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Das Harvard - Konzept

Date post: 08-Dec-2016
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  • Das Harvard-Konzept

  • Roger Fisher ist emeritierter Professor der Rechtswissenschaft ander Harvard Law School und Direktor des Harvard NegotiationProject.

    William Ury ist Berater und Schriftsteller sowie stellvertretenderDirektor des Harvard Negotiation Project.

    Bruce Patton ist Dozent an der Harvard Law School und stellver-tretender Leiter des Harvard Negotiation Project.

  • Roger Fisher,William Ury,Bruce M. Patton

    Das Harvard-KonzeptDer Klassikerder Verhandlungs-technik

    bersetzung von Werner RaithTeil IV von Wilfried Hof

    Campus VerlagFrankfurt / New York

  • Die amerikanische Ausgabe Getting to Yes erschien zuerst 1981 im VerlagHoughton Mifflin & Co., Boston, MassachusettsCopyright 1981 by Roger Fisher and William UryCopyright 1991 by Roger Fisher,William Ury, and Bruce PattonAll rights reserved. No part of this work may be reproduced in any form or by anymeans, electronic or mechanical, including photocopying and recording, or by anyinformation storage or retrieval system, except as may be expressly permitted by the1976 Copyright.Act or in writing from the publisher.Research at Harvard University is undertaken with the expectation of publication.In such publication the authors alone are responsible for statements of fact, opinions,recommendations, and conclusions expressed. Publication in no way implies approvalor endorsement by Harvard University, any of its faculties, or by the President andFellows of Harvard College.

    Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sindim Internet ber http://dnb.ddb.de abrufbar.ISBN 3-595-37440-4

    22., durchgesehene Auflage 2004

    Das Werk einschlielich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulssig. Das gilt insbesondere frVervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspreicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen.Copyright 1984/2004 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/MainUmschlaggestaltung: Guido Kltsch, KlnSatz: Fotosatz L. Huhn, Maintal-BischofsheimDruck und Bindung: Druckhaus Beltz, HemsbachGedruckt auf surefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.Printed in Germany

    http://dnb.ddb.de

  • Unseren Vtern,Walter T. Fisher und Melvin C. Ury,

    die uns beispielhaft die Machtvon Prinzipien lehrten

  • Inhalt

    Vorwort zur 22. deutschen Auflage . . . . . . . . . . . . 9

    Vorwort der Autoren zur deutschen Ausgabe . . . . 12

    Vorwort der Autoren zur Neuausgabe . . . . . . . . . . 15

    Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

    I. Das Problem

    Nicht um Positionen feilschen . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

    II. Die Methode

    1. Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

    2. Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

    3. Entwickeln Sie Entscheidungsmglichkeiten(Optionen) zum beiderseitigen Vorteil . . . . . . . . 91

    4. Bestehen Sie auf der Anwendung neutralerBeurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

    III. Ja, aber ...

    1. Und wenn die Gegenseite strker ist?Entwickeln Sie die Beste Alternative zurVerhandlungsbereinkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

  • 2. Und wenn die anderen nicht mitspielen?Wenden Sie das Verhandlungs-Judo an . . . . . . . . . . . . . . . 156

    3. Und wenn sie schmutzige Tricks anwenden?Wie man zhe Verhandlungspartner zhmt . . . . . . . . . . . . . 181

    Drei Punkte zum Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

    IV. Zehn Leserfragen ber Das Harvard-Konzept

    Fragen ber Fairness und sachgerechtes Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

    Fragen ber den Umgang mit Menschen . . . . . . . . 214

    Fragen ber Taktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

    Fragen ber Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

    Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

    Das Harvard Negotiation Project . . . . . . . . . . . . 258

    Ausfhrliches Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . 260

    8 Das Harvard-Konzept

  • Vorwort zur 22. deutschen Auflage

    Es gibt kaum ein Buch, das mein Berufsleben strker beeinflussthat als Das Harvard-Konzept. Als Verantwortlicher fr personalpo-litische Fragen in internationalen Unternehmen setzte ich michwhrend vieler Jahre mit Theorie und Praxis der jeweils gngigenund stets wechselnden Konfliktlsungsstrategien auseinander. An-fang der 80er Jahre wurde ich von einem Fachkollegen auf die ebenunter dem Titel Getting to Yes erschienene Publikation aufmerksamgemacht. Die im Buch berzeugende intellektuelle Schrfe der Au-toren, verbunden mit einer klugen Vereinfachung auf das Wesentli-che beeindruckten mich dermaen, dass ich nicht umhinkann, in ei-gener Sache zu verhandeln und zu handeln: Ich gab meine Stelle alsPersonaldirektor auf und grndete 1985 mit einem hollndischenPartner eine auf Verhandlungsfhrung spezialisierte Beratungs-firma. Grundlage dazu bildete ein selbstverstndlich auf dem Ver-handlungsweg zustande gekommener Zusammenarbeitsvertragmit dem Harvard Negotiation Project, einer Forschergruppe derHarvard Universitt, der u. a. die Autoren des vorliegenden Buchesangehrten.

    Inzwischen sind bald 20 Jahre vergangen, meine Partner undich haben allein im deutschsprachigen Europa etwa 20 000 Fh-rungskrfte in Verhandlungstrainings mit den Harvard-Ideenvertraut gemacht, und ich habe mich zudem als Mediator in un-zhligen Konfliktsituationen immer wieder von der Wirksamkeitder im vorliegenden Buch beschriebenen Prinzipien berzeugenknnen. Woran liegt es wohl, dass ein einzelnes Buch zu einem

  • weltwet anerkannten Standardwerk der Verhandlungsfhrungwerden konnte?

    Trotz einiger Kritiker, die es nicht gerne sehen, dass die groenWahrheiten oft einfach sind, wurde es vielen Fachleuten klar, dasses sich hier um mehr als eine bloe Zusammenfassung zum Standder damaligen wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet derVerhandlungsfhrung handelte. Im Gegensatz zu vielen anderenPublikationen, die sich im weitesten Sinn mit Fragen des Konflikt-managements befassten, weckte diese Arbeit vorerst die Neugiervon Forschern und Praktikern, weil es sich hier um einen in seinerSchlssigkeit und Transparenz einzigartigen Ansatz handelte. Bis-her ungeklrte Fragestellungen lste das Harvard-Konzept auf ele-gante Weise, und gleichzeitig setzte nach Erscheinen des Buchesein auf diesem Fachgebiet noch nie erlebter Aufschwung und An-reiz zu einer erweiterten, weltweit intensivierten Forschungsttig-keit ein. Und heute? Selbst nach ber 20 Jahren kann es sich einernst zu nehmender Fachautor zum Thema Verhandlungsfhrungkaum leisten, nicht auf das Harvard-Konzept Bezug zu nehmen sei es in anerkennender oder in kritischer Weise!

    Der Hauptgrund, warum Das Harvard-Konzept heute schon fastKlassikercharakter aufweist, liegt meines Erachtens darin, dass esdem anspruchsvollen Praktiker eine umfassende Hilfe fr jededenkbare Verhandlungssituation bietet. Fern jeglicher rezeptarti-ger, simplifizierender Ratschlge oder praxisuntauglicher Phasen-modelle, dafr in einer leicht verstndlichen Alltagssprache ge-schrieben, sind die wesentlichsten Hypothesen und konkretenEmpfehlungen des Buches fr Menschen aus den verschiedenstenKulturkreisen und gesellschaftlichen Schichten leicht nachvollzieh-bar. Beim Harvard-Konzept geht es auch um mehr als eine bloeTechnik, denn eigentlich steht eine Philosophie dahinter, die dar-auf abzielt, dass mglichst alle Beteiligten am VerhandlungsprozessMehrwert erhalten. Der eigentliche Nutzen fr Leser diesesGrundlagenbuches liegt darin, dass man den Verhandlungsprozessin seiner Grundstzlichkeit unabhngig von Sache, Mensch, Ort

    10 Das Harvard-Konzept

  • und Zeit verstehen lernt. Allerdings darf der Weg vom Versteheneines wissenschaftlich fundierten Konzeptes zur erfolgreichen Um-setzung innerhalb eines konkreten, aktuellen Kontextes nicht unter-schtzt werden.

    Das Harvard-Konzept schrft die Wahrnehmung zum Verhand-lungsprozess, und die damit verbundene Bewusstseinserweiterungist ein erster, wichtiger Schritt zur Festigung der Verhandlungskom-petenz. Das Harvard-Konzept erlaubt es den Parteien, das Visierzu ffnen. Es ist eine auf einer pragmatischen und realistischenSicht beruhende Strategie, die eine einzigartige prozessbezogeneOffenheit erlaubt. Inhaltlich zeigt es uns auf, wie man bestmglicheErgebnisse in der Sache erzielen kann bei gleichzeitigem Fort-schritt in der Beziehung zum Verhandlungspartner. Der klassischeGegensatz zwischen Erfolgsstreben und Menschlichkeit wird ber-wunden, denn das Harvard-Konzept ist gleichermaen sachgerechtund menschengerecht. Die eigentlich uralten Weisheiten, welchedie Autoren in ein allgemein verstndliches Konzept zusammenge-fasst haben, werden auch in Zukunft nichts von ihrer Kraft verlie-ren. Ob fr Anfnger oder fr alte Hasen: Der Umgang mit Risikenund Unsicherheiten sowohl auf komplexe Problemstellungen alsauch auf menschliche Verhaltensweisen bezogen, bleibt, nicht zu-letzt dank dem Harvard-Konzept, ein spannendes Thema.

    Ulrich Egger

    Verhandlungsberaterund Mediator, CH-8001 Zrichwww.eggerphilips.ch

    Vorwort zur 22. deutschen Auflage 11

  • Vorwort der Autoren zurdeutschen Ausgabe

    Seit der erstmaligen Verffentlichung vor zwei Jahren in den Ver-einigten Staaten hat der Erfolg unseres Buches alle unsere Erwar-tungen bei weitem berstiegen. Innerhalb weniger Monate wurdees zum Bestseller. Es zog nicht nur die Aufmerksamkeit akademi-scher Kreise auf sich, sondern fand Anerkennung bei Praktikernaus allen Gebieten und in der Presse. Der weltberhmte konomJohn Kenneth Galbraith nannte das Buch bei weitem das beste,das ich je ber Verhandlungen gelesen habe. Der ehemalige US-Auenminister Cyrus Vince sagte lobend ber das Buch, es ver-schaffe jedem Zugang zu den einfachen, aber wirksamen Ideen,die bereits auf internationaler Ebene erfolgreich waren. Die be-kannte Zeitungskolumnistin Ann Landers, an die jeden Tag Tau-sende von Amerikaner schreiben, um Rat fr ihre Lebensproblemezu bekommen, bemerkte, dass sie sich wnsche, es selbst geschrie-ben zu haben. Und die Zeitschrift Newsweek schrieb, dass es einverstndlicher Leitfaden fr Verhandlungen ist, in denen beide Sei-ten die Gewinner sind, und dass es, wenn es sich durchsetzt, dazubeitragen wird, das Zeitalter des Narzissmus in eine ra des Wir-Gefhls zu verwandeln.

    Aber whrend wir das ist sicherlich verstndlich glcklichsind ber den Erfolg des Buches in unserem eigenen Land, sind wirbesonders stolz auf seine Aufnahme im Ausland. Mehr als eineViertelmillion Exemplare des Buches sind bisher weltweit ge-druckt. Das Buch ist jetzt in zehn Sprachen erschienen, einschlie-lich Finnisch und Japanisch. Verlagsentscheidungen fr weitere

  • Sprachen stehen noch an. Jede auslndische Ausgabe des Bucheshat uns von seiner allgemeinen Anwendbarkeit berzeugt und vonder bertragbarkeit unserer Vorschlge in sehr unterschiedlicheKulturkreise.

    Aus diesen Grnden freuen wir uns besonders ber die deutscheAusgabe unseres Buches. Das Bedrfnis, bessere Wege zu finden,um miteinander umzugehen, wenn es Differenzen zwischen Men-schen, zwischen politischen Parteien und zwischen Nationen gibt,ist in der deutschsprachigen Welt genauso gro wie anderswo. Ei-nige unserer Kollegen, die in Europa Vorlesungen hielten oderTrainingsprogramme durchfhrten, bemerkten im deutschsprachi-gen Raum ein besonderes Interesse an neuen Vorschlgen zur L-sung von Konflikten und zur Schlichtung von Streitigkeiten. Die-sem Interesse hoffen wir mit dem Buch zu entsprechen, indem wireine einfache und doch brauchbare Verhandlungsmethode bereit-stellen, die von sterreichischen Geschftsleuten genauso anzu-wenden ist wie von Studenten in Liechtenstein, von deutschen Di-plomaten und von Hausfrauen in der Schweiz.

