zu überzeugen,

blieb die Weltbank hartnäckig. Selbst eine bescheidene finanzielleUnterstützung, die wir für unsere Arbeit beantragten, wurde abge-lehnt.

Das lag vor allem an ihrer Rechtsabteilung und deren Chef,dem Ägypter Ibrahim Shihata. Der inzwischen verstorbene Shi-hata war ein mächtiger Mann innerhalb der Weltbank. Sein er-klärtes Ziel war sehr ehrenwert: Er wollte die Entwicklungsländerdavor schützen, im Zusammenhang mit Weltbankprojekten Opferzu vieler Vorschriften und Bedingungen zu werden. Damals nahmdie Tendenz der Weltbank, ihre Darlehensnehmer mit der so ge-nannten »Konditionalität« ans Gängelband zu nehmen, drastischeAusmaße an. Ibrahim Shihata und seine Mannschaft wiesen inzahlreichen Artikeln und Büchern darauf hin, dass die Satzung derBank es ausdrücklich verbot, wenn die Bedingungen für ein Darle-hen den Bereich der Wirtschaftsentwicklung verließen und zu weitin die politischen Angelegenheiten der Empfängerländer vordran-gen. Die rechtliche Beurteilung über diese Ermessensfrage oblagsatzungsgemäß dem General Counsel, also Ibrahim Shihata.

Sein Missverständnis bezüglich TI war nur, dass es uns keines-falls um Vorschriften oder Konditionalität ging. Wir hatten unsereArbeit gerade auch auf Wunsch jener Entwicklungsländer aufge-nommen, in denen eine neue Generation von Politikern, Professio-nellen, Intellektuellen in Afrika und anderen Teilen des Südens unsdringend um Hilfe beim Schutz ihrer Gesellschaften gegen Kor-ruption bat. Als ich Ibrahim Shihata anfangs meine Ideen für TIvorstellte, war er sogar sehr angetan und bot seine persönlicheMitarbeit an. Doch von Anfang an wollte er die Weltbank völligheraushalten, damit man sie nicht mit dem Kampf gegen die Kor-ruption in Verbindung bringt. Nach jahrelangen Diskussionenwurde er zunehmend offener und kurz vor seinem Tod hat er sichsogar auf Konferenzen insbesondere in arabischen Ländern mitbrillanten Vorträgen für TI eingesetzt.

Zunächst aber setzte er Christian Walser, einen erfahrenen Ju-

Konf l i k t mi t der Wel tbank 57

risten, darauf an, uns an unserem Versuch zu hindern, die Welt-bankoperationen mit unserer Agenda zu durchsetzen. Das tatWalser dann auch mit voller Kraft, obwohl unübersehbar war, wieer mit seinem Handeln der Dritten Welt schadete. Doch das schiendiesen hartnäckigen Mann nicht zu stören.

Er argumentierte etwa, dass die so genannten Procurement Gui-delines Korruption praktisch ausschlossen. Diese Anschaffungs-richtlinien sahen vor, dass jeder Anbieter aus einem Mitgliedslandder Weltbank ohne sachfremde Einschränkung zu jedem Aus-schreibungsverfahren zugelassen werden muss. Diese heilige Lehredes normalen Weltbankverfahrens würde durch unseren Integri-tätspakt nur verwässert werden und sogar gegen Sinn und Zweckder Procurement Guidelines verstoßen. Daher sei er völlig über-flüssig und sogar schädlich.

Nach unserem Integritätspakt sollten jedoch nur solche Anbie-ter zugelassen werden, die bereit sind, sich zur Nichtbestechung zuverpflichten. Bei Verletzung dieser Verpflichtung sollten korrum-pierende Firmen von künftigen Ausschreibungsverfahren ausge-schlossen werden.

Ich hatte vor Jahrzehnten als Mitglied der Rechtsabteilung dieseProcurement Guidelines selbst mit entworfen und kannte ziemlichgenau ihre Stärken und Schwächen. So wusste ich auch, wie sievon korrupten Beamten und bestechenden Firmen ausgehebeltwerden konnten. Aber die Juristen und Anschaffungsexperten derWeltbank wollten das einfach nicht wahrhaben. Selbst als die sie-ben afrikanischen Staatschefs, die wir mit McNamara besuchthatten, in klug formulierten Briefen von der Weltbank forderten,dass unser Konzept bei den von ihr finanzierten Projekten umge-setzt werden, blieb die Rechtsabteilung stur.

Ihr Argument war immer wieder, dass die Weltbank unpolitischsein müsse. Eine klare Stellungnahme gegen die Korruption wäreaus ihrer Sicht eindeutig Einmischung in die Politik gewesen.Noch mehr: Die Rechtsabteilung verhinderte aktiv, dass unser In-

58 Das Netz der Kor r upt ion

tegritätspakt eingesetzt wurde. So wollte Äthiopien ihn auf eigeneFaust bei einem großen Kraftwerksprojekt erstmals ausprobieren,doch bei der Vorbereitung des Projekts durch das Weltbank-Teamverhinderte die Rechtsabteilung den Einsatz dieses wichtigen In-struments durch das eigentlich willige Vorbereitungsteam. Auf un-seren Druck hin wurden die einschränkenden Klauseln in den Pro-curement Guidelines zwar geändert, doch der Integritätspakt warnur in den Fällen zugelassen, in denen erstens die jeweilige Regie-rung ihn für alle ihre öffentlichen Anschaffungen zwingend vor-sieht, und zweitens eine unabhängige Instanz besteht, welcheStreitigkeiten schlichtet. Beide Voraussetzungen sind unvernünf-tig, insbesondere die zweite, da der Integritätspakt ja gerade fürsolche Länder und Situationen gedacht ist, in denen wegen unzu-länglicher Institutionen die Korruption grassiert.

Der Streit mit diesen Teilen der Weltbank kostete mich einigepersönliche Freundschaften, die ich seit meiner Anfangszeit geradeauch in der Rechtsabteilung gepflegt hatte, auch jene mit ChristianWalser.

Es war eine Zeit der Grabenkämpfe in der Weltbank. Wir hat-ten dort durchaus auch mächtige Freunde, nur konnten sie sichnicht durchsetzen. Manche spüren noch heute die Wunden, die siesich bei dem Versuch, unsere Arbeit zu unterstützen, zugezogenhaben. Der Versuch, mit der Weltbank effektiv gegen die Korrup-tion zu kämpfen, schien hoffnungslos.

Bis im Sommer 1995 James Wolfensohn Präsident der Welt-bank und Herr über diese mächtige internationale Organisationwurde. Schon kurz nach seinem Amtsantritt erkannte der ehema-lige Investment-Banker, wie wichtig das Thema Korruption ist.Und wir verfolgten gespannt den Personalwechsel an der Spitzedieser widerspenstigen Organisation. Frank Vogl erinnert sich:»Wolfensohn, der von der Wallstreet kam, war sehr durch die Ver-änderungen in der politischen Landschaft beeinflusst. Er erkannte,dass es wichtig war, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass das Geld der

Konf l i k t mi t der Wel tbank 59

Weltbank nicht direkt in die Taschen der Diktatoren wanderte.Gleichzeitig erschienen in Deutschland erste Artikel über die ver-schwundenen Milliarden aus Afrika. Für uns war das eine un-glaubliche Gelegenheit. Und Peter ist einfach brillant, wenn es da-rum geht, Gelegenheiten zu erkennen und sie zu nutzen. Wirwussten genau, wie wichtig es war, die Weltbank mit all ihremEinfluss in der Dritten Welt an unserer Seite zu haben.«

Doch die alte, indoktrinierte Garde innerhalb der Weltbank warabsolut gegen uns. Diese Leute, die in den Jahren 1993 und 1994noch das Sagen hatten, waren zum einen völlig verstrickt in innen-politische Grabenkämpfe. Zum anderen waren sie absolut davonüberzeugt, dass die Weltbank gute Arbeit leistete und dass ein Vor-gehen gegen Korruption dieser Arbeit nur schaden würde. Alsoblockierten sie einfach alles, was von Transparency Internationalkam. Aber Wolfensohn änderte das grundlegend.

Der neue Präsident bemühte sich von seinem ersten Arbeitstagan, möglichst viele Nichtregierungsorganisation zu treffen undsich ihre Argumente anzuhören. Er kam auch nach Bonn und trafsich an einem Montagmorgen im Dezember 1995 gleich mit einerganzen Gruppe von NGOs, die in Deutschland ansässig waren,darunter auch mit mir von Transparency International. Ich hattezuvor gehört, dass er ein begeisterter Musiker war und Cellospielte. Also ließ ich vorab bei ihm anfragen, ob er nicht Lusthätte, etwas mit uns bei seinem Besuch in Bonn zu musizieren. Eindortiger Freund von mir ist ein guter Pianist und war gerne bereit,in unserem Hausmusik-Trio mitzumachen. Für Wolfensohn orga-nisierte ich ein Cello und brachte meine Klarinette und die passen-den Noten von Beethoven und Brahms für ein Trio mit.

Leider reagierte Wolfensohns Büro nicht mit einem Wort. Den-noch ließ ich die Verabredung zumindest im Geiste offen und warum Punkt zehn in dem Saal des Bundesministeriums für wirt-schaftliche Zusammenarbeit (BMZ), in dem das Treffen mit Wol-fensohn stattfinden sollte. Er traf etwas verspätet ein, war aber

60 Das Netz der Kor r upt ion

sehr charmant und auch recht unkonventionell, als er die anwe-senden Vertreter der NGOs um ihre Meinungen und Vorschlägebat. Es war ein einziges Lamentieren und Beschweren. Die Vertre-ter der Umweltschutzorganisationen klagten über die Rolle derWeltbank bei der Umweltzerstörung, die Frauenverbände über dieschlechte Stellung der Frauen, Entwicklungshilfeorganisationenberichteten von den Problemen bei der Finanzierung von Stau-dämmen oder Schulen durch die Bank. Wolfensohn hörte sich al-les geduldig an, versuchte gar nicht, dagegen anzureden und ver-sprach nur: »Alles wird besser.«

Dann war ich an der Reihe. Ich beschwerte mich zunächstnicht, sondern sagte, dass ich 25 Jahre für die Weltbank gearbeitethätte und dass wir uns immer bemüht hätten, das Richtige zu tun.Dass er jetzt hier vor den Vertretern der NGOs alle diese Erfolgeeinfach so von der Hand weise und quasi zugebe, dass die Welt-bank in den vergangenen Jahren in all diesen Bereichen schlechtgearbeitet habe, gefalle mir nicht. Denn wir hätten innerhalb derWeltbank schon einiges für die Entwicklungsländer erreicht. Aberdann gab ich zu, dass man dies eben nicht beim Thema Korrup-tion behaupten könne. Ich erzählte, dass ich regelrecht aus derWeltbank herausgeekelt worden sei, als ich es wagte, dagegen auf-zubegehren. Umso erleichterter sei ich, dass er gleich bei seinemAmtsantritt versprochen habe, etwas gegen die Korruption unter-nehmen zu wollen.

Das gefiel ihm, sehr sogar. Denn er relativierte seine Kritik ander Arbeit der Weltbank, die aber verbessert werden müsse, undbekräftigte, dass er vorhabe, mit ganz besonders harter Hand ge-gen die Korruption vorzugehen. Im Anschluss bat er mich, ihn inseinem Wagen zum nächsten Termin zu begleiten. Das tat ichgerne – und wir blieben noch bis in den späten Abend zusammenund unterhielten uns sehr angeregt. Dabei sagte er mir, dass er garkein so guter Musiker sei. Zwar wäre er sehr begeistert und wärevon seinen Freunden Jacqueline du Prée und Daniel Barenboim

Konf l i k t mi t der Wel tbank 61

besonders fürs Cello inspiriert worden. Für seine wenigen öffent-lichen Auftritte hätte er aber sehr intensiv üben müssen. EinfachNoten vom Blatt abzuspielen, wie ich das für unser Bonner Triovorgeschlagen hätte, traute er sich nicht zu. Aber das Band war ge-knüpft. Ich schwebte wie auf Wolken, denn ich war von diesemlebhaften Mann begeistert – und ich wusste natürlich auch, wiewichtig der Kontakt zu ihm für unsere Sache war. »Besuchen Siemich doch einfach, wenn Sie das nächste Mal in Washingtonsind«, sagte er zum Abschied, nachdem er am Ende des Empfangsin der Godesberger Redoute, schon im Mantel, für die wunderba-ren Musiker, die an dem Abend für ihn spielten, noch die Notenumgeblättert hatte.

Schon ein paar Wochen später hatte ich einen Termin bei ihm inseinem Washingtoner Büro und verbrachte dort mehrere Stunden.Es zeigte sich, dass er die Arbeitsweise und Strukturen der Welt-bank noch nicht gut kannte und gerade erst begann, sich einzuar-beiten. Aber seine Mitarbeiter hatten ihm immerhin schon verra-ten, dass das Wort Korruption innerhalb der Weltbank tabu sei.Ich erklärte ihm die Dinge und Zusammenhänge so, wie ich siesah – und wir verabredeten, dass ich bald wieder mit einem klei-nen Stab von TI-Mitarbeitern zurückkehren würde und wir einganztägiges Seminar mit ihm und seinen wichtigsten Führungs-kräften veranstalten würden. Für uns war das der Durchbruch inden Beziehungen zur Weltbank. Kaum zwei Jahre nach Gründungvon TI hatten wir einen Schritt gemacht, für den wir zehn Jahreveranschlagt hatten.

Es vergingen noch rund drei Monate, bis es tatsächlich zu die-sem Treffen kam. Natürlich hatten wir uns ausführlich darauf vor-bereitet und die verschiedenen Taktiken durchgesprochen. FrankVogl erinnert sich: »Wir hatten von 9:30 bis 14:00 Uhr Zeit, 15von Wolfensohns wichtigsten Leuten zu erklären, was die Welt-bank nach Ansicht von TI unternehmen sollte. Wolfensohn selbstwar bereits auf unserer Seite, aber er sagte zu uns: ›Ich muss mein

62 Das Netz der Kor r upt ion

Management überzeugen.‹ Unser Vorteil war nun nicht nur, dasswir an diesem Tag eine ganze Reihe von ernst zu nehmenden Ar-gumenten im Gepäck hatten, nein, wir konnten sie auch in dieSprache der Weltbanker fassen. Hier saßen ihnen nicht langhaa-rige Berufshippies gegenüber, sondern Manager, die selbst jahre-lang in hohen Positionen der Weltbank gewirkt hatten. Und wirwussten genau, wie wir sie nehmen mussten.«

Wir nutzten die Zeit, um darzustellen, wie omnipräsent dieKorruption war und wie sehr sie gerade Entwicklungsprojekte derWeltbank beeinflusste oder gar zunichte machte. Wolfensohn warvon der ersten bis zur letzten Minute dabei und begann sofort,sich Notizen zu machen und Listen mit allen anstehenden Aufga-ben zu erstellen. Nur Ibrahim Shihata fehlte. Er hatte unseren er-klärten Gegner Walser geschickt, der während des ganzen Semi-nars kein Wort äußerte.

Bis die Weltbank letztendlich auf unseren Kurs einschwenkteund zu einem treuen Mitstreiter im Kampf gegen die Korruptionwurde, verging noch eine lange Zeit. Zwar stand Wolfensohn alsKapitän auf der Brücke und versuchte das Steuerrad zu drehen,doch das Schiff bewegte sich noch unbeirrt im gewohnten Fahr-wasser.

Heute haben wir den Eindruck, dass die Weltbank im Großenund Ganzen auf unserer Linie liegt. Das hat zum einen sicher sei-nen Grund darin, dass Wolfensohn sehr geschickt vor allem diepolitischen Exekutivdirektoren, die die über 180 Mitgliedstaatenvertreten, überzeugt hat. Zum anderen setzte er einen strategi-schen Ausschuss ein, der sich regelmäßig traf, um die Umsetzungder neuen Antikorruptionspolitik zu steuern. Der damalige Ge-schäftsführer von TI, Jeremy Pope, und ich waren regelmäßige Be-rater und Teilnehmer der Sitzungen dieses Ausschusses, dessenEmpfehlungen nach und nach in die Arbeit der Weltbank eingefä-delt wurden, bis sie nach fast zwei Jahren als umfassende Richtli-nien überall verteilt wurden.

Konf l i k t mi t der Wel tbank 63

Inzwischen verkündete Wolfensohn die neue Politik der Welt-bank in flammenden Reden auf wichtigen Konferenzen, wie zumBeispiel auf der Jahrestagung von Weltbank und Währungsfondsim Oktober 1996. Das erforderte erheblichen Mut, eine klare Vi-sion und politisches Geschick. Heute kann man sich die Bedeu-tung dieser Leistung kaum noch vorstellen, so sehr haben sich dieZeiten geändert. Die Weltbank hat dabei eine bahnbrechendeRolle gespielt. Viele Institutionen, insbesondere auch bilateraleund internationale Entwicklungsorganisationen, die VereintenNationen, internationale Unternehmen und Verbände, haben sichdieser Linie angeschlossen und den Kampf gegen die Korruptionaufgenommen.

64 Das Netz der Kor r upt ion

7Die OECD-Konvention

Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Maßnahmen, um

nach ihrem Recht jede Person mit Strafe zu bedrohen, die un-

mittelbar oder über Mittelspersonen einem ausländischen Amts-

träger vorsätzlich, um im internationalen Geschäftsverkehr einen

Auftrag oder einen sonstigen unbilligen Vorteil zu erlangen oder

zu behalten, einen ungerechtfertigten geldwerten oder sonstigen

Vorteil für diesen Amtsträger oder einen Dritten anbietet, ver-

spricht oder gewährt, damit der Amtsträger in Zusammenhang

mit der Ausübung von Dienstpflichten eine Handlung vornimmt

oder unterlässt.

OECD-Konvention zur Bekämpfung der Auslandskorruption,

Paragraf 1, Absatz 1

Eigentlich ist es heute kaum mehr zu glauben, dass es bis 1999 un-ter deutschem Recht erlaubt war, Politiker und Beamte andererLänder zu bestechen. Schlimmer noch: Firmen konnten diese Be-stechungszahlungen sogar als »nützliche Ausgaben« von derSteuer absetzen. Das bedeutete, jeder deutsche Geschäftsmannkonnte ungestraft unter deutschem Recht die Beamten und politi-schen Führer jedes Staates der Dritten Welt mit Geld gefügig ma-chen – und schädigte damit nicht nur die Bevölkerung in diesenLändern, sondern den deutschen Steuerzahler gleich auf zweierleiWeise. Zum einen reduzierte er auf Kosten des Staatshaushaltesseine eigenen Steuern, zum anderen sorgte er dafür, dass vielenutzlose Entwicklungsprojekte oft auch von Deutschland geför-

dert wurden oder zumindest, dass Projekte unnötig teuer wurden.Dass dabei vor allem die ärmsten Bewohner jener Entwicklungs-staaten auf der Strecke blieben und weiter verelendeten, war diezwangsläufige und traurige Konsequenz. Wenn gegen einen sol-chen korrupten Geschäftsmann dann doch einmal vor Ort eineUntersuchung eingeleitet wurde, setzte er sich in die Heimat ab,wo sein Unternehmen ihn mit seinen nützlichen Fähigkeiten dannin einem anderen Land einsetzte.

In der Regierung Kohl erkannten das Skandalöse an dieserRechtslage nur einige wenige Politiker wie Entwicklungshilfemi-nister Spranger, aber gegen die Wirtschaftslobbyisten und seinemerkantilistisch eingestellten Kabinettskollegen konnte er sichnicht durchsetzen. Wirtschaftsminister Günther Rexrodt undBundestagsabgeordnete der Regierungsparteien vertraten damalsöffentlich die Meinung, dass ein Verbot der internationalen Kor-ruption durch deutsche Exporteure den sofortigen Verlust von Ar-beitsplätzen in Deutschland zur Folge haben würde. Schließlichwürde man sich ohne diese Praktiken auf dem Weltmarkt nichtmehr durchsetzen können. Dass die USA schon 1977 in ihrem Fo-reign Corrupt Practices Act (FCPA) die Auslandskorruption ver-boten hatten, schien die Apologeten der ausländischen Bestechungnicht zu beeindrucken. Deutsche und andere europäische Unter-nehmen betrachteten den FCPA, soweit er überhaupt von denamerikanischen Behörden durchgesetzt wurde, sogar als Wettbe-werbsvorteil. Sie konnten ungeniert bestechen und die Aufträgeergattern, während die Konkurrenz aus den USA zähneknirschendzuschauen oder zumindest diskreter bestechen musste.

Krampfhaft hielt sich bei uns die Theorie, dass in den meistenweniger entwickelten Ländern Korruption und Vetternwirtschafttraditionell nicht nur geduldet, sondern sogar moralisch positivbeurteilt werden. Da half es nicht, dass einige Regierungsvertreteraus afrikanischen Staaten immer wieder erklärten, dass es sich da-bei nur um einen selbst gebastelten Mythos des Nordens handelte.

66 Das Netz der Kor r upt ion

Ich erinnere ich mich noch gut an die Konferenz der Global Coali-tion for Africa Mitte der 90er Jahre in Den Haag, auf der deräthiopische Staatspräsident die »Brüder aus dem Norden« gera-dezu flehentlich bat, ihre Geschäftsleute daran zu hindern, die Eli-ten der afrikanischen Staaten systematisch zu bestechen. Hier wa-ren viele hochrangige Vertreter diverser europäischer Staatendabei. Ich beobachtete, wie der deutsche Staatssekretär Hedrichvom BMZ sich tief beeindruckt Notizen machte. Auch Prinz Bern-hard der Niederlande sprach mich im Anschluss an diese Sitzungdarauf an. Vielleicht nahm hier so langsam etwas Gestalt an.

Etwas, das die OECD aufnahm. Die »Organisation für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung« besteht aus inzwi-schen 30 Industrienationen, einschließlich Deutschland. Ihr ist eszu verdanken, dass heute die Auslandskorruption in fast allen ih-ren Mitgliedstaaten verboten ist. Im Mai 1995 formulierten dieWirtschaftsminister der OECD eine nichtbindende Empfehlung,dass alle Mitgliedstaaten ihren Staatsangehörigen die Korruptionim Ausland verbieten sollten. TI wurde von Anfang an eingeladen,zu dieser Empfehlung Stellung zu nehmen. Unser Team beteiligtesich an vielen Sitzungen der Expertengruppe für Korruption beider OECD in Paris. Vor allem begannen die nationalen Sektionenvon TI intensive Gespräche mit ihren jeweiligen Regierungsdelega-tionen, die etwa von Kanada, Großbritannien und den USA mitDankbarkeit aufgenommen wurden. In Deutschland hatten wirdamit nur wenig Glück. Besonders im Wirtschaftsministeriumwurden wir wie Aussätzige behandelt. Ähnlich ging es unserenKollegen in Frankreich.

Angesichts dieses Widerstandes ist es fast ein Wunder, dass am21. November 1997 die 30 OECD-Mitglieder und fünf weitereExportländer die Konvention zur Bekämpfung der Auslandskor-ruption unterschrieben (»Übereinkommen über die Bekämpfungder Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Ge-schäftsverkehr«). Zwei Jahre später, als alle Vertragsstaaten außer

Die OECD-Konvent ion 67

Irland die Konvention ratifiziert und in nationales Recht umge-setzt hatten, trat sie in Kraft.

Dass es dazu kam, hat viele Gründe. Natürlich gab es politischeund wirtschaftliche Interessengruppen, die heftigen Druck ausüb-ten. So waren naturgemäß die Amerikaner sehr daran interessiert,endlich wieder gleiche Wettbewerbsbedingungen im internationa-len Markt zu schaffen. Aber auch wir von Transparency Interna-tional haben einen wichtigen Teil zum Erfolg der Konvention bei-getragen. So übernahm es ein TI-Team von drei erfahrenenJuristen, Fritz Heimann aus den USA, Peter Rooke aus Australienund Michael Wiehen aus Deutschland, für uns in Paris am Sitz derOECD für die Konvention zu kämpfen und Lobbyarbeit zu betrei-ben. Fritz Heimann erinnert sich: »Als die ersten Gespräche überinternationale Korruption innerhalb der OECD begannen, flog ich1995 nach Paris. Ich wollte mich persönlich mit allen Beteiligtentreffen und mit der US-Delegation zusammenarbeiten. Einige mei-ner Freunde dachten, ich würde meine Zeit bei der OECD ver-schwenden. Sie sagten, ich müsse nach Brüssel gehen, zur EU.Doch die Europäische Union hatte zu diesem Zeitpunkt kein grö-ßeres Interesse an dem Thema Korruption außerhalb ihrer Gren-zen.«

Wir erfuhren auch, dass man gerade in den Finanzministeriennicht besonders glücklich über die Absetzbarkeit von Bestechungs-geldern zu sein schien. Die Beamten fürchteten anscheinend, durchdie steuerliche Anrechenbarkeit dieser dubiosen Zahlungen sehrviel Geld zu verlieren. Damit hatten wir schon einige entschei-dende Mitstreiter gewonnen.

Die OECD wurde tatsächlich relativ schnell aktiv und richteteeine Untergruppe ein, die sich mit dem Thema beschäftigen sollte.Und bereits 1996 formulierte diese eine erste Resolution zur Ver-meidung von Korruption und arbeitete weiter daran, eine Konven-tion zu entwickeln, die die Bestechung von ausländischen Füh-rungspersönlichkeiten grundsätzlich illegal machte.

68 Das Netz der Kor r upt ion

Im Frühjahr 1997 trafen sich dann die entsprechenden Ministerder Mitgliedstaaten. Und erstmals schien es im Vorfeld so, als obDeutschland, Frankreich, Japan und Großbritannien bereit seien,etwas zu unternehmen und die inzwischen entwickelte Konven-tion zu unterschreiben. Ich war allerdings mehr als besorgt, dassdas Ganze im Sande verlaufen oder mehrere Jahre brauchenwürde. Denn ich wusste, wie lange es oft dauert, bis internationaleVereinbarungen die jeweiligen Parlamente passieren und in Krafttreten.

Doch die OECD verhinderte das, indem sie den beteiligten Staa-ten einfach keine Wahl ließ. Sie setzte mit Ende 1997 eine extremenge Deadline für die Unterzeichnung der Konvention. Zu unsererÜberraschung wurde dieser Termin in der Tat eingehalten. Am 17.Dezember 1997 wurde die OECD-Konvention gegen die Korrup-tion in Paris unterzeichnet.

Ein entscheidender Faktor, der die Zustimmung der europäi-schen Regierungen zu diesem historischen Schritt beförderte, wardie Zustimmung einiger führender europäischer Wirtschaftskapi-täne, denen immer klarer wurde, dass es mit der internationalenKorruption, wie sie in den letzten Jahrzehnten eingerissen war, sonicht weitergehen konnte. Mit ihnen führte ich zunächst nur per-sönliche Einzelgespräche.

Als sich nach und nach eine gewisse Sympathie für unsere Über-legungen eingestellt hatte, luden wir die Wirtschaftsführer zu Sit-zungen ins Berliner Aspen-Institut auf der Insel Schwanenwerderim Wannsee ein. Richard von Weizsäcker, der inzwischen Mitglieddes Beirats von Transparency International geworden war, bürgtemit seinem Vorsitz in dieser Runde für Rationalität und Ver-trauen. Nach drei Sitzungen war es so weit, dass maßgeblicheUnternehmensführer einen offenen Brief an Minister Rexrodt undandere europäische Wirtschaftsminister schrieben, in dem sie ihreRegierungen aufforderten, eine OECD-Konvention gegen interna-tionale Korruption zustande zu bringen. Sie sahen in dem koordi-

Die OECD-Konvent ion 69

nierten Verfahren zum gleichzeitigen Abbau der Bestechung eineMöglichkeit, dieses weltweite Übel zu beseitigen, ohne gegenüberweniger skrupulösen Wettbewerbern ins Hintertreffen geraten zumüssen.

Die Konvention beziehungsweise ihre gesetzmäßige Umsetzungin deutsches Recht passierte sowohl den deutschen Bundestag alsauch den Bundesrat, wurde am 10. September 1998 im Bundesge-setzblatt (Bundesgesetzblatt II Seite 2327) veröffentlicht und tratam 15. Februar 1999 in Kraft. Als ich dies anerkennend in meinerDankesrede für die Heuss-Medallie erwähnte, die TI im Frühjahr1999 verliehen wurde, brach das versammelte Publikum in derStuttgarter Reithalle, einschließlich der Vorsitzenden der Heuss-Stiftung, Hildegard Hamm-Brücher, und des BundespräsidentenHerzog in Beifall aus. In der Tat war Deutschland einer der erstenSignatarstaaten der OECD-Konvention, der dieses Formerforder-nis voll erfüllte.

Doch was nützt das beste Gesetz, wenn es nicht umgesetzt undüberwacht wird. Die Expertengruppe bei der OECD sorgte unterder kompetenten Leitung ihres Vorsitzenden, Professor Mark Piethvon der Universität Basel, für ein wirksames Überwachungssystem.So beschlossen die Vertragsstaaten, sich gegenseitig durch regelmä-ßige Besuche zu überprüfen, ob die Konvention nicht nur auf demPapier steht, sondern in nationales Recht umgesetzt und die Bestra-fung der Auslandskorruption mit den einschlägigen Vergehen im In-land gleichgestellt wird. Hierbei hört die Gruppe sowohl die Mei-nung von Regierungsvertretern als auch von Wirtschaftsverbändensowie anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, wie eben auchTransparency International. Naturgemäß sehen wir es als unserePflicht an, die Einhaltung und Umsetzung der Konvention in denUnterzeichnerstaaten kritisch zu begleiten und den jeweiligen Kom-missionen unsere Sicht der Dinge darzulegen.

Für Deutschland übernehmen das die deutsche Sektion von TIund einige TI-Mitarbeiter unter der Leitung von Michael Wiehen.

70 Das Netz der Kor r upt ion

Deren Einschätzung war bei der ersten Überwachungsmission vielkritischer als die sehr positive Sicht der Wirtschaftsverbände undRegierungsvertreter. Leider ließ die Bundesregierung nicht zu, dasswir bei den offiziellen Treffen der Kommission mit Regierungsver-tretern als Beobachter anwesend waren. Michael Wiehen: »Wirbrauchen nach wie vor in Deutschland und vielen anderen betrof-fenen Ländern einen höheren Bekanntheitsgrad für die Konven-tion. Nur sieben Prozent der Manager von nationalen oder inter-nationalen Unternehmen, die in 15 Entwicklungsländern tätigsind, sind überhaupt mit der Konvention vertraut. Der Anteildeutscher Firmen und speziell deren Niederlassungen in den Ent-wicklungsländern könnte durchaus etwas höher sein, aber wahr-scheinlich nicht viel. Das merkt man auch in vielen persönlichenDiskussionen mit Managern, ganz besonders im mittelständischenBereich. Hier ist das Wissen um die Strafbarkeit der Auslandskor-ruption und um den Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit er-schreckend gering.«

Während der Staat inzwischen einiges getan hat, um die inner-deutsche Korruption einzudämmen, etwa durch so genannteSchwerpunkt-Staatsanwaltschaften, haben wir immer noch denEindruck, dass lange nicht genug getan wird, um gegen die Aus-landskorruption vorzugehen. Wir sind auch der Meinung, dass dieRegierung nicht genug unternimmt, um den Fakt, dass es über-haupt eine solche Konvention gibt, bekannt zu machen. Die ein-zige uns bekannte Aktivität in diese Richtung ist eine Initiative desWirtschaftsministeriums, eine Arbeitsgruppe aus Industrie, Regie-rung und NGOs zu schaffen, in der die Richtlinien der Konven-tion diskutiert werden und ein in der Konvention vorgeschriebe-ner nationaler Kontaktpunkt geschaffen werden soll. Nacheinigen wenigen Treffen ist in dieser Gruppe allerdings bisher nurwenig geschehen.

Andererseits wurden einige Handelskammern und Wirtschafts-verbände recht aktiv und veranstalteten Treffen, auf denen die

Die OECD-Konvent ion 71

Auswirkungen der Konvention auf Deutschland diskutiert wur-den. Vertreter von TI sprachen auf zahlreichen dieser Veranstal-tungen oder veröffentlichten Beiträge in den Publikationen derOrganisationen. Allerdings waren die Teilnehmerzahlen unsererMeinung nach nicht sonderlich hoch – und die Meinungen ehernegativ und abwehrend. Wir bekamen die üblichen Argumente zuhören: »Wie sonst können wir Geschäfte machen?« und »Wiedereinmal wird Deutschland den Regeln strikt folgen und jeder an-dere wird munter so weitermachen wie bisher.« Immer wiedermussten wir miterleben, dass Politiker und Wirtschaftsbosse öf-fentlich die Meinung aussprachen, dass »in bestimmten Ländernalle Wettbewerber immer noch bestechen und man keine andereChance hat, als den lokalen Gewohnheiten zu folgen«. Das istfürchterlich.

Es ist also noch viel zu tun, um die Regeln der OECD-Konven-tion in Deutschland zur gelebten Wirklichkeit werden zu lassen.Dazu gehören neben einer umfassenden Information und Aufklä-rung der im Ausland tätigen Firmen auch eine bessere Strafverfol-gungsstruktur innerhalb der Behörden – sowie einige weiterewichtige Umsetzungen. So schreibt das Steuergesetz inzwischenvor, dass das Finanzamt sofort die Strafverfolgungsbehörden alar-mieren muss, wenn es in den Büchern eines Unternehmens auf ei-nen Hinweis stößt, dass das Unternehmen ausländische Entschei-dungsträger bestochen haben könnte. Leider können wir nichtüberprüfen, ob das tatsächlich konsequent geschieht. Uns sind nurwenige Fälle bekannt, in denen die Behörden tatsächlich aktivwurden, so etwa, als eine Münchner Firma versuchte, einen Auf-trag in Südafrika durch Bestechung zu erlangen oder ein Unter-nehmen aus Schleswig-Holstein seine potenziellen Auftraggeber inLitauen bestach. Das liegt zum einen daran, dass das Bundeskrimi-nalamt keine zentrale Statistik führt, zum anderen kann es aucheinfach daran liegen, dass erst verhältnismäßig wenige Fälle aufge-deckt wurden. Leider wissen wir nicht, ob die Finanzämter ihre

72 Das Netz der Kor r upt ion

Erkenntnisse konsequent weitergeben, und wir vermuten, dass In-formationen von unterlegenen Mitbietern oder aus dem jeweiligenAusland die Strafverfolgungsbehörden häufig nicht erreichen.

Ein Erfolg für uns war es, dass die Richtlinien der Hermes-Ex-portbürgschaften auf unser Drängen hin geändert wurden. Jetztsteht in den Richtlinien der von der Allianz im Auftrag des Wirt-schaftsministeriums erteilten Exportkredite ausdrücklich, dass dieVersicherung keinesfalls für durch Korruption angebahnte Ver-träge einstehen wird und dass sofort jede Bürgschaft nichtig undalle gezahlten Gebühren hinfällig werden. Exporteure, die sich umeine Hermes-Bürgschaft bemühen, müssen der Korruption jetztauch schriftlich eine Absage erteilen.

Unter der Führung eines unserer wichtigsten Mitarbeiters derersten Stunde, Dieter Frisch, der als ehemaliger Generaldirektorfür Enwicklungszusammenarbeit in Brüssel ein sehr hohes Anse-hen genießt, ist es uns auch gelungen, diese Regelungen für Ex-portfinanzierung in das europäische Regelwerk einzuführen.

Alles in allem kleine Schritte auf dem richtigen Weg. Und nochsind viele Schritte zu gehen. Wir werden sie kritisch begutachten,analysieren und nicht davor zurückschrecken, weiterhin den Fin-ger in offene Wunden zu legen.

Die OECD-Konvent ion 73

8Der Integritätspakt

Der Integritätspakt ist ein Werkzeug, das in den 90er Jahren von

Transparency International entwickelt wurde, um den Regierun-

gen, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, die bereit sind, die

Korruption zu bekämpfen, im Bereich von öffentlichen Auftrags-

vergaben zu helfen. Der Integritätspakt hilft, das Vertrauen der

Bevölkerung in das Vergabeverhalten der Behörden zu stärken

und trägt dazu bei, die Glaubwürdigkeit in das Vorgehen von Re-

gierungen und Administrationen im Allgemeinen zu steigern.

Transparency International über den Integritätspakt

Die Idee ist genauso simpel wie revolutionär. In einem eng be-grenzten Markt, in einer einzigen Wettbewerbssituation, setzensich alle Beteiligten an einen Tisch. Die ausschreibende Behördeoder das ausschreibende Unternehmen und alle potenziellen Auf-tragnehmer, die sich um den Kuchen streiten. Und dann bringtman sie dazu – völlig unabhängig davon, wie sie sich in anderenMärkten verhalten oder ob sie nun zuvor jahrelang bestochen ha-ben oder bestochen worden sind –, eine Vereinbarung zu treffen,die nichts anderes regelt, als dass sich jeder Teilnehmer verpflich-tet, in dieser einen Wettbewerbssituation auf korrupte Methodenzu verzichten. Eine unabhängige Stelle, wenn möglich eine Orga-nisation der Zivilgesellschaft, wie beispielsweise eine nationaleSektion von TI, wird berufen, die dies überwacht. Wer gegen dasAntikorruptionsgebot verstößt, erhält empfindliche Strafen. Das

ist kurz umrissen der Integritätspakt oder Integrity Pact (IP), einesunserer effektivsten Instrumente im Kampf gegen die Korruption.

Wer genau eigentlich die Idee hatte, kann heute bei Transpa-rency International niemand mehr sagen. Als ich Ende 1992 mitRobert McNamara über diese Idee sprach, war er wie elektrisiert.Ich nannte das damals noch die »Insel der Integrität«, um zu ver-anschaulichen, dass wir von den Beteiligten nicht verlangten,überall in der Welt von heute auf morgen ihre Praktiken zu än-dern. Sie sollten nur an einem Punkt anfangen, an dem sie sichdarauf verlassen konnten, dass ihre Wettbewerber an dieselbenRegeln gebunden waren. Es war gleichsam ein Fluchtweg aus demGefangenendilemma. McNamara glaubte so stark an diesen Me-chanismus, dass er meine Einladung zur Gründungsveranstaltungin Berlin nur unter der Bedingung annahm, dass wir die »Insel derIntegrität« zum Hauptgegenstand unserer Beratungen machenwürden. Nur das konnte seiner Meinung nach einen Erfolg imKampf gegen die Korruption ermöglichen. Vereinbarungsgemäßverhandelte er mit Alberto Dahik aus Ecuador, Fritz Heimann undmir am Vorabend der Konferenz bis in die frühen Morgenstunden,um den Einsatz der »Insel der Integrität« bei einem der nächstenProjekte in Ecuador zugesichert zu bekommen. Er versprach TIaus seiner eigenen Tasche eine Spende von 10 000 US-Dollar,wenn dies zum ersten Mal gelingen sollte. Nachdem wir uns aufall das verständigt hatten, erlaubte er uns hochzufrieden, bei derGründungsveranstaltung seinen Namen zu benutzen, obwohl ersich nicht selbst an der Tagung beteiligen wollte. Später rief ermich immer wieder an, um den Stand der »Inseln der Integrität«zu erfahren. Schließlich reiste er mit uns zu befreundeten afrikani-schen Staatschefs, um sie von der Nützlichkeit dieser Idee zu über-zeugen.

Auch bei den großen Unternehmen fand die Idee Anklang. Sieerschien ihnen als plausible Möglichkeit, aus der Korruptionsfallezu entkommen, ohne wichtige Aufträge an weiterhin bestechende

Der In tegr i tä tspakt 75

Wettbewerber zu verlieren. Der Versuch, die Interessenlage derwichtigen Akteure zu verstehen und ihnen einen Ausweg aus demDilemma zu ebnen, war sicherlich bezeichnend für die strategi-schen Überlegungen, die wir gemeinsam bei der Gründung vonTransparency International verfolgten. Wieder waren wir ganzpragmatisch, wie es unser Ansatz war, und wir waren bereit, jenekleinen praktischen Schritte in den »Inseln der Integrität« vor-wärts zu gehen.

Hansjörg Elshorst erinnert sich: »Ich weiß noch, wie ich michkurz vor unserer wegweisenden Konferenz im Latimer House aufdem Flug von Frankfurt nach London mit dem Chefökonomender GTZ unterhielt, der sehr skeptisch war und alles für Quatschhielt. Meines Wissens war dies das erste Mal, dass wir davon spra-chen, dass wir dafür sorgen müssten, dass auf einer ›Island of Inte-grity‹ das vorgelebt wurde, was wir uns vorstellten. Die Idee lag inder Luft, auch Peter und Michael Wiehen hatten sie wohl zur etwagleichen Zeit, sodass ich keinerlei Geburtsrecht reklamiere. Schondamals griff das Konzept, sehr viele Menschen aus den unter-schiedlichsten Lebensbereichen zusammenzubringen und gemein-sam deren Fähigkeiten und Ideen zu nutzen, um eine Koalition zugründen.«

Es war Michael Wiehen, der nach seinem Ausscheiden aus derWeltbank den Integritätspakt ausarbeitete, um ihn zu dem feinen,aber auch flexiblen Instrument zu schleifen, der er heute ist. Er er-zählt: »Der Integritätspakt ist ein Versprechen auf Gegenseitigkeit,gilt also für beide Seiten, zum Beispiel Ministerien auf der einenund Baufirmen, Lieferanten und technische Berater auf der ande-ren. Dabei muss der Auftraggeber bei der Ausschreibung angeben,dass er den Pakt anwenden will und sich alle Anbieter daran hal-ten müssen. Wichtig ist dabei, dass sowohl der Auftraggeber alsauch der Auftragnehmer Sanktionen unterliegen. So verpflichtetsich etwa der Auftraggeber, Disziplinarmaßnahmen gegen kor-rupte Mitarbeiter einzuleiten. Der potenzielle Auftragnehmer

76 Das Netz der Kor r upt ion

wird, wenn ihm korrupte Methoden nachgewiesen werden, natür-lich den Auftrag verlieren. Außerdem beinhaltet der Pakt den Ver-lust der Bietergarantie, jener Summe, die die Bieter dem Auftrag-geber als Sicherheit im Voraus bezahlen müssen und die bei einemAuftragsvolumen von 50 Millionen Euro in der Regel drei bis fünfMillionen beträgt. Zusätzlich wird der Korrumpierende schadens-ersatzpflichtig und kommt auf eine schwarze Liste, wird also vonzukünftigen Aufträgen ausgeschlossen.«

Die Überwachung erfolgt entweder durch TI oder durch andereMitglieder der Zivilgesellschaft. Der Auftraggeber kann auch eineexterne Firma mit der Überwachung beauftragen. Wichtig ist, dassdie Überwacher Zugang zu sämtlichen Unterlagen erhalten müssen.

Am effektivsten bei der Aufdeckung von Korruption sind, wiewir festgestellt haben, die Mitbewerber der korrupten Firmen. Diewissen oft als Erste, dass geschmiert worden sein muss. Wir ver-trauen also auch auf den Druck durch benachteiligte Mitbewerber.

Die Kernpunkte des Integritätspakts sind schnell umrissen. Fürdie ausschreibende Behörde oder Organisation legt er Folgendesverbindlich fest, wie auch in unseren entsprechenden Grundlagen-papieren nachzulesen ist:

• Kein offizieller Vertreter der Behörde wird weder direkt nochdurch Mittelsmänner jede Art von Bestechungsgeld, Geschen-ken, Gefallen oder sonstige Vorteile für sich oder eine anderePerson, Organisation oder dritte Partei, die etwas mit der Ver-gabe zu tun hat, annehmen oder verlangen und dafür Vorteileim Bieterprozess gewähren.

• Die Behörde wird alle nötigen und angemessenen technischen,rechtlichen und administrativen Informationen, die das lau-fende oder ausgeschriebene Projekt betreffen, öffentlich zu-gänglich machen.

• Kein Vertreter der Behörde wird den Bietern oder Vertragspart-nern vertrauliche Informationen zukommen lassen, die dem Bie-

Der In tegr i tä tspakt 77

ter oder Vertragspartner einen unrechtmäßigen Vorteil innerhalbdes Ausschreibungsverfahrens oder der Durchführung des Ver-tragsabschlusses verschaffen würden.

• Alle Vertreter der Behörde, die mit dem Bieterprozess, der Über-prüfung des Angebots und dem Vertragsabschluss zu tun haben,werden jedweden Interessenkonflikt im Zusammenhang mit derAuftragsvergabe enthüllen. Es wäre äußerst wünschenswert,dass sie auf dieselbe Weise sowohl ihre eigenen als auch die Ver-mögenswerte ihrer Familienmitglieder offen legen.

• Jeder Vertreter der Behörde wird jeden Versuch oder tatsächlicherfolgten Bruch der Vereinbarungen sowie jeden ernsthaftenVerdacht, dass es zu einem solchen Bruch gekommen ist, denentsprechenden Regierungsbehörden melden.

Was die potenziellen Auftragnehmer angeht, sehen die Regelnähnlich aus:

• Sie werden weder den Vertretern der ausschreibenden Behördenoch ihren Verwandten oder Freunden weder direkt noch durchMittelsmänner jedwede Art von Schmiergeldern, Geschenken,Gefallen oder andere Vorteile anbieten, um innerhalb des Bie-terprozesses Vorteile zu erhalten.

• Sie werden sich nicht mit anderen Parteien innerhalb des Aus-schreibungsprozesses absprechen und so die gebotene Transpa-renz und Fairness des Bieterprozesses und des Vertragsabschlus-ses beeinträchtigen.

• Sie werden keine Vorteile im Gegenzug für unprofessionellesVerhalten akzeptieren.

• Sie werden alle Zahlungen an Agenten oder andere Mittelsmän-ner offen legen, die außerdem keinesfalls mehr als den angemes-senen Gegenwert für ihre Dienste erhalten dürfen. Diese Offenle-gung sollte vorzugsweise durch alle Bieter bei der Gebotsabgabeerfolgen, aber allerspätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem derAuftrag vergeben wird.

78 Das Netz der Kor r upt ion

Der Pakt ist multifunktional einsetzbar. Er passt nicht nur bei derVergabe von Bauaufträgen, sondern immer da, wo eine begrenzteAnzahl von Wettbewerbern sich um einen konkreten Markt be-müht, also auch bei Privatisierungsprojekten und der Vergabevon Nutzungsrechten oder Lizenzen, etwa für Rohstoffgewin-nung, Bergwerke, Erdölförderung, Forstrechten, Energie- oderWasserversorgung, Telefondienste oder die Müllentsorgung. Na-türlich ist es wichtig, dass wirklich alle Beteiligten an einem Aus-schreibungsprozess dem Integritätspakt beitreten. Weigert sichnur ein einziger, funktioniert das Modell nicht. Darin lag übrigensder Disput mit der Weltbank, die sich wehrte, Anbieter, die sichweigern, dem Pakt beizutreten, von einer Ausschreibung auszu-schließen. Doch wegen der immanenten Logik wirkten wir natür-lich auf die ausschreibenden Stellen ein, dass sie den Beitritt allerpotenziellen Bieter zu unserem Pakt zur Vorschrift machen. Soll-ten einige Bieter Zweifel daran haben, sollte man so lange mit ih-nen verhandeln und den Vertrag überarbeiten, bis man sichschließlich auf einen für alle Beteiligten akzeptablen Integritäts-pakt einigt.

Der Integritätspakt ist kein in Stein gemeißeltes Gesetz, sonderner kann an viele Bedürfnisse angepasst werden. Außerdem werdengenerell das Konzept und seine konkrete Ausgestaltung von unsimmer wieder auf ihre Brauchbarkeit überprüft und durch neu ge-wonnenes Wissen ergänzt.

Derzeit ist er weltweit in Gebrauch. So zum Beispiel bei 60 bis70 Projekten in Kolumbien und jeweils zwei bis drei Projekten inPakistan, Italien, Korea, Panama, Nepal, Paraguay und Mexiko.

In Kolumbien nahm die Regierung Pastrana im Mai 1999 unse-ren Integritätspakt sogar in die Prioritätenliste ihres »NationalenEntwicklungsplanes« auf. In Artikel 4, Absatz 2, heißt es dort:»Um die Zivilgesellschaft am Kampf gegen die Korruption zu be-teiligen, werden wir die Umsetzung des Programms der Inseln derIntegrität von Transparency International propagieren, damit sich

Der In tegr i tä tspakt 79

Bieter in nationalen und internationalen Ausschreibungen zu ihrerpersönlichen und wirtschaftlichen Verantwortung durch Antikor-ruptionsvereinbarungen bekennen.«

Innerhalb eines Jahres gelang es TI Kolumbien, schon rund 40Projekte mit dem Integritätspakt erfolgreich umzusetzen. An eini-gen dieser Projekte waren auch internationale Institutionen wiedie Weltbank, die interamerikanische Entwicklungsbank, dieUNDP (das Development Programme der UNO) oder die deutscheGTZ beteiligt.

Einige weitere Beispiele sollen zur Illustration genügen. In derargentinischen Stadt Morón wurde der Integritätspakt zwischender Stadtverwaltung und insgesamt vier Bietern geschlossen, diesich um einen Vierjahresvertrag zur Müllentsorgung bewarben.Das Projekt hatte einen ungefähren Umfang von 32 Millionen US-Dollar. In Italien überzeugte unser Chapter die Verwaltungen vonMailand, Genua, Varese und Bergamo, unseren Pakt einzusetzen.Nachdem die Stadtverwaltung und das Stadtparlament von Mai-land im Oktober 2000 seiner Anwendung bei öffentlichen Aus-schreibungen zustimmten, signalisierten sofort sechs weitere italie-nische Städte ihr Interesse. Und tatsächlich flogen in Mailand aucheinige Firmen auf, die sich nicht an den Pakt gehalten hatten.Auch in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul waren wir erfolg-reich. Allein im Jahr 2000 wurde der Integritätspakt bei insgesamt62 Projekten mit einem Gesamtvolumen von 105 Millionen US-Dollar eingesetzt. Mehr Informationen gibt es übrigens im Inter-net unter <www.metro.seoul.kr>.

Über eines unserer aktuellsten Projekte erzählt Michael Wiehen:»Wir freuen uns besonders, dass der Integritätspakt jetzt auchzum ersten Mal in Pakistan zum Einsatz kam. Hier ging es um dieProjektierung einer circa 150 Kilometer langen Wasserpipeline.Ein ähnliches Projekt vor vier Jahren hatte damals 200 MillionenDollar gekostet. Diesmal sind es gerade mal 50 Millionen. Wirführen das natürlich nicht nur auf den Integritätspakt zurück, son-

80 Das Netz der Kor r upt ion

dern auch auf das gesteigerte öffentliche Interesse an dem Projekt,aber sicher haben wir einen kleinen Beitrag geleistet.«

Weltweit sind wir also aktiv, um unseren Integritätspakt be-kannt zu machen. Die Ergebnisse sind mehr als ermutigend. Kor-rupte Staatsdiener und korrumpierende Unternehmen flogen auf,Bieterprozesse wurden für die Öffentlichkeit transparent gestaltet,Projekte für die öffentlichen Kassen günstiger. Eine Erfolgsbilanz,die ausgerechnet hierzulande durchbrochen wird. Michael Wie-hen: »In Deutschland haben wir unsere Mithilfe vor sechs Jahrenbeim Bau des Flughafens Berlin-Schönefeld angeboten. Damalshatten sowohl die Anbieter als auch die Regierungen von Berlinund Brandenburg ihre Zustimmung gegeben. Aber die Betreiber-gesellschaft hat den Pakt vehement abgelehnt und somit zumScheitern gebracht. Sie haben sich bitter beschwert, wie wir über-haupt davon ausgehen könnten, dass es hier zu Korruption kom-men könne. Drei Monate später gab es den ersten Korruptionsfall.Wir haben bereits mit einer ganzen Reihe von deutschen Kommu-nen gesprochen oder sind noch in Gesprächen. Denn wir habenviele Informationen, die belegen, dass wir Weltmeister im Beste-chen sind. Allein in Wuppertal laufen 750 Verfahren wegen Kor-ruption. Doch bisher war noch niemand in Deutschland bereit,den Integritätspakt einzusetzen. Es bedarf eben noch einer MengeÜberzeugungsarbeit.«

Der In tegr i tä tspakt 81

9Wie Unternehmen handeln müssen

Von den Top-1000 der Wirtschaftsunternehmen haben vielleicht

100 einen Verhaltenskodex. Nicht einmal 20 davon haben eine

Unternehmenspolitik und einen Leitfaden, der das Unternehmen

davon abhält, Bestechungsgelder zu zahlen.

Jermyn Brooks, Transparency International

Im November 1998 wurde ich von der amerikanischen Organisa-tion »Business for Social Responsibility« zu einem Vortrag nachBoston eingeladen. Im Ballsaal eines schönen alten Hotels hattensich etwa 800 Generaldirektoren großer Konzerne vor allem ausden USA und Europa versammelt, um darüber zu diskutieren, wiein einer globalisierten Wirtschaft sozial gerecht gehandelt werdenkönnte. Insbesondere ging es um die Rolle, die die Privatwirtschaftdabei übernehmen könnte. Vor mir sprach der frühere Minister-präsident von Israel, Shimon Peres. Seine Hauptthese war, dass an-gesichts der verminderten Fähigkeit von Regierungen, die Geschi-cke der Weltgemeinschaft zu steuern, die Stunde des Privatsektorsgeschlagen habe, um Verantwortung zu übernehmen. Immerhinwären die multinationalen Wirtschaftsunternehmen ja seit langemgewohnt, in der globalen Arena zu arbeiten, sie dächten in globa-len Kategorien und verfügten über globale Mittel, um ihre globalenStrategien durchzusetzen. Daher komme es nun vor allem daraufan, dass Wirtschaftsunternehmen lernten, sozial verantwortlich zuhandeln und sich nicht nur von Gewinnstreben und Shareholder-

Values leiten zu lassen. Ihr Ziel solle sein, die längerfristigen Inter-essen der Menschheit zu verstehen und zu fördern.

Provoziert durch diese faszinierende Vorlage, legte ich meinsorgfältig vorbereitetes Manuskript zur Seite und setzte mich kri-tisch mit seiner These auseinander. Schon vor 30 Jahren, als ichnoch als Assistent von Professor Heinrich Kronstein versuchte,die Funktionen und Hintergründe des internationalen Wettbe-werbsrechts zu durchschauen, hatte ich erkannt, dass es sehrnützlich ist, wenn Geschäftsleute bereit sind, sich an ethischeGrundsätze zu halten und sie in ihren Unternehmen umzusetzen.Doch ohne gesetzliche und hoheitliche Rahmenbedingungenfunktioniert keine Wettbewerbsgesellschaft, in der Unternehmenihre volle Leistung erbringen und dabei noch das Allgemeinwohlfördern.

Dasselbe gilt auch noch heute für die Rolle der Privatunterneh-men in der globalen Wirtschaft. Sie brauchen Rahmenbedingun-gen, um ihre beachtlichen Fähigkeiten, ihre technologischen undfinanziellen Mittel und ihr organisatorisches Geschick im Sinne ei-ner nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ein-zusetzen. Allerdings stimmte ich mit meinem Vorredner überein,dass einzelstaatliche Regierungen immer weniger in der Lage seinwerden, diese Bedingungen zu schaffen, da die zu regelnden Sach-verhalte immer öfter über die nationalen Hoheitsgrenzen der je-weiligen Staaten hinausgehen. Ich sagte, dass meiner Meinungnach die Regierungen und ihre internationalen Organisationen beider zunehmenden Globalisierung in den letzten Jahrzehnten häu-fig versagt hätten, ganz besonders bei der internationalen Korrup-tionsbekämpfung. Hier seien es in erster Linie die Regierungen dermeisten Exportländer, also vor allem der reichen Länder, diegrenzüberschreitende Bestechung erlaubten und sogar förderten.

Den versammelten Wirtschaftskapitänen machte ich deutlich,dass die Privatwirtschaft in dieser Beziehung genauso versagt hattewie die Regierungen. Und das fast ausnahmslos, denn kein Wirt-

Wie Unter nehmen hande ln müssen 83

schaftsunternehmen kann sich an hohe sozialethische Maßstäbehalten, wenn die Mitbewerber dies nicht tun. Mein Fazit in jenemBostoner Ballsaal: Wir brauchen einen neuen Akteur, der als dritteKraft Staat und Wirtschaft dazu bringt, Rahmenbedingungen zuschaffen, welche die Unternehmen zu ethisch verantwortungsvol-lem Handeln verpflichten. Bezüglich der Bestechungen postulierteich also ein gemeinsames Ringen um Rahmenbedingungen, diealle Marktbeteiligten dazu zwingen, innerhalb ihrer StrukturenKorruptionsprävention zu betreiben. Zu meiner freudigen Überra-schung waren die anwesenden Wirtschaftsführer von diesen Über-legungen angetan und dankten mir mit stehenden Ovationen. Siehatten sich nicht sonderlich wohlgefühlt bei Peres’ Gedanken, dasssie nun die soziale Verantwortung für die langfristigen Bedürfnisseder Menschheit übernehmen sollten und in der globalen Arena inein Vakuum staatlicher Regierungsführung vorrücken sollten.

Diese Forderung des Privatsektors nach verbindlichen Regelun-gen für sozial verantwortliches Verhalten ist uns auch später im-mer wieder aufgefallen, wenn wir mit unseren Partnern aus Privat-unternehmen über Antikorruptionsstrategien diskutierten. Dennso wünschenswert es wäre, dass Unternehmen von sich aus reagie-ren und erkennen, dass sie etwas gegen Korruption unternehmenmüssen, war doch erst der Zwang der OECD-Konvention nötig.Als sich die rechtlichen Grundlagen für grenzüberschreitende Be-stechung geändert hatten – in Deutschland im Februar 1999 – er-kannten viele Firmen, dass sie ein internes Integritätssystem brau-chen, um innerhalb ihres Unternehmens sicherzustellen, dass nichtnur ethische, sondern nun auch gesetzliche Vorschriften eingehal-ten werden – und zwar weltweit. Größere, weltweit agierende Fir-men gaben sich deshalb »Codes of Conduct« genannte Verhal-tensregeln, an denen die Mitarbeiter ihr Handeln messen müssen.

Dennoch gibt es immer noch viel zu wenig Firmen, die bereitsind, einen »Code of Conduct« zu entwickeln oder einen bereitserprobten zu diskutieren. Dabei bieten nicht nur Transparency

84 Das Netz der Kor r upt ion

International, sondern auch Unternehmerverbände und andereOrganisationen ihren Mitgliedern bereits vorgefertigte Bausteineund Muster an. Jermyn Brooks, der Finanzchef von TI, der sichweltweit für die Einführung von »Codes of Conduct« einsetztund sie seit Jahren mitentwickelt hat, erzählt: »Wir haben einProdukt, das jedes Unternehmen sofort einsetzen und an seinespezifischen Umstände anpassen kann. Unser Job ist es, die Fir-men für diese Idee zu interessieren. Wir veranstalten deshalbüberall auf der Welt Konferenzen und Seminare. Sehr viele, sehrgroße internationale Unternehmen sind auch sehr daran interes-siert. Wir finden eine große Bereitschaft vor. Speziell in den USA,wo die derzeit üblichen Systeme nicht funktionieren. Die größteAufgabe wird es sein, die Unternehmen mittlerer Größe und klei-nere, nicht börsennotierte Gesellschaften von der Notwendigkeitzu überzeugen.«

Ein äußerst nützliches Produkt sind in diesem Zusammenhangunsere Business Principles for Countering Bribery, also unsere Ge-schäftsprinzipien zur Vermeidung der Korruption, die wir zusam-men mit der New Yorker Nichtregierungsorganisation Social Ac-countability International (SAI) und einem Lenkungsausschussaus Unternehmen, Forschung und Lehre, Gewerkschaften und an-deren NGOs entwickelt haben. Ursprünglich hatten wir ehrgeizi-gere Pläne: SAI hatte sich um die Finanzierung eines Systems zurZertifizierung integren Verhaltens privater Unternehmen bemüht– vergleichbar der ISO 9000 – und war von Geldgebern an TI alsPartner verwiesen worden. Wir begannen auch sehr optimistischan diesem Vorhaben zu arbeiten, merkten dann aber, wie ehrgeizigund unrealistisch es war. Nach vielen Diskussionen im Lenkungs-ausschuss, der regelmäßig in London tagte, blieb dann eine Listevon einfachen Geschäftsprinzipien. Diese sind eigentlich nichts an-deres als ein Leitfaden für Unternehmen, um korrupte Praktikenzu unterbinden. Sie können in zwei Kernaussagen zusammenge-fasst werden:

Wie Unter nehmen hande ln müssen 85

• Das Unternehmen verpflichtet sich, jedwede Form von Korrup-tion zu verhindern, sowohl direkt als auch indirekt.

• Das Unternehmen verpflichtet sich, ein Antikorruptionspro-gramm einzuführen und umzusetzen.

