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Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im...

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Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit: Hohe soziale Reproduktion, starke Umverteilung, politische Polarisierung Lorenz Lassnigg 109 Reihe Soziologie Sociological Series
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Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit:

Hohe soziale Reproduktion, starke

Umverteilung, politische Polarisierung

Lorenz Lassnigg

109

Reihe Soziologie

Sociological Series

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Reihe Soziologie

Sociological Series

Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit:

Hohe soziale Reproduktion, starke

Umverteilung, politische Polarisierung

Lorenz Lassnigg

Dezember 2015

Institut für Höhere Studien (IHS), Wien

Institute for Advanced Studies, Vienna

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Contact: Lorenz Lassnigg : +43/1/599 91-214 email: [email protected]

Founded in 1963 by two prominent Austrians living in exile – the sociologist Paul F. Lazarsfeld and the

economist Oskar Morgenstern – with the financial support from the Ford Foundation, the Austrian

Federal Ministry of Education, and the City of Vienna, the Institute for Advanced Studies (IHS) is the

first institution for postgraduate education and research in economics and the social sciences in

Austria. The Sociological Series presents research done at the Department of Sociology and aims to

share “work in progress” in a timely way before formal publication. As usual, authors bear full

responsibility for the content of their contributions.

Das Institut für Höhere Studien (IHS) wurde im Jahr 1963 von zwei prominenten Exilösterreichern –

dem Soziologen Paul F. Lazarsfeld und dem Ökonomen Oskar Morgenstern – mit Hilfe der Ford-

Stiftung, des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht und der Stadt Wien gegründet und ist

somit die erste nachuniversitäre Lehr- und Forschungsstätte für die Sozial- und Wirtschafts-

wissenschaften in Österreich. Die Reihe Soziologie bietet Einblick in die Forschungsarbeit der

Abteilung für Soziologie und verfolgt das Ziel, abteilungsinterne Diskussionsbeiträge einer breiteren

fachinternen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die inhaltliche Verantwortung für die veröffentlichten

Beiträge liegt bei den Autoren und Autorinnen.

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Abstract

Special features of inequality in Austria are analysed in a comparative perspective focusing

on educational inequality (measured by OECD-PIAAC-competences) and its relationship to

economic inequality (measured by European indicators). First structural patterns of

educational inequality (‘elite’, ‘egalitarian’, ‘compensatory’) are identified, based on the

difference of the distribution of percentile-values in different countries to the PIAAC average.

Inequality in the population measured by competences is expected to reproduce the basic

structures of the education system (more selective ‘elite’-like, or more comprehensive

‘egalitarian’). Second, the patterns of economic inequality are compared to educational

inequality. The results differ from expectations: First, the ‘elite’ structure of the Austrian

education system does not reflect the pattern of inequality of competences (which shows

rather compensatory or egalitarian patterns in Austria); second the high level of educational

inequality (e.g., in terms of access) is related to a low level of economic inequality measured

by income and poverty indicators.

Zusammenfassung

Beziehungen zwischen der Bildungsungleichheit in Österreich (gemessen mittels OECD-

PIAAC-Kompetenzen) und der ökonomischen Ungleichheit (gemessen mittels EU-

Indikatoren) werden in einer vergleichenden Perspektive untersucht. Erstens werden Muster

von Bildungsungleichheit (‚elite‘, ‚egalitäre‘, ‚kompensatorische‘) aufgrund des Vergleichs der

Verteilungen der nationalen Perzentil-Werte mit den PIAAC-Durchschnitten identifiziert. Die

Hypothese ist, dass die Kompetenz-Ungleichheit die Grund-Strukturen der Bildungssysteme

(zwischen selektiv-elitär und egalitär) reproduziert. Zweitens werden die Muster der

ökonomischen Ungleichheit mit der Bildungsungleichheit verglichen. Die Ergebnisse

weichen von den Erwartungen ab. Erstens entspricht die Kompetenz-Ungleichheit nicht der

ausgeprägten ‚Elite‘-Struktur des Bildungswesens sondern zeigt eher egalitäre oder

kompensatorische Muster; zweitens steht der hohen Bildungsungleichheit (z.B. beim

Zugang) eine niedrige ökonomischen Ungleichheit gemessen an Einkommen und

Armutsrisiko gegenüber.

Keywords

inequality, education, PIAAC, Austria, comparative

Schlagwörter

Ungleichheit, Bildung-Erziehung, PIAAC, Österreich, Vergleich

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Bemerkungen

Erweiterte Fassung eines Beitrages für ‚Erziehung & Unterricht‘, Nov. 2013, nicht veröffentlicht,

überarbeitete Version, vgl. auch Lorenz Lassnigg, Stefan Vogtenhuber (2014) Das österreichische

Modell der Formation von Kompetenzen im Vergleich. Auswertungen für den PIAAC-

ExpertInnenbericht. IHS-Forschungsbericht. Wien. Internet: http://www.equi.at/dateien/IHS-PIAAC.pdf

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Contents

Einleitung.................................................................................................................................. 1

1. Elitenreproduktion und Leistungen ...................................................................................... 5

2. Hohes Gewicht der sozialen Reproduktion im Bildungswesen.......................................... 15

3. Ungleichheit im österreichischen Sozialmodell: vorhanden, aber vergleichsweise gering 16

4. Fazit .................................................................................................................................... 22

Literatur .................................................................................................................................. 26

ANHANG ................................................................................................................................ 30

Erster Selektionspunkt im OECD-Vergleich.................................................................... 31

Differenzen der Verteilungswerte der PIAAC-Länder vom internationalen Durchschnitt in

Lesen und Mathematik.................................................................................................... 32

