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Das Geheimnis Der Pyramiden Baukunst Und Techn

Date post: 15-Sep-2015
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-Baukunst der Agypter.
367
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  • JEAN-PHILIPPE LAUER

    Das Geheimnis derPyramiden

  • Jean-Philippe Lauer

    Das Geheimnis der

    PyramidenBaukunst und Technik

    Weltbild Verlag

  • Titel der franzsischen Original-Ausgabe:Jean-Philippe Lauer

    Membre de Plnstitut dgypteLE MYSTERE DES PYRAMIDES Presses de 1a Cite, Paris, 1974

    Aus dem Franzsischen bersetzt von Dr. Eva Eggebrecht Verlagsredaktion und Lektorat: Dr. Georg Niebling

    Lizenzausgabe Weltbild Verlag mit Genehmigung der Rechteinhaber 1990

    Alle Rechte vorbehalten

    Umschlaggestaltung: Klaus von Seggern

    Satz: Atelier Nrnberger, Mnchen

    Druck und Binden: Ueberreuter, Wien

    Printed in Austria 1090

    ISBN 3-89350-129-0

  • INHALTSVERZEICHNIS

    Vorwort 7TEIL I

    Die Pyramiden in berlieferung und Legende, Reiseschilderungen, Erkundungen und Ausgrabungen 11

    1. KapitelReisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden - von der Antikebis zur napoleonischen Expedition 13

    2. KapitelDie Expedition dgypte und die archologische Erforschung der Pyramiden 57

    TEIL II Die Pyramide: Knigsgrab mit zugehrigen Kultbauten 121

    TEIL III Theorien: Die angeblichen Geheimnisse der Pyramiden 165

    1. KapitelDie mystischen Theorien 171

    A) Bibeltheorien 171 B) Die theosophischen Theorien 187

    2. KapitelDie pseudowissenschaftlichen Theorien 202

    A) Astronomische Theorien 202 B) Mathematische Theorien 225

    TEIL IV Wissen und Glaubensvorstellungen der Pyramidenbauer 237

    1. KapitelTechnische Kenntnisse. Der Bau der Pyramiden 239

    2. KapitelDie naturwissenschaftlichen Kenntnisse in der Pyramidenzeitund die Geometrie der Pyramiden 269

    3. KapitelDie Glaubensvorstellungen der Pyramidentexte 284

    Anmerkungen 313

    Bibliographie 322

    Abkrzungsverzeichnis 322

    Literatur zu Pyramidenproblemen, auer der im Text zitierten 323

    Abbildungen im Text 326

    Verzeichnis der Farbtafeln 328

    Verzeichnis der Schwarzwei-Tafeln 329

    Obersichtstabelle fr die Bschungsverhltnisse, Proportionen

    und Abmessungen der wichtigsten Pyramiden 330

    Quellen verzeichnis der Abbildungen 331

    Verzeichnis der Orts- und Eigennamen 332

  • Abb. 1: Karte von gypten, bis Theben/Luxor im Sden

  • Vorwort

    Noch immer gilt vielen Menschen die Zweckbestimmung und der Bau der Pyramiden als geheimnisumwittert. Neue Entdeckungen in den Nekropolen von Memphis und damit verbundene wissenschaftliche Erkenntnisse lassen daher eine Neubearbeitung des 1948 erschienenen Buches Le probleme des pyramides dgypte in der Bibliotheque Historique von Payot (Zweite Aufl. 1952) geboten erscheinen, nach- dem in dem seither vergangenen Vierteljahrhundert wesentliche Fort- schritte bei der Erforschung dieser auergewhnlichen Knigsgrber gemacht worden sind.

    An erster Stelle wre hier die Entdeckung des Grabbezirks des Horus Sechemchet in Saqqra durch Zakaria Goneim zu nennen. Sechem- chet, direkter Nachfolger des Horus Netericht, d. h. des Knigs Djoser aus der 3. Dynastie, war bis zur Auffindung der fr ihn errichteten Grabanlage nur von Felsinschriften und Reliefs auf dem Sinai und im Wadi Maghra bekannt. Auf diesen Darstellungen trgt er die ober- und untergyptische Krone und wird u. a. auch in der bekannten Pose des Feinderschlagens, einer symbolischen Siegesszene, wiedergegeben. Er hlt einen um Gnade flehenden Asiaten gepackt. Da jedoch die gyptologen den Horusnamen des hier abgebildeten Herrschers flschlicherweise als den des Semerchet, des vorletzten Knigs der 1. Dynastie, gedeutet hatten, waren diese Belege nicht auf Sechemchet bezogen worden.

    Bei den Ausgrabungen im Sechemchet-Bezirk nun kam zunchst ein ber 50 m langer Teil der Umfassungsmauer mit Nischen und Bastio- nen und Doppelscheintoren - wie im Djoserbezirk - zum Vorschein.

  • 8 Das Geheimnis der Pyramiden

    Bald darauf wurden dann auch die Restlagen der fast vllig abgetrage- nen Stufenpyramide mit dem noch verschlossenen, abwrts fhrenden Gang zur Grabkammer gefunden. Neben einem umfangreichen Hort an Steingefen und groen Keramikkrgen mit Siegelabdrcken des Horus Sechemchet wurde auch sein mit einem Deckel versehener, aber leerer Sarkophag gefunden, der anscheinend nie benutzt worden ist. Mit dieser zweiten Stufenpyramide in Saqqra ist die Zahl dieser speziellen Form der Knigsgrber, die der eigentlichen Pyramide mit Dreiecksseiten in der Entwicklung vorausgingen, auf insgesamt vier angestiegen.

    Die hnlichkeit des Sechemchet-Bezirks mit der Grabanlage des Djoser warf die Frage auf, ob es dort analog zu Djoser nicht auch ein zweites Grab gegeben habe, und tatschlich verliefen einige Jahre spter durchgefhrte Grabungen uerst erfolgreich. Das sogenannte Sdgrab mit seinem ber 30 m langen Schacht, der in die unterirdische Anlage fhrt, kam nach langwierigen Freilegungsarbeiten aufgrund von Terrainvernderungen in der Zeit des Sechemchet zutage. Es stellte sich jedoch heraus, da auch dieses zweite Grab unfertig und offensichtlich als Begrbnissttte des Knigs niemals benutzt worden war, was zu der Annahme berechtigt, da er bei einer Expedition ins ferne Ausland ums Leben gekommen ist. Im Sdgrab war dann ein etwa zweijhriger Spro des Knigshauses beigesetzt worden, dessen Skelettberreste im Schutt des zusammengestrzten Holzsarges ge- funden wurden. Der Sargtyp und Reste von Beigaben der Grabaus- stattung weisen eindeutig darauf hin, da es sich um ein Begrbnis aus der 3. Dynastie handelt.

    Professor Ahmed Fakhry, dessen pltzlichen Tod in Paris wir 1972 zu beklagen hatten, nahm 1951 die Grabungen am oberen und unteren Tempel der Knickpyramide des Snofru in Dahschr wieder auf und setzte damit die Arbeit des frhverstorbenen Abdessalam M. Hussein fort. Monumentale Stelen und bestens erhaltene Reliefs belohnten den Ausgrber. Aber auch in Gisa (Giseh, Gizeh) konnten die Archo- logen mit einem erstaunlichen Fund aufwarten.

    Als man die Sdseite der Groen Pyramide vom Sand befreite, wurden an der Pyramidenbasis zwei groe Vertiefungen im Boden festgestellt.

  • Vorwort 9

    Als die Altertmerverwaltung zunchst die eine ffnete, entdeckte man die sorgfltig aufgestapelten Teile eines groen Bootes von 42 m Lnge. Nach geduldiger und sorgfltiger Restaurierungsarbeit unter der Leitung von Ahmed Youssef Moustafa, dem Fachmann von der Altertmerverwaltung, konnte die knigliche Totenbarke Stck fr Stck wieder zusammengesetzt werden (Abb. 38). Untersttzung gewhrten die chemischen Labors des gyptischen Museums in Kairo und auslndische Speziallabors.

    In diesen Zusammenhang gehrt auch ein Projekt in Saqqra, an dem wir zunchst gemeinsam mit Jean Sainte Fare Garnot und nach dessen Tod mit seinem Nachfolger an der Sorbonne, Jean Leclant, seit Jahren ttig sind. Im Auftrag der Altertmerverwaltung, der Grabungs- kommission des franzsischen Auenministeriums und des Natio- nalen Wissenschaftlichen Forschungszentrums gilt unsere Arbeit einer Gesamtaufnahme der Pyramidentexte in den Pyramiden der 6. Dynastie. Als seinerzeit im Mittelalter die Grabkammern dieser Pyramiden als Steinbrche geplndert wurden, sind zahllose grere und kleine Steinabschlge, mit Hieroglyphen bedeckt, in den Kam- mern und Gngen liegengeblieben. Maspero und sptere Bearbeiter der mythologisch-religisen Texte haben diese Fragmente niemals in ihre Betrachtungen einbezogen. Im Verlauf unserer Grabungen konnten nicht nur Tausende neuer Inschriftfragmente sichergestellt, sondern auch die Grabkammern zugnglich gemacht werden, die mit ihren sternengeschmckten Giebeldchern aus riesigen Steinquadern, die von den Steinrubem entweder zerschlagen oder in gefahrbringender Lage zurckgelassen wurden, einen unvergleichlichen Eindruck hinterlassen. Unsere Kenntnis von der Struktur dieser Pyramiden konnte dabei um wesentliche Aspekte bereichert werden. Im Zusam- menhang mit den Pyramiden wurden auch die zugehrigen Toten- tempel ausgegraben, die in Grundri und Gesamtplan eine weitgehen- de hnlichkeit mit dem entsprechenden Bauwerk Pepis II. aufweisen, der einzigen Anlage, die bisher ausreichend publiziert war. Die Ver- ffentlichung ber den Totentempel Tetis I. befindet sich in Vorberei- tung. (Erschienen 1973 Le temple haut. . ., siehe Bibliographie). Die Tempelmagazine Pepi's L, wo noch in der Antike Kalkbrennfen er- richtet worden waren, erbrachten zahlreiche Fragmente von Gefange- nenskulpturen, die bereits zerschlagen worden waren, um als Material

  • 10 Das Geheimnis der Pyramiden

    fr die Brennfen zu dienen. Kniende, gefesselte Figuren mit den Ge- sichtszgen der Nachbarvlker gyptens im Norden und Sden, mit denen das Land am Nil zu Zeiten in kriegerische Auseinandersetzun- gen verwickelt war (Taf. 16) stellen eine wertvolle Bereicherung dar.

    Die Kapitel ber die verschiedenen Pyramidentheorien, von der Bibel- theorie ber einige theosophische Auslegungen bis zu den pseudowis- senschaftlichen Thesen wurden gegenber der frheren Ausgabe um die inzwischen erschienene neueste Literatur erweitert, die biswei- len um so irrefhrender ist, je wissenschaftlicher sie sich gibt. Die zahlreichen Beobachtungen und Messungen, die wir im Laufe der letzten Jahre an den Pyramiden vornehmen konnten und von denen einige auf einer bersichtstabelle am Schlu des Buches aufgefhrt sind, liefern erneut Beweise fr unsere Ansicht ber die Grnde, die seitens der Baumeister die Wahl des Neigungswinkels, die Ausrich- tung nach den Himmelsrichtungen bei einigen dieser Denkmler und die Bautechnik bestimmten.

    Der Abbildungsteil des Buches konnte erheblich erweitert werden: 74 Zeichnungen gegenber 49 und 33 photographische Abbildungen, davon mehr als die Hlfte Farbtafeln gegenber 16 Schwarz-Wei-Auf- nahmen veranschaulichen fr den Leser die im Text zur Diskussion stehenden Probleme.

    J.-Ph. Lauer, Paris 1973

  • Teil I

    Die Pyramiden in berlieferung und Legende

    ReiseschilderungenErkundungen und Ausgrabungen

  • 1. Kapitel

    Reisende und Schriftsteller im Angesichtder Pyramiden von der Antike bis zur

    napoleonischen Expedition

    Seit beinahe 5000 Jahren haben die Pyramiden von Gisa (Giseh, Gizeh), jene drei gigantischen Wahrzeichen (Taf. I), deren Steinmassen un- mittelbar an der Stelle emporragen, wo sich das Niltal fcherfrmig zum Delta ffnet, in unzhligen Besuchern die lebhaftesten Gefhle der Bewunderung, des Erstaunens und bisweilen auch der Entrstung hervorgerufen. Heute mehr als je zuvor gibt es wohl kaum einen Be- sucher, der nicht, sobald er den Boden gyptens berhrt, wenigstens versuchen wrde, von Kairo aus die berhmten geometrischen Sil- houetten der Pyramiden aus der Ferne zu erblicken, wenn schon die Zeit nicht reicht, zu ihren Fen zu verweilen. Dieser Anblick gehrt allerdings auch zu den schnsten Eindrcken, die sie zu vermitteln imstande sind: sei es bei Sonnenaufgang, wenn sie je nach Himmels- richtung ihrer Seiten rosefarben oder bleu aus dem Dunst des Nil tales, den sie mit ihren Spitzen aufzureien scheinen, auftauchen, sei es gegen Abend, wenn sie die glhenden Farben der in der Wste unter- gehenden Sonne widerspiegeln, oder auch einige Minuten spter in der Dmmerung, wenn ihre dunklen Dreiecke sich von dem im Abendrot leuchtenden Himmel abheben.