Das 13-seitige Dokument ist auf unserer Webseite <www.transpa-rency.org> zu finden und legt unmissverständlich fest, was Unter-nehmen in ihren verschiedenen Geschäfts- und Organisationsbe-reichen gegen die Korruption tun können. Die Geschäftsprinzipiensind inzwischen erfolgreich getestet worden, zum Beispiel von dergroßen Unternehmensgruppe Tata in Indien und von BP in Zen-tralasien, und werden jetzt in verschiedenen Regionen der Weltvorgestellt.

Ein interessanter Aspekt dieser Arbeit ergab sich aus der Not-wendigkeit, zwischen den verschiedenen Mitgliedern des Len-kungsausschusses Kompromisse zu finden. Das zeigte sich be-sonders bei den so genannten facilitating payments, also bei»geringfügigen Vorteilszuwendungen« zur Beschleunigung vonAmtshandlungen, die eigentlich rechtmäßig sind. Solche Zahlun-gen sind in vielen Ländern üblich, vor allem, wenn dort die Beam-tengehälter unerträglich niedrig sind. Daher sind sie vom generel-len Bestechungsverbot der OECD-Konvention ausgenommen undwerden von manchen internationalen Unternehmen fast regelmä-ßig eingesetzt, etwa um eine Schiffsladung mit verderblichenGütern im Hafen schnell zu löschen, um eine dringende Arbeitser-laubnis für einen Mitarbeiter zu erhalten oder um einen Telefonan-schluss zu beschleunigen.

TI ist rigoros gegen facilitating payments, hat diese Kröte aberschlucken müssen, um die Unterzeichnung der OECD-Konventionim Herbst 1997 zu ermöglichen. In unseren Mitgliederversamm-lungen lehnten sich unsere nationalen Sektionen, vor allem die ausdem Süden, gegen diesen Kompromiss, der sich auch in den neuenGeschäftsprinzipien wiederfand, auf. Wir müssen immer wieder

86 Das Netz der Kor r upt ion

klarstellen, dass TI die etwas zu weiche Empfehlung zu den facili-tating payments nur als Kompromiss mitträgt.

Obwohl sich immer mehr Unternehmen für unsere Geschäfts-prinzipien zur Vermeidung der Korruption interessieren, ist es im-mer noch ein sehr langsamer Prozess, der sehr viel Überzeugungs-arbeit erfordert, wie Jermyn Brooks meint: »Bisher ist die Bilanzmager: Von den Top-1000-Wirtschaftsunternehmen haben viel-leicht 100 einen Verhaltenskodex. Nicht einmal 20 davon habeneine Unternehmenspolitik und einen Leitfaden, der das Unterneh-men davon abhält, Bestechungsgelder zu zahlen.«

Die Wirtschaftsführer müssen sich bewusst werden, welche Ge-fahr von der Korruption ausgeht. Genauso wie es in den vergange-nen Jahren mit den Themen Umweltschutz und Menschenrechtengeschehen ist.

Dabei weist Jermyn Brooks immer wieder darauf hin, dass einUnternehmen einen vorgefertigten Entwurf nicht einfach überstül-pen kann wie einen neuen Hut, sondern dass die Geschäftsprinzi-pien von unten aus der Belegschaft entwickelt werden müssen, umTeil der Unternehmenskultur zu werden. Für diesen Prozess derAneignung des Integritätssystems in einer Firma gibt es inzwischenvielfältige Erfahrungen, die regelmäßig von Unternehmensbera-tern vermittelt werden. Transparency International spielt dabeihäufig nur eine katalytische Rolle, da wir selbst gar nicht die Ka-pazität haben, eine solche Umstellung der Betriebskultur zu be-treuen.

Auch die Wirtschafts- und Berufsverbände haben sich inzwischenin diese Arbeit eingeschaltet. So hat etwa die deutsche Sektion derInternational Chamber of Commerce (ICC) einen Verhaltenskodexzum Thema Korruption für ihre Mitglieder geschaffen. Übrigenshatte die ICC schon 1978 einen freiwilligen Verhaltensstandard ge-gen Bestechung und Erpressung entworfen, der aber mangels Um-setzung nie seine mögliche Wirkung entfaltet hat; erst als 1999 dieOECD-Konvention in Kraft trat, wurde mithilfe von TI ein neuer,

Wie Unter nehmen hande ln müssen 87

wirksamer Verhaltenskodex entworfen, der jetzt großen Anklangbei den ICC-Mitgliedern findet. Im Internet sind die »ICC-Verhal-tensrichtlinien zur Bekämpfung der Korruption im Geschäftsver-kehr« unter <www.icc-deutschland.de/icc/frame/1.3.html> nachzu-lesen.

Die ICC hat also die Zeichen der Zeit erkannt. Jetzt ist es an ih-ren Mitgliedern, immerhin Tausenden von Firmen, die geschaffe-nen Richtlinien umzusetzen – oder eigene Verhaltensregeln zuschaffen, die auf ihre eigene, vielleicht sehr spezifische Situationpassen. Wenn auf diese Weise gleichzeitig von allen relevanten Be-teiligten in konkreten Märkten die Bestechung rigoros abgeschafftwird, bedeutet dies auch einen Ausweg aus dem verhängnisvollenGefangenendilemma, in dem sich viele Unternehmen befinden: Siekönnen getrost ohne Bestechung in den Wettbewerb einsteigen,ohne befürchten zu müssen, Aufträge an korrupte Konkurrentenzu verlieren.

Die Wichtigkeit klarer Verhaltenskodizes gilt auch für öffentli-che Einrichtungen, Behörden und Organisationen. Ein Beispiel istbesonders interessant, da hierbei eine Organisation vor Korrup-tion geschützt wird, deren Aufgabe es ist, vor allem andere vorKorruption zu schützen, nämlich Interpol. So arbeiten wir und ei-nige externe Experten eng mit dieser wichtigen internationalenOrganisation zusammen, um einen Verhaltenskodex für die Poli-zei zu entwickeln. Interpol-Generalsekretär Ronald Noble erklärtdazu:

»Die Gesellschaft muss sich darauf verlassen können, dass sichdie Polizei ehrenhaft verhält. Doch in jeder Profession gibt es dieGuten und die Bösen. Das ist in der Bank, im Justizwesen und derBuchhaltung so – und auch bei der Polizei. Ich bin zwar der Über-zeugung, dass bei der Polizei die Guten überwiegen, dennoch mussman auch intern offensiv über das Thema Korruption sprechen. Undes ist wichtig, sie strafrechtlich zu verfolgen. Wenn wir uns nicht umdie kleinen Fälle kümmern, werden wir bald große Fälle haben. Wir

88 Das Netz der Kor r upt ion

arbeiten Hand in Hand mit TI und sind dabei, mehrere Mittel einzu-setzen oder einzuführen. Zum Beispiel wollen wir die Integrität un-serer eigenen Leute durch Undercover überprüfen, unseren eigenen»Code of Ethics« entwickeln, die Möglichkeit bieten, Beschwerdenanonym loszuwerden und Polizisten dazu zwingen, ihre finanziellenVerhältnisse offen zu legen. Unser erstes Mandat ist es dabei, unsereigenes Haus in Ordnung zu bringen, wir haben gerade erst damitbegonnen. Eine Expertengruppe aus Richtern, UN-Offiziellen, Ver-tretern von TI und der Weltbank hilft uns dabei.«

Und Nobles Kollege Rainer Bührer fügt hinzu: »TI hat dafür ge-sorgt, dass die Korruption als Thema bemerkt wurde. Vor ein paarJahren noch hat man nicht einmal darüber gesprochen. Jetzt musssich die Polizei selbst verifizieren, um die Glaubwürdigkeit unddas Vertrauen nicht zu verlieren.«

Verhaltensrichtlinien sind gut, sie bieten eine Orientierung.Dass man es nicht allein mit gedruckten oder im Internet veröf-fentlichten Texten belassen kann, liegt aber auf der Hand. Geradedie Polizei ist in vielen Ländern besonders anfällig für Korruption.David Ndii von TI-Kenia sagt dazu: »Die Polizisten sind oft unter-bezahlt, sie haben unmittelbare Hoheitsbefugnisse und sie laufenbewaffnet auf der Straße herum.«

Wenn Verhaltenskodizes eine wirksame Korruptionspräventionbewirken wollen, dann brauchen sie neben klaren Leitlinien einwichtiges Gegenstück, nämlich dynamische Umsetzungspro-gramme. Diese beinhalten normalerweise die Schulung und Ein-bindung aller Mitarbeiter, ein Programm zur unternehmensweitenUmsetzung und eine effektive Kontrolle, am besten durch eine un-abhängige, externe Instanz. Auch die Einführung eines Korrup-tionsbeauftragten, anonyme Telefondienste für Beschwerden, derSchutz von Beschwerdeführern (Whistleblowers), die Absicherungdurch Rotationen an gefährdeten Stellen und viele ähnliche Instru-mente haben sich vielerorts als effektiv erwiesen.

Es ist entscheidend, dass die Verhaltensregeln keine reinen Lip-

Wie Unter nehmen hande ln müssen 89

penbekenntnisse bleiben. Schließlich sind sie vom Ansatz her frei-willige Methoden der Selbstkontrolle und oft rechtlich nicht ver-bindlich. Über einige Modelle, die dieses Manko aufheben, weil siedas oben beschriebene Gefangenendilemma häufig überwinden,berichtet Michael Wiehen: »Ein sehr interessantes Beispiel ist das»Ethik-Management-System« der bayerischen Bauindustrie: Hierverpflichten sich die Mitgliedsfirmen einem gemeinsamen Vereingegenüber, gewisse Grundwerte einzuhalten. Die Einhaltung undUmsetzung wird von Fachleuten kontrolliert und verifiziert, die in-tegren Unternehmen werden zertifiziert, regelmäßig auf nachhal-tige Umsetzung kontrolliert und unter Umständen auch wieder de-zertifiziert. Und sie können mit diesem Zertifikat werben.«

Wo immer es ein ernst zu nehmendes Zertifikat oder Gütesiegelgibt, sollte man natürlich auch daran denken, Inhabern des Siegelsbei öffentlichen Ausschreibungen einen Vorteil gegenüber anderenMitbewerbern zu geben. Gerade in der Bauindustrie, wo die Mar-gen heute extrem klein sind, könnte ein Preisvorteil von, sagen wirfünf Prozent, einen wichtigen Anreiz bieten. Wenn sich eines TagesZertifizierung und Gütesiegel allgemein durchgesetzt haben, ist esauch denkbar, dass man die Teilnahme an öffentlichen Ausschrei-bungen allgemein nur solchen Unternehmen erlaubt, die ein Zertifi-kat oder Gütesiegel besitzen. Das würde im Grunde nur bedeuten,dass die ausschreibende Behörde ihre Verpflichtung, die Zuverläs-sigkeit der sich um einen Auftrag bewerbenden Unternehmen zuprüfen, mit Institutionen teilt, die dafür besser qualifiziert sind.

Nicht zuletzt die jüngsten Skandale um Enron und Worldcomhaben gezeigt, wie wichtig es ist, dass Rahmenbedingungen denUnternehmen beträchtliche Anreize zu verantwortlichem Verhal-ten setzen. Umgekehrt werden korrupte Machenschaften riskanterund Manager gezwungen, einer Geschäftsethik zu folgen, anstatteinzig dem Profit hinterher zu sein.

Es ist bezeichnend, dass die Jahrestagung des Weltwirtschaftsfo-rums in Davos 2003 unter dem Thema stand: »Vertrauen wieder-

90 Das Netz der Kor r upt ion

gewinnen«. Seit Jahren werde ich zu dieser Veranstaltung derMachteliten der Welt eingeladen, um eine gemäßigte Stimme derZivilgesellschaft in den Seminaren, Arbeitsgruppen und in Vorträ-gen zu Gehör zu bringen. Andere große NGOs wie Amnesty Inter-national, Greenpeace, World Wildlife Fund, Oxfam, Save theChildren sind ebenfalls regelmäßig in Davos. Ihre Anwesenheit istnicht unumstritten, da sich viele Organisationen der Zivilgesell-schaft vehement gegen die Wirkung des Weltwirtschaftsforumswehren; sie sehen es als eine exklusive Veranstaltung der Mächti-gen der Welt an, die ohne jegliche Legitimation und hinter ver-schlossenen Türen die Geschicke der Welt bestimmen.

Gerade im Jahr 2003 war die Stimmung in Davos von Beschei-denheit und Offenheit für neue Ideen gekennzeichnet – was natür-lich auch von einer gewissen Selbstkritik der amerikanischen Teil-nehmer angesichts des drohenden Krieges im Irak verstärktwurde. Das Leitmotiv unseres diesjährigen globalen Korruptions-berichtes »Zugang zu Information«, den wir in einer Pressekonfe-renz auf dem Forum vorstellten, sowie einzelne Vorträge beispiels-weise über die Vermeidung der Korruption bei Topmanagern inverschiedenen Wirtschaftssektoren wurden äußerst positiv aufge-nommen.

Im Januar 1999 hörte ich einen Vortrag von Kofi Annan in Da-vos, in dem er die Privatwirtschaft zur Mitarbeit bei der Verwirkli-chung einer gerechteren Welt aufrief. Die Mehrheit der Menschen,die gegenwärtig in verheerender Armut und Elend vegetiert, sollteauch von den Vorteilen der Globalisierung profitieren können. Errief dazu auf, mit konkreten Maßnahmen weltweit anerkanntePrinzipien wie Menschenrechte, faire Arbeitsbedingungen undUmweltschutz auch und gerade für Unternehmen zu fördern. Ausdieser Initiative entstand der wichtige Global Compact der Ver-einten Nationen, der nun – gebündelt in den drei genannten Kate-gorien – insgesamt neun Prinzipien beinhaltet. TI arbeitete daranvon Anfang an aktiv mit und heute gehören ihm schon 610 Unter-

Wie Unter nehmen hande ln müssen 91

nehmen aus 43 Ländern an. Dabei ist es uns gelungen, die Korrup-tion als das fundamentale Hindernis beim Schutz der neun Prinzi-pien ins Bewusstsein aller beim Global Compact Beteiligten zu rü-cken.

Sowohl bei einer Rede vor deutschen Industrievertretern in Ber-lin als auch bei anderen offiziellen Gelegenheiten drängte KofiAnnan darauf, die Korruptionsbekämpfung als übergeordnetes»zehntes Gebot« den neun Prinzipien des Global Compact voran-zustellen; im Januar 2003 verlangte er deshalb in seiner Tischredevor den Mitglieder des Beratungsausschusses, dass »Peters zehntesGebot von den Beteiligten als verbindlich aufzunehmen« sei.

Bei einem Learning Forum der deutschen Gesellschaft für Tech-nische Zusammenarbeit (GTZ) in Berlin gingen Unternehmens-vertreter aus aller Welt gemeinsam mit NGO-Vertretern, Gewerk-schaftern und renommierten Fachwissenschaftlern der Frage nach,wie ethische Grundsätze, die die UNO für Unternehmer als Spiel-regeln für die Globalisierung entwickelt hat, real umgesetzt, kon-trolliert und bei Nichtbeachtung auch geahndet werden können.Die beteiligten Firmen und Konzerne hatten Kofi Annan ja schrift-lich versprochen, in allen Ländern, in denen sie tätig sind, nachden neun Prinzipien zu handeln. Als einen der ersten Schritte be-schlossen sie, Öffentlichkeit zu schaffen und sich überprüfen zulassen, indem vorbildliche Firmen von nun an auf der Homepagedes Global Compact vorgestellt werden. Außerdem will man derZivilgesellschaft sowie allen anderen Beteiligten – auch Konkur-renten und Mitarbeitern – eine Möglichkeit bieten, sich über einUnternehmen zu beschweren, das sich nicht an die Prinzipien hält.»Sanktionen blühen bislang allerdings keine, allenfalls ein Renom-mee-Verlust durch Streichung aus der UNO-Liste«, wie HolgerKulick unter dem Titel »Der Ethik-Kanon der UNO« im Spiegel-Online 2003 aus der Berliner Sitzung meldet. Und weiter: »Sinn-voller wäre ›eine Art Richterskala der Pflichterfüllung, mit der je-des Unternehmen öffentlich bewertet wird‹, regte auf dem Forum

92 Das Netz der Kor r upt ion

der Baseler Entwicklungssoziologe Klaus Leisinger an. Betrüblichsei, dass sich vor allem amerikanische Firmen vor der Teilnahmeam Global Compact drückten und sich in der Praxis schwer mitmanchen Prinzipien des UNO-Forums täten, klagten mehrereUnternehmer über ihre US-Konkurrenz. Aber auch in Westeuropahätten noch zu wenig Firmen die ethischen Prinzipien des GlobalCompact ausreichend verinnerlicht. So würden panische Managerin Zeiten der Rezession die Ziele des Global Compact allzu raschals ›Luxus‹ über Bord werfen, bedauerte Salil Tripathi von Am-nesty International London.«

Ein Statement, das einige anwesende Wirtschaftsführer nichtgelten lassen wollten, die in ihren Unternehmen bereits »Codes ofConduct« eingeführt haben. So berichtete etwa Björn Edlund, Lei-ter der Unternehmenskommunikation von ABB, dass bei ihnennach schwerwiegenden Vorfällen in der Vergangenheit bereits rea-giert und ein entsprechendes Ethiksystem geschaffen wurde, dasFehler des Managements in Zukunft vermeiden soll. Hier steht un-ter anderem: »ABB erwartet von allen seinen Mitarbeitern, dasssie die höchsten Standards von ethischem Verhalten und Integritätaufrechterhalten.« Bei einem Unternehmen, das in 100 Ländernder Welt agiert und 146 000 Mitarbeiter hat, ist diese »Null-Tole-ranz«-Politik eine enorme Aufgabe.

Edlund war aber vor allem zu der Konferenz gekommen, umüber Transparenz und Korruption im Geschäftsverkehr zu spre-chen. Ihm schwebte vor, dass sich die im Global Compact enga-gierten Unternehmen zu einem zehnten Gebot verpflichten sollten,eben jenem von uns geforderten Prinzip der Transparenz und Kor-ruptionsbekämpfung. Sein Argument für die versammelten Wirt-schaftsführer war ebenso einfach wie einleuchtend. Durch denVerzicht auf Korruption würden die Geschäfte billiger, schließlichmüsse man nun nicht mehr die oft enormen Summen auf den End-preis aufschlagen. Und außerdem habe die Erfahrung gezeigt, dassauf Korruption fußende Geschäfte nicht lange hielten. Höchstens

Wie Unter nehmen hande ln müssen 93

drei Jahre würden solche Kontrakte halten, dann würden sie »zurExplosion« kommen und für das Unternehmen einen enormenwirtschaftlichen Schaden bedeuten.

Für uns ist eine solche Aussage an solcher Stelle und von einemsolchen Unternehmen natürlich Gold wert – die Außenwirkung istenorm und (nicht nur) die anwesenden Managerkollegen erken-nen, dass Unternehmen durchaus sozial handeln können, ohne ih-ren Profit zu reduzieren. Doch auch andere hoffen, dass der Glo-bal Compact bald aus zehn Geboten besteht. Spiegel Online dazu:

Für den Leiter des Global Compact, Georg Kell, und seine Pro-jektleiterin Ellen Kalinowsky ist solch ein »Integrity Compact«das zentrale Ziel, das rasch erreicht werden müsse. Denn umUnternehmensethik weltweit durchzusetzen, plant die Uno bisEnde 2003 eine Konvention gegen Korruption. Dafür sei, kalku-liert Kell, auch der Druck von Unternehmern wichtig, die deutlichmachten, dass »ein ureigenes Interesse an einer solchen Überein-kunft besteht«, um ihr langfristiges Wirtschaften abzusichern.

Die Defizite in der globalen Regierungsführung können vor allemdurch eine aktive Einbeziehung der Privatwirtschaft bewältigt wer-den. Die Manager müssen sich selbst eine Verhaltensrichtlinie ge-ben, die ihnen als Richtschnur in ihrem täglichen Geschäftsgebarendient und negative Entwicklungen in Zukunft verhindert. Und diesnatürlich nicht nur im Bereich der Korruption. Konkret heißt das,dass beispielsweise ein Schokoladenhersteller verbieten sollte, dassseine Kakaobohnen von Kindersklaven geerntet werden.

Die Erkenntnis ist klar: Wer ein Unternehmen mit dem Ziel be-treibt, allein den maximalen Profit zu erreichen, wird das nichtlange tun. Auf lange Sicht sind Profite nur möglich, wenn einUnternehmen sich auch an ethische Grundprinzipien hält. Eine Er-kenntnis, die sich unter dem Oberbegriff »Nachhaltige Entwick-lung« (Sustainable Development) immer mehr in die Köpfe vonManagern, Politikern und Bürgern einbrennt.

94 Das Netz der Kor r upt ion

10Wie man Korruption bekämpft:the Corruption Fighters’ Toolkit

Von Beginn an war klar: Wir mussten noch viel mehr Menschen

von unserer Idee begeistern und zum Mitmachen anregen – und

wir würden Produkte benötigen, die wir ihnen »verkaufen« konn-

ten. Das Source Book wurde eines dieser wichtigen Produkte.

Michael Hershman, TI-Mitgründer

Wir hatten von Anfang an einen sehr konkreten, praktischen An-satz. Wir wollten das Bewusstsein für die Schädlichkeit der Kor-ruption wecken, aber wir mussten auch eine gewisse Zuversichtverbreiten, dass man etwas gegen sie unternehmen kann. Daherhaben wir früh versucht, Werkzeuge zu schaffen, mit denen diesmöglich ist. Im Laufe der Jahre hat Transparency International da-für eine ganze Reihe von Methoden entwickelt. Allen voran natür-lich unseren Integritätspakt und die Business Principles for Coun-tering Bribery, die ich in den vorigen Kapiteln beschrieben habe.Aber es gibt auch viele kleinere Mittel, die bisher nur lokal einge-setzt werden und von unseren zahlreichen Sektionen erfunden undumgesetzt wurden. So hat unser deutsches Chapter beispielsweiseein »ABC der Korruptionsprävention – Leitfaden für Unterneh-men« herausgegeben und unter <www.transparency.de> ins Inter-net gestellt, um für alle an der Bekämpfung der Korruption inter-essierten Unternehmer und Manager im deutschsprachigen Raumdie Begrifflichkeit der Korruption klarzustellen. Und genauso ha-ben viele andere Sektionen ihre eigenen Methoden und prakti-

schen Lösungen entwickelt, um gegen das allgegenwärtige Übelanzugehen.

Wir als Sekretariat und Zentrale von TI sammeln diese Beispieleund bieten sie unseren Sektionen und allen an der Bekämpfung derKorruption Interessierten an; außerdem entwickeln wir globaleKonzepte und Lösungsvorschläge, die wir unter anderem auf un-serer zentralen Webseite <www.transparency.org> vorstellen.

Zwei Instrumente, die sich in den letzten Jahren als besonderseffektiv herausgestellt haben, will ich an dieser Stelle vorstellen:das »TI Source Book« und das »Corruption Fighters’ Toolkit«,den Werkzeugkasten des Korruptionsbekämpfers. Diese beiden In-strumente sind gleichzeitig systematische Materialsammlungenzur Korruptionsbekämpfung und analytische Hilfsmittel für kon-krete Reformen – und doch haben die beiden ganz unterschiedli-che Ansätze. Das Source Book verfolgt einen umfassenden norma-tiven Ansatz, der die ganzheitliche Analyse eines nationalenIntegritätssystems, insbesondere auch seiner Schwachstellen, er-möglicht und den Aufbau bzw. die Stärkung des ganzen Systemszum Ziel hat. Dagegen ist das Toolkit eine erfahrungsgesättigteSammlung von Werkzeugen, die in allen Ecken der Welt erfolg-reich im Kampf gegen den Bestechungssumpf verwendet werden.

Von Anfang an hat uns das Source Book in unserer Arbeit be-gleitet und ist heute schon in mehr als 20 Sprachen übersetzt wor-den. Es basiert auf unserer fundamentalen Überzeugung, dass eineGesellschaft sich durch eine Vielzahl von verschiedenen Instru-menten gegen Korruption schützen muss, wie beispielsweise Ge-setze, Institutionen, Richtlinien und Werte, die miteinander wie ineinem Mosaik verbunden sind. Dafür münzten wir den Schlüssel-begriff »Integritätssystem« (Integrity System), der sich wie einMantra durch alle Aktivitäten von TI zieht. Das Source Bookzeigt, wie die verschiedenen Akteure der Gesellschaft gemeinsamdieses System aufbauen können, in dem Integrität und Transpa-renz herrschen und die Korruption keine Chance hat. Wir sind na-

96 Das Netz der Kor r upt ion

türlich nicht so naiv zu glauben, dass ein Integritätssystem einekorruptionsfreie Idealgesellschaft auf einen Schlag möglich ma-chen würde oder dass es in ziemlich lückenloser Form bereits ingreifbarer Nähe läge. Dennoch glauben wir, dass kleine praktischeVersuche der Korruptionsbekämpfung – in einem Dorf, in einemKrankenhaus, in einer kleinen Behörde – am erfolgreichsten sind,wenn sie im Hinblick auf das ganze System angegangen werden.Daher skizzieren wir im Source Book ein solches ganzheitlichesIdealsystem, das die Gesellschaft vor Korruption schützt wie dasImmunsystem den menschlichen Körper vor Krankheit. Einerseitszeigen wir, wie man diesem Ideal näher kommen kann, und wel-che Anstrengungen andererseits bereits überall auf der Welt unter-nommen wurden, um dieses Schutzsystem aufzubauen.

Auch dieses wichtige Werkzeug entstand aus kleinen Anfängen.Damals, ganz zu Anfang von Transparency International, hatteich mit Jeremy Pope, unserem brillanten ersten Geschäftsführeraus Neuseeland, auf wenigen Seiten skizziert, wie wir uns ein Inte-gritätssystem zur Vermeidung der Korruption vorstellten. Eigent-lich war es nur jene Zettelsammlung, die ich mit zu unserem erstenFeldeinsatz nach Ecuador nahm, wo Alberto Dahik, ein Freundaus meiner Weltbankzeit, Vizepräsident war. Er war von der erstenStunde an einer der wichtigsten Unterstützer unserer Bewegungund beeindruckte uns alle mit seiner scharfen Beurteilung der Kor-ruption in Lateinamerika und insbesondere auch in Ecuador. Mitdiesem machtvollen Verbündeten dachten wir, könnte es uns gelin-gen, eine umfassende Reform des durch und durch korruptenecuadorianischen Staatswesens zu erreichen, quasi einen Modell-staat in Lateinamerika schaffen.

Natürlich wurde aus diesem Musterprojekt nichts, auch wennunsere Reise vordergründig ein großer Erfolg war. Fritz Heimannund Michael Hershman waren mit von der Partie, als wir infreundschaftlicher Atmosphäre in einer alten, barocken Ha-zienda in den malerischen Bergen außerhalb von Quito bei fla-

Wie man Kor r upt ion bekämpf t 97

ckerndem Kaminfeuer den Zettelkasten unseres Integritätssys-tems für Ecuador ordneten. Eine energiegeladene Aktivistin ausder Zivilgesellschaft, Valeria Merino Dirani, hatte sich mit ihrerNGO Corporación para el Desarrollo Latinoamericano unsererAgenda angeschlossen. Dahik befahl einigen Behördenchefs undanderen Organisationen, unsere Vorschläge umzusetzen. ImRückblick kommt es mir reichlich dreist vor, dass ich mit ihm zu-sammen in einem kleinen Privatflugzeug nach Guayaquil flog,der Wirtschaftsmetropole an der dampfend heißen Küste vonEcuador, um dort im Konferenzraum der Katholischen Univer-sität vor versammelter Presse unsere erste nationale Sektion zugründen. Valeria Merino Dirani hatte später, als Dahik fluchtar-tig sein Heimatland verlassen musste, die größten Schwierigkei-ten, die wichtigen Gründungspersönlichkeiten wieder los zu wer-den, die Dahiks Ruf gefolgt waren. Trotz mutiger Gegenwehrvon Valeria Merino wurden alle unsere Bemühungen in Ecuadorum Jahre zurückgeworfen.

Doch etwas blieb uns: jene Skizze, in der wir festgelegt hatten,wie die Zivilgesellschaft, der Privatsektor und der ecuadorianischeStaat vereint die Korruption bekämpfen oder zumindest ein Klimaschaffen könnten, in dem korruptes Verhalten sanktioniert undgesellschaftlich geächtet wäre.

Wir nahmen diese Skizze und arbeiteten weiter an ihr. Die ur-sprüngliche Zettelsammlung schwoll an, immer mehr Elementekamen hinzu und schließlich wurde aus ihr ein Handbuch gegenKorruption: das Source Book. Jeremy Pope, heute Executive Di-rector unseres Londoner Büros, übernahm die Rolle des Herausge-bers. Er stellt das Source Book zusammen und bringt es regelmä-ßig in aktualisierten Auflagen heraus. Die finanziellen Mittelhierfür kommen hauptsächlich von der Ford Foundation.

Zum einen will das Source Book die Idee hinter einem nationa-len Integritätssystem beschreiben, zum anderen will es seinen Le-ser in die Lage versetzen, allmählich ein solches System in seinem

98 Das Netz der Kor r upt ion

Staat umzusetzen – auch wenn es dazu nicht Einzelne, und seiensie noch so mächtig, sondern eine ganze Gesellschaft braucht. SeinAnspruch ist deshalb auch ganzheitlich: Die verschiedenen Ak-teure der Gesellschaft, der Einzelne ebenso wie zum Beispiel dieLegislative und die Judikative oder die Medien müssen demokra-tisch und transparent zusammenarbeiten, um gleichsam wie Säu-len das Integritätssystem zu stützen.

Entscheidend aber ist, dass die Zivilgesellschaft aktiv wird, dasssich engagierte Menschen außerhalb der Regierungs- und Ge-schäftseliten finden, die bereit sind, an dem System der nationalenIntegrität mitzuwirken – sei es nun als einfacher Bürger oder alsLeiter eines Unternehmens. Denn nur mithilfe einer breiten Unter-stützung durch die Bevölkerung kann ein solches System geschaf-fen werden.

Damit das Source Book ein praktischer Wegbegleiter für alle Be-teiligten wird, haben wir es in viele Sprachen übersetzt – neben Spa-nisch, Chinesisch, Arabisch, Russisch und Französisch auch in we-niger weit verbreitete Sprachen wie Albanisch, Bahasa und Bengali.Dabei sind die Übersetzungen selbst nur ein Zwischenprodukt.Denn es geht uns darum, das Buch nicht nur in seiner vom angloa-merikanischen Rechtsdenken eingefärbten Fassung zu verbreiten,sondern wir versuchen es an die jeweiligen relevanten Institutionenund Normen in den verschiedenen Rechts- und Kulturkreisen anzu-passen. Schon 1995 haben wir in einer einwöchigen Anpassungssit-zung mit etwa 30 TI-Mitgliedern aus Lateinamerika in einem klei-nen Andenvorort von Lima begonnen, eine lateinamerikanischeFassung zu erstellen, die selbst wiederum an einzelne Länder undsogar Provinzen angepasst wird. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hatdiese wichtige Konferenz damals für uns finanziert.

Insgesamt nennt das Source Book sechs Eckpfeiler, die nötigsind, um die Korruption innerhalb eines Staates einzudämmenoder zumindest zu verringern. So ist es entscheidend, dass sich diepolitische Führung öffentlich gegen die Korruption stellt. Damit es

Wie man Kor r upt ion bekämpf t 99

nicht bei bloßen Lippenbekenntnissen bleibt, sieht der zweite Pfei-ler staatliche Programme zur Umsetzung einer Antikorruptions-strategie vor, die wiederum – das ist der dritte Punkt – mit einerUmgestaltung der Verwaltung und der Behörden verbunden seinmuss. Gleichzeitig müssen entsprechende Gesetze geschaffen undauch durchgesetzt werden und fünftens muss die Bevölkerung auf-geklärt werden und Zugang zu den nötigen Informationen haben.Die sechste Säule sind Institutionen, deren Aufgabe allein die Be-kämpfung der Korruption sein muss.

Da das alles leichter gesagt als getan ist, zeigt das Source Bookauf seinen fast 400 Seiten detailliert Ansätze für die nötigen Refor-men, es liefert Umsetzungsbeispiele und dient auch in einem ge-wissen Umfang als politischer und sozialer Leitfaden bezüglich derKorruption. So beschreiben wir beispielsweise, inwiefern politi-sche Willensbildung für die Korruptionsbekämpfung relevant istund wie ein Volk mit demokratischen Mitteln für Transparenzund Integrität kämpfen kann. Denn politischer Wille genügt nichtzur nachhaltigen Korruptionsbekämpfung, er muss auch vomVolk, der Zivilgesellschaft getragen werden. Wenn die Regierungauf nationalen und internationalen Druck hin beschließt, etwasgegen die Korruption zu unternehmen, ist auch jeder einzelne Bür-ger gefordert. Sonst wird die Regierung nur wieder im eigenenInteresse handeln. Unser Source Book:

Die Bürger als Nutznießer einer Reform sollten nicht allein pas-sive Empfänger ihrer Auswirkungen sein, sondern aktive An-wälte und Wächter über den Umsetzungsprozess. Allerdingswerden Forderungen nach einer Reform ausschließlich von po-litisch aktiven Bürgern kommen, die ihre Rechte und die Ver-antwortung der Volksvertreter kennen, was wiederum das We-cken und die Aufrechterhaltung eines öffentlichen Bewusstseinsverlangt.

Doch häufig fehlt es gerade in den Ländern, an die wir uns haupt-

100 Das Netz der Kor r upt ion

sächlich wenden, an den einfachsten Voraussetzungen für ein natio-nales Integritätssystem – zum Beispiel an einer demokratisch ge-wählten Regierung und einer klassischen Gewaltenteilung in Legis-lative, Exekutive und unabhängige Judikative. Deshalb schildernwir, wie diese essenziellen Bestandteile der Demokratie zusammenmit einer freien Presse, freien Wahlen, einer unabhängigen Verwal-tung und weiteren Elementen wie etwa Antikorruptionsbehördenwirken können. Wir zeigen auch, wie sehr der öffentliche und derprivate Sektor voneinander abhängen und auf Zusammenarbeit an-gewiesen sind. Diese Kooperationsbereitschaft dient aber nicht nurder Korruptionsbekämpfung, sie ist für den Erhalt der Demokratieunerlässlich. Das Source Book bringt aber auch konkrete Beispielezur Sprache, etwa die Antikorruptionsgesetzgebung, die in vielenLändern praktiziert wird. Schließlich dokumentieren wir im An-hang – und ständig im Internet unter <www.transparency.org/sour-cebook> –, was die unterschiedlichsten Staaten weltweit gegen dieKorruption unternommen haben. Seit 1993 ist dies übrigens eineganze Menge, und fast täglich kommen neue Erfolgsmeldungenhinzu, die hoffentlich zur Nachahmung anregen. So mancher west-liche Staat täte gut daran, das eine oder andere im Source Book ge-schilderte Element zu übernehmen – die Skandale der letzten Zeit inDeutschland, Frankreich und den USA beweisen es.

Bewährt hat sich auch unser »Werkzeugkasten des Korrup-tionsbekämpfers« (Corruption Fighters’ Toolkit). Während dasSource Book einen ganzheitlichen Anspruch zur Schaffung einesvollständigen nationalen Integritätssystems verfolgt, widmet sichdas erstmals im Jahre 2001 als CD-ROM – und mittlerweile auchkomplett im Internet – erschienene »Corruption Fighters’ Toolkit«dem alltäglichen Kampf gegen die Korruption auf lokaler Ebene.Dieser »Werkzeugkasten« stellt ein Kompendium von praktischenErfahrungen dar, die verschiedene Organe der Zivilgesellschaft(nationale Sektionen von TI, aber auch andere Organisationen)mit der Korruption gemacht haben.

Wie man Kor r upt ion bekämpf t 101

Jedes dieser Werkzeuge ist ein Ausdruck enormer Kreativitätund Hingabe im Kampf gegen die Korruption und zeigt, wie wich-tig es ist, Koalitionen zu schmieden und gemeinsam Methoden zuentwickeln, die einem gemeinsamen Ziel dienen.

So wird auch das Potenzial der Zivilgesellschaft freigesetzt, sichaktiv und professionell zu engagieren und Mechanismen zu schaf-fen, um die Organe des Staates zu unterstützen, zu überwachenund durchsichtiger zu machen – und sie letzten Endes dazu zubringen, verantwortlicher zu handeln. Unser Ziel ist es, Ideen undInspirationen zu liefern – und zwar nicht nur intern, innerhalb desweit verstreuten Netzwerkes von Transparency International, son-dern auch für andere Organisationen.

Im Corruption Fighter’s Toolkit liegen die verschiedenstenWerkzeuge, die alle auf unterschiedlichem Wege versuchen, dieFrage zu beantworten: »Wie bekämpfe ich die Korruption? Gibtes für ähnlich gelagerte Fälle schon woanders erfolgreiche Lösun-gen?« Herausgekommen sind Vorschläge zur Überwachung vonöffentlichen Institutionen, andere sollen Bürger dazu ermuntern,sich am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen und wie-der andere zeigen neue Möglichkeiten zur Kommunikation zwi-schen Bürgern und Behörden.

Im riesigen Brasilien etwa setzt das ansässige Transparency-Chapter auf die Kommunikation und Aufklärung der Bevölkerungper Radio. In Radiospots versuchen unsere brasilianischenFreunde bei ihren Mitbürgern das Bewusstsein für das ThemaKorruption zu schärfen und ihnen zu zeigen, wo sie im Alltag mitKorruption konfrontiert werden. Im Libanon, wo – wie übrigensauch weltweit – der Bausektor als der korrupteste Wirtschafts-zweig gilt, hat unser Chapter ein Handbuch entwickelt, das denBürgern Schritt für Schritt dabei hilft, einen Bauantrag zu stellen –und ohne korrupte Methoden durch alle Instanzen genehmigt zubekommen. In Kasachstan versuchen unsere Kollegen mit einemähnlichen Projekt das Justizsystem zu verbessern. In Bangladesch

102 Das Netz der Kor r upt ion

überprüft das TI-Chapter regelmäßig die Arbeit des Parlaments inDhaka. In Kenia führte unser lokales Chapter nach dem Vorbilddes Corruption Perceptions Index einen städtischen Korruptions-index ein, der das Ausmaß der Korruption in den wichtigsten Bal-lungszentren des Staates misst. Auch eine Idee unserer deutschenSektion nahmen wir in unser Toolkit mit auf. Vor der Bundestags-wahl im Herbst 2002 befragte sie in ihren »Wahlprüfsteinen« allepolitischen Parteien, was sie denn nach der Wahl gegen die Kor-ruption unternehmen wollten und wie der Wahlkampf finanziertwird. Die Antworten veröffentlichte TI-Deutschland für alle zu-gänglich im Internet.Ständig erfahren wir in unserem Berliner Sekretariat von neuenAktionen unserer nationalen Sektionen. Auch wenn wir der Mei-nung sind, dass jedes Land seine eigenen Gegebenheiten und Rah-menbedingungen hat, glauben wir daran, dass jene im CorruptionFighters’ Toolkit gesammelten Erfahrungen auch in ganz anderenEcken der Welt von Nutzen sein könnten. Warum zum Beispielsollte es nicht auch in Russland oder in Indonesien einen lokalenBestechungsindex wie in Kenia geben? Oder die französischen unditalienischen Kollegen nicht auch Fragen nach dem Vorbild derdeutschen Wahlprüfsteine formulieren? Eine der Hauptfunktionendes Sekretariats ist es, die Beteiligten in unserem weitgespanntenNetzwerk mit ihren Ideen zusammenzubringen, sie anzuregen undzu ermutigen – mit dem Corruption Fighters’ Toolkit ist uns dasgelungen.

Wie man Kor r upt ion bekämpf t 103

11Das Internet als entscheidendes

Werkzeug

Demokratie beruht bekanntlich auf Partizipation, also auf Teil-

habe an Information, am Meinungsaustausch und schließlich

auch an der Entscheidung selbst. Sie kulminiert in der repräsen-

tativen Demokratie in der Wahl. Für alles das bietet das Internet

außerordentlich attraktive neue Chancen und Möglichkeiten, weil

Demokratie eben auch auf umfassende Kommunikation angewie-

sen und angelegt ist.

Rede von Bundesinnenminister Otto Schily beim Kongress »Inter-

net – eine Chance für die Demokratie?« am 3. Mai 2001 in Berlin

Meinen Kampf gegen die Korruption begann ich mit einem Tele-fon und einem Faxgerät, und über Jahre hinweg haben meine Kol-legen und ich mit ihnen gearbeitet. Bereits bei der Weltbank hatteich schon einige Zeit mit elektronischer Post experimentiert, dochdie neue Technologie erschien mir sehr teuer und ich erwartetenicht, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern würde. Fax und Te-lefon würden vielleicht durch ein Mobiltelefon ergänzt und dieSchreibmaschine durch einen Computer ersetzt werden.

Doch Anfang der 90er Jahre fand eine technische Revolutionstatt, die unseren Kampf bis heute beeinflusst und in seinem explo-sionsartigen Wachstum vielleicht erst ermöglicht hat: Der britischeInformatiker Tim Berners-Lee hatte am Schweizer CERN-Institutdas World Wide Web erfunden, das mithilfe von Browser-Program-men wie »Netscape« aus dem bisherigen »Internet« – einem reinen

Datennetz – eine Welt voller Bilder machte. Damit war ein Massen-medium geboren. Plötzlich hatte jeder E-Mail und Zugang zu einerInformationswelt, die bis dato nur einigen Wissenschaftlern undComputerfreaks vorbehalten war. Unabhängig vom großen Inter-net-Hype und auch von heute geplatzten Träumen vom großenGeld entwickelte sich das Netz für uns zum essenziellen Bestandteilunseres Kampfes gegen die Korruption.

Zunächst einmal kam mir ein großer Glücksfall zustatten. MeinSohn Tobias war schon als Kind sehr an computergestützter Kom-munikation interessiert. Schon als 12-Jähriger hatte er in Washing-ton mit seinem Spielgefährten Alex Wall ein elektronisches BulletinBoard eingerichtet, das mit seinen zahlreichen Benutzern Aufsehenerregte und sogar in der Washington Post besprochen wurde.

Tobias hatte 1993 gerade sein Studium an der Georgetown-Uni-versität in Washington abgeschlossen und wohnte bei uns in Ber-lin, als ich mit Transparency International begann. Er stürzte sichmit großer Begeisterung in unsere Arbeit und richtete uns die er-sten Computer und E-Mail-Accounts ein – IBM hatte uns ein paargebrauchte Geräte geschenkt. Tobias war überrascht, wie schnellwir alten Hasen uns an die neue Technik gewöhnten. Schon kurznachdem wir uns mit dem neuen Medium vertraut gemacht hat-ten, erleichterte es uns die Kommunikation zwischen unserer klei-nen Truppe in Berlin und den anderen TI-Gründern in aller Welterheblich. Schon bald wanderten große Mengen an elektronischerPost zwischen allen Kontinenten hin und her. Gerade angesichtsder Zeitverschiebung und unvereinbarer Terminpläne aller Betei-ligten war und ist es oft einfacher, eine weltumspannende Diskus-sion per E-Mail zu führen. Tobias erstellte auch unsere erste Web-seite, aus der heute unter <www.transparency.org> ein zentralerAnlaufpunkt für jedermann geworden ist, der Informationen zumKampf gegen die Korruption sucht.

Das Internet ist mittlerweile tatsächlich so etwas wie die Ant-wort auf die Globalisierung geworden. Das merken nicht zuletzt

Das In te r net a ls entsche idendes Werkzeug 105

die Wirtschaftsführer und Politiker, zu deren Treffen sich heute re-gelmäßig die Globalisierungsgegner und Aktivisten per Internet zuschlagkräftigen Kampagnen verabreden. Natürlich bedarf es nachwie vor einer engagierten Gesellschaft, die bereit ist, für höhere öf-fentliche Güter aktiv zu werden – aber durch das World Wide Webist der Informationsaustausch zwischen verschiedenen Organisa-tionen und auch zu den einzelnen Menschen hin besser, schnellerund strukturierter geworden als je zuvor in der Geschichte. Undauch wesentlich preiswerter da Büro- und Reisekosten genausowegfallen wie die Kosten für den Druck von Info-Material.

Auch für uns Antikorruptionsaktivisten ist das Web zu einemzentralen und unersetzbaren Instrument geworden. Es gibt kaumein Chapter von TI, das heute nicht über seine eigene Webseiteverfügte und den Bürgern des jeweiligen Landes so eine Anlauf-stelle rund um das Thema Korruption böte. Und kaum eine Kam-pagne oder Diskussion inner- und außerhalb von TI, die nichtdurch entsprechende »Informationszentren« im Internet begleitetwürde.

Kern unseres »Info-Feldzuges« ist die Homepage unseres Inter-nationalen Sekretariats in Berlin, <www.transparency.org>. Hierfinden sich neben Basisinformationen über den Aufbau, die Ideeund die Struktur von Transparency International elektronischeVersionen von fast allen unseren Papieren, Berichten und sonstigenVeröffentlichungen zum Download, so zum Beispiel von unserem»Corruption Perceptions Index«, dem »Bribe Payers Index«, dem»Corruption Fighters’ Toolkit«, dem »Source Book« und dem»Global Corruption Report«. Letzterem haben wir unter <www.globalcorruptionreport.org> auch eine eigene Webseite eingerich-tet. Außerdem gibt es die Möglichkeit, in unserer Korruptionsda-tenbank »CORIS« nach Informationen zu relevanten Themen zurecherchieren und sich für unseren elektronischen Newsletter regis-trieren zu lassen. So kann sich etwa gleichzeitig ein Antikorrup-tionsaktivist in Bangladesch Informationen über den »Integrität-

106 Das Netz der Kor r upt ion

spakt« herunterladen, während sich ein albanischer Regierungs-mitarbeiter unser »Source Book« in seiner Landessprache ansieht.Per E-Mail erhalten registrierte Nutzer in aller Welt außerdem un-sere »Daily Corruption News« – eine Art virtueller Dienst, der dietäglichen Presseberichte zum Thema Korruption von überall aufdem Globus präsentiert. All das hilft uns auch, unser Gebot derTransparenz aufrechtzuhalten. Jeder, der will, kann auf unsererWebseite sowohl alles über unsere Mitglieder- und Führungsstruk-tur erfahren als auch darüber, woher wir unsere Gelder bekommenund wie wir sie ausgeben. Selbstverständlich sind wir durch effek-tive Links mit den Websites anderer wichtiger Akteure verbunden,wie Global Gateway oder Weltbank, UNDP, Interpol, etc.

Das Internet ermöglicht es uns auch, fast komplett virtuelle Or-ganisationen zu schaffen, so etwa die Ausgründungen »Partners-hip for Transparency Fund« (PTF) und das »Forest Integrity Net-work« (FIN), die im 20. Kapitel vorgestellt werden. PierreLandell-Mills, der beiden Organisationen vorsteht, kommuniziertmit allen Beteiligten, die oft durch Kontinente voneinander ent-fernt sind, von seinem Haus an der Küste von Wales aus fast aus-schließlich über das Internet. Die Mitarbeiter der Netzwerke,meist hochrangige Ex-Manager wie Landell-Mills, können von zuHause von ihrem Computer aus arbeiten und dennoch weltweit –virtuelle – Präsenz zeigen. Die Reise- und Verwaltungskosten sind,gemessen an den erreichten Ergebnissen und der Effizienz der bei-den Organisationen, verschwindend gering.

Diese Tatsachen allein machen das Internet schon zu einemwichtigen Werkzeug. Seinen entscheidenden Vorteil zeigt es aber,wenn es darum geht, Transparenz zu schaffen. Zum einen kannjede Organisation der Zivilgesellschaft sehr einfach sehr vieleMenschen erreichen und Missstände öffentlich anprangern. Zumanderen können NGOs, Journalisten und interessierte Privatper-sonen jederzeit das Handeln von staatlichen Institutionen mithilfevon öffentlich zugänglichen Informationen überprüfen.

Das In te r net a ls entsche idendes Werkzeug 107

So haben Regierungsstellen weltweit sehr kreative Beispiele ei-nes effektiveren Informationszugangs geschaffen, die den Schutzgegen Korruption drastisch erhöhen. So gibt es inzwischen in Me-xiko und Argentinien Anschaffungsverfahren für Staatsaufträge,die in jeder Phase voll vom Bürger im Internet verfolgt werdenkönnen. In Buenos Aires sind die Bürger sogar in der Lage, schonlange vor den Ausschreibungen die Vorbereitung von öffentlichenInvestitionen im Internet zu verfolgen, sich an der Diskussion überArt und Umfang der Projekte zu beteiligen und sich nach Ab-schluss der Projekte ein Bild darüber zu machen, ob es bei derAuswahl der beteiligten Unternehmen, bei der Bauausführung undbei Abnahme und Abrechung mit rechten Dingen zugegangen ist.Das System »OPEN«, das vom früheren Oberbürgermeister vonSeoul, dem Leiter von TI-Korea und amtierenden Premierministervon Korea, Goh Kun, eingerichtet worden ist, geht bei der Ein-richtung eines transparenten Staates besonders weit; die Bürgerkönnen den Ablauf von für sie interessanten Verwaltungsvorgän-gen landesweit verfolgen.

Leider sind die deutschen Behörden noch nicht so weit. Auchwenn wir durchaus die eine oder andere positive Veränderung inden vergangenen Jahren bemerkt haben, fehlt es vielen noch anausreichender Transparenz. Zu unserem Leidwesen haben wir inDeutschland – anders als etwa in den skandinavischen Ländern –eine Tradition, die jedes amtliche Dokument erst einmal als ge-heim oder zumindest vertraulich behandelt, es sei denn, es ist aus-drücklich zur Veröffentlichung bestimmt. Deshalb bekommenheute Bürger und Nichtregierungsorganisationen auch über dasInternet in erster Linie Informationen, die von vornherein zur Ver-öffentlichung bestimmt und entsprechend bearbeitet worden sind.Wirklich entscheidende Dokumente, die Aufschluss über das Ver-halten von Ministerien und Behörden geben und Hinweise auf eineventuelles Fehlverhalten liefern könnten, verschwinden dagegenhäufig in den Aktenschränken.

108 Das Netz der Kor r upt ion

Eine Lösung könnte das seit langem von TI geforderte Informa-tionsfreiheitsgesetz bringen. In Verbindung mit dem Internetwürde es einen Quantensprung an Transparenz bedeuten – undnicht nur den Kampf gegen die Korruption entscheidend beflü-geln. In einem solchen Gesetz würden deutsche Behörden dazuverpflichtet werden, auch interne Informationen für jedermannzugänglich ins Internet zu stellen – zum Beispiel zu einer öffent-lichen Ausschreibung und dem Vergabeverfahren. Bisher ist einsolches Gesetz auf Bundesebene gescheitert; vier Bundesländer,Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfa-len, machen mit ihren neuen Informationsfreiheitsgesetzen dage-gen schon gute Erfahrungen. Jedenfalls gibt es einen eklatantenZusammenhang zwischen dem Grad der Transparenz und demGrad der Korruption. So sind seit Jahren die skandinavischenLänder mit ihrer Tradition der Informationsfreiheit in unserem»Corruption Perceptions Index« immer auf Spitzenplätzen, alsorelativ wenig von der Krankheit Korruption befallen.

In einer idealen Welt würden auch alle Abgeordneten dazu ver-pflichtet sein, ihre Vermögensverhältnisse und Einkünfte für diebreite Öffentlichkeit offen zu legen. Die meisten Mitglieder desDeutschen Bundestages haben beispielsweise heute bereits eine ei-gene Homepage, auf der dies ohne Weiteres möglich wäre. Dochauf den meisten dieser Seiten befinden sich nur politische Aussa-gen und wenig über die privaten und finanziellen Verquickungenmit Lobbyisten und anderen Industrievertretern. Nur einige we-nige Mitglieder des Bundestages haben sich aus freien Stücken ent-schieden, zum »gläsernen Abgeordneten« zu werden. So zum Bei-spiel der Bonner SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber, der (im Herbst2002 aus dem Bundestag ausgeschiedene) Grünen-Politiker Chris-tian Simmert und die CDU-Abgeordnete Angelika Volquartz. Eineentsprechende Anweisung oder verpflichtende Regelung durchden Bundestagspräsidenten könnte einiges bewirken, ist aberebenso wie das Informationsfreiheitsgesetz noch in einiger Ferne.

Das In te r net a ls entsche idendes Werkzeug 109

Gerade auch Parteien, die nach den Skandalen der letzten Zeitein Bedürfnis nach Transparenz haben sollten, wären gut beraten,das Internet zu nutzen und ihre Finanzen und vermögenstechni-schen Verhältnisse online zu präsentieren – und immer mehr tundies auch. Nichts ist einfacher, als den Rechenschaftsbericht desVorstandes und die Ergebnisse der Kassenprüfung im Web zu ver-öffentlichen. Der einfache Bürger, aber natürlich auch Journalistenund Organisationen der Zivilgesellschaft hätten so eine Möglich-keit, sich schnell, zeit- und ortsunabhängig ein Bild über die jewei-lige Partei oder Organisation zu machen.

Was für politische Institutionen gilt, kann auch in den Sektorder Privatwirtschaft übernommen werden. Große Unternehmen,die sich beispielsweise der »Global Reporting Initiative« ange-schlossen haben, verpflichten sich, auf ihren Websites ganz klarund transparent darzulegen, wie sie handeln. Häufig wird dortweit mehr geboten als die elektronische Version des Geschäftsbe-richtes. Der Konzern stellt vielmehr vor, was er unternimmt, umschädliches Verhalten im Bereich der Korruption oder im Bereichdes Umweltschutzes und anderswo einzudämmen. Überdies kannfür alle Mitarbeiter eine Kopie des jeweils geltenden »Codes ofConduct« sowie die Kontaktstelle eines internen oder externenKorruptionsbeauftragten abrufbar sein. Vorbildcharakter hierfürkann die Website des Global Compact der UNO haben, die einzentrales Instrument für die etwa 300 beteiligten Unternehmen ge-worden ist, um ihrer Selbstverpflichtung zu sozialverantwort-lichen Geschäftspraktiken nachzukommen. Dabei geht es nichtnur um die Präsentation des eigenen unternehmerischen Verhal-tens, sondern gleichzeitig immer auch um die Möglichkeit eineröffentlichen Überprüfung durch die Zivilgesellschaft.

Das Internet ist wie geschaffen für die moderne Zivilgesellschaftim Informationszeitalter. Daher bedienen sich natürlich auch dasorganisierte Verbrechen, Diktaturen und Profiteure dieses Medi-ums, um ihre schmutzigen Geschäfte, Korruption und Geldwäsche

110 Das Netz der Kor r upt ion

zu betreiben. Auch deshalb verdient das Internet die besondereAufmerksamkeit der Gesellschaft. Einerseits gilt es, neue Risikenabzuwehren, andererseits aber, die in ihm schlummernden positi-ven Möglichkeiten beim Aufbau einer besseren Welt zu nutzen.

Das In te r net a ls entsche idendes Werkzeug 111

12Der Corruption Perceptions Index

Der Corruption Perceptions Index bestätigt, dass Korruption eine

Krankheit ist, die nicht nur die Entwicklungsländer befällt, son-

dern auch die Industriestaaten. Korruption ist neutral. Für Kor-

ruption sind alle Nationen gleich, ob groß oder klein, reich oder

arm.

Tunku Abdul Aziz, Vorsitzender TI-Malaysia

Einmal im Jahr wundern sich die Deutschen, dass ihr Land kor-rupter sein soll als Chile, Hongkong oder Singapur. Zur gleichenZeit widmen sich Leitartikler rund um den Globus, von der NewYork Times über den Zimbabwe Standard und den Daily Stan-dard Bangladesh bis hin zum spanischen El País der Frage, wieihre Länder im weltweiten Korruptionsvergleich abschneiden undwieso das so ist. Anlass ist eines unser wirksamsten Mittel, umweltweit auf die Korruption aufmerksam zu machen, der Corrup-tion Perceptions Index, kurz CPI. Dieser Index misst die Wahrneh-mung der Korruption in über 100 Staaten.* Nicht nur das Medien-echo ist enorm. Auch die Politik reagiert – wenn auch häufig nichtzum Besten für uns und unsere ehrenamtlichen Helfer. In Nigeriamussten lokale TI-Mitglieder um ihr Leben fürchten, als das Landwährend der Herrschaft des Diktators Sani Abacha auf den letzten

* Den vollständigen Corruption Perceptions Index aus dem Jahr 2002finden Sie im Anhang.

Platz kam; Argentiniens Präsident Carlos Menem beschimpfte unsgar als kriminelle Organisation; die Regierungen von Malaysia,Neuseeland und Singapur hingegen setzten sich ausdrücklich alsZiel, in den nächsten Jahren einen besseren Platz auf dem CPI zuerreichen.

Hierzulande sind die politischen Konsequenzen leider immernoch zu gering, immer noch fehlt das Bewusstsein, dass auchDeutschland ein ernsthaftes Korruptionsproblem hat. Dabei sinddie Alarmzeichen deutlich: Während die skandinavischen Länderwie Finnland und Dänemark mit ihrem transparenten Regierungs-system schon fast traditionell die vorderen Plätze einnehmen undStaaten der Dritten Welt wie Nigeria, Bangladesch und Angola dasSchlusslicht bilden, liegt Deutschland regelmäßig auf einemschlechten Mittelplatz und hat sich in den vergangenen Jahren so-gar kontinuierlich verschlechtert.

Nur zu gerne würde ich sagen, dass der CPI das Ergebnis einerklar kalkulierten Strategie ist. Dass wir ihn bewusst als Instrumentgeschaffen haben, um weltweit das Ausmaß der Korruption zuverdeutlichen und in die Köpfe und Herzen der Menschen zu brin-gen. Dem ist aber nicht so. Auch wenn der CPI heute von allen TI-Mitgliedern als eines unserer wichtigsten Werkzeuge angesehenwird, verdankt er seine Existenz und seine Popularität eigentlichnur einem kleinen Versehen – einem Zufall mit weitreichendenFolgen.

Anfang 1995 machte ein junger Wissenschaftler, Johann GrafLambsdorff, ein Praktikum bei uns. Der Volkswirt hatte geradeseinen Doktor gemacht und war sehr eifrig und engagiert. Dochals er mit seiner Idee auftauchte, dass man doch weltweit die Kor-ruption mit wissenschaftlichen Methoden messen können müsste,nahmen wir erfahrenen Praktiker ihn nicht wirklich ernst. Wir be-lächelten ein bisschen seine Idee, ließen ihn aber in seinem jugend-lichen Forscherdrang gewähren. Wir erkannten damals nochnicht, welch wichtiges und kraftvolles Instrument er uns liefern

Der Cor r upt ion Per cept ions Index 113

würde. Er arbeitete hart daran, den Index zu entwickeln – undmachte dann jenen Fehler, der zur Geburtsstunde des CPI in derÖffentlichkeit wurde. Wie es dazu kam, erzählt Johann GrafLambsdorff so: »Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal denGedanken hatte, einen Korruptionsindex zu schaffen. Es war der27. März 1995, mein 30. Geburtstag. Ich lag allein auf dem Bett inmeinem Hotelzimmer in Mailand. Eigentlich sehr deprimierend,aber die Jahrestagung von TI fand nun einmal an diesem Datum inder italienischen Metropole statt. Irgendwie muss ich durch dieGespräche, Diskussionen und Vorträge des Tages inspiriert wor-den sein. Denn wie ein Geschenk des Himmels kam ich an diesemAbend in meinem Hotelzimmer auf die Idee, dass man zusammenmit TI einen Korruptionsindex entwickeln könnte, in dem maninternationale Expertenmeinungen zum Thema Korruption sam-melt. Man müsste nur eine Form finden, dieses Wissen zu bündelnund auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.«

Diese Idee trug Lambsdorff am nächsten Tag im Plenum vor.Sein jugendlicher Ehrgeiz und die Begeisterung für seine Idee gefie-len uns, auch wenn wir nicht wirklich daran glaubten, dass er seinZiel tatsächlich würde erreichen können. Dennoch lehnten wir sei-nen Vorschlag nicht kategorisch ab, sondern bestärkten ihn zumin-dest, seine Idee weiter zu verfolgen und dann einem Gremium vonTI zu präsentieren. Lambsdorff erinnert sich weiter: »Die Zustim-mung, die ich erhielt, ermutigte mich, mir konkretere Gedanken zumachen. Mir stellte sich nun die Frage: Wie sammelt man die Ex-pertenmeinungen? Als ich ihr nachging, stieß ich auf verschiedeneQuellen, wie zum Beispiel Befragungen von Geschäftsleuten unddie Ansätze von Risiko-Agenturen, die sich in Teilbereichen mitKorruption beschäftigten. Ich nutzte all diese Ressourcen und ent-wickelte einen ersten Entwurf für einen Index, den ich im Juni1995 vertraulich an einige führende TI-Mitglieder verschickte.«

Und das war jener Moment, der für den urplötzlichen Ruhmdes Corruption Perceptions Index verantwortlich ist. Denn wie es

114 Das Netz der Kor r upt ion

manchmal so ist, wenn ein Papier vertraulich kursiert, landet esdoch plötzlich bei der Presse. Jedenfalls erfuhr ein Journalist desSpiegel von dem Entwurf und wurde neugierig.