Indexdarstellung der Abweichungen der Verteilungswerte der PIAAC-Länder vom

internationalen Durchschnitt ........................................................................................... 42

Analysen zur Typologisierung der Länder bezüglich der Verteilung der Kompetenzen in

Lesen und Mathematik lt. PIAAC .................................................................................... 45

Abb. 1: Reproduktion im Bildungswesen und Ausmaß an Ungleichheit zwei Dimensionen ................................ 4

Abb. 2: Profile typischer Abweichungen der Leistungsverteilung in einzelnen Ländern vom Durchschnittsprofil

der Leistungsverteilung aller Länder ......................................................................................................................... 7

Abb. 3: Zuordnung der Länder zu Kompetenzstrukturen in Lesen und Mathematik ........................................... 9

Abb. 4: Perzentilwerte bei Lese- und Mathematikkompetenzen in Österreich im Vergleich zum Durchschnitt und

zu den besten und schlechtesten Ländern .............................................................................................................. 10

Abb. 5: Verlauf der Abweichung vom Durchschnitt der Teilnehmerländer (Index 95%Perz. – Index 5%Perz.) ... 11

Abb. 6: Differenz der Leseleistungen der Länder nach Perzentilen zum Durchschnitt ...................................... 13

Abb. 7: Differenz der Mathematikleistungen der Länder nach Perzentilen zum Durchschnitt ........................... 14

Abb. 8: Entwicklung der Einkommensungleichheit in OECD und ausgewählten Ländern seit den 1970ern ..... 17

Abb. 9: Europäische Ungleichheitsindikatoren (disponibles Einkommen, Armutsrisiko und Komponenten,

Umverteilungswirkungen ........................................................................................................................................ 18

Abb. 10: Zusammenhänge zwischen Ungleichheitsindikatoren ..................................................................... 19

Abb. 11: Ungleichheit und relative Höhe der Vermögen (2008-2010) ............................................................ 20

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I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 1

Einleitung

Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, warum die bildungspolitische Diskussion und Entwicklung

des Schulwesens in Österreich sich so gestaltet wie sie sich gestaltet. Vordergründig wird in den

veröffentlichten Debatten eine hohes Problemniveau und politischer Stillstand konstatiert, die

Mediendiskussion ist ein treibender Faktor, der auch in hohem Maß auf ‚Skandalisierung‘ setzt. Ein

wesentlicher Punkt dieser Debatten besteht darin, dass eine Diskrepanz zwischen den ‚wirklichen

Problemen‘ in der Praxis und den ‚politisch aufgegriffenen Problemen‘ hervorgehoben wird, die sich

durch einen hohen Grad an Ideologisierung und Polarisierung auszeichnen. Wichtige mitschwingende

Probleme sind Governance-Fragen (Stichworte Länderinteressen und LehrerInnengewerkschaften).

Es wurde ein Volksbegehren lanciert und durchgeführt, das auf der ExpertInnenebene, und bis in die

Politik hinein, eine beträchtliche Unterstützung mobilisieren konnte, jedoch nur wenig Unterstützung

‚im Volk‘ erhalten hat. Dies kann daran gemessen werden, dass die Unterstützung von weniger als

400.000 unter Berücksichtigung der hohen Zahl an Wahlberechtigten allein im Bildungswesen (weit

über 100.000 LehrerInnen, 200.000 Studierende, Elternteile von 1,5 Millionen SchülerInnen) eine

Wahrnehmung des hohen erwarteten/behaupteten Problemniveaus in der Bevölkerung nicht

ausdrückt. Auch eine neuere Umfrage ergibt, dass die Bildungspolitik in der Bevölkerung als einer der

erfolgreicheren Politikbereiche der letzten Jahrzehnte gesehen wird.1 Manche zweifellos

hochgebildete Persönlichkeiten sehen in der Wahrnehmung der Problemlagen eine Diskrepanz

zwischen (ungenannten) verblendeten ExpertInnen und den PraktikerInnen, die eigentlich nur

ungestört auf ihre traditionellen Kompetenzen zurückgreifen müssten.2 Die Politik würde

demgegenüber an strukturellen Faktoren ‚herumdoktern‘, die nur ‚vom Wesentlichen‘ ablenken.

Dieser Beitrag versucht aus sozialwissenschaftlicher Perspektive die Fragerichtung umzudrehen: Es

geht nicht so sehr darum, zu erklären warum ‚nichts weitergeht‘, sondern warum die politischen

Auseinandersetzungen so sind wie sie sind, und zwar weitgehend unabhängig davon, ob ‚etwas

weitergeht‘ oder nicht. In den Auseinandersetzungen überschneiden sich (vereinfachend) die beiden

Dimensionen von sozialer Reproduktion/Gerechtigkeit einerseits und erreichten Leistungen

andererseits, wobei hier bestimmte Gewichtsverhältnisse vorliegen: Es geht in den

Auseinandersetzungen um die tieferliegende Dimension der Reproduktion/Gerechtigkeit, aber dies

wird projiziert auf die Dimension der Leistung (die im Wesentlichen als Projektionsfläche für die

tieferliegende Dimension dient). Die Beurteilung des Verhältnisses zwischen den beiden Dimensionen

ist zunächst eine Interpretation, die hier vorausgesetzt wird, aber durch nähere Analysen mit den

geeigneten Methoden sicherlich untermauert werden kann. Als unterstützendes Argument kann

jedenfalls angeführt werden, dass die Verbesserung der Leistungen ein sachliches Problem

verbesserter Methoden und der Bedingungen dafür darstellt, das allein die polarisierte ideologische

