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Das Determinusmus Problem

Date post: 24-Nov-2015
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Eberhard Karls Universität Tübingen Philosophisches Seminar HS: Willensfreiheit und moralische Verantwortung WS 2011/12 PD Dr. Doris Gerber Determinismus, Willensfreiheit und moralische Verantwortung Jan Schwart Philosophie, NdL Reichenberger Straße 72 10999 Berlin [email protected]
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  • Eberhard Karls Universitt TbingenPhilosophisches SeminarHS: Willensfreiheit und moralische VerantwortungWS 2011/12PD Dr. Doris Gerber

    Determinismus, Willensfreiheit und moralische Verantwortung

    Jan Schwart

    Philosophie, NdLReichenberger Strae 72

    10999 [email protected]

  • 2

  • 3

    Einleitung

    Wie kann eine Theoriebildung des Determinismus im Sinne einer Philosophie des Geistes

    aussehen? Kann eine solche Theorie fr die Idee der Willensfreiheit erbracht werden? Was

    wren die Konsequenzen der Wahrheit solcher Theorien?

    Die vorliegende Seminararbeit soll versuchen, diese Fragen anhand der Determinismus-Theorie

    von Ted Honderich, wie sie in Wie frei sind wir? Das Determinismus-Problem1 dargelegt

    wird, zu explizieren und zu beantworten. Im ersten Teil der Arbeit werde ich zunchst

    Honderichs Konzeption und Begrndung eines strengen Determinismus darstellen. Der zweite

    Teil der Arbeit wird sich mit im Kontext des Determinismus auftretenden Problemen der Freiheit

    beschftigen. Dabei soll vor allem das Thema der Erstauslsung von Handlungen und das

    Spannungsfeld zwischen Inkompatibilismus und Kompatibilismus im Blickpunkt stehen. Der

    Dritte Teil wird sich mit Konsequenzen und Implikationen des Determinismus beschftigen. Es

    handelt sich dabei zum einen um personenbezogene Konsequenzen und mgliche Reaktionen,

    zum anderen um Konsequenzen fr gesellschaftliche Institutionen und moralische Grundstze,

    wie etwa das Thema Strafe. Im Anschluss daran mchte ich kurz meine eigene Sicht auf die

    Sache erarbeiten.

    1Honderich, Ted: Wie frei sind wir? Das Determinismus-Problem. Stuttgart, 1995.

  • 4

    1. Determinismus:

    Der Determinismus, wie Honderich ihn anstrebt, ist im Grunde genommen die Vorstellung, dass

    die gewhnliche Kausalittsvorstellung auf uns und unser Leben zutrifft und wir den

    Kausalgesetzen unterliegen.2 Was die Theoriebildung angeht stellen sich daher zwei wesentliche

    Fragen: Unterliegen wir wirklich der Kausalitt und wenn ja, was sind die Konsequenzen?

    Kausalitt

    Honderichs Kausalittsbegriff beschreibt Kausalitt ganz grundlegend als eine Beziehung

    zwischen zwei Dingen, die sich in einer Konditionalaussage beschreiben lsst (wenn p, dann

    q). Solche Beziehungen sind Fakten dieser Welt3 und da Konditionalaussagen genauso wie

    nicht-konditionale Aussagen auf die Realitt zutreffen, existieren Kausalbeziehungen auch in der

    Realitt (und nicht nur in der Vorstellung).4 Treffen wir Konditionalaussagen dieser Art, so

    implizieren wir in der Aussage wenn p, dann q allerdings mehr als nur die Aussage, dass beim

    Auftreten der Einzelursache p sich die Wirkung q einstellt, und zwar insofern, dass wir die

    eigentliche Wirkung als eine Menge von Dingen begreifen, die die Einzelursache p beinhaltet.

    Diese Menge von Dingen kann sozusagen als Gesamtursache der Wirkung betrachtet werden

    Honderich spricht vom kausalen Bedingungskomplex5. Kausale Bedingungskomplexe sind

    derart beschaffen, dass sie in einer Konditionalaussage neben der Einzelursache alle

    Begleitumstnde und Bedingungen bercksichtigen, die gelten mssen, damit die entsprechende

    Wirkung eintritt. Daher kann ebenfalls gesagt werden, dass kausale Bedingungskomplexe so

    beschaffen sind, dass auf gleiche Bedingungskomplexe auch immer gleiche Wirkungen folgen

    und sogar folgen mssen aus kausalen Bedingungskomplexen hervorgehende Wirkungen

    werde also notwendig herbeigefhrt:

    Da er [der kausale Bedingungskomplex] eingetreten ist, stellt sich die Wirkung auf jeden Fall

    selbst dann ein, wenn X vorkommt6. Diese Art von Wirkung nennt Honderich auch

    2 Vgl. ebd. S. 9. 3 Ebd. S. 21. 4 Vgl. ebd. 5 Ebd. S. 17. 6 Ebd. S. 21.

  • 5

    Standartwirkung. Kausaler Bedingungskomplex und die auf ihn folgende Wirkung stehen also

    in nomischer Verbindung zu einander. Von besonderer Bedeutung fr den Determinismus ist

    hierbei der Umstand, dass die Bestandteile eines kausalen Bedingungskomplexes in der Regel

    ihrerseits wiederum Wirkungen sind, d. h. der Bedingungskomplex die Wirkung eines frheren

    Bedingungskomplexes ist. Dieser frhere Bedingungskomplex hat also ebenfalls die

    letztendliche Wirkung notwendig herbeigefhrt: Es entsteht eine Kausalkette.

    Es gibt, so Honderich, noch andere Arten von nomischen Verbindungen, und zwar die der

    nomischen Korrelate. Nomische Korrelate sind zur gleichen Zeit gegeben (im Gegensatz zu

    Kausalbeziehungen, wo die Ursache der Wirkung zeitlich voran geht).7

    Dieser Wirkungsbegriff betrifft bisweilen nur unsere Vorstellung er lsst keine

    Schlussfolgerungen auf die reale Welt zu. Ob wir selbst der Kausalitt unterliegen oder unsere

    geistigen Ereignisse Wirkungen sind, kann bis hierhin nicht geschlussfolgert werden. Honderich

    macht allerdings den Punkt, dass doch wohl mindestens einige Vorgnge in der realen Welt im

    Sinne eines solchen Kausalittsbegriffs ablaufen wrde: Wo wrden wir denn sonst diese

    Vorstellung hernehmen?8 Ob wir als Personen, das heit unser Denken und Handeln dem

    Determinismus unterliegen, fhrt in diesem Kontext zunchst zu folgender Frage: Sind Gehirn

    und Geist ein nomisches Korrelat?