»Nur wenige Tage, nachdem ich mein Papier an die TI-Mitglie-der geschickt hatte, rief mich ein Redakteur des Spiegel an undfragte mich direkt nach dem Index. Ich wusste, dass er noch langenicht fertig war und ihm noch kein TI-Verantwortlicher seinen Se-gen gegeben hatte, aber ich dachte, es könnte für die Arbeit desJournalisten eine gute Hintergrundinformation sein. Ich schickteihm also in gutem Glauben die Vorab-Liste zu und dachte nichteinmal im Traum daran, dass er sie veröffentlichen würde.«

Natürlich tat er es. Schon in der nächsten Ausgabe des Spiegelfanden wir Lambsdorffs unfertiges Dokument wieder. Er hatteseine erste Lektion im Umgang mit der Presse erhalten – und wirzunächst ein Problem. Denn der Journalist hatte wohl vergessenzu erwähnen, dass es sich noch um einen ersten Entwurf handelte,um einen Schuss ins Blaue, ein unfertiges Dokument eben. Statt-dessen hatte er es als offizielle Studie deklariert und TransparencyInternational und die Universität Göttingen, an der Lambsdorffdamals wirkte, als Quelle angegeben.

Ich traf mich mit Jeremy Pope und den anderen Mitliedern derTI-Führungsebene in Berlin und wir überlegten, was wir nununternehmen sollten. Einfach dementieren? Eine Gegendarstellungvom Spiegel verlangen? Oder sollten wir die Gunst der Stundenutzen und die plötzlich gewonnene Publizität zu unserem Vorteileinsetzen? Eine Flucht nach vorne?

Die Entscheidung wurde uns quasi aus der Hand genommen.Denn auch andere Journalisten lasen den Spiegel und witterteneine Geschichte. Lambsdorff erinnert sich weiter: »Bei mir klin-gelte plötzlich das Telefon Sturm. Aus der ganzen Welt riefen michJournalisten an. Bei Transparency in Berlin kannte sich ja keineraus, der CPI war intern noch gar nicht diskutiert und entwickelt.Ich war der einzige, der wusste, wie er aufgebaut war. Deshalb

Der Cor r upt ion Per cept ions Index 115

mussten sie alle Anfragen an mich weitergeben. Erst nach ein paarTagen gelang es uns, eine erklärende Pressemitteilung herauszuge-ben. Als ich bereits dachte, alles überstanden zu haben, kam diezweite große Welle fast einen Monat später. Eine Reporterin derNew York Times, die in ihrem Urlaub in Indien über den CPI gele-sen hatte, rief mich an und machte den CPI zur Schlagzeile imWirtschaftsteil der Times und eine Woche später gleich noch ein-mal. Wir wurden überschüttet mit Anerkennung für ein noch un-fertiges Produkt, aber wir merkten, hier hatten wir einen Nerv ge-troffen.«

Der Ansturm der Presse ließ uns keine Wahl. Wir entschieden,dem CPI unseren Segen zu geben. Es war eine richtige Entschei-dung. Denn wie sich später zeigte, hatte Lambsdorff schon in sei-nem ersten Entwurf so gut gearbeitet, dass wir trotz aller Kritik inder Öffentlichkeit bestehen konnten. Und schnell fiel auch die Ent-scheidung, dass wir von nun an den CPI regelmäßig jedes Jahr ver-öffentlichen und ausbauen wollten. Es galt jetzt, die neu geschaf-fene Waffe im Kampf gegen die Korruption zu schärfen und gegenAngriffe von Kritikern abzusichern.

Lambsdorff erinnert sich: »Nachdem die ganze Aufregung vor-bei war, machte ich mich erst einmal auf die Suche nach weiterenQuellen. Denn bis dato haben mir nur sehr wenige zur Verfügunggestanden, die auch zeitlich zwischen 1984 und 1994 schwankten.Durch unseren fulminanten Frühstart war diese Suche aber vieleinfacher geworden. Wir waren plötzlich ein Sammelbecken fürInformationen aller Art geworden. Risiko-Agenturen, Organisa-tionen und Wissenschaftler, die zuvor noch nie von TransparencyInternational gehört hatten, kannten uns jetzt und waren bereit,ihre Daten mit uns zu teilen. Schon 1996 konnten wir mit einemwesentlich erweiterten und fundierteren Index aufwarten. Starte-ten wir 1995 noch mit 42 Ländern, schafften wir 2002 den bishe-rigen Höchststand von 102 aufgelisteten Ländern.«

Nach dem ungewollten Schnellstart mussten wir nun auch un-

116 Das Netz der Kor r upt ion

ser Prozedere professionalisieren, alles was wir taten, genau doku-mentieren, sowie die Validität und Präzision der Daten erhöhen(im Internet unter <www.gwdg.de/ ˜uwvw>). Dies gelang unsschon 1996 recht passabel. 1997 erstellten wir erstmals ein Frame-work-Dokument, anhand dessen wir die Daten erheben und über-prüfen. Natürlich gab es auch Kritik an unserem Vorgehen: Immerwieder wurde die Wissenschaftlichkeit angezweifelt und die Tatsa-che, dass Korruption messbar ist. Deswegen setzte TI bereits 1997ein »Steering Committee« ein, in dem zahlreiche anerkannte Wis-senschaftler saßen, die mit zu den heftigsten Kritikern unserer Ar-beit gehörten. Dieses Komitee hat unsere Arbeit immer wiedersehr kritisch beobachtet und uns in sehr mühsame und kontro-verse Diskussionen verwickelt – den CPI aber dadurch immer wei-ter nach vorne getrieben.

Die Untersuchungen, die wir mittlerweile für unsere Auswer-tung heranziehen können, werden immer zahlreicher. Sie könnenvon den bereits erwähnten Risiko-Agenturen kommen, aus sub-jektiven Umfragen unter Geschäftsleuten oder von Organisatio-nen wie dem World Economic Forum. Niemals aber erheben un-sere nationalen Chapter eigene Daten. Und dennoch müssen sieoft unter dem Zorn ihrer Regierungen leiden, wenn ihr Land be-sonders schlecht abschneidet.

Mit am wichtigsten sind die Einschätzungen der Risiko-Agentu-ren, da sie oft Länderexperten vor Ort haben, die das Ausmaß derKorruption sehr genau bewerten können. Für uns ist es aber pro-blematisch, dass die einzelnen Agenturen und Institute unter-schiedliche Maßstäbe und Methoden verwenden und oft auch nurganz bestimmte Länder abdecken. Deshalb geben wir auch immersowohl den Mittelwert als auch die Abweichungen und die Zahlder genutzten Quellen an. Den Wert der Korruption geben wir ineinem Zehnersystem an. 10 Punkte bedeuten keine Korruption, 0Punkte das höchste Ausmaß an Korruption. So hatte Finnland,das 2002 den 1. Platz belegte, einen Wert von 9,7, während

Der Cor r upt ion Per cept ions Index 117

Deutschland und Israel mit einem Wert von je 7,3 gemeinsam aufden 18. Platz kamen. Auf den ersten Blick hatte sich Deutschlanddamit gegenüber dem Vorjahr um zwei Plätze verbessert, doch tat-sächlich hatte es sich verschlechtert, denn im Jahr 2001 hatteDeutschland noch einen Wert von 7,4 erreicht.

Angesichts der steigenden Zahl der untersuchten Länder ist esalso weniger wichtig, welchen Platz ein Land über die Jahre ein-nimmt, denn viel aussagekräftiger ist der absolut erreichte Wert.

Für Deutschland bedeutete vor allem die Affäre Kohl einenscharfen Einschnitt nach unten. Dabei ist es weniger so, dass dieBefragten der Meinung waren, dass es jetzt mehr Korruption inDeutschland gäbe. Vielmehr waren sie der Meinung, Deutschlandhabe die guten Plätze der vergangenen Jahre gar nicht verdient.Durch die Ernüchterung hat die Wahrnehmung der Korruptionzugenommen.

Natürlich wird uns immer wieder vorgeworfen, dass wir nursubjektive Daten verwenden würden. Doch die wissenschaftlicheSeite bestätigt uns regelmäßig, dass unser Index die Wirklichkeitsehr genau abbilden kann. Inzwischen wird er auch von anderenForschern als Basis verwendet. Denn wirklich objektive Datenüber Korruption sind rar. Die subjektiven Daten aber geben unseine wertvolle Information, da sie von zu Tausenden befragten Ge-schäftsleuten stammen, die sehr wohl wissen, wovon sie reden: Siesind es oft selbst, die bestechen. Sie sind es auch, die aufgrund ih-rer eigenen Auffassung vom relativen Grad der Bestechung in denvon ihnen beurteilten Ländern Entscheidungen über Investitionenund andere Geschäfte treffen. Übrigens, indem wir die Masse anQuellen auswerten, werden diese Daten objektiver. Wichtig ist,dass wir niemals vom Hörensagen ausgehen, sondern dass wir unsan subjektive Eindrücke aus der Lebenswirklichkeit der befragtenPersonen halten – und uns auch niemals auf nur eine Quelle ver-lassen. Wenn wir nicht mindestens drei voneinander unabhängigeQuellen über ein Land haben, nehmen wir es nicht in den CPI auf.

118 Das Netz der Kor r upt ion

Im Jahr 2002 wertete Johann Graf Lambsdorff insgesamt 15Studien von neun unabhängigen Institutionen aus, darunter dieColumbia University, PricewaterhouseCoopers und das WorldEconomic Forum. Das Ergebnis ist nach wie vor erschreckend. 70Prozent der Länder liegen unter einem Wert von 5. Indonesien,Kenia, Angola, Madagaskar, Paraguay, Nigeria und Bangladescherreichten sogar Werte von unter 2. In Südamerika, wo das Ver-trauen der Menschen in die politischen Eliten und die demokrati-schen Prinzipien in den vergangenen Jahren deutlich schwand,wird auch eine Zunahme der Korruption wahrgenommen. Be-sonders im von schweren Wirtschaftskrisen gebeutelten Argenti-nien spürten die Menschen ein enormes Ansteigen der Korrup-tion.

Während einige Länder Mitteleuropas, wie etwa Slowenien, zu-nehmend als weniger korrupt wahrgenommen werden, haben dieLänder der ehemaligen Sowjetunion noch einen weiten Weg vorsich. Von einigen anderen Staaten, die mit Sicherheit als sehr kor-rupt einzuschätzen sind, lagen uns leider nicht genügend Informa-tionen vor, um einen aussagefähigen Wert generieren zu können.Mit weltweit über 200 souveränen Staaten bleibt uns also nochviel zu tun.

Der CPI zeigt aber deutlich, dass fast überall auf der Welt politi-sche Eliten, Beamte und Justizorgane Bestechungsgelder anneh-men und Hand in Hand mit skrupellosen Geschäftsleuten arbei-ten. Vielfach geben Politiker nach der Veröffentlichung des CPIhehre Versprechen ab, endlich etwas gegen die Korruption zuunternehmen, doch das sind oft nur Lippenbekenntnisse. ImGegenteil: In vielen Ländern wurde es in den vergangenen Jahrenschlimmer statt besser.

Es wäre aber falsch, mit dem Finger auf die betroffenen Staatenzu zeigen und Korruption als nationales Problem zu sehen. Dennmeist sind es Angehörige anderer Staaten, die die jeweiligen Elitenbestechen. Das zeigt unser zweiter Index, der »Bribe Payers’ In-

Der Cor r upt ion Per cept ions Index 119

dex«, den ich im nächsten Kapitel vorstellen werde. Er misst, inwelchen Ländern besonders häufig bestochen wird.

Während die große Korruption, die unangemessene öffentlicheBaumaßnahmen und Waffengeschäfte begleitet, die Medien be-schäftigt und die Antiglobalisierungsproteste anheizt, peinigt diekleine Korruption Geschäftsleute, Investoren und Durchschnitts-bürger in ihren alltäglichen Transaktionen. Wenn eine Importlizenznur durch die Bestechung eines Beamten erlangt werden kann undausländische Investoren gezwungen sind, Einfuhrbedingungen zu»verhandeln«, werden die Entwicklungschancen untergraben.Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Korruption nicht weniger alsandere außertarifliche Hindernisse eine erhebliche, abschreckendeWirkung auf den Handel hat, die auf Dauer sogar zu einem merk-lichen Rückgang der Handelsflüsse führen kann. Ausländische Di-rektinvestitionen (ADI) werden durch Korruption ebenfalls negativbeeinflusst. Professor Shang-Jin Wei von der Brookings Institution,der zwischen 1990 und 1991 bilaterale Handelsflüsse zwischen 14Export- und 45 Importländern untersucht hat, stellte beispiels-weise fest, dass Korruption einen immens negativen Einfluss aufdie ADI hat. Seinen Ergebnissen zufolge entspricht ein Anstieg derKorruption von dem Korruptionsniveau Singapurs auf das vonMexiko einer Erhöhung des Steuersatzes um mehr als 20 Prozent.Eine jüngere Studie des Weltwirtschaftsforums wies den negativenEinfluss der Korruption auf die ADI in afrikanischen Ländernnach. Die Bedeutung dieser Ergebnisse liegt auf der Hand: Investo-ren werden sich von Ländern mit hohem Korruptionsniveau eherfernhalten. Genauso offensichtlich ist, dass gerade jene Länder, dieauf ausländische Investitionen am stärksten angewiesen sind, amstärksten unter der Korruption leiden.

120 Das Netz der Kor r upt ion

13Der Bribe Payers Index

Deutsche Unternehmen zahlen auf unverändert hohem Niveau

Schmiergelder, um international im Geschäft zu bleiben. In einer

am Dienstag von der Antikorruptionsorganisation Transparency

International (TI) präsentierten Rangliste belegt Deutschland nur

einen mittleren Platz.

Financial Times Deutschland, 14.5.2002

Bis vor wenigen Jahren waren sich die Wirtschaftsexperten einig,dass die Unterschiede der Anfälligkeit für Bestechung bei Personenaus der Privatwirtschaft nicht messbar seien. Das Profitstrebenwürde alle Akteure zum gleichen Verhalten führen – zum Beispieldazu, dass sie in einer Umgebung, in der Bestechungsgelder gefor-dert werden, Bestechungsgelder zahlen. Dadurch wäre die Wahr-scheinlichkeit, dass bestochen wird, etwa gleich verteilt, auch beihoher Korruptionsneigung.

Der Bribe Payers Index (BPI) von Transparency International,den wir erstmals 1999 als Ergänzung zu unserem CPI veröffent-lichten, widerspricht dieser Annahme.* Denn er zeigt, dass Unter-nehmen aus manchen Ländern wesentlich häufiger bestechen alsUnternehmen aus anderen Ländern. Für unseren zweiten BPI, derim Jahr 2002 erschien, führte die Gallup International Associationin unserem Auftrag in 15 Schwellenländern eine Umfrage unter

* Den vollständigen Bribe Payers Index von 2002 finden Sie im Anhang.

insgesamt 835 Personen durch. Zwischen Dezember 2001 undMärz 2002 befragten die Forscher insgesamt 261 Führungskräfteausländischer Unternehmen, 261 Führungskräfte einheimischerUnternehmen, 84 ranghohe Angestellte von Rechnungsprüfungs-firmen, 71 Repräsentanten binationaler Handelskammern, 80Führungskräfte nationaler und ausländischer Geschäftsbanken so-wie 78 Wirtschaftsanwälte in Argentinien, Brasilien, Indien, Indo-nesien, Kolumbien, Marokko, Mexiko, Nigeria, Philippinen, Po-len, Russland, Südafrika, Südkorea, Thailand und Ungarn. Aufdiese 15 Länder konzentrieren sich mehr als 60 Prozent der ge-samten ausländischen Direktinvestitionen in Schwellenländern.

In unserer Umfrage, bei deren Entwicklung und Erstellung unsübrigens ein Fachgremium aus international führenden Korrup-tions-, Ökonometrie- und Statistikexperten zur Seite stand, maßenwir die wahrgenommene Bereitschaft von Firmen aus den 21 füh-renden Exportländern der Welt, in jenen 15 Märkten Bestechungs-gelder an ranghohe Amtsträger zu zahlen. Bei den 21 Exportstaa-ten, die im BPI aufgelistet sind, handelt es sich um: Australien,Belgien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Hong-kong, Italien, Japan, Kanada, Malaysia, die Niederlande, Öster-reich, Russland, Schweden, Schweiz, Singapur, Spanien, Südkorea,Taiwan und die USA sowie zusätzlich das jeweilige Schwellenland,in dem der Befragte sich aufhält (»dieses Land«).

Die meisten der Exportstaaten, deren Verhalten in unserem BPIuntersucht wird, haben die Antikorruptionskonvention derOECD unterschrieben und ratifiziert. Bis Mai 2002 hatten bereits34 der 35 Unterzeichnerstaaten die im Februar 1999 in Kraft ge-tretene Konvention ratifiziert. Der BPI zeigt aber, dass die OECD-Konvention nur den wenigsten Unternehmen auch tatsächlichbekannt ist. Nur 7 Prozent der Befragten gaben in unserer Unter-suchung von 2002 an, mit ihrem Inhalt vertraut zu sein. Immerhin12 Prozent hatten schon einmal von ihr gehört. Aus unserer Sichtsind das dramatische Werte, vor allem, weil sie sich gegenüber

122 Das Netz der Kor r upt ion

dem ersten BPI von 1999 nicht verbessert haben. Die Schlussfolge-rung ist also klar: In den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten derKonvention wurde viel zu wenig getan, um sie bekannt zu ma-chen. Viele Unternehmer sind sich bis heute nicht bewusst, gegennationales Recht in ihrem Heimatland zu verstoßen, wenn sie ei-nen ausländischen Offiziellen bestechen. Für international tätigeUnternehmen sind dringend Umsetzungsprogramme oder Schu-lungen nötig, die die Konvention nicht nur in der Unternehmen-szentrale, sondern auch in allen Niederlassungen weltweit und beiden Geschäftspartnern vor Ort bekannt machen.

Und noch etwas ist klar: Es reicht nicht, Gesetze und Konven-tionen gegen die Korruption zu beschließen. Die Unterzeichner-staaten der OECD-Konvention müssen sie nicht nur in nationalesRecht umsetzen, sondern die Umsetzung auch überwachen undVerstöße ahnden.

Es war eine ziemliche Überraschung für unsere amerikanischenFreunde, als sie nach unserem ersten CPI 1999 feststellen mussten,wie schlecht die US-amerikanischen Unternehmen abschnitten.Denn immerhin hatte Präsident Carter schon im Jahre 1977 denForeign Corrupt Practices Act eingebracht, der amerikanischenStaatsbürgern seit nunmehr über 25 Jahren die Korruption auchaußerhalb der USA strengstens verbot. Es schien fast unglaublich,dass die Amerikaner jetzt in unserem CPI genauso schlecht daste-hen sollten wie ihre europäischen Wettbewerber, deren Regierun-gen dem Beispiel Jimmy Carters nicht gefolgt waren. Es bleibt alsoauch in diesem Land viel zu tun, wie die jüngsten Vorwürfe gegenamerikanische Bau- und Erdölfirmen belegen.

Weniger überraschend war das Ergebnis des BPI, das zeigte,welche Sektoren weltweit als besonders anfällig für Bestechungangesehen werden. Darunter fallen beispielsweise die öffentlicheBauwirtschaft und die Waffenindustrie, während andere Bereiche,die auf langfristig festgelegten Vermögenswerten beruhen – wiedie Landwirtschaft – für weniger anfällig gehalten werden.

Der Br ibe Payers Index 123

Weitere Untersuchungen im Zusammenhang mit dem BPI be-stätigten, dass die Länder und Geschäftsbereiche mit einer hohenBereitschaft zu Bestechungszahlungen auf korrupten Import-märkten einen Wettbewerbsvorteil erlangen können. Das bedeu-tet aber, dass nicht mehr Qualität und Preis über das beste Ange-bot entscheiden. Importentscheidungen werden von der Höheder Bestechungsgelder diktiert, nicht von der Eignung der Pro-dukte für Käufer, Konsumenten oder Öffentlichkeit. Im Teufels-kreis des Wettbewerbs der Bestechung sind die einzigen Gewin-ner, wenn es überhaupt welche gibt, die Korrupten. Die Kostender durch Korruption verursachten Marktverzerrungen könnengar nicht überschätzt werden. Die Höhe der Bestechungssummenmag für arme Länder noch so bedeutsam sein, verglichen mit denSchäden, die durch große Korruption verursacht werden, sind siemarginal.

Die Verzerrungen im Bereich der öffentlichen Ausgaben und In-vestitionen – von Infrastrukturprojekten und Ausgaben im Erzie-hungswesen über medizinische Grundversorgung und andereMaßnahmen, die den Grundbedürfnissen der Armen dienen, hinzu unnötigen staatlichen Bauprojekten und Waffenkäufen – soll-ten heute zu den schlimmsten Verbrechen gegen die Menschheitzählen. Kurzfristig gibt es nur zwei Gewinner der Korruption: dasUnternehmen, das sich einen Auftrag erschleicht, und der besto-chene Amtsträger, der sich persönlich bereichert. Da diese Auf-träge selten dem Wohl eines Volkes dienen, werden gigantischeRessourcen fehlgeleitet und der Mehrheit der Menschen im betrof-fenen Land entzogen. Fortschritt wird so unmöglich.

Solche Korruptionsverbrechen können nicht in Grenzen gehal-ten und noch weniger ausgemerzt werden, indem nur einzelne Tä-ter wie internationale Geschäftsleute bloßgestellt und die Eliten inden Entwicklungsländern beschuldigt werden. Nur eine konzer-tierte Koalition von Institutionen und Menschen, die sich um dasöffentliche Wohl bemühen, darf darauf hoffen, die nötigen syste-

124 Das Netz der Kor r upt ion

mischen Strategien entwickeln zu können, um sich dieser Heraus-forderung zu stellen.

Der BPI ist somit eine klare Aufforderung an die reichen Staa-ten, die besonders häufig bestechen, zu handeln. Tunku AbdulAziz, Vorsitzender von TI-Malaysia, drückte es bei der Vorstellungdes BPI 2002 so aus: »Industriestaaten haben eine besondere hu-manitäre Verantwortung, denn sie verfügen über Ressourcen, umgegen Unternehmen zu ermitteln und Fälle von Bestechung straf-rechtlich zu verfolgen. Ihre Bestechungsgelder und Anreize fürkorrupte Beamten und Politiker untergraben die nachhaltige Ent-wicklung der armen Nationen, die in ihrer jetzigen Lage in einemTeufelskreis aus lähmender Armut, Hunger und Krankheit gefan-gen sind.«

Der Br ibe Payers Index 125

14Der TI-Integritätspreis –Schutz für Whistleblower

Es ist höchste Zeit, dass wir den Mut von ganz gewöhnlichen

Frauen und Männern anerkennen, die alles daransetzen, dass

ihre Regierungen verantwortlich handeln. Einige haben dies mit

ihrem Leben bezahlt, als sie das taten. Es war keine einfache

Aufgabe, aus den Nominierten auszuwählen, denn wir waren von

der Hingabe und dem Engagement aller Nominierten tief beein-

druckt.

Virginia Tsouderos, Vorsitzende TI-Griechenland, bei der Vergabe

des ersten Integrity Awards im Jahr 2000

Korruption ist ein Übel, das im Verborgenen blüht. Die Dunkelzif-fer ist sehr hoch. Auch aktive Staatsanwälte und Polizisten habengrößte Mühe, dieses Dunkel zu durchdringen und Korruptionsfälleaufzudecken. Funktioniert ein korruptes System, haben die Behör-den und die Öffentlichkeit nur geringe Chancen, etwas darüber zuerfahren. Wir brauchen deshalb Menschen mit Mut und hohenethischen Werten, die bereit sind, die allgegenwärtige Korruption inihrem Umfeld nicht mehr hinzunehmen. Wir brauchen Menschen,die innerhalb des Systems sitzen und Missstände erkennen und die,durch welche Umstände sie auch immer auf Korruptionsfälle sto-ßen, nicht schweigen, sondern etwas unternehmen. Wir nennen sieWhistleblower, weil sie die Alarmpfeife blasen – und das oft ohneRücksicht auf ihr eigenes Wohlbefinden. Denn gerade in Ländern,die autoritär regiert werden, bringen sich diese Menschen in Gefahr.

Das zeigt das Beispiel von Mustapha Adib. Als Hauptmann inder marokkanischen Armee deckte er einen groß angelegten Be-trugs- und Korruptionsfall auf – und landete dafür im Gefängnis.Er erzählt: »Korruption war in der marokkanischen Armee weitverbreitet. Aber dies zu melden war und bleibt unmöglich. Dasliegt an den veralteten Strukturen der Armee und an einem fehlen-den fairen Justizsystem in Marokko. Als Offizier betrachtete ich esaber als meine Pflicht, alles in meiner Macht Stehende zu unter-nehmen, um jeden Diebstahl oder Schaden von öffentlichem Ei-gentum abzuwenden.

Im Oktober 1998 entdeckte ich in einer Luftraumüberwa-chungseinheit der marokkanischen Armee einen Ring von Solda-ten, der Öl- und Versorgungsgüter beiseite schaffte und andereKameraden dabei bestach. Ich schrieb einen Brief an seine Majes-tät, den marokkanischen König, der Stabschef und Oberkomman-dierender der marokkanischen Streitkräfte ist. Das nützte nichts.Vielmehr wurde ich das Ziel der Rache meiner Vorgesetzten, diesich nach wie vor an militärischem Eigentum bereichern. Inner-halb eines Jahres verbrachte ich mehr als 100 Tage in verschiede-nen Militärgefängnissen, wurde ich immer wieder grundlos von ei-ner Militärbasis zur anderen versetzt, wurde bis zum November1999 regelmäßig von höchsten Vertretern der Armee schikaniertund gemobbt. Außerdem musste ich vor ein Militärgericht, das esaber aus Mangel an Beweisen glücklicherweise ablehnte, mich zuverurteilen.

Ich versuchte vergebens mit der Hilfe meiner Freunde und Ver-bündeten innerhalb der Streitkräfte Alarm zu schlagen und dasVerhalten meiner Vorgesetzten aufzudecken. Ich appellierte an denVerwaltungsgerichtshof und das Kabinett des Königs. Aber allesvergebens. Also beschloss ich, mit meiner Geschichte an die Pressezu gehen, damit die Umstände den entscheidenden Behörden be-kannt werden und die unwürdige Behandlung meiner Person auf-hören würde.

Der T I - In teg r i tä tspre is 127

Aber anstatt dass nun Gerechtigkeit geschah, wurde ich erneutvor ein Militärgericht zitiert und angeklagt, die Disziplin gebro-chen und der Armee Schande gebracht zu haben. Aber die Ankla-gepunkte hatten nichts mit meinem Fall zu tun. Dass ich die Kor-ruption aufgedeckt hatte, war doch keine Schande. Es gab sogarBeweise, dass ich Recht hatte. Außerdem hatte ich die Disziplinnicht gebrochen, da es keine Vorschrift gab, nicht mit der Pressezu sprechen. Doch das kümmerte niemanden. Denn der Anklage-punkt des Disziplinbruchs war taktisch so gewählt, dass er unterdie Autorität eines Militär- und nicht eines Zivilgerichtes fiel.

Ich wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und mei-nes Ranges enthoben. Wieder einmal hatte es unsere Führung ge-schafft, das Image unseres Rechtssystems in der Welt zu schädi-gen. Sogar die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen fürunrechtmäßige Gefängnisstrafen bestätigte, dass meine Verurtei-lung widerrechtlich war. Die Arbeitsgruppe forderte die marokka-nischen Autoritäten auf, mich sofort wieder auf freien Fuß zu set-zen. Doch nichts geschah.«

Mustapha Adibs Verurteilung machte weltweit Schlagzeilen.Auch wir nahmen uns seines Falls an und kämpften für seine Frei-lassung und Rehabilitierung. Er ist für uns der Prototyp desWhistleblowers, der es gewagt hatte, trotz aller RepressalienAlarm zu schlagen – und dafür mit seiner Freiheit bezahlen mus-ste. Im Jahr 2000 verliehen wir ihm unseren »Integrity Award«.Dieser jährlich verliehene Integritätspreis ist mit keinerlei Dotie-rung verbunden, er zeigt aber, dass wir die mutige Einzelleistungeines Menschen im Kampf gegen die Korruption anerkennen. Under schafft die sehr wichtige Öffentlichkeit, da wir weltweit diePreisträger der Allgemeinheit vorstellen und ihren Mut würdigen.

Gerade in autoritär regierten Ländern ist eine gewisse Promi-nenz und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit oft das ein-zige Mittel, Whistleblower davor zu bewahren, einfach zu ver-schwinden. Mustapha Adib konnte seinen Preis erst im Jahr 2002

128 Das Netz der Kor r upt ion

entgegennehmen, als er aus der Haft entlassen wurde und wir un-ser Jahrestreffen in Marokko abhielten. Heute wieder auf freiemFuß, ist er immer noch sicher, das Richtige getan zu haben – undauch, etwas erreicht zu haben: »Ja, da bin ich mir sicher. Viele an-dere Menschen haben sich inzwischen gegen die Korruption imMilitär und in Regierungsinstitutionen gewandt. Diese Welle derErkenntnis wird meinem Land sicherlich helfen, Fortschritte zumachen. Das Schweigen, in dem die Armee und die Behörden ver-fangen waren, begünstigte doch nur jenes unrechtmäßige Verhal-ten, das zu Budget-Löchern und enormen Auslandsschulden ge-führt hat und das unser Land in seiner Entwicklung hemmt. DerIntegrity-Award bestätigte mir, dass ich nicht falsch lag. Und eszeigt anderen ehrbaren und rational denkenden Bürgern, die ja inder Mehrheit sind, dass die Wahrheit immer ans Licht kommt undIntegrität über Gier siegt. Wenn ich es noch einmal tun müsste,würde ich auf die genau gleiche Art und Weise handeln. Ich würdezuerst meine Vorgesetzten alarmieren, dann das königliche Kabi-nett, dann die Versorgungseinheit der Armee, dann die königlichePolizei, die Verwaltung der Armee, den Verwaltungsgerichtshof –und schließlich, wenn keiner etwas unternimmt, die marokkani-sche und ausländische Presse.«

Der Fall von Mustapha Adib zeigt, wie wichtig es ist, dassWhistleblower und andere Hinweisgeber geschützt werden – undeine Möglichkeit erhalten, Korruptions- und andere Fälle vonFehlverhalten melden zu können, ohne fürchten zu müssen, dassihre gesamte Lebensgrundlage zerstört wird. Denn genau das er-lebte Mustapha Adib: »Im Gefängnis zu sein, ist eine schwierigeErfahrung. Wenn man unrechtmäßig dorthin geschickt wird, ist esnoch schwieriger. Die Gefahr, seine Arbeit zu verlieren, jedwede fi-nanzielle Unterstützung zu verlieren, von Familie und Freundengetrennt zu werden, sein Leben komplett aus dem Nichts wiederaufbauen zu müssen, sind Faktoren, die jeden dazu bringen wer-den, zweimal nachzudenken, bevor man einen Korruptionsfall in

Der T I - In teg r i tä tspre is 129

einem Entwicklungsland meldet. Aber da mein Gefängnisaufent-halt einem guten und gerechten Sinn diente, denke ich, dass alldiese Probleme durchaus ihren Wert hatten.«

Es müssen also dringend Strukturen geschaffen werden, die ehr-liche Menschen nicht nur dazu ermutigen, Korruption zu melden,sondern ihnen auch einen gewissen Schutz gewähren. Das giltnicht nur für Entwicklungsländer, sondern auch für reiche Staatenwie Deutschland, wo das Anprangern von Missständen oft als De-nunziantentum verpönt wird.

Zum Schutz von Whistleblowern gibt es eine Reihe von erprob-ten Mechanismen. Unabhängige Ombudsmänner als Ansprech-partner oder anonyme Telefonnummern sind eine durchaus be-währte Methode. Mehr und mehr Unternehmen und Behördenhaben hierzulande erkannt, dass sie in diesem Sinne etwas unter-nehmen müssen. Die Deutsche Bahn etwa, mit ihren millionen-und milliardenschweren Auftragsvolumen traditionell anfällig fürkorrupte Methoden, ist eines der wenigen Unternehmen, die inDeutschland ein zentrales »rotes Telefon« eingerichtet haben, beidem Mitarbeiter anonym Korruptionsfälle melden können.

Insgesamt ist jedoch mehr erforderlich als eine Hotline oder einOmbudsmann. Es geht um nicht weniger als eine Änderung derKultur, um eine Änderung des Wertesystems in der Gesellschaft,wenn man nicht nur auf den Mut von Einzelnen vertrauen will.Das Image der Korruption in der Gesellschaft muss verändert wer-den. Denn nur, wenn Unrecht auch als Unrecht erkannt wird undnicht als Kavaliersdelikt oder als allzu menschlich heruntergespieltwird, werden Menschen auch bereit sein, aktiv Risiken zu über-nehmen.

Wie problematisch dies in der westlichen Gesellschaft immernoch ist, zeigt das Beispiel von Eva Joly, unserer Preisträgerin imJahr 2001. Als französische Staatsanwältin war die gebürtige Nor-wegerin ein anderer Typ eines Whistleblowers. Schließlich wirdvon ihr von Berufs wegen erwartet, dass sie Unrecht verfolgt und

130 Das Netz der Kor r upt ion

aufdeckt. Doch sie musste gegen Widerstände von staatlicher undgesellschaftlicher Seite ermitteln – und deckte dabei den milliar-denschweren Skandal um Elf Aquitaine auf. Er reichte in Frank-reich und Deutschland bis in die höchsten wirtschaftlichen undpolitischen Kreise hinein. Allein beim Verkauf der ostdeutschenLeuna-Raffinerie an den französischen Staatskonzern sollen »Pro-visionen« und andere Zahlungen in Höhe von insgesamt 256Millionen Franc geflossen sein, um das Riesengeschäft zu schmie-ren. Bis heute sind nicht alle Einzelheiten geklärt, doch dass diesevolle Aufklärung auch gar nicht gewünscht ist, dass Politik undWirtschaft den Skandal lieber unter der Decke halten, musste Jolyschnell feststellen. Ihr Leben wurde bedroht, sie verbrachte Tagund Nacht unter Polizeischutz und sah sich einer Rufmordkam-pagne ausgesetzt. Eva Joly: »Eine Menge Leute dachten, dass wirdas eigentliche Problem waren. Es gab mehrere Versuche, uns zustoppen – und nicht die Korruption. Ich bin absolut überzeugt,dass es sich hier nicht um Einzelfälle handelt. Diese Fälle sind Teileines systematischen Problems, das überall auf der Welt zu findenist. Viele Menschen denken, dass Korruption nur in den Entwick-lungsländern ein Problem ist. Das ist nicht wahr. Schlimmer noch:Nach dem 11. September und den Skandalen um Enron undWorldcom kann niemand mehr sagen, dass es kein Problem dar-stellt. Korruption ist ein großes Thema, es liegen noch einigeSkandale vor uns.«

Jolys hartnäckige Ermittlungen sorgten dafür, dass sich der frü-here französische Außenminister Roland Dumas vor Gerichtwiederfand und mit ihm seine Ex-Geliebte, die Elf-LobbyistinChristine Deviers-Joncour. Wie die Anklage geltend machte, hatteder Staatskonzern Elf-Aquitaine im Jahr 1989 die Geliebte desAußenministers eingestellt und ihr in den nächsten vier Jahrenrund zehn Millionen Euro zukommen lassen sowie eine Wohnungin Paris finanziert. Das Gericht verurteilte die Ex-Geliebte zu zwei-einhalb Jahren Haft, eines davon auf Bewährung, und zu 150 000

Der T I - In teg r i tä tspre is 131

Euro Strafe. Roland Dumas sollte zunächst für ein halbes Jahrhinter Gitter und danach noch 24 Monate auf Bewährung erhal-ten, wurde jedoch von einem Berufungsgericht freigesprochen. DieElf-Manager Le Floch-Prigent und Alfred Sirven traf es härter. Siewurden zu zweieinhalb bzw. drei Jahren Gefängnis verurteilt. Wei-tere Vorwürfe werden gegenwärtig vor Gericht verhandelt.

So aufsehenerregend dieser Prozess war, beleuchtete er doch nuransatzweise das korrupte System um Elf Aquitaine. Über Jahr-zehnte soll Frankreich den Staatskonzern dazu benutzt haben, sichüberall auf der Welt Politiker und Wirtschaftsgrößen gefügig zumachen. So wie eben auch im Fall des Leuna-Verkaufes vermutetwird, dessen Details bis heute im Dunkeln liegen.

Nachdem ihre Arbeit in Frankreich beendet war, ging Eva Jolyzurück nach Norwegen, wo sie heute eine Regierungsorganisationgegen Korruption aufbaut.

Im Jahr 2002 ging unser Integritätspreis in die Slowakische Re-publik, nach Brasilien – und nach Deutschland. In der Slowaki-schen Republik hatte die Richterin Jana Dubovcová in ihrer eige-nen Behörde eine Untersuchung durchgeführt. Sie wollte wissen,inwieweit die Korruption innerhalb des Gerichtes verbreitet war –und wer hier die Hand aufhielt. Man kann sich ihr Entsetzen vor-stellen, als sie feststellen musste, dass rund ein Drittel der von ihrbefragten Bürger, die aus den verschiedensten Gründen mit demGericht zu tun hatten, nicht nur angaben, schon einmal mit Kor-ruption konfrontiert worden zu sein, sondern auch erklärten, wervor allem die Hand aufhielt: die Richter selbst. Dubovcová:«DieLeute sagten mir: Ja, es sind tatsächlich die Richter, die uns per-sönlich und direkt nach Bestechungsgeldern fragen. Das hatte ichwirklich nicht erwartet.«

Es gibt sicher viele Behördenleiter, die eine ähnliche Untersu-chung in der Schublade hätten verschwinden lassen. Schließlichwarf diese Umfrage ein schreckliches Licht auf die Behörde, in derdie 50-jährige Richterin selbst die Chefin war. Aber was machte

132 Das Netz der Kor r upt ion

Jana Dubovcová? »Ich tat einfach das, was ich für absolut not-wendig hielt«, erklärte sie nüchtern. Sie veröffentlichte die Um-frage. Schonungslos.

Das Ergebnis war so, wie man es schon fast hätte erwarten kön-nen. Heillose Empörung, gepaart mit dem Versuch, die mutigeRichterin mundtot zu machen und aus dem Amt zu werfen. Dieslowakische Justiz war in Aufruhr und die Richtervereinigung be-drängte den Justizminister, die Netzbeschmutzerin zu entlassen.Doch der ließ sich nicht in die Enge treiben und hielt an Dubov-cová fest.

Der Fall der mutigen Richterin hatte so viel Staub aufgewirbeltund ein so großes Echo in der Bevölkerung hervorgerufen, dassder Staat handelte. Inzwischen wurde in dem Land ein elektroni-sches System eingeführt, das die Korruption an Gerichten verhin-dern soll. Dieses Justizmanagementsystem verfolgt den Verlaufvon Gerichtsverfahren, beschleunigt die Prozesse und weist dieeinzelnen Fälle nach einem Zufallsprinzip den Richtern zu. Sokönnen diese nicht mehr schon vorab auf Bestechungsgeldern be-stehen. Eine Neuerung, die die Demokratie stärkte. Bei der Verlei-hung unseres Integritätspreises sagte Jana Dubovcová: »Bürger,die nicht auf das Justizsystem vertrauen, vertrauen auch nicht aufden Staat. Und das ist extrem gefährlich. Denn das Vertrauen sei-ner Bürger ist der Grundstein eines jeden Staates.«

In Deutschland verliehen wir unsere Ehrung auf einem anderenFeld, das aber traditionell eine der anfälligsten Bühnen für Kor-ruption hierzulande ist. Der Pharmakologieprofessor Dr. PeterSchönhöfer, Herausgeber des unabhängigen deutschen Arzneimit-tel-Informationsdienstes arznei-telegramm kämpft seit Jahren ge-gen Korruption in der Pharmaindustrie. In kaum einem anderenBereich der Wirtschaft wird so viel gemauschelt und bestochenwie im Gesundheitssektor. Ärzte und Professoren werden mit lu-krativen Beraterverträgen an Unternehmen gebunden und mit Ge-schenken und Reisen zu halbstündigen Vorträgen auf Hawaii gnä-

Der T I - In teg r i tä tspre is 133

dig gestimmt. Eine Praxis, die Schönhöfer seit mehr als zwei Jahr-zehnten kritisiert: »In den letzten 30 Jahren haben sich beispiels-weise die Kosten für eine Chemotherapie für Krebspatienten um150 Prozent gesteigert – ohne dass die Patienten dadurch auch nureine Woche mehr an Lebenserwartung gewonnen hätten. Es istdringend notwendig, dass wir die korrupten Praktiken und Strate-gien aufdecken, um unser Gesundheitssystem am Leben zu hal-ten.«

Für Kritik dieser Art musste Schönhöfer mit einem gewissen Ri-siko leben. Bei der Verleihung unseres Preises sagte er: »Natürlichwar es risikoreich. Die kritisierten Firmen klagen immer auf eineso hohe Schadensersatzsumme, dass es meinen sofortigen Ruin be-deutet hätte, wenn ich nur einen Fall verloren hätte.« Glücklicher-weise hat Dr. Schönhöfer jeden einzelnen gegen ihn angestrengtenProzess gewonnen.

Der dritte Preisträger des Jahres 2002 stammt aus Brasilien. DerGeschäftsmann Luis Roberto Mesquita hatte eine kleine Bürger-initiative ins Leben gerufen, um in der Stadt Guarulhos gegen dieKorruption zu kämpfen. Als er entdeckte, dass die Familie desneuen Bürgermeisters städtisches Land zu Dumpingpreisen ge-kauft hatte, begannen seine Probleme. Mesquita erzählt: »Zuerstversuchten sie, mich zu erpressen, dann boten sie mir die verschie-densten Posten an. Aber solche Angebote würde ich niemals ak-zeptieren. Dann begannen die persönlichen Angriffe. Ich bekamMord- und Bombendrohungen – und ich und meine Bewegung ge-rieten unter enormen persönlichen Druck.«

Doch Mesquita ließ sich nicht einschüchtern. Seine Kampagneführte dazu, dass der Bürgermeister suspendiert und aus dem Amtgejagt wurde und 50 Tage im Gefängnis verbringen musste. Mes-quita ist weiterhin aktiv gegen korrupte Praktiken und ein würdi-ger Preisträger des Integrity Awards. Denn sein Beispiel zeigt, wiesich die Zivilgesellschaft gegen korrupte Strukturen der Verwal-tung behaupten und durchsetzen kann.

134 Das Netz der Kor r upt ion

Leider mussten wir den Integrity Award auch schon posthumverleihen – an integre Menschen, die mit ihrem Leben für ihr En-gagement zahlen mussten. Im Nachhinein würdigen wir damit ihrWerk und möchten dazu beitragen, dass sie nicht vergessen wer-den. Carlos Alberto Cardoso etwa, ein investigativer Journalistaus Mosambik, wurde im November 2000 ermordet, als er dengrößten Bankenbetrug in der Geschichte des Landes recherchierte.

Der Prozess gegen seine Mörder, die aussagten, sein Tod sei vomSohn des Staatspräsidenten angeordnet worden, begann im No-vember 2002. Der so genannte ›Prozess des Jahrhunderts‹, in demes um Bestechungs- und Geldwäscheanklagen ging, wurde durchMorddrohungen gegen die Staatsanwälte behindert.

Georgy Gongadze, ein ukrainischer Journalist, der auf seinerInternetseite über die Korruption der Regierung berichtete, wurdeim Herbst 2000 brutal enthauptet und mit Säure verätzt.

Norbert Zongo, der als investigativer Journalist in BurkinaFaso arbeitete und die Wochenzeitung L’ Indépendant herausgab,wurde 1998 ermordet; der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt.

In Kolumbien wurde der Präsidentschaftskandidat Dr. LuisCarlos Galán Sarmientoa auf Geheiß der Drogenkartelle am 18.August 1989 ermordet. Der Politiker hatte an allen Fronten gegendie organisierte Kriminalität, das Drogenproblem und die Verstri-ckungen der Mafia mit der Regierung gekämpft. Auch er war einmehr als würdiger Preisträger des Integrity Awards.

Am 4. Juni 1997 wurde in Argentinien Dr. Alfredo María Pochatermordet – nur wenige Minuten bevor der Anwalt und Leiter einerErmittlungseinheit Unregelmäßigkeiten in Millionenhöhe innerhalbdes argentinischen Sozialversicherungssystems enthüllen wollte.

All diese Menschen – und viele weitere – wussten um die Ge-fahr, die sie eingingen, indem sie sich öffentlich gegen ein Systemwandten, das seit Jahren im Verborgenen blühte. Sie handeltentrotzdem, sie lebten mit der ständigen Bedrohung und am Endestarben sie für ein höheres Ziel.

Der T I - In teg r i tä tspre is 135

Wir sind ständig auf der Suche nach solchen Beispielen, die zei-gen, wie sich Menschen persönlich für eine bessere Gesellschafteinsetzen, und unternehmen alles, um die Taten dieser außeror-dentlichen Menschen weltweit bekannt zu machen. Auf dieseWeise zeigen wir, was es bedeutet, sich für die Zivilgesellschaft zuengagieren – und dass jeder Einzelne etwas verändern kann.

Die Vorschläge für eine Nominierung können von überallkommen, und bei den potenziellen Preisträgern muss es sichnicht um Einzelpersonen handeln, es können auch Behördenoder Institutionen sein. Nur Angehörige von Transparency Inter-national sind von vornherein ausgeschlossen. Eine Jury, die ausVertretern verschiedener Weltregionen, TI-Mitgliedern, ehemali-gen Preisträgern und anderen integren Experten zusammenge-setzt ist, entscheidet über die Vergabe. Voraussetzungen für eineNominierung sind:

1. Die Nominierten müssen etwas unternommen haben, was einendeutlichen Einfluss auf den Korruptionslevel ihres Landes oderihrer Weltregion haben könnte bzw. gehabt hat.

2. Die Aktion sollte so geartet sein, dass auch andere Teile derWelt daran Interesse finden – und zur Nachahmung angeregtwerden.

3. Die Aktion sollte ganz besonders eindrucksvoll, innovativ undmutig sein – und weltweite Aufmerksamkeit verdienen.

Der Schutz für Whistleblower gehört zu den wichtigsten Waffen inunserem Arsenal gegen Korruption. Sowohl in unserem SourceBook als auch im Toolkit hat das Whistleblowing in vielfältigerAusgestaltung einen festen Platz. Welche Bedeutung es hat, zeigteEnde 2002 auch das amerikanische Nachrichtenmagazin Time un-ter der Überschrift »The Whistleblowers«. Es ernannte drei mu-tige Frauen zu Personen des Jahres: Cynthia Cooper, Mitarbeiterindes Unternehmens Worldcom, Coleen Rowley von der amerikani-schen Bundespolizei FBI und Sherron Watkins, Mitarbeiterin des

136 Das Netz der Kor r upt ion

Unternehmens Enron. Cynthia Cooper hatte als Buchprüferin beiWorldcom aufgedeckt, dass das riesige Unternehmen seine Bilan-zen in Milliardenhöhe gefälscht hat. Aus Verlusten wurden Ge-winne, das Unternehmen ein Börsenstar und Global Player. DieBuchprüferin unternahm alles, um die Probleme innerhalb derFirma zu klären. Doch sie wurde behindert, verlacht und beleidigt.Schließlich entschied sie sich, Alarm zu schlagen, ganz gleich, wasihr auch passierte. Der Skandal um den Telekommunikationskon-zern erschütterte die Wirtschaft rund um den Globus.

Coleen Rowley wiederum gab keine Ruhe, Fehler des FBI imVorfeld des 11. Septembers öffentlich zu machen. Denn dieseshatte, wie Rowley der Öffentlichkeit mitteilte, vor dem Attentattatsächlich Erkenntnisse über die zukünftigen Attentäter – rea-gierte aber nicht.

Sherron Watkins war Vizepräsidentin für Unternehmensent-wicklung beim Enron-Konzern. Was sie aufdeckte, ist heute unter»Enronitis« bekannt und steht für Bilanzfälschungen und Kurs-manipulationen im großen Stil.

Alle drei Frauen hatten eine sichere Arbeitsstelle, verdientengut, waren in ihren sozialen Systemen integriert. Hätten sie ge-schwiegen, wären sie das heute noch. Sie aber entschieden sich fürden unbequemen Weg und ihr Gewissen.

Der T I - In teg r i tä tspre is 137

15Korruption in Deutschland

Beamte und Politiker kassieren allerorten, lassen sich kaufen

mit Geld, Gefälligkeiten, Posten oder Aufträgen, sie werden, so

der Jargon der Kriminellen in Vorstandsetagen, »beatmet«, »ange-

füttert« oder mit »nützlichen Aufwendungen« beeinflusst. Und die

Bürger müssen zahlen für das schmierige Alltagsgeschäft – mit

ihren Steuern oder etwa steigenden Müllgebühren. Vor allem

aber untergräbt die Korruption die Fundamente des Rechtsstaa-

tes. Das Vertrauen in staatliche Entscheidungen geht dahin, und

das fördert die Politikverdrossenheit.

Der Spiegel, 18.03.2002

Brandenburgs Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) hat von

einem Scheich mehr als eine Million Dollar als Kredit erhalten.

Am Montagabend hat er seinen Rücktritt angekündigt, Vorwürfe

der Bestechung aber zurückgewiesen.

Stuttgarter Zeitung, 12.11.2002

Wegen Veruntreuungen und Betrügereien bei der Deutschen

Bahn AG (DB), die bei dem Unternehmen zwischen 1995 und

1999 zu einem Millionenschaden geführt hatten, hat die Antikor-

ruptionskammer des Landgerichts Frankfurt am Mittwoch einen

ehemals leitenden, 62 Jahre alten Bahnmanager zu einer Frei-

heitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt. Der 64

Jahre alte mitangeklagte Gleisbau-Unternehmer erhielt eine Frei-

heitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

Frankfurter Rundschau, 7.11.2002

Deutschland – ein Land der Saubermänner? Ein Land, in dem dieKorruption keine Chance hat? Von wegen. Nicht erst die jüngstenSkandale vom Münchner »Küchenkartell« über den Kölner»Müllklüngel« bis hin zur Affäre Kohl zeigen, dass es auch hierzu-lande Korruption in einer Häufung gibt, die bis vor kurzem dieWenigsten in einer der größten Industrienationen der Erde und ineiner gefestigten Demokratie erwartet hätten. Wir von TI sind we-niger überrascht, da wir seit Jahren vor dem Bumerang-Effektwarnen. D.h. vor der Illusion, dass Firmen, die Korruption imAusland ganz regulär praktizieren, zu Hause nach einer ganz an-deren Moral wirtschaften. Immun gegen das Übel Korruption istwohl kaum ein Bereich der Wirtschaft oder eine Partei. Der Scha-den ist immens, da nicht nur Schmiergelder, sondern auchschlechte Leistungen zu Buche schlagen, manchmal sogar ganz un-nötige Investitionen. Obwohl es sehr schwierig ist, den Schaden zubeziffern, ist es bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen ver-sucht worden; schließlich ist die Bauindustrie nach einer Umfragevon TI weltweit Marktführer in Korruption. Hier wird allein fürDeutschland ein jährlicher Schaden von fünf Milliarden Euro ge-schätzt.

Bei der Vorstellung unseres Global Corruption Report 2003,unserer jährlichen Bestandsaufnahme der globalen Korruption,sagte Hansjörg Elshorst in seiner Eigenschaft als Vorsitzender un-serer deutschen Sektion zur Situation in der Bundesrepublik:

»Auch in Deutschland lenkten die Skandale wie in Köln und an-deren Städten oder illegale Wahlspenden die Aufmerksamkeit derMenschen immer wieder auf die Korruption. Das Wort von der›Bananenrepublik Deutschland‹ macht die Runde. Das ist sicher-lich überzogen, doch zum dramatisch wachsenden Unbehagen anPolitik und steuerfinanziertem Staatsanteil tragen auch Korrup-tionsskandale bei. Sie gefährden langfristig den Standort Deutsch-land und kurzfristig den Aufschwung. Wortmächtig wird ›Ver-trauen in die Wirtschaft‹ beschworen, es lässt sich aber nicht

Kor r upt ion in Deutsch land 139

herbeireden. Politik und Wirtschaft müssen den Bürgerinnen undBürgern beweisen, dass sie es ernst meinen mit neuen Verhaltens-regeln, einem neuen Wirtschaftsethos und dem Kampf gegen dieKorruption.«

Wie schlecht es um die Bundesrepublik bestellt ist, zeigt unserKorruptionswahrnehmungsindex (CPI). In den letzten Jahren istDeutschland kontinuierlich abgesunken. Belegte Deutschland1999 noch den 14. von 99 Plätzen, fiel es im Jahr 2000 auf den17. von 90 und im Jahr 2001 gar auf Rang 20 von 91. 2002 be-legte es zwar Platz 18, doch der Punktwert sank.

Eine Umfrage des Forsa-Instituts unter Managern von kleinerenund mittelständischen Unternehmen, die das WirtschaftsmagazinImpulse 2002 in Auftrag gegeben hat, kam zu einem erschrecken-den Ergebnis. 14 Prozent der Befragten gaben an, schon einmalbestochen zu haben, um ein Geschäft abzuschließen. 54 Prozentsagten, sie hätten schon einmal einen Auftrag verloren, weil siesich weigerten, Schmiergeld zu zahlen. Positiv dagegen: 55 Prozentwaren dafür, korrumpierende Unternehmen für eine gewisse Zeitvon öffentlichen Aufträgen auszuschließen. 84 Prozent befürwor-teten eine Verschärfung der bestehenden Antikorruptionsgesetze.

Michael Wiehen, bis Ende 2002 Vorsitzender von TransparencyDeutschland, sieht es so: »Die Korruptionsbereitschaft ist inDeutschland vor allem auf mittelständischer und kommunalerEbene immer noch sehr groß. Ohne Geschenke läuft gar nichts.Das ist in vielen Kommunen durchaus üblich. Das sieht man dortgar nicht als Korruption an, weil es eben immer schon so war. DerBürgermeister gibt den wichtigen Auftrag an seinen Schwager undder baut ihm mal eben schnell eine Garage. Solche Dinge passierenwahrscheinlich in jeder Kommune in Deutschland. Da fehlt dasUnrechtsbewusstsein.«

Als das Meinungsforschungsinstitut Forsa speziell die Unter-nehmen befragte, die schon einmal Bestechungsgelder gezahlt hat-ten, gaben 29 Prozent an, öffentliche Auftraggeber geschmiert zu

140 Das Netz der Kor r upt ion

haben. 59 Prozent sagten, sie hätten an private Auftraggeber zah-len müssen und 12 Prozent hatten schon sowohl an die öffentlicheHand als auch an die Privatwirtschaft gezahlt.

Seit 1994 erstellt das Bundeskriminalamt das »BundeslagebildKorruption«. Waren es im ersten Jahr noch 258 Fälle, stieg dieZahl bis zum Jahr 2001 auf 1278 gemeldete Verfahren mit 7962Straftaten und 2262 Tatverdächtigen. Das muss nicht bedeuten,dass die Korruption in diesen sieben Jahren tatsächlich um dasFünffache zugenommen hat. Es bedeutet hoffentlich nur, dass ge-nauer hingesehen wird. Denn Korruption ist auf Polizeideutsch einso genanntes »Kontrolldelikt«, auf das die Strafverfolgungsbehör-den nur stoßen, wenn sie tatsächlich nachschauen, eben kontrol-lieren.

Und das tun sie glücklicherweise immer häufiger. Weil Korrup-tion in Deutschland immer mehr zum Thema wird, wurden in den90er Jahren vor allem in den großen Ballungszentren so genannteSchwerpunktstaatsanwaltschaften gegründet, wie beispielsweisedie von Wolfgang Schaupensteiner in Frankfurt. In der Mainme-tropole blühte die Korruption über Jahrzehnte hinweg, etwa beimStraßenbauamt. Hier bekamen oft nur solche Firmen die lukrati-ven städtischen Aufträge, die sich auch erkenntlich zeigten. Und esgab allerlei Gelegenheiten, zu denen sich die Unternehmen spenda-bel zeigen durften. Sie leisteten »Sonderzahlungen« an die Mitar-beiter des Amtes, etwa wenn einer Geburtstag hatte oder ein Ur-laub anstand – aber natürlich auch zu Festtagen wie Weihnachtenund Ostern. Außerdem errichteten die Bauunternehmen Häuserfür die entscheidungsbefugten Beamten, lieferten dann das Heizöl,ließen den Garten pflegen und richteten die Betriebsausflüge desAmtes aus. Ähnlich ging es im Bereich der Kommunikationstech-nik am Frankfurter Flughafen zu. Hier hatten mehr als 30 Unter-nehmen Vereinbarungen mit den Flughafenangestellten getroffen,die sicherstellten, dass diese Unternehmen bei der Auftragsvergabebevorzugt behandelt wurden. Um die Zahlungen in Millionen-

Kor r upt ion in Deutsch land 141

höhe zu verschleiern, gründeten die Angestellten eigene Firmen,die dann Rechnungen über völlig fiktive Leistungen an die kor-rumpierenden Unternehmen stellten. Als das Kartell aufflog,zeigte sich das ganze Ausmaß der Korruption: Insgesamt er-mittelte die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen 170 Beschul-digte.

Sogar die mit ca. 10 000 Mitarbeitern weltweit tätige Entwick-lungsorganisation GTZ blieb nicht verschont. In ihrer Zentrale inder Nähe von Frankfurt ließen sich drei Mitarbeiter der Spedi-tionsabteilung mit Millionenbeträgen von Transportunternehmenbestechen. Ein solcher Fall kann natürlich in jeder Branche vor-kommen, und anders als bei korruptionsbedingten Fehlinvestitio-nen konnte die GTZ den Schaden wiedergutmachen. Dennochwar der Imageschaden groß, vor allem, weil Entwicklungsorgani-sationen in einem besonders sensiblen Bereich operieren. Schließ-lich hatten die Täter sich zu Lasten der Nahrungsmittelhilfe berei-chert, die für Menschen in Katastrophengebieten vorgesehen war.

Auch in anderen Großstädten sah und sieht es ähnlich aus. EineSpezialtruppe in München leitete von 1991 bis 2001 insgesamt1620 Ermittlungsverfahren ein, die in 627 Fällen mit einer Verur-teilung und in 119 Fällen mit einer Geldbuße endeten. Für einengroßen Skandal sorgte in der bayerischen Landeshauptstadt das sogenannte »Küchenkartell«. Hier hatten sich mehrere Beamte ausdem Baureferat zusammengetan, die für die Ausstattung der Kü-chen in städtischen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten undKrankenhäusern zuständig waren. Von insgesamt 18 Unterneh-men kassierte allein der 43-jährige Hauptangeklagte rund 2,5Millionen Mark. Er wurde schließlich zu acht Jahren und dreiMonaten Haft verurteilt. Ein mitangeklagter Mitarbeiter des Bau-referats nahm sich in der Untersuchungshaft das Leben.

Diese Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Wie eine Studie derFrankfurter Unternehmensberatung KDM ergab, wird der weitausgrößte Teil der Korruptionsfälle nie publik. Gerade große Firmen

142 Das Netz der Kor r upt ion

bemühen sich, solche rufschädigenden Skandale zu vermeiden.Viel lieber regelt man solche Fälle intern, versetzt auffällig gewor-dene Mitarbeiter oder entlässt sie, ohne die Behörden zu informie-ren. KDM geht von deutschlandweit 100 000 Fällen im Jahr aus.

Korruption in der Größenordnung des Kölner Müllskandals ist,so darf man hoffen, in Deutschland die große Ausnahme. An ihmlässt sich aber besonders gut studieren, wie viel kriminelle Energieinvestiert wird, denn große Korruption wird von langer Hand ge-plant und akribisch durchgeführt. Sie ist nur möglich in einem Filzaus Beamten, Unternehmern und Politikern. In einem Beitrag fürdie Zeitschrift Die neue Polizei schreibt Wolfgang Schaupenstei-ner: »Nichts wird dem Zufall überlassen. Von langer Hand wer-den enge Beziehungen zur Verwaltung, zu Mandatsträgern und zupolitischen Parteien aufgebaut, um sich diese Verbindungen inkollusiver Weise zu gegebener Zeit nutzbar zu machen.«

Schaupensteiner geht auch auf die Methoden der Geldübergabeein. Denn die Zeiten, in denen kleine Umschläge oder Koffer vollerBargeld den Besitzer wechseln, sind vorbei. Es gelte, Millionenbe-träge zu finanzieren und buchhalterisch geschickt zu vertuschen.Schaupensteiner: »So sinnt man denn auf neue (Ab-)Wege zurSchmiergeldwäsche. Der Schmiergeldfluss wird getarnt als gut do-tierte Nebentätigkeit, großzügig honorierter Beratervertrag, Gut-achten, Arbeitsverhältnis, Beteiligung an Patentrechten, an Firmenund Immobilien oder als ›Provision‹ für die Auftragsvermittlung.«

Die Erfahrungen der Schwerpunktstaatsanwaltschaften undviele unabhängige Studien zeigen, dass dieses System flächende-ckend in ganz Deutschland funktioniert – und nur durch einge-hende Nachforschungen aufgedeckt werden kann. Dennoch fehltin der Bundesrepublik nach wie vor eine zentrale Stelle zur Be-kämpfung der Korruption. Es gibt aber nicht nur zu wenigeSchwerpunktstaatsanwaltschaften, sondern die vorhandenen ko-operieren zu wenig und haben zu wenig Gelegenheit, ihre Erfah-rungen zu veröffentlichen.