Auseinandersetzung nicht begründen kann. Es muss also noch etwas darüber hinaus geben, und die

sozialwissenschaftliche Analyse weist insgesamt in verschiedenen Spielarten sehr deutlich die Rolle

des Bildungswesens bei der sozialen Reproduktion auf, wobei die TrägerInnen der hohen

1 Der Standard, 21.10.2013, S.7 http://images.derstandard.at/2013/10/20/1381407800291-umfrage.jpg

2 Vgl. z.B. Liessmann, Konrad Paul, Die Irrtümer der Bildungspharisäer. Kommentar der anderen. Der Standard, 11.11.2011.

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Statuspositionen ein intrinsisches Interesse haben, ihre herausgehobenen Positionen an ihre

Nachkommen weiterzugeben – je geringer der Aufwand dafür, umso besser. Auf der Ebene der

Beobachtung der Leistungen gab es bis vor einigen Jahren keine objektivierten Hinweise zur

Beurteilung des erreichten Leistungsniveaus. Dies hat sich mit den vergleichenden internationalen

‚Large Scale Assessments (LSAs)‘,3 und neuerdings auch den Bildungsstandards

4 geändert, beides

fließt in die Bildungsberichterstattung ein.

Nachdem durch diese die SchülerInnenleistungen auf verschiedenen Ebenen untersucht wurden, gibt

es nun mit PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) für

Österreich5 erstmals auch eine Erhebung in der erwachsenen Bevölkerung. Bei allen Problemen mit

denen derartige Erhebungen verbunden sind, ergeben die Befunde zu den Leistungen sowohl

unmittelbar deskriptiv als auch in sophistizierten Analysen im Vergleich mit Gesamtschulstrukturen

keinerlei Unterstützung dafür, dass die differenzierten Bildungsstrukturen, die erwiesenermaßen mit

einer Beeinträchtigung der sozialen Gerechtigkeit durch erhöhte soziale Reproduktion einhergehen,

diesen Nachteil durch bessere Leistungen kompensieren können.6 Da die vorhandene so früh

differenzierte Struktur Österreichs mittlerweile beinahe bereits ein Unikum darstellt, besteht aber

offensichtlich bereits Begründungsbedarf für das Festhalten an dieser Struktur (ein berühmter

Bildungsökonom bringt dies in seinen Vorträgen so auf den Punkt: ‚Die Verteidiger des Abendlandes

übersehen, dass sich das Abendland bereits woanders befindet‘).7 Auch wenn einwandfreie Beweise

dafür fehlen, dass eine Gesamtschule zu besseren Leistungen führt – offensichtlich ist die

Schulstruktur keine hinreichende Bedingung, sondern es sind noch viele andere Faktoren wichtig – so

gibt es umgekehrt überhaupt keine Belege dafür, dass elitär differenzierte Strukturen zu besseren

Ergebnissen führen: es verknüpft sich in diesen Strukturen also die Beeinträchtigung der sozialen

Gerechtigkeit mit schlechteren Leistungen.8

3 ‚Progress in International Reading Literacy Study (PIRLS)‘ Voksschule; ‚Programme for International Student Assessment

(PISA)‘ Pflichtschule; ‚ Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS)‘ Mathematik und Naturwissenschaften. Diese Messungen sind durchaus mit sehr paradoxen Wendungen verbunden, die für die österreichische Diskussion durchaus instruktiv sind. So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um die Gesamtschulstruktur gegeben, wobei die konservativen GegnerInnen – auch noch unmittelbar vor PISA – die angeblich schlechten Leistungen als Kritikpunkt angeführt haben. Entsprechend sind die konservativen elitären Kräfte auch geneigt, den Leistungserhebungen ihre Legitimationsbasis zu entziehen. Vgl. Erkki Aho, Kari Pitkänen and Pasi Sahlberg (2006) Policy Development and Reform Principles of Basic and Secondary Education in Finland since 1968. Education Working Paper Series No.2. Washington, D.C.: The World Bank http://siteresources.worldbank.org/EDUCATION/Resources/278200-1099079877269/547664-1099079967208/Education_in_Finland_May06.pdf; Sahlberg, Pasi (2010) A model lesson: Finland shows us what equa opportunity looks like . American Educator, Spring, 20-40 http://www.aft.org/pdfs/americaneducator/spring2012/Sahlberg.pdf 4 Vgl. https://www.bifie.at/bildungsstandards

5 Vgl. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bildung_und_kultur/piaac/index.html

6 Hier wird nicht gewertet, ob die Idee einer solchen Kompensation überhaupt gerechtfertigt werden kann; der Autor sieht, wie

aus der weiteren Argumentation hervorgehen sollte, eine nachweisliche Beeinträchtigung der sozialen Gerechtigkeit durch die Bildungsstrukturen als inakzeptabel an, sieht aber in einer nachweislichen Kompensation solcher Defizite durch höhere Leistungen eine konsistente Position zur Unterstützung differenzierter Bildungsstrukturen. 7 Nach der PISA-Erhebung in 56 Ländern erfolgt die erste Teilung in allgemein leistungsabhängige Bildungsprogramme im