    Grundlegend fr das Buch war die Frage: Wie knnen Menschenam besten mit ihren Differenzen umgehen? Wie sieht z. B. der besteRat aus, den man einem Ehemann und einer Ehefrau geben kann,die in Scheidung leben und wissen wollen, wie sie ein gerechtes undfr beide Seiten befriedigendes Abkommen treffen knnen, ohnedass sie in einem erbitterten Streit enden? Oder vielleicht genauer:Welchen Rat wrden Sie einem der beiden geben, wenn er oder siediesen Wunsch uert? Jeden Tag stehen Familien, Nachbarn, Paare,Angestellte, Unternehmer, Verbraucher, Verkufer, Anwlte undNationen dem gleichen Dilemma gegenber: Wie kann man einbereinkommen finden, ohne sich zu zerstreiten? Mithilfe unseresjeweiligen wissenschaftlichen Hintergrunds in internationalemRecht und in Anthropologie und durch die umfassende und langjh-rige Zusammenarbeit mit Praktikern, Kollegen und Studenten ha-ben wir eine praktikable Methode entwickelt, mit der man freund-schaftlich zu Einigungen gelangen kann, ohne zu unterliegen.

    Vorwort der Autoren zur deutschen Ausgabe 13

  • Wir haben Ideen von Anwlten, Geschftsleuten, Regierungsbe-amten, Richtern, Gefngnisdirektoren, Diplomaten,Versicherungs-vertretern, Offizieren, Arbeitern im Kohlebergbau und Geschfts-fhrern in der lbranche ausprobiert.Wir bedanken uns bei denen,die uns mit Kritik antworteten und mit Vorschlgen, die aus ihreneigenen Erfahrungen stammten.Wir zogen groen Nutzen daraus.

    Tatschlich haben so viele Menschen im Lauf der Jahre zu dieserEntwicklung dermaen umfassend beigetragen, dass es gar nichtmehr mglich ist, genau zu sagen, wem wir fr welche Ideen in wel-cher Form zu Dank verpflichtet sind. Diejenigen, die am meistenbeigetragen haben, werden verstehen, dass wir auf Funoten nichtdeswegen verzichtet haben, weil wir alle Vorschlge als unsere eige-nen ansehen, sondern um den Text lesbar zu halten. Jedoch dankenwir am Ende des Buches denjenigen ausfhrlicher, deren Beitrgeeiner besonderen Erwhnung bedrfen. All diesen Menschen undauch den Lesern, die, seit die erste Auflage erschienen ist, so begeis-tert mit Kommentaren und kritischen Vorschlgen antworteten,danken wir zutiefst.

    Roger FisherWilliam Ury

    Cambridge, MassachusettsSeptember 1983

    14 Das Harvard-Konzept

  • Vorwort der Autoren zur Neuausgabe

    In den letzten zehn Jahren hat sich die Beschftigung mit Verhan-deln als Gegenstand von Wissenschaft und Beruf dramatisch aus-gedehnt. Es wurden neue theoretische Arbeiten verffentlicht so-wie Fallstudien und empirische Untersuchungen durchgefhrt.Vorzehn Jahren boten nur sehr wenige professionelle Schulen Kurse inVerhandeln an, jetzt sind sie fast berall im Lehrangebot. An Uni-versitten werden Fakultten benannt, die sich auf Verhandelnspezialisieren. In der Unternehmenswelt tun dies Beratungsfir-men.

    Gegenber dieser sich ndernden intellektuellen Landschaft ha-ben sich die Ideen in Das Harvard-Konzept gut behauptet. Sie ha-ben bei einer breiten Leserschaft betrchtliche Aufmerksamkeitund Akzeptanz gewonnen und werden hufig als Ausgangspunktfr andere Arbeiten zitiert. Erfreulicherweise haben sie auch frdie Autoren ihre berzeugungskraft behalten. Die meisten Fragenund Kommentare haben sich auf Bereiche konzentriert, in denendas Buch zweideutig war, oder in denen Leser spezifischeren Ratwollten. Wir haben versucht, in dieser revidierten Ausgabe diemeisten dieser Punkte anzusprechen.

    Statt an dem Text herumzubasteln (und die Leser, die ihn ken-nen, nach den nderungen suchen zu lassen), haben wir uns ent-schieden, neues Material in einem getrennten Abschnitt am Endedieser zweiten Ausgabe (als Teil IV) zu bringen. Der Haupttextbleibt gegenber dem Original vollstndig und unverndert, mitAusnahme von inflationsbedingten Aktualisierungen der Zahlen in

  • den Beispielen und von Neuformulierungen an einigen Stellen zumbesseren Verstndnis. Wir hoffen, dass die Zehn Leserfragen zuDas Harvard-Konzept sich als hilfreich erweisen und einigen dervon Lesern ausgedrckten Interessen entsprechen.

    Wir sprechen Fragen an ber (1) die Bedeutung und Grenzendes sachgerechten Verhandelns (mit praktischen, nicht morali-schen Ratschlgen), (2) den Umgang mit jemandem, der irratio-nal zu sein scheint oder dessen Wertesystem, Einstellungen oderVerhandlungsstil anders sind, (3) Taktiken, zum Beispiel wo mansich treffen soll, wer das erste Angebot machen sollte und wieman von der Entwicklung von Entscheidungsmglichkeiten zumEingehen von Verpflichtungen bergeht, und (4) ber die Rolleder Macht beim Verhandeln.

    Einige Themen mssen in anderen Bchern ausfhrlicher behan-delt werden, und zweifellos werden weitere Bcher folgen. Es gibtmit Sicherheit mehr zu sagen ber Macht, multilaterale Verhandlun-gen, kulturbergreifende Geschfte, persnliche Stile und viele an-dere Themen.

    Wir bedanken uns noch einmal bei Marty Linsky, dieses Mal frdie sorgfltige Durchsicht und Krzung unseres neuen Materials.

    Unser besonderer Dank geht an Doug Stone fr seine scharf-sichtige Kritik, Redaktion und gelegentliche Umformulierung meh-rerer Entwrfe dieses Materials. Er besitzt ein unheimliches Talent,uns bei einem unklaren Gedanken zu erwischen.

    Roger FisherWilliam UryBruce Patton

    16 Das Harvard-Konzept

  • Seit mehr als einem Dutzend Jahren arbeitet Bruce Patton mit unsan der Formulierung und Erluterung der in diesem Buch darge-stellten Ideen. Im vergangenen Jahr hat er die Mhe auf sich ge-nommen, unser gemeinsames Denken in einen gemeinsam verfas-sten Text umzuwandeln. Es ist uns ein Vergngen, Bruce, der beider ersten Ausgabe Redakteur war, als vollen Mitautor der zweitenAusgabe zu begren.

    R.F.W.U.

    Vorwort der Autoren zur Neuausgabe 17

  • Einleitung

    Ob Sie wollen oder nicht: Immer wieder mssen Sie verhandeln.Verhandeln ist Bestandteil unseres Lebens. Sie diskutieren mit ih-rem Chef ber eine Gehaltserhhung. Sie wollen mit einem Frem-den ber den Kaufpreis eines Hauses bereinkommen. Zwei An-wlte suchen einen Streit ber einen Autounfall beizulegen. EineGruppe von lfirmen plant die gemeinsame Erschlieung ksten-naher lvorkommen. Ein Vertreter der Stadtverwaltung trifft Ge-werkschaftsfhrer, um einen Verkehrsstreik abzuwenden. Der US-Auenminister sitzt seinem sowjetischen Kollegen gegenber undsucht mit ihm nach einer bereinkunft zur Begrenzung von Atom-waffen. Dies alles sind Verhandlungen.

    Jeder verhandelt ber irgendetwas, jeden Tag. Wie der MonsieurJordain bei Molire, der sich darber freute, als er erfuhr, dass ersein ganzes Leben lang Prosa gesprochen hatte, verhandeln dieMenschen auch dann, wenn sie gar nicht denken, dass sie es tun.Man verhandelt mit seinem Ehepartner, wohin man zum Abendes-sen gehen soll, und mit seinem Kind, wann das Licht ausgemachtwird. Verhandeln ist eine Grundform, Gewnschtes von anderenLeuten zu bekommen. Es ist wechselseitige Kommunikation mitdem Ziel, eine bereinkunft zu erreichen, wenn man mit der ande-ren Seite sowohl gemeinsame als auch gegenstzliche Interessenhat.

    Die Zahl der Flle, in denen Verhandlungen erforderlich sind,wchst stndig. Der Konflikt ist gerade heute eine Wachstums-industrie. Jeder mchte an Entscheidungen teilhaben, die ihn berh-

  • ren; immer weniger Menschen akzeptieren Entscheidungen, die vonirgendjemand anderem diktiert sind. Menschen sind unterschied-lich, und sie verhandeln, um ihre Unterschiede handhabbar zu ma-chen. Ob im Geschft, in der Regierung oder in der Familie: Diemeisten Entscheidungen werden durch Verhandlungen erreicht.Selbst wenn man vor Gericht zieht wird meist noch vor dem Urteilber eine Lsung verhandelt.

    Obwohl also jeden Tag verhandelt wird, ist Erfolg dabei garnicht leicht. Standardstrategien fr Verhandlungen sind oft unbe-friedigend oder erschpfen oder verstren die Menschen meistall dies zusammen.

    Die Menschen befinden sich in einem Dilemma. Sie kennenmeist nur zwei Verhandlungsarten: die harte oder die weiche. Der-jenige, der weich verhandelt, will persnliche Konflikte vermeidenund macht daher eher Zugestndnisse, um so eine bereinkunft zuerzielen: Er sucht nach einer friedlichen Lsung. Oft endet dasallerdings mit dem bitteren Gefhl, dass er ausgenutzt wird. Derhart Verhandelnde betrachtet jede Situation als einen Willens-kampf, in dem die Seite besser fhrt, die die extremere Position ein-nimmt und die lnger durchhlt. Er will gewinnen. Doch das endetoft damit, dass er eine ebenso harte Antwort bekommt, dass seineMittel sich erschpfen und seine Beziehungen zur anderen Seite inMitleidenschaft gezogen werden. Andere Standardstrategien beiVerhandlungen bewegen sich zwischen hart und weich, aber alle su-chen nach Kompromissen: einerseits soll das Gewnschte erreicht,andererseits das Auskommen mit den anderen Menschen nicht zer-strt werden.

    Es gibt einen dritten Weg beim Verhandlen, den man weder alshart noch als weich bezeichnen kann, sondern eher als hart undweich. Die Methode des sachbezogenen Verhandelns, die im Har-vard Negotiation Project entwickelt wurde, besteht darin, Streitfra-gen lieber nach ihrer Bedeutung und nach ihrem Sachgehalt zu ent-scheiden als in einem Prozess des Feilschens um das, was jede Seiteunbedingt zu wollen oder nicht zu wollen behauptet. Dabei muss

    20 Das Harvard-Konzept

  • man so weit wie mglich auf gegenseitigen Nutzen hinarbeiten unddort, wo Interessen einander widersprechen, darauf bestehen, dassdas Ergebnis auf Prinzipien beruht, die fair und vom beiderseitigenWillen unabhngig sind. Die Methode des sachbezogenen Verhan-delns ist hart in der Sache, aber weich gegenber den Menschen.Sie benutzt keine Tricks und kein Imponiergehabe. SachbezogenesVerhandeln zeigt Ihnen, wie Sie erreichen, worauf Sie Anrecht er-heben, und wie Sie dabei dennoch nicht grob vorgehen. Es ermg-licht Ihnen faires Verhalten und schtzt Sie gegen diejenigen, dieIhre Fairness ausnutzen wollen.

    Dieses Buch fhrt die Methode des sachbezogenen Verhandelnsvor. Das erste Kapitel beschreibt Probleme, die entstehen, wennman die Standardstrategie des Feilschens um Positionen benutzt.Die nchsten vier Kapitel legen die vier Prinzipien unserer Me-thode dar. Die folgenden drei Kapitel beantworten die hufigstenFragen zu dieser Methode: Was, wenn die andere Seite mchtigerist? Was, wenn die anderen nicht mitspielen wollen? Was, wenn sieschmutzige Tricks verwenden?

    Sachbezogenes Verhandeln kann von Diplomaten bei Rstungs-kontrollverhandlungen benutzt werden genauso wie von Anwltender Wall Street bei der Vertretung von ein paar hundert Gesell-schaften in Antitrust-Verfahren; Ehepartner knnen die Methodebei der Einigung ber das nchste Urlaubsziel ebenso verwendenwie bei der Gterteilung im Falle einer Scheidung. Alle knnendiese Methode benutzen.