Kor r upt ion in Deutsch land 143

Ein anderes Versäumnis ist der Politik anzulasten. Bis heute gibtes in Deutschland kein zentrales Register von Unternehmen, dieversucht haben, deutsche öffentliche Stellen zu schmieren. Es gibtkein Gesetz, in dem festgelegt wird, dass die darin aufgeführtenUnternehmen für eine bestimmte Zeit keine öffentlichen Aufträgeerhalten dürfen. TI-Deutschland hat in der letzten Legislaturpe-riode intensiv für ein solches Gesetz geworben. Nach dem KölnerSkandal schien es eine Chance zu geben; sogar der Bundeswirt-schaftsminister setzte sich dafür ein. Im April 2002 legte die rot-grüne Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vor,doch er wurde zweimal hintereinander im Bundesrat gestoppt. Be-gründung der unionsgeführten Länder: die Zielsetzung des Geset-zes sei zu breit, weil sie z. B. auch die Beschäftigung von Schwarz-arbeitern mit einbeziehe. Zudem sei der Gesetzentwurf ausrechtsstaatlichen Gründen bedenklich.

Die Begründung lässt aber hoffen, dass es in dieser Legislatur-periode die Chance zu einem überparteilichen Konsens gibt. Vorallem deshalb, weil in einer Reihe von Bundesländern und Kom-munen solche Register bereits geführt werden, darunter auch uni-onsgeführte Länder wie Hessen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Der große Nachteil dieser Register ist allerdings, dasssie nur für die Behörden gelten, in denen sie geführt werden. Selbstwenn also ein Unternehmen in einem Register der Landesregie-rung erfasst ist, kann es immer noch Aufträge von den Städtenund Kreisen bekommen. Überdies sind die Kommunen nicht ein-mal verpflichtet, die Teilnehmer an einer Ausschreibung anhandder vorhandenen Listen zu überprüfen.

Solcher Mangel an Koordination findet sich auch auf Bundes-ebene. Die Zuständigkeit für Korruption, sei es auf nationaleroder auf internationaler Ebene, ist breit gestreut. Innenministe-rium, Justizministerium, Ministerium für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Wirtschaftsministerium fühlen sich für ver-schiedene Aspekte verantwortlich – aber eben nicht für das

144 Das Netz der Kor r upt ion

Gesamtthema. Das zeigt, dass Korruption im Koalitionsvertrageine untergeordnete Rolle spielt, obwohl die Öffentlichkeit mehrdenn je daran interessiert ist.

Mehr politische Aufmerksamkeit, auch aus dem Parlament,wäre durchaus angebracht. Neben dem Register für korrupteUnternehmen stehen noch andere wichtige gesetzgeberische Auf-gaben an, an erster Stelle das Informationsfreiheitsgesetz aufBundesebene. Dieses von der rot-grünen Koalition bereits 1998versprochene Gesetz blieb im Gestrüpp bürokratischer Interessenhängen. Dabei kam es der Ministerialbürokratie sehr zupass, dassauch der BDI sich gegen das Gesetz stellte, da es angeblich Ge-schäftsgeheimnisse bedroht. Weder in den vier Bundesländern, indenen es ein solches Gesetz gibt, noch in analogen Gesetzen – etwades Umweltschutzes – ist dies ein Problem. Ebenso wenig in allden anderen Industrieländern, in denen ein gesetzlich oder sogarverfassungsrechtlich gesicherter Zugang der Bürger zu öffent-lichen Informationen längst eine Selbstverständlichkeit ist.

Informationsfreiheit reicht weit über Korruptionspräventionhinaus, denn sie vollzieht Demokratie dort nach, wo der Großteilder öffentlichen Interessen angesiedelt ist: in der öffentlichen Ver-waltung. Gerade die Erfahrung der skandinavischen Länder zeigt,dass eine offene und transparente Gesellschaft das beste Mittel ge-gen weit verbreitete Korruption ist. In unserem Korruptionswahr-nehmungsindex rangieren diese Länder immer auf den ersten Plät-zen. Trotz aller Reformen in der Verwaltung überlebt inDeutschland in diesem Bereich der Obrigkeitsstaat. Eine Akte giltso lange als vertraulich, bis sie ausdrücklich für die Öffentlichkeitfreigegeben ist. Das fördert eine Atmosphäre von Geheimniskrä-merei und schafft undurchsichtige Grauzonen, die zu Korruptiongeradezu einladen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten und zu Trends in derEU sind in Deutschland Unternehmen nicht straffähig. Auch daserfordert viel politische Aufmerksamkeit, da eine Änderung tief in

Kor r upt ion in Deutsch land 145

die Systematik des deutschen Rechts greifen würde. Bisher sind inDeutschland nur natürliche Personen schuldfähig, nicht juristischePersonen wie beispielsweise eine GmbH oder eine Aktiengesell-schaft. Folgerichtig können Unternehmen nicht für ein Korrup-tionsvergehen bestraft werden, nur einzelne Angestellte. MichaelWiehen dazu: »Unternehmen haben nicht nur gegenüber ihren Ei-gentümern, Mitarbeitern und Kunden eine Verantwortung, son-dern auch gegenüber der Gesellschaft, in der sie arbeiten. Wenn siediese Verantwortlichkeit wissentlich verletzen, zum Beispiel durchKorruption, dann müssen sie auch strafrechtlich zur Verantwor-tung gezogen werden können, und zwar auch mit Geldstrafen.Eine solche strafrechtliche Verantwortlichkeit gibt es in vielenLändern, auch und gerade in europäischen Ländern; sie wird vonder EU gefördert und gefordert. In Deutschland hat man bisher ar-gumentiert, dass nur natürliche Personen ›schuldfähig‹ seien. DieVerantwortlichkeit von Unternehmen ist zwar schon vom Kartell-recht und vom Ordnungswidrigkeitengesetz akzeptiert, aber nurdas Strafrecht kann die notwendige Stigmatisierung von Unter-nehmen leisten. 1997 hat das Bundesland Hessen unter der dama-ligen rot-grünen Regierung einen entsprechenden Gesetzesvor-schlag im Bundesrat eingebracht, den jedoch die nachfolgendeUnionsregierung wieder zurückgezogen hat. Vor der jüngstenBundestagswahl verschickte TI-Deutschland an alle Parteien sogenannte Wahlprüfsteine und fragte auch nach ihrer Position zumUnternehmensstrafrecht; zu unserer Freude antwortete die Union,dass sie die Einführung für ›rechtssystematisch möglich und poli-tisch nötig‹ halte.«

Schließlich wird das in Kapitel 14 beschriebene Themenfeld im-mer wichtiger, das in Deutschland aus historischen Gründen be-sonders schwierig ist: der Schutz von Hinweisgebern, von Whistle-blowers. Auch hierzulande sind auf jeder Ebene Whistleblower fürdie Bekämpfung von Korruption wichtig. Denn bei Korruptiongibt es kein direktes Opfer, weshalb mutige Dritte die Interessen

146 Das Netz der Kor r upt ion

des geschädigten Gemeinwohls vertreten müssen. Bisher tun siedas völlig ungeschützt und oft mit desaströsen Konsequenzen fürihre eigene berufliche und private Situation.

Vieles bleibt noch zu tun, doch TI hatte einen weithin aner-kannten Anteil daran, dass die wichtigsten Änderungen der gesetz-lichen Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Politik in Ländernwie Deutschland erreicht worden sind. Und der Großteil derUnternehmen ist sich dessen durchaus bewusst. Dennoch gibt esnoch viele Länder und Märkte, in denen man bestechen muss, umim Geschäft zu bleiben. Angesichts der neuen Gesetze, die die Aus-landskorruption unter Strafe stellen und angesichts der gewaltigenRisiken für das Firmenimage findet immer mehr auch unter deut-schen Firmen ein Umdenken statt. Sie finden Wege, um aus demTeufelskreis der Korruption auszubrechen oder verzichten auf ris-kante Märkte. Zunehmend tun sie dies nicht nur aus Angst vorstrafrechtlicher Verfolgung, sondern aus der Erkenntnis heraus,dass Korruption teuer, risikoreich und unethisch ist und den nach-haltigen Erfolg von Unternehmen genauso behindert wie die freieMarktwirtschaft beeinträchtigt.

Nach den Skandalen der vergangenen Jahre ist die deutsche Öf-fentlichkeit auch gegen politische Korruption hoch sensibilisiert.Engagierte Bürger sehen genauer hin und es ist nicht schwer, beiihnen für die Anliegen von TI Sympathie zu finden. Und wichtigernoch, investigative Journalisten lassen sich von den immer schwie-rigeren Rahmenbedingungen, unter denen sie recherchieren undberichten, nicht entmutigen. Diese Veränderung der öffentlichenMeinung ist vielleicht der wichtigste Erfolg im Kampf gegen Kor-ruption.

Kor r upt ion in Deutsch land 147

16.Kohl, Klüngel und die Konsequenzen

Der Vorwurf der Käuflichkeit und Bestechlichkeit unserer Politik im

Zusammenhang mit den über mich an die CDU gelangten Spenden

ist absurd und das wissen auch alle. Ich bin in meinem ganzen po-

litischen Leben nie käuflich gewesen.

Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl am 29. Juni 2000 vor dem

Spendenuntersuchungsausschuss des Bundestages

Der Ausschuss hat festgestellt, dass die CDU unter der Führung

von Dr. Kohl in den achtziger und neunziger Jahren ihr in der Ver-

gangenheit angelegtes illegales Finanzsystem ungebrochen fort-

führte und durch zusätzliche Verschleierungsmaßnahmen vor Ent-

deckung absicherte. Die Einrichtung eines weitverzweigten

Anderkontensystems in Deutschland, der Schweiz und Luxem-

burg unter Tarnung durch Treuhänder und Stiftungen in Liechten-

stein, über die im In- und Ausland Millionenbeträge in bar abgewi-

ckelt wurden, weisen Parallelen zu Praktiken auf, die aus dem

Bereich der organisierten Kriminalität und Geldwäsche bekannt

sind.

Bewertung durch den Untersuchungsausschuss »Parteispenden«

der 14. Wahlperiode

Am 16. Dezember 1999 erfahren die deutschen Fernsehzuschauerzur besten Sendezeit, dass Altkanzler Helmut Kohl während seinerAmtszeit rund zwei Millionen Mark an Spenden angenommenhat. Heimlich und an allen Parteigremien vorbei, illegal. Ein Ver-

stoß gegen das Parteiengesetz, den Kohl während eines Interviewsim ZDF freimütig und fast beiläufig zugibt. Die Namen der Spen-der gibt er nicht preis. Er habe ihnen sein Ehrenwort gegeben, sienicht zu nennen, es seien aber alles ihm persönlich bekannteBundesbürger. Bestochen worden will Helmut Kohl freilich nichtsein, doch der Skandal, der die Republik nun erschüttert, ist ge-waltig.

Am 3. Januar 2000 eröffnet die Staatsanwaltschaft Bonn ein Er-mittlungsverfahren gegen den Altkanzler wegen des Verdachts derUntreue, in dessen Folge Kohl von seinem Posten als Ehrenvorsit-zender der CDU zurücktritt.

Gleichzeitig erschüttert ein Skandal die hessische CDU. ÜberJahre hinweg hatte der Landesverband Schwarzgeld und undekla-rierte Spenden auf Konten in Liechtenstein und der Schweiz ge-parkt, die Zuwendungen dreist als jüdische Vermächtnisse getarntund das Geld unter anderem zur Finanzierung von Wahlkämpfenbenutzt.

Ins Rollen war der Skandal im November 1999 gekommen, alsErmittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft gegen WalterLeisler Kiep, den früheren Schatzmeister der CDU, publik wurden.Die bayerischen Staatsanwälte verdächtigten den ehemaligen Par-teifunktionär, im Jahr 1991 vom Thyssen-Konzern eine MillionMark als Gegenleistung für ein Panzergeschäft mit Saudi-Arabienbekommen zu haben.

Während des Golfkrieges 1991 hatte Saudi-Arabien Angst voreinem Angriff mit chemischen Waffen und wollte Spürpanzer vomTyp Fuchs kaufen. Ein Ansinnen, das zunächst mit der Begrün-dung, die Bundesrepublik liefere keine Waffen in Spannungsge-biete, abgelehnt wurde. Doch dank einer Ausnahmegenehmigungdurch die Bundesregierung kam das Geschäft zustande. Saudi-Arabien bekam 36 Spürpanzer, einige davon aus Bundeswehrbe-ständen, andere direkt von Thyssen-Henschel. Für diese Lieferungzahlten die Saudis die unerhört hohe Summe von 446,4 Millionen

Kohl , K lünge l und d ie Konsequenzen 149

Mark. Spätere Recherchen von Staatsanwälten und Journalistenergaben, dass darin bis zu 220 Millionen Mark an Schmiergeldernund sonstigen Zahlungen enthalten waren, die das Zustandekom-men des Geschäfts begünstigt haben sollen. Ein Großteil des Gel-des floss sowohl an den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber alsauch an aktive oder ehemalige Politiker und Beamte. Bis zu 17Millionen Mark soll der beamtete Staatssekretär im Bundesvertei-digungsministerium Holger Pfahls kassiert haben. Befragt werdenkann er nicht. Er ist seit Jahren auf der Flucht und versteckt sichwohl in Asien.

Jener Karlheinz Schreiber, der sich heute in Kanada der deut-schen Justiz entzieht, soll die besagte Million an Kiep und den Fi-nanzexperten der CDU, Weyrauch, auf einem Schweizer Parkplatzübergeben haben. Der Parteispendenuntersuchungsausschuss do-kumentierte den Ablauf der Geldübergabe in seiner Abschlussbe-wertung: »Am 26. August 1991 übergab Karlheinz Schreiber in St.Margrethen/Schweiz dem Bundesschatzmeister der CDU Dr. Kiepund dem eigens zu diesem Zweck angereisten Horst Weyrauch eineMillion in bar. Das Geld wurde von Horst Weyrauch über dieGrenze nach Deutschland verbracht und dort am 27. August 1991auf ein über die Firma Weyrauch & Kapp GmbH beim BankhausHauck & Aufhäuser in Frankfurt a. M. eingerichtetes Treuhänder-konto mit der Bezeichnung CBN 891 (= CDU Bonn 8/1991) gestü-ckelt in drei Teilbeträgen in bar eingezahlt. Die Spende wurde nichtin den Rechenschaftsberichten der CDU ausgewiesen.«

Ein Vorgang, der nach Bestechung riecht. Laut Kiep sei dasGeld aber als Spende in spezielle Kassen der CDU geflossen – dochvon solchen Sonderkonten wollte die damalige GeneralsekretärinAngela Merkel zunächst nichts wissen. Es war einer ihrer Vorgän-ger, Heiner Geissler, der erstmals öffentlich zugab, dass die CDUGeheimkonten geführt hatte. Der Skandal kam ins Rollen und zogimmer weitere CDU-Größen und Weggefährten Kohls in den Ab-grund.

150 Das Netz der Kor r upt ion

Am 2. Dezember 1999 beschloss der rot-grün dominierteBundestag, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, um diedubiosen Praktiken der ehemaligen Regierungspartei zu untersu-chen. Er sollte sich nicht nur um den Verkauf der 36 Fuchs-Spür-panzer nach Saudi-Arabien kümmern, sondern auch um einige an-dere Unregelmäßigkeiten, die inzwischen publik geworden waren.So ging es um die Vorgänge beim Verkauf der ostdeutschen Leuna-Raffinerie und ihres Tankstellennetzes an den französischen Staats-konzern Elf Aquitaine, aber auch um den Verkauf von Airbus-Flugzeugen an Fluglinien in Kanada und Thailand durch dieAirbus GmbH Ende der 80er Jahre und die Lieferung von MBB-Hubschraubern an die kanadische Küstenwache in der zweitenHälfte der 80er Jahre.

Gerade die beiden letzten Punkte sind bis heute in der deutschenÖffentlichkeit wenig bekannt. Die Affären um den Panzerverkaufund die Leuna-Raffinerie beherrschten zunächst die Schlagzeilen.Vor allem, weil sie auch auf personeller Ebene eng miteinanderverwoben waren. Denn sowohl beim Verkauf der Spürpanzer alsauch beim Verkauf der Leuna-Raffinerie und der 930 Minol-Tankstellen spielte der Thyssen-Konzern eine Rolle.

Die ehemalige parlamentarische Staatssekretärin Agnes Hür-land-Büning, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt angeblichMillionen als Beraterin des Thyssen-Konzerns erhielt, und der In-dustrielobbyist Dieter Holzer tauchen an dieser Stelle nun auf.Ihre Aufgabe war es, die Verhandlungen zwischen Elf Aquitaineund Thyssen zu beschleunigen und für das passende politischeKlima sorgen. Wer genau was in diesem Affärensumpf unternahm,wer bezahlte, wer kassierte, ist bis heute nicht klar zu sagen. Klarscheint nur, dass bis zu 100 Millionen Mark in die verschiedenstenTaschen in Deutschland wanderten. Beweise gibt es allerdingskaum. Die Staatsanwälte ermitteln mehr oder weniger eifrigwegen Untreue, Steuerhinterziehung und Geldwäsche in die ver-schiedensten Richtungen. Aber noch keiner hat daran gedacht

Kohl , K lünge l und d ie Konsequenzen 151

oder es gewagt, wegen Korruption zu ermitteln. Dabei drängt sichdas in diesem Fall geradezu auf.

Der Skandal weitete sich im November 1999 schnell aus. Täg-lich kamen neue Nachrichten hinzu und überfluteten Ausschuss-mitglieder und die Öffentlichkeit mit neuen Informationen. Dannkam Helmut Kohl mit seinem öffentlichen Geständnis, illegalSpenden akzeptiert zu haben. Der Parteispendenuntersuchungs-ausschuss hatte alle Hände voll zu tun, da sich ständig neue Fron-ten auftaten. Als Nächsten traf es den damaligen CDU-Vorsitzen-den Wolfgang Schäuble. Er hatte von Schreiber eine Barspende inHöhe von 100 000 Mark erhalten. Nachdem dies bekannt wurde,lieferte er sich einen öffentlichen Schlagabtausch mit der ehemali-gen CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister über die Einzelhei-ten der Geldübergabe und trat schließlich von seinem Amt zurück.

Erschwert wurde die Aufklärungsarbeit, weil Unterlagen ausHelmut Kohls Bundeskanzleramt einfach verschwunden waren.Darüber schrieb der Parteispendenuntersuchungsausschuss in sei-nem Abschlussbericht:

Der Ausschuss ist bei konkret von ihm geprüften politischenEntscheidungen und deren Zustandekommen unter der Regie-rungsverantwortung von Bundeskanzler a. D. Dr. Kohl auf eineVielzahl von Ungereimtheiten und Verdachtsmomenten fürnicht korrektes Verhalten gestoßen, die den Verdacht der Ein-flussnahme auf politische Entscheidungen im Zusammenhangmit verdeckten Geldzuwendungen an die CDU begründen.Umso wichtiger wäre es aus Sicht des Ausschusses gewesen, ne-ben den nur sehr eingeschränkt glaubwürdigen Aussagen maß-geblicher Zeugen auf vollständige schriftliche Unterlagen zueinzelnen Untersuchungskomplexen zurückgreifen zu können.

Der Ausschuss hat infolge der disziplinarrechtlichen Vorer-mittlungen durch Bundestagsvizepräsident a. D. Dr. Hirsch fest-gestellt, dass im Bundeskanzleramt in der Zeit der Regierungs-

152 Das Netz der Kor r upt ion

verantwortung von Bundeskanzler Dr. Kohl Akten in erhebli-chem Umfang manipuliert wurden oder völlig verschwundensind. Die Möglichkeit, Entscheidungsprozesse der RegierungKohl anhand von Akten und Unterlagen zu prüfen, insbesonderezu politischen Entscheidungen, in deren Zusammenhang Gelderverdeckt an die CDU geflossen sind, deren Herkunft aber kon-kreten Spendern zugeordnet werden kann, wurde hierdurch zumTeil wesentlich erschwert, zum Teil völlig unmöglich. Auch zuAktenüberlassungen seitens der damaligen Bundesregierung anfrühere parlamentarische Untersuchungsausschüsse, z. B. zurUntersuchung der Privatisierung von Leuna/Minol, sind Mani-pulationen und verschwundene Originalakten festzustellen. DerAusschuss ist überzeugt, dass es sich bei den festgestellten Lü-cken und Veränderungen in den Aktenbeständen nicht um Zu-fälligkeiten, sondern offensichtlich um gezielte Handlungen miterkennbarer Absicht handelt, bestimmte sachliche, personelleoder politische Vorgänge einer Nachprüfung nach dem Regie-rungswechsel im Oktober 1998, so etwa auch durch einen parla-mentarischen Untersuchungsausschuss, zu entziehen.

Bis zu diesem Zeitpunkt sah es fast so aus, als sei die CDU ange-schlagen in die Ecke gedrängt. Doch dann traf es auch die Regie-rungspartei SPD, die eben noch als relativ unbescholten dagestan-den hatte. In Köln, wo seit Jahrzehnten die Sozialdemokraten denTon angaben, waren Millionensummen geflossen, damit eineüberflüssige, überdimensionierte und überteuerte Müllverbren-nungsanlage für 820 Millionen Mark gebaut werden konnte. Min-destens acht Millionen davon flossen auf verschiedensten Um-wegen in private Taschen. Etwa 800 000 Mark wanderten getarntals Spenden in die Parteikasse der SPD. Die Parteimitglieder nah-men auch noch Quittungen für diese fiktiven Spenden an, um siebei der Steuererklärung als Ausgabe zu deklarieren.

In einer Presseerklärung sagte die stellvertretende Vorsitzende

Kohl , K lünge l und d ie Konsequenzen 153

von TI Deutschland und frühere SPD-BundestagsabgeordneteAnke Martiny: »Was bei dem Kölner Fall wieder besonders er-schreckt, ist die kriminelle Energie auf beiden Seiten, die klar er-kennen lässt, dass die Beteiligten sich der Ungesetzlichkeit ihresVerhaltens voll bewusst waren.«

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schilderte die kriminellenMachenschaften mit der ihm eigenen Prägnanz:

Die Affäre begann mit einer Szene, die aus einem Kriminalstückstammen könnte. Schauplatz: das noble Hotel Hilton, natürlichin der Geldwäsche-Metropole Zürich. Nach allem, was deut-sche Staatsanwälte heute wissen, trafen sich dort an einem Som-mertag im Jahr 1994 mehrere Männer. Es ging um acht Millio-nen Mark Schwarzgeld, die es aufzuteilen galt.

Einer in der Runde: Karl Wienand, Urgestein der deutschenSozialdemokratie, ein Trickser mit besten Beziehungen zu ein-flussreichen SPD-Männern und einem gerichtsnotorischenHang zu dubiosen Geschäften. Zu ihm stießen Helmut Triene-kens, millionenschwerer Chef des rheinischen MüllkonzernsTrienekens AG, sowie Ulrich Eisermann, Geschäftsführer derkommunalen Kölner Abfall-Entsorgungs- und Verwertungsge-sellschaft (AVG). Anwesend auch: Sigfrid Michelfelder, Chefdes Gummersbacher Anlagebauers Steinmüller. Und dann warda noch der Mann mit dem Geldkoffer: Arthur Hofmann, Ge-schäftsführer einer Schweizer Firma namens Stenna Umwelt-technik AG.

Das Zocken konnte beginnen. 2 Millionen steckte Eisermannein. 1,6 Millionen bekam der einstige Spitzen-Sozi Wienand.Und für ihn gab es offenbar noch einen kräftigen Nachschlag:Weitere 2 Millionen, so gestand mittlerweile Müllmagnat Trie-nekens den Staatsanwälten, seien zwar sein eigener Anteil gewe-sen – er habe das Geld aber Wienand rübergeschoben, dem ernoch was schuldig gewesen sei. Die restlichen 2,4 Millionen

154 Das Netz der Kor r upt ion

hatte Hoffmann schon für sich einbehalten – als Lohn für dendiskreten Geldtransfer über seine Stenna.

Der Skandal war perfekt. Versuche der SPD-Führung, den KölnerSkandal als lokal begrenzten Vorfall mit regionaler Bedeutung ab-zubügeln, scheiterten. Die Opposition witterte Morgenluft, obwohlauch sie offenkundig Verbindungen zum Müllmanager Trienekenshatte. Der Parteispendenuntersuchungsausschuss bekam mehr undmehr Arbeit. Erinnerungen an die Flick-Affäre von 1981 kamenauf, an die Amigo-Affäre des ehemaligen bayerischen Ministerprä-sidenten Max Streibl und andere längst vergessen geglaubte Fälle.

Obwohl der Untersuchungsausschuss inzwischen seine Arbeitbeendet hat, ist es nach wie vor extrem schwierig, das Dickicht derVerflechtungen zu durchschauen. Von einer umfassenden Aufklä-rung sind wir weit entfernt.

Der Ex-Bundeskanzler, der sich bis heute weigert, die Namender Spender zu nennen, die ihm zwischen 1993 und 1998 insge-samt rund 2 Millionen Mark zugesteckt haben, ist immer nochüberzeugt, nicht bestochen worden zu sein. Seiner zentralen Aus-sage vor dem Parteispendenuntersuchungsausschuss, in seinem»ganzen politischen Leben nie käuflich gewesen« zu sein, ist bisheute kaum widersprochen worden. Für alle Beobachter scheintklar zu sein, dass Ehrenmann Kohl sich in seinem politischen Han-deln kaum durch die millionenschweren Spenden habe beeinflus-sen lassen. Selbst die Strafverfolgungsbehörden sehen das anschei-nend so, denn das Ermittlungsverfahren gegen Kohl wurdeeingestellt. Wie sehr und ob überhaupt der Altbundeskanzler inseinen Entscheidungen durch die Geldgeber beeinflusst wurde,können wir nicht sagen. Vor allem auch deshalb, weil eben bisheute nicht bekannt ist, wer diese Geldgeber waren.

An der Version anonymer Spender mit deutscher Staatsbürger-schaft gab und gibt es jedenfalls berechtigte Zweifel. Der Untersu-chungsausschuss schrieb in seinem Abschlussbericht:

Kohl , K lünge l und d ie Konsequenzen 155

Der Ausschuss hat grundlegende Zweifel, dass die deutschenGeldspender Dr. Kohls tatsächlich existieren und Dr. Kohl je-mals Ehrenworte gegenüber Geldgebern abgab. Nach Überzeu-gung des Ausschusses ist es sogar wahrscheinlicher, dass Dr.Kohl diese Spender frei erfunden hat, um im Wege dieser Le-gende weiteren Fragen des Ausschusses und der Öffentlichkeitnach der wahren Herkunft der Gelder zu begegnen.

Woher diese Gelder auch kamen, für uns von Transparency Inter-national ist die Sachlage klar. Michael Wiehen: »Der Fall Kohl isteindeutig Korruption. Da haben wir keinerlei Zweifel. Per Defini-tion ist Korruption die Ausnützung einer Machtstellung zum pri-vaten Nutzen. Wenn ein Mann die Parteikasse auffüllt, umwiedergewählt zu werden, ist das auch ein privater Nutzen.«

Die Worte des Parteispendenuntersuchungsausschusses unter-stützen diese Einschätzung:

Der Ausschuss geht davon aus, dass der Vorsitzende Dr. Kohlmittels der Gelder gezielt Einfluss auf die innerparteiliche Wil-lensbildung in der CDU genommen hat und dabei ihm genehmeParteifreunde finanziell unterstützte. Der Ausschuss hält es fürhöchst bedenklich, dass demokratische Gremien und Kontroll-systeme der CDU auf diese Art und Weise ausgeschaltet wurdenund sich über Parteiregularien wie Statut und Finanzordnunghinweggesetzt wurde.

Naturgemäß sieht das die CDU/CSU anders. Da der Untersu-chungsausschuss von der rot-grünen Regierung dominiert warund deshalb auch der Abschlussbericht aus Sicht der Union ent-sprechend eingefärbt und parteiisch war, gab die CDU/CSU-Frak-tion einen 144 Seiten umfassenden abweichenden Bericht in Formeines Minderheiten-Votums ab. Hier steht unter anderem zu lesen:

Hinsichtlich des ursprünglichen Untersuchungsauftrags, näm-lich Aufklärung von Vorwürfen gegen die bis 1998 CDU/CSU-

156 Das Netz der Kor r upt ion

geführte Bundesregierung – mit den Schwerpunkten RaffinerieLeuna und Fuchs-Panzer-Export – ist das Ergebnis eindeutig:Es hat keine irgendwie geartete Bestechlichkeit oder Ähnlichesder Mitglieder der Bundesregierung gegeben. Rot-grüne Versu-che aus dem Parlament, aber auch aus der von BundeskanzlerGerhard Schröder (SPD) geführten Bundesregierung heraus,mit direkten und indirekten Verdächtigungen, unterstütztdurch zweifelhafte Maßnahmen im Regierungsapparat, dasAnsehen der Vorgängerregierung und der CDU dauerhaft zubeschädigen, sind gescheitert.

Wie kaum anders zu erwarten, werden die Ergebnisse des Untersu-chungsausschusses je nach parteipolitischer Präferenz anders aus-gelegt. Die rot-grüne Mehrheit sieht die Schuld der Union als er-wiesen an, während diese zwar einige Verstöße zugibt, aberwiederum jedwede politische Einflussnahme durch Spender aus-schließt.

Entscheidend für uns als Nichtregierungsorganisation ohne par-teipolitische Orientierung ist, dass sowohl Helmut Kohl als auchandere Funktionäre von CDU und SPD Geld widerrechtlich ange-nommen haben und damit nicht nur gegen Gesetze, sondern auchgegen ethische Grundsätze verstoßen haben. Und zwar ausdrück-lich gegen besseres Wissen. Denn viele Beteiligte hatten schon inden 80er Jahren eine tragende Rolle während der Flick-Affäre ge-spielt – und hätten daraus lernen können. Der Untersuchungsaus-schuss formulierte es so:

Der Ausschuss hat festgestellt, dass die Hauptverantwortlichenfür die bereits im Zuge der sog. Flick-Affäre vorgefundenen ille-galen Finanzpraktiken der CDU, allen voran Dr. Kohl sowie Dr.Kiep, Dr. Lüthje, Weyrauch und Terlinden, den Weg einerRückkehr zum Recht nicht angetreten sind. Sie haben die ein-dringlichen Ermahnungen zur künftigen Beachtung von Verfas-sung und Parteiengesetz, die der Bericht des Flick-Untersu-

Kohl , K lünge l und d ie Konsequenzen 157

chungsausschusses sowie der abweichende Bericht des Abge-ordneten Otto Schily (Anlage 1 zu BT-Drs. 10/5079) enthielten,völlig außer Acht gelassen. Vielmehr setzten sie ihre verfas-sungs- und rechtswidrige Praxis ungebrochen fort, verfeinertensogar ihre Methoden der Herkunftsverschleierung von Geldernund bauten ihr verdecktes Finanzierungssystem aus.

Diese beiden Fälle haben die deutsche Öffentlichkeit derart er-schüttert, dass der Bundespräsident nach dem CDU-Spendenskan-dal eine Kommission eingesetzt hat, die Vorschläge zur Reformdes Parteispendengesetzes vorlegte. Auf dieser Basis hat der Deut-sche Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das zum 1. Januar 2003in Kraft trat. Im Paragraph 25 des Gesetzes sind Regelungen auf-genommen worden, die weitere Fälle nach dem Muster Kohl ver-hindern sollen.

Dies ist zwar ein Fortschritt, doch er ist bei weitem nicht ausrei-chend. Es war ja nicht die erste Überarbeitung des Gesetzes; nachdem Flick-Skandal ist das Gesetz wiederholt verschärft worden,zuletzt 1992. So mag der Eindruck entstehen, als ob das allesnichts nützt. Dieser Eindruck ist aber ebenso schädlich wie die Il-lusion, dass mit einer Gesetzesänderung alles getan ist.

Nach dem Skandal um eine Persönlichkeit wie Kohl wäre esdringend geboten gewesen, dass sich die Parteien aufgerafft hät-ten, um nunmehr den großen Wurf zu wagen. Das haben sie nachunserer Einschätzung verpasst. Dieter Biallas, damals Vorsitzendervon TI Deutschland, sagte zum neuen Gesetz: »Es wird nicht langedauern, bis wir auch mit dem neuen Gesetz einen Skandal erleben.Entscheidend ist der Wille der Parteien, ihre Organisation und ihreFührungskräfte vor wirtschaftlicher Einflussnahme zu schützen.Diesen Willen lässt das Gesetz nicht erkennen.«

Es gab Vorschläge, die weitergingen, unter anderem von Trans-parency International. Nach unserer Vorstellung hätte das Gesetzfolgende Punkte enthalten sollen:

158 Das Netz der Kor r upt ion

• Begrenzung der Spenden von juristischen und natürlichen Per-sonen an eine Partei auf maximal 50 000 Euro pro Jahr (bisherkeine Höchstgrenze)

• Begrenzung der Spenden natürlicher Personen an einzelne Man-datsträger oder Kandidaten auf 25 000 Euro pro Jahr (bisherkeine Höchstgrenze)

• Verbot von Spenden juristischer Personen an einzelne Mandats-träger oder Kandidaten (bisher kein Verbot)

• Zulässigkeit von Barspenden nur bis zu einer Obergrenze von100 Euro (bisher keine Obergrenze)

• Differenzierung bei der Pflicht zur Veröffentlichung von Spen-den an eine Partei zwischen Bundes-, Landes- und kommunalerEbene. Was für die Bundespartei 10 000 Euro, sind für denStadtrat mitunter schon 500 Euro.

• Jedes Gremium, das eine Wahlkampfkasse führt, hat nach Been-digung des Wahlkampfs den Kassenbericht zu veröffentlichen(bisher keine Veröffentlichungspflicht).

• Großspenden wie Rechenschaftsberichte sind zeitnah auch imInternet zu veröffentlichen.

• Ein Informationsfreiheitsrecht muss allen Bürgerinnen und Bür-gern Zugriff zu den Daten des Verwaltungshandelns geben, umeine öffentliche Kontrolle von Ausschreibungs- und Beschaf-fungsverfahren zu ermöglichen und korrupte Verbindungen vorallem auf der kommunalen Ebene zu enttarnen.

Diese Vorschläge hatte TI Deutschland schon vor dem KölnerSkandal der Öffentlichkeit und auch der Rau-Kommission, die einneues Parteiengesetz finden sollte, unterbreitet. Der Kölner Skan-dal ist nach meiner Sicht nicht primär als Parteispendenskandal re-levant. Es ist ein Korruptionsskandal, gekennzeichnet von fürDeutschland ungewöhnlicher Dimension und krimineller Energie.

Entscheidend aber ist, dass den Deutschen am Korruptions-skandal um die Müllverbrennungsanlage vieles klar wurde. Etwa,

Kohl , K lünge l und d ie Konsequenzen 159

dass Korruption nicht nur die Schmiergelder kostet, sondern zumassiven Fehlinvestitionen und schlechten Leistungen führt. Dassvielleicht die geheimnisvolle Routine, mit der öffentliche Investi-tionen den gesetzten Kostenrahmen überschreiten, etwas mit Kor-ruption zu tun hat.

Für unsere Arbeit in Deutschland aber ist am wichtigsten, dassKorruption nun auch hierzulande ein zentrales Thema ist. Und mitdieser wachsenden Aufmerksamkeit und dem Interesse an Korrup-tion wurde, wie zuvor bereits in anderen Ländern, auch TI inDeutschland bekannter. Das hilft uns dabei, das Thema so langeim öffentlichen Bewusstsein zu halten, bis wirksame Methodender Prävention und Bekämpfung von Korruption an allen wesent-lichen Stellen verankert sind.

160 Das Netz der Kor r upt ion

17Das (deutsche) Gesundheitswesen

Laut Ärztezeitung vom 30. Juli 2001 hat die »Untersuchungs-

gruppe Falschabrechnungen« mehrerer niedersächsischer Kran-

kenkassen für das erste Halbjahr 2001 in Niedersachsen ein Ge-

samtschadensvolumen von fünfzig Millionen D-Mark festgestellt.

Hochgerechnet auf ganz Deutschland sei damit die Milliarden-

grenze überschritten, erklärte Niedersachsens BKK-Chef Klaus

Tamberg. Die tatsächlichen Schäden liegen dabei noch deutlich

höher, weil »die meisten Fälle unentdeckt bleiben. Vieles wird nur

durch Zufall aufgedeckt«.

Thesenpapier »Korruption und Betrug im deutschen Gesundheits-

wesen« von Transparency International Deutschland, September

2001

Die Pharmabranche begleitet die Mediziner ihr gesamtes Berufs-

leben. Ob im Studium, im Krankenhaus oder in der freien Praxis –

die Arzneiverkäufer sind allgegenwärtig und werfen mit Honora-

ren und Geschenken um sich. Niedergelassene Ärzte in Deutsch-

land erhalten durchschnittlich 170-mal im Jahr Besuch von einem

der rund 15 000 so genannten Pharmareferenten.

Der Spiegel, Nr. 14/31.03.2003

Als ich vor fast 25 Jahren mit meiner Frau Jutta einige Wochendurch Kamerun reiste, um mich als frisch gebackener Abteilungs-leiter für Zentralafrika mit den vielen von der Weltbank finanzier-ten Entwicklungsprojekten vertraut zu machen, bot sie an, eine

kleine Studie über die medizinische Versorgung insbesondere derländlichen Bevölkerung zu erstellen. Sie konnte als Ärztin aus ih-rer langjährigen Erfahrung in Botsuana mitreden. Und ich wardaran interessiert, die Rolle der Weltbank bei der Versorgung derGrundbedürfnisse in Kamerun zu stärken.

So besuchten wir auf unserer Rundreise viele Kliniken in Dör-fern, in Ansiedlungen von Forstunternehmen, bei Entwicklungs-projekten verschiedener Geberorganisationen, bei Missionsstatio-nen, aber auch in den größeren Städten. Wo immer der Staat dieVerantwortung trug, war das Ergebnis verheerend. In den Kran-kenhäusern gab es fast durchwegs keine Medikamente und keinVerbandszeug, die Regale waren wie leer gefegt; die Patientenmussten Medikamente und andere Heilmittel selbst beschaffenund in die Klinik mitbringen. Nur in den Missionsstationen undbei einigen Arbeitersiedlungen der Forstgesellschaften konnten dieKranken auf angemessene Versorgung hoffen. Das erklärte auchdie große Zahl der Menschen, die in den Gängen und Wartezim-mern der Gesundheitsbehörden warteten: Sie mussten sich bei denBeamten mit dem Notwendigsten versorgen.

Bei Nachfragen stellte sich heraus, dass das unterbezahlte Per-sonal in den Behörden und Kliniken darauf angewiesen war, vonden Patienten Geld zu erpressen – manchmal noch auf dem Weg inden Operationssaal. Außerdem erfuhren wir, dass aufgrund üppi-ger Zuwendungen von Lieferanten abgelaufene oder ungeeigneteMedikamente von Behörden und Kliniken eingekauft wurden.

Der jetzige Präsident von Nigeria und Mitgründer von TI, Olu-segun Obasanjo, erzählte, wie in einem nigerianischen Dorf ein-mal fast die ganze Dorfbevölkerung durch eine Epidemie ausge-löscht wurde, weil korrupte Beamte veraltete Medikamentegekauft und verteilt hatten. Uns wurde sehr schnell klar, wie starkdie Korruption auf jeder Ebene die Versorgung der kamerunischenBevölkerung, insbesondere der Ärmsten auf dem Lande, beein-trächtigte.

162 Das Netz der Kor r upt ion

Schon damals reifte bei uns der Gedanke, dass gerade in diesemSektor die Bekämpfung der Korruption einen dramatischen Ein-fluss auf die Lebensqualität vieler Menschen haben könnte. Abererst vor dem Hintergrund meiner Arbeit bei TI konnte ich jede Ge-legenheit nutzen, um unermüdlich bei internationalen Organisa-tionen wie der Weltgesundheitsorganisation und der Weltbank,bei Pharmafirmen, Wissenschaftlern und Entwicklungsbehördendafür zu werben, Antikorruptionskampagnen besonders auch aufden Gesundheitssektor auszurichten.

Einen großen Schritt kamen wir voran, als ich bei einer Tagungder Heuss-Stiftung am Starnberger See Anke Martiny traf, einePolitikerin mit langjähriger Erfahrung auf diesem Gebiet. Ich warhocherfreut über ihr Interesse an einer Mitarbeit bei TI – und tat-sächlich stürzte sie sich schon bald mit großer Energie in die Ar-beit. Innerhalb kurzer Zeit übernahm sie eine führende Rolle inder deutschen Sektion und begann, die Korruption im Gesund-heitssektor ins Visier zu nehmen.

Dabei war es naheliegend, dass sie sich mit einer Arbeitsgruppe,die sie zügig aufgebaut hatte, zunächst auf die Missstände inDeutschland konzentrierte. Meldungen über Abrechnungsbetrugund Korruption im Gesundheitswesen, wie die bereits zitierten,sind heute schon fast an der Tagesordnung. Krankenkassen, Klini-ken, Apotheken, Ärzte, Zahnärzte und natürlich auch die Versi-cherten, alle sind sie darin verwickelt. Es ist ein Geben und Neh-men mit oft korrupten und betrügerischen Strukturen zumNachteil von ehrlichen Mitgliedern der Solidargemeinschaft unddes ganzen Gesundheitssystems. Aus diesem Grund setzt sich un-sere deutsche Sektion seit 1998 ausführlich in zahlreichen Work-shops und in Thesenpapieren mit dieser Thematik auseinander.

In jüngster Zeit beschäftigte sie sich mit dem großangelegtenBetrugsskandal von Zahnärzten und zahntechnischen Laboren,der Ende 2002 die Presse beherrschte. Aufgeflogen war eine Firmain Mülheim an der Ruhr, die ein vermutlich bundesweit verzweig-

Das (deutsche) Gesundhe i tswesen 163

tes Netz von Zahnärzten mit ihren Produkten beliefert hatte. DieZahnärzte hatten teuren Zahnersatz bestellt und mit den Kran-kenkassen zu den hierzulande üblichen (Höchst-)Tarifen abge-rechnet. Doch die Plomben, Inlays und Brücken waren im Auslandwesentlich günstiger gefertigt worden. Dies ist an sich ja wün-schenswert, und die Krankenkassen hätten gern mehr kostengün-stige Anbieter. Aber die Differenz – und darin liegt der Verstoß ge-gen die gesetzlichen Regeln – haben sich die Zahnärzte und dieFirma, die den Zahnersatz geliefert hatte, offenbar geteilt, anstattsie an die Krankenkassen weiterzugeben. Kassen und Versichertegingen leer aus und waren die massiv Geschädigten.

Da die Ermittlungen noch andauern, lässt sich über den Scha-densumfang noch nichts sagen. Offen ist auch noch, ob und wel-che Delikte den Beteiligten zur Last gelegt werden können, ob eszu Verurteilungen kommt oder ob es wieder einmal ausgeht wiedas berühmte Hornberger Schießen. Denn strafrechtlich relevantist Bestechung im Prinzip nur gegen Amtsträger. Aber weder einZahnarzt noch eine Firma, die mit zahnärztlichen Laborproduk-ten handelt, können mit diesem Begriff erfasst werden. Oft bleibtnur der Vorwurf der Steuerhinterziehung, und der ist schwer nach-zuweisen und verjährt rasch.

Die deutsche TI-Sektion war von einem Insider informiert wor-den, der vor geraumer Zeit Mitglied von TI geworden war. Erwollte nicht mehr mitmachen beim Betrug an den Versichertenund ihren Kassen und wollte seinen Beitrag dazu leisten, die un-durchsichtigen Strukturen aufzuhellen. Denn für Außenstehendeist es äußerst schwierig, die konkreten Methoden, derer sich diebetrügerischen Zahnärzte bedienen, wenn sie sich bereichern,nachzuvollziehen. Die Hoffnung von TI ist, dass sowohl die er-mittelnden gerichtlichen Instanzen als auch die Medien von denInsider-Kenntnissen profitieren und das Ihrige tun, um dem Ge-sundheitssystem zu Transparenz zu verhelfen und Betrug und Kor-ruption weitestgehend zu unterbinden.

164 Das Netz der Kor r upt ion

Wir gehen davon aus, dass die Abwicklung solcher Geschäfteüber Nummernkonten im Ausland und spezielle geschützte Berei-che des Internet abläuft. Ein traditionell ausgebildeter deutscherJurist hat kaum eine Handhabe, solchen Machenschaften auf dieSchliche zu kommen. Deshalb fordert die deutsche Sektion von TISchwerpunktstaatsanwaltschaften, in denen Spezialisten für jeneBranchen arbeiten, in denen besonders viel Korruption vor-kommt.

Zahnärzte sind dabei natürlich nicht die einzigen schwarzenSchafe im deutschen Gesundheitssystem. In den letzten Jahren gabes regelmäßig größere Skandale, bei denen Klinikärzte sich berei-chert hatten, bei denen Pharmakonzerne die Markteinführung ih-rer Produkte durch Bestechung niedergelassener Ärzte unterstützthatten, oder Skandale um den Grauen Markt bei Apotheken.

Es ist die fehlende Transparenz im Gesundheitswesen, verbun-den mit einer immer schlechter werdenden oder zumindest alsschlechter werdend empfundenen wirtschaftlichen Situation derÄrzteschaft, die dazu geführt hat, dass unser deutsches Chapterein »syndikatähnliches Gesundheitskartell« festgestellt hat.

Damit sich Laien eine Vorstellung davon machen können, wasso alles möglich ist, hier einige Beispiele, wie die verschiedenen Be-teiligten sich selbst nützen und dem Gesundheitssystem schaden.

Missstände bei den Ärzten:

• Abrechnung nicht erbrachter Leistungen• Abrechnung nicht persönlich erbrachter Leistungen (Chefärzte

rechnen in unzulässiger Weise Leistungen ihrer nachgeordnetenFachärzte als eigenerbrachte, eigenverantwortlich bzw. persön-lich erbrachte Leistungen ab. Handel mit ärztlichen LeistungenDritter durch leitende und niedergelassene Ärzte, z. B. mit La-borleistungen, Röntgenleistungen, Zytologie)

• Falschabrechnung erbrachter Leistungen• Abrechnung nicht indizierter Leistungen

Das (deutsche) Gesundhe i tswesen 165

• Abrechnung von Leistungen aus finanzieller, nicht medizini-scher Indikation: z. B. Selbstzuweisung (engl.: self referral)

• Überweisung gegen Provision

Missstände bei den Apotheken:

• Gewinnmaximierung durch Waren aus dem »Grauen Arznei-mittelmarkt«

• Aufweichen der gesetzlichen Überwachung durch Etablierungvon neuen Vertriebswegen

• Berechnung von Originalpräparaten, aber Abgabe von Reim-porten

• Verrechnung des Profits aus teuren Rezepten mit der Abgabeweiterer anderer Waren

• Fälschung der Mengenangaben auf dem Rezept• Abrechnung teurer Rezepte, die aufgekauft, aber nicht beliefert

werden• Provisionszahlungen durch Apotheker an verordnende Ärzte

Missstände bei der Pharmaindustrie:

• Kundenfang durch überzogene bzw. unrichtige Heilungsver-sprechen (Werbung, Internet etc.)

• Abwälzung von Forschungskosten auf die Versicherten bzw.Krankenkassen bei Arzneimittelstudien

• Verhinderung des Preiswettbewerbs durch finanzielle Abfin-dung von Generika-Firmen, um preiswerte Generika nicht oderverspätet auf den Markt zu bringen

Missstände bei den Versicherten:

• Verleihen und/oder Verkauf der Chipkarte gegen Bargeld• Rabatt-Erpressung von Apothekern (etwa 10 % der Kosten) bei

Privatrezepten zum Schaden der Versicherung• Nötigung von Ärzten mit Wünschen nach Verordnungen un-

wirtschaftlicher oder nutzloser (Lifestyle-) Arzneimittel oder

166 Das Netz der Kor r upt ion

nach nicht begründeten ärztlichen oder nichtärztlichen Leistun-gen (Massagen, Kuren u. a.)

• Verkauf von Rezepten in der Apotheke gegen Bargeld oder imAustausch gegen andere als die verordneten Produkte, z. B.auch Kosmetika

• Mehrfach-Verkauf von teuren Rezepten gegen Bargeld mittelsErsatz-Rezepten bei angeblichem Rezeptverlust, meist in Ab-sprache mit den beteiligten Ärzten oder Apothekern

• Nötigung von Apothekern mit Verlangen nach Quittierung vonRezepten ohne Belieferung, um Kostenerstattung von Beihilfeoder Versicherung zu erschleichen

• Bei teuren Erkrankungen (Bluter, MS-Kranke u.a.) Absprachemit Firmenvertretern zur Verwendung (Verordnungsanforde-rung) von speziellen Firmenprodukten mit »Gewinnbeteili-gung« durch den Lieferanten.

Die größten Probleme jedoch erkennen wir trotz einiger Verbesse-rungen immer noch im Bereich der Kliniken. In fast jeder deut-schen Klinik hat die Pharmaindustrie ihren Fuß in der Tür. Diemilliardenschweren Unternehmen sichern sich das Wohlwollen derÄrzteschaft und des Leitungspersonals durch eine Vielzahl von Zu-wendungen. Die berühmte zweiwöchige Hawaii-Reise für einenfünfminütigen Vortrag ist da nur die Spitze des Eisberges. Die Her-steller von medizinischen Produkten und Pharmaka bezahlen auf-wändige Studien, durch die sich Chefärzte und Professoren ein an-genehmes Zubrot verdienen, sie finanzieren Kongressreisen oderübernehmen die Kosten für medizinische Geräte – manchmal lan-det auch einfach Bargeld auf diversen Konten. Dieses Verhalten istschon bei einigen Prozessen aktenkundig geworden. Inzwischenhaben Kliniken wie auch einige Pharmahersteller Verhaltenskodi-zes erarbeitet, die solche Missstände unterbinden sollen. Sehr er-folgreich waren sie aber noch nicht. Unser deutsches Chapter:»Wie Strafprozesse gezeigt haben, wurden Zuwendungen der Phar-

Das (deutsche) Gesundhe i tswesen 167

mahersteller an Chefärzte umsatzbezogen gewährt. Sie erschienenjedoch nicht auf den Rechnungen und gelangten damit auch nichtin die Verfügungsgewalt der kaufmännischen Leitung einer Klinik.Teilweise gab es Bonuskonten bei den Firmen, die der – ärztliche –Empfänger nach seinem Gutdünken abrufen konnte. Abteilungsbe-zogene Förderkonten wurden zur Umwegfinanzierung benutzt. Eswar sowohl von den Ärzten als auch von den Firmen als Geber ge-wollt, die empfangenen Vorteile dem Einfluss der Klinikverwaltungzu entziehen. Korruption, d. h. die Verknüpfung von Zuwendun-gen als »Vorteil« mit der Produktauswahl und Kaufentscheidungals »Diensthandlung« der Chefärzte, war ein herausgehobenesVerkaufsinstrument, durchaus marktüblich und eine zielgerichtetewie flächendeckende Strategie der Lieferfirmen.«

Unsere Arbeit zeitigt inzwischen erste Erfolge. So hat im Jahr2002 der zuständige Ministerialdirigent im Bayerischen Staatsmi-nisterium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Dr.Maximilian Gassner, zusammen mit dem Co-Autor Dr. AndreasKlars in einer dreiteiligen Artikelfolge zur »Korruptionsfalle Ge-sundheitswesen« in der Zeitschrift Pharmarecht (Jahrgang 24,Nr. 9, Nr. 10, Nr. 11) detailliert berücksichtigt, was das DeutscheTI-Chapter bisher erarbeitet hat, und sehr einleuchtende, klugeFolgerungen daraus gezogen. Auch die Bundesgesundheitsministe-rin fordert im Rahmen ihrer Reformvorschläge einen Korrup-tionsbeauftragen und die Institution eines Ombudsmanns, um diebelegten Missstände zu bekämpfen. Die Pharma-Unternehmenselbst zeigen bisher leider, von wenigen Ausnahmen abgesehen,noch wenig Engagement, gegen das aus ihrer Sicht durchaus er-folgreiche System einzuschreiten. Unsere deutsche Sektion kom-mentiert dies so: »Es ist bisher nicht bekannt, dass die Pharma-Unternehmen aus den Ergebnissen der Strafprozesse den Schlussgezogen hätten, ihren Außendienst und ihre Vertriebsmethodeninsgesamt durch transparente Verhaltensrichtlinien zu zügeln. Dieintern bekannten Vereinbarungen, beispielsweise der Kranken-

168 Das Netz der Kor r upt ion

hausgesellschaft, sind unzureichend. Schuldhaftes Verhalten wirdbei Prozessen vor allem den Ärzten angelastet.«

Vielleicht wirken sich auch die Schadenersatzprozesse gegenverschiedene Herstellerfirmen in den Vereinigten Staaten in derZukunft verbessernd aus. Es kann nicht angehen, dass auf derganzen Welt der Gesundheitsbereich ein Sektor bleibt, in demwegen seiner Undurchschaubarkeit die Korruption weiter üppigfloriert.

Natürlich ist es nicht die Aufgabe von Transparency Internatio-nal, das beste aller denkbaren Gesundheitssysteme zu entwickeln.Dazu gibt es berufenere Experten. Doch das Ziel ist klar: Eine gutemedizinische Versorgung der Bevölkerung muss gewährleistet undder dafür nötige finanzielle Einsatz muss so gering wie möglich sein.

Im Sinne der von uns geforderten Transparenz geht es um einuneingeschränktes, universales Recht auf informationelle Selbst-bestimmung des Patienten. Dazu brauchen die Patienten ein Ein-sichtsrecht in die Abrechnungsunterlagen ihres Arztes – und wennsie sie vielleicht nicht verstehen, eine unabhängige Clearingstelle,die diese Abrechnungen beurteilen kann: Sämtliche durch seineBehandlung entstandenen Kosten müssen dem Patienten ersicht-lich und in verständlichem Deutsch verfasst sein.

Hierbei könnte das Internet helfen. Denn wenn die ärztlichen Ge-bührenordnungen und die entsprechenden Kommentare, aber auchArzneimittelinformationen wie die Rote Liste, Beipackzettel, Lehr-bücher und Patienteninformationen einfach über das World WideWeb abrufbar sind, dann können sie zumindest jene Patienten ohnegrößeren Aufwand lesen, die über einen Computer verfügen. Siekönnen dann auch weitere Informationen einholen und werden da-mit zu Wortführern in einem wirksamen Arzt-Patienten-Dialog.Wichtig sind dabei sachliche Informationen von neutraler Stelle,auch von Seiten der Krankenkassen oder der Arzneimittelkommis-sion. Studien aus Amerika belegen, dass die elektronische Kommu-nikation zwischen Arzt und Patient zu höheren Heilerfolgen führt.

Das (deutsche) Gesundhe i tswesen 169

Die Transparenz muss allerdings schon bei der Zulassung vonArzneimitteln und Medizinprodukten beginnen. Solche Entschei-dungen, die heute weitgehend auf europäischer Ebene in der Arz-neibehörde EMEA (die übrigens mehrheitlich von der pharmazeu-tischen Industrie finanziert wird) getroffen werden, lassen sichderzeit meist erst im Nachhinein überprüfen. Aber auch dann blei-ben die Beziehungen zwischen dem Antragsteller (also den Phar-maproduzenten) und der Behörde weitestgehend undurchsichtig.Selbst wenn das Verfahren abgeschlossen ist, haben externe Beob-achter nur eine äußerst begrenzte Möglichkeit, den Entschei-dungsprozess nachzuvollziehen. Es ist deshalb wichtig, alle Datenzeitgleich mit der Zulassung ins Internet zu stellen, damit auch un-abhängige Wissenschaftler das zugelassene Arzneimittel bewertenkönnen. Eine Forderung, die übrigens nicht nur wir stellen, son-dern auch »Health Action International« (HAI), die europäischeSektion der »International Society of Drug Bulletins« (ISDB).

Ein weiterer, dringend verbesserungswürdiger Punkt auf lokalerEbene ist die Information der Patienten über die Ärzte in ihrerUmgebung. So sollten unserer Meinung nach die Krankenkassenein Informationssystem aufbauen, mit dem sich die Patienten übersämtliche Ärzte und Kliniken in ihrer Umgebung ins Bild setzenkönnen. Sie sollten etwa auf Anfrage alles über Spezialkenntnisseder Behandler erfahren, die Häufigkeit, in der sie bestimmte Ope-rationen durchführen und wer etwa besondere Fachgebiete be-herrscht oder spezifische Qualifikationen vorweisen kann.

Gleichzeitig sollten die Krankenkassen die Entwicklung so ge-nannter »intelligenter Chipkarten« vorantreiben, die es ermög-lichen, zu verfolgen, wie häufig ein Patient wegen ein und dersel-ben Erkrankung Ärzte aufsucht. In Deutschland ist die Zahl derArztkontakte pro Patient doppelt so hoch wie in vergleichbareneuropäischen Ländern. Das hat zwar nichts mit Korruption zutun, sehr wohl aber mit mangelnder Transparenz, die das Systemverteuert.

170 Das Netz der Kor r upt ion

Was wir brauchen, ist die Erkenntnis aller im Gesundheitswesentätigen Personen und Einrichtungen, dass das Korruptionsgeflechtso nicht weiter bestehen darf – und der Wille, es zu ändern. TI-Deutschland hat im Januar 2003 ein »ABC der Korruptionsprä-vention« vorgelegt, das sich vor allem an mittelständische Unter-nehmen wendet. Von »Abhängigkeit« bis »Zweifelsfälle« ist hierzu lesen, was auch im deutschen Gesundheitssystem seine Gültig-keit haben sollte: Wenn sich nämlich Universitäten, Kliniken, Ge-sundheitskommissionen, Fachausschüsse, Fachgesellschaften undalle anderen Einrichtungen des Gesundheitssystems entsprechendeVerhaltensregeln geben würden, wenn sich zudem die Versichertenihrer Verantwortung für die Solidargemeinschaft des Gesundheits-wesens wieder bewusst werden würden, könnte sich etwas zumGuten hin ändern.

Die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, unterscheidensich allerdings von Staat zu Staat. Die Korruptionsanfälligkeit imGesundheitswesen hat in reichen Ländern wie in Deutschlandoder anderen (west)europäischen Ländern und in den USA näm-lich ganz andere Ursachen und Erscheinungsformen als in denEntwicklungsländern. Bei uns gibt es ein ausgebautes flächende-ckendes Versorgungssystem, in das Arbeitgeber und Arbeitnehmereinzahlen und zu dem der Staat Zuschüsse leistet. Monatlich kom-men bei den Kassen Milliardensummen zusammen, die Begehr-lichkeiten bei allen Beteiligten wecken und den Nährboden fürGier, Verantwortungslosigkeit und jene »me too«-Mentalität bil-den, die korrupte Netzwerke in Gang setzt.

In den Entwicklungsländern gibt es staatliche Gesundheitssys-teme bestenfalls in Ansätzen. Aus dem Steuertopf – und der istnicht nur in Relation zur Zahl der zu Versorgenden lächerlich ge-ring – müssen die Gesundheitsleistungen bezahlt werden. Die Ge-hälter für Ärzte, Schwestern, Pfleger sind daher niedrig, und auchdie Bediensteten in der staatlichen Verwaltung werden sehrschlecht bezahlt. So sind diese Menschen empfänglich für verfüh-

Das (deutsche) Gesundhe i tswesen 171

rerische Angebote der Pharmaindustrie, der Medizingeräteherstel-ler etc.

Es ist unanständig, wie Anbieter aus der reichen Nordhemi-sphäre die Armut der Drittweltländer ausnutzen und Millionenvon Menschen wissentlich gesundheitlich schädigen, um selbstnoch reicher zu werden. Dabei muss man noch gar nicht an die of-fensichtlich kriminellen Handlungen denken, wie zum Beispiel denTabakschmuggel, den illegalen Handel mit Organen, den riesigenSchwarzmarkt mit Arzneimitteln, darunter auch Fälschungen, unddie Geschäfte mit Anabolika und ähnlichen Substanzen. Hier se-hen die staatlichen Ermittlungsbehörden einen undurchdring-lichen Dschungel vor sich, dessen Strukturen sie nur ahnen kön-nen.