    Diese Eindrcke wurden einst im Sommer und spter zu Beginn des Herbstes noch um jenes wirklich feenhafte Schauspiel der Nilber- schwemmung (Taf. I b) bereichert. Leider ist dieser Anblick, so einzig- artig und typisch fr gypten, unwiederbringlich dahin, seit 1936 der Assuan-Damm erhht wurde, um ber kleine Kanle die dauernde Bewsserung in allen Gebieten des Tales zu ermglichen. Damit ver- schwanden auch die letzten Becken, die sich bis dahin noch zur West- wste hin erhalten hatten. Whrend der berschwemmungszeit ver-

  • 14 Das Geheimnis der Pyramiden

    wandelte sich vordem die Ebene gyptens in einen riesigen, von ausgedehnten Palmenhainen oder Sanddnen umgebenen See, aus dem da und dort Sykomoren, Palmenbschel und Buketts aus Tama- risken oder Akazien auftauchten, whrend gleichzeitig die auf nied- rigen Anhhen errichteten Drfer zu Inseln wurden, zwischen denen die Ruder- und Segelboote der Fellachen hin- und herglitten. IUa f acies pulcherrima est, cum iam se in agros Nilus ingressit. Latent campi, opertaeque sunt yalles: oppida insularum modo extant, so beschrieb Seneca diese Jahreszeit. Die unermelich groen Wasserspiegel, die sich nach Norden und Sden im Niltal ausbreiteten, soweit das Auge reichte, reflektierten in unendlich nuancenreichem Kolorit alles, was sich in den klaren und stillen Wellen badete. Begrenzt wurde dieses groartige Bild, auf dem bisweilen bluliche Schatten von Wolken lagen, nach Osten von der langen Mauer der Arabischen Gebirgskette, whrend sich gegen Westen wie ein Goldband die Sanddnen der Libyschen Wste, beherrscht von den Pyramiden, anschmiegten.

    Dieser Anblick war es, der dem Reisenden Arthur Rhone1, als er im vorigen Jahrhundert gemeinsam mit Mariette Memphis und Saqqra besuchte, die folgenden Zeilen der Bewunderung entri: Beim Nher- kommen, welche berraschung! Die Deiche sind gebrochen, die berschwemmungswasser des Nils erstrecken sich soweit das Auge reicht, der heilige Strom beherrscht die Ebene. Nach allen Seiten sieht man nichts als Inselchen aus Palmen ins schlngelnde Wasser ge- worfen, dessen Mander sich fllen, um reizende Buchten und Vor- sprnge zu bilden, wo eine letzte Palme ihren Wipfel ber das Wasser neigen wird. Hier breitet sich die Flche des befeuchtenden Wassers aus, vergrert sich zusehends und legt sich ber diese alte Erde, die fruchtbar wird beim Erscheinen der Sonne. Dort zieht sich das Wasser enger zusammen und flieht zwischen zwei bewachsene Hgel, um sich ein wenig weiter wieder zu verbreiten. Die Stelle gibt den Blick frei auf Lagunen ohne Zahl, auf das dunkelbraune, ertragreiche Land, das die Erdhgel von Memphis umgibt, auf die Wste, die Pyramiden, ebenso ewig und stumm

    Zur Zeit der berschwemmung war es auch, als der sensible Knstler Vivant Denon, der berhmte Zeichner der Expedition dgypte, kaum den Schlachten entronnen, die Bonaparte den Zugang nach Kairo

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 15

    erffneten, die Pyramiden zum ersten Mal sah: Ich wurde bei dem groen Anblicke dieser erhabenen Gegenstnde gerhrt. Sehr nahe ging es mir, da die Nacht ihre Flgel ber dieses Gemlde breitete, das fr das Auge sowie fr die Einbildungskraft gleich imponierend war. Mit dem ersten Sonnenstrahl begrte ich die Pyramiden wieder, und zeichnete sie mehrmals; besonders machte es mir Vergngen, vom Nil aus bei seiner hchsten Erhebung die Drfer vor jenen Monumenten vorbergleiten und alle Augenblicke Landschaften bilden zu sehen, wovon jene immer den Hauptgegenstand und das Hauptinteresse aus- machten. Gern htte ich sie in der zarten und durchsichtigen Farbe dargestellt, die ihnen wegen der Luft, die sie umgibt, eigen ist. Diese Eigentmlichkeit haben sie wegen ihrer auerordentlichen Hhe vor allen brigenMonumenten voraus. Die groe Entfernung, aus der sie gesehen werden knnen, macht sie fast durchscheinend im blulichen Ton des Himmels, und ihre Kanten erhalten dadurch die Reinheit und das Vollendete wieder, was die Jahrhunderte ihnen abgenagt haben.2

    Doch so eindrucksvoll das grandiose Panorama der Pyramiden vor allem in den schnsten Jahreszeiten und zu den gnstigsten Stunden sein mag, so ist es doch nicht allein ihre Ausstrahlung als Kunstwerke, die die Reisenden anzieht, als vielmehr das allgemein und tiefer empfundene Gefhl, in Gegenwart dieser unvergnglichen Zeugen die frhesten Zeiten der Geschichte zu erleben. In der Tat haben diese faszinierenden Denkmler, die umfangreichsten Bauwerke, die je von Menschen errichtet wurden, so da die Griechen sie zu den Sieben Weltwundern rechneten, seit ihrer Erschaffung nicht stets gypten schlechthin symbolisiert, das vor allen anderen geheimnisvolle Land, wo unzhlige Spuren der Zivilisation, die als die lteste gilt, uns an die Ursprnge der Menschheit berhaupt anbinden? Um diese pltzliche Erkenntnis ganz zu erfassen, sollte man in einer Sternennacht oder noch besser bei Mondschein zu Fen der Pyramiden stehen. Ihre Masse scheint dann unbegrenzt, ihre Seitenflchen und Kanten ver- schwimmen und verlieren sich in der Unendlichkeit des Himmels. So sah im Jahre 1777 auch der Reisende Cl. Et. Savary die Pyramiden, und sie entlockten ihm die folgenden schwrmerischen Zeilen: Kaum hatten wir eine Viertelmeile zurckgelegt, als wir die obersten Spitzen der beyden groen Pyramiden sahen. Wir waren nur drey Meilen davon entfernt. Sie wurden vom vollen Monde beschienen. Sie

  • 16 Das Geheimnis der Pyramiden

    Abb. 2: Lage der wichtigsten Pyramidensttten zwischen Kairo und dem Faijm

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 17

    hatten das Ansehen zwoer Felsenspitzen, die mit Wolken bedeckt waren. Der Anblick dieser Denkmler des Alterthums, welche den Untergang ganzer Nationen, den Verfall ganzer Reiche berlebt, und den Verwstungen der Zeit widerstanden haben, flt eine Art von Ehrfurcht ein. Die ruhige Luft, die stille Nacht vermehrten noch ihre Majestt. Wenn man einen Blick auf die Jahrhunderte wirft, die vor ihrer unerschtterlichen Masse verlaufen sind, so wird die Seele von einem ehrfurchtvollen, unwillkhrlichen Schauder ergriffen. Seyd gegrsset, ihr Ueberbleibsel der sieben Wunder der Welt! Geehrt sey die Macht des Volkes, welches sie errichtet!3

    Whrend sich der umgngliche Savary auf diese Weise uerte, zollte doch auch sein gelehrter Zeitgenosse C.-F. de Volney, ansonsten das ganze Gegenteil in seinem gestrengen Urteil ber gypten, den Pyra- miden die gleiche Bewunderung:Der Zahn der Zeit und noch mehr die Hand der Menschen, die alle Denkmler des Altertums verwsteten, haben bis jetzt bey den Pyramiden nichts ausrichten knnen. Die Festigkeit ihres Gebudes, und der ungeheure Umfang ihrer Masse, haben sie gegen alle Ver- wstungen gesichert, und scheinen ihnen eine ewige Dauer zu ver- sprechen. Alle Reisenden sprechen davon mit Enthusiasmus, und diemal ist er wrklich nicht bertrieben. Zehn Franzsische Meilen davon, ehe man noch zu ihnen kommt, sieht man schon diese knst- lichen Berge liegen. Je mehr man sich ihnen nhert, desto mehr scheinen sie sich zu entfernen; wenn man auch noch eine Meile weit hin hat, fallen sie doch so sehr ins Auge; da man an ihrem Fue zu seyn glaubt; endlich kmmt man bei ihnen an, und nichts vermag die Mannichfaltigkeit der Empfindungen auszudrcken, davon man als- dann ergriffen wird; die Hhe ihres Gipfels, ihr jher Abhang, ihre groe Oberflche, die Last ihrer ganzen Masse. Die Erinnerung der Vergangenheit, der Gedanke der unermelichen Arbeit, die sie ge- kostet, und da diese ungeheuren Felsen das Werk des schwachen und kleinen Menschen sind, der an ihrem Fue herum kriecht; alles dieses erfllt auf einmal Herz und Geist mit Erstaunen, Schrecken, Demthigung, Bewunderung und Ehrfurcht.4

    Diese Schilderungen wirken nicht bertrieben, belegt man mit einigen Zahlen den kaum fabaren Aufwand an Arbeit, den die Verwirk-

  • 18 Das Geheimnis der Pyramiden

    lichung dieser Monumente erfordert hat. Die Pyramiden des Cheops bzw. des Chephren mit Seitenlngen von 230 m bzw. 215 m bedecken eine Grundflche von etwas mehr als 5 Hektar im Falle der erstge- nannten, etwas weniger als 5 Hektar im Falle der anderen. Beide maen mehr als 140 m in der Hhe, eine Zahl, die 4000 Jahre lang von keinem Bauwerk wieder erreicht werden sollte,- denn erst im aus- gehenden Mittelalter bertrafen die Trme einiger Kathedralen diese Hhenmae.5

    Die Pyramide des Cheops (Abb. 3 und Taf. II), gegenwrtig noch aus 201 Steinlagen bestehend, zhlte ursprnglich 215 bis 220 solcher Schichten. Ihre Spitze wurde um etwa 10 m abgetragen, als man die Verkleidung als Steinbruch benutzte. Legt man als mittleren Wert fr einen Steinblock dieser Pyramide 1 Kubikmeter zugrunde, dann ergibt das 2600000 Blcke, die bei einem spezifischen Gewicht von ungefhr 2,5 ein Gesamtgewicht von 6500000 Tonnen ausmachen. Diese kaum vorstellbare Zahl bedeutet, da unter Hinzufgung der Abschlge, die durch das Behauen der Steine entstanden, ein Gesamtgewicht von nicht weniger als 7 Millionen Tonnen Gestein involviert waren, das in den Steinbrchen gebrochen, bis zum Werkplatz transportiert, auf die Pyramide gehievt und schlielich sorgfltig geschichtet in Lagen ange- ordnet werden mute. Fr den Transport einer solchen Menge Steine brauchte man heute siebentausend Zge mit je tausend Tonnen Last oder siebenhunderttausend Lastwagenladungen zu je 10 Tonnen. Napoleon Bonaparte errechnete vor seinen staunenden Offizieren, da man mit den Blcken der drei Pyramiden von Gisa ganz Frank- reich mit einer Mauer von 3 m Hhe bei einer Breite von 0,30 m htte umgeben knnen.

    Bei der Cheops-Pyramide mit die unterste Steinlage, die zugleich die grte berhaupt ist, 1,50 m in der Hhe, die nchste 1,25 m und die dritte und vierte zwischen 1,20 und 1,10 m. Die folgenden sind nicht ganz 1 m hoch, sie variieren zwischen 0,65 und 0,90 m. Je weiter oben desto kleiner werden im Durchschnitt die Blcke, und in der Nhe der Spitze erreichen sie eine mittlere Hhe von 0,55 m. Die Verkleidungs- blcke muten einen mittleren Wert von 1,50 m Lnge fr die unterste Schicht* und 0,75 m fr alle weiteren Lagen aufweisen. Wenn man* Der lngste Verkleidungsblock dieser Lage wiegt ungefhr 15 Tonnen.

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 19

    diese Abmessungen zugrundelegt, ergibt sich allein fr die Verkleidung eine Zahl von mehr als 115500 Blcken.