Durchschnitt im Alter von 14 Jahren, nur in Österreich und Deutschland mit 10 Jahren am frühesten, in weiteren 15 Ländern (27%, darunter 5 in Westeuropa, 4 ehemals sozialistische Transformationsländer, 4 in Mttel- oder Lateinamerika, sowie die Türkei und Macao-China) liegt diese Teilung unter 14 Jahren, in 36 Ländern (70%) liegt die Teilung bei 14 oder mehr Jahren , darunter in 17 Ländern (30%) bei 16 oder mehr Jahren, siehe ANH-Abb. 1. 8 Analyse von 54 Ländern aufgrund von TIMSS & TIMSS-repeat: “Thus, a difference in the age of first tracking of four years is

related to a difference in the FBE of an order of magnitude of roughly one quarter of the international mean of the whole FBE.” S.23 in Schuetz, G., Ursprung, H., Woessmann, L. (2005): Education Policy and Equality of Opportunity, CESifo Working Paper Nr. 1518, http://www.cesifo.de/DocCIDL/cesifo1_wp1518.pdf (FBE = Family Background Effect) Analyse von 8 Erhebungs-Paaren aufgrund von PIRLS 2001, PISA 1999, 03, TIMSS 1995, 1999, 2003): “This analysis provides preliminary results about the impact of early tracking on the level and distribution student performance. The results

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In sozialwissenschaftlicher Perspektive bestehen nun vordergründig in der österreichischen

Bildungspolitik mehrere erklärungswürdige Aspekte: Erstens, warum ist die Struktur trotz der

jahrzehntelangen Auseinandersetzungen so persistent? Zweitens, warum sind die

Auseinandersetzungen so polarisiert und aggressiv? Um diese Fragen zu behandeln, werden in

diesem Beitrag einige Phänomene verknüpft, die in den Auseinandersetzungen nur teilweise

wahrgenommen werden, in der Gesamtheit aber ein plausibles und erklärungskräftiges Bild ergeben.

Es geht dabei um eine Verknüpfung folgender Phänomene:

- Gewichtung der Aspekte der Elitenreproduktion vs. der Leistung auf der kulturell-diskursiven

Tiefenebene des Bildungswesens

- starke soziale Reproduktion durch die institutionelle Gestaltung, ergänzt durch wirksame Korrektive

für Aufstiegsmöglichkeiten durch Leistung

- geringes Maß an allgemeiner sozialer Ungleichheit aufgrund des österreichischen Wohlfahrtregimes

der 2.Republik.

Zu diesen Aspekten werden einige neue Ergebnisse aus Forschungsarbeiten genutzt, die aus der

Sicht des Autors wichtige Einsichten erbringen können. Erstens gibt es historisch angelegte

bildungsökonomische Analysen,9 die die langfristigen, und teilweise paradoxen Wirkungen der

religiösen Traditionen (katholisch vs. protestantisch) auf die Leistungen zeigen, und breitere

kulturhistorische Studien belegen das Gewicht der gegenaufklärerischen und autoritären Praktiken in

der Geschichte des Schulwesens.10

Zweitens gibt die bereits erwähnte neue PIAAC-Erhebung

erstmals für Österreich Informationen über die Verteilung der erfassten Kompetenzen unter der

erwachsenen Bevölkerung, und ermöglicht Aussagen über die Kompetenzlevels in den

verschiedenen Leistungsbereichen und somit auch über die (relative) Positionierung der Eliten im

internationalen Vergleich. Ein differenziertes, elitär angelegtes Bildungswesen müsste folgerichtig

eine besonders kompetente Elite hervorbringen, dies kann mit diesen Befunden ansatzweise geprüft

consistently indicate that early tracking increases inequality in achievement. Although the evidence on the level of performance is less certain, there is very little evidence that there are efficiency gains associated with this increased inequality. (…) These preliminary results suggest that countries lose in terms of the distribution of outcomes, and possibly also in levels of outcomes, by pursuing such policies.” S.13-14 in Hanushek, Eric A.., Woessman, Ludger (2005): Does Educational Tracking Affect Performance and Inequality? Differences-in-Differences Evidence across Countries, Working Paper 11124, NATIONAL BUREAU OF ECONOMIC RESEARCH (February). Cambridge, MA http://www.nber.org/papers/w11124; auch erschienen in: Economic Journal 116 (510), 2006, C63-C76 9 Becker, Sascha O., Woessmann, Ludger (2008) Luther and the Girls: Religious Denomination and the Female Education Gap

in 19th Century Prussia. CESIFO WORKING PAPER NO. 2414 (October) http://papers.ssrn.com/sol3/Delivery.cfm/SSRN_ID1281378_code459177.pdf?abstractid=1281378&mirid=3 West, Martin R., Woessmann, Ludger (2008) “Every Catholic Child in a Catholic School”: Historical Resistance to State Schooling, Contemporary Private Competition, and Student Achievement across Countries. CESIFO WORKING PAPER NO. 2332 (June) http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/DocBase_Content/WP/WP-CESifo_Working_Papers/wp-cesifo-2008/wp-cesifo-2008-06/cesifo1_wp2332.pdf; Becker, Sascha O., Woessmann, Ludger (2010) The Effect of Protestantism on Education before the Industrialization: Evidence from 1816 Prussia. CESIFO WORKING PAPER NO. 2910 (January) http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/DocBase_Content/WP/WP-CESifo_Working_Papers/wp-cesifo-2010/wp-cesifo-2010-01/cesifo1_wp2910.pdf 10

Vgl. z.B. Melton, James V.H. (1988) Absolutism and the Eighteenth- Century Origins of Compulsory Schooling in Prussia and Austria, Cambridge: Cambridge Univ.Press.

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4 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

werden.11

Wesentliche Fortschritte gibt es – verstärkt im Anschluss an die Finanz- und

Wirtschaftskrise – in der vergleichenden Beschreibung und Analyse von Ungleichheiten der Verteilung

des (wirtschaftlichen) Reichtums.12

Dies ist nur ein Aspekt der gesellschaftlichen Ungleichheit, aber in

der intensiveren soziologischen Erfassung ist es viel schwerer, die vergleichenden Positionierungen

im Hinblick auf unterschiedliche Ausmaße von Ungleichheit zu finden.13

Diese Analysen zum Ausmaß

von Ungleichheit sind ein zentrales Gegenstück zu den verfügbaren Analysen über das Ausmaß der

sozialen Reproduktion durch das Bildungswesen, da dies nicht notwendigerweise homolog ist. D.h.

es ist ein (implizit aber oft getroffener) Trugschluss, dass ein hohes Maß an sozialer Reproduktion

durch das Bildungswesen automatisch mit einem hohen Maß an Ungleichheit einhergeht.14

Abb. 1

demonstriert diese möglichen Fälle in stilisierter Form.