Die groß angelegten Hilfsprogramme gegen Aids und andereglobale Seuchen wie Malaria und Tuberkulose, die in der letztenZeit mit erheblichen Mitteln ausgestattet werden, schaffen zusätz-liche Einbruchstellen für die Korruption.

Aus all diesen Gründen beschäftigt sich TI weltweit intensiv mitdem Gesundheitssektor und versucht, die Strukturen der Systemeoffenzulegen, um allmählich zu einer besseren und gerechterenmedizinischen Versorgung der Menschen zu gelangen. Die XI.Internationale Antikorruptionskonferenz im Mai 2003 in Seoulhat daher vier Workshops mit der Frage »Health and Pharmaceu-ticals« auf ihre Agenda gesetzt. Mithilfe internationaler Expertengelingt es uns vielleicht, auch im Gesundheitssektor erste »Inselnder Integrität« zu schaffen. Das ist aber noch ein weiter Weg.

172 Das Netz der Kor r upt ion

18Der Global Corruption Report

Der erste Versuch einer Organisation, den globalen Kampf gegen

die Korruption darzustellen. Eine Art Reiseführer im Dschungel

der diversen Standards und Praktiken in den verschiedenen Re-

gionen der Welt.

The Guardian (Großbritannien), 16. Oktober 2001, über den

ersten Global Corruption Report

Korruption untergräbt die Entwicklung von Ländern und die inter-

nationalen Wirtschaftsbeziehungen. Korruption ist ein Krebsge-

schwür, das die Gerechtigkeit und die Chancengleichheit emp-

findlich verletzt. Sie erschwert nachhaltige Entwicklung und trifft

die Armen besonders stark. Wer für eine positive Entwicklung ge-

rade auch in den armen Ländern eintritt, muss für eine gerechte

und auf rechtsstaatlichen Grundsätzen beruhende Wirtschafts-

ordnung eintreten, muss demnach Korruption entschieden be-

kämpfen.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul am

22. Januar 2003 zur Vorstellung des zweiten Global Corruption

Report

Kann man den Ist-Zustand der weltweiten Korruption in eineneinzigen Bericht, in ein einziges Buch packen? Wir versuchen eszumindest: In unserem jährlich erscheinenden Global CorruptionReport (GCR) kommen Mitarbeiter von TI, Journalisten, Aktivis-ten und Wissenschaftler aus aller Welt zu Wort und berichten über

die Korruption zu ausgewählten Themen und in den wichtigstenRegionen. Sie erzählen von Fortschritten, Rückschlägen, Wider-ständen, neuen Entwicklungen, bedenkenswerten Strömungenund Aktionen, die vor Ort gegen die Korruption durchgeführtwurden. Ein Buch, das sich aus so vielen Quellen speist, kannnicht unbedingt die offizielle Stimme von Transparency Interna-tional sein, aber es präsentiert eine Bestandsaufnahme dessen, wassich wo auf der Welt tut. Die Hauptaufgabe des Global Corrup-tion Reports ist aber, zu zeigen, dass die Medien und die Zivilge-sellschaft weiterhin wachsam sein müssen und dass wir auchweiterhin auf den Mut von investigativen Journalisten und Whistle-blowern angewiesen sind, um der Korruption Herr zu werden.

Auch wenn die Korruption immer noch allgegenwärtig zu seinscheint, konnten wir in den vergangenen Jahren ein immer positi-veres Bild zeichnen. Es zeigte sich nämlich, dass es weltweit immerweniger Schlupfwinkel für Korruption gibt und dass das StichwortKorruption immer häufiger in die Agenda der Politiker, der Wirt-schaftslenker und der Zivilgesellschaft aufgenommen wird. EinenTeil dazu haben auch das Internet und die Massenmedien beige-tragen. Durch die Beschleunigung des Informationsflusses verlan-gen die Medien und die Öffentlichkeit weltweit immer entschiede-ner Rechenschaft von Unternehmen und Politikern. Wir vonTransparency International versuchen unseren Beitrag zu leisten,um diesen Informationsfluss zu nähren und zu sichern.

Denn in immer mehr Staaten folgen die Regierungen dem Bei-spiel der skandinavischen Staaten und ergreifen Maßnahmen fürmehr Transparenz. TI und auch andere Organisationen der Zivil-gesellschaft überwachen sie dabei und regen sie dazu an, sich stän-dig selbst zu überprüfen. Von Chile und Brasilien bis nach Südko-rea und Indien wird mit der Ausweitung des E-Governments dasInternet auch immer häufiger genutzt, um Informationen überwichtige Entscheidungsprozesse, wie beispielsweise die Auswer-tung von Geboten bei öffentlichen Ausschreibungen und Privati-

174 Das Netz der Kor r upt ion

sierungen, allgemein zugänglich zu machen. Jeremy Pope schreibtim GCR 2003: »Der Durchschnittsbürger braucht in jeder Lebens-phase Zugang zu Regierungsinformationen, um seine Rechte aus-üben zu können. Ohne diesen Zugang ist er eine leichte Beute fürKorruption und Missbrauch.«

Die positiven Beispiele von Ländern, die sich diese Erkenntnisseimmer mehr zu Eigen machen, sind für die Industriestaaten ge-nauso wichtig wie für die Entwicklungsländer. Sie zeigen jenenStaaten, die sich heute noch weigern, entsprechende Maßnahmenzu ergreifen, dass es eben doch anders geht.

Die Berichte aus den Regionen in unserem neuesten GCR begin-nen mit Westeuropa und Nordamerika. Gerade in den USA ist dasThema Transparenz so wichtig wie selten zuvor, denn dort hat bei-spielsweise der Enron-Skandal die Wirtschaft zutiefst schockiertund das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität von Wirt-schaftsunternehmen schwer beschädigt. Enron und die nachfolgen-den Skandale haben den Eindruck verstärkt, dass Rechnungsprü-fer, Steuerberater, Anwälte und Banker mit ihren Firmenkundengemeinsame Sache machen, um der Geschäftsleitung durch Fäl-schung der Bilanzen kurzfristige Gewinne zu ermöglichen. Sie neh-men dabei billigend in Kauf, dass das Vertrauen der Aktionäre, derAngestellten und der breiten Öffentlichkeit missbraucht wird.

Die Berichte unserer Freunde aus aller Welt zeigen auch detail-liert, dass die Wirkung der Antikorruptionskonvention der OECDnoch immer zu wünschen übrig lässt. Wir mussten feststellen, dassdie neue Rechtslage – nämlich das Verbot der Auslandskorruptionin den Unterzeichnerstaaten der Konvention – bei Wirtschafts-unternehmen nur unzureichend bekannt ist und dass nur wenigeVerstöße auch gerichtlich verfolgt werden. In den meisten OECD-Ländern fehlt anscheinend der politische Wille, große Beste-chungsfälle zu ahnden, wenn sie von ihren Staatsangehörigen imAusland begangen werden. Zudem wird der Monitoring-Prozess,durch den die effektive Anwendung der Konvention durch die

Der G loba l Cor r upt ion Repor t 175

Mitgliedsregierungen überprüft und gewährleistet werden soll,nicht ausreichend finanziert und liegt hinter seinem Zeitplan zu-rück. Wenn es der OECD nicht gelingt, die Regierungen zur Straf-verfolgung zu bewegen, wird die Konvention scheitern – auch dasist ein Fazit unseres aktuellen Berichts.

Gesetzesreformen reichen natürlich nicht aus, um die Transpa-renz zu fördern. Auch innerhalb der Welt der Unternehmen müs-sen sich die Vorstände der Herausforderung stellen, Korruption zubekämpfen. Immerhin haben viele Unternehmer mittlerweile ver-standen, dass die Bekämpfung der Korruption wirtschaftlich sinn-voll ist. Einer Ende 2001 erschienenen Studie von Social WeatherStations zufolge waren Unternehmer auf den Philippinen bereit,zwei Prozent ihres Nettofirmeneinkommens für die Finanzierungvon Antikorruptionsprogrammen aufzuwenden. Denn nach ihrenSchätzungen würde die Korruptionsprävention zu einem fünfpro-zentigen Anstieg ihres Nettoeinkommens und zu zehnprozentigenEinsparungen bei den Vertragskosten führen.

Ermutigend ist auch, dass in den EU-Beitrittsländern in Mittel-und Osteuropa der politische Wille und die Anstrengungen der Zi-vilgesellschaft – auch auf den Druck internationaler Institutionenhin – dazu geführt haben, dass Transparenz und Good Gover-nance, also das Regieren unter Beteiligung gesellschaftlicherKräfte, gefördert werden. Trotz allem wird sich der Fortschritt nurlangsam gegen den schlechten Ruf einiger Verantwortlicher in Po-litik, Gesellschaft und Wirtschaft durchsetzen können. Weltweitnämlich hat die Öffentlichkeit das Vertrauen in Politiker verloren.Die politischen Parteien genießen weniger Vertrauen als irgend-eine andere Institution. Neuesten Umfragen des New Europe Ba-rometer zufolge traut in Mittel- und Osteuropa nur jeder achteBürger politischen Parteien und nur jeder Siebte einem Abgeord-neten. Es gibt also noch viel Spielraum für Verbesserungen.

Der Global Corruption Report 2003 zeigt auch einige positiveTrends bei den Entwicklungshilfeorganisationen, die sich inzwi-

176 Das Netz der Kor r upt ion

schen selbst immer mehr verbindliche Regeln gegen die Korrup-tion geben und Maßnahmen ergreifen, um diese zu unterbinden.Konsequenterweise führten viele Entwicklungshilfeorganisationenauch eine öffentliche Berichterstattung ein, um eine unabhängigeKontrolle zu gewährleisten. Inzwischen drängen diese Organisa-tionen weltweit darauf, dass die Haushaltsführung der Staaten, indenen sie tätig sind, offen gelegt werden und diese Länder ihrenKampf gegen die Korruption verstärken.

Der GCR bestätigt und bestärkt wiederum die Forderung, dassdie Geberorganisationen darauf dringen sollten, die Ausgaben fürEntwicklungsprojekte vollständig von der Zivilgesellschaft kon-trollieren zu lassen, damit diese sich vergewissern kann, dass dasGeld bei den richtigen Empfängern, beispielsweise Schulen undKrankenhäusern, landet. Es sind nämlich zivilgesellschaftliche In-stitutionen, die verstärkt zur Korruptionsbekämpfung und zumehr Transparenz beitragen können, besonders in einer Reihe vonafrikanischen Ländern.

Unsere nationalen Sektionen in Afrika stehen an der Spitze ei-ner Kampagne, mit deren Hilfe Vermögenswerte repatriiert wer-den sollen, die ehemalige Diktatoren ihren eigenen Völkern ge-stohlen und auf Bankkonten in London, Zürich, New York,Frankfurt und Liechtenstein geparkt haben. Ein mehr als schwieri-ges Unterfangen. Jermyn Brooks schildert die Problematik: »DasProblem ist, dass etwa die Nigerianer auf der Suche nach dem ge-stohlenen Geld die rechtlichen Grundlagen und Prozeduren in al-len beteiligten Ländern kennen müssen – von New York bis Zü-rich. Nur allzu oft sind die Prozeduren alles andere als transparentund man muss in jedem Land eigene Anwälte bezahlen, die sichdurch den Dschungel kämpfen.«

So erlitten die Nigerianer im Jahr 2002 einen herben Rück-schlag, als es ihnen misslang, 1,2 Milliarden US-Dollar zurückzu-holen, die der frühere Diktator Sani Abacha gestohlen hatte. Aba-chas Sohn weigerte sich, ein bereits geschlossenes Abkommen zu

Der G loba l Cor r upt ion Repor t 177

unterschreiben. Aufgrund dieses Abkommens wären Anklagenwegen Diebstahls und Geldwäsche gegen ihn und einen seiner Ge-schäftspartner fallen gelassen worden, nicht aber die Anklagenwegen Mordes.

In Südamerika wurden dagegen Erfolge bei der Suche nach un-rechtmäßig verschobenen Staatsgeldern erzielt. In Peru hat die Re-gierung unter Alejandro Toledo große Anstrengungen unternom-men, um das Unrecht der Fujimori-Ära wieder gutzumachen.Beispielsweise sind Konten mit Korruptionsgeldern in Höhe von225 Millionen US-Dollar eingefroren worden, die unter anderemFujimoris Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos gehört hatten,der jetzt im Gefängnis sitzt.

Der Kampf gegen die Korruption wird auf vielen Schlachtfel-dern ausgefochten. Zu den wichtigsten Helfern der Zivilgesell-schaft gehören investigative Journalisten, die sich nicht scheuen,Missstände aufzudecken. Und das, so zeigte sich, ist nicht unge-fährlich: Im Jahr 2001 starb jeder vierte getötete Journalist, wäh-rend er wegen Korruption ermittelte. Im Jahr 2002 wurden zwarweniger Journalisten umgebracht, aber die Gefahr ist nicht gerin-ger geworden. Überall bedrohen die Machthaber weiterhin jene,die Korruptionsthemen recherchieren, und nur allzu oft bleibt esnicht bei der Drohung. In Bangladesch, Kolumbien, Russland undauf den Philippinen wurden Journalisten ermordet, die über Kor-ruption schrieben.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch sehr viele Fälle, in denendie Medien ihre Überwachungsaufgabe nicht erfüllen und statt-dessen unangemessen enge Beziehungen zu führenden Politikernunterhalten. In diesen Fällen werden die Medien wohl kaum zurAufklärung von Korruptionsfällen beitragen. So belegt eine Studieder Weltbank, dass Medien, die der öffentlichen Hand gehören,seltener zur Aufklärung von Korruption beitragen als Medien, diePrivatunternehmern gehören. Im Mittleren Osten gehören Fern-sehsender häufig Ministern in der jeweiligen Regierung, deren

178 Das Netz der Kor r upt ion

Interessenkonflikte tabu sind. Die Journalisten müssen mit Haft-strafen rechnen, wenn sie die politische Führung kritisieren, dennin der arabischen Region gibt es das Recht auf Informationsfrei-heit kaum.

Hohe journalistische Standards werden aber nicht nur durchpolitischen Druck und unstatthafte Beziehungen zwischen Journa-listen und Personen des öffentlichen Interesses verhindert. In vie-len Ländern bedroht auch die Konzentration des Privatbesitzes ineiner Hand die Medien im Kampf gegen die Korruption. Ganzdeutlich wird dies in Italien, wo Ministerpräsident Silvio Berlus-coni die Mehrheit der privaten Fernsehsender und als Regierungs-chef auch das öffentliche Fernsehen unter seiner Kontrolle hat.Berlusconi hatte vor seiner Wahl versprochen, den Konflikt zwi-schen seiner politischen Funktion und seinen Medieninteresseninnerhalb der ersten 100 Tage seiner Amtszeit zu lösen, aber bisheute ist es bei diesem Versprechen geblieben. Als EU-Mitgliedsetzt Italien damit ein verhängnisvolles Zeichen für die EU-Bei-trittskandidaten, die erst kürzlich den Klauen der stalinistischenZensur entronnen sind.

In den 16 Berichten aus allen Teilen der Welt, die im GCR 2003zusammengestellt sind, finden sich Korruptionsfälle und Berichteüber positive Reformen ebenso wie über negative Entwicklungen.Außerdem enthält der GCR Beiträge von Ronald Noble, dem Ge-neralsekretär von Interpol, und der Französin Eva Joly, die für ih-ren Mut als Untersuchungsrichterin im Fall Elf Aquitaine 2001 ei-nen TI-Integritätspreis erhielt. Ein umfangreicher »Data andResearch«-Anhang mit Zahlen und Grafiken rundet als nützlicheReferenzquelle den Global Corruption Report ab. Das Schwer-punktthema des aktuellen GCR, dem zahlreiche Artikel gewidmetsind, ist der Informationszugang, da er für den Schutz gegen Kor-ruption so zentral ist. Toby Mendel, Vorsitzender des Rechtspro-gramms der angesehenen Schutzorganisation für die freie Presse»Article 19«, schreibt im GCR 2003:

Der G loba l Cor r upt ion Repor t 179

Die Erfahrung lehrt, dass Vorschriften in der Verfassung nichtausreichen, um das Recht auf Informationszugang in der Praxisdurchzusetzen; es muss auch eine Gesetzgebung dazu verwirk-licht werden. Länder in der ganzen Welt sorgen für solche Ge-setze, nach 2000 auch Bosnien-Herzegowina, Großbritannien,Kirgistan, Polen und Südafrika. Gesetzesentwürfe gibt es inGuatemala, Indien, Indonesien und Nigeria.

Im Jahr 2002 haben nationale Sektionen von TI in Deutschland,im Libanon, in Mexiko, Panama und anderen Ländern Kampag-nen für Informationsfreiheit durchgeführt. In einem dramatischenSonderfall beteiligten wir uns dabei an der »Publish What YouPay«-Kampagne der NGO Global Witness, die Druck auf interna-tionale Öl- und Bergbauunternehmen ausübt. Diese Firmen sollendie Steuern und Förderabgaben offen legen, die sie an die Macht-haber in den Ländern bezahlen, in denen sie tätig sind, vor allemin Konfliktzonen wie Angola, Kongo und Sierra Leone. Einigegroße Unternehmen wie Shell und BP nahmen die Idee positiv auf.Als sie jedoch versuchten, die Ideen umzusetzen, mussten sie fest-stellen, dass die Machthaber in ihren Gastländern davon keines-falls angetan waren – im Gegenteil: sie drohten den Unternehmenmit Sanktionen wegen Vertragsbruchs hinsichtlich der zugesicher-ten Vertraulichkeit. Daher setzen sich TI und Global Witness beiden Aufsichtsbehörden in den Heimatländern dieser Unternehmendafür ein, dass Erklärungen nach dem Muster »Publish What YouPay« zwingend für diese Unternehmen vorgeschrieben werden,etwa als Bedingung für die Börsennotierung.

Was im Einzelnen über die Korruption der letzten Jahre in denwichtigsten Regionen der Welt im ECR 2002 berichtet wird – po-sitive und negative Beispiele –, habe ich mit Hilfe meiner Mitarbei-ter von TI im Anhang zusammengefasst.

180 Das Netz der Kor r upt ion

19.Internationale Organisationen und

ihr Kampf gegen die Korruption

Internationale Institutionen üben eine enorme Macht aus und

sind in der Lage, etwas zu verändern, wenn es darum geht, die

Korruption zu bekämpfen. Als TI an den Start ging, sprachen sie

das Wort »Korruption« noch nicht einmal aus. Heute ist es in aller

Munde. Institutionen können sich ändern – und tun es auch. TI

heißt sie in der Koalition gegen die Korruption willkommen...

www.transparency.org

Korruption ist als zentrales Thema auf der internationalen Agendaangekommen. Auf der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzie-rung in Monterrey im März 2002 beispielsweise hat eine Reihevon Staatsoberhäuptern, Finanz- und Entwicklungsministern mitder Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) aufdie zentrale Bedeutung einer verbesserten Regierungsführung hin-gewiesen. Ausdrücklich wurde für den Erfolg jeglicher Entwick-lungsbemühung auch die Korruptionsbegrenzung verantwortlichgemacht. Das Urteil war einhellig: Wo Korruption herrscht, blei-ben Entwicklungshoffnungen ein schöner Traum. Verbesserte Re-gierungsführung und als essenzieller Teil davon eine rigorose Kor-ruptionsbegrenzung wurden als conditio sine qua non für dieErhöhung der Entwicklungshilfe und für Privatinvestitionen ein-mütig festgestellt.

Der Antikorruptionskonsens von Monterrey überrascht nicht.Das Bewusstsein für Korruption und ihre Auswirkungen hat seit

Mitte der 90er Jahre stetig zugenommen. Dies wirkt sich auch aufdie Politik der meisten internationalen Organisationen aus. Nochvor ein paar Jahren beteten sie weitgehend einhellig die Meinungihrer Mitgliedstaaten nach, dass Korruption ein hässliches, aberleider unumgängliches Übel der internationalen Wirtschaft sei.Folgerichtig mieden die Organisationen das Thema oder versuch-ten bestenfalls, die eigenen Operationen gegen die Korruption zuschützen. Heute haben die meisten internationalen Organisatio-nen ihre Absicht erklärt, den Kampf gegen die Korruption zuunterstützen.

Die Metamorphose der Weltbank war – wie bereits geschildert– eng mit der Geschichte der Gründung von TI verbunden. Mitder Ankunft von James D. Wolfensohn als Präsident der Organisa-tion nahm die Weltbank 1996 den Kampf gegen Korruption auf.Die Stimmung schlug zu unseren Gunsten um.

Im März 2003 lud Wolfensohn eine große Delegation vonTransparency International zu einem ganztägigen Seminar mitihm und seiner Mannschaft nach Washington ein. Wir trafen uns,insgesamt vielleicht 50 Personen, in einem eindrucksvollen Konfe-renzraum, und mussten in fast festlicher Stimmung konstatieren,wie schnell ein so ungeheurer Wandel in der Politik der Weltbankeingetreten ist. Der Kreis hatte sich geschlossen: Vor etwa zehnJahren hatte ich die Weltbank verärgert verlassen, weil sie bei mei-nem Anliegen der systematischen Korruptionsbekämpfung allen-falls meinen Idealismus mitleidig anerkannte. Nun kehrte ich ineine Organisation zurück, die uns ernst nahm, die die achtstündigeSitzung in allen relevanten Abteilungen bestens vorbereitet hatteund mit uns eine gemeinsame Vision für die künftige Arbeit gegenKorruption besprechen wollte.

Der Internationale Währungsfond (IWF), der dieselben Mitglie-der wie die Weltbank hat, sprach sich auch für einen aktiven An-satz aus und nahm den Kampf gegen die Korruption als zentralenBestandteil in seine Kreditpolitik auf. In Indonesien und kürzlich

182 Das Netz der Kor r upt ion

auch in Kenia übernahm der IWF sogar – in der ihm gelegentlicheigenen Härte – die Führungsrolle, um durch Druck auf korrupteRegierungen Reformen in Gang zu setzen.

Zum Einstieg der internationalen Organisationen in die globaleAntikorruptionsstrategie muss betont werden, dass es zwar legitimist, bei der Vergabe von Geldern, insbesondere von Steuergeldernaus den reichen Staaten, auf Bedingungen zu pochen, die ein Mini-mum von guter Regierungsführung und Korruptionskontrolle ein-schließen. Doch legten wir von Anfang an großen Wert darauf,dass die Bekämpfung der Korruption keinesfalls auf Betreiben oderim Interesse des Nordens zu verstehen ist. Konditionalität kann al-lenfalls eine begleitende Rahmenbedingung für die Bemühungender Menschen in den betroffenen Ländern selbst sein. Wird sieüberbetont, kann dies kontraproduktiv und beleidigend sein. TIselbst hat sich daher immer bemüht, sich nicht für die Konditiona-lität einzelner Geberorganisationen einspannen zu lassen. Das giltauch für die erwähnten Erklärungen von Monterrey von 2002.

Ein weiterer Ansatz, den wir seit der Gründung von TI verfolgthaben, ist, alle beteiligten Akteure für die Korruption verantwort-lich zu machen, die Aktiven, die bestechen, ebenso wie die Besto-chenen, die die Hand aufhalten. Mit der Globalisierung der Wirt-schaftsbeziehungen wird besonders bei der grenzüberschreitendenKorruption die einseitige Schuldzuweisung Makulatur. Und mitihr entlarvt sich auch die Forderung, Korruption sollte vor allemvon den Entwicklungsländern angegangen werden, als kurzsich-tig. Die Konvention gegen die Bestechung ausländischer Amtsträ-ger, die in enger Zusammenarbeit mit der Organisation für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entworfenund im Dezember 1997 von allen Mitgliedern und fünf weiterenExportländern unterschrieben wurde, war ein Meilenstein in derBehandlung der Geber von internationalen Bestechungsgeldern.Die Konvention verlangt die Kriminalisierung der Bestechung aus-ländischer Amtsträger und die Bereitstellung gegenseitiger Rechts-

In te r nat iona le Or gan isat ionen und ih r Kampf gegen Kor r upt ion 183

hilfe, um die Untersuchung möglicher Verstöße zu erleichtern.Darüber hinaus sieht sie regelmäßige Länderuntersuchungen undÜberwachungsmissionen vor, die die Einführung der neuen Regelnsicherstellen sollen. TI ist dabei aktiv beteiligt.

Auch auf regionaler Ebene wurden in den letzten Jahren diverseinternationale Konventionen abgeschlossen. Schon 1996 einigtesich die Organisation of American States (OAS) auf eine interame-rikanische Antikorruptionskonvention. Ein Jahr später beschäf-tigte sich die Europäische Union mit dem Thema und erließ eineRichtlinie zur Kriminalisierung aktiver und passiver Bestechung,die dann durch diverse Konventionen unter den Mitgliedstaatenuntermauert wurde. Die neuen EU-Mitgliedsländer müssen vor ih-rem Beitritt den so genannten Acquis Communautaire, also denGesamtbestand an Rechten und Pflichten auch bezüglich der Kor-ruptionsregeln, voll erfüllen.

Der Europarat, ein wichtiger Trendsetter des internationalenRechts, ging sowohl mit seiner Strafrechts- als auch mit seiner Zi-vilrechtskonvention zur Korruption von 1999 weiter als andereinternationale Institutionen. Die Strafrechtskonvention, die imJuli 2002 in Kraft trat, sieht vor, dass auf nationaler Ebene Maß-nahmen gegen Korruption im öffentlichen Leben, in der öffent-lichen Verwaltung und in der Privatwirtschaft erlassen werdenmüssen. Darüber hinaus soll ein Unternehmensstrafrecht geschaf-fen und die Beschaffung von Beweismaterial sowie die Konfiszie-rung von Korruptionserlösen erleichtert werden.

Ähnliche regionale Instrumente werden zurzeit mit aktiver Be-teiligung von TI in Afrika bei der Afrikanischen Union, im süd-lichen Afrika bei SADC, im pazifischen Raum und in Asien ent-worfen. Dabei sind alle regionalen Entwicklungsbanken, diehäufig im Gefolge der Weltbank operieren, aktive Förderer. Ihreeigene Darlehenspolitik und ihre Instrumente werden dabei be-wusst auf die aktive Korruptionskontrolle umgestellt. Wenn ich andie vielen vergeblichen Besuche bei diesen Organisationen in Ma-

184 Das Netz der Kor r upt ion

nila, Abidjan, London, Luxemburg oder Washington in der Ver-gangenheit denke, erfüllt mich dieser allgemeine Sinneswandel mitgroßer Genugtuung.

Die Vereinten Nationen mit ihren vielen Sonderorganisationensind inzwischen auch ein großer Verbündeter geworden. Kaumeine Konferenz zum Thema Regierungsführung, zu der wir nichteingeladen werden. Dabei begegnet uns Kofi Annan selbst mitgrößtem Entgegenkommen. Ob beim Global Compact oder beianderen ähnlichen Initiativen, immer betont er die Wichtigkeit derKorruptionsbekämpfung als Grundvoraussetzung für die Errei-chung vieler anderer Ziele, wie Schutz von Menschenrechten, vonNatur und Umwelt, von gerechten Arbeitsbedingungen, von Kin-dern und Frauen. Entsprechend verlangt er die Einführung vonKorruptionskontrolle als »zehntes Gebot« in den Prinzipienkata-log des Global Compact, den er bei den größten Wirtschaftsunter-nehmen der Welt umsetzen will.

Die Beteiligung der Vereinten Nationen am Kampf gegen dieKorruption soll gekrönt werden durch eine globale Konvention,die die Weltgemeinschaft schon seit einem Vierteljahrhundert er-folglos zu formulieren versucht hat. Augenblicklich aber wird derEntwurf dieser Konvention in einer Reihe von Konferenzen zügigvorangetrieben, damit er bald zu einem erfolgreichen Abschlussgebracht werden kann. Als Zieldatum ist Dezember 2003 bei einerWeltkonferenz in Mexiko vorgesehen; das beteiligte TI-Team un-ter Führung von Jeremy Pope wird zunehmend skeptisch bezüg-lich dieses Datums, da der Entwurf inzwischen auf über 120 Sei-ten angeschwollen ist.

Während also die Anstrengungen der Weltgemeinschaft imKampf gegen die Korruption immer flächendeckender und effekti-ver werden, scheint sich eine wichtige globale Organisation dieserallgemeinen Strategie zu entziehen, obwohl ihr bei zunehmenderGlobalisierung der Märkte eine besondere Bedeutung zukommt:die Welthandelsorganisation (WTO).

In te r nat iona le Or gan isat ionen und ih r Kampf gegen Kor r upt ion 185

Ungeachtet der lobenswerten Anstrengungen der internationa-len Institutionen, die sich um die Kriminalisierung der Korruptionbemühen, haben sich mit dem Wachstum des internationalenHandels auch die Möglichkeiten für Betrug und Unlauterkeit ver-größert. Bekanntermaßen kann Korruption dort gedeihen, wo dieInstitutionen schwach sind; wenn überdies das Entdeckungsrisikogering ist und die Gewinnmöglichkeiten unverhältnismäßig großsind, dann gedeiht Korruption unweigerlich. Daher hat sich derBedarf an handelsorientierten Strategien und Mechanismen zurKorruptionsprävention nicht eben vermindert.

Welche Rolle kann die WTO beim Kampf gegen die Korruptionspielen? Ich habe dabei nicht die Einführung einer »neuen Auf-gabe« für die WTO im Sinn, denn obwohl das Abkommen derUruguay-Runde von 1994 sich nicht explizit zur Korruption äu-ßert, ist die Korruptionseindämmung im internationalen Handeldoch seit eh und je, also seit der Havanna-Charta 1947, Bestand-teil des GATT. Artikel X enthält Formulierungen zugunsten einergrößeren Transparenz von Gesetzen, Verordnungen, Gerichtsent-scheidungen und Verwaltungsvorschriften zum Handel; unglückli-cherweise ist hiervon nicht viel Gebrauch gemacht worden. In denletzten Jahren aber haben Mitglieder der WTO angefangen, überdie Möglichkeiten der Korruptionseindämmung durch die beste-henden Handelsregelungen zu diskutieren und Transparenz alsdas vorrangige Ziel von Artikel X hervorgehoben.

Wenn jetzt die Entwicklungsziele der Ministererklärung vonDoha aus dem Jahre 2001 erreicht werden sollen, muss die WTOihre Regelungen rasch nachbessern, um effizienter zu werden. An-gesichts der Bemühungen anderer Organisationen sollten dieseRegeln sich so weit als möglich auf die Prävention, nicht auf dieKriminalisierung konzentrieren. Ein transparenter rechtlicherRahmen ist für die Korruptionsprävention in transnationalen wiein inländischen Geschäftstransaktionen von grundlegender Bedeu-tung. Die bestehenden Regelungen wie Artikel X des GATT sind

186 Das Netz der Kor r upt ion

dafür ein wichtiger Ausgangspunkt. Doch die Reichweite dieserRegelung muss vergrößert und eine stärkere Beachtung sollte ihrgarantiert werden. Finanziell betrachtet ist der Präventionsansatzeindeutig lohnender. Transparenz, öffentliche Aufmerksamkeitund ein System freiwilliger und akzeptierter Regeln kosten wenig.Rechtliche Verfolgung und Bestrafung sind vergleichsweise kos-tenintensiv und komplex, denn sie erfordern ein professionellesGerichts- und Polizeiwesen. Auf Strafen kann nie ganz verzichtetwerden, aber je besser die Prävention, desto weniger Strafverfol-gung ist nötig.

Eine wichtige Lehre, die man aus den internationalen Antikor-ruptionsmaßnahmen ziehen kann, ist, dass die meisten von ihnendurch ungewöhnliche Koalitionen zustande kommen: durch Koa-litionen aus Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft, aus Regierun-gen und Zivilgesellschaft und manchmal aus allen dreien. Wenneine breite Koalition aus Wirtschaft, Regierung und Zivilgesell-schaft sich auf notwendige Maßnahmen einigen kann, dann kön-nen Strategien erdacht, Antikorruptionsinstrumente entwickeltund Verträge geschmiedet werden. Die WTO muss daher keines-falls im Alleingang ihre Antikorruptionsregeln erstellen und Um-setzungsmechanismen erarbeiten. Eine Vielzahl von engagierteninternationalen Organisationen hat bewiesen, dass sie Resultateerzielen und, noch wichtiger, breite Anerkennung schaffen kön-nen. Die WTO wäre geeignet, um als internationale Organisationdie diversen Ansätze weltweit zu koordinieren. Denn die Globali-sierung muss zum Nutzen aller kohärenter betrieben werden. Eineeffektive Korruptionskontrolle setzt eine ganzheitliche Lösungvoraus, die eine globale Reichweite und Sinn für das Handelssys-tem mit sozialer und politischer Sensibilität verbindet. Eine solcheLösung kann nicht erreicht werden ohne die Führung und dieRessourcen der WTO und ohne die Überzeugung, dass die Refor-men nicht länger aufgeschoben werden dürfen.

Im Gegensatz zu ihren Schwesterorganisationen hat die WTO

In te r nat iona le Or gan isat ionen und ih r Kampf gegen Kor r upt ion 187

Korruption bisher noch nicht als ihr Thema, geschweige denn alseine ihrer wichtigsten Verantwortungen erkannt. Dabei könntesich die WTO im Kampf gegen Korruption ganz unmittelbar undkonkret durch eine Konvention für Transparenz in öffentlichenBeschaffungsverfahren einsetzen, die seit einiger Zeit in Vorberei-tung ist. Denn hierbei handelt es sich um einen Schlüsselbereichdes Welthandels, und es gibt wahrscheinlich keinen direkterenWeg zur Reduzierung der Korruption im internationalen Handelals die Beschäftigung mit Anschaffungsverfahren. Nach OECD-Schätzungen liegt das Jahresbudget für Regierungsbeschaffungenweltweit bei bis zu fünf Billionen US-Dollar. Ein großer Teil dieserAusgaben geht in die öffentlichen Dienste, also Transport, Erzie-hung und Gesundheit. Und dennoch werden diese Investitionenoft in erschreckend verschwenderischer und undurchsichtigerWeise getätigt.

Ich bin der Meinung, dass bei weitem zu viele Regierungsinvesti-tionen und Anschaffungen unökonomisch, unnötig, zu umfang-reich, ineffektiv oder extrem überteuert sind. Zu oft werden diewirklichen Kosten einer Anschaffung nicht veröffentlicht – ausAngst, nicht die notwendige Zustimmung zu erhalten. Die tatsäch-lichen Kosten entstehen erst während der Umsetzung, normaler-weise dann, wenn es zu spät ist, die Vergabe rückgängig zu machen.Ein Grund für diese Fehlallokationen ist schlichte Inkompetenz.Aber häufiger beeinflussen unmoralische Beamte die Projektaus-wahl – oft gemeinsam mit unmoralischen Beratern, Versorgern undVertragspartnern. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass eintransparenter Entscheidungsprozess – von der Planung bis zur Um-setzung – ökonomische Fehler, Planungsfehler und Umsetzungsfeh-ler ans Licht bringen und die öffentliche Meinung gegen diese Ver-schwendung mobilisieren würde.

Die Erfahrung zeigt auch, dass in öffentlichen Beschaffungsver-fahren ein Wettbewerb der Bieter unter transparenten Bedingun-gen das Risiko der Manipulation und Korruption reduziert. Nor-

188 Das Netz der Kor r upt ion

malerweise führt er zu niedrigeren Preisen, denn diese werdendann durch einen Wettbewerb um Qualität und Preis bestimmt,nicht durch Bestechung. Experten schätzen, dass systemische Kor-ruption die Kosten um 20 bis 30 Prozent erhöhen und zu einer nie-drigeren Qualität der Einkäufe oder sogar zu völlig sinnlosen In-vestitionen führen kann.

Transparenz in öffentlichen Beschaffungsverfahren ist gleicher-maßen im Interesse von Verkäufer und Käufer. Viele Unternehmenhaben entdeckt, dass die Teilnahme an einem undurchsichtigenMarkt mit Korruption teurer, unzuverlässig und zunehmend ris-kant ist. Gründe dafür sind die Kosten von Korruption, die Un-möglichkeit, durch Bestechung zustande gekommene Geschäfterechtlich abzusichern, die Instabilität von korrupten Regimen unddie Gefahr der Strafverfolgung. Weil Firmen auch feststellen, dassKorruption dem Markennamen schaden kann, für deren Bekannt-heit sie oft ein Vermögen ausgegeben haben, möchten viele von ih-nen in einem bestechungsfreien Markt arbeiten. In vielen Ge-schäftsbereichen haben die Global Players den Vorteil eineskorruptionsfreien Wettbewerbs erkannt und sind nun dabei, »ge-meinsame Wettbewerbsstandards« auszuhandeln.

Dennoch sind internationale öffentliche Beschaffungsverfahrennoch immer alles andere als transparent. Obwohl viele Länder lo-benswerte Beschaffungsregeln haben, sind sie häufig weitgehendnutzlos, weil sie routinemäßig umgangen werden. Ausnahmerege-lungen wegen angeblicher »Dringlichkeit« oder »Gefahr« sindgang und gäbe. Sie untergraben das Prinzip des »offenen Wettbe-werbs«. Zudem werden Angebote meist von einer Handvoll Be-amter hinter verschlossenen Türen begutachtet, was zu Manipula-tionen einlädt. Transparenz ist daher essenziell, sie ist die besteGarantie dafür, dass Regeln eingehalten werden.

Die WTO sollte für die Entwicklung eines funktionierendenRahmens verantwortlich sein, durch den Verzerrungen in öffent-lichen Beschaffungsverfahren beseitigt werden. Das aktuelle, von

In te r nat iona le Or gan isat ionen und ih r Kampf gegen Kor r upt ion 189

mehreren Mitgliedern unterzeichnete Government ProcurementAgreement (GPA), das seit 1996 in Kraft ist, enthält einige grund-legende Transparenzerfordernisse, hat aber zu wenige Unterzeich-ner, um weitreichende Wirkung erzielen zu können. Gerade dieEntwicklungsländer haben sich dem Vertrag nicht angeschlossen,weil er Marktzugangsregelungen enthält, die es ihnen untersagen,noch jungen Industrien oder einheimischen Bietern Vorteile zu ge-währen. Da aber Nichtdiskriminierung im multilateralen Han-delssystem von entscheidender Bedeutung ist und weil der GPAkeine flächendeckende Akzeptanz findet, wird seit 1996 an einemneuen Vertrag gearbeitet.

Bei den Ministerkonferenzen in Seattle und Doha diskutiertenWTO-Mitglieder über eine neue Übereinkunft hinsichtlich Trans-parenz in öffentlichen Beschaffungsverfahren. Diese Vorschläge,die nicht durch Marktzugangsklauseln belastet sind, enthalten diegrundlegenden Elemente einer Strategie für ein transparentes öf-fentliches Beschaffungsverfahren:

• die Veröffentlichung von Gesetzen, Prozeduren, Gerichtsent-scheidungen und Verwaltungsanordnungen;

• die rechtzeitige öffentliche Bekanntgabe von Ausschreibungen;• Informationen über Qualifikationserfordernisse;• die Veröffentlichung der Voraussetzung für Angebote ein-

schließlich Informationen über technische Spezifizierungen undKriterien für die Vergabeentscheidung;

• transparente Entscheidungen über Qualifikation und Vertrags-vergabe;

• Informationen über nicht berücksichtigte Bieter, die Gründe fürdie Entscheidung gegen ihre Angebote sowie

• unabhängige Foren und Prozeduren zur Kontrolle.

Angesichts der unklaren Prozeduren in manchen Ländern und desUnwillens vieler Bürokraten, Informationen freizugeben, kannman hoffen, dass die vorgeschlagene WTO-Konvention Verände-

190 Das Netz der Kor r upt ion

rungen in der Vergabepraxis von Regierungen herbeiführen wird.Indem er die Geheimhaltung und die daraus resultierende Korrup-tion beschränkt, könnte sie einen wichtigen Beitrag zum Abbaudieses Entwicklungshindernisses leisten.

Auch wenn alle WTO-Mitgliedstaaten von transparenten Be-schaffungsregeln profitieren werden, sind es doch zweifellos dieEntwicklungs- und Schwellenländer, die den größten Vorteil dar-aus ziehen. Mit ihrer hohen Verschuldung und ihrer niedrigenRate ausländischer Direktinvestitionen sind sie auf jeden Cent an-gewiesen, den sie sparen können. Dennoch haben einige Entwick-lungsländer in Doha den Beginn der Verhandlungen über den Ver-trag bis mindestens 2003 verzögern können.

Obwohl einige Fragen noch offen sind, gibt es keinen Grund, ei-nen Vertrag über Transparenz im Vergabewesen nicht abzuschlie-ßen. Die meisten ungeklärten Punkte sind eher technischer Art,und mit einem bisschen guten Willen könnten sie schon lange ge-löst sein. Die Sackgasse, in der sich die Diskussion über Transpa-renz in öffentlichen Beschaffungsverfahren befindet, ist nur einesder vielen politischen und legislativen Hindernisse, denen sich dieWTO gegenübersieht. Ich war im Jahre 2001 vom damaligen Gene-raldirektor der WTO, Mike Moore, in ein Beratergremium berufenworden, um der Stimme der Zivilgesellschaft und der TransparenzGehör zu verleihen. Mein Versuch, die Antikorruptionsagenda indie WTO-Diskussionen einzubringen, war allerdings nur teilweiseerfolgreich. Der Widerstand gegen viele sinnvolle Reformen scheintdem tiefen Misstrauen zu entspringen, das durch schlechte Erfah-rungen mit übereilten oder undurchsichtigen Entscheidungsprozes-sen entstanden ist. Nach Meinung von Insidern und vielen gewis-senhaften WTO-Beobachtern wird nur eine institutionelle Reformdie WTO voranbringen.

Das Fazit ist klar: Mit Ausnahme der WTO hat jede wichtigeInstitution der Weltordnungspolitik Programme zur Korruptions-bekämpfung ins Leben gerufen. Und auch die Organisationen der

In te r nat iona le Or gan isat ionen und ih r Kampf gegen Kor r upt ion 191

Zivilgesellschaft haben ihre Fähigkeit bewiesen, Regierungen undVertreter der Privatwirtschaft dabei zu unterstützen.

Ungeachtet der lobenswerten Bemühungen von Regierungen,internationalen Organisationen und Koalitionen von Betroffenen,die Korruption im grenzüberschreitenden Handel einzudämmen,zeigt die Realität doch, dass Bestechung weiterhin überall präsentist. Weiterhin werden Handel und Investitionen durch korruptesVerhalten erheblich verzerrt und Entwicklungschancen zunichtegemacht. Da die aktuellen Verhandlungen der WTO als »Entwick-lungsrunde« angekündigt wurden, ist es umso wichtiger, dass dieWelthandelsorganisation – wie es viele andere internationale Or-ganisationen in den letzten Jahren ebenfalls getan haben, allenvoran die Weltbank – eine entschieden neue Politik einführt, umdie Korruption im Welthandel in den Griff zu bekommen.

192 Das Netz der Kor r upt ion

20Es gibt nicht nur Transparency

Elf der größten international tätigen Privatbanken haben sich auf

gemeinsame Grundsätze zur Bekämpfung der Geldwäsche ver-

ständigt. Die Richtlinien sehen unter anderem die Schaffung un-

abhängiger Kontrollabteilungen in jedem Institut vor. Als einziger

Finanzkonzern der Bundesrepublik ist die Deutsche Bank an der

Initiative beteiligt. Erarbeitet wurden die Grundsätze von der

Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI), die

sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hat. TI-Präsi-

dent Peter Eigen sagte bei der Vorstellung der Banken-Initiative in

Zürich, diese ziele darauf ab, »es korrupten Personen zu erschwe-

ren, ihre unrechtmäßigen Gewinne ins weltweite Bankensystem

einzuschleusen«. Die Vereinbarung sei zudem »ein Signal an den

Markt, dass die elf Banken keinen Wettbewerb über ihre Geldwä-

scheregelungen austragen werden«.

Financial Times Deutschland, 31.10.2000

Koalitionen schmieden, Ideen und Anreize geben, neue Institu-tionen schaffen, die sich gegen die Korruption wenden: Das war,wie schon mehrfach dargestellt, von Anfang an die Methode, mitder Transparency International die Korruption und ihre Auswir-kungen auf der ganzen Welt bekämpfte. So ist es uns in den ver-gangenen zehn Jahren gelungen, über unsere eigene Agenda undOrganisation hinaus neue Initiativen und Strukturen zu entwi-ckeln, die heute eigenständig im Kampf gegen die Korruptionagieren können. Beispielhaft will ich hier drei von TI angesto-

ßene Initiativen vorstellen. Zum einen sind da die Wolfsberg-Banken, eine gemeinschaftliche Initiative mit elf internationalenPrivatbanken, die sich durch die so genannten »Wolfsberg-Prin-zipien« selbst verpflichtet haben, gegen die Geldwäsche aktiv zuwerden. Zum anderen möchte ich von zwei Ausgründungen be-richten, die heute eigenständige Organisationen sind – nämlichdem Partnership for Transparency Fund (PTF) zur Finanzierungkleinerer, besonders heikler Antikorruptionsprojekte der Zivilge-sellschaft und dem Forest Integrity Network (FIN), das sich dieBekämpfung der Bestechung in der Forstwirtschaft auf die Fah-nen geschrieben hat.

Zunächst jedoch zu den Wolfsberg-Banken. Im Oktober 2000 ge-lang es uns, eine besonders bemerkenswerte Koalition öffentlichvorzustellen, die weltweit ein enormes Echo in der Presse fand – undhoffentlich auch eine praktische Wirkung innerhalb des Banken-wesens zeitigt. Elf der größten internationalen Privatbanken einigtensich in dem kleinen schweizerischen Ort Wolfsberg auf Grundsätzezur Bekämpfung der Geldwäsche, die von da an als »WolfsbergAnti-Money-Laundering-Principles« oder einfach »Wolfsberg-Prin-zipien« bekannt sind.

Bis es zu der Einigung in Wolfsberg kam, vergingen allerdingsknapp zwei Jahre, in denen wir immer wieder wichtige Bankenver-treter auf beiden Seiten des Atlantiks zusammenriefen.

Die Geldhäuser hatten erkannt, dass sie etwas gegen die Geld-wäsche unternehmen mussten – und zwar aus eigenem Antrieb,ohne staatlichen Zwang. Schon damals gab es in einigen Ländern,in denen die beteiligten Banken ihren Hauptsitz hatten, Gesetze ge-gen Geldwäsche. Zum Beispiel hatte die Schweiz schon zu jenerZeit eine gesetzliche Regelung, die fast gleichlautend mit unserenPrinzipien heute ist. Doch jetzt ging es um mehr: Die Banken woll-ten sich verpflichten, gemeinsam Regeln umzusetzen und diese injeder kleinen Zweigstelle in weit entfernten Ländern, also auch aufden berühmten Zufluchtsinseln im Pazifik, einzuhalten. Eben jenen

194 Das Netz der Kor r upt ion

Orten, die nur allzu gerne für den Transfer von schmutzigem Geldaufgesucht werden.

Dass es uns so relativ leicht gelang, die Banken auf unsere Linieeinzuschwören, mag vor allem daran liegen, dass fast alle von ih-nen in den vorangegangenen Jahren zahlreiche Skandale erlebenbzw. bei ihren Mitbewerbern mit ansehen mussten. Gerade dieSchweizer Banken hatten über Jahrzehnte hinweg als sichererHort für gestohlenes Geld gegolten, egal, ob es nun aus Drogenge-schäften stammte oder von korrupten Potentaten, die es ihren ei-genen Völkern geraubt hatten. Anfang der 80er Jahre hatte derphilippinische Präsident Ferdinand Marcos mehr als 500 Millio-nen Dollar auf Schweizer Konten deponiert. Aber auch der jugo-slawische Diktator Slobodan Milosevic hatte 57 Millionen US-Dollar im sicheren Bankensystem der Schweiz geparkt. Auchnachdem 1999 schärfere Regeln gegen illegale Geldgeschäfte ein-geführt wurden, nützte das wenig. Nigerias Diktator Sani Abachatransferierte auch dann noch rund 670 Millionen US-Dollar vonseinem gestohlenen Geld ins Land der Eidgenossen. Doch nichtnur die Schweiz war betroffen: Abachas Familie soll insgesamtmehr als vier Milliarden US-Dollar aus Nigeria geschafft haben,von denen große Teile bei Banken in Großbritannien, Deutsch-land, den USA und Liechtenstein landeten. Weltweit werden, soSchätzungen, Jahr für Jahr rund 600 Milliarden US-Dollarschmutziges Geld gewaschen; nicht zuletzt von großen Bankenund anderen Finanzinstituten, die einen hervorragenden Ruf ge-nießen – und zu verlieren haben.

Es gab also auch einen Leidensdruck, der die wichtigsten Ban-ken zum Handeln bewegte. Es begann im Januar 1998 im Schneevon Davos, als mich Shaukat Aziz, der rührige Generaldirektorder Privatbankenabteilung von Citibank, darauf ansprach, ob wirnicht mit seiner Bank und einigen anderen Geldhäusern eine Initi-ative gegen Geldwäsche einläuten könnten. Shaukat, der heute Fi-nanzminister von Pakistan ist, hatte schon vorher gelegentlich

Es g ib t n ich t nur Transparency 195

Kontakt mit meinem Stellvertreter Frank Vogl gehabt. Meine Re-aktion war zwiespältig: Einerseits hatte ich schon seit Jahren ver-sucht, die Privatbanken mit ins Boot zu holen, auch wenn ich mirdabei, zum Beispiel bei Hilmar Kopper von der Deutschen Bank,mehrfach eine Abfuhr eingefangen hatte. Dieses Angebot von derCitibank war also mehr als verlockend. Andererseits wusste ich,dass sich zur gleichen Zeit das amerikanische Schatzamt und derKongress bemühten, ihre heimischen Banken wegen jüngst vorge-fallener Skandale an eine schärfere Kandare zu nehmen. Und dawollten wir uns bei der Selbstregulierung der amerikanischenWirtschaft nicht als Feigenblatt missbrauchen lassen.

Daher bestand ich schon vor einem ersten Treffen darauf, dasseinige wichtige europäische Banken von Anfang an mit von derPartie sein müssten. Dies wurde uns zugesichert, und so trafen wiruns im April 1998 in der Gegenwart von Vertretern der Ban-kenaufsichtsbehörde mit vier großen amerikanischen Banken, dar-unter Bankers Trust, die gerade von der Deutschen Bank über-nommen worden war. Außer mir waren noch Frank Vogl undFritz Heimann, der Vorsitzende von TI-USA, mit dabei, als wir inder Vorstandsetage von Citibank zum ersten Mal zusammenka-men.

Im Verlauf von regelmäßigen Treffen kamen sukzessive die elfBanken zusammen: die UBS AG, die ABN AMRO Bank, die Bar-clays Bank, die Banco Santander Central Hispano, S.A., TheChase Manhattan Private Bank, die Citibank, N.A., die CréditSuisse Group, die Deutsche Bank AG, HSBC, J.P. Morgan, Inc.und die Société Générale. Sie sahen einen Vorteil darin, dass siesich selbst verpflichteten und einen einheitlichen Verhaltenskodexfür ihr internationales Netz und ihre Wettbewerber schufen. Beider Erarbeitung der Prinzipien hatten uns neben den Vertreternvon TI noch Mark Pieth, der Ordinarius für Strafrecht, Strafpro-zessrecht und Kriminologie an der Universität Basel und seit 1991Vorsitzender der OECD-Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Kor-

196 Das Netz der Kor r upt ion

ruption, und der Geldwäsche-Experte Stanley E. Morris geholfen.Ohne sie wäre diese wichtige und auch technisch komplexe Arbeitfür TI nicht möglich gewesen.

Die Wolfsberg-Prinzipien sind deutlich formuliert. Die beteilig-ten Banken verpflichten sich, jedwede Art von Geldwäsche zuunterbinden. Es werden interne Kontrollmechanismen eingeführt,nach denen die beteiligten Banken überprüfen müssen, ob das ih-nen anvertraute Geld aus legalen Quellen stammt oder eventuellauf kriminelle Weise oder durch Korruption erlangt wurde. Mitar-beiter der Banken werden entsprechend geschult und müssen dieBehörden informieren, wenn sie einen Verdacht hegen. Das gilt be-sonders bei Geldern aus so genannten »Risikoländern« und beiPersonen, die nicht glaubwürdig erklären können, woher die enor-men Geldmengen stammen, die sie auf den Konten deponierenwollen.

Vor allem verfolgen alle Wolfsberg-Banken eine »Know-your-Customer«-Strategie, d. h. sie bemühen sich, die wirklichen Inha-ber ihrer Konten zu kennen. Wir von Transparency Internationalleisten, abgesehen von der ursprünglichen Rolle als Einladende,unseren Beitrag, indem wir den Banken helfen, die Beziehung zwi-schen Geldwäsche und Korruption besser zu verstehen und ihnendie dafür besonders anfälligen Bereiche nennen. Die regelmäßigeZusammenarbeit wird seit einiger Zeit von Jermyn Brooks, dem Fi-nanzchef von TI, geleitet. Er versucht, den Arbeitsbereich zu erwei-tern, denn die Banken können bei der Korruptionsbekämpfungeine hervorragende Rolle spielen. Nach dem 11. September 2001wurden die Wolfsberg-Prinzipien übrigens auch als höchst relevantfür die Bekämpfung des Terrorismus angesehen, denn die Geldwä-sche wird von vielen als dessen Begleitkriminalität gewertet.

Im Gegensatz zu der Financial Action Task Force, einer Arbeits-gruppe, die 1989 in Paris von den G7-Regierungen zur Kontrolleder Geldwäsche geschaffen worden war und mit der wir unsereInitiative eng abgestimmt haben, sind die Wolfsberg-Prinzipien

Es g ib t n ich t nur Transparency 197

nicht mit staatlichem Zwang verbunden. Es gilt vor allem eines:gegenseitiges Vertrauen. Es gibt keine übergeordnete Kontrollin-stanz, die das Verhalten der Banken überprüft. Das erledigen sieintern, und sie gleichen ihre Informationen auch nicht systema-tisch untereinander ab. Diese Tatsache hat uns einige Kritik einge-bracht, da eben das Risiko besteht, von den Banken zu PR-Zwe-cken missbraucht zu werden. In der Tat hat es manchmalSpannungen gegeben, zum Beispiel, als der Generaldirektor vonCitibank sich in einer Anhörung im amerikanischen Kongress mitunserer Initiative brüstete, obwohl damals noch Stillschweigenverabredet war; umgekehrt haben wir gelegentlich in der Presseunserer Kritik freien Lauf gelassen, wenn wir uns innerhalb derGruppe nicht durchsetzen konnten. Dies ist der übliche Balance-akt, den TI so oft vollziehen muss. Jedenfalls sehen wir diese Ini-tiative cum grano salis als sehr positiv an. Denn zum einen stellenwir fest, dass sich alle beteiligten Banken gegenseitig überwachen,da ein Gruppenzwang entsteht, sich an die Grundsätze zu halten.Eine Regelverletzung nur eines Beteiligten wäre ein Wettbewerbs-nachteil auch für die anderen. Und schließlich steht ihr guter Rufauf dem Spiel.

Langfristig sehen wir die Wolfsberg-Prinzipien auch als Modellfür spätere, international verpflichtende Integritätssysteme. Dabeierwarten wir eine Ausweitung der Zusammenarbeit unter denBanken auch in anderen Bereichen, in denen Finanzinstituten eineSchlüsselrolle zukommt. Außerdem müssen dringend weitere Ban-ken zur Gruppe der Unterzeichner stoßen, aber auch andere Insti-tutionen, die ebenfalls zur Geldwäsche genutzt werden können,sollten sich diesen Regeln unterwerfen. Das könnten Investment-Fonds, Pensionskassen, Aktienhändler, Versicherungsunterneh-men und Immobiliengesellschaften sein.

Das Wolfsberg-System lässt sich auch in anderen Sektoren ein-setzen. Tatsächlich ist die Idee der Vereinbarung von Integritäts-systemen so erfolgreich, dass inzwischen auch Unternehmen aus

198 Das Netz der Kor r upt ion

anderen Bereichen uns ihr Interesse gemeldet haben, um ähnlicheÜbereinkünfte mit ganz anderen Schwerpunkten zu schließen.Nicht umsonst wurde ich beim jüngsten Weltwirtschaftsforum inDavos zu den Treffen der Geschäftsführer der Energiewirtschaft,der Erdöl- und Gasunternehmen und der Bauunternehmen einge-laden, um das Konzept der Vereinbarung von Integritätssystemenunter TI-Führung vorzustellen.

Die Initiative der Wolfsberg-Prinzipien im Jahr 2000 ist ein Bei-spiel, wie TI brandneue Themen anfasst, wenn dafür ein Bedarfbesteht, und wenn es innerhalb unserer Organisationen die techni-schen und finanziellen Ressourcen gibt, um einen professionellglaubwürdigen Beitrag zu leisten. Häufig finden wir erst dann,wenn eine solche Initiative schon angelaufen ist, die Experten –häufig als freiwillige, pro-bono-Mitarbeiter – und auch die Spon-soren, die bereit sind, solche Programme zu finanzieren. Leidermüssen manche dringende Projekte einige Zeit darauf warten, bissich die Umstände so glücklich fügen, dass sie flügge werden.

Ein solcher Fall ist der Partnership for Transparency Fund(PTF), den ich seit Jahren für eine fast geniale Idee halte, ja die»Quadratur des Kreises«, der aber zu lange keine ausreichendeUnterstützung fand – jetzt aber wie ein Phönix aus der Aschesteigt. Der PTF ist eine Antwort auf das Dilemma, in dem mancheInstitutionen wie etwa Weltbank oder Vereinte Nationen sich be-finden, wenn sie enger mit NGOs zusammenarbeiten wollen, dieseaber für ihre Arbeit nicht bezahlen können, weil die NGOs sonstihre Unabhängigkeit verlieren würden. In der Tat gibt es in vielenLändern hervorragende Vertreter der Zivilgesellschaft, die so oftund so ausgiebig mit den Geberorganisationen zusammenarbei-ten, dass sie nach einiger Zeit eher den Status hochbezahlter Bera-ter, als den eines unabhängigen NGO-Aktivisten haben.

Wir selbst machten diese Erfahrung mit unseren hervorragen-den Führungskräften aus unseren nationalen Sektionen – etwa ausArgentinien, Ecuador und Kenia –, die von der Weltbank zu Anti-

Es g ib t n ich t nur Transparency 199

korruptionsmissionen in andere Länder eingeladen wurden.Selbstverständlich wurden sie dort vom Leiter dieser Missionen indie Arbeit des Weltbankteams eingebunden und auch bezahlt, wiedas bei Beratern eben üblich ist. Das heißt aber auch, dass die Un-abhängigkeit und Glaubwürdigkeit dieser »Vertreter der Zivilge-sellschaft« in solchen Fällen verloren geht.

In unserer Arbeit müssen wir immer wieder feststellen, dass die-ses Phänomen eine Vielzahl von interessanten Programmen zurBekämpfung der Korruption in ihrer Wirksamkeit unterminiert,gerade auch bei unseren nationalen Sektionen. Sie hatten alle dasProblem, dass man von Aktivisten der Zivilgesellschaft zwar eingewisses Maß an freiwilliger Arbeit erwarten kann, dass aber ins-besondere in wirtschaftlich schwachen Ländern diese Arbeit be-zahlt werden muss, wenn sie über ein paar Tage in der Woche hin-ausgeht. Die benötigten Summen für solche Aktivisten sind nichteinmal hoch. Einige wenige tausend Dollar reichten häufig ausund waren entscheidend für den Erfolg der Aktion. Deshalb erfan-den wir den Partnership for Transparency Fund. Den Zweck die-ser von uns ins Leben gerufenen Organisation fasst Pierre Landell-Mills, ihr Geschäftsführer, prägnant zusammen: »Wir verteilenkleine Summen zur Korruptionsbekämpfung an kleine Spieler,ohne sie in die Bürokratie zu verwickeln.«

PTF ist damit einzig und allein dafür da, weltweit durch so ge-nannte »Micro-Grants« Experten aus der Zivilgesellschaft fürKorruptionsbekämpfung zu finanzieren. Ein kleines Team aus er-fahrenen Managern, meist ehemaligen Weltbankmanagern wiePierre Landell-Mills, der zuletzt Regionaldirektor für Bangla-desch war, entscheidet unbürokratisch über die Vergabe von ge-ringfügigen Summen, die nur im Ausnahmefall 25 000 US-Dollarübersteigen. Einzige Voraussetzung: Die unterstützte Aktionmuss einen signifikanten Einfluss auf die Korruptionsbekämp-fung haben und wegen der Sensibilität der Arbeit besonders aufdie Unabhängigkeit des Experten angewiesen sein. Sie kann na-

200 Das Netz der Kor r upt ion

türlich von einer nationalen TI-Sektion durchgeführt werden,muss es aber nicht.