    Entscheidungen und Handlungen

    Geistige Ereignisse sind etwas Reales, sie existieren in Raum und Zeit. Die Existenz geistiger

    Ereignisse hat ein erkennbares Wesen, was in ihrer interdependenten Dualitt liegt. Neurale

    Ereignisse haben elektrochemische Eigenschaften. Das Verhltnis zwischen geistigen und

    neuralen Eigenschaften soll daher mit drei Vorstellungen in Einklang stehen:9

    1. Die Vorstellung der psychoneuralen Inimitt

    2. Die Vorstellung, dass geistige Ereignisse von sich auch Einfluss auf Handlungen haben

    (gegen Epiphnomenalismus)

    3. Die Vorstellung, dass neurale Ereignisse ebenfalls zur Erklrung von Handlungen

    beitragen (Common Sense, Neurowissenschaft)

    7 Vgl. ebd. S. 22: Honderich geht davon aus, dass die Vorstellung der Vorzeitigkeit bei Kausalbeziehungen

    mitgedacht wird. 8 Ebd. S. 23. 9 Ebd. S. 35 ff.

  • 6

    Honderich argumentiert folgendermaen gegen eine Identittstheorie als Lsungsansatz fr die

    Erklrung geistiger Ereignisse:

    Entweder sagt eine Identittstheorie, dass geistige Ereignisse nur geistige Eigenschaften haben,

    also Eigenschaften, auf die durch ihre interdependente Dualitt verwiesen wird. Dies wrde

    bedeuten, dass auch neurale Ereignisse nur geistige Eigenschaften haben (und keine

    elektrochemischen). Da geistige und neurale Ereignisse als identisch angesehen werden, muss

    fr beide auch das gleiche gelten: Wenn man also sagt, geistige Ereignisse haben nur geistige

    Eigenschaften, folgt daraus, dass auch neurale Ereignisse nur geistige Eigenschaften, was ein

    Widerspruch ist, wenn man ihnen elektrochemische Eigenschaften als wesentlich zuschreibt.

    Weiter ist eine Gleichsetzung von geistigen und neuralen Eigenschaften im Sinne einer

    Identittstheorie auch dann nicht schlssig, wenn geistigen Ereignissen sowohl die

    hervorstechenden Eigenschaften der interdependenten Dualitt als auch elektrochemische

    Eigenschaften zugeschrieben werden, denn eine solche Gleichsetzung bedeutet im Grunde, dass

    es sich um ein einziges Ereignis handelt, dass zwei Arten von Eigenschaften besitzt. Eine

    Identittstheorie verfehlt die Bedingung der psychoneuralen Intimitt und ist darber hinaus

    anfllig fr den Vorwurf des Epiphnomenalismus. Honderich formuliert darauf folgende

    Bedingungen einer, wie er sie nennt, Vereinigungstheorie:10

    1. Geistige und neurale Ereignisse sind nomische Korrelate

    2. Jedes dieser beiden Ereignisse gehrt zu einem kausalen Bedingungskomplex fr das

    Eintreten einer spteren Handlung, sofern sich daraus eine Handlung ergibt.

    Zu 1.: Wenn N ein in bestimmter Art und Weise geartetes Korrelat von G ist, dann gilt (auer

    dass N immer von G begleitet wird) des weiteren, dass auch jedes Gegenstck von N von einem

    entsprechenden Gegenstck von G begleitet wird.

    Zu 2.: Unsere Handlungen werden durch unsere Wnsche und berzeugungen und durch die

    neuralen Vorgnge in unserem Gehirn erklrt (entsprechend der Annahme, dass kausale

    Bedingungskomplexe aus verschiedenen Teilen bestehen). 10 Ebd S. 41.

  • 7

    Die Vereinigungstheorie sieht gleichzeitige geistige und neurale Ereignisse weder als identisch

    noch als den gleichen Gegenstand darstellend an, sondern fasst sie als nomische Korrelate auf,

    die sogenannte psychoneurale Paare bilden. Beide Ereignisse gehren zu einem gemeinsamen

    kausalen Bedingungskomplex fr das Eintreten einer spteren Handlung (sofern sich eine

    Handlung ergibt). Daher gilt auch, dass im Falle einer Wiederholung eines neuralen Ereignisses

    sich auch das entsprechende geistige Ereignis wiederholt. Da beide Ereignisse (als

    psychoneurales Paar) als Bestandteil eines kausalen Bedingungskomplexes auftreten, sind sie

    ihrerseits wiederum (reale) Wirkungen. Jedes psychoneurale Paar ist die Wirkung einer vorher

    gegebenen Menge von Elementen. Diese Menge an Elementen beinhaltet Erbanlagen und

    Umwelteinflsse, durch welche die psychoneuralen Paare im deterministischen Sinne festgelegt

    sind. Eine Entscheidung samt ihrem neuralen Korrelat kann demnach als eine Wirkung

    angesehen werden, die am Ende einer Reihe von kausalen Bedingungskomplexen steht. Der

    Ausgangskomplex dieser Reihe enthlt neurale und physische Ereignisse aus der Zeit vor der

    ersten Bewusstseinsbildung der betreffenden Person sowie weitere zu diesem oder spterem

    Zeitpunkt anwesende Umweltereignisse. An dieser Stelle kann auch festgehalten werden, dass

    die betreffende Person bis hierher weder fr die besagten neuralen oder physischen Ereignisse

    noch fr die Mehrheit der Umweltereignisse verantwortlich sein kann.

    Um die Theoriebildung des Determinismus abzuschlieen, bentigt Honderich einen kausalen

    Handlungsbegriff, der mit der Vorstellung einer nomischen Korrelation von geistigen und

    neuralen Zustnden in Einklang gebracht werden kann. Dabei soll gelten, dass eine Handlung

    zwar mit einem geistigen Ereignis in Beziehung steht, dieses geistige Ereignis selbst aber keinen

    Bestandteil der Handlung bildet.11 Diese Beziehung zum geistigen Ereignis unterscheidet

    Handlung dabei von bloer Bewegung: Ist vor oder whrend einer Bewegung eine aktive

    Absicht gegeben, so ist die Bewegung eine Handlung. Schlieen solche aktiven Absichten

    weitere berzeugungen im Hinblick auf die kommende Bewegung ein (prognostische

    berzeugungen), dann reprsentieren diese Absichten die Bewegung.12 Darber hinaus gilt,

    dass, insofern die durch Absichten reprsentierten Bewegungen Handlungen sind, die Absichten

    auch Ursachen dieser Bewegung bzw. Handlung sind.13 Damit gelangt man zu einem

    11 Vgl. ebd. S. 69. 12 Vgl. ebd. S. 76. 13 Vgl. ebd. S. 77.

  • 8

    Handlungsbegriff, der hinsichtlich des Verhltnisses zwischen Bewegung bzw. Handlung und

    geistigem Ereignis zwei fr die vorliegende Theorie des Determinismus wesentliche

    Verbindungen aufweist: eine Kausal- und eine Reprsentationsverbindung.