    Jede Verhandlung ist anders als die andere. Aber die Grundele-mente ndern sich nicht. Sachbezogen verhandeln kann man unab-hngig davon, ob zwei Parteien mitspielen oder viele, ob es dabeiein vorgeschriebenes Ritual gibt, wie beim Feilschen, oder ein im-provisiertes Alles-ist-mglich, wie z. B. beim Gesprch mit Luftpi-raten. Die Methode ist anwendbar, ob die Gegenseite erfahrener istoder nicht, ob sie hart verhandelt oder eher zuvorkommend ist.Sachbezogenes Verhandeln ist eine fr alle Zwecke geeignete Stra-tegie. Im Gegensatz zu anderen Strategien wird ihre Handhabung

    Einleitung 21

  • nicht dadurch erschwert, dass die Gegenseite sie ebenfalls erlernt.Im Gegenteil: Sie wird dadurch sogar erleichtert. Um so besseralso, wenn die anderen dieses Buch ebenfalls lesen.

    22 Das Harvard-Konzept

    Anmerkung zum Begriff sachgerecht verhandeln: Es handelt sich um eine Verkr-zung des Ausdrucks principled negotiation. Besser, aber auch umstndlicher wredie bersetzung sach- und menschengerecht, noch genauer zielgerichtet undprozessbewusst, wobei sich das Ziel auf das Erreichen eines optimalen Verhand-lungsresultates und die Pflege der Beziehung bezieht; prozessbewusst meint dasBeherrschen der Vorgehensweise.

  • I

    Das Problem

  • Nicht um Positionen feilschen

    Egal, ob es bei Verhandlungen um Vertrge, Familienstreitigkeitenoder um Friedensgesprche zwischen Nationen geht, routinemigverfallen die Menschen in ein Feilschen um Positionen. Jede Seitenimmt einen bestimmten Standpunkt ein, kmpft dafr und machtdann Zugestndnisse, damit ein Kompromiss zustande kommt.Klassisches Beispiel fr ein solches Spiel ist das Feilschen zwischeneinem Kufer und dem Inhaber eines Trdelladens:

    Kufer Verkufer

    Wie viel wollen Sie fr dieseMessingschssel?

    Die ist schn antik, nicht wahr?Ich schtze, fr 190 Euro knnte ichsie verkaufen.

    Aber gehen Sie doch die ist ja ganz verbeult. Ich gebe Ihnen 40 Euro.

    Was?! Ich bin fr ein serises An-gebot gern zu haben. Das hier istaber wohl nicht Ihr Ernst?

    Gut, bis zu 50 Euro kann ich geben. Aber 190 Euro kommen nicht infrage. Machen Sie mir einen realistischen Preis.

    Sie feilschen aber wirklich hart, junge Frau. 150 Euro in bar, einverstanden?

  • Und so geht es immer weiter. Vielleicht werden sie sich einigen,vielleicht auch nicht.

    Jede Verhandlungsweise sollte man am besten aufgrund vondrei Kriterien bewerten: Sie sollte eine vernnftige bereinkunftzustande bringen sofern bereinkunft mglich ist. Sie sollte effi-zient sein. Und sie sollte das Verhltnis zwischen den Parteien ver-bessern oder zumindest nicht zerstren. (Eine vernnftige ber-einkunft kann man folgendermaen definieren: die legitimenInteressen jeder Seite werden in hchstmglichem Mae erfllt;eine gerechte Lsung bei Interessenkonflikten; sie ist von Dauerund stellt Beteiligten auch die Interessen der Allgemeinheit inRechnung.)

    Die hufigste Verhandlungsform, wie das Beispiel von eben il-lustriert, besteht darin, dass in einer gewissen Abfolge Positioneneingenommen und wieder aufgegeben werden.

    Die Einnahme von Positionen, die bei dem Kufer und dem Ge-schftsinhaber, ist fr manche Zwecke bei Verhandlungen durch-aus ntzlich. Sie zeigt der anderen Seite, was Sie wollen. Sie lieferteinen Fixpunkt in einer ansonsten unsicheren und drngenden Si-tuation; und sie kann eventuell Bedingungen fr eine annehmbarebereinkunft setzen. Aber das alles ist auch auf andere Weise er-reichbar. Feilschen um Positionen verfehlt die Grundkriterien ei-ner klugen, effizienten und gtlichen Einigung.

    26 Das Problem

    65 Euro.Die Schssel kostet mich dochselbst viel mehr. Machen Sie mirdoch ein serises Angebot.

    95 Euro. Das ist mein hchstes Angebot.

    Haben Sie die Gravur auf derSchssel gesehen? Nchstes Jahrsind solche Stcke das Doppelte von dem wert, was Sie heute dafr bezahlen.

  • Positionsgerangel provoziert unkluge Einigungen

    Verhandelnde, die um Positionen feilschen, tendieren dazu, sichschlielich in dieser Position selbst zu fangen. Je deutlicher Sie IhrePosition machen und dann gegen Angriffe verteidigen, um so str-ker sind Sie selbst daran gebunden. Je mehr Sie die Gegenseite da-von berzeugen, dass Sie Ihre Ausgangsposition nicht ndern kn-nen, um so schwerer wird es dann, dies doch noch zu tun. Ihr Ego,Ihr Ich, identifiziert sich mit Ihrer Position. Und nun haben Sie einInteresse daran, Ihr Gesicht zu wahren (indem Sie knftigeHandlungen auf Ihre frheren Positionen abstimmen), und es wirdimmer unwahrscheinlicher, dass eine bereinkunft dann noch dieursprnglichen Interessen der Parteien in vernnftigen Einklangbringen kann.

    Wie das Gerangel um Positionen Verhandlungen behindernkann, zeigte sich deutlich beim Abbruch der Gesprche unter Pr-sident Kennedy ber ein umfassendes Verbot von Atomversuchen.Es gab da eine kritische Frage: Wie viele Inspektionen auf dem je-weils gegnerischen Territorium sollten der Sowjetunion und denVereinigten Staaten gestattet sein, um Ermittlungen ber verdch-tige seismische Vorflle anzustellen? Die Sowjetunion stimmteschlielich drei Inspektionen zu. Die Vereinigten Staaten beharrtenauf mindestens zehn. Die Gesprche brachen ab, in der Ausein-andersetzung um Positionen. Und das, obwohl noch keiner wusste,ob Inspektion bedeutete, dass eine Einzelperson sich einen Tagdort umsehen soll, oder ob hundert Leute einen ganzen Monat languneingeschrnkt ihre Nase berall hineinstecken drfen. BeideParteien hatten kaum Versuche unternommen, einen Inspektions-ablauf zu entwerfen, der das Interesse der Vereinigten Staaten,Nachprfungen anzustellen, abstimmte mit dem Wunsch beiderLnder, die Einmischung so gering wie mglich zu halten.

    Je mehr Aufmerksamkeit man den Positionen widmet, um soweniger dringt man zu den dahinter liegenden Problemen der Par-teien vor. bereinkunft wird immer unwahrscheinlicher. Jede er-

    Nicht um Posit ionen fei lschen 27

  • reichte Vereinbarung spiegelt dann eher eine mechanische Auftei-lung unterschiedlicher End-Positionen wider als eine sorgfltig aus-getftelte Lsung unter Bercksichtigung legitimer Interessen derParteien. Das Ergebnis ist hufig eine bereinkunft, die fr beideSeiten weniger befriedigend ist, als es tatschlich mglich wre.

    Feilschen um Positionen ist ineffizient

    Mit der Standardmethode des Verhandelns mag man eine berein-kunft erzielen (wie bei dem Preis fr die Messingschssel) oder ei-nen Abbruch provozieren (wie bei der Zahl der gegenseitigen In-spektionen). In jedem Fall nimmt der Vorgang betrchtliche Zeit inAnspruch.

    Das Feilschen um Positionen bringt Regungen hervor, die eineKlrung hinauszgern. Bei einem solchen Streit um Positionentrachten Sie danach, Chancen fr Regelungen zu Ihren Gunstendadurch zu verbessern, dass sie mit einer extremen Position begin-nen und eigensinnig daran festhalten, dass Sie die Gegenseiteber Ihre wahre Position tuschen und kleine Zugestndnisse nurinsoweit machen, als sie fr den Fortgang der Verhandlungen not-wendig sind. Die Gegenseite verfhrt ebenso. All das behinderteine baldige Einigung. Je extremer die anfnglichen Positionenund je kleiner die Zugestndnisse, um so mehr Zeit und Mhewird es kosten herauszufinden, ob eine Einigung berhaupt mg-lich ist.

    Dieses Standardbeispiel erfordert auch eine groe Zahl indivi-dueller Entscheidungen, da jeder Verhandlungspartner immer wie-der neu bestimmen muss, was er anbietet, was er zurckweist, wieviele Zugestndnisse er machen muss. Entscheidungen zu fllen istschwierig und in jeder Hinsicht zeitraubend. Nun bedeutet jedeEntscheidung nicht nur ein Zugestndnis der anderen Seite gegen-ber, sondern bringt auch den Zwang zu knftigem Nachgeben mitsich; also hat der Verhandelnde wenig Anreiz zur Eile. Verschlep-

    28 Das Problem

  • pen, Drohen mit Abbruch, Mauern und andere derartige Taktikenwerden daher ganz allgemein angewandt. Die Sache wird damit indie Lnge gezogen; dabei aber wachsen die Kosten fr eine ber-einkunft und das Risiko, dass man zu keiner Vereinbarung kommt.

    Positionsgerangel birgt Gefahrenfr knftige Beziehungen

    Das Feilschen um Positionen wird zum Willenskampf. Jeder Verhan-delnde versichert, was er will und was er nicht will. Die Aufgabe, ge-meinsam eine annehmbare Lsung zu suchen, wird leicht zum Ge-fecht. Jede Seite versucht, durch bloe Willenskraft die andere zurnderung ihrer Positon zu veranlassen. Ich gebe nicht nach. Wenndu mit mir ins Kino gehen willst, dann in den Malteser Falken oder wir gehen gar nicht. rger und Verstimmung kommen auf,weil sich die eine Seite ohne Bercksichtigung der eigenen legiti-men Interessen dem unbeugsamen Willen der anderen unterworfensieht. Das Feilschen um Positionen belastet so die Beziehung zwi-schen den Parteien und zerstrt sie mitunter gar. Unternehmen, diejahrelang zusammengearbeitet haben, trennen sich, Nachbarn re-den nicht mehr miteinander. Der bittere Nachgeschmack solcherZusammenste kann ein Leben lang weiterwirken.

    Sind mehr als zwei Parteien an Verhandlungenbeteiligt, ist Feilschen um Positionen noch schlechter

    Man kann Verhandlungsstile so untersuchen, als wren stets nurzwei Partner daran beteiligt. Sie und die Gegenseite. Das ist be-quem; nur sind in Wirklichkeit eben meist mehr als nur zwei Perso-nen in die Verhandlungen verwickelt. Schon am Verhandlungstischsind mglicherweise mehrere Parteien anwesend, auerdem kannjeder Partner auch Hintermnner, Vorgesetzte, Ausschsse oder

    Nicht um Posit ionen fei lschen 29

  • Komitees um sich haben, mit denen er auskommen muss. Je mehrLeute an einer Verhandlung beteiligt sind, um so mehr erschwertdas Feilschen um Positionen eine Einigung.

    Wenn, wie bei vielen Konferenzen der Vereinten Nationen, gar150 und mehr Delegationen verhandeln, ist das Gerangel um Posi-tionen nahezu unmglich. Da knnen alle ja sagen nur einersagt nein, und das reicht. Gegenseitige Konzessionen sind schwie-rig: wem gegenber macht man sie denn? Tausende von bilateralenAbsprachen kommen bei einer multilateralen bereinkunft zukurz. In solchen Situationen treibt Positionsgerangel lediglich zurBildung von Koalitionen zwischen Parteien mit partiell gemeinsa-men Interessen, die aber wiederum oft eher symbolischer als sub-stanzieller Art sind. In den Vereinten Nationen kommen dann Ver-handlungen zwischen dem Norden und dem Sden oderdem Osten und dem Westen dabei heraus. Jede dieser Grup-pen besteht aus vielen Mitgliedern, und da ist die Entwicklung ei-ner gemeinsamen Position besonders schwer. Schlimmer noch:wenn in schmerzlichen Prozessen endlich eine gemeinsame Politikerarbeitet und abgesegnet wurde, kommt man noch schwerer da-von wieder herunter. Die nderung einer einmal eingenommenenPosition wird noch problematischer, wenn die im Hintergrund Be-teiligten die eigentlich Entscheidenden sind, die trotz ihrer Abwe-senheit vom Verhandlungsort ihre Zustimmung geben mssen.

    Nett sein ist auch keine Lsung

    Vielen Menschen ist der hohe Preis bewusst, den hartes Streiten umPositionen erfordert. Die Konsequenzen, die es fr die Parteien undihre Beziehungen hat, hoffen sie durch einen freundlicheren Ver-handlungsstil vermeiden zu knnen. Sie sehen in der Gegenseitenicht ihre Widersacher, sondern betrachten sie als Freunde. Statt Sie-gestore zu bejubeln, betonen sie die Notwendigkeit, bereinknftezu erzielen. Solch weiche Verhandlungsart besteht darin, schrittweise

    30 Das Problem

  • Angebote und Zugestndnisse zu unterbreiten, der anderen Seite zutrauen, nett zu sein und Konfrontationen zu vermeiden.