So unterstützte der PTF im Jahr 2000 TI-Bulgarien mit 12 877US-Dollar bei einem Projekt zur Überwachung des Vergabeprozes-ses von Mobilfunklizenzen. TI Bulgarien hatte schon bei der Priva-tisierung der bulgarischen Telekom im Jahr 1999 einen erheb-lichen Mangel an Transparenz und viele Unregelmäßigkeitenfestgestellt und die Regierung darüber informiert. Um solche Vor-fälle und den Verlust von hohen Millionenbeträgen bei der Ver-gabe der Lizenzen zu vermeiden, bat die Regierung unsere Sektion,die öffentliche Auktion zu überwachen und das Verfahren zu eva-luieren. TI-Bulgarien rief eine Gruppe von 15 nationalen Expertenaus dem Bereich Telekommunikation, Wirtschaft, Finanzen undRecht ins Leben. Um die Gruppe besonders effizient zu machen,wurde sie von einem ausländischen Privatisierungsexperten bera-ten, dessen Kosten der PTF übernahm. Das Projekt war ein vollerErfolg. Die Gruppe überwachte den Auktionsprozess vom Anfangbis zum Ende, achtete darauf, dass er legal ablief und holte sichvon allen Bietern Feedback. Zum Abschluss wurde ein Bericht aufBulgarisch und Englisch verfasst, der auch Empfehlungen für dieDurchführung von weiteren Auktionen dieser Art enthielt.

Andere Initiativen unterstützte der PTF beispielsweise in Li-tauen, Brasilien und Pakistan. In Litauen finanzierte er mit 15 000US-Dollar ein Projekt, das die Aktivitäten der Regierung bei derKorruptionsbekämpfung kontrollierte; in Brasilien halfen 5000US-Dollar des PTF bei der Erstellung einer Webseite, die undurch-schaubare Vorgänge bei lokalen Behörden für die Bürger transpa-rent und nachvollziehbar darstellt. In Pakistan unterstützte derPTF die Entwicklung eines Integritätspakts für die Wasser- undAbwasserversorgung Karachis.

Das Geld für seine »Micro-Grants« sammelt der PTF selbst beiEntwicklungshilfeorganisationen wie etwa dem deutschen Minis-terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem UN-Entwick-

Es g ib t n ich t nur Transparency 201

lungshilfeprogramm und bei privaten Stiftungen. Seit der Grün-dung bis zum 31. Dezember 2002 verteilte er insgesamt 186 901US-Dollar an 15 verschiedene Organisationen der Zivilgesellschaft.Die Selbstkosten des PTF – und das macht die Sache so attraktiv –halten sich dabei extrem in Grenzen. In den ersten zwei Jahren sei-nes Bestehens machten sie gerade mal zwei Prozent der verteiltenGelder aus, nämlich genau 3364 US-Dollar. Dass dem so ist, liegtan dem speziellen Führungsgremium des PTF. Es besteht hauptsäch-lich aus pensionierten Managern von Entwicklungshilfeorganisatio-nen, die nicht nur jahrelange Erfahrung und Expertise im Entwick-lungsgeschäft mitbringen, sondern alle ehrenamtlich tätig sind.Pierre Landell-Mills beispielsweise erledigt die meiste Arbeit perInternet von seinem schönen ländlichen Ruhesitz an der Westküstevon Wales. Damit reduzieren sich die Ausgaben auf geringe Reise-kosten, die Erstellung einer Webseite und Verwaltungskosten.

Auch wenn der PTF von Transparency International angescho-ben wurde und ich mit Hansjörg Elshorst und Frank Vogl im Ver-waltungsrat sitze, ist es eine von TI unabhängig agierende Organi-sation. Derzeit sucht der PTF noch nach weiteren Spendern, umsein Programm ausweiten und bis zum Jahr 2005 rund eine Mil-lion Dollar vergeben zu können. Für die geldgebenden Organisa-tionen liegt der Vorteil auf der Hand: Sie müssen nur ein einzigesMal den Bewilligungsprozess in Gang setzen und können gleich-zeitig sicher sein, dass das Geld bei zahlreichen Projekten mög-lichst effektiv eingesetzt wird – denn natürlich dokumentieren wirjeden Geldfluss im Detail.

Ein anderes Projekt, das unter der Schirmherrschaft von Trans-parency International ins Leben gerufen wurde und für das eben-falls Pierre Landell-Mills als Co-Geschäftsführer fungiert, ist dasForest Integrity Network, kurz FIN. Dieses Netzwerk beschäftigtsich mit einem einzigen Aspekt der Korruption: dem Bestechungs-sumpf innerhalb der Forstwirtschaft – denn der ist riesig und be-drohlich.

202 Das Netz der Kor r upt ion

Am Anfang stand die Erkenntnis, dass es zwar weltweit zahl-reiche Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen und NGOsgibt, die für den Erhalt der Wälder eintreten und dabei bereits dra-matische Fortschritte zu ihrem Schutz erreicht haben. Doch es gibtkeine internationale Organisation, die sich ausdrücklich mit derZerstörung des Waldes, insbesondere der tropischen Urwälder,durch Korruption beschäftigt.

Während eines Lehraufenthalts in Harvard überzeugte ich 1999den dortigen Professor für Umweltstudien, Theodore Panayotu,dass gerade die Korruption zur Vernichtung der natürlichenRessourcen führt. Mithilfe von Bestechungsgeldern werden illegaleAbholzungslizenzen erteilt und Behörden und Beamte schauenweg, wenn ein Unternehmen ein Naturschutzgebiet abholzt odersonst Raubbau treibt. Ganze Landschaften werden zerstört undTropenholz wird illegal über die Grenzen geschmuggelt. ZumSchutz dieser verheerenden Machenschaften werden Gesetzge-bungsprozesse, die ein nachhaltiges Management der wertvollenForstbestände gewährleisten würden, in manchen Ländern derDritten Welt vereitelt – auch vor Mord und Folter schreckt mannicht zurück, um dieses System aufrechtzuerhalten.

Die Folgen dieses Raubbaus sind bekannt: weltweite Klimaver-änderung, Zerstörung ganzer Ökosysteme, Vernichtung der Le-bensgrundlage von Waldvölkern, Verarmung der Bevölkerung undVerödung kompletter Landstriche. Allein zwischen 1990 bis 1995gingen Schätzungen zufolge 56 Millionen Hektar Wald für immerverloren.

Panayotu war begeistert und half mir, im Mai 2000 ein infor-melles Treffen von etwa 50 Aktivisten und Experten aus For-schung, Lehre und Praxis an der Universität Harvard zu organisie-ren. Die Weltbank, einige Forschungsinstitute und vor allemzahlreiche internationale NGOs waren vertreten, aber auch Akti-visten der Zivilgesellschaft aus den betroffenen Ländern selbst,wie Kamerun, Nigeria, Indonesien, Brasilien und Kolumbien. Hei-

Es g ib t n ich t nur Transparency 203

kel war die Beteiligung einer Regierungsdelegation aus Kamerun,die wohl vor allem gekommen war, um ein Auge auf die ohnehineingeschüchterten Vertreter einer Umweltorganisation aus ihremLand zu werfen.

Wir beschlossen, ein Netzwerk zu schaffen, das es Aktivistenaus der Zivilgesellschaft, in diesem Fall Umweltschutzorganisatio-nen, ermöglicht, mit Vertretern aus Wissenschaft und Lehre engerzusammenzuarbeiten, um brennende Fragen und Wünsche an sieheranzutragen. Umgekehrt sollten die Wissenschaftler und Lehrerunmittelbarer den Bedürfnissen der NGO-Aktivisten entsprechenkönnen, insbesondere die Korrelation zwischen der Zerstörungdes Waldes und der Korruption erforschen und darstellen, und in-tellektuelles Rüstzeug für die Arbeit der Praktiker zur Verfügungstellen. In letzter Zeit war ein großes Interesse der Wissenschaft ander Erforschung der Korruption zu bemerken, aber die vielen di-cken Bücher, die sich damit befassten, hatten auf die praktisch re-levanten Fragen kaum Antworten zu bieten.

Nach dem Treffen in Harvard dauerte es sehr lange, bis unserVersuch gelang, eine Koalition zustande zu bringen, die aus Regie-rungs- und Entwicklungshilfeinstitutionen, aus Vertretern ausWissenschaft und Lehre und der Privatwirtschaft bestand. DerDurchbruch kam in einem von der Weltbank im November 2001unterstützten Treffen in Washington DC, bei dem FIN endgültigins Leben gerufen wurde. FIN sieht sich selbst hauptsächlich alsForum zum Informationsaustausch und zur gemeinsamen Ent-wicklung von Instrumenten zur Bekämpfung der Korruption inder Forstwirtschaft – und als Medium, um gemeinsame Aktionenzu steuern.

Derzeit arbeitet FIN an mehreren Projekten. So etwa am Aus-bau der Webseite <www.forestintegrity.org> als zentraler Anlauf-stelle zum Informationsaustausch. Daneben erstellt das Netzwerkein Source Book, in dem Verhaltensregeln für den Kampf gegendie Korruption im Forstbereich aufgestellt werden, während das

204 Das Netz der Kor r upt ion

bei TI angesiedelte Sekretariat versucht, die Bemühungen vonFIN-Mitgliedern zu koordinieren, die vor Ort in den Öko-Reser-vaten der Welt gegen die Korruption kämpfen. Gleichzeitig ver-sucht FIN Methoden zu entwickeln, um verschiedene Länder inFallstudien zu vergleichen – und zielt natürlich energisch darauf,alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und deren Interessenauszugleichen.

Als noch sehr junge Organisation mit nur wenigen festen Mitar-beitern und einer eher virtuellen Existenz ist FIN auf die tatkräf-tige Unterstützung all seiner Mitglieder angewiesen – und darauf,dass es gelingt, in den unterschiedlichsten Ländern die jeweils Ver-antwortlichen für ihr Thema zu mobilisieren. Pierre Landell-Mills:»Unser nächster Schritt wird nun sein, dafür zu sorgen, dass dienationalen TI-Sektionen in Ländern wie Zentralafrika, Nigeria,Ghana und Gabun die Korruption in der Forstwirtschaft als drän-gendes Problem erkennen und uns unterstützen. Wir müssen ihnenauch Werkzeuge, wie etwa einen speziellen Integritätspakt, anbie-ten, damit sie aktiv werden können.«

Wolfsberg-Banken, PTF und FIN – das waren nur wenige Bei-spiele von heute eigenständigen Initiativen und sogar unabhängi-gen Institutionen, die von TI angeschoben worden sind. Wir su-chen ständig Gelegenheiten, um neue Koalitionen zu schmiedenund neue Felder der Korruptionsbekämpfung zu erschließen.Ideen gibt es immer, es bedarf nur der Menschen, Institutionenund Mittel, sie aufzugreifen, zu schlagkräftigen Strategien zu ent-wickeln und sie energisch umzusetzen.

Es g ib t n ich t nur Transparency 205

21Der Kreis schließt sich –Kenia als gutes Beispiel

Das Beispiel Kenia zeigt: Bürgerkrieg und Chaos müssen den

Übergang Afrikas in eine neue Zeit nicht begleiten. Sofort nach

der Wahl sicherte Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul Mwai

Kibaki Unterstützung zu. »Der demokratische Wechsel in Kenia

und die Aufbruchstimmung dort sind wichtige Signale über das

Land hinaus«, würdigte Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul

das Wahlergebnis. ... Der 71-jährige Mwai Kibaki hatte seine

Landsleute bei der Vereidigungszeremonie in Nairobi unter gro-

ßem Beifall dazu aufgerufen, gemeinsam mit der Regierung ge-

gen die Korruption anzukämpfen – eines der zentralen Probleme

nicht nur Kenias, sondern ganz Afrikas.

Newsletter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zu-

sammenarbeit und Entwicklung, Januar 2003

In Kenia haben sich 18 Passagiere eines Kleinbusses geweigert,

einem schmiergeldverwöhnten Polizisten umgerechnet 1,20 Euro

zu zahlen. Eine politische Aktion, sagen die Fahrgäste. Mit ihrem

Widerstand wollten sie den neuen Präsidenten im Kampf gegen

Korruption unterstützen.

Spiegel Online, 3. Januar 2003

Es war in Kenia, wo mich vor mehr als einem Jahrzehnt die allge-genwärtige Korruption davon überzeugte, dass ich etwas unter-nehmen musste. Hier erkannte ich in langen Gesprächen undmanchmal auch erhitzten Diskussionen mit meiner Frau Jutta und

vielen afrikanischen und europäischen Freunden, dass es nötig ist,den internationalen Bestechungssumpf trockenzulegen – und dassdie Völker der Dritten Welt beileibe nicht aus Tradition an derKorruption festhielten, sondern von ihren bestechlichen Elitenausgebeutet wurden.

Kenia gehörte über Jahre hinweg zu den Musterländern aufdem afrikanischen Kontinent. Es war reich gesegnet mit eineratemberaubend schönen Natur, liebenswerten, fleißigen Men-schen, relativ stabilen politischen Verhältnissen und mit einemwachsenden wirtschaftlichen Wohlstand, der sich angenehm gegendie umliegenden Staaten abhob. Doch eine schleichende Korrup-tion hat Kenia in den letzten Jahrzehnten zunehmend vergiftet undschließlich dieses Land zu den schlechtesten Beispielen auf demafrikanischen Kontinent gemacht. Mit der Wirtschaft und folglichauch mit der Sicherheit ging es rapide bergab und Kenia belegteregelmäßig einen der untersten Plätze auf unserem CorruptionPerceptions Index. Als ich dieses schöne Land 1991 verließ, warich – auch menschlich – sehr enttäuscht, weil mir aufging, wieviele meiner engsten Kontaktpersonen in Regierung und Wirt-schaft mein Vertrauen und begeistertes Engagement für ihr Landmissbraucht und verraten hatten. Auch innerhalb der Weltbankhatten damals die meisten für meine Sorgen um die Korruptionund für die Idee, etwas dagegen zu unternehmen, kaum mehr alsungläubige Verachtung übrig. Ich verließ Nairobi fast wie ein be-gossener Pudel.

Umso mehr wurde meine Rückkehr kurz vor Ostern 2003 fürmich und meine Freunde ein festlicher Triumph. Denn nun scheintalles anders zu werden. 24 Jahre hatte Präsident Daniel arap Moiwie ein feudaler Fürst das Land regiert, doch am 27. Dezember2002 war es damit vorbei. Seitdem ist der 71-jährige Mwai Kibakivom ehemaligen Oppositionsbündnis National Rainbow Coali-tion (NARC) der gewählte Präsident des Landes und nicht etwader von Moi protegierte Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta,

Der Kre is sch l ießt s ich – Ken ia a ls gutes Be isp ie l 207

der 42-jährige Uhuru Kenyatta. Und Kibaki gewann die Wahl vorallem durch seine einzigartige Kampagne gegen die Korruption.

Um das Ausmaß dieser Umwälzung zu verstehen, muss man zu-nächst einen Blick in die Geschichte Kenias werfen. Seit das Land1963 in die Unabhängigkeit entlassen worden war, hatte die ehe-malige Einheitspartei KANU (»Kenya African National Union«)das Land regiert – und in der letzten Zeit zunehmend durch Kor-ruption und ein schamloses System der Mauschelei herunterge-wirtschaftet. In den 60er und 70er Jahren florierte die Wirtschaftvon Kenia, die jährlichen Wachstumsraten lagen bei 6,5 Prozent,es schien so, als würde es den Kenianern gelingen, eine stabileÖkonomie zu schaffen. Doch dann ging es bergab. Ende der 90erJahre fiel die jährliche Wachstumsrate auf 1,3 Prozent zurück undim Jahr 2000 schrumpfte sogar das Bruttoinlandsprodukt.

Anstatt eigene Verantwortung einzugestehen, machte PräsidentMoi das Mehrparteiensystem für den Niedergang verantwortlichund bezeichnete die 90er Jahre als »verlorenes Jahrzehnt«. Aller-dings nicht verloren für seine Eliten und seinen Familienclan, diesich konsequent bereicherten. Moi hatte bei seinem Amtsantrittübrigens die Bekämpfung der Korruption als wichtiges Ziel her-ausgestellt. In zahlreichen persönlichen Treffen während meinerAmtszeit in Kenia erinnerte ich ihn daran, wurde dann aber regel-mäßig mit Allgemeinplätzen abgefertigt: »Ich lasse schon in denSchulen den Kindern von Anfang an beibringen, wie wichtig es ist,Korruption zu vermeiden und ein ehrliches Leben zu führen.« Dasstand im krassen Gegensatz zu seinem tatsächlichen Gebaren, dasihn zu einem der reichsten Männer auf dem Globus machte. Wäh-rend das Durchschnittseinkommen in seinem Land heute bei weni-ger als 1 Dollar pro Tag liegt, verschwanden nach Schätzungen derVereinten Nationen rund 2 Milliarden US-Dollar in dunklen Ka-nälen.

Das kenianische Staatswesen selbst zerfiel immer mehr. Es gabLandstriche, in die man sich besser nicht wagte, da sie von krimi-

208 Das Netz der Kor r upt ion

nellen Banden beherrscht wurden. Die Polizei war hauptsächlichdamit beschäftigt, Bestechungsgelder zu kassieren, und die Schul-gebühren waren so hoch, dass sich die Eltern von einem Drittel al-ler Kinder keinen Schulbesuch leisten konnten. Für Geburtsurkun-den, Führerscheine, Pässe musste man schmieren – sonst lief garnichts.

Kam man an einen der zahlreichen Kontrollposten der Polizei,konnte man schon sicher sein, mit den traditionellen Suaheli-Wor-ten »tuo kitu kidogo ya chai« empfangen zu werden. Auf Deutsch:»Gib mir ein bisschen für einen Tee« – die klassische Umschrei-bung für die Forderung nach Bakschisch. Kritiker des Regimesmussten um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten und damitrechnen, ins Gefängnis geworfen zu werden. Der Mord am ehema-ligen Außenminister von Kenia, Robert Ouko, der 1990 Keniaund viele seiner Freunde weltweit erschütterte, wird mit seinemVersuch in Verbindung gebracht, einen Bestechungsfall in seinemWahldistrikt in Kisumu aufzuklären. Trotz aktiver Bemühungenvon Scotland Yard liegen für den Mordfall noch immer keine kla-ren Beweise vor. Einschüchterung und Gewalttätigkeit gegenüberder Zivilgesellschaft waren darüber hinaus an der Tagesordnung.Entsprechend wurde auch der Versuch, eine kenianische Sektionvon Transparency International zu gründen, lange hartnäckig be-hindert.

Am 27. Dezember 2002 änderte sich alles. Oder zumindest tatdas kenianische Volk den ersten Schritt in eine neue Zukunft. Ins-gesamt 3,6 Millionen und damit 63 Prozent der abgegebenenStimmen entfielen auf Kibakis Regenbogenkoalition, die seitStaatsgründung regierende KANU erhielt magere 31 Prozent. Of-fensichtlich hatte die Bevölkerung genug vom korrupten SystemMois, der sich auch nach seinem Abschied aus dem Amt über denjungen Kenyatta seinen Einfluss auf die kenianische Politik sichernwollte.

Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren gab es praktisch keine

Der Kre is sch l ießt s ich – Ken ia a ls gutes Be isp ie l 209

Wahlfälschungen und Manipulationen. Die Helfer vor Ort verwei-gerten dem korrupten Apparat die Gefolgschaft, ganz anders als1992 und 1997, als es zu massiven Einschüchterungen des Wahl-volkes durch Moi-Anhänger mit Gewalt und Toten kam. Diesmalerrang die NARC die absolute Mehrheit und das Volk feierte, in-dem es sich ab sofort weigerte, den kriminellen Straßenzoll der Po-lizisten zu zahlen – und ihnen stattdessen Prügel androhte.

Begeistert hatten die mutigen Mitglieder von TI-Kenia vor Ortden Umschwung im Lande mit vorbereitet. Durch ihre Aufklä-rungsarbeit, vor allem einige sehr deutliche Meinungsumfragen inden letzten Jahren – z. B. im Kenya Bribery Index –, hatten sie ih-ren Teil zur Wende beigetragen. Sie hatten auch schon genaue Vor-stellungen, mit welchen Instrumenten das Integritätssystem fürKenia aufgebaut und gesichert werden könnte, wenn Kibakis Koa-lition gewinnen würde.

Und das versuchen sie jetzt umzusetzen. Eines Tages im Januar2003 rief John Githongo, der Sohn meines alten Freundes Joe Gi-thongo und Mitglied unseres Direktoriums und Exekutivdirektorvon TI-Kenia, die TI-Mitarbeiter zu einem gemeinsamen Mittag-essen zusammen und teilte ihnen mit, dass er von nun an einen an-deren Posten haben würde – als Staatssekretär im Büro des Präsi-denten Kibaki für Verwaltung und Ethik. Githongo wurde damitder oberste Korruptionsbekämpfer des Landes. Schon am näch-sten Morgen trat er seinen neuen Posten an. Damit musste er zwarseine Ämter bei TI niederlegen, doch in seiner hochrangigen Posi-tion in der Regierung Kibaki wird er sehr viel mehr ausrichtenkönnen.

Eine Woche nach Githongos Amtsantritt veröffentlichte unserkenianisches Chapter zum zweiten Mal seinen Kenya Bribery In-dex 2002 (KBI), der nach dem Vorbild unseres CPI die Korruptionin Kenias Metropolen misst. Und diesmal war die Reaktion ganzanders als bei der Veröffentlichung des ersten Indexes. Denn wäh-rend damals, unter der Regierung Moi, die darin aufgeführten Fir-

210 Das Netz der Kor r upt ion

men, Institutionen und Staatsbetriebe den Index aufs Heftigste be-kämpft und diskreditiert hatten, zeigten sie sich nun unter derneuen Regierung kompromissbereit. Die Kenianische Hafenbe-hörde etwa, die als eine der korruptesten Institutionen im KBI ge-listet war, nahm nun Kontakt zu TI auf, um über Antikorruptions-strategien zu sprechen. Das Beispiel zeigt, dass der KBI damit zueinem der wichtigsten Werkzeuge der neuen Regierung im Kampfgegen die Korruption werden könnte.

Für TI-Kenia bedeutet der Umschwung einen Strategiewechsel.Bisher war unser Chapter hauptsächlich damit beschäftigt, denMenschen das Problem der Korruption bewusst zu machen. Dasist gelungen und war sogar wahlentscheidend. Nun muss TI dabeihelfen, die Korruption mit wirksamen Mitteln zu bekämpfen.Hatte TI etwa während der Ära Moi alles darangesetzt, Gesetzegegen die Korruption im Parlament verabschieden zu lassen, gehtes in Zukunft darum, dabei zu helfen, dass solche Gesetze nicht imSande verlaufen, sondern rigoros umgesetzt werden. Auch werdenunsere Freunde vor Ort natürlich darauf achten, dass die zahlrei-chen Wahlversprechen gehalten werden – das wird mit Sicherheitnicht einfach.

Denn zwar ist der erste Schritt getan, die Bevölkerung mobili-siert und sensibilisiert und die ersten Aktionen gegen die Korrup-tion durchgeführt, dennoch besteht auch das Regierungsbündnisdes NARC nicht nur aus Unschuldslämmern. So war Kibaki selbstschon von 1978 bis 1988 Vizepräsident unter Moi, auch wenn ersich erfolgreich aus dem korrupten System heraushielt und sichschon vor langer Zeit von Moi losgesagt hat. Ich selbst musstewährend meiner Zeit in Kenia häufig mit ihm als Gesundheitsmi-nister verhandeln. Die Weltbank finanzierte damals große Pro-gramme zur Familienplanung und Gesundheitsreformen, die unterKibakis Führung mit einigem Erfolg umgesetzt wurden.

Auch andere führende Politiker sind ehemalige Angehörigebzw. Regierungsmitglieder der alten KANU-Seilschaft, die sich aus

Der Kre is sch l ießt s ich – Ken ia a ls gutes Be isp ie l 211

den verschiedensten Gründen gegen Moi gewandt haben. So ist ei-ner der wichtigsten NARC-Aktivisten und Finanzier des Kibaki-Wahlkampfes der neue Erziehungsminister George Saitoti. Bis vorgar nicht allzu langer Zeit noch war er Vizepräsident unter Moi,und erst nach heftigen Querelen um dessen Nachfolge verließ erdie Partei. Er selbst hatte sich Chancen auf den Posten ausgerech-net, wurde aber zu Gunsten des eher unerfahrenen und von Moileicht manipulierbaren Uhuru Kenyatta übergangen. Zu meinerZeit in Kenia war der ehemalige Mathematikprofessor außer Vize-präsident auch noch Finanzminister und somit mein ständiger Ge-sprächspartner. Ich habe ihn damals als einen außerordentlichscharfsinnigen und durchtriebenen Politiker kennen gelernt, dermit fast allen Mitteln seinem Präsidenten zu Diensten war.

Auch andere altbekannte Gesichter kehren in der NARC-Mannschaft wieder, doch es ist anzunehmen, dass sie alles tunwerden, um sich der neuen integren Kultur anzupassen. Daherspüren die Menschen in Kenia auch trotz der alten Seilschaften inder Regierung eine Aufbruchstimmung und Begeisterung, wie dieMenschen in Europa sie vielleicht beim Mauerfall 1989 erlebt hat-ten. Eine internationale Studie von Gallup hatte schon kurz vorder Wahl 2002 herausgefunden, dass Kenia derzeit das optimis-tischste Land der Welt ist. Kibaki hatte es geschafft, sein Volk zubegeistern und einen Funken zu entzünden, der vielen schon ver-gessen schien. Nachdem Kibaki am 30. Dezember 2002 die Amts-geschäfte von Moi übernommen hatte, rief er die Bürger auf, vonnun an keine Bestechungsgelder mehr zu zahlen, schaffte mit so-fortiger Wirkung die hohen Schulgebühren ab und entließ eineReihe von bestechlichen Beamten. Nachdem der KBI die Justiz alsäußerst korrupt beschrieben hatte, zwang Kibaki den oberstenRichter des Landes, Bernard Chunga, zum Rücktritt und ersetzteihn durch Evans Gicheru, der versprach, der Korruption innerhalbder Justiz auf den Grund zu gehen. Michael Bitala, Südafrika-Kor-respondent der Süddeutschen Zeitung, nannte die neue Entwick-

212 Das Netz der Kor r upt ion

lung »Das kenianische Wunder« und die Auswirkungen, die derAmtsantritt des neuen Präsidenten hatte, den »Kibaki-Faktor«:

Es ist nicht nur so, dass man auffällig viele gutgelaunte Kenia-ner trifft, die einem sofort erzählen, dass sie nun einen neuenPräsidenten haben und es jetzt endlich aufwärts geht. Es istauch so, dass die Menschen bei der angekündigten ›Erneuerungdes Landes‹ mitmachen. Der Kampf gegen die Korruption istKibakis oberstes Ziel, und die Kenianer warten nicht darauf,dass das irgendeine Behörde übernimmt, sie zeigen – wie vonKibaki gefordert – Eigeninitiative, bedrohen bestechliche Be-amte, nehmen ihnen das Schmiergeld ab – und spenden es dannzum Beispiel einem Kinderheim. Dass die Menschen hinter ihrerRegierung stehen, liegt auch daran, dass diese sicherlich zu denschnellsten gehört, wenn es um die Erfüllung der Wahlverspre-chen geht. Seit Montag müssen die Eltern keine Schulgebührenmehr zahlen, das hatte Kibaki vor der Wahl versprochen.

Leider wurden andere Wahlversprechen nicht ganz so schnell er-füllt wie die Abschaffung der Schulgebühren – die ihrerseits übri-gens ein enormes Chaos nach sich zog. Kibaki hatte vor der Wahlauch versichert, dass alle zukünftigen Minister ihre Einkommens-verhältnisse offen legen müssten. Doch im ersten Vierteljahr derNARC-Regierung wurden stattdessen erst einmal die Bezüge derParlamentarier erhöht und ihnen ein kostengünstiger Kredit zumAutokauf gewährt. Auch die weiteren Vorhaben Kibakis scheinennur sehr schwer umzusetzen zu sein: Er will das chronisch korrupteGesundheitssystem reformieren, Staatsbetriebe wie die Telekomprivatisieren und eine staatliche Antikorruptionsbehörde gründen.

In einem Papier der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftungschreibt deren Landesbeauftragter für Kenia, Gerd Dieter Bossen:

Kibaki hat bereits erklärt, dass absolute Priorität der Wiederbe-lebung der Wirtschaft zukommt. Und allein das scheint eine fast

Der Kre is sch l ießt s ich – Ken ia a ls gutes Be isp ie l 213

unlösbare Aufgabe. Die Kassen sind leer, die Schulden enorm,die Staatsunternehmen fast alle am Rande des Bankrotts, gelei-tet von schlechten und korrupten Managern, die ihren Job derKANU verdanken. Die Korruption hat erschreckende Ausmaßeerreicht. Polizei und Sicherheitskräfte sind keine Ausnahme,dazu schlecht ausgebildet und ausgerüstet. Entsprechend prekärist die Sicherheitslage. Ein Rechtsstaat und eine unabhängigeGerichtsbarkeit gibt es nicht einmal in Ansätzen. Die Infra-struktur ist zerfallen – man könnte die Liste der Probleme fastendlos fortsetzen.

Kibaki wird es nicht leicht haben, dennoch, oder gerade deswegen,muss die internationale Gemeinschaft ihn unterstützen. DieChance auf einen Neuanfang in Kenia, auf ein Ende des korruptenSystems war nie so groß wie heute. Es ist tatsächlich ein »keniani-sches Wunder«, das wir gerade erleben. Ein Land im Umbruch,das mit Sicherheit nicht von heute auf morgen korruptionsfreiwerden wird, das aber eine Bevölkerung und eine aktive, gut orga-nisierte Zivilgesellschaft hat, die gewillt sind, mitzuarbeiten, wenndie Regierung das schier Unmögliche in Angriff nimmt. Auch derkenianische Privatsektor scheint sich dem Kampf gegen die Kor-ruption zu verschreiben.

Mein ausführliches Gespräch mit Präsident Kibaki kurz vor Os-tern stand unter diesem Vorzeichen. Bester Laune empfing er michmit der Führungsmannschaft von TI-Kenia, er redete uns mit Vor-namen an und schien auch nach anderthalb Stunden noch nichtwillens, die angeregte Unterhaltung zu beenden. Als er uns zumAusgang begleitete, fiel mir auf, wie agil er trotz seines jüngstenAutounfalls wieder war.

In unserem Gespräch wurde klar, wie realistisch Präsident Ki-baki die einmaligen Chancen, aber auch die Schwierigkeiten imÜbergang von einem systemisch korrupten zu einem ehrlichen Sys-tem einschätzt. Sein großes Vertrauen zu John Githongo, der als

214 Das Netz der Kor r upt ion

sein Staatssekretär zusammen mit dem Justizminister Kiraitu Mu-rungi die Wende führen soll, ist offensichtlich. John, der mit sei-nem Büro im Präsidentenpalast ständigen und direkten Zugang zuihm hat, wird sich weiterhin auf die Hilfe von TI, insbesondereauch auf TI-Kenia stützen können. Dabei wird es aber für uns dar-auf ankommen, einen gewissen Abstand zu dieser befreundetenRegierung zu gewinnen, um uns nicht vor den Karren des politi-schen Alltagsgeschäfts spannen zu lassen. Doch das ist eine für TInicht ungewöhnliche Schwierigkeit, der wir schon in anderen Län-dern begegnet sind, wie in Nigeria nach der Wahl Obasanjos oderin Mexiko nach der Wahl von Vicente Fox. In Kenia können wiruns dabei auf die hervorragende Führungsriege der lokalen Sek-tion und ihre Mitglieder verlassen, die schon in der Vergangenheitihre mutige Unabhängigkeit bewiesen haben.

Es wird sicher Jahre dauern, bis Kenia ein funktionierendes na-tionales Integritätssystem umsetzen kann. Doch gerade deshalbverdient das Land Unterstützung, die übrigens bei den wenigenKontakten mit Geberorganisationen und diplomatischen Vertre-tern befreundeter Staaten in Nairobi rückhaltlos zugesagt wurde.Die Weltbank hat sich schon bereit gezeigt, ihr ganzes Instrumen-tarium mit voller Kraft für die Wiederbelebung der Wirtschaft ein-zusetzen, einschließlich der Korruptionsbekämpfung. In unseremGespräch mit Präsident Kibaki äußerte er den ausdrücklichenWunsch, dass James Wolfensohn, der Präsident der Weltbank, ihmdoch bald einen Besuch abstatten möge, damit er mit seinem per-sönlichen Ruf als Korruptionskämpfer der neuen Regierung zu-sätzlich Glaubwürdigkeit und Nachdruck verleiht. Im Zuge des-sen hat schnell ein Prozess begonnen, die unter der Regierung Moieingefrorenen Gelder der Weltbank jetzt an das Land fließen zulassen. TI wird alles tun, um den Kenianern in ihrem Kampf –auch bei eventuellen Rückschlägen – zur Seite zu stehen.

Unsere energische Arbeit für Kenia ist nicht nur wichtig für die-ses Land, sondern kann auch andere afrikanische Staaten mitrei-

Der Kre is sch l ießt s ich – Ken ia a ls gutes Be isp ie l 215

ßen, die derzeit noch unter einem ähnlich korrupten System leidenwie Kenia zur Zeit Mois. Es wäre großartig, wenn sich die ganzeRegion vom Geist der demokratischen Erneuerung ohne Blutver-gießen und von der Sehnsucht nach Transparenz und Integrität an-stecken ließe. Im laufenden Jahr werden sich in Afrika über 15Staatschefs der alten Garde der Wahl stellen, und Kenia könnte einzündendes Signal für den ganzen Kontinent sein.

Und so ist Kenia, diesmal in einem äußerst positiven, viel ver-sprechenden Sinne, wiederum eine wichtige Stufe für den Kampfgegen die Korruption. Nach zehn Jahren schließt sich der Kreis fürmich.

216 Das Netz der Kor r upt ion

22Wie es weiter geht

Der alles regulierende Staat stößt an seine Grenzen. Eine grund-

sätzliche Neuordnung des Verhältnisses zwischen Staat, Wirt-

schaft und Zivilgesellschaft ist deshalb notwendig. Transparenz

und Vertrauen sind Schlüsselwörter für die sektorenübergrei-

fende Kooperation. Wir haben weltweit nach erfolgreichen Bei-

spielen gesucht und ganz erstaunliche Kandidaten gefunden.

Das herausragendste Beispiel für das Modell der Zukunft ist für

uns aber Transparency International.

Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG,

anlässlich der Übergabe des Carl-Bertelsmann-Preises an TI

Von Anfang an war es das Konzept von TI, Koalitionen zu schaf-

fen und den großen breiten Konsens zu praktizieren. Während

sich gerade erst allgemein die Idee durchsetzt, dass sich Regie-

rungen, Industrie und Nichtregierungsorganisationen, also die

drei großen Bereiche der Öffentlichkeit, an einen Tisch setzen,

herrschte diese Idee bei TI von Anfang an vor. Es ging darum,

nicht nur von außen zu kritisieren und zu schimpfen, sondern die-

jenigen, die es tatsächlich betrifft, einzubeziehen.

Hansjörg Elshorst

Als wir im Herbst 2002 den mit 150 000 Euro dotierten Carl-Ber-telsmann-Preis erhielten, wurden wir nicht allein für unserenKampf gegen die Korruption geehrt, sondern für unser innovatives»Social Engineering«, also unsere Fähigkeit, Sozialkompetenz ein-

zusetzen und der Gesellschaft ein Modell vorzuleben, das auf Ko-operation statt Konfrontation setzt.

In den vergangenen Jahren habe ich an unzähligen Konferenzenund Gipfeln teilgenommen, arbeitete sowohl bei einer weltum-spannenden regierungstreuen Organisation als auch bei einerNGO. Hautnah musste ich oft erleben, wie schwer in vielen Berei-chen noch die Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und Zivilge-sellschaft ist. Sei es auf dem Gipfel für Nachhaltigkeit in Südafrika,den von Protesten begleiteten Gipfeln in Seattle, Genua und Que-bec oder den Weltwirtschaftstreffen in Davos. Gerade die großenGipfeltreffen, die Zehntausende zu teils gewalttätigen Protestenanimierten, zeigen, dass die Welt dringend neue Lösungsansätzebraucht. Die Probleme – um nur einige zu nennen – der Korrup-tion, der Kinderarbeit, der Umweltzerstörung, des Klimawandels,der Gleichberechtigung: sie alle sind große Herausforderungen, de-nen wir uns vordringlich stellen müssen.

Wir leben in einer Welt, in der sich dank der neuen Technolo-gien Kampagnen und Aktionen innerhalb von Stunden organisie-ren lassen und in der gleichzeitig die Machtverhältnisse äußerstunausgewogen verteilt sind. Doch Konfrontation alleine hilft nichtweiter. Die Gewalt der Demonstrierenden erzeugt genauso wie dieStaatsgewalt oft Gegengewalt, und deshalb müssen wir stattdessenKoalitionen schaffen aus jenem magischen Dreieck aus Staat,Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um mit allen Beteiligten zumut-bare Lösungen zu finden.

Wir haben gesehen, dass es für eine internationale NGO prakti-kabel ist, sich eines eng umgrenzten Bereiches wie der Korruptionanzunehmen, um dort mit allen Beteiligten gemeinsam eine Lö-sung zu finden. Zunehmend bin ich überzeugt, dass dieser Weg fürdie organisierte Zivilgesellschaft auch in anderen Bereichen gang-bar ist. Diese Idee der Beteiligung aller Betroffenen an der Suchenach einer besseren Regierungsführung in der globalen Wirt-schaft, die TI anfangs eigentlich – wenn überhaupt – nur nebenbei

218 Das Netz der Kor r upt ion

im Visier hatte, ist in den letzten Jahren immer mehr in den Mittel-punkt meines Interesses gerückt. Sie schien eine Lösung für dieFrage anzudeuten, welche Rolle zivilgesellschaftliche Organisatio-nen bei der Verbesserung der Regierungsführung in einer globali-sierten Wirtschaft spielen sollen. Es war offensichtlich, dass dietraditionellen Akteure der »Global Governance«, nämlich Regie-rungen und Privatsektor, bei der Kontrolle der Korruption versagthatten; sie hatten zugelassen, dass Korruption in der internationa-len Arena fast zur Norm geworden war. Es wurde auch zuneh-mend anerkannt, dass TI als Nichtregierungsorganisation bei derBekämpfung der Korruption eine wichtige Rolle gespielt hat.Daran knüpft sich die Hoffnung, dass ähnliche Organisationender Zivilgesellschaft in anderen Bereichen der »Global Gover-nance« eine ähnlich konstruktive Aufgabe übernehmen können.Diese allgemeine Frage faszinierte mich zunehmend. Schon meineLehraufträge in Harvard, Johns Hopkins und an der Freien Uni-versität in Berlin standen unter diesem Leitthema. Dabei fiel mirauf, wie dringend es erforderlich ist, zwischen den Aktivisten derZivilgesellschaft auf der einen und Wissenschaft und Lehre auf deranderen Seite eine engere synergetische Beziehung herzustellen.Dieser Aufgabe werde ich mich mit Transparency International,aber auch persönlich zunehmend widmen.

Doch vor allem steht für mich zunächst der weitere Ausbau vonTI, die Sicherung der finanziellen Basis, Anpassung der Verfahrenund Strukturen an neue Aufgaben und eine zunehmende Profes-sionalisierung unserer Arbeit auf der Tagesordnung. Vor allemmüssen wir unsere Strukturen verjüngen und Platz machen füreine neue Generation von tatkräftigen und engagierten Menschen.Transparency International wurde vor zehn Jahren von einerGruppe älterer Profis gegründet, die alle entweder bereits pensio-niert waren oder sich kurz vor dem Ruhestand befanden. Jetzt istes Zeit, die Jüngeren nach vorne zu lassen. Den ersten Schritt da-hin haben wir Ende 2002 unternommen, als wir mit David Nuss-

Wie es we i te r geht 219

baum einen 40-jährigen Direktor der großen NGO Oxfam Inter-national zum TI-Geschäftsführer machten.

Auch mein eigener Rückzug aus dem operativen Geschäft istdurchaus möglich, denn hinter meiner Arbeit stehen inzwischenTausende von hoch motivierten Mitgliedern und Mitarbeitern, dieTransparency International erst zu dem gemacht haben, was esheute ist.

Es ist uns gelungen, die Korruption aus dem Giftschrank zu ho-len und sie international zu thematisieren. Wir können stolz dar-auf sein, dass Korruption heute im Scheinwerferlicht der Welt-bühne steht. Wir haben das in einer wesentlich kürzeren Zeitgeschafft, als wir ursprünglich dachten, und werden aber weiter-hin auf die Gesellschaft einwirken, damit dies so bleibt und damitnationale und internationale Strategien gegen die Korruption vor-rangig entwickelt und umgesetzt werden.

In den nächsten zehn Jahren müssen wir noch stärker auf prä-ventive Kontrollen hinwirken. Dabei wird der Erziehung und derAusbildung überall in der Welt eine Schlüsselrolle zufallen. Wirkönnen nicht erfolgreich sein, wenn wir nicht ein ethisches Werte-system lebendig werden lassen, in dem die Kultur der Integritätzentral ist.

Wir müssen bei TI weiterhin alle Aspekte der Integritätssystemein den jeweils relevanten Situationen ganzheitlich im Auge behal-ten. Dabei werden politische Korruption wie auch Parteien- undWahlkampffinanzierung sicherlich ein größeres Gewicht in unse-rer Arbeit bekommen, insbesondere in den nationalen Sektionen.

Es muss sichergestellt werden, dass die verschiedenen neuenKonventionen, Verträge und Vereinbarungen überall aggressivdurchgesetzt und überwacht werden. Sobald es eine ungleichmä-ßige Umsetzung gibt, werden die Korrupten in jene Jurisdiktionenausweichen, die weniger strikt sind. Wenn zum Beispiel nur einigewenige Signatarstaaten der OECD-Konvention kein Interessedaran haben, die neuen Regeln durchzusetzen, werden andere aus

220 Das Netz der Kor r upt ion

Selbsterhaltungstrieb dem schlechten Beispiel folgen (müssen) –und dieses Reformwerk wäre gescheitert.

Um das allgemeine Bewusstsein von Zeit zu Zeit wachzurütteln,müssen wir weiter daran arbeiten, unsere Indizes noch zu verbes-sern. Denn diese sind unsere wirksamsten Instrumente mit demhöchsten Aufmerksamkeitsgrad bei Unternehmen und Medien.

Eine Frage stellt sich mit zunehmender Dringlichkeit: SollTransparency International versuchen, auch eine moralische Werte-ordnung zu artikulieren, die den Anspruch auf Integrität auchethisch untermauert? Von Anfang an war diese Frage angespro-chen worden, denn Korruption wurde meist als eine Untugend, alsein ethischer Verstoß verstanden.

Wir haben uns diesen Vorschlägen aus zwei Gründen widersetzt:Erstens glaubten wir, dass wir eine ethische Begründung im Kampfgegen die Korruption nicht brauchten; denn wenn man wirtschaft-lichen Fortschritt und Demokratie wollte, war Korruption einfachschädlich – also schien eine rein zweckorientierte, technische Argu-mentation für die Verurteilung der Korruption zu genügen. Zwei-tens sahen wir ein Risiko für unsere weltweite, multikulturelle Or-ganisation, wenn wir mit moralischen Kategorien hantierenwürden und vielleicht sogar als »Moralapostel« missverstandenwürden. Wir überließen es daher den Einzelnen selbst, für sich oderallenfalls für die jeweilige nationale Sektion eine ethische Begrün-dung für den Kampf gegen die Korruption zu formulieren.

Dieser wertfreie Ansatz von TI wurde häufig kritisiert. Warumsollten wir auf diese wichtige Waffe gegen die Korruption ohneNot verzichten, zumal in allen wichtigen Weltreligionen die Kor-ruption als Übel verurteilt wird? Der prominenteste Kritiker vonTI in dieser Hinsicht ist seit Jahren der berühmte Schweizer Theo-logieprofessor Hans Küng. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er seinewichtige Kritik noch einmal als einen Anhang für dieses Buch auf-geschrieben hat. Er hat auf unserer großen internationalen Anti-korruptionskonferenz in Südkorea mit einem Hauptvortrag seine

Wie es we i te r geht 221

Ideen vortragen und mit Nachdruck für unsere Bewegung neuekraftvolle Akzente gesetzt. Auch in zahlreichen Gesprächen mitJames Wolfensohn in der Weltbank, der seit einiger Zeit intensiveKontakte mit den wichtigsten Glaubensgemeinschaften pflegt,wurde über die Einbeziehung einer ethischen Wertordnung in un-ser System der Korruptionsbekämpfung ernsthaft angeregt.

Diese beiden Herausforderungen, die institutionelle Stärkungvon Transparency International als Speerspitze im weltweitenKampf gegen die Korruption und die Suche nach einer gerechterenglobalen Regierungsführung werden in den kommenden Jahrenfür unsere Bewegung bestimmend sein. Wir glauben, damit einenBeitrag für eine gerechtere und friedlichere Welt leisten zu können.

222 Das Netz der Kor r upt ion

Der Kampf gegen die Korruptionerfordert eine ethische

RahmenordnungNachwort von Hans Küng

Der Kampf gegen die Korruption ist selbstverständlich mit allenrechtlichen Mitteln zu führen. Und er kann nur erfolgreich sein,wenn die Schuldigen, unbekümmert um ihre Stellung, haftbar ge-macht werden, und so dem Recht nachdrücklich Geltung ver-schafft wird. Aber das ist noch nicht alles. Es besteht oft kein poli-tischer Wille zur Bekämpfung der Korruption, weil dahinter keinethischer Wille steht. Und viele rechtliche Bestimmungen gegen dieKorruption werden in der Praxis nicht durchgesetzt, weil ein Un-rechtsbewusstsein fehlt, weil elementare ethische Standards so-wohl in der Bevölkerung im Allgemeinen als auch bei den Elitenhäufig abhanden gekommen sind. Die Reform eines Staates ist oftso schwierig, weil die ethische Basis fehlt. In diesem Beitrag solldeshalb das Problem einer ethischen Rahmenordnung erörtertwerden, ohne die der Kampf gegen die Korruption aussichtslos ist.

1. Erfolg oder Misserfolg der globalenMarktwirtschaft?

Nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums hat sich dieMarktwirtschaft als das globale Wirtschaftsmodell durchgesetzt.Auf dem europäischen Kontinent ist man sich aber weithin darü-ber einig, dass die freie Marktwirtschaft zugleich sozial und öko-

logisch sein muss, wenn sie Bestand haben, also »nachhaltig« seinsoll.

Dass die Nachhaltigkeit des marktwirtschaftlichen Systemsnicht von vornherein garantiert ist, haben die Erfahrungen des letz-ten Jahrzehnts bewiesen. Die asiatischen Finanzkrisen der 90erJahre haben gezeigt, dass eine freie Marktwirtschaft auch scheiternkann, und in der Krise der Ökonomie Russlands hat sich manifes-tiert, wie ein Transformationsprozess zur Marktwirtschaft ins Sto-cken geraten kann. Ja, man kann nicht übersehen, dass eine glo-bale Marktwirtschaft ganz neuen globalen Risiken ausgesetzt ist.

Eine monokausale Erklärung der Krise der globalen Marktwirt-schaft in einem bestimmten Land oder in einer bestimmten Regionist meist oberflächlich. Wir beobachten ja oft, dass in einer sol-chen Situation nicht ohne Grund gegenseitige Schuldzuweisungenerfolgen: Die Wirtschaft beschuldigt die Politik, die Politik dieWirtschaft und der Durchschnittsbürger sucht die Schuld sehr oftin moralischen Defekten beider. Jedenfalls genügt es schon, dasseiner der drei Faktoren, ob nun Wirtschaft, Politik oder Moral,nicht funktioniert, damit das marktwirtschaftliche System in ernst-hafte Schwierigkeiten gerät.

Ich sehe mich in meiner bewusst herausfordernden Analyse be-stätigt durch die ebenso präzisen wie umfassenden Darlegungendes britischen Wirtschaftswissenschaftlers John H. Dunning, Pro-fessor Emeritus of International Business (University Reading/Eng-land und Rutgers University/USA). In seinem Artikel »WhitherGlobal Capitalism?« (Global Focus, Vol.12, No.1, 2000) unter-scheidet er drei verschiedene Komplexe des Versagens:

1. Ein Versagen der Märkte selber: »Moral Hazard«, unangemes-sene makroökonomische Politik, exzessive Spekulation (Immo-bilien- und Aktienmarkt), überbewertete Währung, einseitigeWechselkursbindung, schlechtes Timing der kurzfristigen Schul-den, Präsenz eines starken Schwarzmarktes, Ansteckungseffekt.

224 Das Netz der Kor r upt ion

2. Ein Versagen der Institutionen: unzureichendes Funktionierenvon Regulierungs- und Überwachungssystem, Bankensystem,rechtlicher Infrastruktur und Finanzsystem; mangelnder Schutzder Eigentumsrechte, Mangel an Transparenz und inadäquateBilanzstandards.

3. Ein Versagen der Moral, das dem Versagen der Märkte und In-stitutionen zugrunde liegt: Casino- und Mafiakapitalismus, Be-stechung und Korruption, Mangel an Vertrauen und sozialerVerantwortung, exzessive Raffgier der Investoren oder Institu-tionen.

Dunning hat diese verschiedenen Faktoren für sieben Problemlän-der untersucht: für Japan, Korea, Indonesien, Thailand, Hong-kong, Malaysia und Russland. Dabei hat er festgestellt, dass beijedem Land ein Versagen auf allen drei Ebenen festzustellen ist –wenn auch jeweils an verschiedenen Punkten, die einzeln, aber zu-gleich auch in ihrem Gesamtzusammenhang betrachtet werdenmüssen.

Auf folgende Zusammenhänge konnte er hinweisen:

• Die inadäquate Handelsinfrastruktur hängt oft zusammen mitBestechung und Korruption und mit exzessivem Eigeninteresseund Raffgier;

• unangemessenes Funktionieren auf der Ebene der Makroorga-nisationen ist verbunden mit Unehrlichkeit und Betrug, einemMangel an Vertrauen, Kompromissfähigkeit, Kooperation undGruppenloyalität;

• Unzulänglichkeiten im Rechtssystem etwa bezüglich der Ver-brechensprävention hängen zusammen mit Mafia- und Casino-kapitalismus;

• ein inadäquates Bank-, Finanz- und Rechenschaftssystem hat zutun mit Opportunismus, Schlendrian und Undiszipliniertheit;

• eine inadäquate Gesellschaftsarchitektur ist verbunden mit derIndifferenz gegenüber den Bedürfnissen Anderer und einem

Hans Küng: Der Kampf gegen Kor r upt ion 225

Mangel an persönlichem Pflichtgefühl und gesellschaftlicherVerantwortlichkeit;

• die Unzulänglichkeiten im Schutz der Eigentumsrechte sindFolge einer unbekümmerten, verantwortungslosen Haltung.

Aus all dem ergibt sich, dass die Moral, das Ethos nicht etwasMarginales ist oder nur etwas künstlich Aufgesetztes, sonderndass man hier mit Recht von einem »Moral Framework« spricht,das sowohl mit den Märkten wie mit den Regierungen, mit denintermediären Assoziationen wie mit den supranationalen Organi-sationen in Interdependenz und Interaktion steht.

2. Notwendigkeit einer ethischenRahmenordnung

Mit Ethos sind also nicht nur »moralische Appelle« gemeint,sondern moralisches Handeln. Allerdings braucht es auch in derWirtschaft oft den Leidensdruck, um den Reformdruck zu erzeu-gen, der zur politischen Kraft werden kann. Die Proteste gegendie Globalisierung haben indes auch für Wirtschaft und Wirt-schaftswissenschaft die Frage nach der sozialen Akzeptanz desneuen globalisierten Wirtschaftssystems wachgerufen. Diese Ak-zeptanz ist nicht schon dann gewährleistet, wenn die globalenUnternehmen und Märkte, die nationalen Regierungen, überre-gionalen Institutionen und intermediären Organisationen effi-zient funktionieren.

Die globale Marktwirtschaft wird auf Dauer jedenfalls nurdann akzeptiert, wenn sie sozial ist, worauf J. H. Dunning eben-falls aufmerksam macht. Es muss ja in einer demokratischen Ge-sellschaft die Mehrheit der Wähler immer wieder neu davon über-zeugt werden:

dass sich diese Wirtschaftsordnung für sie selber und für dieje-

226 Das Netz der Kor r upt ion

nigen, für die sie sich in irgendeiner Weise verantwortlich fühlen,lohnt;

dass die ökonomische Partizipation (»Inclusiveness«) und diesoziale Gerechtigkeit integraler Bestandteil der Ziele dieser Wirt-schaftsordnung sind;

dass also eine starke ethische Rahmenordnung das Wirken derglobalen Märkte und der Institutionen außerhalb des Marktes ab-stützt und Verhalten wie Entscheidungsprozesse derer beeinflusst,die im Produktions- und Verteilungsprozess stehen.

Nicht zuletzt ein Blick in die Geschichte zeigt, dass erfolgreicheÖkonomien stets gestützt waren durch eine starke moralischeGrundlage. In dem Moment, da diese Grundlage unterminiert waroder eine neue soziale Ordnung als möglich oder gar besser er-schien, begann die bisher geltende Wirtschaftsordnung zusammen-zubrechen.

Dunnings Schlussfolgerung: »Sowohl die individuellen als auchdie sozialen moralischen Tugenden müssen gestärkt und neu gestal-tet (›reconfigured‹) werden. Und zwar so, dass sie mit einer wissens-intensiven, auf Allianzen basierenden, multikulturellen Gesellschaftin Übereinstimmung stehen und die Märkte und Institutionen aufideale Weise zur Zusammenarbeit befähigen, damit wirksamesWachstum und soziale Gerechtigkeit gefördert werden. Nur so kannder globale Markt ein brauchbarer Diener der Individuen und derGesellschaft sein und nicht ein inakzeptabler Gebieter.«

3. Kulturübergreifende ethische Werte undStandards?

Jedes Wort kann verschieden verstanden, jeder Begriff verschiedendefiniert werden. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass auch ethi-sche Begriffe wie etwa »Integrität« je nach kulturellem Kontext

Hans Küng: Der Kampf gegen Kor r upt ion 227

eine unterschiedliche Bedeutung haben können. Das Wort Inte-grität kommt bekanntlich vom lateinischen »tangere«, von »be-rühren«. Das lateinische »integer« meint »unberührt«, »unver-sehrt«, »unbescholten«, »heil«, »ganz«. Integrität kann somitdefiniert werden als das Freisein von sittlichen Verfehlungen, alsUnbescholtenheit und Unbestechlichkeit – nicht zu verwechselnmit absoluter Fehlerlosigkeit, Irrtumsfreiheit oder gar Unfehlbar-keit. Doch es ist richtig, dass die Amerikaner unter »Integrität«vor allem das Einhalten vorgeschriebener Gesetze verstehen unddas Wort nicht im umfassenden lateinischen oder deutschen Sinnnehmen (Prof. Jürgen Strube).

Wie lässt sich dieser Schwierigkeit begegnen? Auf zwei Weisen:

1. Es ist notwendig, solche Begriffe nicht formal zu gebrauchen,sondern mit Inhalt zu füllen. Wenn im Deutschen mit dem Wort»Integrität« Unbestechlichkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit,überhaupt die Übereinstimmung von Reden und Handeln einerPerson erfasst werden, so ist dies freilich ein Beispiel dafür, dasswir bei der inhaltlichen Füllung des globalen Ethos zugleichkonkreter und umfassender ansetzen müssen.

2. Auch ein einzelner Begriff kann ganz und gar eindeutig verstan-den werden, wenn er nämlich nicht absolut gebraucht, sondernin einer bestimmten Situation benutzt wird. Wenn in einemUnternehmen angesichts einer Korruptionsaffäre »Integrität«angemahnt wird, so ist in Deutschland wie in Amerika eindeu-tig, was damit gemeint ist. Insofern können solche Begriffedurchaus so etwas wie ein Bündel elementarer ethischer Werteund Standards ausdrücken, so etwas wie ein »Kernethos«.

Hier bietet der UN Global Compact (»Globaler Vertrag«), denGeneralsekretär Kofi Annan vorangetrieben hat, einen wertvollenAnsatz. Wenn dieser Vertrag von der Weltwirtschaft die Respek-tierung und Unterstützung der Menschenrechte, die Eliminierungvon allen Formen von Zwangs- und Kinderarbeit und das Einge-

228 Das Netz der Kor r upt ion

hen auf die ökologischen Herausforderungen verlangt, dann auf-grund der Überzeugung, dass überall auf der Erde – also in allenGesellschaften, Kulturen und Religionen – Menschen vergleich-bare Grundpfeiler anerkennen für das konfliktfreie Zusammenle-ben und den gewaltlosen Ausgleich von Interessen.

Damit stimmt der UN Global Compact mit dem Ansatz derWeltethos-Erklärung des Parlaments der Weltreligionen von Chi-cago 1993 überein. In beiden Dokumenten steht die unbedingteAchtung der Menschenwürde im Zentrum. Aber während der UNGlobal Compact von den Menschenrechten, der Ausgestaltungder Arbeitsbedingungen und vom Umweltschutz ausgeht und sogerade allgemeine ethische Prinzipien voraussetzt, geht die Welt-ethos-Erklärung von allgemeinen ethischen Prinzipien aus undstößt von dort her zu sozialen und ökologischen Forderungen vor.So fehlt zum Beispiel beim Global Compact die Forderung derWahrhaftigkeit, die Voraussetzung ist für das Vertrauen, das einegrundlegende Kategorie nicht nur für Demokratie und Rechts-staat, sondern auch für die Wirtschaft ist. Vertrauen oder Miss-trauen sind unter anderem Resultate wahrhaftigen oder unwahr-haftigen, fairen oder unfairen Verhaltens.

Auch die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmenenthalten ganz bestimmte ethische Grundforderungen:

• wie die Forderung nach »disclosure« (Offenlegung), die denWillen zur Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und Transparenz vor-aussetzt;

• wie die Forderung des Umweltschutzes sowie der öffentlichenGesundheit und Sicherheit, die Ehrfurcht vor dem Leben, allemLeben, auch dem der Tiere und Pflanzen, voraussetzt;

• wie die Forderung, auf alle Schmiergelder oder andere Beste-chungsmittel zu verzichten, eine grundlegende Einstellung zurGerechtigkeit und Fairness sowie den Willen zu einer gerechtenWirtschaftsordnung voraussetzt;

Hans Küng: Der Kampf gegen Kor r upt ion 229

• wie die Forderung, am Arbeitsplatz jede Diskriminierung auchaufgrund des Geschlechts zu vermeiden, die ethische Überzeu-gung von der Partnerschaft von Mann und Frau und die Not-wendigkeit der Gleichberechtigung impliziert.

Wer meint, es gehe hier nur um abstrakte allgemeine Sätze, derlese die genannte Weltethos-Erklärung des Parlaments der Weltre-ligionen, wo die aus uralten ethischen und religiösen Traditionenstammenden Prinzipien in die Gegenwart hinein übersetzt werden.Aus all dem ergibt sich: Die immer wieder aufgeworfene grundle-gende Frage nach kulturübergreifenden globalen Werten undStandards ist durchaus zu beantworten.

4. Welches sind die gemeinsamen humanenGrundwerte und Standards?

Die elementaren humanen Werte und Standards der großenethisch-religiösen Traditionen, wie sie in den genannten Erklärun-gen für unsere heutige Zeit ausgedrückt sind, wurden in einemhöchst komplizierten sozial-dynamischen Prozess im Lauf derEvolution durch den Menschen selbst herausgebildet. Das heißt:Wo sich Bedürfnisse des Lebens und menschliche Dringlichkeitenund Notwendigkeiten zeigten, da drängten sich Handlungsregula-tive für das menschliche Verhalten auf: Prioritäten, Konventionen,Gesetze, Gebote, Weisungen und Sitten, kurz, bestimmte ethischeNormen, Werte und Standards. Und so findet sich denn vieles, wasin der Hebräischen Bibel, im Neuen Testament und im Koran, inden Kulturen semitischen Ursprungs also, als Gebot Gottes ver-kündet wird, auch in den Religionen indischen und chinesischenUrsprunges.

Das heißt nun aber auch: Immer wieder neu mussten und müs-

230 Das Netz der Kor r upt ion

sen die Menschen ethische Normen, ethische Lösungen in Entwür-fen und Modellen erproben, sie oft durch Generationen hindurcheinüben und bewähren. Nach Perioden von Bewährung und Ein-gewöhnung kommt es schließlich zur Anerkennung solcher einge-lebten Normen, aber manchmal auch wieder – wenn sich die Zeitvöllig verändert hat – zu ihrer Aushöhlung und Auflösung. Mankann sich fragen, ob wir vielleicht in einer solchen Zeit des Über-gangs leben.