    Honderichs Theorie des Determinismus setzt sich also aus folgenden Hauptbestandteilen

    zusammen: Dem Kausalittsbegriff und der Vorstellung von Kausalketten, der Vorstellung

    geistiger und neuraler Ereignisse als psychoneurale Paare die in nomische Verbindung

    zueinander stehen (Vereinigungstheorie) und dem kausalen Handlungsbegriff, nach dem

    Handlungen ebenfalls Wirkungen einer Kausalkette sind.14

    2. Freiheit

    Welche Bedeutung hat nun der Determinismus fr die Frage nach der Freiheit? Wie verhlt sich

    der Determinismus zur Idee der Willensfreiheit und was kann in diesem Kontext ber freies

    Handeln und moralische Verantwortung gesagt werden?

    Willensfreiheit

    Was die Problematik zwischen Determinismus und Willensfreiheit angeht, soll die Idee der

    Willensfreiheit hier vor allem in Bezug auf die Frage nach der Verantwortung fr unsere

    Entscheidungen und Handlungen betrachtet werden.

    Gibt es Willensfreiheit im Determinismus? Diese Frage hngt zuallererst einmal daran, was

    unter Willensfreiheit verstanden wird. Eine grundlegende Version eines Begriffs von

    Willensfreiheit ist die, dass Willensfreiheit bedeutet, prinzipiell zu jedem gegebenen Zeitpunkt

    unter den gleichen Umstnden und Bedingungen diese oder jene Handlung vollziehen zu

    knnen, d. h. dass es mglich sei, zu jedem Zeitpunkt jede mgliche Handlung auszufhren. Sie

    beruht auf einer indeterministischen Auffassung insbesondere im Hinblick auf Ereignisse wie

    Entscheidungen und Handlungen. Eine solche Auffassung von Willensfreiheit erscheint zunchst

    im krassen Gegensatz zum Determinismus, da es hier geistige Ereignisse (wie Entscheidungen)

    geben kann, die keine notwendig herbeigefhrten Wirkungen, wohl aber Ursachen sind. Geht

    man davon aus, dass Determinismus und Indeterminismus im Hinblick auf die Beschaffenheit

    oder das Zustandekommen von Entscheidungen und Handlungen sich widersprechende 14 Vgl. ebd. S. 80.

  • 9

    Standpunkte bilden, ergeben sich fr die Annahme, dass der Determinismus wahr ist, zwei

    Positionen: Entweder man geht davon aus, dass Willensfreiheit zwangslufig indeterministisch

    ist, dann folgt aus der Annahme des Determinismus, dass es keine Willensfreiheit gibt

    (Inkompatibilismus). Oder man geht davon aus, dass Willensfreiheit nicht notwendigerweise

    indeterministisch beschaffen sein muss und Willensfreiheit und Determinismus logisch

    miteinander vereinbar sind (Kompatibilismus). Was den Konflikt zwischen kompatibilistischen

    und inkompatibilistischen Anstzen angeht, vertritt Honderich einen ganz eigenen Standpunkt.

    Doch zunchst sollen noch einige Aspekte der Problematik von Determinismus und

    Indeterminismus im Hinblick auf Willensfreiheit errtert werden.

    Betrachtet man die allgemeinen uns umgebenden Lebensumstnde, so ist der Konflikt, der

    zwischen Determinismus und Willensfreiheit herrscht, leicht zu sehen. Wir gehen in sehr

    groem Umfang von der Vorstellung aus, dass die Dinge um uns herum, die Ereignisse, die wir

    in der Welt beobachten, kausalen Zusammenhngen folgen alles hat eine Ursache, nichts

    geschieht. Gleichzeitig haben wir aber eine Vorstellung davon, dass wir unser Leben und

    Handeln doch selbststndig bestimmen, dass wir freie Entscheidungen nach unseren eigenen

    Wnschen und berzeugungen treffen und dabei die meiste Zeit ber alternative Mglichkeiten

    verfgen. Doch wie kann das mglich sein in einer Welt, die einem Determinismus, wie er hier

    beschrieben wird, unterliegt?

    Um dieser Frage nachzugehen, kann man auch andersherum fragen: Garantiert der

    Indeterminismus Willensfreiheit? Es gibt gute Grnde dafr, die kausale Gesamtstruktur der

    Welt, wie der Determinismus sie annimmt, in Frage zu stellen. Einer der meistdiskutierten

    Punkte in dieser Hinsicht dreht sich um Erkenntnisse der Quantenmechanik bzw. um deren

    Interpretation. Die Quantenmechanik bildet einen der grten Angriffspunkte fr die Theorie des

    Determinismus, und auch Honderich scheint sich dessen bewusst zu sein. Was die

    Quantenmechanik nmlich auf experimenteller Grundlage zeigen kann, ist eben gerade

    Indeterminismus, d. h. es knnen auf Teilchen-Ebene Phnomene beobachtet werden, die

    keinerlei Ursache-Wirkungs-Verhalten zeigen, sondern sich nur noch in Wahrscheinlichkeiten

    beschreiben lassen. Damit scheint der Indeterminismus kurzerhand bewiesen zu sein: Die

    allumfassende Kausalittsvorstellung des Determinismus scheint widerlegt und die

    Willensfreiheit gerettet. Doch Honderich argumentiert dagegen. Wenn wir von Determinismus

    sprechen, dann meinen wir damit keine Quantenphnomene, wir meinen Vorgnge in der Welt

    die uns umgibt und die unserem gewhnlichen Selbstverstndnis und unserer Erfahrung gem

  • 10

    nach kausalen Mustern einer newtonschen Physik funktioniert. Auf Mikroebene feststellbare

    lokale Indeterminiertheiten haben nicht notwendigerweise zur Folge, dass sich ein

    Indeterminismus auch auf die Makroebene (die Ebene, auf der sich neurale Ereignisse,