    Die folgende bersicht illustriert zwei Stilarten im Feilschen umPositionen, die weiche und die harte. Die meisten Menschen mei-nen, dass sie in ihrer Verhandlungsstrategie nur zwischen diesenbeiden Stilarten whlen knnen. Wenn Sie die bersicht ansehen,knnen Sie bestimmen, ob Sie eher zur harten oder weichen Artneigen, oder ob Sie vielleicht irgendwo einen Mittelweg suchen.

    Welche Rolle wrden Sie im Feilschenum Positionen bernehmen?

    Nicht um Posit ionen fei lschen 31

    Weich Hart

    Die Teilnehmer an der Verhand- Die Teilnehmer sehen sich als lung betrachten einander als GegnerFreunde

    Ziel ist eine bereinkunft mit der Ziel ist der Sieg ber die Gegen-Gegenseite seite

    Konzessionen werden zur Ver- Konzessionen werden zur Vor-besserung der Beziehungen ge- aussetzung der Beziehung selbstmacht

    Gtliche Einstellung zu den Harte Einstellung zu denMenschen und Problemen Menschen und Problemen

    Vertrauen zu den anderen Misstrauen gegenber denanderen

    Bereitwillige nderung der Beharren auf der eigenenPosition Position

    Angebote werden unterbreitet Es erfolgen Drohungen

    Die Verhandlungslinie wird offen Die Verhandlungslinie bleibtgelegt verdeckt

  • Der weiche Verhandlungsstil betont die Wichtigkeit des Aufbausund der Pflege von Beziehungen. Das geschieht vor allem bei Ver-handlungen innerhalb von Familien und zwischen Freunden. Oftzeitigt das auch tatschlich schnelle und wirkungsvolle Ergebnisse.Wenn jeder mit dem anderen freundlich und zuvorkommend um-geht, wird eine bereinkunft wahrscheinlicher, jedoch muss diesnicht unbedingt auch eine vernnftige bereinkunft sein. Aller-dings muss es auch nicht immer so tragisch ausgehen wie in der fol-genden Geschichte eines armen Ehepaares, in der die liebendeFrau ihr Haar verkauft, um fr ihren Mann eine schne Uhrkettezu besorgen, whrend der uneingeweihte Mann seine Uhr verkauft,um einen wunderbaren Kamm fr die Haare seiner Frau zu erste-hen. Dennoch droht jede Verhandlung, bei der den gegenseitigenBeziehungen ein hoher Rang eingerumt wird, eine recht ver-schwommene bereinkunft hervorzubringen.

    Ernster noch ist eine andere Gefahr: durch weiches und freund-liches Verhandeln werden Sie leichte Beute fr jeden, der seiner-seits hart um Positionen kmpft. Beim Streit um Positionen ist dieharte Linie der weichen berlegen. Wenn der eine hart feilscht undauf Konzessionen besteht, gar zu Drohungen greift, und der weicheVerhandlungspartner Konfrontationen vermeiden will und auf

    32 Das Problem

    Einseitige Zugestndnisse werden Einseitige Gewinne werden alsum der bereinstimmung willen Preis fr die bereinkunftin Kauf genommen gefordert

    Suche nach der einzigen Antwort, Suche nach der einzigen Antwort,welche die anderen akzeptieren die ich akzeptiere

    Bestehen auf einer bereinkunft Bestehen auf der eigenen Position

    Willenskmpfe werden zu ver- Der Willenskampf muss ge-meiden gesucht wonnen werden

    Starkem Druck wird nachgegeben Starker Druck wird ausgebt

  • bereinknfte hofft, entscheidet sich das Spiel zugunsten des har-ten Partners. Eine bereinkunft wird dabei herauskommen, eswird jedoch keine vernnftige sein. Sie wird mit Sicherheit fr denharten Positionskmpfer vorteilhafter sein als fr den weichen.Wenn Sie anhaltendem Positionsfeilschen mit sanftem Verhaltenantworten, werden Sie wahrscheinlich auch noch Ihr letztes Hemdverlieren.

    Es gibt eine Alternative

    Wenn Ihnen die Wahl zwischen Hart und Weich beim Streit um Po-sitionen nicht zusagt, knnen Sie den ganzen Vorgang verndern.

    Verhandeln spielt sich auf zwei Ebenen ab. Einerseits bezieht essich auf die Substanz, den Verhandlungsgegenstand. Auf der ande-ren Ebene rckt der Prozess des Umgehens mit dieser Substanz inden Brennpunkt des Verhandelns, die Verfahrensweise. Die ersteVerhandlungsebene betrifft etwa Ihr Gehalt, Bedingungen einesMietvertrags oder einen zu entrichtenden Preis. Die zweite Ver-handlungsebene zielt auf die Art, wie Sie die Kernfrage behandelnwollen: weich oder hart um Positionen feilschen oder sonst aufirgendeine andere Weise. Diese zweite Verhandlungsebene ist ge-wissemaen ein Spiel ums Spiel ein Meta-Spiel. Jeder Zuginnerhalb einer Verhandlung ist nicht nur ein Schritt, der die Miete,das Gehalt oder eine andere Kernfrage betrifft; er strukturiert auchgleichzeitig die Regeln Ihres Spiels mit. Man kann damit die Ver-handlungen in der bisherigen Bahn halten; man kann aber damitauch einen Gegenzug auslsen, der das ganze Spiel ndert.

    Diese zweite Verhandlungsebene entzieht sich weitgehend derKenntnis, weil sie offenbar nicht im Bereich bewusster Entschei-dungen liegt. Erst wenn man mit einem Auslnder verhandelt, dervielleicht noch dazu einen anderen kulturellen Hintergrund hat,steht man hufiger vor der Notwendigkeit, allgemein anerkannteVorgehensweisen fr die substanziellen Fragen zu erarbeiten. Be-

    Nicht um Posit ionen fei lschen 33

  • wusst oder nicht: mit jedem Zug, den Sie tun, verhandeln Sie auchber die Regeln des Verhandlungsablaufs bzw. der Verfahrens-weise, auch wenn sich ein solcher Zug ausschlielich auf die Sacheselbst zu beziehen scheint.

    Die Antwort auf die Frage, ob man lieber weich oder lieber hartum Positionen feilschen sollte, lautet: weder das eine noch das an-dere. ndern Sie das Spiel. Im schon genannten Harvard Negotia-tion Project haben wir eine Alternative zum Feilschen um Positio-nen entwickelt, eine Verhandlungsmethode, die mit effizienten undgtlichen Verfahrensweisen ausdrcklich auf vernnftige Ergeb-nisse abzielt. Wir nennen dies sachbezogenes Verhandeln oder Ver-handeln nach Sachlage (principled negotiation bzw. negotiation onthe merits). Es beruht im Wesentlichen auf vier Grundaspekten.

    Diese vier Punkte bestimmen eine, unter allen denkbaren Um-stnden anwendbare, offene und ehrliche Verhandlungsmethode.Jeder dieser vier Aspekte bezieht sich auf ein Grundelement desVerhandelns und zeigt deutlich, wie man damit umgehen soll.

    Menschen: Menschen und Probleme getrennt voneinanderbehandeln!

    Interessen: Nicht Positionen, sondern Interessen in denMittelpunkt stellen!

    Mglichkeiten: Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmg-lichkeiten entwickeln!

    Kriterien: Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungs-prinzipien aufbauen!

    Der erste Punkt bezieht sich darauf, dass menschliche Wesen keineRoboter sind.Wir haben starke Emotionen, aber hufig sehr unter-schiedliche Vorstellungen und haben Schwierigkeiten, uns klar zuverstndigen. blicherweise werden Emotionen mit der objektivenSachlage des Problems versponnen. Wenn dann noch Positioneneingenommen werden, verschlimmert das die Sache weiter, denndas Ich der Menschen identifiziert sich mit ihren Positionen.Vor je-

    34 Das Problem

  • der Errterung der Sachlage sollte daher das menschliche Pro-blem abgelst und getrennt davon behandelt werden. Bildlich ge-sprochen sollten sich die Partner Seite an Seite sehen, wie sie ge-meinsam das Problem angehen und nicht, wie sie aufeinanderlosgehen. Erste Voraussetzung also: Menschen und Probleme ge-trennt behandeln.

    Der zweite Punkt soll die Beeintrchtigungen beseitigen, diedurch Konzentration auf Positionen entstehen, damit bei der Ver-handlung, die jeweils dahinter stehenden Interessen befriedigt wer-den knnen. Verhandlungspositionen verdecken oft das, was Siewirklich wollen. Ein Kompromiss zwischen Positionen bercksich-tigt hchstwahrscheinlich nicht die menschlichen Bedrfnisse, diezu eben diesen Positionen gefhrt haben. Der zweite Grundaspektheit also: Konzentration auf Interessen, nicht auf Positionen.

    Der dritte Punkt bezieht sich auf Mglichkeiten, optimale Lsun-gen selbst unter Druck zu erzielen. Wenn Ihr Gegner bei Ihrer Ent-scheidung anwesend ist, so schmlert das Ihre eigenen Aussichten.Grenzlinien und die Suche nach der einen richtigen Lsung behin-dern jegliche Kreativitt. Entgehen Sie diesen Zwngen. Ziehen Siesich eine bestimmte vereinbarte Zeit zurck und denken Sie berdie ganze Palette mglicher Lsungen nach, die alle gemeinsamenInteressen bercksichtigen und unterschiedliche Anliegen miteinan-der in Einklang bringen. Daher Punkt drei: Vor dem Versuch, einbereinkommen abzuschlieen, nach Mglichkeiten fr gegenseiti-gen Nutzen suchen.

    Wo Interessen einander unmittelbar widersprechen, erreichtmglicherweise ein Verhandlungspartner ein fr ihn gnstiges Er-gebnis einfach durch Sturheit. Unzugnglichkeit wird damit belohnt,und willkrliche Ergebnisse kommen dabei heraus. Einem solchenVerhandlungspartner treten Sie am besten mit der Erklrung entge-gen, dass sein einseitiges Gerede hier nicht genge, und dass einebereinstimmung fairen Mastben entsprechen msse, die wiede-rum unabhngig vom bloen Willen der einen oder anderen Seitesind. Das heit nicht, dass die Bedingungen nur auf Prinzipien beru-

    Nicht um Posit ionen fei lschen 35

  • hen mssen, die Sie auswhlen, sondern nur, dass die Lsung von fai-ren Mastben bestimmt wird, etwa durch den Marktwert oder eineExpertenmeinung, durch Sitten, Rechtsnormen etc. Diskutiert mandiese Kriterien (anstatt der Wnsche der Parteien), so muss amEnde keine von ihnen nachgeben: einer fairen Lsung knnensich beide unterwerfen. Vierter Punkt daher: Auf der Anwendungneutraler Beurteilungskriterien bestehen.

    In der folgenden Tabelle ist das harte bzw. weiche Feilschen umPositionen der Methode des sachbezogenen Verhandelns gegen-bergestellt. Darin sind die vier Punkte dieser Methode kursiv her-vorgehoben.

    Die vier Grundvoraussetzungen sachbezogenen Verhandelnssind relevant von dem Moment an, wo Sie ber die Sache nachzu-denken beginnen bis hin zu dem Zeitpunkt, wo eine bereinkunfterreicht ist oder Sie den Versuch aufgeben. Dieser gesamte Zeit-raum teilt sich in drei Abschnitte ein:Analyse, Planung, Diskussion.