Abb. 1: Reproduktion im Bildungswesen und Ausmaß an Ungleichheit zwei Dimensionen

Soziale Ungleichheit in der Gesellschaft

hoch niedrig

Soziale Reproduktion im

Bildungswesen

hoch Hohe Reproduktion in hohe Ungleichheit

IMPLIZITE ERWARTUNG IN ÖSTERREICH

Hohe Reproduktion in niedrige Ungleichheit

TATSÄCHLICHE SITUATION IN ÖSTERREICH

niedrig

Niedrige Reproduktion in (mehr oder weniger) hohe Ungleichheit

(Implizite) politische Zielsetzung von CHANCENGLEICHHEIT

Niedrige Reproduktion in niedrige Ungleichheit

(Durch Bildungspolitik nicht erreichbar)

Quelle: Eigene Darstellung

Das Argument, das im Folgenden entfaltet wird, lautet kurz gefasst folgendermaßen: (1) Das

österreichische Bildungswesen trägt die Tradition der Gegenreformation und später des politischen

11

Man könnte gegen dieses Argument zwar einwenden, dass die Kompetenzen der Eliten nicht an den Grundkompetenzen gemessen werden können, wenn man jedoch von einer kumulativen Wirkung von Kompetenzen ausgeht, so ist dieser Einwand nicht gerechtfertigt. 12

EC-DG for Employment, Social Affairs and Inclusion (2012) Employment and Social Developments in Europe 2011. Luxembourg: Publications Office of the European Union; vgl. auch Förster, Michael F. / Martin, John P.(2012) Balancing Economic Efficiency and Social Equity. Japan Economic Foundation, Economy, Culture and History Bimonthly Japan Spotlight (November/December), 14-17 http://www.oecd.org/els/soc/JEF2012BalancingEconomicEfficiencyAndSocialEquity.pdf; Bonesmo Fredriksen, K. (2012), “Income Inequality in the European Union”, OECD Economics Department Working Papers, No. 952, OECD Publishing. http://dx.doi.org/10.1787/5k9bdt47q5zt-en; Atkinson, Anthony B. (2011). Prosperity and Fairness. In EC-ECFIN European Commission, Directorate-General for Economic and Financial Affairs (Hrsg.), Annual Research Conference 2011 ‘New growth models for Europe‘(November). http://ec.europa.eu/economy_finance/events/2011/2011-11-21-annual-research-conference_en/pdf/session02_atkinson_paper_en.pdf; sowie http://ec.europa.eu/economy_finance/events/2011/2011-11-21-annual-research-conference_en/pdf/session02_atkinson_en.pdf; EC-ECFIN European Commission, Directorate-General for Economic and Financial Affairs (2011). Annual Research Conference 2011 - New growth models for Europe. http://ec.europa.eu/economy_finance/events/2011/2011-11-21-annual-research-conference_en/; OECD (2008). Growing Unequal? INCOME DISTRIBUTION AND POVERTY IN OECD COUNTRIES. Paris: OECD; OECD (2011) Divided We Stand. Why Inequality Keeps Rising. Paris: OECD. 13

Vgl. dazu die internationalen Vergleichsstudien zum Hochschulzugang, die zwar strukturelle Aspekte innerhalb der Länder herausarbeiten, aber einen direkten Vergleich der Ungleichheit nicht hergeben; vgl. Shavit, Yossi, Arum, Richard, Gamoran, Adam (eds.) (2007): Stratification in higher education. A comparative study, Stanford. 14

Eine nähere Analyse der Institutionalisierungen im Bereich des Hochschulzuganges ergibt beispielsweise in den Nordischen Ländern trotz des niedrigeren Niveaus an Ungleichheit ganz gleichlautende Diskurse wie in anderen Ländern mit viel höherem Niveau, da in rein nationaler Betrachtung nur die Zeitdimension als Vergleichsmaßstab dient, und die soziale Reproduktion durch das Bildungswesen nie auf Null reduziert werden kann; vgl. Lassnigg, Lorenz; Unger, Martin; Vogtenhuber, Stefan; Erkinger, Margot (2007), Soziale Aspekte des Hochschulzugangs und Durchlässigkeit des Bildungssystems, in: Badelt, Christoph; Wegschaider, Wolfhard; Wulz, Heribert (Hrsg.), Hochschulzugang in Österreich, Grazer Universitätsverlag - Leykam, Graz, S. 361-477. http://www.equi.at/dateien/IHS-Hochschulzugang.pdf

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I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 5

Katholizismus, in der die Leistungen gegenüber der Unterwerfung unter Autorität und Glauben

nachrangig waren; die ReformerInnen haben immer die Leistungen gegenüber dieser Tradition in den

Vordergrund gerückt, konnten sich aber nur teilweise durchsetzen. (2) Das Resultat der

Auseinandersetzungen ist eine immer weiter ausgeprägte Struktur, in der sich in der Differenzierung

nebeneinander (sozial möglichst wenig überlappende) Bereiche für die Elitenreproduktion (AHS,

Universitäten) und für realistische aber stark selektive Aufstiegsmöglichkeiten

(Leistungsdifferenzierung der Hauptschule, BHS, Universitäten-Fachhochschulen) herausgebildet

haben, umgeben von einem dritten Bereich nicht in diese höheren sozialen Ambitionen einbezogener