    Entscheidungen, Handlungen, Umwelteinflsse etc. abspielen) ausweiten lsst.15 Die Ergebnisse

    der Quantenmechanik stellen fr Honderich hierbei also kein valides Argument gegen den

    Determinismus oder fr den Indeterminismus dar. Ein solcher Beinahedeterminismus

    beinhaltet weiterhin alle ausschlaggebenden Aspekte der hier vorgelegten

    Determinismustheorie.16

    Doch selbst wenn man auch den Beinahedeterminismus beiseite lsst und von der Vorstellung

    einer tatschlich vollstndig indeterminierten Welt ausgeht, zeigen sich hinsichtlich der

    Willensfreiheit Probleme. In einer solchen indeterminierten Welt wrde der Indeterminismus

    auch fr unsere neuralen oder geistigen Ereignisse gelten, so dass es bisweilen sehr fraglich

    erscheinen wrde, berhaupt noch von Wille oder Entscheidung zu sprechen. Entscheidungen

    wrden zu bloem Zufall zerfallen und auf gewisse Weise vollkommen zusammenhangslos

    ablaufen. Was wrde eine Entscheidung dann noch zu einer Entscheidung einer Person machen?

    Oder zu einer Entscheidung, etwas bestimmtes zu tun? Bis hierhin trifft der Indeterminismus

    demnach auf prinzipielle und strukturelle Probleme, die eine zufriedenstellende Erklrung von

    Willensfreiheit, wie sie hier verstanden werden will, nicht erlauben. Darber hinaus lsst sich

    einfach erkennen, dass hier dieselbe Art von Problem auch fr das Thema der moralischen

    Verantwortung gelten wrde. Um einer solchen indeterminierten Welt zu entgehen und trotzdem

    sicherzustellen, dass wir eine nicht von auen kausal bedingte Willensfreiheit besitzen, kann die

    Vorstellung der Erstauslsung ins Spiel gebracht werden.17 Bei dieser Vorstellung geht es um

    einen erstauslsendes Selbst oder Ich, welches von sich aus, also ohne notwendige Bedingtheit,

    Entscheidungen trifft und daher Urheber unserer Handlungen ist. Der vielleicht wichtigste

    Aspekt der Vorstellung der Erstauslsung ist der, dass mit Hilfe dieses Modells die Frage nach

    der moralischen Verantwortung fr unsere Entscheidungen und Handlungen mit einem mal sehr

    einfach erscheinen: Als Erstauslser sind es eben wir selbst, die als Urheber unserer

    Entscheidungen und damit unserer Handlungen in Erscheinung treten. Da wir uns hierbei frei

    von kausaler Bedingtheit befinden, haben wir als Erstauslser auch die Mglichkeit, in jeder

    15 Vgl ebd. S. 93 ff. 16 Vlg. ebd. S. 99 17 Vgl. ebd. S. 55 ff.

  • 11

    Entscheidungssituation auch eine alternative Entscheidung zu treffen und knnen daher als

    direkt moralisch verantwortlich fr unser Entscheiden oder Handeln angesehen werden. Fr

    Honderich ist die Idee der Erstauslsung vor allem in zweierlei Hinsicht nicht haltbar. Zum

    einen kann sie keine Erklrung fr den Zusammenhang von geistigen und neuralen Ereignissen

    liefern:18 Auf welche Art und Weise soll ein durch ein erstauslsendes Selbst hervorgebrachtes

    geistiges Ereignis (etwa eine Entscheidung) mit seinem neuralen Partner verknpft sein, wenn

    das geistige Ereignis einzig und allein durch das Selbst ausgelst wird? Das gleiche gilt fr ein

    auf ein geistiges Ereignis folgendes weiteres geistiges Ereignis und dessen neuralen Partner. Die

    geistigen Ereignisse untereinander mssten auf irgendeine (nicht kausale) Art und Weise durch

    das Selbst verbunden sein. Wie die neuralen Partner beider geistiger Ereignisse in so einem Fall

    miteinander verbunden sein sollen, bleibt hingegen noch unklarer, schlielich kann keines der

    Ereignisse als Wirkung eines entsprechenden vorherigen Ereignisses angesehen werden. Dies

    gilt insbesondere dann, wenn wir mit Hilfe der Vorstellung des Selbst als Erstauslser von

    Entscheidungen moralische Verantwortung zuschreiben wollen, denn um dies zu tun muss ja

    gerade ausgeschlossen werden, dass der neurale Partner eines geistigen Ereignisses die Wirkung

    eines vorangegangen neuralen Ereignis (bzw. psychoneuralem Paar) ist.

    Zum anderen stellt sich natrlich die Frage was genau ein solches Selbst eigentlich sein soll. Es

    reicht offensichtlich nicht aus, es im Sinne eines geistigen Ereignisses durch das Merkmal der

    interdependenten Dualitt zu erklren das Selbst msste unabhngig und auerhalb von

    geistigen Ereignissen existieren. Wesen und Beschaffenheit des Selbst sind der Erfahrung in

    keinerlei befriedigender Art und Weise zugnglich, was die gesamte Vorstellung dieses Selbst

    und der Erstauslsung fr eine empirische Theorie19, wie Honderich sie anstrebt, ungeeignet

    macht.20 Das gleiche gilt fr teleologische Erklrungsversuche der Erstauslsung.21

    Kompatibilismus und Inkompatibilismus

    Die bis hierher gemachten Erklrungsversuche zur Problematik der Willensfreiheit haben

    gemeinsam, dass sie auf irgendeine Weise von einem Inkompatibilismus ausgehen. Die

    Vorstellung von Willensfreiheit, wie sie bis jetzt angenommen wurde, scheint nicht vereinbar zu

    18 Vgl. ebd. S. 56 ff. 19 Vgl. ebd. S. 101. 20 Vgl. ebd. S. 60. 21 Vgl. ebd. S. 61.

  • 12

    sein mit der Vorstellung einer umfassenden kausalen Vernetzung, wie der Determinismus sie

    annimmt. Dem Inkompatibilismus zufolge verhlt es sich entweder so, dass, wenn der

    Determinismus wahr ist, wir keine Willensfreiheit haben, oder wenn wir Willensfreiheit haben,

    der Determinismus nicht wahr ist (da Willensfreiheit immer Erstauslsung einschliet). Doch

    was diese Anstze auch zeigen ist, dass ein von den gleichen Faktoren ausgehender

    Kompatibilismus nicht mglich scheint. Unser Bild von uns selbst als nicht determinierte