    36 Das Problem

    Problem Lsung

    Welche Rolle wrden Sie im Feilschen um ndern Sie das Spiel Positionen bernehmen? Verhandeln Sie sach-

    bezogen

    Weich Hart Sachbezogen

    Die Teilnehmer an der Die Teilnehmer sind Teilnehmer sind Pro-Verhandlung sind Gegner blemlserFreunde

    Ziel: bereinkunft mit Ziel: Sieg ber die Ge- Ziel: vernnftiges, effi-der Gegenseite genseite zient und gtlich er-

    reichtes Ergebnis

    Konzessionen werden Konzessionen werden Menschen und Pro-zur Verbesserung der als Voraussetzung der bleme getrennt be-Beziehung gemacht Beziehungen gefordert handeln

  • Nicht um Posit ionen fei lschen 37

    Weiche Einstellung zu Harte Einstellung zu Weich zu den Men-Menschen und Pro- Menschen und Pro- schen, hart in der blemen blemen Sache

    Vertrauen zu den Misstrauen gegenber Unabhngig von Ver-anderen den anderen trauen oder Miss-

    trauen vorgehen

    Bereitwillige nderung Beharren auf der eige- Konzentration auf der Position nen Position Interessen, nicht auf

    Positionen

    Angebote werden Drohungen erfolgen Interessen erkundenunterbreitet

    Die Verhandlungslinie Die Verhandlungslinie Verhandlungslinie wird offen gelegt bleibt verdeckt vermeiden

    Einseitige Zugestnd- Einseitige Vorteile wer- Mglichkeiten fr ge-nisse werden um der den als Preis fr die genseitigen Nutzenbereinkunft willen in bereinkunft gefordert suchenKauf genommen

    Suche nach der einzigen Suche nach der einzigen Unterschiedliche Wahl-Antwort, die die ande- Antwort, die ich akzep- mglichkeiten suchen; ren akzeptieren tiere erst danach entscheiden

    Bestehen auf einer Bestehen auf der eige- Bestehen auf objekti-bereinkunft nen Position ven Kriterien

    Willenskmpfe werden Der Willenskampf muss Ein Ergebnis unabhn-vermieden gewonnen werden gig vom jeweiligen Wil-

    len zu erreichen suchen

    Starkem Druck wird Starker Druck wird aus- Vernunft anwenden nachgegeben gebt und der Vernunft ge-

    genber offen sein; nursachlichen Argumentenund nicht irgendwel-chem Druck nachgeben

  • Whrend der Analyse versuchen Sie lediglich die Situation zu er-kennen. Sie holen Informationen ein, ordnen sie und denken dar-ber nach. Sie sollten die menschlichen Probleme betrachten, dieden parteiischen Vorstellungen, abweisenden Gefhlen und manchunklarer Verstndigung zugrunde liegen: Darber hinaus solltenSie auch Ihre eigenen Interessen ebenso wie die der Gegenseite be-stimmen.Am besten notieren Sie sich schon mal Ihre Wnsche undMglichkeiten und legen Kriterien fest, die sich als Basis fr einebereinkunft eignen. Whrend der Planungsperiode haben Sie er-neut mit denselben vier Elementen zu tun. Dabei sollten Sie nunVorstellungen entwickeln und entscheiden, was zu tun ist. Auf wel-che Weise behandeln Sie die menschlichen Probleme am besten?Welche Ziele sind erreichbar? Am besten entwickeln sie zustzli-che Wahlmglichkeiten und Kriterien, zwischen denen Sie ent-scheiden knnen.

    Auch whrend der Diskussion wenn die Parteien miteinanderverhandeln und auf eine Lsung hinarbeiten eignen sich dieselbenvier Elemente am besten als Verhandlungsgrundlage. Unterschiedli-che Vorstellungen sowie Frustrationsgefhle, rger, Kommunika-tionsschwierigkeiten, all das kann man erkennen und artikulieren.Jede Seite sollte die Interessen der anderen verstehen lernen. Ge-meinsam kann man dann Wahlmglichkeiten entwickeln, die frbeide Parteien vorteilhaft sind und bereinknfte auf der Grund-lage objektiver Prinzipien suchen, um die entgegengesetzten Inte-ressen zu vershnen.

    Alles in allem: Anders als beim Feilschen um Positionen bringtdie Methode des sachbezogenen Verhandelns durch die Einbezie-hung grundlegender Interessen, durch gegenseitig befriedigendeZielvorstellungen und faire Entscheidungsmastbe eine vernnf-tige bereinkunft hervor. Man erreicht damit einen steigendenKonsens gemeinsamer Entscheidung und zwar auf effiziente Artund Weise ohne all die hohen Unkosten, die dadurch entstehen,dass man sich zuerst in einer Position eingrbt, um sich hernachwieder auszubuddeln. Trennt man die Behandlung der Menschen

    38 Das Problem

  • von der Behandlung des Problems, so kann man den Partner un-mittelbar und ausdrcklich als menschliches Wesen angehen. Da-durch wird dann auch eine gtliche bereinkunft mglich.

    Die folgenden vier Kapitel behandeln jeweils einen dieser viergrundlegenden Punkte. Wenn Sie an irgendeiner Stelle skeptischoder verwirrt werden, berschlagen Sie die nchsten Seiten undfinden dann in den letzten drei Kapiteln Antworten auf Fragen, diejeweils am hufigsten zu diesen Problemen gestellt werden.

    Nicht um Posit ionen fei lschen 39

  • II

    Die Methode

  • 1Menschen und Probleme getrenntvoneinander behandeln

    Wie jeder wei, lassen sich die meisten Probleme nur schwer be-wltigen, ohne dass Menschen einander missverstehen, sich rgern,aufregen und die Dinge persnlich nehmen.

    Ein Betriebsrat zu seinen Leuten: Also, wer hat zur Arbeitsnie-derlegung aufgerufen?

    Schmidt tritt vor. Ich.Wieder war dieser Mistkerl, der Vorarbei-ter Meier, dran schuld. Zum fnften Mal in zwei Wochen hat ermich jetzt von unserer Gruppe weggeholt, und ich musste an-derswo jemanden vertreten. Immer hat ers mit mir; ich hab keineLust mehr.Warum soll immer ich die Dreckarbeit tun?

    Der Gewerkschafter spricht Meier an: Warum nehmen Sie im-mer gerade Schmidt? Er sagt, dass Sie ihn schon fnfmal in zweiWochen zur Vertretung abgeordnet haben. Was ist denn eigentlichlos?

    Meier: Ich nehme Schmidt, weil er mein bester Mann ist. Erkann meines Erachtens eine Gruppe jederzeit auf Vordermannbringen, wenn deren Leiter fehlt. Ich setze ihn auch nur dann ein,wenn irgendwo wirklich der wichtigste Arbeiter fehlt, sonst nehmeich Mller oder sonst jemanden. Aber zurzeit fehlen eine Mengewichtige Leute, weil berall die Grippe grassiert. Mir war auchnicht klar, dass der Schmidt was dagegen hat. Ich dachte, er trgtgern Verantwortung.

    Eine andere konkrete Situation. Der Rechtsanwalt einer Versi-cherungsgesellschaft spricht mit dem zustndigen Referenten derAufsichtsbehrde:

  • Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie Zeit fr mich haben. Ich mchtemit Ihnen ber ein paar Probleme mit der Prsumptivklausel beider Regulierung von Haftpflichtfllen sprechen. Die Formulierungder Klausel benachteiligt offenbar diejenigen Vesicherer, deren Po-licen derzeit Regulierungsgrenzen enthalten. Wir wrden gerne malfragen, wie man das ndern kann ...

    Der Beamte unterbricht: Herr Bernhard, Ihre Gesellschafthatte doch lange genug Gelegenheit, whrend der Hearings smtli-che Einwnde in meiner Abteilung vorzutragen, ehe das Ganze be-schlossen wurde. Ich habe diese Hearings selbst durchgefhrt, HerrBernhard. Ich habe jedes Wort der Sachverstndigen gehrt undden Schlussbericht darber persnlich verfasst. Wollen Sie sagen,dass ich da etwas falsch gemacht habe?

    Nein, aber ...Wollen Sie sagen, dass ich da unfair war?Natrlich nicht, aber ich denke, diese Regelung hatte Konse-

    quenzen, die niemand von uns vorausgesehen hat, und ...Hren Sie mal, Herr Bernhard, als ich diesen Job bernahm,

    habe ich ffentlich versprochen, mit diesen tdlichen Haartrock-nern und den 30 000-Euro-Bomben, die man Autos nennt, auf-zurumen. Und die neuen Vorschriften haben genau das erreicht.Ihre Gesellschaft hat mit dem Haftpflichtgesetz im letzten Jahre 50 Millionen Euro Profit gemacht. Halten Sie mich fr einen Nar-ren, dass ich hier herkomme und dann ber unfaire Vorschriftenund unvorhergesehene Konsequenzen palavere? Ich will davonnichts mehr hren. Guten Tag, Herr Bernhard.

    Was nun? Soll der Versicherungsanwalt den Beamten in die-sem Fall unter Druck setzen und in Kauf nehmen, dass er sichrgert und man vielleicht gar nichts erreicht? Die Versicherungs-gesellschaft ist an vielen Geschften interessiert, und gute Bezie-hungen zum zustndigen Beamten sind wichtig. Oder soll er dieSache auf sich beruhen lassen, obwohl er die Vorschrift fr unfairhlt und meint, dass sie langfristig auch gegen das ffentlicheInteresse verstt, und obwohl er sicher ist, dass auch die Ex-

    44 Die Methode

  • perten whrend der Hearings dieses Problem nicht erkannt hat-ten?

    Was passiert in solchen Fllen?

    Verhandlungspartner sind zuallererst Menschen

    Ob juristische Auseinandersetzungen oder internationale Verhand-lungen eine Grundtatsache wird leicht vergessen: dass dieGegenseite nicht aus abstrakten Reprsentanten besteht, sondernaus Menschen. Sie werden von Gefhlen geleitet, von tief verwur-zelten Werten. Sie stammen aus unterschiedlichen Bereichen, ver-treten gegenstzliche Standpunkte, und sie sind nicht vorausbere-chenbar. Fr Sie selbst gilt das brigens ganz genauso.

    Dieser menschliche Aspekt kann beim Verhandeln ntzenoder aber auch stren. Die Erarbeitung der bereinkunft schafftmglicherweise aufgrund psychologischer Verbundenheit wech-selseitig befriedigende Ergebnisse. Ein zunehmend engeres Ver-hltnis, in dem Vertrauen, Verstndnis, Respekt und Freundschaftber lange Zeit hinweg aufgebaut werden, erleichtert vielleichtjede neue Verhandlung und macht sie effizienter. Menschen sehensich selbst gern in bestem Licht und achten auf die Wertschtzungdurch die anderen. Das macht sie oft aufgeschlossener fr dieInteressen des Verhandlungspartners. Aber Menschen knnenauch rgerlich, niedergeschlagen, ngstlich, frustriert, beleidigtsein. Ihr Ich wird leicht erschttert. Sie sehen die Welt im Licht ih-res eigenen Vorteils und verwechseln recht oft ihre Vorstellungenmit der Realitt. Gewhnlich interpretieren die anderen IhreWorte nicht in Ihrem Sinn und verstehen daher auch nicht, wasSie ihnen sagen wollten. Missverstndnisse provozieren Vorur-teile und Reaktionen, die wiederum Gegenreaktionen auslsen ein endloser Kreislauf beginnt.Vernnftige Lsungsversuche wer-den unmglich; die Verhandlungen scheitern. Das ganze Spielzielt dann nur noch darauf, Punkte zu sammeln, negative Eindr-

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 45

  • cke zu verstrken und die Schuld zu verteilen; alles auf Kosten dersachlichen Interessen beider Seiten.

    Fhlt man sich beim Umgang mit anderen nicht in derenmenschliche Seite ein, wird das mglicherweise fr die Verhand-lung verhngnisvoll. Was immer man auch gerade bei einer Ver-handlung von Anfang bis Ende unternimmt, man sollte sich fragen:Achte ich gengend auf die menschlichen Probleme?

    Jeder Verhandlungspartner hat zweiGrundinteressen: Das eine bezieht sich auf den Verhandlungsgegenstand, das andere auf die persnlichen Beziehungen

    Jeder Verhandlungspartner sucht nach bereinknften, die seinesachlichen Interessen befriedigen. Darum verhandelt er ja. Dar-ber hinaus hat er aber auch ein Interesse an seiner Beziehung zurGegenseite. Der Antiquittenhndler mchte Profit machen undzugleich den Kufer als Stammkunden gewinnen. Zumindest willjeder Verhandlungspartner bestehende Beziehungen so gut erhal-ten, dass womglich ein annehmbares bereinkommen gemden beiderseitigen Interessen zustande kommt. Normalerweisegeht es aber um mehr. Die meisten Verhandlungen finden imRahmen einer dauernden Beziehung statt. Es ist daher wesent-lich, jede Verhandlung so zu fhren, dass die knftigen Beziehun-gen und knftigen Verhandlungen gefrdert und nicht etwa be-eintrchtigt werden. Tatschlich ist die Aufrechterhaltung derBeziehung zu langjhrigen Kunden, Geschftspartnern, Familien-mitgliedern, Berufskollegen, Beamten oder anderen Nationenweit wichtiger als das Ergebnis irgendeiner speziellen Verhand-lung.

    46 Die Methode

  • Persnliche Beziehungen vermischen sich leichtmit den anstehenden Problemen

    Eine wichtige Konsequenz des Problems Mensch besteht beimVerhandeln darin, dass persnliche Beziehungen zwischen den Par-teien leicht mit sachlichen Auseinandersetzungen vermengt wer-den. Ob wir geben oder nehmen wir tendieren immer dazu, Men-schen und Probleme in einen Topf zu werfen.Wenn in einer Familieder Satz fllt Die Kche ist ein einziges Durcheinander oderUnser Konto ist berzogen, so mag damit schlichtweg ein be-stimmtes Problem gemeint sein, aber man kann es auch leicht alspersnlichen Angriff verstehen. Der rger ber eine missliche Si-tuation verleitet einen leicht, seinen Unmut gegenber Menschenauszudrcken, mit denen sich dies alles verbindet. Oft bezieht mandas Ich in sachliche Positionen mit ein.