    Fhren uns diese Zahlen die Quantitt dieser auerordentlichen menschlichen Leistung vor Augen, die mit dem Bau der Pyramiden vollbracht wurde nach Vivant Denon das letzte Glied der Kette zwischen den Kolossen der Kunst und denen der Natur -, so ruft die auerordentliche Sorgfalt der Ausfhrung bis ins kleinste Detail nicht minder die Achtung vor der Qualitt hervor. Die Leistung der Bau- meister ist nach wie vor kaum fabar, vor allem die Zurstung der Steine fr die Pyramide des Cheops ist ein wahres technisches Meister- werk. Flinders Petrie6 hat festgestellt, da die Fugen, die auf den ersten Blick wie Kratzer auf der Steinoberflche wirken oder teilweise gar nicht sichtbar sind, im Durchschnitt 1/50 Zoll, d. h. ungefhr einen halben Millimeter breit sind. Mari stelle sich also vor, welche Mhe es gekostet haben mag, Blcke von mehreren Tonnen Gewicht so nahtlos aneinander zu fgen! Piazzi Smyth, der schottische Astronom, auf den wir noch zu sprechen kommen werden, hat die Perfektion der Vor- bereitung der Bauteile mit der modernen Przisionsarbeit mittels optischer Gerte verglichen, und er fragt sich zu Recht, wie wohl der Mrtel, der heute noch ein dnnes Hutchen von der Breite eines Blattes Silberpapier bildet, aufgebracht worden ist. Das Vorhandensein von Mrtel in den Fugen lt sich nicht anders erklren als auf folgende Weise: Sobald man einen Block auf einer neuen Schicht auf- brachte, wurde die Oberseite der darunterliegenden Schicht mit Mrtelbrei aus auerordentlich dnnflssigem Gips versehen, die selbst in die geringfgigsten ffnungen an der Oberflche der unteren Lage und die Unterseite des neu aufgebrachten Blocks einzudringen vermochte, um so beide Lagen vollkommen zu verbinden und auch in die kleinsten Ritzen der vertikalen Fugen der jeweiligen unteren Schicht zu flieen.

    Wird die Vorbereitung der Blcke und das Einweisen auf den Pyra- miden selbst schon zu Recht als kaum vorstellbare Leistung be- trachtet, so bilden diese Arbeiten doch nur einen Teil der notwendigen Manahmen, die fr die Errichtung dieser Bauwerke erforderlich waren. Es gilt ferner zu bedenken, da dem eigentlichen Bau weitere Arbeitsphasen vorangehen muten: angefangen beim Brechen der

  • Abb. 3: Die Cheopspyramide oder Groe Pyramide, Schnitt, 1,2 und 3 bezeichnen die nacheinander angelegten Grabkammern

    Blcke in den Steinbrchen von Tura auf dem gegenberliegenden Ufer des Niles, ber den Transport zum Flu, das Aufbringen auf die Lastkhne und das Abladen bis zum Bau von Wegen, Kais oder Landungsanlagen zum Weitertransport auf das Plateau der libyschen Wste, wo sich die Pyramiden erheben sollten.

    Herodot (Historien II, 124), der erste der Reisenden, dessen Schriften ber die Pyramiden uns erhalten sind, zieht die Aufmerksamkeit genau auf diese verschiedenen Gesichtspunkte, wenngleich er da- neben auch all jene Legenden wiedergibt, die zu seiner Zeit ber den angeblich unfrommen und tyrannischen Knig Cheops umliefen: Bis zur Regierungszeit des Rhampsinitos hat in gypten, so erzhlen sie weiter, die vollkommenste Ordnung und groer Reichtum geherrscht. Aber sein Nachfolger Cheops hat das Land ins tiefste Unglck gestrzt. Zunchst hat er alle Heiligtmer zuschlieen lassen und das Opfern verhindert. Weiter hat er alle gypter gezwungen, fr ihn zu arbeiten. Die einen muten aus den Steinbrchen im arabischen Gebirge Stein- blcke bis an den Nil schleifen. ber den Strom wurden sie auf Schiffe

    2 0 Das Geheimnis der Pyramiden

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 21

    gesetzt, und andere muten die Steine weiterziehen bis hin zu den sogenannten libyschen Bergen. Hunderttausend Menschen waren es, die daran arbeiteten und alle drei Monate abgelst wurden. So wurde das Volk bedrckt, und es dauerte zehn Jahre, ehe nur die Strae gebaut war, auf der die Steine dahergeschleift wurden, ein Werk, das mir fast ebenso gewaltig scheint, wie der Bau der Pyramide selber. Denn die Strae ist fnf Stadien lang, zehn Klafter breit, an der hchsten Stelle acht Klafter hoch und aus gegltteten Steinen hergestellt, in die Tier- gestalten eingemeielt sind... * An der Pyramide selber wurde zwanzig Jahre gearbeitet. Sie ist vierseitig und jede Seite acht Plethren breit und ebenso hoch**. Sie besteht aus gegltteten, aufs genaueste ineinander gefgten Steinen, von denen jeder mindestens dreiig Fu lang ist.

    Weiter (Historien II, 125) fgt Herodot hinzu: An der Pyramide ist in gyptischen Buchstaben verzeichnet, welche Mengen von Rettichen, Zwiebeln und Knoblauch die Arbeiter verzehrt haben. Wenn ich mich recht an die Summe erinnere, die mir der Dolmetscher nannte, der die Inschriften entzifferte, so waren es eintausendsechshundert Talente Silbers. Wenn das richtig ist, welche Unsummen mssen dann erst fr die eisernen Werkzeuge, fr das Brot und fr die Kleidung der Arbeiter ausgegeben worden sein. Denn zwanzig Jahre lang dauerte doch der Bau, und die Zeit, in der sie die Steine brachen, herbeischleppten und die unterirdischen Gemcher gruben, war doch auch nicht kurz.

    Andererseits berichtet Herodot ber die Erbauer der groen Pyramiden (Historien II, 127): Fnfzig Jahre lang war dieser Cheops Knig, und als er starb, folgte ihm sein Bruder Chephren auf dem Thron. Der war jenem in allen Stcken gleich und baute auch eine Pyramide, die aber nicht so gro ist... Die unterste Schicht baute er aus buntem aithiopi-

    * Herodot scheint hier die fr den Steintransport bestimmte Rampe mit dem gedeckten Aufweg zu verwechseln, der bei den Pyramidenkomplexen den Taltempel am Rande des Fruchtlandes mit dem vor der Pyramide gelegenen Totentempel verband. Diese Aufwege waren tatschlich auerordentlich sorgfltig gebaut und mit Reliefs verziert, die u. a. Jagdszenen und Szenen aus der Viehzucht wiedergaben. Auerdem ist es mglich, da diese Wege whrend der Bauzeit zunchst fr den Transport der Blcke benutzt wurden und erst nach Beendigung der Transporte mit reliefgeschmckten Seitenmauern ver- sehen wurden.

    ** Die Groe Pyramide mit 280 Ellen in der Hhe bei einer Seitenlnge von 440 Ellen. Viele Reisende haben spter im Gefolge von Herodot gemeint, die beiden Dimensionen seien gleich.

  • 22 Das Geheimnis der Pyramiden

    schem Stein* und die Pyramide bleibt bei sonst gleichen Maen um vierzig Fu hinter der anderen zurck**. Beide Pyramiden stehen auf demselben Hhenzug, der etwa hundert Fu hoch ist. Chephren hat sechsundfnfzig Jahre regiert. Und Historien II, 128: Im ganzen waren es also hundertsechs Jahre, wo die gypter soviel zu leiden hatten und die Tempel geschlossen blieben. Die gypter hassen diese Knige so, da sie ihre Namen nur ungern nennen; auch die Pyra- miden nennt man nach dem Hirten Philitis, der um jene Zeit seine Herden in der Gegend dort weidete. Dann Historien II, 129: Darauf wurde Mykerinos, der Sohn des Cheops, Knig von gypten. Der war ganz anders als sein Vater. Er ffnete die Tempel und entlie das arg gequlte Volk zu den eigenen Arbeiten und zu den Opfern***... Er war auch der gerechteste Richter unter allen Knigen. Darum preisen ihn die gypter auch am hchsten unter allen, die je ber sie geherrscht haben...

    Mitleid mit dem gyptischen Volk, das von unglubigen und hoch- mtigen Knigen versklavt worden sei und nur fr deren persnlichen Ruhm gearbeitet habe, findet sich noch bei einigen anderen Schrift- stellern der klassischen Antike. So fragt sich auch Diodor von Sizilien, der zwar die Pyramiden von Gisa unter die Sieben Weltwunder einreiht - der Anblick der groen Massen und der kunstreichen Arbeit erregt Staunen und Bewunderung (Diodor LI sect. II Art. XV bis XVII), was denn von Frsten zu halten sei, die es als etwas Groes ansahen, mit der Hnde Arbeit und unter Einsatz von gewalti- gen Geldmitteln gigantische Bauwerke zu errichten mit dem einzigen Ziel, ihren Namen zu verewigen. Diese Werke sind unstreitig die ausgezeichnetsten in ganz gypten, man mag auf den Umfang der Gebude und die Kosten, oder auf die Geschicklichkeit der Knstler Rcksicht nehmen. Und man glaubt, die Baumeister verdienen sogar noch mehr Bewunderung als die Knige, welche die Kosten dazu gegeben haben; denn jene haben durch eigene Geisteskraft und rhm-

    * Die unterste Lage der Verkleidung an der Pyramide des Chephren bestand aus Assuangranit.

    ** Tatschlich mit die Pyramide des Chephren fnfzehn Meter weniger in der Seiten- lnge, da aber der Neigungswinkel grer als bei der Cheopspyramide ist, erreichte sie fast die gleiche Hhe, d. h. 143 m im Vergleich zu 146,60 m.

    *** Die Pyramide des Mykerinos umfat nur 1/10 des Volumens der Cheopspyramide, d. h. 260000 Kubikmeter (statt fast 2600000).

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 23

    liehe Anstrengung, diese nur durch ererbten Reichtum und durch die Mhe anderer zur Vollendung der Arbeit mitgewirkt. ber die Pyrami- den findet man brigens bei den Eingeborenen sowohl als bei den Ge- schichtsschreibern durchaus keine bereinstimmenden Nachrichten. Denn einige behaupten, sie seien von jenen drei Knigen*, andere, sie seien von andern erbaut. Man lt z. B. die grte von Armus errichtet sein, die zweite von Amasis, die dritte von Inaros... Und weiter heit es bei Diodor: Die Knige hatten sich die Pyramiden zu Grabmlern erbaut, und doch sollte keiner von beiden darin begraben werden. Dem Volke waren nmlich wegen der hchst beschwerlichen Arbeit und wegen vieler Grausamkeiten und Bedrckungen diese Knige so ver- hat, da es drohte, mit Hohn die Leichen aus den Grbern heraus- zureien und zu zerfleischen. Daher gaben beide vor ihrem Tode ihren Angehrigen den Befehl, sie an einem unbekannten Ort in der Stille zu begraben.

    Strabon wiederholt noch einmal die weit verbreitete berlieferung, die bereits von Herodot und Diodor erwhnt und zurckgewiesen wird, da die dritte Pyramide fr die Kurtisane Rhodopis7 errichtet worden sei. Was Plinius den lteren anbelangt, so berichtet er bei- lufig auch etwas von den Pyramiden8 und fllt ein besonders stren- ges Urteil. Er betrachtet sie als Zeichen miger und alberner Zurschaustellung des Reichtums der Knige regum pecuniae otiosa ac stulta ostentatio und fgt hinzu, die gerechte Strafe habe darin be- standen, da die Erinnerung an sie in Vergessenheit begraben worden sei, da die Historiker in keiner Weise darin bereinstimmten, wie die Namen der Urheber dieser eitlen Werke geheien htten.

    In der Tat scheinen die Namen der wirklichen Erbauer der Pyramiden im Laufe der Zeit der Vergessenheit anheimgefallen zu sein, wie aus Herodot und Diodor hervorgeht. In islamischer Zeit dann sind die Nachrichten ber die Erbauer der Pyramiden und die Grnde fr deren Errichtung allesamt gekennzeichnet durch ausschweifende Phantasie. So auch der Bericht des Ibrahim Ibn Wasif Schah vom Ende des 12. Jahr- hunderts in Nachrichten von gypten und seinen Wundem9, den wir hier auszugsweise um der Kuriositt willen wiedergeben wolleh:

    * d. h. Cheops, den Diodor Chembes oder Chemmis nennt, Chephren und Mykerinos.

  • 24 Das Geheimnis der Pyramiden

    Die Ursache der Erbauung der beiden Pyramiden war, da 300 Jahre vor der Sintflut Saurid folgenden Traum hatte: Die Erde kehrte sich mit ihren Bewohnern um, die Menschen flchteten in blinder Hast, und die Sterne fielen herab, und einer stie gegen den anderen unter grauenhaftem Krachen.