    Urheber von Entscheidungen und Handlungen im Sinne der Willensfreiheit scheint nicht logisch

    vereinbar zu sein mit der allgemeinen Kausalittsvorstellung bzw. der Vorstellung der

    vollstndigen Determiniertheit der Welt durch Kausalvorgnge. Aus der Determiniertheit der

    Welt folgt also, dass wir auf irgendeine Art und Weise nicht frei sind. Diese Position allerdings

    bestreitet der Kompatibilismus, denn kompatibilistischer Auffassung sind Determinismus und

    Freiheit sehr wohl logisch miteinander vereinbar. Mglich wird diese Position durch ein von

    Anfang an andersartiges Verstndnis von Freiheit:

    One fundamental proposition of Incompatibilism is that we all share one settled idea, or anyway one that is important, of a free action for which the agent may be held morally responsible. A second fundamental to Incompatibilism is that in fact this is an idea of an action both voluntary and originated. A third fundamental proposition is that there can be no such actions if determinism or near-determinism is true. It is also fundamental to Incompatibilism that the principal philosophical problem of determinism and freedom is that of somehow proving its second and third propositions. Compatibilism shares the proposition that we have one settled idea of a free action. But it supposes that this idea is only voluntary, and hence there can be such actions if determinism is true. It has a counterpart idea of the problem of freedom and determinism.22

    Kompatibilismus und Inkompatibilismus gehen zwar beide von einer allgemeinen Vorstellung

    einer freien Handlung aus, jedoch wird der Begriff der freien Handlung in beiden Positionen

    unterschiedlich aufgefasst. Der Kompatibilismus fasst, so Honderich, eine freie Entscheidung

    oder Handlung vor allem dann als frei auf, wenn sie als selbstndig23 gilt. Sie steht dann im

    Einklang mit den Wnschen und berzeugungen der handelnden Person.24 Im Gegensatz dazu

    ist die Selbststndigkeit einer Entscheidung oder Handlung im Inkompatibilismus zwar eine

    notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafr, dass sie als frei gilt. Eine freie

    22 Honderich, Ted: Compatibilism, Incompatibilism and the Smart Aleck, in: Philosphy and Phenomenological

    Research, Vol. 56, No. 4, December 1996, S. 855. 23 Vgl. Honderich, Ted: 1995, S. 126. 24 Vgl. ebd. S. 145.

  • 13

    Entscheidung ist hier immer selbststndig und erstausgelst.25 Gemeinsam ist beiden Positionen

    die Ansicht, dass um einer handelnden Person Verantwortung zuzuschreiben, eine freie

    Handlung vorhanden sein muss, die Bedeutung dessen, was eine freie Handlung auszeichnet,

    variiert lediglich. Wichtig ist dabei, dass beide Positionen davon ausgehen, dass wir alle die

    Vorstellung der freien Handlung teilen (laut Inkompatibilismus ist es eben diese, laut

    Kompatibilismus jene Vorstellung). Man sieht also, dass Kompatibilismus und

    Inkompatibilismus nur insofern gegenstzliche Position hinsichtlich der Problematik zwischen

    Determinismus und Freiheit sind, dass sie von jeweils ihrer Definition einer freien Handlung

    ausgehen. Hier setzt Honderich an, um zu zeigen, dass weder der Kompatibilismus noch der

    Inkompatibilismus zur Lsung des Problems hinsichtlich Determinismus und Freiheit geeignet

    ist.26

    3. Falls der Determinismus wahr ist... Reaktionen und Konsequenzen

    Bevor es darum geht, wie eine Lsung des Determinismus-Freiheits-Problems aussehen kann, ist

    es sinnvoll, einen Blick auf das zu werfen, was man als Konsequenzen oder Implikationen

    desjenigen Falles ansehen kann, dass der Determinismus tatschlich wahr ist. Zunchst soll es

    dabei um Reaktionen auf diesen Fall gehen.27 Honderich geht dabei auf drei

    Hauptkonsequenzbereiche ein28, auf die gerichtet Reaktionen hinsichtlich der Wahrheit des

    Determinismus erfolgen wrden, folgende Bereiche umfassen: Lebenshoffnungen, Einstellungen

    gegenber anderer Personen und Erkenntnis. Fr jeden dieser Bereiche gilt, dass wir zunchst

    zwei mgliche Reaktionen zeigen knnen, sobald wir den Determinismus annehmen. Diese

    Reaktionen sind laut Honderich einerseits Bestrzung und andererseits Unnachgiebigkeit.

    Welche der beiden Reaktionen hervorgerufen wird, hngt in allen Fllen von der Konzeption des

    Gefhls ab, welches mit dem Frwahrhalten des Determinismus konfrontiert wird. Ist unsere

    Auffassung eines Gefhls oder einer Einstellung aus seiner Konzeption heraus mit dem

    Determinismus vereinbar, so reagieren wir mit Unnachgiebigkeit. Unnachgiebigkeit bedeutet,

    dass durch die Wahrheit des Determinismus sich keine wesentlichen Vernderungen das

    jeweilige Gefhl betreffend ergeben wrden. Dies ist dann der Fall, wenn wir bezglich

    25 Vgl. ebd. S. 146. 26 Vgl. edb. S. 147. 27 Vgl. edb. S. 116 ff. 28 Vgl. edb. S. 134.

  • 14

    (zuknftiger) Entscheidungen oder Handlungen, die mit diesem Gefhl einhergehen oder mit

    ihm verbunden sind, davon ausgehen, dass sie selbststndig ausgefhrt wrden und dass diese

    Selbststndigkeit als hinreichendes Kriterium einer freien Handlung dient (hnlich dem im

    Kompatibilismus angenommenen Verstndnis einer freien Handlung). Eine solche selbststndig

    vollzogene Handlung stnde schlielich nicht im Widerspruch zum Determinismus und daher

    wrde in so einem Fall alles beim alten bleiben. Haben wir es demgegenber mit einem

    Gefhl (einer Lebenshoffnung etc.) zu tun, auf das eine nach unserer Auffassung nach mit

    Erstauslsung verbundene Entscheidung oder Handlung folgen wrde (also eine Handlung die

    im Sinne des Inkompatibilismus selbststndig und erstausgelst sein muss), so reagieren wir mit

    Bestrzung ber die Wahrheit des Determinismus, da eine solche Entscheidung oder Handlung

    damit nicht vereinbar wre.