    Ein anderer Grund fr die Vermischung der sachlichen Pro-bleme mit psychologischen Aspekten liegt darin, dass Menschengerne aus sachlichen Erklrungen unzulssige Folgerungen ablei-ten, die sie dann als Belege fr die Absichten und Vorstze derGegenseite ansehen. Selbst bei aller Vorsicht luft dieser Prozessfast automatisch ab. Wir nehmen nur selten an, dass die Darlegun-gen der anderen wirklich so gemeint sind. Beim Beispiel mit demBetriebsrat glaubte Schmidt, dass der Vorarbeiter es auf ihn abge-sehen hatte whrend Meier dachte, ihm durch die bertragungvon Verantwortung Anerkennung zu zollen und einen Gefallen zuerweisen.

    Feilschen um Positionen bringt persnlicheBeziehungen und Sachprobleme in Kollision

    Wird eine Verhandlung zum Kampf ber den strkeren Willen beider Behauptung von Positionen, wirkt sich der Vermischungspro-zess noch verhngnisvoller aus. Ich betrachte Ihre Position als Er-

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 47

  • klrung, die aussagt, wie Sie sich den Ausgang der Verhandlungwnschen. Fr mich beweist das, wie wenig Sie sich um unsere Be-ziehungen kmmern. Nehme ich selbst eine harte Position ein, dieSie fr unvernnftig halten, so nehmen Sie an, dass dies auch frmich eine extreme Ausgangsstellung darstellt, und schlieen dar-aus, dass mir unsere Beziehungen und Sie selbst nicht sonder-lich viel bedeuten.

    Feilschen um Positionen betrifft also die sachlichen Interessendes Verhandlungspartners ebenso wie die guten Beziehungen zu ihm und beides wird nun gegeneinander ausgespielt.Wenn fr Ihre Ver-sicherungsgesellschaft langfristig die Beziehung zum staatlichenAufsichtsbeamten wichtig ist, werden Sie wahrscheinlich das Sach-problem auf sich beruhen lassen. Wenn es mehr um eine vorteilhafteLsung als um den Respekt oder die Zuneigung zur Gegenseitegeht, knnen Sie natrlich die Beziehung zugunsten der Sache auchhintanstellen. Wenn Sie diesen Punkt nicht akzeptieren, ist Schluss.Das war dann das letzte Mal, dass wir miteinander verhandelt ha-ben. Allerdings wird auch das Nachgeben in einer Kernfrage nichtautomatisch Freundschaft einbringen. Es kann mglicherweise auchdie Gegenseite davon berzeugen, dass man Sie ausnutzen kann.

    Trennen Sie persnliche Beziehungen vonder Sachfrage. Kmmern Sie sich unmittelbarum das Problem Mensch

    Mit Sachproblemen fertig zu werden und dennoch gleichzeitig guteBeziehungen aufrechtzuerhalten muss nicht konfliktreich sein.Beide Seiten mssen sich lediglich verpflichten und dazu auchpsychologisch in der Lage sein , beides getrennt voneinander undnach dem Gesichtspunkt der jeweiligen Legitimitt zu behandeln.Grnden Sie die Beziehung auf genaue Vorstellungen, unzweideu-tige Kommunikation, sachbezogene Gefhle und vorausweisendezielstrebige Perspektiven. Kmmern Sie sich unmittelbar um das

    48 Die Methode

  • Problem Mensch. Versuchen Sie nicht, es durch Zugestndnissein der Sache zu lsen.

    Wenn es um psychologische Probleme geht, sollten Sie auchpsychologische Techniken benutzen. Wenn die Vorstellungen nichtprzise sind, suchen Sie nach einer Przisierung. Wenn die Emotio-nen hochgehen, finden Sie Wege zum Abbau der Erregung fr alle.Gibt es Missverstndnisse, verbessern Sie die Kommunikation.

    Drei Grundbegriffe sind auf dem Weg durch das Dickicht desProblems Mensch fr Ihr Denken ntzlich: Vorstellung, Emo-tion, Kommunikation. All die verschiedenen Probleme fallen untereinen dieser Aspekte.

    Beim Verhandeln vergisst man brigens auch leicht, sich nichtnur um die menschlichen Probleme der anderen zu kmmern, son-dern auch um die eigenen. Ihr rger und Ihre Frustration knnensehr wohl auch eine fr Sie gnstige bereinkunft verhindern. Oftgenug werden Ihre Vorstellungen einseitig sein, und mglicher-weise hren Sie manchmal auch nicht richtig zu. Die Techniken, diewir im Folgenden anfhren, beziehen sich daher ebenso auf IhreProbleme wie auch auf die der Gegenseite.

    Vorstellungen

    Das Verstndnis fr das Wie und Was im Denken der Gegenseite istnicht nur ntzlich fr die Lsung Ihres Problems. Was die Gegenseitedenkt, ist Ihr Problem. Ob Sie ein Geschft machen oder einen Streitschlichten: die Differenzen bestimmen sich immer als der Unterschiedzwischen Ihrem Denken und dem der Gegenseite. Wenn zwei Perso-nen streiten, geht es gewhnlich um einen Gegenstand z. B. erhebenbeide Anspruch auf dieselbe Uhr oder um ein Ereignis wenn jederbehauptet, der andere habe den Autounfall verschuldet. Genauso istes bei der Auseinandersetzung von Nationen: Marokko und Algerienstritten ber einen Teil der West-Sahara, Indien und Pakistan ber dieEntwicklung der Atombomben der jeweiligen Gegenseite.

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 49

  • In solchen Situationen suchen viele dadurch weiter zu kommen,dass sie den Gegenstand oder das Ereignis intensiver untersuchen.Sie betrachten die Uhr genauer oder messen die Bremsspuren amUnfallort. Sie befassen sich mit der West-Sahara oder der genauenGeschichte der Atomwaffenentwicklung in Indien und Pakistan.

    Der Konflikt liegt jedoch schlielich nicht in der objektivenWirklichkeit sondern in den Kpfen der Menschen. Entdeckt manWahrheiten, so ist das sicher ein zustzliches Argument manch-mal ein gutes, manchmal weniger gut zur Behandlung des Falles.Die Differenzen selbst aber existieren nur, weil die Menschen sie inihren Kpfen denken. Selbst wenn ngste unbegrndet sind, so sindsie doch real und man muss sie beachten. Selbst unrealistische Hoff-nungen verursachen mitunter Kriege. Und selbst noch so deutlichfestgestellte Fakten tragen mglicherweise nicht zur Lsung desProblems bei. Beide Seiten mgen darber einig sein, dass der einedie Uhr verloren und der andere sie gefunden hat, aber sie bleibenweiterhin im Streit, wer sie nun bekommt. Es mag letztendlich fest-stehen, dass der Autounfall durch einen geplatzten Reifen verur-sacht wurde, und doch streiten die Parteien weiter, wer den Schadenbezahlen soll. Eine Auseinandersetzung wie die um die West-Saharawird auch durch noch so genaue Erforschung der Geschichte undGeografie nicht geschlichtet. Und auch der Konflikt zwischen In-dien und Pakistan wurde nicht durch irgendwelche Untersuchungenber die Entwicklung der nuklearen Einrichtungen beigelegt.

    So ntzlich die Betrachtung der objektiven Wirklichkeit seinmag, letztlich wird das Problem bei Verhandlungen durch die Sicht-weise beider Seiten bestimmt. Und das erst erffnet den Weg zu ei-ner Lsung.

    Versetzen Sie sich in die Lage der anderen

    Wie Sie die Welt sehen, hngt davon ab, wo Sie stehen. Menschen ha-ben die Eigenart, nur das zu sehen, was sie sehen wollen. Aus einer

    50 Die Methode

  • Unmenge spezieller Informationen holen sie das heraus und verstei-fen sich darauf, was ihre frheren Vorstellungen bestrkt; was ihreVorstellungen infrage stellt, lassen sie stattdessen auer acht oderdeuten es falsch. Alle Beteiligten an einer Verhandlung sehen mgli-cherweise nur ihre eigenen Verdienste und die Fehler der anderen.

    So schwer es auch sein mag, die Fhigkeit, eine Situation auchvon der anderen Seite her zu sehen, ist eine der wichtigsten Fertig-keiten fr jeden, der verhandelt. Die Erkenntnis, dass die anderendie Sache anders sehen, reicht nicht.Wenn Sie sie beeinflussen wol-len, mssen Sie sich auch der Strke dieses Standpunktes ffnenund die emotionale Macht erfhlen, mit der die Gegenseite daranhngt. Da hilft es auch nicht, sie wie Kfer unter dem Mikroskop zustudieren; Sie mssen auch wissen, wie ein Kfer fhlt. Darum soll-ten Sie imstande sein, Ihr Urteil fr einige Zeit zurckzustellen undsich ganz der anderen Sicht zuzuwenden. Die anderen glaubennmlich genauso an ihren Standpunkt als den richtigen wie Siean den Ihrigen. Auf Ihrem Tisch sehen Sie ein halb volles Glas kh-len Wassers. Fr Ihren Ehepartner aber ist das nur ein dreckiges,halb leeres Glas, das auf der Tischplatte einen hsslichen Ringmacht.

    Nachfolgend die unterschiedlichen Vorstellungen eines Mietersund seiner Vermieterin bei der Verhandlung ber eine nderungdes Mietvertrags:

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 51

    Vorstellungen des Mieters Vorstellungen der Vermieterin

    Die Miete ist bereits jetzt zu hoch Die Miete wurde schon langenicht mehr erhht

    Alles wird teurer; ich kann nicht Alles wird teurer; ich muss mehrnoch mehr Miete zahlen einnehmen

    Die Wohnung muss neu gestri- Er hat die Wohnung ziemlich ver-chen werden kommen lassen

  • Den Standpunkt der Gegenseite zu verstehen heit noch langenicht, dass man damit einverstanden ist. Ein besseres Verstndnisfr das Denken des anderen kann mitunter auch Ihre eigene Sichtder Dinge verndern. Aber das ist nicht der Preis fr das Verstnd-nis des anderen Standpunktes, sondern der Lohn dafr. Denn dannschrnken Sie den Konfliktbereich ein und es hilft Ihnen, Ihre eige-nen Interessen neu abzuklren.

    Leiten Sie die Absichten anderer niemalsaus Ihren eigenen Befrchtungen ab

    Wir Menschen neigen alle zu der Annahme, dass die Gegenseiteimmer das tut, was wir selbst befrchten. Eine Geschichte aus derNew York Times vom 25. Dezember 1980: Sie trafen sich in ei-

    52 Die Methode

    Ich kenne Leute, die viel weniger Ich kenne Leute, die mehr frfr eine hnliche Wohnung be- eine hnliche Wohnung bezahlenzahlen.

    Junge Leute wie ich knnen so Junge Leute wie der machenhohe Mieten nicht zahlen gern Lrm und wirtschaften die

    Wohnung herunter

    Die Miete msste niedriger sein, Wir sollten alle die Mieten erh-denn die Gegend ist ziemlich hen, damit die Gegend wiederheruntergekommen Ansehen bekommt

    Ich bin ein guter Mieter, halte Seine Stereo-Anlage macht michweder Hunde noch Katzen verrckt

    Ich zahle die Miete immer pnkt- Die Miete zahlt er auch erst, lich, sobald sie danach fragt wenn ich danach frage

    Sie ist eine unzugngliche Ver- Ich bin immer diskret und mischemieterin, die nie fragt, wie es mir mich nie in die Angelegenheitgeht des Mieters ein

  • ner Bar, und er bot ihr an, sie heimzubringen. Er nahm ganz unge-whnliche Wege und behauptete, es seien Abkrzungen. So schnellbrachte er sie nach Hause, dass sie sogar noch die 10-Uhr-Nachrich-ten mitbekam. Warum berrascht uns dieser Schluss so sehr? Weiluns unsere Befrchtungen vorher zu schlimmen Annahmen verlei-tet haben.

    Oft lesen wir einfach allzu leicht das Schlimmste in die Aktionender Gegenseite hinein. Aus den eigenen Vorstellungen entsteht sooft genug zwangslufig Argwohn. Mehr noch: Dieser Argwohnscheint uns sogar besondere Sicherheit zu geben; eventuelle Zu-schauer sollten darber hinaus auch noch erkennen, wie schlimmdie Gegenseite wirklich ist.Aber der Preis fr solche Deutungen be-steht in der Verhinderung neuer Ideen, die auf eine bereinkunftabzielen, und im Verkennen oder Zurckweisen subtiler Positions-nderungen der Gegenseite.