Man beklagt ja allgemein ein Orientierungsvakuum: dass wirtrotz und zum Teil auch wegen aller Globalisierung in einer reli-giös-politisch zerrissenen, kriegerisch-konfliktreichen und zu-gleich einer orientierungsarmen Zeit leben: in einer Zeit, in derviele moralische Autoritäten an Glaubwürdigkeit verloren haben;in einer Zeit, in der viele Institutionen in den Strudel tiefgreifenderIdentitätskrisen gezogen sind; in einer Zeit, in der viele Maßstäbeund Normen ins Gleiten kamen, sodass viele gerade auch jungeMenschen kaum noch wissen, was in den verschiedenen Lebensbe-reichen gut und was böse ist.

Wer wollte also bestreiten, dass ein neuer ethischer Gesell-schaftskonsens notwendig ist: eine Rückbesinnung auf ein Mini-mum an humanen Werten und Standards. Dafür sollten wir die re-ligiösen und die philosophischen Traditionen und alle geistigenRessourcen der Menschheit nützen, wie dies bei der Formulierungder genannten Weltethos-Erklärung geschehen ist. Keine einzigeReligion oder Philosophie kann ihre spezifischen Werte und Stan-dards den anderen aufzwingen. Aber jede Religion oder Philoso-phie kann aus ihrem geistigen Fundus zu einem neuen ethischenGesellschaftskonsens beitragen.

Welches also sind die übergreifenden humanen Werte und Stan-dards, die heute als universal geltend angesehen werden können?Aufgrund der bisherigen Erklärungen zum Weltethos hat sich her-ausgestellt, dass die allen anderen Werten zugrunde liegenden ethi-schen Prinzipien Menschlichkeit und Gegenseitigkeit sind. Auf ih-

Hans Küng: Der Kampf gegen Kor r upt ion 231

nen gründen folgende Werte und Standards: Ehrfurcht vor dem Le-ben und Gewaltlosigkeit; Solidarität und Gerechtigkeit; Toleranzund Wahrhaftigkeit sowie Gleichberechtigung und Partnerschaft.

Auf der folgenden Tafel werden diese humanen Werte und Stan-dards durch Texte aus der Weltethos-Erklärung des Parlamentsder Weltreligionen erläutert.

Wertetafel

Auf der Basis von Zitaten aus der »Erklärung zum Weltethos« des

Parlaments der Weltreligionen, Chicago 1993

Basiswerte

Menschlichkeit

Angesichts aller Unmenschlichkeit sollte als gemeinsames ethi-

sches Prinzip gelten: Jeder Mensch muss menschlich behandelt wer-

den! Das heißt: Jeder Mensch – ohne Unterschied von Alter, Ge-

schlecht, Rasse, Hautfarbe, körperlicher oder geistiger Fähigkeit,

Sprache, Religion, politischer Anschauung, nationaler oder sozialer

Herkunft – besitzt eine unveräußerliche und unantastbare Würde.

Alle, der Einzelne wie der Staat, sind deshalb verpflichtet, diese

Würde zu achten und ihnen wirksamen Schutz zu garantieren. Statt

die wirtschaftliche und politische Macht in rücksichtslosem Kampf

zur Herrschaft zu missbrauchen, ist sie zum Dienst an den Men-

schen zu gebrauchen.

Gegenseitigkeit

Es gibt ein Prinzip, das seit Jahrtausenden in vielen religiösen und

ethischen Traditionen der Menschheit zu finden ist und sich bewährt

hat:

232 Das Netz der Kor r upt ion

Was du nicht willst, das man dir tut, das füg’ auch keinem ande-ren zu. Oder positiv: Was du willst, das man dir tut, das tue auch denanderen! Dies sollte die unverrückbare, unbedingte Norm für alle Le-bensbereiche sein, für Familie und Gemeinschaften, für Rassen, Na-tionen und Religionen.

Kernwerte

Ehrfurcht vor dem Leben

Die menschliche Person ist unendlich kostbar und unbedingt zuschützen. Aber auch das Leben der Tiere und Pflanzen, die mit unsdiesen Planeten bewohnen, verdient Schutz, Schonung und Pflege.Als Menschen haben wir – gerade auch im Blick auf künftige Genera-tionen – eine besondere Verantwortung für den Planeten Erde undden Kosmos, für Luft, Wasser und Boden. Wir alle sind in diesemKosmos miteinander verflochten und voneinander abhängig. Jedervon uns hängt ab vom Wohl des Ganzen. Jeder Mensch hat dasRecht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung derPersönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt. KeinMensch hat das Recht, einen anderen Menschen physisch oder psy-chisch zu quälen, zu verletzen, gar zu töten.

Gewaltlosigkeit

Wo es Menschen gibt, wird es Konflikte geben. Solche Konflikte abersollten grundsätzlich ohne Gewalt im Rahmen einer Rechtsordnunggelöst werden. Das gilt für den Einzelnen wie für die Staaten. Geradedie politischen Machthaber sind aufgefordert, sich an die Rechtsord-nung zu halten und sich für möglichst gewaltlose, friedliche Lösun-gen einzusetzen. Sie sollten sich engagieren für eine internationaleFriedensordnung, die ihrerseits des Schutzes und der Verteidigunggegen Gewalttäter bedarf.

Hans Küng: Der Kampf gegen Kor r upt ion 233

Solidarität

Kein Mensch hat das Recht, sein Eigentum ohne Rücksicht auf dieBedürfnisse der Gesellschaft und der Erde zu gebrauchen. Eigen-tum, es sei noch so wenig, verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleichdem Wohl der Allgemeinheit dienen. Die Menschheit muss einenGeist des Mitleids mit den Leidenden entwickeln und besondereSorge tragen für die Armen, Behinderten, Alten, Flüchtlinge und Ein-samen.

Gerechtigkeit

Die Strukturen der Weltwirtschaft müssen gerechter gestaltet wer-den. Individuelle Wohltätigkeit und einzelne Hilfsprojekte, so unver-zichtbar sie sind, reichen nicht aus. Es braucht die Partizipation allerStaaten und die Autorität der internationalen Organisationen, um zueinem gerechten Ausgleich zu kommen. Es ist jedenfalls zu unter-scheiden zwischen einem notwendigen und einem hemmungslosenKonsum, zwischen einem sozialen und einem unsozialen Gebrauchdes Eigentums, zwischen einer gerechtfertigten und einer ungerecht-fertigten Nutzung der natürlichen Ressourcen, zwischen einer reinkapitalistischen und einer sozial wie ökologisch orientierten Markt-wirtschaft.

Toleranz

Kein Volk, kein Staat, keine Rasse, keine Religion hat das Recht,eine andersartige oder andersgläubige Minderheit zu diskriminieren,zu »säubern«, zu exilieren, gar zu liquidieren. Jedes Volk soll dem an-deren, jede Rasse soll der anderen, jede Religion soll der anderenToleranz, Respekt, gar Hochschätzung entgegenbringen. Minderhei-ten – sie seien rassischer, ethnischer oder religiöser Art – bedürfenunseres Schutzes und unserer Förderung.

234 Das Netz der Kor r upt ion

Wahrhaftigkeit

Jeder Mensch soll Wahrhaftigkeit in Denken, Reden und Tun an denTag legen. Jeder Mensch hat das Recht auf die notwendige Informa-tion, um die für sein Leben grundlegenden Entscheidungen treffenzu können. Ohne eine ethische Grundorientierung freilich vermag erkaum das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Freiheit sollnicht mit Willkür und Pluralismus nicht mit Beliebigkeit verwechseltwerden, sondern es soll der Wahrheit Geltung verschafft werden.Der Geist der Wahrhaftigkeit soll auch in den alltäglichen Beziehun-gen zwischen Mensch und Mensch gepflegt werden, statt in Unehr-lichkeit, Verstellung und opportunistischer Anpassung zu leben. DieWahrheit ist in unbestechlicher Wahrhaftigkeit immer neu zu suchen,statt ideologische oder parteiische Halbwahrheiten zu verbreiten.

Gleichberechtigung

Die Beziehung zwischen Mann und Frau sollte nicht durch Bevormun-dung oder Ausbeutung bestimmt sein, sondern durch Liebe. Partner-schaftlichkeit und Verlässlichkeit. Überall auf der Welt gibt es ver-dammenswerte Formen des Patriarchalismus, der Vorherrschaft deseinen Geschlechtes über das andere, der Ausbeutung von Frauen,des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie der erzwungenen Pro-stitution. Kein Mensch hat das Recht, einen anderen zum bloßen Ob-jekt seiner Sexualität zu erniedrigen, ihn in sexuelle Abhängigkeit zubringen oder zu halten.

Partnerschaft

Partnerschaft drückt sich aus in gegenseitiger Achtung und Ver-ständnis, gegenseitiger Rücksicht, Toleranz, Versöhnungsbereit-schaft und Liebe. Auf der Ebene der Nationen und Religionen kannnur praktiziert werden, was auf der Ebene der persönlichen und fami-liären Beziehungen bereits gelebt wird.

Aus: Hans Küng (Hrsg.) Globale Unternehmen – globales Ethos

Hans Küng: Der Kampf gegen Kor r upt ion 235

5. Wie soll ein Weltethos sich durchsetzen?

So wird man immer wieder gefragt, und gewiss nicht nur vonSkeptikern. Die Antwort: nicht anders als die Forderungen des UNGlobal Compacts, die jetzt zumindest UNO-Rang erhalten haben.Doch welch langen Bewusstseinsprozess hat es gebraucht, bisMenschenrechte, humane Arbeitsbedingungen und Umweltforde-rungen dieses Niveau erreicht haben. In allen diesen Fragen, ähn-lich wie in Fragen von Frieden und Abrüstung sowie Partnerschaftvon Mann und Frau, bedurfte es eines sehr komplexen und langandauernden Prozesses der Bewusstseinsveränderung, die als sol-che ja Grundvoraussetzung ist für eine Änderung des Bewusstseinsder Menschheit zu einem Menschheitsethos überhaupt.

Und viele können da mithelfen: Transparency Internationalvor allem, aber auch andere Vordenker, Aktivisten und Initiativ-gruppen, die zahllosen Lehrer und Lehrerinnen, die sich schonjetzt einsetzen für ein neues Verständnis der Weltreligionen, fürden Weltfrieden und das Weltethos. Um des friedlichen Zu-sammenlebens der Menschheit willen, und zwar auf lokalerEbene (in »multikulturellen« und »multireligiösen« Städten) wieauf globaler Ebene (im Zeichen von Weltkommunikation, Welt-wirtschaft, Weltökologie und Weltpolitik), ist die Besinnung aufdas allen Menschen Gemeinsame im Ethos mehr denn je gebo-ten. Vom Einzelnen also hängt es ab, was in seinem kleinen odergrößeren Lebensraum geschieht, von ihm und seiner Motiva-tion.

Als ich den großherzigen Gründer unserer Stiftung Weltethos,Graf von der Groeben, nach der Motivation seines Einsatzesfragte, griff er zu seinem Portemonnaie und zeigte mir einen klei-nen vergilbten Zettel, auf dem ein Wort Mahatma Gandhis vonden »Sieben sozialen Sünden in der heutigen Welt« stand. Sie lau-ten:

236 Das Netz der Kor r upt ion

Reichtum ohne Arbeit,Genuss ohne Gewissen,Wissen ohne Charakter,Geschäft ohne Moral,Wissenschaft ohne Menschlichkeit,Religion ohne Opfer undPolitik ohne Prinzipien.

Hans Küng: Der Kampf gegen Kor r upt ion 237

Die Entwicklungsagenda und dieHerausforderung Korruption

Nachwort von James D. Wolfensohn,Präsident der Weltbank

Wenn wir heute zurückblicken, mutet es seltsam an, dass das Phä-nomen Korruption vor gerade mal zehn Jahren in den professio-nellen Kreisen der Entwicklungszusammenarbeit nur äußerst sel-ten diskutiert wurde. Als ich 1995 in der Weltbank anfing, stellteich fest, dass das Thema ein großes Unbehagen auslöste. Das ersteProblem war das Fehlen eines klaren Ansatzes für den Umgangmit Korruption, der über die klassische Arbeit von Buchhaltung,Buchprüfung und Vergabeverfahren hinausgegangen wäre. Zwei-tens hatte sich eine Denkweise herausgebildet, die davon ausging,dass Korruption ein Bestandteil der meisten Systeme und vielerKulturen sei – und vielleicht sogar vorteilhaft zum »Schmieren derRäder« auf der Fahrt in Richtung Fortschritt sein könnte. Jeden-falls könnte man sicherlich nichts dagegen unternehmen. Drittenswurden die meisten Diskussionen, weil es weder klare Maßnah-men noch unwiderlegbare Beweise für das Vorliegen korrupterPraktiken gab, nur indirekt und hinter vorgehaltener Hand ge-führt. Es gab äußerst wenige erwiesene Rechtsverstöße und klareStatistiken. Daher war es schwierig, korrupte Praktiken eindeutigaufzudecken, insbesondere angesichts mächtiger Führungspersön-lichkeiten, die ja selbst ein Teil des Problems sein sollten.

Am bedeutsamsten ist aber vielleicht die Tatsache, dass die Kor-ruption zwei Seiten hat, einen Bestechenden und einen Bestoche-nen, also nicht nur einen, der korrumpiert, sondern auch jeman-den, der korrumpiert wird. Und doch gab es in der Weltbank nur

wenige, die es wagten, das Thema in den wohlhabenden Ländernund gegenüber den großen Unternehmen anzusprechen. Deren Be-teiligung an korrupten Praktiken schien bereits ebenso unabänder-lich wie alltäglich. Viele reichere Nationen erlaubten es ja sogar,Schmiergeldzahlungen als Geschäftsausgaben von der Steuer ab-zusetzen.

Es gab jedoch viele, die darunter litten und entsetzt waren,wenn sie zusehen mussten, wie wertvolle Ressourcen, die für dieEntwicklungsarbeit gedacht waren, verschwanden. Oder wieStaatsbeamte mit niedrigem Einkommen plötzlich im Reichtumschwelgten, wie Geschäftsleute auf unerklärliche Weise Aufträgeerhielten, oder vor allen Dingen, wie arme Menschen den Behör-den tagtäglich Schmiergeld zahlen mussten – selbst wenn es sichum die ärztliche Behandlung eines kranken Kindes handelte.

Peter Eigen war einer von denen, die diese korrupten Praktikenbeobachteten und sich über sie empörten, weil sie ein Haupthin-dernis für die Entwicklungsarbeit darstellten. Er arbeitete inner-halb der Weltbank jahrelang als respektierter Entwicklungsfach-mann. Seine zunehmende Besorgnis über die Korruption beruhteauf seiner eigenen Arbeit als Rechtsanwalt, Länderreferent, Mana-ger und schließlich Repräsentant der Weltbank in Kenia. Er warimmer stärker davon überzeugt, dass er und vor allem seineFreunde und Kollegen in den Entwicklungsländern ihre Arbeitnicht leisten konnten, solange das Problem der Korruption nichternsthaft angepackt wurde. Er war wütend über die Ungerechtig-keit, dass Unternehmen aus reichen Ländern die Institutionen ar-mer Länder ungestraft untergraben konnten. Tief berührten ihnauch die Mahnungen und das traurige Zeugnis seiner Frau Jutta,die als Ärztin in einigen der ärmsten Slums der Welt arbeitete. Sieerlebte dort unmittelbar, wie Entwicklungshilfe fehlgeleitet wurdeund welches Bild sich die Menschen von korrupten ausländischenGeschäftsleuten und von einheimischen Beamten, die die Handaufhielten, machten.

James D. Wol fensohn: Herausfo rder ung Kor r upt ion 239

Als Mitarbeiter der Weltbank hatte Peter Eigen jahrelang aufverschiedenen Wegen versucht, die Frage der Korruptionsbekämp-fung anzusprechen. Aber er musste sich wieder und wieder sagenlassen, dass dieses Thema außerhalb des Mandats der Institutionläge – und zu nahe am Bereich politischer Aktionen lag, welche dieSatzung der Weltbank verbot. Deshalb waren nur technische undsehr indirekte Ansätze erlaubt.

Das Ergebnis ist weithin bekannt und in diesem Buch dokumen-tiert. Peter Eigen beschloss, dass er einen größeren Beitrag zur Ent-wicklungsarbeit leisten könne, wenn er seinen Kampf von außenführte. Er verließ die Weltbank vor einem Jahrzehnt und gründetemit einigen anderen Mitstreitern Transparency International. Mitdieser bemerkenswerten Leistung ist es ihm gelungen, seine und dieVision einer Gruppe von Mitarbeitern aus aller Herren Länder ineine Bewegung und Organisation zu übersetzen, die auf die Erfah-rung, den Sachverstand und die Entschlossenheit derer bauen kann,die am stärksten von den Auswirkungen korrupter Praktiken in ih-rer Umgebung betroffen sind. Es ist ihm gelungen, eine Organisa-tion aufzubauen, die etwas erreicht hat, was viele für unmöglich ge-halten hatten – nämlich den Umfang der Korruption und vor allemihre Konsequenzen mit soliden quantitativen Messungen, Umfragenund fortlaufenden Berichten zu demonstrieren. Durch den Aufbauvon Koalitionen und durch politischen Druck hat er geschickt aufdie Probleme und Sorgen von Menschen Einfluss gewinnen können.Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass Transparency Inter-national mit diesem heiklen und schmutzigen Problem eine Vielzahlvon Menschen angesprochen hat, von denen viele zum Teil selbstdirekt beteiligt waren. Für die großen Unternehmen, die noch vorzehn Jahren davon ausgingen, dass Bestechung ein ganz normalerVorgang sei, der ja auch in der Steuererklärung aufgeführt wurde,ist Transparency International heute ein respektierter (und manch-mal gefürchteter) Kritiker und ein potenzieller Verbündeter im Be-mühen, das System zum Guten zu verändern.

240 Das Netz der Kor r upt ion

Transparency International ist eine internationale Bewegung,die viel vom Besten der Organisationen der Zivilgesellschaft vor-führt, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Sie führt glo-bale Erfahrung zusammen, teilt Wissen, formuliert Optionen fürVeränderung und nutzt stetigen und verantwortungsvollen Druck,um diese Veränderungen auch Wirklichkeit werden zu lassen. Pe-ter Eigen hat sich beim Aufbau dieser Bewegung als starke und tiefengagierte Führungspersönlichkeit ausgewiesen, die hartgesottenund visionär, aber auch charismatisch und mutig agiert. Er besitztauch das Gespür für realistische Perspektiven und konnte so un-verkrampft viele sehr unterschiedliche Partnerschaften eingehen.

Ich hatte die Gelegenheit, mit Peter Eigen in diesen kritischenzehn Jahren eng zusammenzuarbeiten und ich schätze die Partner-schaft zwischen der Weltbank und Transparency International, diesich im Laufe der Jahre gefestigt hat. Denn auch ich war wütendüber die vielen Berichte über Korruption, aber noch mehr über diebestehenden Regeln und Praktiken, die es so schwierig machten,die himmelschreienden Probleme der Menschen in den Entwick-lungsländern zu erörtern und aktiv zu ihrer Lösung beizutragen.Ich wusste außerdem, dass die Korruption das größte Hindernisfür die ungemein wichtige Anstrengung war, die – auch finanzielle– Unterstützung der reichen Länder zu mobilisieren. Ich wusste,dass viele meiner Kollegen innerhalb der Weltbank meine Besorg-nis teilten, aber angesichts eines fehlenden Rahmens für die Lö-sung des Problems waren ihnen die Hände gebunden. Ich war da-mals wie heute fest entschlossen, die Situation zu ändern undWege zu finden, um das Thema offen und entschlossen anzupa-cken. Als ich das Thema der Regierungsführung (Governance) inden Mittelpunkt einer wichtigen Rede gestellt hatte, wurde das C-Wort (Corruption) zu einem gebräuchlichen Begriff, und mirschlug eine Woge des Interesses und der Unterstützung entgegen.

Das Problem erkennen und darüber direkt zu sprechen anstattnur in Andeutungen, war ein erster wichtiger Schritt. In diesem ge-

James D. Wol fensohn: Herausfo rder ung Kor r upt ion 241

meinsamen Bemühen ist die Partnerschaft zwischen TransparencyInternational und der Weltbank ein klassisches Beispiel dafür, wieöffentliche Institutionen und die Zivilgesellschaft durch ihre sehrunterschiedlichen Methoden ein gemeinsames Ziel vorantreibenkönnen. Heute ist ein grundlegender Wandel erreicht worden, undes besteht klares Einvernehmen darüber, dass die Korruption einzentrales Entwicklungsproblem ist, das mit der Armut vieler Men-schen und Regionen aufs Engste verbunden ist. Einmütigkeitherrscht auch darüber, dass Informationen, Kritik, Debatten undAktionen – die Grundelemente von Transparenz – öffentlich seinmüssen, weil sie die notwendigen Voraussetzungen für Verände-rung sind.

Die nächste Stufe sollte jedoch schwieriger werden. Nachdemdas Problem einmal beim Namen genannt war und die Messbar-keit der Korruption Bestandteil der grundlegenden Entwicklungs-debatte geworden war, galt es, praktische Veränderungen herbei-zuführen, die den ärmsten Ländern und Gemeinschaften der Weltzugute kamen. Es gibt ermutigende Beispiele für ausgezeichnetenationale Antikorruptionsstrategien, für Institutionen, die sich ge-wandelt haben, und für Unternehmen, die sich darum bemühen,dass ihre Angestellten der Versuchung widerstehen, beim Ab-schluss von Geschäften korrupte Methoden zu benutzen. Offen-kundig ist auch geworden, wie sehr allgemein zugängliche Infor-mationen zur Verbesserung des öffentlichen Dienstes beitragen. Esgibt jedoch auch viele Enttäuschungen und Rückschläge. Wirmüssen einsehen, dass noch ein langer Weg vor uns liegt, bis dieRegierungsführung jene Qualität erreicht hat, die wir anstreben.

Im März 2003 haben die Weltbank und Transparency Interna-tional einen ganzen Tag lang den gemeinsamen Kampf gegen dieKorruption bilanziert. Und zwar sowohl als Partner bei gemeinsa-men Projekten und Ansätzen als auch bei unabhängigen undunterschiedlichen Aktivitäten. Es ging uns hauptsächlich darum,zu diskutieren, welche Aufgaben noch vor uns liegen, darum,

242 Das Netz der Kor r upt ion

Ziele zu setzen und die Modalitäten der Partnerschaft beider Insti-tutionen zu klären. Es war ein gutes Zeichen, dass es sowohl eingroßes Maß an Einverständnis, aber auch einige Meinungsunter-schiede und perspektivische Diskrepanzen zwischen den beidenTeams gab. Wenn wir gemeinsam nach vorne schauen, teilen wirvor allen Dingen unsere grundlegende Entschlossenheit und dieÜberzeugung, auch in Zukunft zusammenarbeiten zu wollen.

Es ist das beste Zeugnis sowohl für Peter Eigen und seine Kolle-gen bei Transparency International als auch für meine Kollegenbei der Weltbank, dass wir gemeinsam auf die ungeheuren Verän-derungen der letzten zehn Jahre zurückblicken können. Obwohlich bedaure, dass Peter die Weltbank vor meinem Amtsantritt ver-lassen hatte und ich nicht direkt mit ihm zusammenarbeitenkonnte, erkenne ich durchaus an, dass er damals außerhalb der In-stitution eine größere Wirkung entfalten konnte. Und nur einemMann seines Kalibers konnte es gelingen, zusammen mit anderenmit dem Kopf gegen die Mauern aus Vorurteilen und Zaghaftig-keit anzurennen, um tiefgreifende Veränderungen herbeizuführen.

Peter Eigens Buch wird auf unserem weiteren Weg ein wertvol-les Hilfsmittel sein. Es erzählt die Geschichte einer wichtigen per-sönlichen Führungsleistung und eines institutionellen Wandels,der vielen Menschen in den verschiedensten Teilen der Welt gehol-fen hat, sich zusammenzuschließen, um den Weg zur Lösung derfür mich größten Herausforderung unserer Generation freizuma-chen: des Kampfs gegen die Armut.

James D. Wol fensohn: Herausfo rder ung Kor r upt ion 243

Anhang

Die Weltkarte der Korruption

Westeuropa

Wie wiederholt gezeigt, ist weder Deutschland noch der RestWesteuropas ein Hort der Seligen. Von hier geht ein Großteil dertransnationalen Korruption in den Entwicklungsländern aus undhier findet auch heute immer noch eine beängstigende »Binnen-Korruption« statt. In Großbritannien etwa kam im Jahr 2001 dergrößte Bestechungsskandal seit zwei Jahrzehnten vor Gericht. DerGeschäftsführer von Hobsons, einem Lebensmittelunternehmen,hatte angeblich 2,4 Millionen Pfund (3,8 Millionen US-Dollar)vom Bankkonto einer Tochterfirma gestohlen, um damit die Aus-weitung eines lukrativen Vertrages mit der Cooperative WholesaleSociety (CWS) zu erreichen. Während er in der ersten Instanz un-geschoren blieb – er hatte das Geld nicht direkt, sondern als »Ma-klergebühr« an einen Mittelsmann gezahlt –, sah es das Gerichtals erwiesen an, dass sich zwei hohe Mitarbeiter der CWS mit je1 Million Pfund (ca. 1,6 Millionen Euro) hatten bestechen lassen.Sie wurden zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Die britische Regierung ging einen Schritt weiter als die anderenLänder, als sie im Februar 2002 das britische Gesetz in Einklangmit der OECD-Konvention gegen Auslandskorruption bringensollte. Anders als in den anderen OECD-Ländern machte der briti-sche Gesetzgeber keine Ausnahme für Schmiergelder (so genannte»Facilitating Payments«). Derartige geringfügige Zuwendungen

an ausländische Amtsträger sind vom allgemeinen Verbot der aus-ländischen Bestechungen der OECD-Konvention dann ausgenom-men, wenn sie legale Routinedienstleistungen der Amtsträger be-schleunigen sollen, wie beispielsweise die zügige Löschung einerSchiffsladung. Solche Facilitating Payments sind auch unter demForeign Corrupt Practices Act der USA zugelassen und werdenvon vielen internationalen Geschäftsleuten als unerlässlich angese-hen. TI ist über die klare Haltung des Gesetzgebers in Großbritan-nien hocherfreut, doch der Industrieverband kritisierte, dass briti-sche Unternehmen dadurch einen Wettbewerbsnachteil erleidenwürden.

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi und einige seinerKollegen sahen sich derweil mit Anklagen wegen Korruption undBilanzfälschung konfrontiert. Im Zuge seiner Verteidigung richteteBerlusconi mithilfe seiner Mehrheiten im Parlament seine Machtnicht auf den Kampf gegen die Korruption, sondern gegen dieUntersuchungsrichter. Ende 2001 wurde ein neues Gesetz vomParlament gebilligt, das wie eine Einladung zur Geldwäsche wirktund die Arbeit der Richter empfindlich beeinträchtigt: Von nun anist Bilanzfälschung in Italien kein Verbrechen mehr. Auch andereHindernisse wurden den Untersuchungsrichtern, die in Korrup-tionsfällen und gegen die Mafia ermitteln, in den Weg gelegt, etwader Abzug ihres Personenschutzes. Im Januar 2002 appellierte des-halb der UN-Sonderberichterstatter an Berlusconi, seine Regie-rung möge die grundsätzlichen Prinzipien der Vereinten Nationenüber die Unabhängigkeit der Judikative respektieren.

Im April 2002 legte die deutsche Bundesregierung dem Bundes-tag ein Eckpunktepapier vor, das die Einrichtung eines Registersunzuverlässiger Unternehmen ermöglichte, also einer »SchwarzenListe«. In diesem Register sollten Firmen gelistet werden, die manbei der Zahlung von Bestechungsgeldern, der Beschäftigung vonSchwarzarbeitern oder korrupten Handlungen ertappt hatte. EinUnternehmen, das in dieser Liste aufgeführt ist, sollte demnach für

248 Das Netz der Kor r upt ion

eine bestimmte Zeit von allen öffentlichen Aufträgen ausgeschlos-sen werden. Leider stieß der Vorschlag auf Widerstand. Der Ent-wurf wurde dreimal im Bundesrat durch die Oppositionsmehrheitgestoppt.

In Spanien enthüllten Korruptionsuntersuchungen bei der BankBBVA einen der größten Bankenskandale Europas seit Jahren. DieErmittlungen begannen im April 2002 und bezogen sich auf dieAktivitäten der Banco Bilbao Vizcaya vor ihrer Fusion mit der Ar-gentaria Bank 1999. Die Bank wurde verdächtigt, in Jersey, Liech-tenstein und der Schweiz 225 Millionen Euro auf geheimen Kontendeponiert zu haben, die Betrug, Misswirtschaft und Geldwäscheermöglicht hätten. Angeblich war außerdem Geld abgezweigt wor-den, um die Wahlkämpfe des venezolanischen StaatspräsidentenHugo Chavez und des peruanischen Staatspräsidenten Alberto Fu-jimori zu finanzieren.

Auch international taten sich europäische Unternehmen un-rühmlich hervor. Einige der größten multinationalen Baufirmenaus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und derSchweiz müssen mit strafrechtlicher Verfolgung der Lesotho High-lands Development Authority rechnen. Ein Fall, der eher die Aus-nahme darstellt. Denn bisher werden nur wenige europäische Fir-men wegen Bestechung in einem Entwicklungsland aufgrund derGesetze des Gastlandes angeklagt.

Nordamerika

Im März 2002 setzte der amerikanische Kongress die erste Reformzur Wahlkampffinanzierung seit 25 Jahren durch. Das McCain-Feingold-Gesetz schränkt die Werbung für Kandidaten durchaußenstehende Interessengruppen ein. Der Energieriese Enron bei-spielsweise hatte seit 1989 politische Parteien mit insgesamt 5,95

Anhang 249

Millionen US-Dollar unterstützt. 74 Prozent gingen an die Repu-blikaner, die Partei von Präsident Bush.

Seit die Whistleblowerin Sherron Watkins bei der Aufdeckungdes Enron-Skandals half, ist das Unternehmen weltweit aber vorallem wegen massiver Bilanzfälschung bekannt. In einem Bilanz-system mit privaten Partnern und Offshore-Tochterfirmen hatteEnron den Schuldenstand der Firma gering gehalten und die Ak-tienpreise in schwindelnde Höhen getrieben. Weitere Hinweise aufeine irreführende Buchführungspraxis gab es bei den Firmen Adel-phia Communications, Global Crossing, Halliburton, WorldComund Xerox. Gleichzeitig wurde gegen die Geschäftsführer vonTyco International und ImClone Systems Anklage wegen Steuer-hinterziehung und Insiderhandel erhoben.

Um das Vertrauen wiederherzustellen, entwarfen der Kongressund das Weiße Haus im Juli 2002 rasch einen Gesetzentwurf gegenUnternehmensbetrug. Dieses neue, als Generalüberholung deramerikanischen Wirtschaftsstandards vielgepriesene Sarbanes-Ox-ley Act beinhaltet neue Strafen für Unternehmensbetrug und ver-langt von Generaldirektoren und Vorständen die Übernahme un-mittelbarer Verantwortung für die Richtigkeit der Finanzberichte.

Auch Lokalpolitiker in den Vereinigten Staaten wurden vonKorruptionsskandalen heimgesucht. Der Abgeordnete James A.Traficant aus Youngstown, Ohio, wurde im April 2002 in zehnAnklagepunkten der Bestechung und anderer Delikte für schuldigbefunden. Vincent Cianci Junior, der Bürgermeister von Provi-dence, Rhode Island, wurde im Juli wegen einer kriminellen Ver-schwörung verurteilt. Da sie sich beide weiterhin in ihren Bezirkengroßer Beliebtheit erfreuten, wollten sie sich noch einmal zur Wahlstellen, bis der Berufungsweg ausgeschöpft sei. Am 24. Juli, nacheinem Antrag des House Ethics Committee, wurde Traficant aberdurch eine Abstimmung von 420 zu eins aus dem Kongress ausge-schlossen und ging zwei Wochen später für acht Jahre ins Gefäng-nis.

250 Das Netz der Kor r upt ion

In Kanada sah sich die liberale Regierung von Ministerpräsi-dent Chrétien mit Vorwürfen von Ämterpatronage und Vettern-wirtschaft bei der Vergabe von Aufträgen konfrontiert. In vielenFällen ging es um eher kleine Summen, wie etwa bei einer Subven-tion von 37 000 kanadischen Dollar (24 000 US-Dollar), die Ver-teidigungsminister Art Eggleton einer ehemaligen Liebhaberin ge-währte. Kritiker wiesen aber darauf hin, dass diese kleinenSummen Teil eines Systems seien, in dem Minister Verträge anFreunde vergeben oder an Firmen, die für die Liberale Partei ge-spendet hatten. Die umstrittene Summe von 1,6 Millionen kanadi-scher Dollar (1,1 Millionen US-Dollar), die in Form von Verträgenan Groupaction Marketing gegangen war, einer Firma, die imLaufe mehrerer Jahre 70 000 kanadische Dollar (46 000 US-Dol-lar) an die Liberale Partei gespendet hatte, löste eine Untersuchungdurch den Auditor General und die Royal Canadian Mounted Po-lice aus.

Das kanadische Justizministerium hatte sich selbst mit der»Bill C-36« ermächtigt, sich über den Access to Information Act,das Informationszugangsgesetz, hinwegzusetzen. Der Entwurf ei-nes Antiterrorismusgesetzes vom 15. Oktober 2001 gefährdeteden öffentlichen Zugang zu Regierungsinformationen, da er demJustizminister erlaubte, diesen Zugang zum Schutz der interna-tionalen Beziehungen, der nationalen Verteidigung oder der na-tionalen Sicherheit zu verbieten. Der Access to Information Actenthält ohnehin schon derartige Ausnahmen, unterwirft aber dieEntscheidungen hierüber der unabhängigen Prüfung durch denInformationsbeauftragten und die Bundesgerichte. Der neue Ge-setzesentwurf schlägt eine Änderung dahingehend vor, dass dieEntscheidungen des Justizministers von dieser unabhängigenPrüfung ausgenommen werden.

Anhang 251

Zentralamerika, Mexiko unddie Karibischen Inseln

Mexiko ist in der Region sicherlich führend in der Umsetzung von

Antikorruptionsmaßnahmen. Das hat auch einen wirtschaftlichen

Grund: Die Weltbank geht davon aus, dass Korruption etwa neun

Prozent von Mexikos Bruttoinlandsprodukt verschlingt, was die

gesamten Bildungsausgaben des Landes übersteigt. Daher führte

die Regierung rigorose Mittel ein, um die Korruption zu bekämp-

fen. Die Gesetzgebung des letzten Jahres beschnitt das Bankge-

heimnis in Mexiko beträchtlich. Ein anderes Gesetz erlaubte die

vorsorgliche Beschlagnahmung von Gütern, wenn Beamte ver-

dächtigt werden, in korrupte Netzwerke verwickelt zu sein. Und

auch hinsichtlich der Untersuchung von Konten oder Gütern, die

auf den Namen von Verwandten oder Dritten eingetragen sind,

wurden Vorschriften erlassen. Das neue Gesetz über die adminis-

trative Verantwortung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes

stärkt das nationale Programm zur Korruptionsbekämpfung und

erweitert die Strafen für korrupte Handlungen. Ebenso wichtig

sind ein neues Bundesgesetz über den Zugang zu öffentlichen In-

formationen und die Einführung der E-Government-Systeme Tra-

mitanet und Declaranet.

Gerade das Informationsfreiheitsgesetz hatte in Mexiko für sehr

viel Wirbel gesorgt. Im Oktober 2001 überraschte die Grupa Oa-

xaca die mexikanische Öffentlichkeit mit einem Novum. Die

Gruppe von Wissenschaftlern, Juristen, Journalisten und NGO-

Vertretern war die erste Gruppierung der Zivilgesellschaft, die

dem mexikanischen Kongress eine eigene Gesetzesvorlage präsen-

tierte, und zwar einen Entwurf für das Informationsfreiheitsge-

setz. Die Antikorruptionsstelle der Regierung, SEDOCAM, sollte

daraufhin einen eigenen Gesetzesentwurf anfertigen, aber es si-

ckerte durch, dass dieser Entwurf voller Ausnahmen und Schlupf-

252 Das Netz der Kor r upt ion

löcher war. Die Verantwortung wurde nun dem Regierungssekre-tariat (Secretaría de Gobernación) übergeben. Eine monatelangeDiskussion in allen Gesetzgebungsgremien folgte, bis man sichschließlich im April 2002 auf einen Kompromissentwurf einigte.

Transparencia Costa Rica startete während der Präsident-schaftswahlen im Februar 2002 ein Programm zur Kontrolle derFinanzierung von Wahlkampagnen. Im August 2001 wurden dieacht Präsidentschaftskandidaten eingeladen, eine Transparenzver-einbarung zu unterzeichnen, in der sie sich bereit erklärten, dieÖffentlichkeit detailliert und regelmäßig über ihre Wahlkampffi-nanzierung zu informieren. Ein Kandidat weigerte sich, die Ver-einbarung zu unterschreiben und versuchte daraufhin, die vorge-schlagenen Maßnahmen zu diskreditieren, die unter anderem dieunabhängige Kontrolle der Ausgaben und Spenden der Kandida-ten vorsahen. Das Kontrollprogramm zeigte, dass die Parteien ihreAusgaben zu gering einschätzten und die Spenden nicht vollstän-dig angaben. Es zeigte auch, dass eine der führenden politischenParteien Ausgaben deklarierte, die 22-mal höher waren als die an-gegebene Summe der Spenden aus dem gleichen Zeitraum. DiePartei wurde öffentlich zu einer Korrektur ihrer Angaben aufge-fordert und sollte eine Erklärung für diese Abweichungen geben.Der Kandidat, der sich ursprünglich geweigert hatte, die Vereinba-rung zu unterzeichnen, kooperierte in der zweiten Runde bereit-willig. Die Überwachung der Werbungskosten in dieser Rundeführte dazu, dass die Kosten nun beträchtlich reduziert werdenkonnten.

In Panama wurde im Dezember 2001 ein Gesetz über die Trans-parenz in der öffentlichen Verwaltung angenommen, das den Bür-gern freien Informationszugang zu Regierungsunterlagen gewährte.Nur wenige Tage später beschuldigte die Oppositionspartei die Re-gierung, sie habe keine vollständige Kopie der Zusatzvereinbarungveröffentlicht, die gemeinsam mit den Vereinigten Staaten abgefasstworden war und das gemeinsame Vorgehen gegen den Drogenhan-

Anhang 253

del betraf. Im Januar 2002 bestätigte und unterzeichnete Staatsprä-sident Mireya Moscoso offiziell das Informationsfreiheitsgesetz. Esenthält auch Vorschriften zur Bestrafung von Beamten, die das Ge-setz missachten.

In Honduras wird der ehemalige Staatspräsident Rafael Callejasangeklagt, während seiner Amtszeit 11 Millionen US-Dollar aufein geheimes Präsidentschaftskonto überwiesen zu haben.

Gegen den früheren Staatspräsidenten der DominikanischenRepublik, Leonel Fernández, wurde wegen Korruption währendseiner Amtszeit von August 1996 bis August 2000 ermittelt. Erwurde zu seinem irregulären Umgang mit 84,3 Millionen US-Dol-lar auf einem Extrakonto befragt. Doch angeklagt wurde er nicht,obwohl eine Reihe seiner Mitarbeiter vor Gericht erscheinen muss-ten.

Im April 2002 reichte ein Richter Klage gegen den ehemaligennicaraguanischen Staatspräsidenten Alemán und Mitarbeiter sei-ner Regierung wegen Betrug, Veruntreuung und Missbrauchs öf-fentlicher Gelder in Verbindung mit einem Fernsehgeschäft ein.Da Alemán aber die Mehrheit der Stimmen im Parlament kontrol-lierte, gelang es lange nicht, seine Immunität aufzuheben, um dasStrafverfahren zu eröffnen. Mit einem Besuch in Managua betei-ligte ich mich im Dezember 2002 an einer dramatischen Antikor-ruptionskonferenz, die einen Beitrag zur Aufhebung seiner Immu-nität leistete – nun sitzt Alemán im Gefängnis.

Südamerika

Roseana Sarney, die Tochter des früheren brasilianischen Staats-präsidenten José Sarney, war eine hoffnungsvolle Präsidentschafts-kandidatin bei den Wahlen 2002. Doch ihr Ruf nahm irreparablenSchaden, als ihr eigener Fernsehkanal zeigte, wie die Bundespolizei

254 Das Netz der Kor r upt ion

1,3 Millionen Real (400 000 US-Dollar) in bar während einerRazzia in einer ihrer Firmen entdeckte. Ihr Ehemann und Ge-schäftspartner gab schließlich zu, dass das Geld für die illegale Fi-nanzierung ihrer Wahlkampagne bestimmt war. Der anschlie-ßende Skandal zwang Sarney im April 2002, aus dem Wahlkampfauszusteigen.

Eine im Februar 2002 erschienene Studie der Weltbank besagt,dass in Kolumbien bei 50 Prozent der staatlichen Verträge Beste-chungsgelder gezahlt werden. Eine andere Studie der Weltbankschätzt die Kosten der Korruption in Kolumbien auf 2,6 Milliar-den US-Dollar jährlich, was 60 Prozent der Schulden des Landesentspricht.

Argentinien wird noch immer von Nachrichten über Missbräu-che unter der Regierung von Carlos Menem erschüttert. 2001 warer sechs Monate lang inhaftiert worden, weil er des Waffen-schmuggels und der Geldwäsche angeklagt war. Nach einer um-strittenen Entscheidung des Hohen Gerichts wurde er aber wiederauf freien Fuß gesetzt. Auch der ehemalige WirtschaftsministerDomingo Cavallo war im Zusammenhang mit diesem Skandalverhaftet worden, bei dem es unter anderem um den Verkauf von6 500 Tonnen Waffen an Ecuador und Kroatien ging. Cavallosollte Verfügungen unterzeichnet haben, die den Verkauf von Waf-fen an Panama und Venezuela erlaubten. Allerdings landeten dieseWaffen zwischen 1991 und 1995 illegal in Kroatien und Ecuador.Die neueste Anschuldigung gegen Menem besagt, dass er zehnMillionen US-Dollar Abfindung vom Iran bekommen haben soll,damit dessen Rolle in der Bombardierung einer Synagoge in Bue-nos Aires im Juli 1994 vertuscht wird.

Nach sieben Monaten Beobachtung des argentinischen Senatsbeschrieb die nationale Sektion von TI, Poder Ciudadano, dasOberhaus des Parlaments als »gefangene Institution« und bestä-tigte, dass viele der Transparenzregeln des Senats in der Praxisnicht angewendet würden. Poder Ciudadano leitete auch das »Vi-

Anhang 255

sible Candidates«-Projekt, das ein vollständiges Profil der Kandi-daten zur Kongresswahl einschließlich der Wahlkampffinanzie-rung lieferte.

In Brasilien veröffentlichte ein Untersuchungsausschuss desKongresses zu Missbrauch und Korruption einen 1600 Seiten lan-gen Bericht, in dem Ricardo Teixeira, der Präsident des brasiliani-schen Fußballverbandes, der Geldwäsche, des Betrugs und der all-gemeinen Misswirtschaft beschuldigt wurde. Der Bericht empfahl,dass Teixeira, der auch Mitglied des Fifa-Vorstands ist, wegen sei-ner kriminellen Führung des Fußballbundes gerichtlich verfolgtwerden sollte. Unter Teixeiras Verwaltung hatte der Verband zwi-schen 1995 und 2000 Schulden in Höhe von über 10 MillionenUS-Dollar angesammelt, von denen einige aus »unzulässigen Aus-gaben« stammten. Hierzu gehörte beispielsweise eine Mietlimou-sine in New York für 2000 US-Dollar täglich.

Pazifik

Offensichtlich nutzte das organisierte Verbrechen aus Russlandbesonders exzessiv die Offshore-Banken der pazifischen InselNauru. So wurden im Jahr 2001 erwiesenermaßen allein über dieSinex Bank auf Nauru 3 Milliarden US-Dollar gewaschen. Dierussische Zentralbank gab an, dass mehr als 70 Milliarden US-Dollar über die 400 Offshore-Banken von Nauru geleitet wordenwaren. Alle Banken waren übrigens auf ein und denselben Brief-kasten registriert, der der staatlich kontrollierten Nauru AgencyCorporation gehörte. Das ungeheure Ausmaß des Betrugs wirdklar, wenn man diese Summe mit den gesamten ExporteinnahmenRusslands vergleicht, die 2001 bei 74 Milliarden US-Dollar lagen.Die Financial Action Task Force (FATF) für Geldwäsche derOECD kündigte daraufhin im Dezember 2001 an, dass sie das er-

256 Das Netz der Kor r upt ion

ste Mal in ihrer zwölfjährigen Geschichte Maßnahmen gegen ei-nen souveränen Staat ergreifen würde, und stellte Nauru ein Ulti-matum: Der Inselstaat musste Gesetzesänderungen zur Regelungseiner Offshore-Banken vornehmen – oder Sanktionen hinneh-men.

Eine Royal Commission wurde in Westaustralien im Dezember2001 eingesetzt, um Bestechungsvorwürfe bei der Polizei zu prü-fen. Die achtzehnmonatige Untersuchung begann im März 2002mit einem Amnestieangebot für jeden Hinweis und für ehemaligePolizisten, die ein vollständiges schriftliches Geständnis über kor-rupte und kriminelle polizeiliche Aktivitäten vor dem 31. Mai2002 ablegten und bereit waren, Beweise zu erbringen.

Polizeikorruption wird auch ein Thema bei den Wahlen 2003sein. Experten gehen davon aus, dass einer der Gründe für dieweite Verbreitung von Polizeikorruption in einer »Polizeikultur«zu sehen ist, die fragwürdiges Verhalten ermutigt. Richter JamesWood, der der Royal Commission vorstand, erklärte, dass Polizis-ten von Anfang an lernen, dass die Loyalität gegenüber ihren Kol-legen wichtiger ist als die Loyalität gegenüber ihren Dienstver-pflichtungen.

In Papua-Neuguinea veröffentlichten Zeitungen in den Wochenvor den Wahlen im Juni 2002 ganzseitige Anzeigen des Medienra-tes, in denen die Wähler dazu aufgerufen wurden, kritisch gegen-über den Kandidaten zu sein und aufzuhören, ihre Stimmen zuverkaufen. Die Kampagne, die im Januar 2002 begonnen hatte,reagierte damit auf eine Reihe von Korruptionsskandalen, derenbekanntester beim National Provident Fund angesiedelt war. DerMedienrat war besonders besorgt über die laufende Berichterstat-tung über den ehemaligen Vorsitzenden dieser Institution, derwegen Veruntreuung von 2,7 Millionen Kina (etwa 750 000 US-Dollar) aus dem Rentenfonds der Angestellten beschuldigt wurde.Da seit Beginn der Kampagne, die seit über zwei Jahren lief, nie-mand sonst gerichtlich verfolgt worden war, drängte der Medien-

Anhang 257

rat die Polizei und das Büro des Staatsanwalts, sich mit ihrenUntersuchungen zu beeilen. Der Generalgouverneur und Sprecherdes Parlaments begrüßte die Medienkampagne, indem er neue Ge-setze forderte, um die Einstellung unabhängiger Staatsanwälte zuermöglichen, die die Korruption intensiver angehen sollten. Ge-meinsam mit Transparency International PNG und dem Aus-schuss des Ombudsmanns richtete der Medienrat eine Hotline ein,bei der die Öffentlichkeit jeden Verdacht auf Korruption direktden Medien melden kann.

Ostasien

Das im April 2001 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetzin Japan gewährt den Bürgern den Zugang zu staatlichen Informa-tionen über die Verwaltungen und garantiert die Möglichkeit derBerufung vor einem Prüfungsausschuss für den Fall, dass die Re-gierung eine Information nicht freigibt. Diese Maßnahmen habenes Gruppen der Zivilgesellschaft ermöglicht, einige Korruptions-fälle aufzudecken. Einer davon kam ans Licht, als die ZeitungAsahi Shimbun die Berichte über Watashikiri-Ausgaben für Post-ämter anforderte. Das Watashikiri-Budget wird üblicherweise alsPauschalsumme ausgegeben, die keine genaue Buchführung ver-langt. Als im Dezember 2001 Details über die Anwendung derWatashikiri-Ausgaben veröffentlicht wurden, entdeckte man ei-nige Beispiele für betrügerische Rechnungslegung. Aufzeichnun-gen aus einem der Postämter zeigten, dass Rechnungen von einerFirma ausgestellt worden waren, die gar nicht existierte. In einemanderen Fall hat sich herausgestellt, dass das Postamt im Kyushyu-Distrikt seit mehr als 70 Jahren Werbeposten von einer Gesell-schaft gekauft hatte, die den Postmeistern selbst gehörte. DieseGesellschaft hatte schätzungsweise jährlich 9 Millionen US-Dollar

258 Das Netz der Kor r upt ion

verdient. Nach diesen Enthüllungen leitete die Innenrevision derPost eine Untersuchung ein, die zu Disziplinarmaßnahmen gegenmehrere Postmeister und Angestellte und zur Abschaffung des Sys-tems der Watashikiri-Ausgaben führte.

Als der Bribe Payers’ Index von Transparency International imMai 2002 herauskam, in dem taiwanesische Firmen als die häufig-sten Zahler von Bestechungsgeldern in Entwicklungsländern einge-stuft wurden, erklärte das Justizministerium die Absicht, die Beste-chung ausländischer Amtsträger zu verbieten. Ein entsprechenderGesetzesentwurf wurde im Juli 2002 fertig gestellt.

Im Januar 2002 trat der Generalstaatsanwalt von Südkorea zu-rück, nachdem sein Bruder unter dem Verdacht festgenommenworden war, Bestechungsgelder angenommen zu haben. WenigeStunden später entschuldigte sich Staatspräsident Kim Dae Jungöffentlich für seine korrupte Verwaltung und versprach, die Ver-folgung von Korruption zu einer der Prioritäten seines letztenAmtsjahres zu machen. Aber bereits im Mai und Juni 2002 wur-den zwei Söhne des Staatspräsidenten verhaftet, weil sie angeblichBestechungsgelder angenommen hatten.

Staatspräsident Kim trat im Mai 2002 aus seiner Partei aus, wo-bei er sich noch einmal für die Skandale seiner Verwaltung ent-schuldigte. Im Juni 2002 verkündeten Staatsanwälte, dass KimHong-up, einer der Söhne des Staatspräsidenten, 820 000 US-Dol-lar von einer Baufirma entgegengenommen hatte – neben anderenBestechungsgeldern. Er wurde später zu einer Haftstrafe vondreieinhalb Jahren verurteilt.

Südkorea führte im Januar 2002 ein Antikorruptionsgesetz ein,das strenge Strafen für korrupte Beamte bis hin zu zehnjährigenFreiheitsstrafen und Zahlungen von 50 Millionen Won (40 000US-Dollar) sowie einen fünfjährigen Ausschluss von Arbeitsplät-zen in öffentlichen und privaten Unternehmen vorsieht. Das Ge-setz ermächtigt auch die Antikorruptionskommission, Fälle zuuntersuchen, in die hochrangige Beamte verwickelt sind. Im April

Anhang 259

2002 kündigte die südkoreanische Regierung an, sie wolle engermit Nichtregierungsorganisationen im Kampf gegen Korruptionzusammenarbeiten. Die Bundesbeschaffungsbehörde kündigte dieEinführung eines Ombudsmanns und eines ›Ausschusses für sau-bere Beschaffung‹ an. Diese neue Behörde wird Mitglieder zivilge-sellschaftlicher Organisationen, Professoren und Techniker alsOmbudsleute einstellen, um den Prozess der Auftragsbewerbungund -vergabe zu überwachen und so die Transparenz zu erhöhen.

Das Three-Gorges-Staudammprojekt in China, das größte Bau-projekt seit dem Bau der Chinesischen Mauer, soll 2009 fertigge-stellt werden. Es hat ein Budget von etwa 24 Milliarden US-Dollar– und öffnet damit Tür und Tor für die persönliche Bereicherungder Kader, die mit dem Projekt zu tun haben. Im Jahr 2000 gab Pe-king zu, dass etwa 58 Millionen US-Dollar von den 2,1 Milliar-den, die für die Umsiedlung vorgesehen waren, bereits veruntreutworden waren. Bisher sind mindestens 100 Beamte von der Kom-munistischen Partei mit Disziplinarmaßnahmen wegen Unter-schlagung belegt worden. Viele Beamte beuten das Milliardenpro-jekt angeblich aus, wo sie nur können. Die Anklagen reichen vonder Annahme von Bestechungsgeldern, der Erhöhung der Umsied-lungskosten und der Erfindung nicht existierender Personen, dieumgesiedelt werden müssen, bis zur Selbstbedienung bei der Um-siedlungskasse der Zentralregierung. Viele Mitarbeiter der lokalenBehörden sollen denen, die ihre Häuser verlassen müssen, viel we-niger zahlen als vorgesehen.

Die chinesische Regierung benutzt die Medien als Waffen in ih-rem Antikorruptionskampf. Ein Antikorruptionsfilm im Fernse-hen, »Black Hole«, der zuerst im Dezember 2001 ausgestrahltwurde, brach in Peking alle Zuschauerrekorde. Im März 2002 liefeine neue Fernsehserie, »Chinas Meistgesuchte: Korrupte Beamte«,in über 60 Lokalsendern an. Dieses tägliche, fünfzehnminütige Do-kudrama, das der Supreme Peoples Procuratorate, die Hauptinsti-tution gegen Korruption, produziert, stellt öffentlich flüchtige Be-

260 Das Netz der Kor r upt ion

amte oder Angestellte bloß, die der Korruption verdächtigt wer-den. Doch die chinesischen Medien dürfen Korruption nicht unab-hängig verfolgen, besonders wenn es um mächtige Beamte geht.Als der Journalist Jiang Weiping verschiedene Korruptionsskan-dale enthüllte, in die hochrangige Beamte verwickelt waren, verur-teilte man ihn im September 2001 wegen des Verrats von Staatsge-heimnissen in einer geheimen Gerichtsverhandlung zu einerneunjährigen Freiheitsstrafe.

Südostasien

Im März 2002 sanktionierte die indonesische StaatspräsidentinMegawati Sukarnoputri die Verhaftung und den Prozess gegenden Parlamentssprecher Akbar Tanjung wegen Korruption.Außerdem wurde Tommy Suharto, der Sohn des früheren Präsi-denten Suharto, für schuldig befunden, einen Richter ermordet zuhaben, der ihn wegen Korruption verurteilt hatte. Ebenfalls imMärz befand ein Gericht in Jakarta den Gouverneur der Zentral-bank, Syahril Sabirin, der Korruption für schuldig und verurteilteihn zu drei Jahren Gefängnis.

In Thailand erstaunte die Nationale Antikorruptionskommis-sion (NCCC) die Regierung, als sie Ministerpräsident ThaksinShinawatra der illegalen Unterschlagung von Vermögenswertenbeschuldigte und vor Gericht brachte. Das Verfassungsgericht ver-warf allerdings das Urteil der NCCC aus unbekannten Gründen.Der Freispruch für den Ministerpräsidenten verärgerte viele Beob-achter, aber die noch relativ junge NCCC wurde wegen ihrer de-monstrativen Unabhängigkeit angesichts des politischen Drucksgelobt.

Antikorruptionsinstitutionen, die sich in Singapur und Hong-kong als erfolgreich erwiesen haben, sind anderswo mit Proble-

Anhang 261

men konfrontiert worden. Einige von ihnen werden selbst als kor-rupt eingeschätzt. Im Februar 2002 wurde gegen den philippini-schen Ombudsmann ein Antrag auf Amtsenthebung wegen Kor-ruption gestellt. Obwohl der Antrag abgewiesen wurde, nährteder Zwischenfall Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Institutionund an ihrer Fähigkeit, Korruption kontrollieren zu können.

Einer Ende 2001 erschienenen Studie von Social Weather Sta-tions zufolge waren Unternehmer auf den Philippinen bereit, zweiProzent ihres Nettofirmeneinkommens für die Finanzierung vonAntikorruptionsprogrammen aufzuwenden. Ihren Schätzungennach würde die Korruptionsprävention zu einem fünfprozentigenAnstieg ihres Nettoeinkommens und zu zehnprozentigen Einspa-rungen bei den Vertragskosten führen, während die Regierung so-gar 15 bis 20 Prozent sparen würde.

Südasien

Der indische Verteidigungsminister George Fernandes war imMärz 2001 zurückgetreten, nachdem Tehelka.com heimlich Be-amte gefilmt hatte, die Bestechungsgelder für Waffenverkäufe ver-langt hatten. Im Dezember 2001 nahm die Karriere von Fernandesweiteren Schaden, als der »Coffin-Gate«-Skandal Schlagzeilenmachte. In diesen Betrug waren Beamte aus dem Verteidigungsmi-nisterium verwickelt, die Zahlungen von 2500 US-Dollar pro Sargfür die indischen Verluste im Kargil-Krieg 1999 zugelassen hatten,als der eigentliche Preis bei 172 Dollar pro Stück lag. Die Geldge-ber von Tehelka.com waren in der Zwischenzeit Belästigungenausgesetzt, darunter dem Versuch, sie in eine breite Finanzver-schwörung zu verwickeln, die die Börsenpreise manipulierensollte. Verteidigungsminister Fernandes ist wieder im Amt.

In Bangalore in Südindien enthüllte die NGO Public Affairs

262 Das Netz der Kor r upt ion

Centre in einer unabhängigen Studie über die Qualität der medizi-nischen Betreuung von Müttern aus ärmlichen Stadtteilen, dassdie Frauen hohe Erpressungsgelder zahlen müssen, wenn sie dieöffentlichen Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen. Eine Pa-tientin auf einer städtischen Entbindungsstation zahlt durch-schnittlich 1089 Rupien (etwa 22 US-Dollar) an Bestechungsgel-dern, um eine angemessene medizinische Versorgung zu erhalten.Weitere 61 Prozent der Befragten mussten für ihre Medikamentebezahlen, obwohl diese kostenlos abgegeben werden müssten.

In Bangladesch machte sich die neue, von der BNP dominierteRegierung daran, die Missetaten ihrer Vorgängerin aufzudecken.Ein im Januar 2002 erschienenes Weißbuch enthält 40 große Kor-ruptionsanklagefälle gegen die Awami-Liga, die während ihrer Re-gierungszeit 126 Millionen US-Dollar geplündert haben soll. Dortsteht auch, dass der ehemalige Ministerpräsident Sheik Hasina123 Millionen US-Dollar aus dem Verkauf von acht russischenMiG-29 entwendet habe und sich weitere 3 Millionen US-Dollardurch die Beschäftigung ausländischer Berater dazuverdient habe.

Die BNP-Regierung hielt sich aber auch an eine in der Politikvon Bangladesch vertraute Regel: Kein amtierender Politiker ist je-mals erfolgreich wegen Korruption verfolgt worden. So wurdenanhängige Fälle gegen BNP-Politiker abrupt zurückgezogen undUnregelmäßigkeiten aus der letzten Regierungszeit blieben imWeißbuch unerwähnt.

Politisches Interesse erscheint als die treibende Kraft hinter denAntikorruptionsanstrengungen in Pakistan, einem Land, das voneiner Militärelite beherrscht wird, die ganz begierig ist, die zivileVerwaltung als korrupt und unzuverlässig darzustellen. Dochauch ehemalige Militärangehörige, Bürokraten und Geschäfts-leute, die sich auf den Streit mit dem Regime von StaatspräsidentPerez Musharraf eingelassen hatten, ließ man ohne Rücksichthochgehen, besonders wenn sie reich genug waren, um ihre un-rechtmäßigen Gewinne zurückzuzahlen. Admiral Mansur ul-Haq

Anhang 263

vermied den Gang ins Gefängnis, indem er dem pakistanischenNational Accountability Bureau (NAB), einer Art Rechnungshof,jene 7,5 Millionen US-Dollar zurückzahlte, die er Schätzungen zu-folge aus Kickbackgeschäften bei Waffenkäufen erhalten hatte.

Staatspräsident Musharraf setzte für seine Entschlossenheit imKampf gegen die Korruption ein deutliches Zeichen, indem er eineReihe institutioneller Reformen anstieß, einschließlich einer Re-form des öffentlichen Dienstes und der Abtrennung der Bilanzie-rungsaufgaben vom Präsidentenbüro des Bundesrechnungshofs.Die Regierung versprach außerdem die Einrichtung einer unab-hängigen Antikorruptionsinstitution bis Oktober 2002. In einerReihe von Treffen mit der pakistanischen Regierung forderteTransparency International im April 2002 ein Informationsfrei-heitsgesetz, ein Ethikmanagement für die Angestellten im öffent-lichen Dienst und eine Generalüberholung des öffentlichen Be-schaffungswesens. Außerdem sollten das Militär und die Justizverwaltungstechnisch dem NAB zugeordnet werden.