    Dieser ambivalente Reaktionsmechanismus kann auch fr das Thema der moralischen

    Verantwortung geltend gemacht werden. Je nach dem ob ich bei der Zuschreibung von

    moralischer Verantwortung (sowohl im negativen als auch im positiven Sinne) im Hinblick auf

    die Entscheidung oder Handlung einer Person von einer selbststndigen oder einer

    selbststndigen und darber hinaus erstausgelsten Handlung ausgehe, fllt mein Urteil

    gegebenenfalls unterschiedlich aus. Diese Problematik funktioniert auch in die andere Richtung,

    denn ich kann auch durch die Zuschreibung von Verantwortung in Konflikt zum Determinismus

    geraten.29 Besonders deutlich wird das Problem im Bereich der moralischen Verantwortung, da

    hier auch die Vereinbarkeit von betreffenden moralisch zu bewertenden Situationen mit dem

    Determinismus durchaus zu Bestrzung fhren kann.30 Ingesamt kann festgehalten werden, dass

    die beiden Reaktionen Bestrzung und Unnachgiebigkeit auch zum groen Teil inkonsistent

    oder sogar widersprchlich sind31. Sie spiegeln auf gewisse Weise wider, was im Konflikt der

    Freiheitsbegriffe von Inkompatibilismus und Kompatibilismus bereits hervorgetreten ist und

    werden letztlich auch von Honderich als unbefriedigend abgewiesen.32

    Zur Lsung des Problems von Determinismus und Freiheit ist demnach zweierlei ntig: Erstens

    eine Auffassung dessen, was eine freie Handlung ist, die sich zum einen der besagten

    Problematik entzieht, die entsteht, wenn man den Inkompatibilismus und Kompatibilismus als

    einander entgegen gesetzte Erklrungsversuche des gleichen Problems ansieht und zum anderen

    29 Vgl. edb. S. 136. 30 Vgl. ebd. 31 Vgl. edb. S. 159. 32 Vgl. edb. S. 156.

  • 15

    die Frage nach der moralischen Verantwortung beantwortet; und zweitens eine befriedigende

    Reaktion auf das wahrscheinliche Zutreffen des Determinismus zu finden oder zu erarbeiten33.

    Wie man bereits gesehen hat, ist es durchaus der Fall, dass wir im Angesicht des Determinismus

    zu verschiedenen Reaktionen im Hinblick auf unsere Gefhle und die Zuschreibung von

    moralischer Verantwortung kommen, und dass der Grund dafr in den verschiedenen Ansichten

    dessen liegt, was wir ber das Zustandekommen von (zuknftigen) Entscheidungen und

    Handlungen glauben. Von dieser Annahme ausgehend lsst sich schlieen, dass wir dann

    ebenfalls verschiedene Auffassungen von einer freien Handlung haben, nmlich zum einen die

    selbststndigen und zum anderen die selbststndigen und erstausgelsten.

    My own view in one part is that it is provable that each of us has two different and important attitudes with respect to moral responsibility, attitudes being complexes including desires and evaluations. It is provable, also, that we act differently on these two attitudes, as in the case of punishment. These propositions necessarily presuppose that each of us has two ideas of a free action. [] It is thus my view that the principal philosophical problem about determinism and freedom cannot possibly be what Incompatibilists and Compatibilists take it to be, proving that we have a single idea.34

    Es liegt auf der Hand, dass vor dem Hintergrund, dass wir tatschlich zwei Auffassungen von

    freier Handlung haben, die Annahme des Determinismus problematisch erscheint. Der

    Determinismus kann einen auf diese Art und Weise abgesteckten Rahmen unserer Gefhle und

    Einstellungen nicht zufriedenstellen. Um diesen Rahmen neu zu stecken, schlgt Honderich

    daher eine dritte Reaktion vor, welche fr alle drei Konsequenzbereiche zufriedenstellend sein

    soll. Was konkret getan werden muss, um den Determinismus fr wahr zu halten, ist zu

    versuchen, alles aufzugeben, was auf Vorstellungen beruht, die zum Determinismus in

    Widerspruch stehen35. Dazu gehren beide Seiten unserer Einstellungen gegenber

    Handlungen. Es reicht nicht, sich etwa einfach auf diejenigen Einstellungen zu konzentrieren,

    die nur auf die Selbststndigkeit von Handlungen abheben, denn auch die Reaktion der

    Unnachgiebigkeit gestattet es uns eigentlich nicht so weiterzumachen, als werde durch den

    Determinismus nichts verndert. Es gelingt uns nicht, uns hinter diesen Einstellungen zu

    33 Ebd. S. 155. 34 Vgl. Honderich, Ted: 1996, S. 856. 35 Vgl. ebd. S. 160.

  • 16

    verbarrikadieren36. Diese neue Reaktionsweise nennt Honderich Bejahung37. Sie ist das

    Wertschtzen dessen, an dem wir, sowohl was unsere Einstellungen und Gefhle als auch unser

    Verhalten betrifft, festhalten knnen, falls der Determinismus wahr ist und die Aufgabe all

    dessen, an dem wir nicht festhalten knnen. [...] [W]er so zu reagieren versucht, ist bemht,

    sein Empfinden mit Bezug auf einen Bereich des Lebens zu ndern.38 Die Reaktion der

    Bejahung ist in gewissem Mae eine Einbettung des Determinismus in eine Lebensphilosophie

    und damit die einzige Lsung des Determinismusproblems.39

    Ein mglicher Ansatz, dies zu erreichen, knnte im Hinblick auf die (auermenschliche) Natur

    gemacht werden. In der Philosophie- oder Geistesgeschichte gibt es eine Vielzahl von

    Erklrungsmodellen die auf das Verhltnis zwischen Mensch und Natur eingehen, Honderich

    erwhnt in diesem Zusammenhang etwa die Naturphilosophie Spinozas, aber auch die Literatur

    der Romantik. Honderich schlgt mit der Idee, in Einklang mit der Natur als

    Identifikationsgegenstand zu leben, hierbei fast vershnliche Tne an; es wre die Vershnung

    mit dem Determinismus.40 Auch was die konkrete, hier dargelegte Determinismustheorie angeht,

    so beruht diese enge Verbindung sowohl auf der Beziehung zwischen Geist und Gehirn als auch

    auf der kausalen Bestimmtheit unserer ganzen geistigen Existenz.41

    Ein anderer Ansatz, der sich durchaus auch in den Bereich des Moralischen erstreckt, kann

    hierbei im Zusammenhang mit unseren Einstellungen und Gefhlen gemacht werden.