    Schieben Sie die Schuld an Ihren eigenenProblemen nicht der Gegenseite zu

    Oft lsst man sich auch verfhren, die Gegenseite fr die eigenenProbleme verantwortlich zu machen. Ihre Firma ist total unzuver-lssig. Der Service hier an unserem Gert ist miserabel, es gibtstndig Defekte. Wir geraten alle leicht ins Schimpfen, besonderswenn wir merken, dass die Gegenseite tatschlich verantwortlichist.Aber selbst gerechtfertigte Tadel sind unproduktiv. Denn gegendie Vorwrfe muss sich die Gegenseite verteidigen und wir ihnenwidersprechen. Sie wird dann kaum noch zuhren oder aber miteinem Gegenangriff zurckschlagen. Durch Schuldzuweisungenwerden die menschliche und die sachliche Seite der Angelegenheitvermischt.

    Trennen Sie bei dem Gesprch die Unzufriedenheit mit der Sa-che von der Person, mit der Sie reden. Das Gert, das Sie bei unswarten, ist wieder kaputt. Schon zum dritten Mal in diesem Monat.

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 53

  • Beim ersten Mal fiel es eine ganze Woche aus. Wir brauchen denApparat aber fr unser Geschft. Knnen Sie mir nicht einen Ratgeben, wie wir einen neuerlichen Ausfall vermeiden knnen? Sol-len wir den Service-Dienst wechseln, oder wie?

    Sprechen Sie ber die Vorstellungen beider Seiten

    Mit unterschiedlichen Vorstellungen kommt man zurande dies istjedenfalls ein Weg , indem man sie ausspricht und mit der anderenSeite diskutiert. Geschieht dies frei und offen ohne gegenseitigeVorwrfe, kann eine solche Aussprache das notwendige Verstnd-nis fr die Ernsthaftigkeit beider Seiten frdern.

    Gewhnlich lsst man bei Verhandlungen all die Interessen deranderen Seite als unbedeutend auer Acht, von denen manglaubt, dass sie einer Einigung nicht entgegenstehen. Aber geradedie ausdrckliche und berzeugende Artikulation all dessen, wasdie anderen gerne hren und Sie auch aussprechen wollen, kannsich besonders gut auf Verhandlungen auswirken.

    Als Beispiel die Verhandlungen der Seerechtskonferenz: Von1974 bis 1981 trafen sich in New York und Genf Vertreter von mehrals 150 Nationen, um Grundstze ber die Nutzungsrechte im Meer von den Fischereirechten bis zum Manganabbau in der Tiefsee zu formulieren. An einem bestimmten Punkt der Verhandlungenzeigten die Vertreter der Entwicklungslnder starkes Interesse amErwerb moderner Technologien. Ihre Lnder wollen von den In-dustrienationen deren fortschrittliches technisches Wissen undKnnen erwerben, um selbst Bergbau in der Tiefsee zu betreiben.

    Die Vereinigten Staaten und andere entwickelte Industrienatio-nen sahen keine Schwierigkeit darin, diese Forderung zu erfllen.Die Frage des Transfers von Technologien war fr sie daher unbe-deutend. Das war einerseits natrlich richtig, aber zugleich war esein groer Fehler, dass man nun den ganzen Verhandlungsgegen-stand als unwichtig ansah. Htten die Industriestaaten mehr Zeit

    54 Die Methode

  • fr die Ausarbeitung praktikabler bereinkommen zum Technolo-gietransfer aufgewendet, wre ihr Angebot viel glaubwrdiger undviel attraktiver fr die Entwicklungslnder gewesen. So wurdediese Einigung als unbedeutende Nebensache fr einen spterenZeitpunkt abgelegt. Die Industriestaaten gaben damit eine gns-tige Gelegenheit auf, die Entwicklungslnder mit einer eindrucks-vollen Errungenschaft zu beliefern und dadurch Anreize fr ber-einknfte auf anderen Gebieten zu bieten.

    Suchen Sie die Vorstellungen der Gegenseiteauf unerwartete Weise zu nutzen

    Die wohl beste Mglichkeit zur Vernderung von Vorstellungender Gegenseite besteht darin, dass man sich anders als erwartetverhlt. Der unerwartete Besuch Prsident Sadats in Jerusalem imNovember 1977 ist dafr ein besonders aufflliges Beispiel. Die Is-raelis sahen gypter und damit auch Sadat als ihren Feind an, dersie vor vier Jahren berraschend angegriffen hatte. Sadat wolltediese Vorstellung ndern und Israel davon berzeugen, dass aucher den Frieden wnschte. Also flog er in die Hauptstadt des Fein-des, eine umstrittene Hauptstadt, die nicht einmal von den Vereini-gten Staaten, Israels bestem Freund, anerkannt wurde. Statt alsFeind handelte Sadat als Partner. Ohne diese dramatische Wendewre der Frieden zwischen gypten und Israel kaum vorstellbar.

    Beteiligen Sie die Gegenseite am Ergebnis:Sorgen Sie dafr, dass sie sich amVerhandlungsprozess beteiligt

    Wer an einem Prozess nicht beteiligt ist, wird wohl das Ergebnisauch nicht gerne akzeptieren. Das ist eine schlichte Tatsache. WennSie beim staatlichen Versicherungsbeauftragten gleich kampfbereit

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 55

  • mit einer lange vorbereiteten Recherche aufkreuzen, brauchen Siesich nicht zu wundern, dass der Beamte sich bedroht fhlt und IhreAusfhrungen beanstandet. Wenn Sie einen Mitarbeiter nicht da-nach fragen, ob er berhaupt eine verantwortungsvolle Stelle will,mssen Sie nicht berrascht sein, wenn er sich ber seine Verset-zung rgert. Soll die Gegenseite eine strittige Konsequenz akzep-tieren, ist es entscheidend, dass Sie sie in den Prozess einbeziehen,aus dem sich diese Konsequenz ergibt.

    Genau das wird meistens unterlassen. Geht es um eine schwie-rige Streitfrage, schiebt man den schwersten Teil meist unwillkr-lich hinaus. Wir mssen das Ganze schon vllig durchgearbeitethaben, ehe wir den Beamten treffen. Der aber stimmt einer Abn-derung der Vorschriften viel leichter zu, wenn er das Gefhl hat,dass er selbst daran mitwirkt. Dann nmlich sieht eine Revisioneher wie ein kleiner Abschnitt einer langen Entwicklung aus, die erselbst mit seiner ursprnglichen Vorschrift eingeleitet hat, undnicht wie der Versuch, sein ganzes Werk kurz und klein zu hauen.

    In Sdafrika versuchten vor einigen Jahren gemigte Weie, diediskriminierenden Rassengesetze abzuschaffen. Aber wie gingen sieda vor? Sie bildeten einen aus Weien bestehenden Parlamentsaus-schuss, der entsprechende Vorschlge beraten sollte. All das magdurchaus verdienstvoll gewesen sein, letztlich blieb es notwendiger-weise unzureichend nicht aufgrund der Inhalte, sondern weil die Er-gebnisse aus einem Prozess stammten, in den Schwarze nicht einbe-zogen waren. Diese konnten das dann auch nur verstehen, als wolltendie Herren damit ausdrcken: Wir hherstehenden Weien legenfest, wie man eure Probleme lsen muss. Die Last des weien Man-nes war wieder da das Problem, mit dem man htte beginnen ms-sen.

    Selbst wenn Bedingungen fr eine bereinkunft gnstig schei-nen, weist die Gegenseite sie mglicherweise zurck weil derAusschluss vom Entscheidungsprozess ganz einfach Misstrauenprovoziert hat. Man verstndigt sich viel leichter, wenn beide Sei-ten sich als Urheber der zugrunde liegenden Vorstellungen fhlen.

    56 Die Methode

  • Erteilen beide Seiten nach und nach der Entwicklung einer Lsungihre Zustimmung, wird der gesamte Verhandlungsprozess fruchtba-rer. Jede Kritik an den Bedingungen und jede erfolgte nderung,jede Konzession ist ein persnliches Zeichen, das der Verhan-delnde auf einem Lsungsvorschlag hinterlsst. Beide Seiten kn-nen sich dann im Ergebnis wiedererkennen.

    Dazu muss man die Gegenseite aber frhzeitig einbinden. Ho-len Sie ihren Rat ein. Gehen Sie, wo immer mglich, auf ihre Ideengrozgig ein und beteiligen sie die anderen auch persnlich daran,die gewonnenen Vorstellungen gegenber Dritten zu verteidigen.Sicher ist die Versuchung oft gro, sich die Verdienste selbst zuzu-schreiben, aber hier zahlt sich Grozgigkeit eher aus. Neben densachlichen Vorzgen ist das Gefhl einer Beteiligung am Entschei-dungsprozess wohl der einzig wichtige Faktor bei der Entscheidungber die Annahme eines Vorschlags durch den Partner. In gewis-sem Sinn ist der Prozess das Ergebnis selbst.

    Das Gesicht wahren: Stimmen Sie Ihre Vorschlgeauf das Wertsystem der anderen ab

    Der Ausdruck Das Gesicht wahren hat einen leicht negativen Bei-geschmack. Man sagt: Wir machen das nur, damit er sein Gesichtwahren kann. Und das bedeutet auch ein wenig heucheln. Der an-dere soll ohne schlechte Gefhle weitermachen knnen. Das Ganzehat einen etwas spttischen Unterton.

    Damit missversteht man aber sowohl die Funktion als auch dieWichtigkeit des Gesicht-Wahrens. Es spiegelt sich nmlich dieNotwendigkeit darin, den Verhandlungsstandpunkt oder eine Ver-einbarung mit den bisher in Worten und Taten verfochtenenGrundstzen in Einklang zu bringen.

    Der juristische Bereich kennt dasselbe Problem. Ein Richtermuss bei der Begrndung seiner Entscheidung nicht nur sein eige-nes Gesicht und das des Rechtssystems wahren, sondern auch das

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 57

  • der streitenden Parteien. Er sagt nicht zur einen Seite: Sie habengewonnen und zur anderen Sie haben verloren: Er erklrt viel-mehr, inwiefern seine Entscheidung im Einklang steht mit denRechtsgrundstzen, den Gesetzen sowie frheren Entscheidungen.Er will nicht als willkrlicher Mensch erscheinen, sondern als je-mand, der sich an die Regeln hlt. In einer Verhandlung ist dasnicht anders.

    Oft beharren die Verhandlungspartner auf ihren Positionennicht deshalb, weil der Gegenvorschlag unakzeptabel ist, sondernweil sie gegenber der Gegenseite das Gefhl des Klein-Beigebensvermeiden wollen. Kann man jedoch die Sachlage so umformulie-ren und begrifflich fassen, dass es nach einem fairen Ergebnis aus-sieht, dann wird eine bereinkunft zustande kommen. Ein Bei-spiel: Die zwischen einer Grostadt und der Landesregierungvereinbarten Bedingungen erwiesen sich fr den Brgermeisterder Stadt solange als unannehmbar, bis die bereinkunft zurckge-nommen wurde und man dem Stadtoberhaupt zugestand, dieselbenBedingungen als seine eigene hart erstrittene Entscheidung hinzu-stellen.

    Das Gesicht zu wahren bedeutet bei der Entwicklung eines ber-einkommens, die Grundstze der Verhandlungspartner und dasImage, das sie von sich haben, zu bercksichtigen. Die Wichtigkeitsolchen Vorgehens sollte nicht unterschtzt werden.

    Emotionen

    Besonders bei harten Auseinandersetzungen im Rahmen von Ver-handlungen sind mitunter Gefhle wichtiger als das Gesprch. DieParteien sind mglicherweise eher zum Kampf bereits als zur ko-operativen Lsung eines gemeinsamen Problems. Oft bemerkendie Menschen erst bei der Verhandlung, wie scharf die Trennliniensind, und sie fhlen sich bedroht. Emotionen der einen Seite lsendann Emotionen auf der anderen aus.Angst erzeugt manchmal r-

    58 Die Methode

  • ger und rger wiederum Angst. Emotionen fhren Verhandlungenoft recht schnell in eine Sackgasse oder zum Abbruch.

    Zuallererst muss man Emotionen erkennen undverstehen die der anderen und die eigenen

    Beobachten Sie sich selbst einmal whrend der Verhandlung. Fh-len Sie sich nervs? Haben Sie Magendrcken? rgern Sie sichber die Gegenseite? Dann hren Sie mal den anderen zu und fin-den heraus, welche Emotionen Sie haben. Am besten schreiben Siesich auf, was Sie tatschlich fhlen Angst, Unruhe, rger , unddanach, wie Sie sich eigentlich fhlen wollen zuversichtlich, ent-spannt. Dann machen Sie dasselbe fr die Gegenseite.