Bildungsgänge (Pflichtschule, Lehrlingsausbildung); der letztere Bereich kommt in letzter Zeit in

Bewegung, um ebenfalls selektive Aufstiegsmöglichkeiten zu errichten. (3) Dieses selektive

hierarchisierte Bildungsmodell ist aber – und dieses Phänomen wird bisher nicht berücksichtigt – nicht

in eine entsprechend hierarchisierte ungleiche Gesellschaft eingebettet, sondern in der 2.Republik ist

aufgrund des korporatistischen ‚Small-State‘-Wohlfahrtmodells und der entscheidenden Rolle der

SozialpartnerInnen eine vergleichsweise egalitäre Gesellschaft mit ‚elitären Einsprengseln‘ (v.a. Teile

der Beamtenschaft, privilegierte Position der akademischen Professionen) entstanden, die hinsichtlich

der verfügbaren Verteilungs-Indikatoren und der staatlichen Umverteilungswirkungen im Wesentlichen

auf dem Niveau der Nordischen Staaten liegt. (4) Dem vergleichsweise hohen Grad an sozialer

Reproduktion im Bildungswesen entspricht also nicht eine entsprechend hochgradig ungleiche

Gesellschaft, sondern die Reproduktion findet in eine Gesellschaft mit vergleichsweise geringer

Ungleichheit statt; diese Diskrepanz kann die polarisierte Auseinandersetzung um das Bildungswesen

erklären, indem die Eliten, wenn ihre Position schon vergleichsweise wenig hervorgehoben ist, ihre

gebliebenen Vorteile umso stärker verteidigen wollen. Dies kann möglicherweise auch die schwache

argumentative Kraft, und die zunehmend auftretenden Bruchlinien im konservativen Lager erklären,

die entlang der Leistungsachse auftreten.

Der Beitrag versucht nun diese Argumente durch empirisches Material, vor allem in Form von

Sekundäranalysen der erwähnten neuen international und Europäisch vergleichenden Daten und

Indikatoren zu belegen. (1) PIAAC und die Kompetenzen der ‚Eliten‘, (2) Reproduktion und

Aufstiegsmöglichkeiten, (3) vergleichende Einkommens- und Verteilungsindikatoren.

1. Elitenreproduktion und Leistungen

Es gibt – v.a. im liberalen anglophilen Raum – seit Jahrzehnten, und mit Verspätung auch im

deutschsprachigen Raum eine breite sozialwissenschaftliche Literatur, die eine lose Beziehung

zwischen den im Bildungswesen erzielten Leistungen und den erreichten Positionen ausweist.

Samuel Bowles und Herbert Gintis haben dies mit der Frage ‚Wenn du so schlau bist, warum bist du

dann nicht reich?‘ auf den Punkt gebracht.15

Die Beziehung ist vorhanden, aber sie ist lose, und es ist

gut bewiesen, dass die höchsten sozialen Strata über viele Kanäle für ihren Nachwuchs auch die

15

Bowles, Samuel Gintis, Herbert (1978) Pädagogik und die Widersprüche der Ökonomie. Das Beispiel USA. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

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6 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

höchsten Bildungsabschlüsse sichern können, und dass sie auch dafür kämpfen, dass dies trotz aller

Veränderungen in den Bildungssystemen so bleibt.

Für den deutschsprachigen Raum waren die historischen Untersuchungen von Müller et. al. in

Anschluss an die Ideen von Pierre Bourdieu bahnbrechend.16

Hier wurde anschaulich gezeigt, dass

bestimmte Menschbilder für die Führungsschichten, und die institutionellen Vorkehrungen ihrer Re-

Produktion gegenüber den Leistungen bereits historisch immer wichtiger waren. James Melton‘s

(1988) ausführlicher historischer Vergleich der österreichischen mit der preußischen Kultur arbeitet

sehr deutlich den Unterschied zwischen dem musischen einerseits und dem sprachlich-intellektuellen

Schwerpunkt andererseits heraus, der bis heute im Kulturleben deutlich spürbar ist, und er zeigt, wie

in den Anfängen der Massenschule das Musische genutzt wurde um den Geist zu beschränken, und

wie der Geist historisch in die Subversion gedrängt wurde (in jüngerer Zeit wurde er dann in die

Emigration vertrieben und nicht zurückgerufen).

In Österreich zeigen die Auseinandersetzungen um die Schul- und Bildungsreform dass immer die

Reformkräfte, zuerst die (historisch gesehen kurzlebigen und vom antisemitischen Bündnis Luegers

verdrängten) Liberalen, und später vor allem die Sozialdemokraten die Leistungsdimension als

wesentliche Argumentationslinie vorgebracht haben, und dass sie letztlich immer verloren haben.