    Fr unsere Gefhle und unsere Zuschreibungen moralischer Verantwortung gilt, dass sie sich

    sowohl gegen andere Personen als auch gegen uns selbst richten knnen. Richten sich Gefhle

    oder moralische Ansichten gegen mich selbst, so knnen sich, dem Ausma der betreffenden

    Handlungen, auf die meine Gefhle abzielen, entsprechend, Gefhle des Versagens einstellen.42

    Dabei gilt, dass diese Gefhle des Versagens, wenn sie Handlungen des Typs selbststndig und

    erstausgelst betreffen, durch diesen Umstand noch strker werden uns zu starker

    Selbstabneigung oder Selbstmissbilligung fhren knnen.43 Der Determinismus bietet durch den

    Verzicht auf solche Arten von Gefhlen einen Ausweg, der allerdings auch in die andere

    Richtung gilt. Auch entsprechend gegenteilige Gefhle einer gewissen Art von Erfolg mssen 36 Vgl. edb. 37 Vgl. edb. S. 162. 38 Vgl. edb. S. 160. 39 Vgl. edb. 40 Vgl. edb. S. 165. 41 Vgl. edb. 42 Vgl. edb. S. 166. 43 Vgl. edb. S. 167.

  • 17

    preisgegeben werden.

    Um das Thema der Bejahung abzuschlieen, soll gezeigt werden, dass Bejahung auch in den

    drei vom Determinismus hauptschlich betroffenen Konsequenzbereichen nicht dazu fhrt, dass

    diese ihre wesentlichen Bestandteile aufgeben mssen. Im Bereich der Lebenshoffungen

    beispielsweise gilt fr jeden Gegenstand des Hoffens, dass er immer auch Gegenstand einer

    solchen Hoffnung sein kann, die mit dem Determinismus in Einklang steht.44 Die persnlichen

    Gefhle bleiben auch im Falle des Determinismus persnliche Gefhle: Die Vorstellung eigener

    oder von anderen erbrachter persnlicher Gefhle, negativer oder positiver Art, bleibt auch ohne

    den Zusatz der Selbstauslsung erhalten.45 Der Bereich der Erkenntnis verhlt es sich genauso:

    Im Determinismus gilt nach wie vor, dass Wissen das Ergebnis unseres Strebens nach

    Erkenntnis ist.46

    Ingesamt bleibt festzuhalten, dass, nimmt man den Determinismus als wahr an, in jedem

    Konsequenzbereich zwar sozusagen Abstriche gemacht werden mssen, doch wir knnen auch

    auf Fakten stoen, die beruhigend wirken.47

    Strafe

    Die Reaktion der Bejahung ist also der Schlssel zur Auflsung des Determinismusproblems.

    Doch inwiefern lassen sich die gewonnenen Ergebnisse vom Bereich der Entscheidungen und

    Handlungen von Personen auf den Bereich einer ganzen Gesellschaft bertragen? Bei dieser

    bertragung geht es dann gleichzeitig um Fragen nach moralischen Grundstzen. Es gbe viele

    Bereiche von gesellschaftlichen Institutionen oder sozialen Fakten, die im Hinblick auf diese

    Fragen und im Hinblick auf die sie betreffenden Konsequenzen durch den Determinismus

    untersucht werden knnten, im folgenden soll dafr exemplarisch das Thema der Strafe

    herangezogen werden.

    Eine jede Theorie der Strafe muss in diesem Kontext auf zwei grundlegende Faktoren hin

    untersucht werden: Erstens, was sagt die Theorie aus und zweitens, liefert sie gute Grnde oder

    Argumente fr die Strafe? Darber hinaus lsst sich dann fragen, ob und wie sich der

    Determinismus auf diese Theorie auswirken wrde. Diese letzte Frage fhrt, der vorliegenden

    44 Vgl. edb. S. 168. 45 Vgl. edb. S. 169. 46 Vgl. edb. 47 Vgl. edb.

  • 18

    Determinismustheorie zufolge, im Prinzip auf die Frage, ob die zur Diskussion stehende

    Strafetheorie in irgendeiner Weise Handlungen als erstausgelst auffasst. Falls dies der Fall ist

    kann man sich fragen, inwiefern auch hier die Reaktion der Bejahung Anklang finden kann.48

    Honderich argumentiert gegen jegliche Form von Einwilligungstheorie, da eine solche Theorie

    keine tatschlichen Argumente fr Bestrafung liefert. Die wissentliche Einwilligung eines

    Missetters in den Umstand, dass eine Handlung, die er begeht, etwas Bestimmtes als

    notwendige Konsequenz nach sich zieht, kann nicht als Argument fr eine Bestrafung herhalten,

    weil genau genommen diese notwendige Konsequenz lediglich den (wissentlichen) Verlust

    seiner Strafimmunitt darstellt.49 Ein wenig interessanter wird der Fall bei der Untersuchung

    sogenannter Vergeltungstheorien, doch auch hier finden sich hartnckige Probleme. Im Rahmen

    einer Vergeltungstheorie kann gesagt werden, dass das Verhngen einer Strafe deshalb richtig

    sei, weil die Strafe verdient sei.50 Es ist einfach zu sehen, dass dem Verdientsein hierbei kein

    echtes Argument zukommt. Fasst man das Verdientsein in dem Sinne auf, dass die Strafe

    angemessen sei, weil sie gleichwertig zur Schuld des Tters erscheint, erhlt man ebenfalls auf

    kein Argument fr die Strafe. Wie knnen Fakten ber Missetaten einen moralischen Grund

    dafr bieten, eine Strafe zu verhngen?51 Aussagen nach der Art, dass eine bestimmte Handlung

    aus sich selbst heraus einen normative Wert aufweist, knnen nicht als faktische Argumente fr

    oder gegen die Verhngung einer Strafe gelten. Sie fhren darber hinaus oftmals in zirkulre

    Argumente nach dem Schema es ist richtig, weil es richtig ist.52 Was der Vergeltungstheorie

    brig bleibt, kann der Gedanke der Genugtuung sein: Die Bestrafung eines Missetters wrde

    dem Opfer, den Angehrigen des Opfers oder vielleicht sogar der ganzen Gesellschaft

    Genugtuung verschaffen. Vom Gedanken der Genugtuung kann nun in gewisser Weise behauptet

    werden, dass er tatschlich ein Argument fr die Verhngung einer Strafe bietet.53 Es liegt die

    Handlung eines Missetters vor, die Anlass zu Groll gibt, wobei Groll als Wunsch anderer

    Personen angesehen werden kann, dem Missetter seinerseits Leid zuzufgen.54 Was diese

    Handlung selbst angeht, stellt sich, will man nun den Determinismus in Spiel bringen, die Frage,

    ob es dabei um eine selbststndige oder um eine darber hinaus auch erstausgelste Handlung

    48 Vgl. edb. S. 175. 49 Vgl. edb. S. 177. 50 Vgl. edb. S. 178. 51 Vgl. edb. S. 179. 52 Vgl. edb. S. 180. 53 Vgl. edb. S. 182. 54 Vgl. edb. S. 181, 182.