    Dies erfllte ihn mit Kummer, und er erzhlte niemanden davon. Er erkannte aber, da in der Welt etwas von Bedeutung eintreten werde. Darauf trumte er einige Tage spter: Die Fixsterne stiegen in der Gestalt weier Vgel zur Erde nieder, entfhrten die Menschen und schleuderten sie zwischen zwei groe Berge; die beiden Berge deckten sich ber sie und die leuchtenden Sterne wurden finster und dunkel. Saurid erwachte voll Schrecken und begab sich in den Sonnentempel, wo er die Priester versammelte und ihnen befahl, die Gestirne zu be- fragen. Die weisen Wahrsager prophezeiten eine Sintflut, die das Land verwsten werde. Darauf, fhrt der Autor fort, befahl er die Pyramiden zu bauen und Kanle herzustellen, durch die der Nil selbst zu einem bestimmten Ort gelangen und dann nach gewissen Punkten im Westlande und in Obergypten flieen sollte,- auch fllte er sie an mit Talismanen, Wundern, Schtzen, Gtzenbildern und mit den Leichnamen ihrer Knige, und nach seinem Befehl an die Wahrsager verzeichneten diese darauf alles, was die Weisen gesagt hatten; es wurden an den Pyramiden und an ihren Decken, Wnden und Sulen alle Geheimwissenschaften, die die gypter fr sich in Anspruch nehmen, aufgezeichnet und die Bilder aller Gestirne darangemalt, auch wurden die Namen der Heilmittel verzeichnet, sowie deren Nutzen und Schaden, dazu die Wissenschaft der Talismane, die der Arithmetik und der Geometrie und berhaupt ihre smtlichen Wis- senschaften, deutbar fr den, der ihre Schrift und Sprache kennt. An- schlieend schildert der Autor des langen und breiten den Bau der Pyramiden, der mit einem gnstigen Horoskop ins Werk gesetzt wurde. Weiter heit es dann: ... und als sie vollendet waren, lie er sie von oben bis unten mit farbigem Brokat verkleiden und veranstaltete ihnen zu Ehren ein Fest, an dem alle Bewohner seines Reiches teil- nahmen. In der stlichen Pyramide* lie er die verschiedenen Himmelgewlbe und die Planeten darstellen sowie an Bildern an-

    * Pyramide des Cheops

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 25

    fertigen, was seine Vorfahren hatten schaffen lassen; dazu kam Weih- rauch, den man den Sternen opferte, und Bcher ber diese. Auch findet man dort die Fixsterne und das, was sich in ihren Perioden von Zeit zu Zeit begibt und die im Hinblick auf sie eingefhrten Epochen dargestellt sowie die Ereignisse der Vergangenheit, die Zeiten, zu denen man die zuknftigen Geschehnisse erwartet und alle Herrscher gyptens bis ans Ende der Zeiten. Auerdem lie er dort Gefe auf- stellen, in denen sich Arzneitrnke und hnliches derart befanden.

    In der westlichen* Pyramide lie er 30 Schatzkammern aus farbigem Granit anlegen; die wurden angefllt mit reichen Schtzen, mit Gerten und Bildsulen aus kostbaren Edelsteinen, mit Gerten aus vortrefflichem Eisen, wie Waffen die nicht rosten, mit Glas, das sich zusammenfalten lt, ohne zu zerbrechen, mit seltsamen Talismanen, mit den verschiedenen Arten der einfachen und der zusammenge- setzten Heilmittel und mit tdlichen Giften.In die farbige** Pyramide endlich lie er die Leichname der Wahr- sager in Srgen aus schwarzem Granit bringen; neben jedem Wahr- sager lag ein Buch, in dem seine wunderbaren Knste und Werke, sein Lebenslauf, was er zu seiner Zeit verrichtet hatte, und was vom Anfang bis zum Ende der Zeiten war und sein wird, beschrieben war. An den Wnden lie er auf jeder Seite Gtzen darstellen, die mit ihren Hnden alle Fertigkeiten verrichteten, nach ihrem Rang und ihrer Macht geordnet; dazu kam eine Beschreibung jeder Fertigkeit sowie der Art ihrer Ausfhrung und dessen, was sich dafr brauchen lt. Auch gab es keine Wissenschaft, die er nicht niederschreiben und auf- zeichnen lie. Auerdem lie er dorthin die Schtze der Gestirne, die diesen als Geschenke dargebracht worden waren, sowie die Schtze der Weissager schaffen, und diese bildeten eine gewaltige und unzhl- bare Menge.

    Einer jeden Pyramide bestellte er einen Schatzhter. Der Hter der westlichen Pyramide war ein Gtze aus verschiedenfarbig gestreiftem Granit; er stand aufrecht und hatte eine Art Wurfspie bei sich; um sein Haupt hatte er eine Schlange gewunden, die strzte sich auf

    * Pyramide des Chephren** Pyramide des Mykerinos mit ihrer Verkleidung aus Rosengranit; die bersetzung darf

    also nicht bemalt lauten, sondern farbig, wie bereits Silvestre de Sacy bemerkt hat.

  • 26 Das Geheimnis der Pyramiden

    jeden, der sich ihm nherte, ringelte sich um seinen Hals und ttete ihn, dann kehrte sie wieder an ihren Platz zurck. Zum Hter der st- lichen Pyramide machte er einen Gtzen aus schwarz und wei ge- streiftem Onyx. Der hatte weit geffnete, blitzende Augen, sa auf einem Thronsessel und hatte einen Wurfspie bei sich. Wer ihn an- schaute, der vernahm von ihm her einen Laut, der ihn mit Entsetzen erfllte,- dann fiel er nieder auf sein Antlitz und vermochte nicht, sich zu entfernen, bis er schlielich den Geist aufgab. Zum Hter der farbigen Pyramide machte er einen Gtzen aus Adlerstein (Aetit) auf einem Sockel aus dem gleichen Stein. Jeden, der ihn anschaute, zog er an sich heran, bis er fest an ihm haftete und sich nicht loszureien ver- mochte und schlielich den Geist aufgab.

    Als der Knig dies alles vollendet hatte, lie er durch krperlose Geister den Zutritt zu den Pyramiden verwehren und brachte ihnen Opfer dar, damit sie jeden Eindringling von sich fern hielten, ausge- nommen die, welche die Zeremonien verrichteten, deren es bedurfte, um hineinzugelangen.

    Die Kopten berichten in ihren Schriften, es finde sich auf den Pyra- miden eine Inschrift eingemeielt, die in arabischer bersetzung lautet: 'Ich, Saurid, der Knig, habe diese Pyramiden zu der und der Zeit erbaut, und ich habe ihre Erbauung in sechs Jahren vollendet; wer nach mir kommt und meint, er sei ein Knig wie ich, der mge sie in 600 Jahren zerstren; und es ist bekannt, da Zerstren leichter ist als Bauen. Auch habe ich sie, als sie fertig waren, mit Brokat ber- zogen, mge er sie mit Matten bekleiden.

    Al-Masdi berichtet im 10. Jahrhundert, da im Jahre 820, als der Kalif al-Mamn nach gypten kam und auch die Pyramiden besichtigte, er den Wunsch geuert habe, eine von ihnen abzutragen, um festzu- stellen, was sie enthielten:10 Man sagte ihm: Das steht nicht in deiner Macht! doch er erwiderte: Sie soll auf jeden Fall an irgend einer Stelle geffnet werden! Da stellte man fr ihn die noch heutigen Tages vorhandene ffnung her; dazu brauchte man Feuer, Essig und eiserne Brechstangen, und Schmiede muten sich daran abmhen, so da er groe Summen darauf verwendete. Man fand, da die Dicke der Mauer annhernd 20 Ellen betrug, und als man ans Ende der Mauer

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 27

    gelangt war, entdeckte man hinter dem Eingangsstollen ein Gef von grner Farbe, in dem sich gemnztes Gold befand; jeder Dinar davon wog 1 Unze und die Zahl der Dinare belief sich auf 1000. Da begann sich al-Mamn ber dieses Gold und ber seine Vorzglichkeit zu verwundern. Dann lie er zusammenrechnen, was er fr die Her- stellung der Bresche verausgabt hatte, und es ergab sich, da die Summe des gefundenen Goldes ganz genau jenen Ausgaben gleich- kam. Da geriet er in groes Erstaunen darber, da sie gewut, was er ausgeben werde und die genau entsprechende Summe an dem Orte hinterlassen hatten. Das Gef aber, in dem man das Gold fand, soll aus Chrysolith gewesen sein, und es wurde auf Befehl al-Mamns nach seinen Schatzkammern gebracht; danach lie er nichts mehr von den Wundern gyptens wegschaffen.

    Al-Kaisi schreibt im 12. Jahrhundert ebenfalls11, da al-Mamn die groe Pyramide, die gegenber von Fustt liegt, habe ffnen lassen: Ich suchte ihr Inneres auf und erblickte ein groes gewlbtes Ge- mach, dessen Basis ein Viereck bildete, whrend es oben rund war. In der Mitte befand sich ein viereckiger Brunnenschacht von 10 Ellen Tiefe. In diesem Brunnenschacht sind vier mit Leichnamen angefllte Rume; es wimmelt dort brigens von Fledermusen. In dem ge- wlbten Gemach, das sich in der Pyramide befindet, ffnet sich ein Gang, der zu dem hchsten Punkt der Pyramide fhrt.... Es heit, man sei zur Zeit al-Mamns dort emporgestiegen und darauf zu einem gewlbten Gemach von geringer Gre gelangt, in dem die Bildsule eines Menschen stand, die aus grnem Stein, einer Art Malachit, gefertigt war. Man brachte sie zu al-Mamn, und es fand sich, da sie mit einem Deckel verschlossen war. Als man sie ffnete, gewahrte man drinnen den Leichnam eines Menschen, der einen goldenen, mit allerlei Edelsteinen geschmckten Panzer trug. Auf seiner Brust lag eine Schwertklinge ohne Griff und neben seinem Haupte ein roter Hyazinthstein von der Gre eines Hhnereis, der wie Feuerflammen leuchtete. Den nahm al-Mamn an sich. Das Gtzenbild aber, aus dem man diesen Leichnam hervorholte, habe ich neben der Pforte des kniglichen Palastes zu Misr liegen sehen im Jahre 511. (d. h. 1117-1118).

    Mariette12 und nach ihm Maspero13 nahmen diese Entdeckung, die al-Mamn zugeschrieben wurde, fr bare Mnze: Unschwer erkennt

  • 28 Das Geheimnis der Pyramiden

    man in dieser Beschreibung, so Maspero, den wannenartigen Sarg, der heute noch an seinem Platz steht, eine Steinhlle in Menschen- form und die Mumie des Cheops mit Schmuck und Waffen bedeckt wie der Leichnam der Knigin Ahhotep I. Nach einer anderen Version hingegen14 war die Entdeckung des al-Mamn wesentlich bescheide- ner ausgefallen: Als nun der Kalif al-Mamn nach gypten kam, befahl er, in sie einen Eingang herzustellen. Da stellte man in eine der beiden Pyramiden, die al-Fustt gegenberliegen, nach gewaltigen An- strengungen und langwierigen Mhen einen Eingang her. Drinnen fanden sie grausenerregende Treppen und Schachte, wo man nur unter Schwierigkeiten gehen konnte, und ganz oben fand er ein wrfel- frmiges Gemach; jede Seite hatte eine Lnge von etwa 8 Ellen und in der Mitte stand eine marmorne Mulde, die mit einem Deckel ver- schlossen war. Als man den heruntergenommen hatte, fand er darin nur morsche Knochen, ber die die dahingeschwundenen Jahrhunderte dahingegangen waren. Unter diesen Umstnden befahl al-Mamn, von einer ffnung der andern Pyramiden abzusehen. Es heit, die Kosten, welche die Herstellung dieses Eingangs verursachte, seien sehr gro und die Ausgaben fr Lebensmittel gewaltig gewesen. Wenn demnach die arabischen Schriftsteller hinsichtlich der Tatsache bereinstimmen, da al-Mamn die Groe Pyramide geffnet habe, so wissen sie doch grundstzlich Unterschiedliches ber das Ergebnis seiner Untersuchungen zu vermelden. In einem Punkt allerdings stimmen sie berein: nmlich, da sich in der oberen Grabkammer ein Leichnam befunden habe. Nach der einen berlieferung war er prchtig hergerichtet, und diese Beschreibung wrde durchaus zum archologischen Befund ber die unglaublichen Reichtmer, die ur- sprnglich in den Knigsgrbern vorhanden waren, passen. Es mag gengen, in diesem Zusammenhang an die Schtze von Dahschr, das Grab des Tutanchamun oder spter noch an die Funde aus Tanis zu erinnern. Nach der anderen Tradition sollen in dem Sarkophag nur mehr Reste eines Leichnams ohne jeden Schmuck vorhanden gewesen sein, was bezeugen wrde, da das Grab schon geplndert war. Setzen wir den ersten Fall voraus, dann htten die Eindringlinge, die in der Antike in der Groen Pyramide waren, wie Strabon schreibt15, nicht bis zur Grabkammer vordringen knnen, was wenig wahrscheinlich klingt, wenn man deren Khnheit und Entschlossenheit in Rechnung stellt. Dies war auch die Ansicht von Flinders Petrie16 und G. A.