    Verhandelt man mit Menschen, die eine Organisation reprsen-tieren, gert man leicht in Gefahr, sie nur als Sprachrohr anzusehen so als htten sie keinerlei Gefhle. Man muss sich daher stndigdaran erinnern, dass Menschen auch in dieser Funktion wie Sie persnliche Gefhle haben, ngste, Hoffnungen, Trume. Viel-leicht steht ihre Karriere auf dem Spiel. Mitunter gibt es Punkte,auf die sie besonders empfindlich reagieren, und andere, auf die siebesonders stolz sind. Emotionale Probleme haben brigens nichtnur die unmittelbaren Verhandlungspartner. Auch ihre Auftragge-ber haben Emotionen. Und mancher Auftraggeber schtzt viel-leicht die Situation viel einfacher oder ungnstiger ein.

    Fragen Sie sich nach der Ursache der Emotionen. Warum sindSie rgerlich? Warum sind es die anderen? Wirken Gefhle aus fr-herem Verdruss nach, sinnt der andere etwa auf Rache? Schwap-pen Emotionen von einem Streitpunkt zum anderen hinber? Wir-ken husliche Probleme in die geschftlichen Dinge hinein? EinBeispiel: Bei den Verhandlungen im Nahen Osten haben sowohldie Israelis als auch die Palstinenser Existenzngste. Sie entwi-ckeln starke Emotionen, die nun sogar ihre hchst konkreten prak-tischen Streitfragen bestimmen, wie etwa die Wasserverteilung am

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 59

  • Westufer des Jordan. Es ist fast unmglich, dass die Parteien mit-einander reden und Lsungen finden. Die Menschen dort sehen imGanzen ihr Leben bedroht und ordnen daher auch jede kleineStreitfrage in diese berlebensprobleme ein.

    Artikulieren Sie Ihre Emotionen und erkennenSie deren Berechtigung an

    Sprechen Sie mit den Menschen auf der Gegenseite ber deren Ge-fhle. Sprechen Sie auch ber Ihre eigenen. Es verletzt niemanden,wenn man sagt: Wissen Sie, unsere Leute fhlen sich schlecht be-handelt und sind daher erregt. Wir frchten, dass ein Vorschlag frdie Einigung nicht angenommen wird, auch wenn wir hier einebereinkunft zustande bringen. Das mag vernnftig sein oder nicht,wir mssen jedenfalls diese Sorge haben. Ich selbst teile die Be-frchtungen nicht, aber andere haben diese Gefhle eben. Ist dasbei Ihnen auch so? Wenn Sie Ihre Gefhle oder die der Gegenseitezum Diskussionsgegenstand machen, so unterstreicht das nicht nurden Ernst der Lage. Die Verhandlungen werden weniger reaktiv,sondern vielmehr aktiv sein. Haben sich die Menschen erst einmalihre unausgesprochenen Emotionen von der Seele geredet, werdensie sich viel lieber dem Problem selbst zuwenden.

    Gestatten Sie der Gegenseite, Dampf abzulassen

    Oft sollte man am besten die anderen darin untersttzen, den r-ger, die Frustration und die anderen negativen Emotionen dadurchabzubauen, dass man den Gefhlen Luft verschafft. Seelische Er-leichterung erreicht man einfach dadurch, dass man seinen Kum-mer artikuliert. Wenn Sie nach Hause kommen und Ihrem Ehe-partner erzhlen wollen, was heute im Bro alles schief gelaufenist, steigt Ihre Frustration wohl noch mehr, wenn der dann sagt:

    60 Die Methode

  • Belstige mich bitte nicht damit. Ich glaube ja, dass du einen har-ten Tag gehabt hast. Aber lassen wir das. Das gilt auch fr Ver-handlungspartner. Hat man Dampf abgelassen, kann man danachvernnftiger miteinander sprechen. Legt ein Verhandlungspartnerwtend los und zeigt so den Beteiligten, dass er kein Weichlingist, gewhren Sie ihm vielleicht freiere Hand bei den Verhandlun-gen. Dann kann er sich auf seinen Ruf, hartnckig zu sein, verlassenund ist spter, wenn er einem bereinkommen vielleicht doch zu-stimmt, gegen Kritik gefeit.

    Jedenfalls bleiben Sie am besten kontrolliert sitzen und lassendie anderen ihren Kummer auf Sie abladen, unterbrechen Sie sienur, wenn es zu Polemik oder direkten Ausfllen kommt. Sind Auf-traggeber anwesend, werden mglicherweise deren eigene Frustra-tionen ebenso wie die Ihres Verhandlungspartners abgebaut, wennerst einmal Emotionen freigesetzt werden. Die beste Strategie istes wohl, beim Dampfablassen des Gegners ganz ruhig zuzuhren,ohne auf die Angriffe einzugehen und den Redner gelegentlich zubitten, doch fortzufahren, bis er fertig ist. Auf diese Weise schttenSie nicht weiter l zu, ermutigen den Redner zur Artikulation undhaben kaum oder gar keine Nebenwirkungen zu erwarten.

    Reagieren Sie nicht auf emotionale Ausbrche

    Riskant wird der Versuch zum Abbau von Emotionen dann, wennemotionale Reaktionen provoziert werden. Wenn das Ganze nichtkontrolliert abluft gibt es mglicherweise bald heftigen Streit. Inden 50er Jahren wandte das amerikanische Human RelationsCommittee (Ausschuss fr menschliche Beziehungen) erstmalseine ungewhnliche und ausgesprochen wirkungsvolle Technik ge-gen den Aufeinanderprall von Emotionen an. Damals wurde in derStahlindustrie eine Forschungsgruppe gegrndet zur Behandlungvon auftretenden Problemen, bevor diese ernst werden. Die Mit-glieder des Komitees gaben sich folgende Regel: Nur jeweils eine

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 61

  • Person darf zu einer bestimmten Zeit rgerlich sein. Damit ver-pflichteten sich die jeweils anderen, auf einen Ausbruch von rgernicht ihrerseits heftig zu antworten. Zugleich erleichterte diese Re-gel das emotionale Dampfablassen: In Ordnung. Jetzt darf er.Darber hinaus hilft das Verfahren den Leuten auch noch, ihreEmotionen zu kontrollieren. Missachtet jemand diese Vorschrift,zeigt das, dass er die Selbstkontrolle verloren hat und damit auchetwas von seinem Ansehen.

    Benutzen Sie auch symbolische Gesten

    Jeder Verliebte wei, dass er einen Streit meist durch eine einfacheGeste beenden kann. Er schenkt eine rote Rose. Viele Handlungenkosten nicht viel und erzeugen dennoch bei der Gegenseite kon-struktive emotionale Wirkungen. Ein Zeichen von Sympathie, einAusdruck des Bedauerns, ein Besuch auf dem Friedhof, ein kleinesGeschenk fr das Enkelkind, Hndeschtteln oder Umarmen, mit-einander Essengehen das alles ist unbezahlbar, wenn man einegespannte emotionale Situation verbessern will, und kostet wirk-lich nicht viel. Oft baut auch eine simple Entschuldigung wirkungs-voll negative Gefhle ab, selbst wenn Sie persnlich keine Verant-wortung fr den augenblicklichen Zustand tragen und auch keineVerletzungsabsicht zugeben mssen. Eine Entschuldigung ist frSie mitunter die billigste und dennoch die rentabelste Investition.

    Kommunikation

    Ohne Kommunikation ist Verhandeln unmglich. Verhandeln istein nach beiden Seiten flieender Prozess mit dem Ziel, eine ge-meinsame Entscheidung herbeizufhren. Kommunikation ist nie-mals leicht, auch nicht unter Leuten mit einem umfangreichenHintergrund gemeinsamer Werte und Erfahrungen. Selbst bei Paa-

    62 Die Methode

  • ren, die dreiig Jahre miteinander gelebt haben, kommt es noch je-den Tag zu Missverstnnissen. Nicht berraschend also, wenn nurwenig Kommunikation herrscht zwischen Menschen, die einandernicht kennen und sich berdies beargwhnen oder gar als Gegnerbetrachten. Was immer Sie auch sagen: Erwarten Sie, dass die an-dere Seite etwas anderes heraushrt.

    Bei der Kommunikation gibt es drei groe Probleme. Erstens:die Verhandlungspartner sprechen nicht miteinander, oder jeden-falls nicht so, dass sie einander verstehen. Hufig gibt dann die eineSeite auf und macht gar keine Anstalten mehr zu einer ernsthaftenKommunikation. Stattdessen wird nur noch geredet, um Dritte oder die eigenen Auftraggeber zu beeindrucken. Man bewegt sichnicht mehr gemeinsam mit dem Verhandlungspartner auf ein bei-derseits akzeptables Ergebnis zu, sondern versucht ihm ein Bein zustellen. Man sucht die Partner nicht mehr zu konstruktiven Schrit-ten zu veranlassen, sondern die Zuschauer zur Parteinahme zu pro-vozieren. Effektive Kommunikation zwischen den Parteien ist vl-lig unmglich, wenn sich alle ins Rampenlicht setzen wollen.

    Selbst wenn Sie mit der Gegenseite ohne Umschweife und imKlartext reden, hren Ihnen die anderen mglicherweise gar nichtzu, und das bringt uns zum zweiten Kommunikationsproblem. Ach-ten Sie darauf, wie oft die anderen Ihnen offensichtlich nicht auf-merksam genug zuhren. Seien Sie sicher: fast genauso oft wrenauch Sie auerstande zu wiederholen, was die anderen gerade gesagthaben. Whrend der Verhandlung denken Sie vielleicht derart inten-siv an das, was Sie als Nchstes sagen wollen, an Ihre Antwort auf dasVorgebrachte oder an Ihr nchstes Argument, dass Sie einfach ver-gessen hinzuhren, was die Gegenseite gerade sagt. Oder Sie kon-zentrieren sich mehr auf Ihren Auftraggeber als auf die Gegenseite,denn dem sind Sie ja am Ende rechenschaftspflichtig, ihn mssen Siebefriedigen. Also ist es gar kein Wunder, wenn Sie stark auf ihn ach-ten. Aber wenn Sie dabei berhren, was ihre Verhandlungspartnersagen, dann kommt eben keine Kommunikation zustande.

    Drittes Kommunikationsproblem: Missverstndnisse. Alles, was

    Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln 63

  • jemand sagt, kann vom anderen missverstanden werden. Selbst inein und demselben Raum kann zwischenmenschliche Kommunika-tion eher Rauchzeichen hneln. Besonders gro ist die Gefahr vonMissverstndnissen dort, wo Parteien unterschiedliche Sprachensprechen. In Persien z. B. hat das Wort Kompromiss keinen so po-sitiven Klang wie im Englischen, wo man z. B. darunter eine Lsungauf dem Mittelweg, mit der beide Seiten leben knnen versteht. InPersien dagegen bedeutet Kompromiss eine Herabsetzung deseigenen Wertes oder Kompromittierung unseres Ansehens. UndVermittler ist dort einer, der sich uneingeladen in etwas hinein-drngt.Anfang 1980 flog UN-Generalsekretr Waldheim in den Iranzu Verhandlungen ber die Geiselfrage. Das gesamte Anliegenwurde alsbald durch eine Meldung des iranischen Rundfunks undFernsehens behindert, die einen Ausspruch Waldheims als Nachrichtverbreiteten, er habe bei seiner Ankunft gesagt, dass er als Vermitt-ler kommt, auf der Suche nach einem Kompromiss. Bereits wenigeStunden nach der Sendung warfen verrgerte Iraner mit Steinen aufdas Auto Waldheims.

    Was kann man zur Lsung dieser drei Kommunikationspro-bleme tun?

    Hren Sie aufmerksam zu und geben SieRckmeldung ber das, was gesagt wurde

    Dass Zuhren grundwichtig ist, versteht sich von selbst. Dennochist das gerade im Stress laufender Verhandlungen besondersschwer.Aber nur wenn Sie wirklich zuhren, verstehen Sie die Vor-stellungen der Gegenseite, erkennen ihre Emotionen und erfassen,was die anderen tatschlich wollen. Aktives Zuhren verbessertnicht nur Ihre Wahrnehmung, es kann auch den Ausfhrungen derGegenseite zugute kommen. Wenn Sie aufmerksam sind und gele-gentlich unterbrechen: Habe ich Sie richtig verstanden, Sie wollensagen ..., dann erkennt die Gegenseite, dass sie hier nicht ihre Zeit

    64 Die Methode

  • vergeudet und dass es sich nicht um bloe Routine handelt. Siefhlt sich gehrt und verstanden, und das befriedigt ungemein. Esstimmt schon: Das einfachste Zugestndnis anderen gegenber be-steht darin, sie wissen zu lassen, dass man ihnen zuhrt.

    Grundtechniken guten Zuhrens bestehen in


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