Auch Nepal stellte 2002 eine weitreichende Antikorruptions-gesetzgebung vor, darunter Entwürfe zur Korruptionskontrolle,Entwürfe für eine Kommission zur Untersuchung von Macht-missbrauch, für einen Spezialgerichtshof, Entwürfe über Amts-enthebungen und die Regulierung der Arbeitsumstände und überdie Führung der politischen Parteien. Zu den prominenten Kor-ruptionsfällen des Jahres gehörten Bilanzfälschung, illegale Aus-schreibungen, Bankbetrug und die systematische Hintergehungvon Mehrwertsteuer, Vermögenssteuer und Einkommenssteuer.

Das wirtschaftspolitische Geflecht in Sri Lanka geriet im No-vember 2001 ins Licht des öffentlichen Interesses, nachdem be-kannt geworden war, dass dem Geschäftsmann Ronnie Peiris dieZahlung von 15 Millionen Rupien (etwa 150 000 US-Dollar) er-lassen worden war. Peiris hatte in enger Beziehung zur Staatspräsi-dentin Chandrika Kumaratunga gestanden.

264 Das Netz der Kor r upt ion

Nachfolgestaaten der Sowjetunion

Die unabhängige kasachische Wochenzeitung Natschnjom s Pone-delnika ist bekannt für ihre ausführliche Berichterstattung überdie Verstrickung von Beamten in den Ölsektor und andere Ge-schäftsgebiete. Zwischen 1998 und 2001 wurde die Wochenzei-tung 17-mal wegen Verleumdung angezeigt, vor allem von Beam-ten oder Firmenchefs, die enge Beziehungen zur Regierung hatten.In drei Fällen wurde die Zeitung für schuldig befunden und zurZahlung von insgesamt 25 935 000 Tenge (etwa 180 000 US-Dol-lar) verurteilt. Nach dem kasachischen Verleumdungsparagraphkonnte sich Natschnjom s Ponedelnika nicht damit verteidigen,dass ihre Behauptungen der Wahrheit entsprechen. Vielmehr muss-te die Zeitung dafür zahlen, dass sie den Ruf der Beamten geschä-digt hatte. Mögliche Beweise für die Verstrickung der Beamten inBestechungsvorgänge blieben unbeachtet.

Im Sommer 2001 besuchten George Soros und ich auf Einla-dung von Staatspräsident Eduard Schewardnadse Georgien. Dochobwohl in Georgien im Juli 2002 ein Antikorruptionsrat einge-richtet wurde und bereits einige wichtige Antikorruptionsmaß-nahmen durchgeführt worden sind, mussten wir feststellen, dassdie bisherigen Bemühungen wenig Erfolg zu haben scheinen.Nachdem der IWF in einem Bericht kürzlich auf die schwache Ver-waltung und die weit verbreitete Korruption hingewiesen hat,richtete Georgien eine Mehrwertsteuer-Antibetrugseinheit ein underließ ein Gesetz, das das Mehrwertsteuer-Erstattungssystem stär-ken sollte. Staatspräsident Schewardnadse drängt auch auf Refor-men der Exekutive in Zusammenarbeit mit dem Antikorruptions-rat. Die erste Phase des Plans enthält auch die Abschaffung derImmunität von Parlamentariern. Im März 2002 forderte der Präsi-dent schärfere Gesetze gegen Korruption, Steuerhinterziehung,Steuerverkürzung und Unterschlagung von Staatseigentum.

Im Sommer 2001 verkündete Turkmenistans Staatspräsident

Anhang 265

Saparmurat Nijazow eine Reihe hochkarätiger Verhaftungen undEntlassungen aufgrund von Korruptionsanklagen. Es ist typischfür die turkmenische Politik, dass die Anklagen erst erhoben wor-den waren, nachdem der vermeintlich korrupte Beamte zur Oppo-sition übergelaufen war. So wurde der ehemalige Vorsitzende derZentralbank und stellvertretende Ministerpräsident ChudaiberdyOrasow im März 2002 – einen Monat, nachdem er offiziell derOpposition beigetreten war – beschuldigt, einen Teil eines Land-wirtschaftsdarlehens unterschlagen zu haben, das Crédit Suisseund die Deutsche Bank 1997 gegeben hatten.

Im Oktober 2001 erließ die Ukraine eine Vorschrift »Über dieSicherung der Durchsetzung von Bürgerrechten, Prinzipien derDemokratischen Gesellschaft, Offenheit und Transparenz derWahlen 2002«. Aber ein zur selben Zeit erlassenes Gesetzschränkte die Berichterstattung über die Wahlen im März 2002für die inländische wie für die ausländische Presse ein. Die Wählerhatten keinen Zugang zu unparteiischen und ausgewogenen Infor-mationen, da die Fernsehsender von der Regierung kontrolliertwurden.

Nach einer Studie des Think Tanks INDEM (Information for De-mocracy) zahlen russische Geschäftsleute jährlich mehr als 30Milliarden US-Dollar Bestechungsgelder. Diese Summe entspricht inetwa den Staatseinkünften im Jahr 2002 und etwa 12 Prozent desBruttoinlandsprodukts. Ungefähr 90 Prozent dieser Bestechungsgel-der werden für »Korruptionsdienstleistungen« in Zusammenhangmit Exportlizenzen und Kontingenten, Transaktionen des Staats-haushalts, Steuertransfers, Zöllen, Privatisierungsverträgen und derBedienung von Schulden des Staatshaushalts gezahlt.

Die in Moskau ansässige Maklerfirma Troika Dialog schätzt,dass der Ruf Russlands als Land, in dem die Geschäftsführer re-gelmäßig die Rechte der kleineren Shareholder verletzen, den Bör-senhandel etwa 45 Milliarden US-Dollar jährlich kostet. Eine Ver-besserung der Corporate-Governance-Praktiken könnte jährlich

266 Das Netz der Kor r upt ion

10 Milliarden US-Dollar ausländische Direktinvestitionen anzie-hen, schätzt PricewaterhouseCoopers. Daher ist es ermutigend,dass Präsident Wladimir Putin bei mehreren Gelegenheiten denKampf gegen die Korruption zu seinem vorrangigen Ziel erklärthat. Nur durch eine energische Kampagne, eine wahrhafteSchocktherapie auf allen Ebenen von Regierung, Privatsektor undGesellschaft kann ein hoffnungsvolles Signal für die Kontrolle derKorruption in Russland gesetzt werden. Der mächtige MoskauerOberbürgermeister Juri Luschkow verglich mich im Herbst 1999auf einer Podiumsdiskussion mit einer »Kröte, die durch ihr Qua-ken einen Sumpf trocken legen will«.

Majid Abduraimow, ein Journalist aus dem Süden Usbekistans,wird aufgrund von Bestechungs- und Erpressungsanklagen meh-rere Jahre ins Gefängnis müssen, weil er eine Reihe von Berichtenüber Korruption und Machtmissbrauch bei hohen Beamten in derBoisoner Stadtverwaltung in der Region Surkhandarya geschrie-ben hat. Menschenrechtsaktivisten geben an, dass zurzeit fünfJournalisten wegen erfundener Anklagen hinter Gittern sitzen.

Der kirgisische Journalist und Menschenrechtsaktivist SamaganOrozaliev wurde im November 2001 zu neun Jahren Haft verur-teilt, nachdem man ihn der Erpressung, der Urkundenfälschung,des illegalen Waffenbesitzes und Widerstands gegen die Staatsge-walt für schuldig befunden hatte. Orozaliev wurde verhaftet, wäh-rend er eine Dokumentation über Korruption in der öffentlichenVerwaltung vorbereitete.

Mittel- und Osteuropa unddie baltischen Staaten

Im Dezember 2001 verabschiedete das ungarische Parlament einGesetz zum Unternehmensstrafrecht. Das Strafrecht wurde er-

Anhang 267

weitert, um die Instrumente zum Kampf gegen Korruption zu ver-bessern und korrupte Handlungen besser bestrafen zu können.Außerdem wurden die investigativen Befugnisse des Staatsanwaltserweitert. Im gleichen Jahr führte Ungarn für alle Angestellten imöffentlichen Dienst die Auskunftspflicht über ihre Vermögensver-hältnisse ein.

Im Juli 2001 bzw. im März 2002 erließen die Tschechische unddie Slowakische Republik ebenfalls Gesetze, die für Angestellte imöffentlichen Dienst eine Auskunftspflicht über ihre Vermögensver-hältnisse und die Einführung von Verhaltendskodizes vorsahen.Überdies erließen sie im August und Oktober 2001 neue Gesetzezur Einführung unabhängiger Prüfungseinheiten innerhalb der Re-gierungen.

2001 und 2002 haben mehrere slowakische NGOs sich zu derAllianz »Stoppt Interessenkonflikte« zusammengeschlossen, umdas bestehende, ineffektive Gesetz zu ergänzen. Die Allianz wollteden Personenkreis innerhalb des öffentlichen Dienstes, auf den dasGesetz anwendbar ist, vergrößern, die Verpflichtungen und Gren-zen für zusätzliche Arbeitsverträge und Einkünfte präzisieren, Ver-mögenserklärungen öffentlich und auch für enge Angehörige ver-pflichtend machen und die Effektivität der Vorgehensweisen undStrafen bei Interessenkonflikten verbessern.

Gegen das amerikanische Energieunternehmen Wiliams Inter-national und seine russischen Mitbewerber Yukos und LUKOILwurden Korruptionsvorwürfe laut, als sie bei der Privatisierungder litauischen Ölgesellschaft Mazeikiu konkurrierten. Kurz zuvorhatte der Bürgermeister von Wilna ein Mitglied des Parlaments be-schuldigt, das französische Energieunternehmen Dalkia betrogenund Schutzgelder verlangt zu haben. Seitdem hat die litauische Re-gierung unter aktiver Beteiligung des Parlaments und der Zivilge-sellschaft eine rigorose Antikorruptionsstrategie entwickelt, mitderen Hilfe künftig die Integrität im Lande geschützt werden soll.

Im Februar 2002 wurde bekannt, dass Angestellte der Ambu-

268 Das Netz der Kor r upt ion

lanz im polnischen Lodz nicht nur Geld angenommen hatten, umsich Informationen über verstorbene Patienten bezahlen zu lassen,sondern sogar Patienten deshalb umgebracht hatten. Die Ankla-gen waren nur die Spitze des Eisbergs, und auch Ärzte und Eigen-tümer von Bestattungsunternehmen sahen sich mit Anklagenwegen Zahlung oder Annahme von Bestechungsgeldern konfron-tiert.

Es war Ausdruck einer einzigartigen Zusammenarbeit zwi-schen dem nationalen Chapter von TI in Lettland und der Regie-rung, als diese TI eingeladen hatte, um eine große Privatisierungs-ausschreibung überwachen zu lassen. Obwohl die Ausschreibungfür die Lettische Schifffahrtsgesellschaft fehlschlug, war die Part-nerschaft zwischen der NGO und der Privatisierungsbehörde einPräzedenzfall der Vorbeugung von Einflusshandel im Entschei-dungsprozess.

Viele dieser Reformen wurden von regionalen Organisationen,wie dem Rat der Baltischen See-Staaten (CBSS), dem Europaratund, mit einem gewissen Nachdruck wegen der Beitrittsverhand-lungen, vor allem auch von der Europäischen Union, unterstützt.

Südosteuropa

Die Regierung der Bundesrepublik Jugoslawien erhob eine Steuerauf Geschäfte, die unter Milosevic getätigt wurden und Vergünsti-gungen erhalten hatten. Der Ausschuss, der diese Missbräucheuntersucht, veröffentlicht regelmäßig eine Liste der Profiteure – imFebruar 2002 waren es 271 Personen – und stellt sicher, dass dieSteuer auch eingetrieben wird. Im September 2001 erließ dieBundesrepublik ein Gesetz, das Geldwäsche zu einem Verbrechenerklärt und von Banken und anderen Finanzinstitutionen ab Juli2002 Rechenschaft über alle Transaktionen über 600 000 Dinar

Anhang 269

(etwa 9500 US-Dollar) fordert. Serbien stellte 26 Antikorruptions-einheiten auf, die über eine Hotline Informationen sammeln sol-len. Nach den Erkenntnissen der Teams werden das Innenministe-rium und die Zollbehörde Serbiens als die korruptestenInstitutionen angesehen.

Neue Regelungen für die Wahlkampffinanzierung und die Of-fenlegung politischer Spenden sind Teil eines Regierungspro-gramms in der Türkei. Der IWF hatte außerdem im Februar 2002als Bedingung für einen Beistandskredit in Höhe von 16,3 Milliar-den US-Dollar den Erlass eines neuen Auftragsvergabegesetzesvorgeschrieben. Türkische Auftragnehmer wurden üblicherweisevon den Regierungsparteien um »Unterstützung der Wahlkampf-Kampagnen« von bis zu 15 Prozent der Auftragssumme gebeten,so ein Weltbankbericht aus dem Jahre 2001.

In Albanien wurden Antikorruptionseinheiten im Ministeriumfür öffentliche Ordnung, im Finanz- und Justizministerium und imBüro des Staatsanwalts eingerichtet – wenn auch mit unterschied-lichen Ergebnissen. Im Juni 2002 legte die Regierung den Entwurfeines Antikorruptionsgesetzes vor, nach dem eine spezielle Auf-sichtsbehörde eingerichtet werden soll, um den Grundbesitz vonrund 5000 hoch- und mittelrangigen Funktionären zu untersu-chen. Die Mitglieder der Behörde, die vom Parlament gewähltwerden, werden einen weiten Zuständigkeitsbereich und Zugriffauf Daten von Banken und privaten Firmen erhalten. Beamte, diefalsche Angaben über ihren Grundbesitz gemacht haben, werdengerichtlich verfolgt.

Die Regierung in Albanien hat es aber versäumt, Verleumdungzu entkriminalisieren. Journalisten, die in Korruptionsfällen er-mitteln, gehen ein Sicherheitsrisiko ein. Willkürliche Verhaftun-gen, schwere Prügelstrafen und Einschüchterung sind keine Selten-heit. Bei Verleumdungsklagen bekommen sie aber keinen fairenProzess. Im November 2001 wurde der Herausgeber der KohaJona, einer unabhängigen Tageszeitung aus Tirana, angegriffen

270 Das Netz der Kor r upt ion

und bedroht, nachdem die Zeitung die Behauptung veröffentlichthatte, ein Hotel in Durres sei illegal gebaut worden. Da das Infor-mationsfreiheitsgesetz kaum eingehalten wird, müssen Journalis-ten regelmäßig Regierungsbeamte bestechen, um offizielle Doku-mente zu erhalten.

Im Februar 2002 richtete Bosnien-Herzegowina eine Arbeits-gruppe zur Bekämpfung von Korruption und organisiertem Ver-brechen ein. Zu der Gruppe gehören Minister und Vertreter vonInterpol, der Justiz und der Polizei. Einen Monat später hat derRat von Bosnien-Herzegowina in Zusammenarbeit mit der Welt-bank einen nationalen Antikorruptionsplan vorgelegt. Zur selbenZeit ereignete sich ein großer Skandal, als der bosnisch-serbischeFinanzminister wegen eines Falles von Zollbetrug zurücktrat, derden Haushalt 15 Millionen US-Dollar kostete.

Nach einem Bericht von PricewaterhouseCoopers kostet dieKorruption Rumänien jedes Jahr Milliarden Dollar. Der Berichtgibt an, dass die ausländischen Direktinvestitionen von 1,3 Milli-arden US-Dollar im Jahr 2001 im Prinzip dreimal höher seinkönnten.

Naher Osten und Nordafrika

Die staatlichen Banken und Finanzinstitutionen der Region wurdenvon 2001 bis 2002 regelmäßig Opfer von Korruption. Im jordani-schen Bankensystem wurde im Februar 2002 außerdem ein Betrugin Höhe von 150 bis 168 Millionen US-Dollar entdeckt, in dem an-geblich 72 prominente Geschäftsleute und Beamte einschließlich ei-nes ehemaligen Landwirtschaftsministers, eines Senators und desSohns eines ehemaligen Ministerpräsidenten verwickelt waren. Ge-meinsam mit den Staatsdienern sollen die Geschäftsleute Darlehenvon Privatbanken ohne Sicherheiten und unter dem Vorwand erhal-

Anhang 271

ten haben, sie würden Informationstechnologien für die Geheim-dienste des Landes bereitstellen.

Wie der Daily Star, die größte englischsprachige Zeitung im Li-banon, berichtet, kostet ein Ersatzführerschein sieben US-DollarBestechungsgeld und die Zulassung eines Wagens 27 Dollar. DasBakschisch für eine Bauerlaubnis für ein Wohnhaus kann über2000 Dollar kosten. Das libanesische Transparency-Chapter hatjetzt ein Heft herausgegeben, das die Prozeduren zur Erlangung ei-ner Bauerlaubnis vereinfacht und die benötigten Dokumente, Ge-bühren und die durchschnittliche Wartezeit nennt.

In Israel hat die Betrugseinheit der Polizei MinisterpräsidentAriel Sharon und seinen Sohn Omri befragt, ob sie fingierte Fir-men dazu benutzt haben, illegale Parteispenden in Höhe von 1,3Millionen US-Dollar für die Vorstandswahlen der Likud-Partei1999 und die Wahlen des Ministerpräsidenten zwei Jahre späterzu transferieren. Der ehemalige Ministerpräsident Ehud Barakwurde im Mai 2002 von ähnlichen Vorwürfen freigesprochen, ob-wohl die Polizei auf Anklagen gegen vier seiner Helfer drängte, diewährend der Wahlen 1999 illegale Gelder angeblichen Wohltätig-keitsvereinen zugeleitet hatten.

In einer Befragung von Transparency Marokko bezeichnen ma-rokkanische Geschäftsleute die Korruption als die zweitgrößteHerausforderung nach den hohen Steuern. Unternehmer, die dieWeltbank in Palästina befragte, nannten Korruption als das zweit-größte Wachstumshindernis nach »politischer Instabilität und Un-gewissheit«.

In Saudi-Arabien wurde der Schriftsteller Abdul Mohsen Musa-lam im März 2002 verhaftet. Er hatte in der Zeitung Al-Madina dasGedicht »Das Korrupte auf der Erde« veröffentlicht, in dem ermehrere Richter der Mauschelei beschuldigte. Der saudische Innen-minister Prinz Nayef ordnete die Entlassung des Chefredakteursvon Al-Madina an, der den Abdruck des Gedichts genehmigt hatte.

272 Das Netz der Kor r upt ion

Westafrika

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen im Senegal kritisierten,dass Staatspräsident Abdoulaye Wade sich trotz wiederholter For-derungen von unserem Chapter Forum Civil weigerte, den ErlassNr. 97-632 aufzuheben. Diesen hatte sogar seine eigene Partei ver-urteilt, solange sie sich in der Opposition befand. Dieser Erlassvon 1997 erlaubt die Vergabe öffentlicher Bauaufträge ohne Aus-schreibung. Solche Aufträge können einen Wert von maximal 100Millionen CFA-Franken (150 000 US-Dollar) im Bereich Beratungund Ausrüstung und 150 Millionen CFA-Franken (225 000 US-Dollar) im Bereich des Bauwesens haben. Der Erlass wurde allge-mein als Instrument zur Pflege eines Wahlkreises gesehen. Die Me-dien beobachteten, dass auch teurere öffentliche Vorhaben nichtausgeschrieben wurden. Eine neue Regelung des öffentlichen Be-schaffungswesens, die im Juli 2002 veröffentlicht wurde, schienden Erlass außer Kraft zu setzen, aber dies wurde nie offiziell be-stätigt.

Im Juni 2002 kritisierte der stellvertretende Antikorruptionsbe-auftragte von Sierra Leone den Generalstaatsanwalt, weil dieserdie Antikorruptionskommission diskreditiert hatte, indem er ihreEmpfehlungen ignorierte. Von den 57 Fällen, die beim Büro desGeneralstaatsanwalts seit der Einsetzung der Kommission im Ja-nuar 2001 eingereicht worden waren, waren drei Viertel nochnicht behandelt worden. Der bekannteste war der des ehemaligenVerkehrs- und Kommunikationsministers Momoh Pujeh, der nachden Ermittlungen der Kommission im November 2001 verhaftetworden war, weil er illegal Bergbau betrieben und umstrittene Dia-manten besessen hatte. Die Korruptionsanklagen wurden erst imAugust 2002 gegen ihn vorgelegt.

Die nigerianische Antikorruptionskommission setzte sich derKritik aus, weil sie seit ihrer Gründung im September 2000 nichteinen einzigen Fall gegen einen höherrangigen Regierungsbeamten

Anhang 273

vorgebracht hatte. Mit der Ablehnung der Einwände mehrererBundesstaaten, die Institution sei nicht verfassungsgemäß, hattedas Höchste Gericht der Kommission im Juni 2002 ein Hindernisaus dem Weg geräumt. Die Zentralregierung unternahm einigeSchritte, um ihre Antikorruptionskampagne im Laufe des Jahreszu beschleunigen. Im August 2002 bewilligte der Federal Execu-tive Council eine Erweiterung der Regelungen für den öffentlichenDienst, die es dem Staatspräsidenten erlaubt, korrupte Staatsdie-ner zu entlassen. Im nächsten Monat stimmte er der Einrichtungvon Antikorruptionseinheiten in allen Bundesministerien zu, diedort Fälle untersuchen dürfen und Zugang zu allen Regierungsdo-kumenten haben sollen.

In Ghana enthüllte der stellvertretende Präsident des Rech-nungshofs im März 2002, dass im Laufe der letzten zwei Jahremehr als 20 Millionen US-Dollar als Gehälter an etwa 2000 nichtexistierende Personen gezahlt worden waren. Daraufhin ordneteder Finanzminister eine Zählung der Staatsdiener an.

In Burkina Faso identifizierte eine Studie die Polizei als die kor-rupteste Institution des Landes. Im Senegal nannte eine vom Fo-rum Civil durchgeführte Studie ebenfalls die Verkehrspolizei,Zollbeamte und die Polizei als die korruptesten Institutionen.

Fast jeder Zollbeamte in Benin lässt mindestens einen Klébé fürsich arbeiten. Klébés, die im Gaunerjargon von Südbenin auch»Banknotenmörder« genannt werden, helfen den Zollbeamten,den »Betrug zu kontrollieren« – und erhalten im Erfolgsfall zehnProzent der beschlagnahmten Güter. Sie erpressen außerdem eineillegale Abgabe von jedem, der Güter durch den Zoll bringen will.Von dieser Summe bekommen wiederum die Zollbeamten einenAnteil. In Kraké, an der Grenze zu Nigeria, gibt es etwa 400 Klé-bés, viermal mehr als Zollbeamte. Die klébés agieren als Vermitt-ler, die die Geber von den Nehmern abschirmen, damit diese uner-kannt bleiben.

274 Das Netz der Kor r upt ion

Zentralafrika

Im Tschad hat die Weltbank im letzten Jahr ihre Anstrengungenfortgesetzt, der Korruption beim Pipelineprojekt im Doba-Bassin,dem größten US-Investitionsprojekt in Afrika, vorzubeugen. Dassieben Milliarden US-Dollar teure Tschad-Kamerun-Pipelinepro-jekt, das von der Weltbank und einem Konsortium aus Ölfirmenunter der Leitung von ExxonMobil finanziert wird, wurde vonUmweltschutzgruppen wie dem in Washington ansässigen Envi-ronmental Defense Fund heftig kritisiert. Die gigantischen Aus-maße dieser Pipeline geben Anlass zu der Befürchtung, dass nichtnur die Umwelt, insbesondere der wertvolle Regenwald in Kame-run, geschädigt wird. Es besteht auch die Gefahr, dass die ohnehinschon korruptionsanfälligen Regierungen tief in den Morast gezo-gen werden. Die Besorgnis wächst, dass Staatspräsident IdrissDéby, dessen Willkürherrschaft sowohl die regionalen Verbünde-ten als auch die ausländischen Investoren beunruhigt, nicht in derLage oder gewillt ist, die Einkünfte aus dem Projekt, das nach sei-ner Eröffnung 2003 voraussichtlich 250 000 Barrel Öl pro Tag lie-fern wird, zum Nutzen der verarmten Menschen in seinem Landeinzusetzen. Von der Zivilgesellschaft und anderen Geldgebernwurde ein System eingerichtet, das die Verteilung der Einkünftedurch NGOs kontrolliert (Revenue Sharing Arrangement). Das ineiner Art Treuhandfonds gesammelte Geld wird nach einem be-stimmten Schlüssel verteilt, wobei Sozialausgaben Vorrang haben.Dieses Projekt könnte beispielhaft sein für ähnliche Vorhaben inanderen Teilen der Welt, in denen unverhältnismäßig großerReichtum – etwa durch Ölfunde – in krassem Gegensatz steht zuElend und Armut der Bevölkerung. Allerdings hat Hissin Habre,der Präsident, gleich zu Beginn das Geld für Waffen ausgegeben.

Einen solchen Fall könnte das benachbarte Äquatorialguineabieten, das inmitten ungeheurer Ölvorkommen im Golf von Gui-nea sitzt. Dort werden in der nächsten Zeit unvorstellbare Einnah-

Anhang 275

men für dieses kleine, bisher unterentwickelte Land erwartet.Gegenwärtig mahnen Geberorganisationen Maßnahmen zur Kor-ruptionsbekämpfung und eine verbesserte Regierungsführung an,damit die Armutsbekämpfungsprogramme der Regierung greifenkönnen.

Im letzten Jahr riss der Strom an Berichten über Korruption inKameruns Holzwirtschaft nicht ab. Die Weltbank und das briti-sche Department for International Development (DfID) bestätig-ten, dass internationale Unternehmen Gebiete von bis zu 80 000Hektar ohne Erlaubnis abholzen. Inspektionen durch von der Re-gierung bestellte Beobachter Ende 2001 und Anfang 2002 erga-ben, dass fast jede größere Holzfirma in Kamerun sich ganz oderteilweise außerhalb der Legalität bewegt hatte. Im April 2002drängte die Weltbank Staatspräsident Paul Biya, diese aggressivenHolzfirmen gerichtlich zu verfolgen und die Korruption in derHolzwirtschaft zu bekämpfen – andernfalls würde er die offiziel-len Finanzhilfen verlieren. Sowohl die Weltbank als auch das DfIDhaben Kamerun bei Regelungen für die internationalen Holzfir-men unterstützt.

Ostafrika

Im Juni 2002 erschien eine Befragung der Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft KPMG in Ostafrika von mehr als 400 Geschäftsführernund Leitern von Finanzabteilungen. Die Ergebnisse dieser Studieweisen darauf hin, dass Betrug und Korruption in Firmen in dieserRegion zunehmen. Betrug und Korruption wurden von 61 Prozentder Befragten auch als wichtiges Problem bezeichnet, und 88 Pro-zent gaben an, ihre Firma habe im vergangenen Jahr damit zu tungehabt. Die schwachen internationalen Kontrollen wurden alsausschlaggebender Faktor bezeichnet, aber die Befragten wiesen

276 Das Netz der Kor r upt ion

auch auf die wachsende Gerissenheit der Kriminellen und die Un-zulänglichkeit des Justizsystems hin.

Nach dem Kenya Urban Bribery Index, einer von TransparencyInternational Kenia durchgeführten Umfrage, zahlt der durch-schnittliche Stadtbewohner in Kenia 16-mal im Monat Beste-chungsgelder. Diese summieren sich zu einer monatlichen Belas-tung von 8 185 Kenia-Schillingen (104 US-Dollar) – im Vergleichdazu liegt das durchschnittliche Monatseinkommen der Befragtenbei nur 26 000 Kenia-Schillingen (331 US-Dollar). Am häufigstenwerden Staatsdiener bestochen, sie erhalten 99 Prozent der Beste-chungsgelder. Am schlimmsten war es bei der Polizei: Sechs vonzehn Stadtbewohnern gaben an, Bestechungsgelder an die Polizeigezahlt zu haben. Mit einer neuen Regierung, die sich den Kampfgegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben hat, wird dashoffentlich anders.

In einem ihrer ersten großen Fälle erhob die staatliche Ethik-und Antikorruptionskommission (FEACC) von Äthiopien 41 Kor-ruptionsanklagen gegen ehemalige und amtierende Beamte derÄthiopischen Kommerzbank. Auch gegen zwölf ehemalige Vorsit-zende von Bundesbehörden und Geschäftsleute wurde Anklage er-hoben; Verhaftungen erfolgten im Mai 2001. Einer der Angeklag-ten war der Anführer einer Dissidentengruppe innerhalb derRegierungspartei.

Ein neues Elektrizitätskraftwerk wurde in Tansania im Januar2002 in Auftrag gegeben, wodurch die Beschuldigungen wiederNahrung bekamen, die durchführende malaiische Firma würdeRegierungsbeamte bestechen. Ein umstrittener Vertrag zwischenBritish Aerospace und der Regierung für ein 40 Millionen US-Dol-lar teures Luftverkehrskontrollsystem wurde von Luftfahrtexper-ten der Weltbank kritisiert.

In Uganda waren Organisationen der Zivilgesellschaft Vorreiterder Versuche, die Regierung zu mehr Transparenz bei der Auf-tragsvergabe zu zwingen. Im Jahr 2001 baten sie die Weltbank, ein

Anhang 277

Untersuchungsgremium zu entsenden, das unter anderem heraus-finden sollte, ob der Stromvertrag (Power Purchase Agreement,PPA) zwischen der Regierung und dem amerikanischen multina-tionalen Unternehmen AES, das für 550 Millionen Dollar den Bu-jagali-Damm baute, durch Korruption zustande kam. Die Welt-bank schickte ein Gremium, das zahlreiche Aspekte des Projektskritisierte – einschließlich der früheren Entscheidung der Welt-bank, den Stromvertrag geheimzuhalten. Im Juni 2002 verkündetedie Weltbank, sie würde ihr Darlehen für den Damm aufgrund derKorruptionsvorwürfe einfrieren.

Südliches Afrika

Im Südlichen Afrika gibt es gleichzeitig große Genugtuung undHoffnung, aber auch Verzweiflung und Grund zur Sorge; dortliegt Botsuana, das Land, das allgemein als demokratisch und we-nig korrupt gilt; aber auch einige Länder, die wegen Korruption,Gewalttätigkeit der Eliten und Verelendung ihrer Bevölkerungweltweit Entsetzen und Mitleid hervorrufen.

Als im April 2002 in Angola ein Waffenstillstand zwischen Re-gierung und Rebellen den längsten Krieg der Region zu beendenversprach, hoffte die Welt auf zunehmende Offenheit und Transpa-renz. Schon seit einiger Zeit hatte die NichtregierungsorganisationGlobal Witness ihre mahnende Stimme wegen »groß angelegtenstaatlichen Raubs« am Vermögen des Landes, insbesondere im Erd-öl- und Bankensektor, erhoben. In der Demokratischen RepublikKongo sollen einem UNO-Experten zufolge viele Geschäftemachervon Konflikt und Gewalt profitieren. Wahlbetrug in Sambia undSimbabwe warfen die Hoffnung auf Reformen in dieser Gegend umJahre zurück. Der frühere Präsident von Sambia, Chiluba, sitztgegenwärtig sogar im Gefängnis. Ist das ein gutes Zeichen?

278 Das Netz der Kor r upt ion

Besonders in Simbabwe ist Korruption allgegenwärtig. Ein kürz-lich erschienener Wirtschaftsbericht der Vereinten Nationen meinthierzu, dass viele Probleme in Simbabwe auf ein zentrales Problemzurückzuführen sind: die schlechte Regierungsführung. Die Wah-len zum Staatspräsidenten im Jahr 2002 sind weithin als unfair an-gesehen worden, zum Beispiel, weil die Behörden die Zahl derWahllokale in den städtischen, der Opposition geneigten Gebietenverringert hatten, damit die Wähler dort 30 Stunden anstehen mus-sten. In ländlichen Gebieten sollen 400 000 Namen noch nach deroffiziellen Schließung des Registers eingetragen worden sein.Trotzdem erklärten die Regierungen der EntwicklungsorganisationSüdliches Afrika (SADC) die Wahl als legitim, was die Chancen aufReformen für einige Zeit sehr verschlechtern wird.

Ein Bericht von TI-Simbabwe warf im April 2002 Zidco Hol-dings, dem Investmentzweig der regierenden Partei ZANU PF, vor,er diene der Bereicherung der Parteispitze. Weder gibt Zidco je ge-prüfte Bilanzen oder andere Finanzberichte heraus, noch benutztdas Unternehmen Gewinne, um die Parteiaktivitäten zu finanzie-ren, so die Autoren des Berichts. Zidco kontrolliert vielfältigekommerzielle Interessen im Land und seine Tochterfirmen sind in-tensiv in Unternehmen in der Demokratischen Republik Kongoverwickelt, die durch den Schutz und Einfluss der simbabwischenArmee gesichert werden.

Der Vorsitzende der TI-Sektion in Simbabwe und Mitglied desinternationalen Direktoriums, John Makumbe, wurde kürzlich beieiner friedlichen Versammlung verhaftet und von der Polizei ver-prügelt.

Die Ausschreibung für den Betrieb von Malawi Telecommuni-cations (MTL) gewann eine Gruppe, zu der auch der Informa-tionsminister und die Vorsitzende von MTL gehörten, die wiede-rum die Frau eines Ministers ist. Die Antikorruptionsbehördeverhaftete vier leitende Angestellte von MTL wegen unsaubererVorkommnisse während des Bewerbungsprozesses, aber diese

Anhang 279

nahmen ihre Arbeit wieder auf, nachdem sie auf Kaution freige-kommen waren, statt bei vollem Gehalt vom Dienst suspendiert zuwerden.

Der wichtigste Korruptionsprozess der Region endete im Juni2002 mit der Verurteilung des ehemaligen Generaldirektors derLesotho Highlands Development Authority, Masupha EphraimSole. Er wurde zu 18 Jahren Gefängnis wegen Bestechung verur-teilt. Es lagen Beweise vor, dass auf Soles Schweizer BankkontoMillionen Rand von internationalen Beratungsunternehmen ein-gegangen waren, die alle mit dem Dammbauprojekt zu tun hatten.Die Verurteilung von Beamten der Lesotho Highlands Develop-ment Authority (LHDA), die Bestechungsgelder angenommen hat-ten, stellt für die Region einen wichtigen Präzedenzfall hinsichtlichdes Umgangs mit internationalen Firmen, die Bestechungsgelderzahlen, dar. Nach der Verurteilung des Geschäftsführers vonLHDA mussten im Juni 2002 auch Unternehmen aus Großbritan-nien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Südafrika und derSchweiz vor Gericht. Die südafrikanische Provinzregierung vonGauteng kündigte daraufhin an, dass die betroffenen Firmen (darun-ter auch einige der größten Ingenieursfirmen Südafrikas), »solltensie der Bestechung für schuldig befunden werden«, von der öffent-lichen Auftragsvergabe bei einer geplanten Stadtbahn ausgeschlos-sen würden. Die südafrikanischen Behörden nahmen regen Anteil andiesem Prozess, weil ihre Staatsangehörigen als Abnehmer des Was-sers den Löwenanteil an dem durch Bestechung entstandenen Scha-den tragen müssen.

In Südafrika selbst legten nach einer gemeinsamen Untersu-chung der Oberste Staatsanwalt, der Oberste Ombudsmann undder Präsident des Rechnungshofs für Waffenbeschaffung dem Par-lament im November 2001 einen Bericht über korrupte Machen-schaften bei der Beschaffung von Militärgütern vor, der einige ver-dächtigte Mitglieder des Kabinetts von Staatspräsident ThaboMbeki zwar entlastete, aber ernste Vorbehalte hinsichtlich der

280 Das Netz der Kor r upt ion

Verwaltung von Ausschreibungsprozessen äußerte. Beamte, dieGeschenke von Bewerbern erhalten hatten, wurden in dem Berichtnamentlich genannt, und auch ein Leiter des Beschaffungswesensim Verteidigungsministerium wurde erwähnt, der Firmen bevor-zugt hatte, an denen sein Bruder beteiligt war. Der Bericht war kei-nesfalls die ›Reinwaschung‹, als die er von der Opposition bezeich-net wurde, dennoch galt er als zu beflissen in seiner Entlastung derRegierung.

Fazit

Korruption ist überall. In den reichen Industrieländern und in denarmen Regionen, im Norden und Süden, im Osten und Westen.Auf den ersten Blick entwirft der globale Korruptionsbericht eindeprimierendes Bild. Überall scheint die Korruption unausrottbar,man könnte meinen, wir von TI hätten uns einer Herkulesarbeitverschrieben. Täglich kommen neue Varianten von Bestechungund Betrug hinzu – gleich einem neuen schrecklichen Monster, dasaus jedem abgeschlagenen Kopf der Hydra hervorsprießt.

Auf den zweiten Blick ist die Situation jedoch alles andere alshoffnungslos. Denn allein, dass all die genannten Fälle überhauptöffentliche Beachtung finden, ist schon ein Erfolg. Bis Anfang der90er Jahre gediehen sie im Verborgenen. Niemand sprach darüber.Heute werden sie ans Licht gezerrt und sorgen weltweit für Empö-rung. Wie sehr die tödliche Wirkung der Korruption erkannt wor-den ist, zeigt sich allerorten. Denn es gibt kein Land auf der Welt,das nicht seine eigenen Korruptionsfälle aufdeckt. Und währendsich in einigen Ländern die Regierungen von investigativen Jour-nalisten und Gruppierungen der Zivilgesellschaft bedroht fühlenund mit Repressalien reagieren, bewirkt das Engagement der Ver-einten Nationen, der Bretton-Woods-Institutionen, zivilgesell-

Anhang 281

schaftlicher Organisationen wie TI und vieler engagierter Men-schen, dass auch immer mehr gegen die Korruption unternommenwird. Gesetze werden erlassen, korrupte Politiker und Beamte an-geklagt und strafrechtlich verfolgt. Firmen geben sich Verhaltens-regeln und weigern sich, Bestechungsgelder zu zahlen, währenddie Zivilgesellschaft auf Beteiligung am Überwachungsprozessdrängt.

Unser zehn Jahre andauernder Kampf hat also Wirkung gezeigt.Die Korruption steht auf der Agenda der Welt. Allerdings ist ebennoch sehr, sehr viel zu tun. Wir hatten einen guten Start, doch ertäuscht uns nicht darüber hinweg, dass der Kampf gegen diesesweltweite Übel noch nicht einmal halb gewonnen ist.

282 Das Netz der Kor r upt ion

Der Corruption Perceptions Index

Rang Land CPI 2002 Verwendete Standard- Höchster/Punktwert Unter- Unterab- niedrigster

suchungen weichungen Wert

1 Finnland 9 7 8 0.4 8.9–10.0

2 Dänemark 9 5 8 0.3 8.9–9.9

Neuseeland 9 5 8 0.2 8.9–9.6

4 Island 9 4 6 0.4 8.8–10.05

Singapur 9 3 13 0.2 8.9–9.6

Schweden 9 3 10 0.2 8.9–9.6

7 Kanada 9 0 10 0.2 8.7–9.3

Luxemburg 9 0 5 0.5 8.5–9.9

Niederlande 9 0 9 0.3 8.5–9 3

10 Großbritannien 8 7 11 0.5 7.8–9 4

11 Australien 8 6 11 1.0 6.1–9 3

12 Norwegen 8 5 8 0.9 6.9–9.3

Schweiz 8 5 9 0.9 6.8–9 4

14 Hongkong 8 2 11 0.8 6.6–9 4

15 Österreich 7 8 8 0.5 7.2–8 7

16 USA 7 7 12 0.8 5.5–8 7

17 Chile 7 5 10 0.9 5.6–8 8

18 Deutschland 7 3 10 1.0 5.0–8.1

Israel 7 3 9 0.9 5.2–8 0

284 Das Netz der Kor r upt ion

Rang Land CPI 2002 Verwendete Standard- Höchster/Punktwert Unter- Unterab- niedrigster

suchungen weichungen Wert

20 Belgien 7 1 8 0.9 5.5–8.7

Japan 7 1 12 0.9 5.5–7.9

Spanien 7 1 10 1.0 5.2–8 9

23 Irland 6 9 8 0.9 5.5–8 1

24 Botsuana 6 4 5 1.5 5.3–8 9

25 Frankreich 6 3 10 0.9 4.8–7.8

Portugal 6 3 9 1.0 5.5–8 0

27 Slowenien 6 0 9 1.4 4.7–8 9

28 Namibia 5 7 5 2.2 3.6–8 9

29 Estland 5 6 8 0.6 5.2–6.6

Taiwan 5 6 12 0.8 3.9–6 6

31 Italien 5 2 11 1.1 3.4–7 2

32 Uruguay 5 1 5 0.7 4.2–6 1

Ungarn 4 9 11 0.5 4.0–5.6

34 Malaysia 4 9 11 0.6 3.6–5.7

Trinidad &

Tobago 4 9 4 1.5 3.6–6 9

36 Weißrussland 4 8 3 1.3 3.3–5.8

Litauen 4 8 7 1.9 3.4–7.6

Südafrika 4 8 11 0.5 3.9–5.5

Tunesien 4 8 5 0.8 3.6–5 6

40 Costa Rica 4 5 6 0.9 3.6–5.9

Jordanien 4 5 5 0.7 3.6–5.2

Mauritius 4 5 6 0.8 3.5–5.5

Südkorea 4 5 12 1.3 2.1–7 1

44 Griechenland 4 2 8 0.7 3.7–5 5

45 Brasilien 4 0 10 0.4 3.4–4.8

Bulgarien 4 0 7 0.9 3.3–5.7

Jamaika 4 0 3 0.4 3.6–4.3

Anhang 285

Rang Land CPI 2002 Verwendete Standard- Höchster/Punktwert Unter- Unterab- niedrigster

suchungen weichungen Wert

Peru 4 0 7 0.6 3.2–5.0

Polen 4 0 11 1.1 2.6–5 5

50 Ghana 3 9 4 1.4 2.7–5 9

51 Kroatien 3 8 4 0.2 3.6–4 0

52 Tschech. Rep. 3 7 10 0.8 2.6–5.5

Lettland 3 7 4 0.2 3.5–3.9

Marokko 3 7 4 1.8 1.7–5.5

Slowakei 3 7 8 0.6 3.0–4.6

Sri Lanka 3 7 4 0.4 3.3–4 3

57 Kolumbien 3 6 10 0.7 2.6–4.6

Mexiko 3 6 10 0.6 2.5–4 9

59 China

(Volksrep.) 3 5 11 1.0 2.0–5.6

Dominik.

Republik 3 5 4 0.4 3.0–3.9

Äthiopien 3 5 3 0.5 3.0–4 0

62 Ägypten 3 4 7 1.3 1.7–5.3

El Salvador 3 4 6 0.8 2.0–4 2

64 Thailand 3 2 11 0.7 1.5–4.1

Türkei 3 2 10 0.9 1.9–4 6

66 Senegal 3 1 4 1.7 1.7–5 5

67 Panama 3 0 5 0.8 1.7–3 6

68 Malawi 2 9 4 0.9 2.0–4.0

Usbekistan 2 9 4 1.0 2.0–4 1

70 Argentinien 2 8 10 0.6 1.7–3 8

71 Elfenbeinküste 2 7 4 0.8 2.0–3.4

Honduras 2 7 5 0.6 2.0–3.4

Indien 2 7 12 0.4 2.4–3.6

Russland 2 7 12 1.0 1.5–5.0

286 Das Netz der Kor r upt ion

Rang Land CPI 2002 Verwendete Standard- Höchster/Punktwert Unter- Unterab- niedrigster

suchungen weichungen Wert

Tansania 2 7 4 0.7 2.0–3.4

Simbabwe 2 7 6 0.5 2.0–3 3

77 Pakistan 2 6 3 1.2 1.7–4.0

Philippinen 2 6 11 0.6 1.7–3.6

Rumänien 2 6 7 0.8 1.7–3.6

Sambia 2 6 4 0.5 2.0–3 2

81 Albanien 2 5 3 0.8 1.7–3.3

Guatemala 2 5 6 0.6 1.7–3.5

Nicaragua 2 5 5 0.7 1.7–3.4

Venezuela 2 5 10 0.5 1.5–3 2

85 Georgien 2 4 3 0.7 1.7–2.9

Ukraine 2 4 6 0.7 1.7–3.8

Vietnam 2 4 7 0.8 1.5–3 6

88 Kasachstan 2 3 4 1.1 1.7–3 9

89 Bolivien 2 2 6 0.4 1.7–2.9

Kamerun 2 2 4 0.7 1.7–3.2

Ecuador 2 2 7 0.3 1.7–2.6

Haiti 2 2 3 1.7 0.8–4 0

93 Moldawien 2 1 4 0.6 1.7–3.0

Uganda 2 1 4 0.3 1.9–2 6

95 Aserbaidschan 2 0 4 0.3 1.7–2 4

96 Indonesien 1 9 12 0.6 0.8–3.0

Kenia 1 9 5 0.3 1.7–2 5

98 Angola 1 7 3 0.2 1.6–2.0

Madagaskar 1 7 3 0.7 1.3–2.5

Paraguay 1 7 3 0.2 1.5–2 0

101 Nigeria 1 6 6 0.6 0.9–2 5

102 Bangladesch 1 2 5 0.7 0.3–2.0

Anmerkungen

Eine ausführlichere Beschreibung der für den CPI 2002 angewandtenMethodik finden Sie unter: http://www.transparency.org/cpi/index.html#cpi oder unter: www.gwdg.de/ ˜uwvw/2002.html

CPI 2002 Punktwert: bezieht sich auf den Grad der Korruption, wie ervon Geschäftsleuten und Risikoanalysten wahrgenommen wird, und be-wegt sich zwischen 10 (nicht korrupt) und 0 (äußerst korrupt).

Verwendete Untersuchungen: bezieht sich auf die Anzahl der Untersu-chungen, die das Abschneiden eines Landes bewerten. Insgesamt wurden15 Untersuchungen von neun unabhängigen Institutionen verwendet. Umin den CPI 2002 aufgenommen zu werden, musste jedes Land in mindes-tens drei Untersuchungen vorkommen.

Standardabweichungen: bezeichnet Unterschiede im Wert der Quellen: jegrößer die Standardabweichung, desto größer die Differenzen in den Er-gebnissen einzelner Quellen für ein und dasselbe Land.

Höchster/niedrigster Wert: zeigt den jeweils höchsten und niedrigstenWert der verschiedenen Quellen an.

Anhang 287

Der Bribe Payers Index

835 Geschäftsexperten in 15 Schwellenländern wurden gefragt: Bitte gebenSie für die Ihnen vertrauten Wirtschaftssektoren an, wie wahrscheinlich esist, dass Unternehmen aus den folgenden Ländern, Bestechungsgelder zah-len oder anbieten, um in diesem Land Geschäfte abzuschließen oder im Ge-schäft zu bleiben.

Rang Gesamtzahl 2002 1999 OECD-Konvention835 779 (Stand: 14.05.2002)

1 Australien 8.5 8.1 ratifiziert

2 Schweden 8.4 8.3 ratifiziertSchweiz 8.4 7.7 ratifiziert

4 Österreich 8.2 7.8 ratifiziert

5 Kanada 8.1 8.1 ratifiziert

6 Niederlande 7.8 7.4 ratifiziertBelgien 7.8 6.8 ratifiziert

8 Großbritannien 6.9 7.2 ratifiziert

9 Singapur 6.3 5.7 n. unterzeichnetDeutschland 6.3 6.2 ratifiziert

11 Spanien 5.8 5.3 ratifiziert

12 Frankreich 5.5 5.2 ratifiziert

13 USA 5.3 6.2 ratifiziertJapan 5.3 5.1 ratifiziert

15 Malaysia 4.3 3.9 n. unterzeichnetHongkong 4.3 – n. unterzeichnet

17 Italien 4.1 3.7 ratifiziert

18 Südkorea 3.9 3.4 ratifiziert

19 Taiwan 3.8 3.5 n. unterzeichnet

20 Volksrepublik China 3.5 3.1 n. unterzeichnet

21 Russland 3.2 – n. unterzeichnetEinheimischeUnternehmen 1.9 –

Die Frage bezieht sich auf die Bereitschaft von Unternehmen führender Ex-portländer, in den untersuchten Schwellenländern Schmiergelder an hoch-rangige Amtsträger zu zahlen.

Der ideale Wert beträgt 10.0 und weist darauf hin, dass keinerlei Be-reitschaft für Bestechung wahrgenommen wurde. Somit beginnt dieRangliste mit Unternehmen der Länder, in denen eine niedrige Bereit-schaft für Bestechungsländer im Ausland wahrgenommen wurde. DieUntersuchungsdaten deuten darauf hin, dass einheimische Unternehmenin den 15 befragten Schwellenländern eine sehr hohe Bereitschaft zurZahlung von Bestechungsgeldern aufwiesen – höher als die der ausländi-schen Firmen.

Anhang 289

Bestechung in Wirtschaftsbranchen

Wie wahrscheinlich ist es in den folgenden Wirtschaftsbranchen, dasshochrangige Amtsträger in diesem Land [Wohnsitz des Befragten],Schmiergelder verlangen oder annehmen, z. B. für öffentliche Ausschrei-bungen, gesetzliche Vorschriften, Genehmigungen?

290 Das Netz der Kor r upt ion

Gesamtzahl der Befragten 2002

835

Öffentliche Infrastruktur/Bauwirtschaft 1.3

Waffen-/Rüstungsindustrie 1.9

Gas- und Ölindustrie 2.7

Immobilien/Sachanlagen 3.5

Telekommunikation 3.7

Energieerzeugung/-übertragung 3.7

Bergbau 4.0

Transport-/Lagerwesen 4.3

Pharmaindustrie/Gesundheitswesen 4.3

Schwerindustrie 4.5

Bank- und Finanzwesen 4.7

Zivile Luftfahrt 4.9

Forstwirtschaft 5.1

IT 5.1

Fischerei 5.9

Leichtindustrie 5.9

Landwirtschaft 5.9

Die angegebenen Werte sind Durchschnittswerte aller Antworten. Sie be-ziehen sich auf eine Skala von 1 bis 10, wobei 0 ein extrem hoch einge-stuftes Ausmaß von Korruption darstellt und 10 auf keine Korruptionhindeutet.

Bestechung in Wirtschaftsbranchen –nach Höhe der Schmiergelder

In welchen beiden der oben aufgeführten Wirtschaftsbranchen ist es amwahrscheinlichsten, dass die höchsten Bestechungsgelder gezahlt werden?

Anhang 291

Gesamtzahl der Befragten 2002

835

Öffentliche Infrastruktur/Bauwirtschaft 46 %

Waffen-/Rüstungsindustrie 38 %

Gas- und Ölindustrie 21 %

Bank- und Finanzwesen 15 %

Immobilien/Sachanlagen 11 %

Pharmaindustrie/Gesundheitswesen 10 %

Energieerzeugung/-übertragung 10 %

Telekommunikation 9 %

IT 6 %

Forstwirtschaft 5 %

Bergbau 5 %

Transport-/Lagerwesen 5 %

Schwerindustrie 4 %

Landwirtschaft 3 %

Forstwirtschaft 3 %

Zivile Luftfahrt 2 %

Leichtindustrie 1 %

OECD-Konvention zur Strafbarkeit der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr

(Anti-Korruptions-Konvention)

Welche der folgenden Optionen trifft am besten Ihren Kenntnisstandüber die Konvention?

292 Das Netz der Kor r upt ion

Studie 2002

2002 1999 Auslän- Inlän- Rech- Handels- Banken Juristendische dische nungs- kammernUnter- Unter- prüfer

nehmen nehmen

Gesamtzahl derBefragten 835 779 261 261 84 71 80 78

31 % 31 % 10 % 9 % 10 % 9 %

Ich bin vertraut mitder Konvention 7 % 6 % 7 % 4 % 8 % 13 % 8 % 12 %

Ich weiß etwasdarüber 12 % 13 % 12 % 10 % 18 % 18 % 9 % 14 %

Ich habe nur davongehört 32 % 43 % 30 % 33 % 26 % 28 % 36 % 38 %

Ich habe nichts davongehört 42 % 38 % 44 % 45 % 40 % 38 % 41 % 29 %

Keine Angaben 7 % – 7 % 7 % 7 % 3 % 6 % 6 %

Gesamtzahl der Befragten 2002 1999164 146% %

Überprüfung der Geschäftspraxis 13 19

Umsetzungsprogramm besteht bereits 35 –

Keine Maßnahmen erforderlich 30 43

Bisher keine Entscheidung getroffen 13 18

Ich weiß nicht, wie die Organisation darauf reagiert 9 12

Keine Angaben – 8

Wissen Sie, ob Ihre Organisation aufgrund der OECD-Konvention Maß-nahmen umgesetzt hat?

Lösung zur Bekämpfung der Korruption

Angenommen, Sie könnten Korruption in einem der folgenden Bereichebeseitigen, welchen würden Sie wählen?

Anhang 293

Gesamtzahl der Befragten 2002

835

Gerichte 21 %

Politische Parteien 19 %

Polizei 13 %

Zoll 9 %

Bildungswesen (Schulen, Universitäten) 7 %

Steuerbehörde 6 %

Privatwirtschaft 4 %

Bau- und Nutzungsgenehmigungen 4 %

Medizinische Dienste 3 %

Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen 2 %

Versorgung und Telekommunikation(Telefon, Elektrizität, Wasser, etc.) 2 %

Einwanderung & Pässe 1 %

Andere 3 %

Informationsquellen der Befragten

Bitte nennen Sie die Quellen, von denen Sie Informationen über diesesThema erhalten haben.

294 Das Netz der Kor r upt ion

Gesamtzahl der Befragten 2002

835

Informationen von Kollegen,

Freunden, Kunden 58 %

Presse, Medienberichte 55 %

Persönliche Erfahrungen 52 %

Quellen in anderen Unternehmen 38 %

Direkte Erfahrungen mit Leuten

Ihres Unternehmens 34 %

Regierung und diplomatische Quellen 13 %

Internet 12 %

Ich weiß nicht / Andere 12 %

Transparency International 8 %

Ausmaß der Korruption

Hat es insgesamt in den letzten fünf Jahren eine Veränderung im Ausmaßder Bestechung ranghoher Amtsträger durch ausländische Unternehmenin diesem Land [Wohnsitz des Befragten] gegeben?

Anhang 295

Gesamtzahl der Befragten 2002 1999835 779% %

bedeutend zugenommen 10

etwas zugenommen 13

Gesamt: Zunahme 23 33

gleich geblieben 37 22

etwas abgenommen 21

bedeutend abgenommen 6

Gesamt: Abnahme 27 25

Ich weiß nicht 13 20

2002

Größere Pressefreiheit 52 %

Staatliche Ermittlungen in Korruptionsfällen 48 %

Verbesserungen in Corporate Governance 42 %

Verstärkte Kontrollen bzgl. Geldwäsche 39 %

Wachsende Globalisierung und Wettbewerb 38 %

Verbesserung der öffentlichen Vergabepraktiken 33 %

Privatisierung des Staatsvermögens 33 %

Erhöhte Rechenschaftspflicht von Beamten 33 %

Erhöhte Liberalisierung der Finanzmärkte 29 %

Reformen in der Parteienfinanzierung 10 %

Andere 1 %

Haben Veränderungen und Entwicklungen in den folgenden Faktoren be-deutend dazu beigetragen, dass das Ausmaß der Korruption von rangho-hen Amtsträgern durch ausländische Unternehmen in den letzten fünfJahren abgenommen hat?

Haben Veränderungen und Entwicklungen in den folgenden Faktoren be-deutend dazu beigetragen, dass das Ausmaß der Korruption von rangho-hen Amtsträgern durch ausländische Unternehmen in den letzten fünfJahren zugenommen hat?

296 Das Netz der Kor r upt ion

Andere illegitime Geschäftspraktiken,um unlautere Vorteile zu erlangen

Gibt es in den Ihnen vertrauten Wirtschaftsbranchen andere illegitimeGeschäftspraktiken, wodurch Regierungen unlautere Geschäftsvorteilefür ihre Unternehmen erlangen?

2002 1999

835 779

Gesamtzahl % %

Ja 68 69

Nein 26 69

Keine Angaben 7 –

2002

Toleranz der Öffentlichkeit gegenüber Korruption 67 %

Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit 59 %

Immunität ranghoher Beamter 53 %

Unzureichende Kontrollen bzgl. Geldwäsche 49 %

Niedrige Löhne im öffentlichen Sektor 44 %

Verschlechterung der öffentlichen Vergabepraktiken 35 %

Zunehmende Geheimhaltung in Regierungskreisen 34 %

Privatisierung des Staatsvermögens 32 %

Wachsende Globalisierung und Wettbewerb 28 %

Reformen in der Parteienfinanzierung 23 %

Erhöhte Liberalisierung der Finanzmärkte 19 %

Beschränkung der Pressefreiheit 6 %

Andere 2 %

»Andere illegitime Geschäftspraktiken« sind die Korruption begleitendePraktiken, die dazu dienen, den internationalen Handel und Investitionenauf unerlaubte Weise zu beeinflussen.

Andere illegitime Geschäftspraktiken, die Regierungeneinsetzen, um unlautere Vorteile zu erlangen

Welche illegitimen Geschäftspraktiken setzen diese Regierungen ein?

Anhang 297

Gesamtzahl der Befragten 2002 1999

567 537

% %

Diplomatischer oder politischer Druck 66 53

Finanzieller Druck 66 45

Handels-, Preisfragen etc. 66 49

Lieferbindung 54 35

Drohung mit Kürzung ausländischer Hilfe 46 –

konditionierte Waffen- und

Rüstungsgeschäfte 41 28

Gefälligkeiten/Geschenke an Beamte 39 36

konditionierte Stipendien/Bildung/

Gesundheitswesen 22 16

Andere Mittel 8 11

Keine Angaben 5 2

Länder, die unlautere illegitime Geschäftspraktiken anwenden,um Geschäfte abzuschließen oder im Geschäft zu bleiben.

Welche drei der aufgeführten Regierungen verbinden Sie grundsätzlichmit den oben genannten illegitimen Geschäftspraktiken [andere illegitimeGeschäftspraktiken außer Bestechung, um unlautere Vorteile im interna-tionalen Handel und bei Investitionen zu erlangen]?

298 Das Netz der Kor r upt ion

Gesamtzahl 2002567%

USA 58

Frankreich 26

Großbritannien 19

Japan 18

Volksrepublik China 16

Russland 13

dieses Land 12

Deutschland 11

Spanien 9

Italien 5

Taiwan 5

Südkorea 4

Schweiz 4

Malaysia 3

Kanada 3

Niederlande 3

Singapur 1

Belgien 1

Australien 1

Österreich 1

Hongkong 1

Schweden < 1

Der Wert spiegelt den Prozentanteil der Antworten wider, bei denen dasLand unter den ersten drei der am meisten mit unlauteren Mitteln assozi-ierten Ländern genannt wurde.

Web-Adressen

Die zentrale Anlaufstelle für TI in Deutschland ist:www.transparency.de;die weltweite Adresse lautet:www.transparency.org.

Direkt zu Informationen zum Source Book gelangt man über:www.transparency.org/sourcebook.

Unter www.gwdg.de/ ˜uwvw findet sich eine Dokumentation des Corrup-tion Perceptions Index. Eine ausführlichere Beschreibung der für den CPI2002 angewandten Methodik befindet sich unter: www.transparency.org/cpi/index.html#cpi oder unter: www.gwdg.de/ ˜uwvw/2002.html

Die beiden Ausgründungen von TI, Partnership for Transparency Fundund Forest Integrity Network, sind zu finden unter:www.partnershipfortransparency.org und www.forestintegrity.org.

Die UN stellt unter www.unglobalcompact.org vorbildliche Firmen vor,die am Global Compact beteiligt sind.

Dem Thema Korruption widmen sich die Weltbank unter:www1.worldbank.org/publicsector/anticorrupt, die OECD unter:www1.oecd.org/deutschland/Dokumente/bestech.htm und die Interna-tionale Handelskammer unter:www.icc-deutschland.de/icc/frame/1.3.html.

Zur praktischen Umsetzung des Integritätspakts in Seoul gibt es detail-liertere Informationen unter der Adresse:www.metro.seoul.kr.

Die gläsernen Abgeordneten, die auf ihrer Homepage Vermögensverhält-nisse und Einkünfte offen legen, sind erreichbar unter:www.kelber.de, www.simmert.de und www.volquartz.de.

300 Das Netz der Kor r upt ion

Danksagung

Viele haben zu diesem Buch beigetragen. Mein Dank gebührt vorallem Hansjörg Elshorst und Gesine Schwan, die das Manuskriptgelesen und durch ihre guten Kommentare bereichert haben. AuchHans Küng, Richard von Weizäcker und James Wolfensohn dankeich herzlich für ihre wichtigen Zeugnisse. Die mutigen und brillan-ten Leistungen meiner Mitstreiter bei Transparency International,insbesondere auch der Mitbegründer und Führungspersönlichkei-ten von TI in aller Welt und unseres hochengagierten Teams im Se-kretariat in Berlin, tragen nicht nur wesentlich unsere praktischeArbeit sondern leuchten auf jeder Seite dieses Buches. Ich binglücklich und dankbar für unsere Zusammenarbeit. Besonders be-danken möchte ich mich bei Karsten Lohmeyer, ohne dessen enga-gierte Arbeit das Projekt in dieser Form nicht zu Stande gekom-men wäre.


Recommended