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 29

    Reisner17. Auerdem kann nicht ausgeschlossen werden, da sich in der berlieferung der Kopten, auf die sich die arabischen Autoren mangels eigener Tradition sttzten18, die Erinnerung an ungewhn- liche Reichtmer in irgendeiner Pyramide oder auch in einem anderen Grab aus verhltnismig spter Zeit gehalten hatte und sie diese Ent- deckungen dann mit al-Mamn und der Groen Pyramide in Ver- bindung gebracht haben.

    Von den arabischen Schriftstellern sei noch Abd al-Latf, der Arzt aus Bagdad (1161-1231), genannt, der ber die beiden groen Pyramiden schreibt19: Diese Pyramiden sind aus groen Steinen von zehn bis zwanzig Ellen Lnge erbaut, bei einer Breite von zwei bis drei Ellen und der gleichen Tiefe. Was daran unbedingt grter Bewunderung wrdig ist, ist die auergewhnliche Genauigkeit, mit der diese Steinblcke bereinandergeschichtet sind. Die Schichten sind so gut gefugt, da man weder eine Nadel noch ein Haar zwischen zwei Steine schieben kann. Sie sind mit einem Mrtel miteinander verbunden von der Breite eines Blattes Papier. Ich wei nicht zu sagen, woraus dieser Mrtel be- steht, der mir gnzlich unbekannt ist. Die Steine sind bedeckt mit Zeichen einer alten Schrift, deren Lautwert man heute nicht mehr kennt*. Ich habe in ganz gypten niemanden getroffen, der auch nur vom Hrensagen jemanden gekannt htte, der ber diese Buchstaben htte Aufschlu geben knnen. Diese Inschriften sind in so groer Zahl vorhanden, da man mehr als zehntausend Seiten fllen wrde, wollte man auch nur die abschreiben, die man auf der Oberflche der beiden Pyramiden sieht...

    Silvestre de Sacy merkt an20, da auch andere Reisende und Schrift- steller von Inschriften berichten. So spricht z. B. Ibn Churdadbeh im 10. Jahrhundert von musnadischen Buchstaben und ein weiterer bei Makrisi zitierter Autor schreibt, da die Inschriften mit den Buch- staben derer geschrieben seien, deren sich diejenigen bedienten, die diese Bauten errichtet haben 21.

    Masdi drckt sich in seinem im 10. Jahrhundert verfaten Buch Die goldenen Wiesen folgendermaen aus: Die Hhe der Pyramiden ist

    * Hier scheint sich der Autor auf Hieroglyphen zu beziehen.

  • 3 0 Das Geheimnis der Pyramiden

    bedeutend, und ihr Bau erregt Staunen. Sie sind mit allerlei Inschriften bedeckt, die in den Charakteren vergangener Vlker und verschollener Reiche geschrieben sind.

    Ibn al-Haukli versichert wenig spter, da die Auenseiten der groen Pyramiden mit Schriftzeichen bedeckt seien, die er graeco-syrisch nennt. Abu Mashar Djafar22 schlielich zhlt im 13. Jahrhundert sieben Arten von Schriftzeichen auf: griechische, arabische, syrische, musnadische, himjaritische (oder hiritische bzw. hebrische nach den Manuskripten), romische und persische.

    Nach den arabischen Schriftstellern erwhnen auch christliche Reisende noch die Inschriften, so z. B. William of Baldensele, der 1336 neben Inschriften in anderen Sprachen sechs lateinische Verse las. Cyriacus bemerkte bei einer Pyramidenbesteigung im Jahre 1440 eine Inschrift in phnizischen Buchstaben.

    Aber kehren wir noch einmal zu den arabischen Schriftstellern zurck und zitieren wir ein paar Zeilen von Masdi23, aus denen besonders klar hervorgeht, da zu seiner Zeit die Kenntnis von den Erbauern der Pyramiden vllig in Vergessenheit geraten war: Die beiden Pyra- miden, die westlich von Fustt Misr liegen, gehren zu den Wunder- bauten der Welt: Beide messen 400 Ellen (in die Lnge und in die Breite an der Basis) und ihre Hhe betrgt ebensoviel. . . Die eine von den beiden Pyramiden ist das Grab des Agathodaimon, die andere das Grab des Hermes. Zwischen beiden liegen etwa 1000 Jahre, Agathodaimon ist der ltere...

    Die mittelalterlichen Pilger, die sich zu diesen Denkmlern vor- wagten, scheinen ber ihre tatschliche Bestimmung noch weniger gewut zu haben. Die meisten von ihnen schlieen sich der ber- lieferung an, wonach der Bau der groen Pyramiden Joseph, dem Sohne Jakobs, zugeschrieben wurde, der hier das Korn der fetten fr die mageren Jahre gespeichert habe, wie er in der Auslegung des Traumes des Pharao geweissagt hatte. Sie nennen sie daher die Kornspeicher des Joseph oder die Scheunen Pharaos. Diese Legende, die in einer der Kuppeln der Markuskirche von Venedig24 bildlichen Niederschlag gefunden hat, taucht bereits im 4. Jahrhundert bei Julius Honorius und

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 31

    Rufinus auf, und gegen Ende des 5. Jahrhunderts auch bei Stephan von Byzanz25. Seit dem 9. Jahrhundert gibt es jedoch eine Gegenmeinung, wenn Dionysios von Teil-Mahre, der jakobitische Patriarch von Antiochia, ber die Pyramiden schreibt: Es handelt sich nicht, wie man glaubt, um die Kornspeicher des Joseph, sondern um erstaunliche Mausoleen, die sich ber den Grbern alter Knige erheben. Sie sind nmlich schrg und massiv und haben keinen Hohlraum.

    Unter den Reisenden, die ber die Kornspeicher berichten, seien hier noch Benjamin von Tudela (1173), fast zwei Jahrhunderte spter der Ltticher Arzt Jean de Mandeville26 (1336), Sigoli27 (1384-1385) und der Landedelmann Seigneur d'Anglure, der seine Pilgerreise zu den Heiligen Sttten 1395 unternahm, genannt. In diese Reihe gehren ferner aus dem 15. Jahrhundert der Chevalier Ghillebert de Lannoy, Gesandter des Grafen von Bourgogne und der Brgermeister von Mons, Georges Lengherand28, die 1422 bzw. 1485 in gypten waren.

    In seinem Bericht29 schildert Herr von Anglure recht anschaulich, wie er Zeuge von Steinbrucharbeiten an der Groen Pyramide wurde. In der Gesellschaft von drei anderen war man mit einem einheimischen Dragoman von Babylon - dem heutigen Altkairo - zu den besagten Kornspeichern, von denen es entlang des Nils viele gebe, nach Gisa aufgebrochen. D'Anglure vermeldet, da es doch eine ziemliche Ent- fernung gewesen sei. Doch die Besichtigung hat sich gelohnt, denn er rechnet die Pyramiden unter die bewundernswertesten Dinge, die ihm auf seiner ganzen Pilgerreise begegnet sind. An den Pyramiden ange- langt, habe man zunchst die Gerusche, die von den Steinbruch- arbeitern hoch oben verursacht wurden, nicht zu deuten gewut, bis die Steine heruntergepoltert seien: Aus jenen Steinen sind fast alle schnen Bauten, die man in Kairo und Babylon sieht, errichtet, und das geht schon lange so. Unser Dragoman und andere haben ge- schworen und versichert, da man schon vor tausend Jahren damit begonnen hat, diese Kornspeicher abzuschlen und zu entkleiden, so da sie nur noch zur Hlfte bedeckt sind. ber das Pyramideninnere wei d'Anglure nichts zu erzhlen; denn die Eingnge seien ver- mauert, weil es Brauch gewesen war, dort Falschgeld herzustellen. Ganz unten an der Erde gibt es einen Eingang, wo man unter diesen Kornspeicher hereinkann, aber er ist nicht einmal mannshoch. Es ist

  • 32 Das Geheimnis der Pyramiden

    ein dunkler Ort und riecht schlecht, weil Tiere darin hausen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts breiteten sich dann allmhlich ver- nnftige Ansichten ber die Bestimmung der Pyramiden aus, und als der aus Mainz stammende Breydenbach 1486 gypten besuchte, sah er in den Pyramiden nicht mehr die Kornspeicher des Joseph, sondern er betrachtet sie als Grber von Knigen des Altertums, weil sie zum grten Teil aus kompaktem Mauerwerk bestnden, wie er schreibt. Im Jahre 1512 gingen gleichzeitig zwei Gesandtschaften, die eine vom Knig von Frankreich und die andere von der Republik Venedig, an den Soudan (Verschreibung des Seigneur d'Anglure fr Sultan) nach gypten ab, mit dem Ziel, erneut Handels- und Freundschaftsbe-ziehungen herzustellen und die Sicherheit der Pilger ins heilige Land zu gewhrleisten. Die Gesandtschaft Ludwigs XII. fhrte Botschafter Andre Leroy an. Ihr gehrte u. a. Bruder Jehan Thenaud an, Oberer der Franziskaner von Angoulme, der elf Jahre spter seine Endrcke ver- ffentlichte30. Als Mnch hatte er die antiken Autoren ber die Pyra- miden gelesen und sah in ihnen die Grber gyptischer Knige und eines der Sieben Weltwunder. Er schreibt die grte der Pyramiden, die er fr die am wenigsten aufwendige hlt*, richtigerweise dem Knig Cheopis zu und meint: Ich war auf dem Gipfel derselben und im Innern, zusammen mit Monsieur de Soubran, Maistre Francoys de Bon Jehan und mehreren anderen. Als alles besichtigt war, sagten wir, da das Bauwerk nicht nur wunderbar genannt zu werden verdient, sondern ganz und gar unglaublich ist...

    Was die Mission der Republik Venedig anbelangt, so stand sie unter Leitung des berhmten Gesandten Domenico Trevisan. In seinem Gefolge war ein gewisser Zaccaria Pagani, der ber seinen Besuch der Pyramiden berichtete und sich folgendermaen ber das groe Erleb- nis uerte: Man erblickt dort einen Sarkophag aus Porphyr, der bedeckt ist, aber leer. Das hat viele Besucher vermuten lassen, da es sich bei der Pyramide um das Grab eines Knigs von gypten handelt. Gewhnlich nennt man in diesem Lande die Pyramiden 'Berge der Pharaonen.. .'31

    * Zweifellos durch den Eindruck, den sie aufgrund der fehlenden Verkleidung erweckte, die bei den beiden anderen grtenteils erhalten war.

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    In der Description de lgypte (Edition Panckoucke, t. VI) nennt P. S. Girard den Verfasser eines 153632 gedruckten Buches namens Jakob Ziegler einen der ersten, der seit der Wiedergeburt der Wissenschaft in Europa eine Beschreibung der Pyramiden gegeben habe. Ziegler erwhnt u. a. das Abtragen der Verkleidung der Groen Pyramide, deren Steine angeblich fr den Bau einer Brcke bei Kairo verwendet worden seien. Aber Girard fgt auch hinzu, da Ziegler in Wirklichkeit niemals zu den Pyramiden gereist und sein rein geo- graphisches Werk nichts weiter als ein Auszug* aus Strabon, Plinius, Ptolemaios und einigen arabischen Geographen ist.

    Um 1548 schickte der Knig von Frankreich erneut eine Gesandtschaft in den Orient, die M. d'Aramon anvertraut wurde. Einer seiner Sekretre, ein gewisser Jean Chesneau, schrieb den Bericht ber diese Reise33. Er besuchte auch die Pyramiden, bestieg die Cheopspyramide und drang ins Innere vor, wo er vor allem den Sarkophag erwhnt, der aus einem bestimmten Stein hergestellt ist, der wie Erz klingt, wenn man dagegenschlgt, und sagt man, dies sei das Grab des Knigs Pharao... Und weiter: Bei dieser Pyramide sind noch zwei weitere, die nicht so gro sind, die auch nicht in Stufen angelegt sind und keine ffnung haben.... Das beweist, da zu diesem Zeitpunkt die beiden anderen groen Pyramiden noch wesentliche Teile ihrer Verkleidung besaen.

    Im Jahre 1550 klingt bei Bartholomeus de Salignace noch einmal die Legende von den Kornspeichern Pharaos an. Aber schon bald darauf, im Jahre 1553, verffentlichte Pierre Belon34, Doktor der Medizin an der Fakultt von Paris, ein Werk ber seine Reisen im Orient und in gypten, die er 1547 unternommen hatte. Er verweist diese Inter- pretation in den Bereich der Phantasie und sttzt sich dabei im besonderen auf die Tatsache, da er im Innern der grten der Pyra- miden einen Raum gesehen habe, der eine groe Gruft aus schwarzem Marmor enthalte. Auerdem versichert er, da die dritte der Pyra- miden in ausgezeichnetem Erhaltungszustand sei, so als ob sie gerade vollendet worden wre.