Zuletzt zeigt sich dies an den Auseinandersetzungen um PISA, aber auch die anderen LSAs, und vor

allem daran, dass trotz der verbreiteten Mantras um die ‚durchschnittlichen Leistungen im teuren

System‘ bisher keine Verbesserungen der Leistungswerte erzielt werden konnten.17

Im Meinungsbild

der Bevölkerung zum Schulwesen kommt die angesprochene Grundtendenz darin zum Ausdruck,

dass die AHS Langform von 31% voll und ganz befürwortet wird (Ablehnung der Langform 27%),

dass aber nur 19% der Befragten es voll und ganz für gut befinden, „wenn Kinder von klein auf an

Leistung gewöhnt werden“ (Ablehnung der frühen Gewöhnung an Leistung 42%).18

Die rezenten Ergebnisse der PIAAC-Erhebung geben ein sehr instruktives Bild über die Verteilung der

Kompetenzen von Erwachsenen in Österreich, das die Differenz zwischen der elitären Struktur des

Bildungswesens und den durch diese Struktur produzierten Leistungsstrukturen in der Bevölkerung

offen legt. Die Ergebnisse in Lesen und Mathematik können für die verschiedenen Leistungsniveaus

durch die Perzentilwerte ausgedrückt werden, die aussagen, wie sich die beteiligten PIAAC-Länder

im Spektrum von niedrigen zu hohen Leistungen vom Durchschnitt der beteiligten Länder

unterscheiden. Man kann also darstellen, wie die gemessenen Leistungswerte vergleichbarer Anteile

der Bevölkerung (Perzentile: von den besten 5% zu den schlechtesten 5% der Leistungen) verlaufen.

Die Abb. 4 zeigt, dass die Werte vom 5%-Perzentil zum 95%-Perzentil im Durchschnitt um 152

Punkte im Lesen und um 168 Punkte in Mathematik ansteigen, die Spanne zwischen dem Land mit

dem niedrigsten (Italien) und dem Land mit dem höchsten Wert höchsten Wert (Finnland) im 95%-

16

Müller, Detlef K., Ringer, Fritz, Simon, Brian (1987) The Rise of the Modern Educational System: Structural Change and Social Reproduction 1870-1920. Cambridge: Cambridge Univ.Press. 17

„Soweit die Analysen einen Rückschluss auf Entwicklungen erlauben, deutet vieles auf Stagnation: Es lassen sich so gut wie keine Bereiche ausmachen, in denen seit der ersten PISA-Testung im Jahre 2000 eine Veränderung zum Positiven stattgefunden hätte“ S.569 in Eder, Ferdinand (2012) Executive Summary, in Ders. (Hg.) PISA 2009. Nationale Zusatzanalysen für Österreich. Münster: Waxmann, S.563-571. 18

Der Standard, 4.11.2013, http://images.derstandard.at/t/12/2013/11/03/1381464637177-Familie.jpg

Page 15: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 7

Perzentil liegt bei 43 Punkten im Lesen und bei 37 Punkten in Mathematik (dieser Abstand ist beim

5%-Perzentil etwas größer, 62 Punkte im Lesen und 64 Punkte in Mathematik). Man kann nun auf

einfache Weise das Profil dieser Verteilungen zum Durchschnitt vergleichen, indem man Kennzahlen

für die Abweichung der Perzentilwerte der einzelnen PIAAC-Länder vom Durchschnitt der

PIAAC_Länder berechnet. Man kann als Kennzahl den Index oder die einfachen Differenzen

berechnen (die Differenzen eignen sich für diesen Vergleich besser, da der Index durch die Größe der

Zahl im Nenner verzerrt wird, die im Falle der Perzentilwerte systematisch variiert). Es wurden beide

Berechnungen angestellt, die auch systematische Unterschiede und eine unterschiedliche

Einordnung Österreichs ergeben (siehe die Index-Darstellungen im Anhang: ANH-Abb. 10 und ANH-

Abb. 11).

Abb. 2: Profile typischer Abweichungen der Leistungsverteilung in einzelnen Ländern vom

Durchschnittsprofil der Leistungsverteilung aller Länder

a) egalitär b) elitär c) kompensatorisch

Quelle: eigene Darstellung

Der Vergleich der Verteilung der Kompetenzen in den Ländern mit dem Durchschnitt über die Länder

ergibt mögliche unterschiedliche Profile, die auch im Hinblick auf Ungleichheits-Muster interpretiert

werden können:

- wenn die Werte in den unterschiedlichen Leistungsbereichen parallel zum Durchschnitt über alle

Länder verlaufen, so kann dieses Muster kann als (relativ) egalitär bezeichnet werden (keiner der

Leistungsbereiche enthält Hinweise auf besondere Vor- oder Nachteile im internationalen Vergleich);

- wenn die Werte eines Landes im Vergleich zum Durchschnitt über die Länder ansteigend verlaufen

(die höheren Leistungsbereiche haben bessere Werte im Vergleich zum Durchschnitt als die

niedrigeren Werte), so kann dieses Muster als elitär bezeichnet werden (das System produziert

überproportionale Leistungsvorteile bei den Gruppen, die hohe Leistungen erbringen);

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8 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

- wenn das Profil gegenläufig (degressiv) ist, also die niedrigen Werte im Vergleich zum Durchschnitt

relativ besser als die höheren Werte sind, so kann dieses Muster als kompensatorisch bezeichnet

werden (im Vergleich zum hohen Leistungsbereich haben die Gruppen mit relativ niedrigen

Leistungen möglicherweise Vorteile durch besonders ausgeprägte Förderung).

Diese unterschiedlichen möglichen Profile werden in Abb. 2 unter Verwendung der stilisierten

Verteilung der Perzentilwerte im Lesen (vgl. Abb. 4) veranschaulicht. Abb. 5 zeigt die Differenz

zwischen dem 95%-Perzentil-Index und dem 5%-Perzentil-Index in Prozentpunkten als Maß für den

Verlauf der Profile. Werte nahe Null deuten ein paralleles Profil an, positive Werte ein steigendes

(elitäres) Profil und negative Werte ein degressives (kompensatorisches) Profil; Österreich befindet

sich im letzteren Bereich.