  • 19

    geht. Was wren, die Wahrheit des Determinismus angenommen, die Konsequenzen fr diese

    Art von Bestrafung und die sie rechtfertigende Theorie?55 Die Antwort auf diese Frage luft

    darauf hinaus, dass eine auf dieser Grundlage stehende Vergeltungstheorie nicht mglich wre.

    Denn sollte der Determinismus wahr sein, dann gilt fr die hier in Frage stehenden moralischen

    und persnlichen Wnsche das gleiche wie fr unsere persnlichen Gefhle und Zuschreibungen

    moralischer Verantwortung gegenber uns selbst und anderen, die ihrerzeit die Reaktionen der

    Bestrzung bzw. Unnachgiebigkeit hervorgerufen haben.56

    Alle diese Wnsche haben dem Vertrauen in Determinismus nichts entgegenzusetzen und knnen es nicht berdauern. Damit gelangen wir zu guter Letzt zu unserer ersten Schlussfolgerung im Hinblick auf das Thema Determinismus und Strafe. Falls der Determinismus zutrifft und falls [...] es eine Strafeinrichtung gibt, fr die nichts weiter spricht als der hier gemeinte Vergeltungscharakter, dann sollte die Einrichtung abgeschafft werden.57

    Honderich folgert weiter, dass, sollte der Determinismus wahr sein, sich ebenfalls fr die

    sogenannten Pakettheorien ergeben wrde, dass sie bzw. die sie rechtfertigenden Theorien

    teilweise abgeschafft oder verndert werden mssten. Dieser Umstand wrde sich auf eine ganze

    Reihe von Institutionen ausweiten und Teil der Reaktion der Bejahung sein.58

    Honderichs abschlieender Gedanke zum Thema Strafe ist die Vorstellung, dass Strafe dann

    richtig ist, wenn sie mit einem bestimmten moralischen Prinzip in Einklang steht, und zwar

    dem Prinzip der Gleichheit.59 Was damit genau gemeint ist, bleibt allerdings offen: Danach

    sollten wir tatschlich wirksame Manahmen ergreifen, um dafr zu sorgen, dass es denjenigen,

    denen es schlecht geht besser geht.60 Was hier ber die Strafe gesagt wurde, gilt nun in einem

    prinzipiellen Sinn auch fr viele andere gesellschaftliche Institutionen und Praktiken. Im Falle

    dessen, dass der Determinismus wahr ist, msste eine ganze Reihe an politischen,

    gesellschaftlichen und philosophischen Theorien modifiziert werden.61 Die Reaktionsweise der

    Bejahung wird hier zugleich eine politische Reaktion sein.62

    55 Vgl. edb. S. 182. 56 Vgl. edb. S. 182. 57 Ebd. S. 183. 58 Vgl. edb. S. 184. 59 Ebd. 60 Ebd. S. 184, 185. 61 Vgl. edb. S. 185. 62 Ebd.

  • 20

    Fazit

    Abschlieend mchte ich noch meine Sicht auf die hier behandelte Thematik darstellen.

    Aus meiner Sicht ist Honderichs Determinismus vor allem in methodologischer Hinsicht

    interessant. Lsst man einzelne Unklarheiten und Schwachpunkte in der Theoriebildung einmal

    auer Acht, kann man sich fragen, wie denn eine Alternative zum Determinismus aussehen

    wrde. Wie man gesehen hat, kann durchaus dafr argumentiert werden, dass Willensfreiheit,

    wie auch immer man diese auffassen will, auch im Indeterminismus keinesfalls gerettet wre.

    Honderich zeigt ebenfalls, dass sowohl Inkompatibilisten als auch Kompatibilisten dies nicht

    unbedingt vermgen. Nichtsdestotrotz offenbart Honderich auch mehr oder weniger groe

    Schwachpunkte in der Theoriebildung, vor allem das Thema Quantenmechanik macht er sich fr

    meinen Geschmack zu einfach. Wenn sein Determinismus wirklich eine empirische Theorie sein

    soll, dann muss ein gewissermaen bewiesener Indeterminismus, ernster genommen werden, als

    dass man ihn mit dem Hinweis auf ein Ebenen-Problem abweist. Auerdem muss man sich

    fragen, ob im Angesicht lokaler Indeterminiertheiten bei Quantenphnomenen, sich nicht

    Probleme prinzipieller oder begrifflicher Natur hinsichtlich der Vorstellung der Kausalitt

    ergeben. Was die Vorstellung des Determinismus als solchen angeht, ist auch die Transitivitt

    der kausalen Bedingungskomplexe etwas unklar geblieben. Inwiefern muss nicht die

    Gesamtheit des Universums in eine Kausalkette einbezogen werden? An einer Stelle spricht

    Honderich davon, dass fr eine Wirkung immer nur der letzte hinreichende ihr vorangegangen

    Bedingungskomplex wichtig sei, gleichzeitig ist aber jeder Bedingungskomplex per

    definitionem auch Wirkung eines weiteren Bedingungskomplexes und so weiter. Knnte man

    nicht fast sagen, dass es im Prinzip nur eine einzige Kausalkette gibt, in der sozusagen alles

    Existierende enthalten ist?

    Was die Freiheitsdebatte und die Konsequenzen oder Implikationen des Determinismus angeht,

    so kann man die Sache aus meiner Sicht unproblematisch angehen. Selbst wenn der

    Determinismus wahr ist, so entscheiden und handeln wir ja doch unseren Wnschen und

    Absichten entsprechend. Ob und wie unsere geistigen Dispositionen zu Stande kommen, ob nun

    determiniert oder erstausgelst, spielt fr deren Inhalt vielleicht gar keine Rolle.

  • 21

    Literatur

    Honderich, Ted: Compatibilism, Incompatibilism and the Smart Aleck, in: Philosphy and

    Phenomenological Research, Vol. 56, No. 4, December 1996, S. 855 862.

    Honderich, Ted: Wie frei sind wir? Das Determinismus-Problem. Stuttgart, 1995.


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