    1554 besuchte der Franziskaner Andr Thevet aus Angoulme, Schlo- kaplan der Katharina Medici, die Pyramiden und besichtigte auch das

  • 3 4 Das Geheimnis der Pyramiden

    Innere der Groen Pyramide. In seiner Cosmographie du Levant35 er- scheint allerdings eine bertriebene Vorstellung von ihnen: Diese Pyramiden sind wie Diamantenspitzen gemacht, sie steigen wie Trme auf und berragen jegliches Gebirge. Darum sind sie unten sehr breit und verjngen sich nach oben. Die Geometer nennen sie Pyra- miden nach der Bezeichnung fr das Feuer, das im Griechischen pyr (aus) heit.

    Im brigen ist er der gleichen Ansicht wie Belon und versichert: Das waren Knigsgrber, wie es schon bei Herodot heit und wie ich selbst feststellen konnte, denn ich sah in einer der Pyramiden einen groen Stein aus Marmor, der wie ein Grabmal behauen war.

    Nun aber kam in der 2. Hlfte des 16. Jahrhunderts eine weitere phantastische Auslegung auf, die in den folgenden zwei Jahrhunderten noch oft wiederholt werden sollte. Zunchst lieen sich Johannes Helfricus und dann Jean Palerne, Sekretr des Grafen von Anjou und Alencon, Bruder Heinrichs III. von Frankreich, die 1565 bzw. 1581 das Innere der Groen Pyramide aufsuchten und den Sarkophag leer fanden, dazu verleiten, diese Pyramide als Grab des Pharao zu be- zeichnen, der bei der Verfolgung der Israeliten im Roten Meer umge- kommen sein sollte.

    Diese Legende findet sich dann auch bei einigen deutschen Reisenden, die 1587 und 1588 die Pyramiden besuchten: Hans Ludwig von

    * Diese Etymologie, die Plinius offenbar auf die Obelisken bezog, (Naturgeschichte 36, 13/14: Um Syene aber . . . wird der Syenites gefunden, den man ehedem Pyrrhopoikilos nannte . . . Die Knige machten Spitzsulen daraus, die sie Obelisken nannten . . . Ihre Gestalt deutet die Sonnenstrahlen an. SQUU9= feuerfarben; rtlich bunt als Bezeichnung fr den Rosengranit von Assun) ist von mehreren Schriftstellern der Antike bernommen worden: siehe Jablonski, La Religion des Egyptiens. Von Silvestre de Sacy zurckgewiesen, wird sie seither nicht mehr akzeptiert. Aber der Ursprung des Wortes ist noch nicht ein- deutig geklrt. Einige meinen (Littre, Dictionnaire de 1a langue francaise und Ad. Erman, La Religion des Egyptiens, Paris 1937, p. 408), die griechischen Sldner htten die Pyramiden mit einem konisch geformten Honigkuchen verglichen, den man SQUDP9 nannte, von SQU9 (Weizen) abgeleitet, und den man den Toten opferte. Damit wre die Parallele zu EHOVNR9 (Obelisk) nach den Spieen, die diese Form hatten, gegeben. Nach anderen sollen die griechischen Mathematiker, die vor Herodot in gypten waren, diese Monumente wie ihre geometrische Figur so benannt haben nach einem Terminus, der hauhg vorkam, wenn von ihnen die Rede war. Maspero hatte daher an per-em-ous gedacht, das von den yptischen Mathematikern verwendet worden sei, um eine der Deter- minanten der Pyramide zu benennen.

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 35

    Lichtenstein, Hans Christoph Teufel und Samuel Kiechel36. Letzterer vor allem berichtet mit packenden Worten und wahrheitsgetreu in unverflschtem Schwbisch von seinem Pyramidenerlebnis unter der Fhrung eines unerfahrenen Dragomans. In altt zerrissen hemmett und hosen ... angethon als arme Nosserani oder Christen des landts zog er mit einem tetschen renigat, einem in trkischen Diensten stehenden Deutschen, den er mehrfach den tetsche Thrck nennt, auf Eseln nach Gisa. Von den pyrammides zu melden, derer heromber im sandt auf zwo stund wegs vl gesehen werden, yedoch under solchen allen ist dse de hchste, grste und frnemste, we dann solche der sben wunderwerck eins der wellt ist, dannenher ttliche wollen, se seyen durch die Juden erbauen worden und zum Grab ds Knigs Pharaonis geordnet. Wel er aber im roten mr ersoffen, ist sein corpus nicht dohn gelgt worden, und ist solche ongevahr volgender wes formiert. Hieran schliet sich die uere Beschreibung an. Weiter heit es dann vom Aufstieg im Innern: Als wr ttlich schritt hinein kahmen, schliegen wr ein feyr, zndeten de lechter an, wlche mr mitt uns genommen, und gengen fort; muess sich einer hart bcken, verharreten de Arabier allweil fr dem inngang. . . Nach langem abstegen kamen wr zur rechten hand zueinem engen loch. . . . Dses loch, do wr imstgen, ward inwendig soeng, das wr bede miesam drinnen sthn knden. Von do heben wr an ufzustegen, gleich als in einem camin, dann solches stracks we ein maur ufgeth, in verckend, und schneintt, als ob solcher camin in einen fllsen gehauen seye; hat von einem trtt zu dem andren kleine gehauene lcher. . . Wer zogen uns bs an das hmmet aus, dann in kleider und schuech onmiglich uffzustegen... Schlielich wird der Aufstieg so beschwerlich, da Kiechel die Grabkammer gar nicht auf- sucht: Alsdann so kompt mann erst zu dem gemach, in wlchem das grab Pharaonis sein soll. Demnach wr aber doch den weeg nicht wsten, zudem es vil andere gng und lcher, dorinnen sich einer verirren kahn, das er drinnen sterben und verderben muest, sonder- lichen wann ime das lecht auslscht oder abranndt, demnach ich nun selbander wahr, und ich hrte, das de Arabier, wlche draussen wahren, ein hesslich geschrey hatten, kam mich dermasen ein forcht und ntszen an, das ich nicht ferner wollt, und das grab oder sepultura Pharaonis nicht she. . . Also stg der tetsche Thrck vohr und ich hernach und kamen, Gott gedanct, wol wderomb herunder. . . Als

  • 36 Das Geheimnis der Pyramiden

    wiii nun wderomb uf denn guten weeg kamen, do der ganng was weitters ist, unnd gleich, do ich wderomb herusserr stegen wolt, wahren in de fnf Arabier inwendig ds ganng mett ihren lanzen oder langen spesen, schrien alle: flus, flus (Filus = Geld), gellt, gellt her, Kiechel kam vom Regen in die Traufe: De trben mer erst den rechten schwes aus, inen zu antwurtt: halla mavis flus, ich schwere bey gott, das ich kein flus oder gelt habe. Das wahr all mein arabisch, so ich wusste. Doch: Nach lanngem geschrey stgen se wder hinaus, volgt ich innen nach, wahr fro, das ich luft hatte, zue besorgen, wann ich lenger hette messen drinnen bleiben, ich wehre verstict.

    1591 dann bestieg Prosper Alpini, berhmter Arzt und Naturforscher, der lange Zeit dem Konsul der Republik Venedig in gypten attachiert war, die Groe Pyramide und verma die Seitenlnge37. Er erwhnt einen Sarg aus schwarzem Marmor ohne Deckel, der sich im Innern befinde, und eine Grube am Eingang zur groen Galerie. Femer teilt er mit, Ibrahim Pascha habe 1584 den Eingang der Pyramide auf Anraten eines Zauberers vergrern lassen, um nach einem Schatz zu suchen. Abschlieend fgt er hinzu, da die beiden anderen Pyramiden glatte Seiten aufweisen, so da keine Stufen zum Besteigen vorhanden seien.

    Drei Jahre spter, 1594, gehen Baumgarten und nach ihm 1610 Sandys auf die klassische berlieferung zurck und erinnern daran, da die Groe Pyramide als eines der Sieben Weltwunder gegolten habe. Aber whrend Baumgarten die These Diodors aufnimmt und zu akzeptieren scheint, da nmlich der Knig, der die Pyramide erbaut habe, sich aus Furcht vor dem Groll des Volkes nicht dort habe beisetzen lassen, zeigt Sandys eine kritischere Einschtzung und wendet sich vor allem gegen die Ansicht, die gewaltigen aufgetrmten Steinmassen der Pyramiden seien das Werk der Juden, da diese vielmehr mit der Ziegelbauweise vertraut gewesen seien, auch die Kornspeicher des Joseph stellten sie nach Sandys nicht dar. Darber hinaus weist er auch Herodots Angabe, die Grabkammer des Cheops habe sich unter der Pyramide in von Wasser umgebenen unterirdischen Gemchern befunden, mit dem Hinweis darauf zurck, da ohne Zweifel in der oberen Kammer das Grab gewesen sei, weil dieser Raum so aufwendig und sorgfltig in Granit ausgefhrt sei.

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 3 7

    Fhren wir nun aus der gleichen Zeit noch Francois des Breves38 an, der auf der Rckkehr aus dem Heiligen Land 1605 in gypten Station machte. Er besuchte dabei auch die Pyramiden, die, so schreibt er, . . . diejenigen, die sie betrachten, durch ihre Hhe erschrecken und die weit mehr Bergen als irgend etwas anderem hneln. Auch er gehrt zu denen, die die Pyramiden fr so hoch wie lang halten, ein Irrtum, dem viele erlagen. Nach der Besichtigung des Inneren heit es bei ihm: Wir drangen bis zu einer Kammer vor, wo das Grabmal des Pharao ist, vierzig Fu lang und zwanzig Fu breit, dreiig Fu in der Hhe, alles aus groen, sehr harten Quadern aus einem bestimmten Marmor, der aus kleinen Tupfen roten, schwarzen und weien Ge- steins besteht, so gut zusammengepat, da man nur mit Mhe eine Nadel in die Ritzen einfhren kann...

    Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts erschien zum ersten Mal eine objektive Studie ber die Pyramiden, die wissenschaftlich abgefat war und in der versucht wurde, die geschichtlichen Tatsachen mit der Legende zu verbinden. Es handelt sich um die Pyramidographie des Professors John Greaves, die 1646 in London verffentlicht und 1663 und 1696 in franzsischer bersetzung in Paris verlegt wurde.

    Greaves, der in den Jahren 1638/39 gypten bereist hatte, leitet sein Werk mit einer kritischen Prfung der Berichte antiker Autoren ein. Dabei kommt er zu dem Schlu, da der Erbauer der Groen Pyramide Cheops gewesen und die zweite von Chephren bzw. Chabryis und die dritte von Mykerinos erbaut worden sei. Er bemerkt, da Cheops mit Chemmis oder Cham gleichzusetzen sei. Wenn Greaves auch den arabischen Schriftsteller in bersetzung wiedergibt, der berichtet, der Bau der Pyramide sei nach einem Knigstraum ins Werk gesetzt worden und der ber dort vergrabene Schtze schreibt sowie ber al-Mamn, der die Groe Pyramide habe ffnen lassen*, so weist er doch vielleicht etwas zu schroff - die berlieferung der orientali- schen Autoren insgesamt als reine Erfindungen zurck. Greaves sttzt sich vielmehr auf das Zeugnis der antiken Autoren und kommt auf- grund der Feststellung, da sich in der grten der Pyramiden ein Sarkophag befindet, zu dem Schlu, da es sich um Grber gehandelt

    * Wir haben bereits Teile dieses Berichtes zitiert, die Greaves irrtmlich Ibn Abd al-Hakam zuschreibt.

  • 38 Das Geheimnis der Pyramiden

    habe. Er meint ganz richtig, da der enorme Aufwand fr die Bauwerke nicht anders motiviert sein knne als um die grtmgliche Sicherheit fr die sterblichen Hllen zu erreichen und ihre Erhaltung zu gewhr- leisten, an die das Weiterleben der Seele geknpft gewesen sei, wovon auch die Praxis der Einbalsamierung zeuge. Zuletzt wendet er sich auch gegen die von dem neuplatonischen Philosophen Proklus vorge- brachte Ansicht, da die Plattform auf der Spitze der Groen Pyramide astronomischen Beobachtungen gedient habe39.

    Greaves diskutiert auerdem einige in der Antike genannte Mae fr die Groe Pyramide. Die Angaben des Thaies von Milet betrachtet er als wenig genau, seiner Ansicht nach kommt Diodor von Sizilien der Wirklichkeit am nchsten. Darauf legt er seine eigenen Vermessungs- ergebnisse vor, die er mit Hilfe seines Partners Titus Livius Barretinus, eines Venezianers, erhielt. Zu den verschiedenen Kammern und Gngen, die er im Innern untersucht hat, geht seine berzeugung dahin, da dem Kalifen al-Mamn der Eingangsstollen zuzuschreiben sei, der bis zu den Verschlublcken aus Granit am aufsteigenden Gang fhrt und diese umgeht. Den aufsteigenden Gang beschreibt er als aus feinkrnigem und poliertem Marmor bestehend, die soge- nannte Kniginnenkammer, wo er trotz Schutthaufen und Gestank eindrang, als berwlbt und mit Stuck verkleidet. Weiter fhrt Greaves auf: den mit Schutt gefllten und mit Kerben als Halt fr Fe und Hnde versehenen Schacht; die Groe Galerie mit ihren Seitenbnken und dem Kragsteingewlbe (Taf. 3 b), die Vorkammern mit ihren Wnden aus Granit, den er als thebanischen Marmor be- zeichnet und endlich die groartige Grabkammer aus sechs Stein- lagen* des gleichen vollendet behauenen und polierten Materials und mit neun Blcken riesigen Ausmaes bedeckt, die wie groe Trger die ganze Last der Pyramide, die darauf drckt, aufzunehmen haben**. Er nahm in dieser Kammer, die ber so viele Jahrhunderte erhalten geblieben war und die, so glaubte er, auf betrchtliche Zeit als Stan- dardmaeinheit gedient haben knnte, minutise Vermessungen vor. Beim Sarkophag erwhnt er den schnen Klang, den auch viele andere Besucher zur Kenntnis nahmen, und er urteilt, da seine Dimensionen das Gleichbleiben der menschlichen Statur bewiesen. Zuletzt fhrt er

    * Greaves irrt in der Zahl der Lagen, es sind tatschlich nur fnf. ** Greaves kannte die Entlastungskammern nicht, die sich ber der Grabkammer befinden.

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 39

    die beiden Luftschchte an, die in der Grabkammer enden, und von dem schwarzen Fleck, den er am nrdlichen Schachtende entdeckte, meint er, dort habe man stets brennende Lampen abgestellt.

    Auerhalb, in unmittelbarer Nhe der Pyramide, erwhnt Greaves Fundamente aus Basalt, die er zu Recht als Reste des Totentempels interpretiert. Seine Ausknfte ber die beiden anderen groen Pyra- miden sind dagegen recht ungenau. Was die zweite Pyramide anbe- langt, die seiner Kenntnis nach keinen Eingang besa, so behauptet er im Gegensatz zu den meisten Augenzeugen seiner Epoche, da ihre Oberflche glatt und auer an der Sdseite kaum beschdigt sei. Hinsichtlich der dritten Pyramide ficht er die Versicherung Pierre Belons an, sie in demselben perfekten Erhaltungszustand vorgefunden zu haben wie bei ihrer Vollendung, verkleidet mit Basalt oder thiopi- schem Marmor, hrter als Eisen. Obwohl dies mit Diodor und Strabon bereinstimmen wrde, behauptet er, da sie vielmehr aus weiem Stein errichtet sei, der ein wenig heller als der der anderen beiden Pyramiden sei. Es stimmt, schreibt er, da man an der Ost- seite dieser Pyramide noch Ruinen aus dunklem Gestein sieht, die zu diesem Irrtum Anla gegeben haben knnten. *

    Nachdem er noch ein paar Worte ber die kleineren Pyramiden verloren hat, diskutiert Greaves zum Schlu die verschiedenen Methoden, die nach Herodot und den brigen antiken Autoren beim Bau der Pyra- miden angewendet worden wren. Er schlgt folgendes vor: Sicher wird man zunchst einen groen gerumigen Turm in der Mitte des Vierecks gebaut haben, das die Basis der Pyramide bilden sollte. Dieser Turm mute so hoch sein wie spter die gesamte Pyramide. Dann stelle ich mir vor, da man die anderen Partien an den Seiten dieses Turmes Stck fr Stck aufgebracht hat bis man bei der ersten Stufe angekommen war. . .. Diese fr Stufenpyramiden angenommene Konstruktionsweise knnte auch bei einigen der eigentlichen Pyra- miden, deren innerer Kern aus hohen Stufen besteht, angewandt wor-

    * Oberst Vyse stellte zwei Jahrhunderte spter das fest, was man noch heute feststellen kann, nmlich da diese Ruinen vom gleichen Farbton sind wie die benachbarten Bau- werke. Vyse: Es hat ganz den Anschein, als habe sich der Professor mit einem schnellen Blick aus der Ferne zufriedengegeben, wie das hufig bei anderen Reisenden auch geschah.

  • 4 0 Das Geheimnis der Pyramiden

    den sein. Das trifft im besonderen fr die Pyramide des Mykerinos zu, aber auch fr die Pyramiden der 5. und 6. Dynastie (Abb. 12), deren Ruinen diese Stufen zum Vorschein kommen lassen. Die groen Pyra- miden aus dem Beginn der 4. Dynastie jedoch, deren Erhaltungszustandungleich besser ist, was auf ihr betrchlich greres Volumen und eine sorgfltigere Bauweise zurckzufhren ist, lt kaum an die Stufen- konstruktion denken. Bei der Groen Pyramide bleiben Beobach- tungen Borchardts im aufsteigenden Gang, die zur Beweisfhrung der Stufentheorie tendieren, umstritten.

    Aus den Jahren, die der Verffentlichung des Werkes von Greaves folgten, mssen unter den wichtigsten Reisenden oder Autoren, die sich mit den Pyramiden beschftigten, Thvenot, Melton, die Patres Kircher und Vansleb sowie Lebrun genannt werden.

    Jean de Thvenot, der whrend einer Reise durch die Levante 1655 gypten besuchte, schreibt zwar noch von der Kammer, die in der Groen Pyramide fr den Pharao bereitet worden sei, der im Roten Meer umkam, berichtet aber im Gegensatz zu Greaves, und in ber- einstimmung mit der heutigen Feststellung, da die dritte Pyramide mit dem gleichen Stein verkleidet sei, aus dem auch die Grabkammer der Groen Pyramide bestehe, d. h. also mit Granit. Daneben weist er auf eine unterirdische Passage hin, die, wie man ihm sagte, Neben- bauten der zweiten Pyramide mit der Sphinx verbinde und die von den einen als Gruft des Amasis betrachtet werde, nach anderen von Amasis zu Ehren der Rhodopis errichtet worden sei und ein Orakel enthalten habe.

    Edward Melton verffentlichte eine Schilderung ber eine 1661 unter- nommene Reise40. Er nennt Mae der Groen Pyramide und gibt sich im brigen damit zufrieden, die Ansichten Herodots und Diodors ber die Dauer des Baus, die Zahl der dabei beschftigten Menschen und die Nichtbenutzung des Grabes zu wiederholen. Nichtsdestoweniger fin- det sich bei ihm auch eine neue Legende: Demnach habe die Groe Pyramide niemals in einer Spitze geendet, sondern auf ihrer Plattform soll eine Statue gestanden haben, deren Einlastellen noch sichtbar seien. Zugleich bekennt Melton jedoch, da er keine Spur davon habe finden knnen. Dagegen berichtet er, da er auf einigen Pyramiden

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 41

    Hieroglyphen gesehen habe, die seiner Ansicht nach den jeweiligen Eigentmer bezeichneten. In einer hchst phantasievollen Zeichnung gibt er die Pyramiden mit viel zu schmaler Silhouette wieder.

    Pater Kircher, der im Gegensatz zu einer hufig wiederholten Be- hauptung niemals in gypten war, verffentlichte 1666 seine Abhand- lung ber die gyptischen Obelisken, Hieroglyphen und Pyramiden, in der er ausfhrte, da die Obelisken und Pyramiden eine mystische und verborgene Bedeutung gehabt htten.

    Pater Vansleb, ein frommer Deutscher, besuchte gypten 1664 im Dienste Frankreichs und kehrte 1672/73 im Auftrage Colberts dorthin zurck, um ber den Kauf von Manuskripten und alten Mnzen zu verhandeln41. In seinen Beschreibungen zitiert er die antiken und arabischen Schriftsteller und wiederholt die Behauptung Herodots hinsichtlich des Cheops-Grabes unter der Pyramide, das aus einer unterirdischen Anlage bestanden habe, die von Nilwasser, ber einen Kanal abgeleitet, umgeben gewesen sei. Ansonsten fgt er keine neuen Beobachtungen hinzu, was auch fr Lebrun gilt, der bei seinem Pyra- midenbesuch 1674 im Gegensatz zu Melton keine Hieroglyphenbemerkt haben will. Auch er wiederholt, da der Leichnam des Knigs, fr den die Groe Pyramide errichtet worden sei, niemals dort beige- setzt gewesen sei.

    Damit haben wir uns der Zeit genhert, da Bossuet fr den Unterricht des franzsischen Thronfolgers seinen Discours sur l'Histoire Uni- verselle, der 1681 erschien, verfertigte. In den Berichten der modernen Reisenden wie in den Schriften der antiken Autoren entdeckte er nur Zeugnisse fr die Sttzung der christlichen These, da selbst die grandiosesten profanen Werke eitel Machwerk seien, was er seinem kniglichen Schler folgendermaen entwickelte: gypten hatte, auer dem Thurme von Babel, noch keine groen Gebude gesehen, als es seine Pyramiden erfand, die sowohl wegen ihrer Gestalt, als wegen ihrer Gre ber die Zeiten und die Barbaren triumphiren. Der gute Geschmack der Aegypter war Ursache, da sie Festigkeit, und die bloe Regelmigkeit allein liebten. Leitet uns die Natur selbst zu der edlen Einfalt, zu welcher man nicht ohne die grte Mhe zurckkehren kann, wenn der Geschmack einmal durch Neu-

  • 4 2 Das Geheimnis der Pyramiden

    heiten und wunderliche Verwgenheiten verderbt worden ist? Die Aegypter liebten nur eine regelmige Khnheit; sie suchten das Neue und Erstaunliche nur allein in der unendlichen Mannichfaltigkeit der Natur, und sie rhmten sich, die einzigen zu seyn, welche, wie die Gtter, unsterbliche Werke gemacht htten. Die Aufschriften ihrer Pyramiden sind so edel, als das Werk selbst... Allein, soviel sich auch die Menschen Mhe geben, so sieht man doch ihr Nichts berall gar zu deutlich. Diese Pyramiden waren Grber,- die Knige, die sie gebaut haben, sind nicht so mchtig gewesen, da sie ihr Begrbnis darinnen haben knnen, und sie haben nicht einmal ihrer Grber genossen. (Zitiert nach einer bersetzung von Cramer in 7 Bnden, Leipzig 1757-1786).

    Weniger als ein Jahrhundert spter nahm Rollin in seiner Histoire ancienne (Bd. I, Kap. II, II) diese Interpretation fast wortwrtlich auf und schlo sich auch ber Cheops und Chephren den Ansichten von Herodot und Diodor an. Es ist bemerkenswert, da diese ber- ragenden Pyramiden, denen die Bewunderung des Universums gilt, die Frchte von Unglauben und mitleidsloser Hrte dieser Frsten sind, eine Behauptung, die zutiefst ungerechtfertigt ist, vor allem, was die Unfrmmigkeit betrifft; denn die Pyramiden mit ihren Tempeln waren, abgesehen von ihrer Funktion als knigliche Begrbnissttten, den Gttern gewidmete Kultbauten, wobei die Pharaonen selbst ja auch gttliche Verehrung genossen.

    Vom Ende des 17. Jahrhunderts mgen von den wichtigsten Pyramiden- forschern nur de Careri, de Chazelles, Benoit de Maillet und Paul Lucas genannt sein. Die beiden Erstgenannten bereisten gypten 1693. De Careri vertritt in Anlehnung an die antiken Autoren die Meinung, da es sich unzweifelhaft um knigliche Grabbauten handle, aber zugleich stellt er heraus, da sie auch mit dem Ziel astronomischer Beobach- tungen errichtet worden seien. Auerdem schreibt er, da nach arabi- scher berlieferung vom Schacht am Fue der Groen Galerie eine Passage zur Sphinx fhre, eine etwa abweichende Version der These, die bereits Thvenot auffhrt.

    Jean-Mathieu Chazelles, assoziiertes Mitglied der Franzsischen Aka- demie der Wissenschaften fhrte fr die Institution Messungen an den

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 43

    Pyramiden durch, deren Himmelsrichtungen er ziemlich przise be- stimmte, aber das Ergebnis seiner Arbeit scheint ber den Kreis der hochgelehrten Versammlung kaum hinausgedrungen zu sein. Paul Lucas aber bezog sich einige Jahre nach dessen Tod darauf, indem er be- hauptete, da man anhand der Beobachtungen dieses Gelehrten nicht leugnen knne, da die gypter beim Bau der Pyramiden auch das Ziel verfolgt htten, sie als Sonnenuhren oder Sonnenanzeiger zu verwen- den, um mittels der Schatten die Vernderungen der Sonne bei der Son- nenwende zu markieren. Es scheint, als habe man dabei die Regeln einer exakten Astronomie angewendet...

    Benoit de Maillet, von 16921708 Konsul in gypten, verdanken wir die erste objektive Studie eines Franzosen ber die Groe Pyramide42.Zwar gibt es das Bauwerk noch immer viel zu hoch wieder, die Hhe entspricht fast den Seitenlngen (Abb. 4), aber er ist der erste, der mit einiger Logik die wichtigsten Gnge und Stollen interpretiert. Seiner Meinung nach wre der Verschlu aus Granitblcken am Beginn des aufsteigenden Ganges ursprnglich lnger gewesen. Wenn er zu Recht

    Abb. 4: Cheopspyramide, Schnitt nach Benoit de Maillet, um 1700

  • 44 Das Geheimnis der Pyramiden

    die berproportionale Hhe der Groen Galerie damit erklrt, da hier bis zur Beisetzung die Blcke hochzuschichten waren, die den Zugang zur Grabkammer im aufsteigenden Gang blockieren sollten, so ist dem hinzufgen, da das Kragsteingewlbe, das hier wie in den brigen frhen Pyramiden zur berdachung von Kammern oder Gngen von mehr als 2 Metern Spannweite angewandt wurde, an sich schon diese Hhe erforderte.

    Zur Bedeutung des Schachtes am Fue der Groen Galerie, einem Bauelement, dem soviel phantasiereiche Auslegung zuteil geworden war, vertritt de Maillet bereits die noch heute geltende Ansicht, da durch diesen Schacht die Arbeiter nach drauen gelangen konnten, die den Aufgang zu verschlieen hatten. Fr die beiden Luftschchte in der Grabkammer fand er dagegen eine weniger glckliche Erklrung, wenn er die Auffassung vertritt, da sie fr lebendig mit dem toten Pharao eingeschlossene Menschen angelegt worden seien. Einer der Schchte habe fr die Nahrungszufuhr in einem langen Behlter, den man an Stricken an beiden Enden hin- und hergezogen htte, gesorgt, der andere Schacht habe dazu gedient, den Mll abzufhren, der in ein zu diesem Zweck hergestelltes Loch gefallen wre.* Abge- sehen von aller Unwahrscheinlichkeit eines solchen Systems, das in ziemlicher Hhe eine Art Frderanlage notwendig gemacht htte, die auf den glatt verkleideten Seiten ganz und gar unpraktisch gewesen wre,** gibt es auch nicht den geringsten Hinweis darauf, da die Knige der 4. Dynastie sich im Tode von Untertanen htten begleiten lassen, die in den Grbern geopfert worden wren, wie das offensicht- lich in Ur in Chalda der Fall war.

    De Maillet vermutete im brigen, da die Entweihung des Grabes, dessen Zugang lange Zeit durch die Verkleidung verborgen gewesen sei, den Mohammedanern angelastet werden msse und vielleicht auf Befehl des Kalifen Mahmud * * *, gestorben 827, erfolgt sei, wobei einige Autoren diesen Vorgang auch seinem Vorgnger Harn-al-Raschid zu-

    * Dieses tiefe Loch existiert nicht. Der zweite Schacht fhrt auch nicht abwrts, wie de Maillet annimmt, sondern eine kurze Strecke horizontal, um dann aufzusteigen.

    ** Dabei bezweifelt de Maillet nicht im geringsten die Verkleidung der Auenseiten, die ja allein schon das Auf- und Absteigen verhindert htte.

    *** Damit meint de Maillet offenbar al-Mamn.

  • Reisende und Schriftsteller im Angesicht der Pyramiden 45

    schrieben. Zu den beiden anderen Pyramiden meint er, da sie eben- falls Gnge und Kammern besitzen mten und man auch bei ihnen mit einem Eingang an der Nordseite wie bei der Groen Pyramide rechnen knne. Ferner berichtet er, da die Araber ihm versichert htten, auf der Spitze der zweiten Pyramide habe eine goldene Statue von 40 Ellen Hhe gestanden, ein Bildnis des darin bestatteten Knigs. Maillet nimmt an, da es sich mglicherweise um eine Granitstatue gehandelt haben knne, die wohl spter von den Mohammedanern zerstrt worden sei.

    In seiner historischen Kritik betreffs der Erbauer der Pyramiden geht Maillet zweifellos zu weit, denn er weist sowohl pauschal die ber- lieferung der Antike als auch die aus islamischer Zeit zurck. In diesen Punkten knne man sich nicht auf die Historiker verlassen, die Namen der in Frage stehenden Knige blieben also unbekannt.

    Paul Lucas kam im Verlaufe seiner Orientreisen zwischen 1699 und 1703 und in den Jahren 1714 bis 171743 nach gypten. Er ist weit davon entfernt, ein zuverlssiger Fhrer zu sein. So schreibt er unter anderem, da die Verkleidung der Pyramiden aus Zement und nicht aus Stein bestehe und die Sphinx auf einer der kleinen Pyramiden angebracht sei, die in der Nhe der groen stehen. Aber sein Werk hatte Erfolg und fand weite Verbreitung. Auf diese Weise fiel es ihm zu, die Kenntnis von gypten in seiner Epoche in Frankreich verbreitet zu haben.

    Auf Reiseberichte wie die von Veryard, Egmont oder Perizonius, die im frhen 18. Jahrhundert die Pyramiden besuchten, wollen wir nicht nher eingehen. Angemerkt sei lediglich, da Veryard behauptet, er sei in der Grabkammer der Groen Pyramide gewesen, die der Pharao erbaut habe, dessen sterbliche berreste bei der Verfolgung der Hebrer im Roten Meer geblieben seien. Egmont, der bei der Beschreibung gewisser Details im Innern der Groen Pyramide auf Thvenot ver- weist, behauptet wie Greaves und im Gegensatz zu anderen Besuchern seiner Zeit, da die Oberflche der zweiten Pyramide bis auf die Sd- seite vllig glatt und folglich der Aufstieg nicht mglich sei. Perizonius schlielich, der sich in diesem Punkte auf Josephus verlt, mchte den Bau der Pyramiden unzweifelhaft den Hebrern zu- schreiben.

  • 46 Das Geheimnis der Pyramiden

    Um die gleiche Zeit befate sich Pater Claude Sicard, Superior der Jesuiten-Mission in Kairo, mit dem alten gypten, wobei er in nicht unerheblichem Mae wissenschaftlich vorging. Unglcklicherweise war das im Manuskript vorhandene, aber nicht verffentlichte Werk nach seinem Tode nicht mehr auffindbar. Geblieben ist der Discours sur lgypte, erschienen in den Lettres difiantes et curieuses crites par des missionaires de la Compagnie de Jsus (Mmoires du Levant) sowie eine im Manuskript vorhandene Karte des antiken gypten, die spter von dem berhmten Geographen dAnville verwendet wurde. In seinem Discours sur lgypte zeichnet er vor allem ein Bild von den pharaonischen und christlichen Denkmlern, von denen er Kennt- nis haben konnte, und darunter finden sich nicht weniger als zwanzig groe Pyramiden.

    Neue Theorien entwickelten sich jedoch erst wieder in England, und zwar mit Thomas Shaw44, der 1721 gypten besuchte. Er bezweifelt, indem er sich auf die Unstimmigkeiten in den Schriften der antiken Autoren hinsichtlich Zuweisung und Funktion der Pyramiden sttzt, und unter Hinweis auf die eigene Feststellung, da sich das Innere der Groen Pyramide schwerlich fr ein Grabmal eigne und die zweite und dritte Pyramide keinen Zugang zu inneren Gngen htten *, da es sich in keinem Falle um Grabbauten gehandelt haben knne. Viel- mehr msse man in den Pyramiden Tempel sehen, und der Granitsarg im Innern der Groen Pyramide habe als Schauplatz bei den Feiern der Osirismysterien gedient. Dieser Trog ohne Verzierung und ohne Hieroglyphen unterscheide sich nmlich auch in der Form von den blichen gyptischen Sarkophagen, er sei grer und breiter als diese und nicht vertikal aufgestellt wie sie **. Er knnte Bildnisse, heilige Ge- wnder, Gerte oder Wasser fr die rituelle Reinigung enthalten haben. Im brigen - dies geht wohl wieder auf Herodot zurck - habe sich die Gruft des Cheops in unterirdischen Hhlen befunden, die tief unter der Pyramide lgen, so da diese also nicht unbedingt ein Grabbau, sondern ebenso gut ein Tempel htte gewesen sein knnen.

    * Dieser Irrtum basiert auf der Tatsache, da damals die Zugnge zu den Grabkammern bei beiden Pyramiden noch unter dem Sand lagen.

    ** Shaw denkt hier sicher an die Angabe Herodots (Historien II, 86) So eingeschlossen in einen hlzernen Sarg wird sie (die Mumie) in der Familiengrabkammer geborgen, aufrecht gegen die Wand gestellt.

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    Diese Ansichten sind offenbar ein paar Jahr spter, 1743, von Doktor Perry aufgenommen worden. Er, der nicht zugeben will, da die Pyra- miden um reiner Prahlerei willen errichtet worden seien oder mit dem Ziel, Arbeiter zu beschftigen oder auch zu funerren Zwecken, zitiert Shaw und erklrt, da sie zur Durchfhrung von Riten und religisen Mysterien gedient htten.

    Unter allen Reisenden der ersten Hlfte des 18. Jahrhunderts mu die Aufmerksamkeit vor allem auf Frederick-L. Norden und den Eng- lnder Richard Pococke gelenkt werden, die beide 1737 die Pyramiden besuchten.

    Norden, zu dessen Fhigkeiten als Marineoffizier noch die eines be- gabten Zeichners hinzukam, war vom dnischen Knig Christian VI. nach gypten geschickt worden, um Untersuchungen ber die antiken Denkmler anzustellen. Er verffentlichte nach seiner Rck- kehr in Dnisch seine Reise in gypten und Nubien, einen ebenso farbigen wie fundierten Bericht, dem die Verffentlichung von Karten, Plnen und Zeichnungen folgte. Sein Werk wurde ins Franzsische und Englische bersetzt und von mehreren Verlegern herausgebracht45.

    Norden hielt sich an die traditionelle Interpretation der Pyramiden als knigliche Grber. In seinem Kapitel Bemerkungen zur Pyramido- graphie des M. John Greaves, vormals Professor in Oxford schreibt er im besonderen: Ich stimme mit Mr. Greaves berein, da der Haupt- grund fr den Bau der Pyramiden in der gyptischen Religion zu suchen ist, aber gleichzeitig glaube ich doch auch, da der Ehrgeiz dabei eine groe Rolle gespielt hat. Wie dem auch sei: grere und solidere Denk- mler htten kaum errichtet werden knnen. Kein Werk der Archi- tektur kommt ihnen gleich. Wo gbe es Vergleichbares, da die Zer- strung ebensoviel Mhe kostet wie der Aufbau?

    Andererseits ist die Tatsache, da keine Hieroglyphen an den Pyra- miden zu sehen sind, fr Norden der beste Beweis fr ihr hohes Alter und regt ihn zu der falschen Vermutung an, da der Bau der Pyramiden der Erfindung der Hieroglyphen vorausgegangen sein msse. Er zhlt vier wichtige Pyramiden in Gisa auf. Mit der vierten meinte er wohl, wie Colonel Vyse annimmt, eine der kleineren, deren Pyramidenform

  • 48 Das Geheimnis der Pyramiden

    am besten erhalten war. Dabei handelt es sich um die stlichste der drei kleinen Pyramiden an der Sdseite der Mykerinospyramide (Taf. I, a). Bei seiner sorgfltigen Erforschung des Innern der Groen Pyramide fhrt er die Rillen im Granit, die das Gleiten der Verschlusteine er- mglichen sollten, auf und interpretiert sie auch vollkommen richtig.

    Bei der zweiten Pyramide hat er nicht die Spur eines Eingangs gefunden, und er gibt irrtmlich an, da die an der Spitze erhaltene Verkleidung (Taf. 4, b) aus Granit bestehe. An der dritten Pyramide hat er keine Ver- kleidung bemerkt, was nicht stimmt, denn an der Basis sind noch an verschiedenen Stellen mehrere Lagen Verkleidungssteine erhalten, die aber damals vielleicht vom Sande bedeckt waren. An der Ostseite der beiden zuletzt genannten Pyramiden sah er Steinquader von kolos- saler Gre, die er richtig als zugehrige Tempelruinen deutet. ber die vierte Pyramide heit es bei Norden, da sie ebenfalls keine Ver- kleidung aufweise und die Spitze von einem einzigen groen Stein gebildet werde, der als Sockel gedient zu haben scheine. Den Eingang hat er wie bei den beiden anderen auch bei dieser vierten Pyramide nicht entdeckt, dagegen seien mehrere der anderen kleinen Pyramiden offen gewesen. Dann erwhnt Norden noch mit ein paar Worten die Pyramiden von Dahschr, zu denen er alle jene rechnet, die sdlich von Gisa liegen, bis hin zur Pyramide von Medm die die Trken und Araber gewhnlich 'die falsche Pyramide' nennen. Die meisten dieser Pyramiden lgen im Gebiet von Saqqra, auf einer Hochebene, die von der Nilschwemme niemals erreicht werde. Wenn man diese Lage wohl durchdenkt, komm


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