Die Abb. 6 und Abb. 7 zeigen über die gesamte Verteilung die Differenzen der Perzentilwerte der

einzelnen Länder zum Durchschnittsprofil. Betrachtet man das Profil der Differenzen der

Perzentilwerte zum internationalen Durchschnitt für Österreich, so liegt dieses in Mathematik

günstiger als im Lesen, zeigt aber in beiden Kompetenzbereichen kein Muster, das dem elitären

Modell entsprechen würde. Im Lesen sind die Kompetenzwerte im 5%-Perzentil relativ besser als im

95%-Perzentil. In Mathematik liegen alle Perzentilwerte über dem Durchschnitt und die Differenzen

verlaufen egalitär. Dieses Muster widerspricht radikal der Erwartung, die man bei einem elitär

ausgerichteten Bildungswesen – im Vergleich zur Mehrzahl der anderen Länder, die in ihrer Struktur

bereits stärker egalitär ausgerichtet sind – erwarten würde.

In der Gesamtheit der Länder kann man auch tatsächlich unterschiedliche Muster identifizieren, die

den Erwartungen aufgrund der Bildungsstrukturen bis zu einem gewissen Grad entsprechen (Abb. 3):

- die liberalen Länder mit Ausnahme Irlands (egalitär in beiden Bereichen) werden dem elitären Typ

zugeordnet (gemessen an der Steigung der Trendlinie Australien, Kanada und USA stärker als U.K),

von den Ländern des kontinental-korporatistischen Typs fällt nur Frankreich in dieses Muster;

- alle Nordischen Länder werden in zumindest einem Bereich dem egalitären Muster zugeordnet

(Dänemark ist egalitär in beiden Bereichen), die anderen Länder fallen in einem Bereich in das elitäre

Muster (Schweden und Finnland in Mathematik, Norwegen im Lesen);

- die Länder des kontinental-korporatistischen Typs fallen entgegen den Erwartungen aufgrund ihres

früh differenzierten Bildungswesens mehrheitlich nicht in den elitären Typ, tendenziell ist das bei

Deutschland (Mathematik) und Niederlande (tendenziell Lesen), jeweils kombiniert mit dem egalitären

Muster, der Fall, Belgien (Flandern) fällt in das egalitäre Muster, und Österreich in eine Kombination

aus kompensatorisch (Lesen) und egalitär (Mathematik);

- Japan und Korea folgen sehr ausgeprägt dem kompensatorischen Muster

- die übrigen mediterranen und postsozialistischen Länder teilen sich auf unterschiedliche, eher nicht-

elitäre Muster auf: Tschechische Republik, Estland und Zypern sind kompensatorisch strukturiert, die

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I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 9

Slowakische Republik und Italien kombinieren das kompensatorische und das egalitäre Muster, Polen

ist egalitär und tendenziell elitär zugeordnet, und nur Spanien zeigt ein widersprüchliches Muster

(elitär im Lesen, kompensatorisch in Mathematik).

Abb. 3: Zuordnung der Länder zu Kompetenzstrukturen in Lesen und Mathematik

Mathematik

Elitär Egalitär Kompensatorisch

Lesen

Elitär Australien, Kanada, USA, U.K. Frankreich

Schweden, Finnland

Spanien

Polen Niederlande

Egalitär Deutschland, Norwegen

Irland, Belgien (Fl.),

Dänemark

Italien

Kompensatorisch

Österreich,

Slowakische Rep.

Estland, Zypern, Tschechische Rep.

Japan, Korea

Geordnet nach Stärke der kombinierten Steigung der linearen Trendlinie (je weiter außen angesiedelt, umso ausgeprägter die Zuordnung), zwischen strichlierten Linien grenzwertiger Zwischenstatus Quelle: eigene Darstellung aufgrund Abb. 6 und Abb. 7.

Diese Analyse unterstreicht erstens, dass Gesamtschulsysteme zu sehr unterschiedlichen Mustern

der Kompetenzverteilung führen, und dass diese eher zum elitären Muster tendieren als die

differenzierten Systeme. Zweitens haben die differenzierten Systeme des kontinentalen Typs nach

den Kompetenzstrukturen zu folgern, außer Frankreich, eine beträchtliche kompensatorische oder

egalitäre Komponente; die tendenziell elitäre Struktur des Bildungswesens spiegelt sich nicht in einer

elitären Kompetenzverteilung. Drittens haben Länder mit einer elitären Kompetenzverteilung

tendenziell in Mathematik schlechtere Werte als die Länder in den beiden übrigen Mustern – dieses

Muster scheint also entgegen vielfachen Erwartungen nicht insgesamt leistungssteigernd zu wirken.

Für Österreich widerspricht dieses Muster widerspricht radikal der Erwartung, die man bei einem elitär

ausgerichteten Bildungswesen – im Vergleich zur Mehrzahl der anderen Länder, die in ihrer Struktur

bereits mehr egalitär ausgerichtet sind – erwarten würde (vgl. stilisiert ANH-Abb. 1).

Page 18: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

10 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

Abb. 4: Perzentilwerte bei Lese- und Mathematikkompetenzen in Österreich im Vergleich zum

Durchschnitt und zu den besten und schlechtesten Ländern

(a) Leseleistungen

(b) Mathematikleistungen

Quelle: Statistik Austria, PIAAC, eigene Berechnung und Darstellung

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Finnland 200 258 288 322 362

Japan 226 272 296 324 355

OECD 190 244 273 305 342

Deutschland 186 239 270 304 341

Österreich 194 242 269 300 336

TschechischeR. 203 249 274 302 336

Spanien 164 222 252 286 325

Italien 173 222 250 282 319

150

200

250

300

350

400

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Finnland 194 251 282 317 361

Japan 213 261 288 318 355

OECD 178 238 269 304 346

Deutschland 179 238 272 309 351

Österreich 190 246 275 309 349

TschechischeR. 201 248 276 305 343

Spanien 149 216 246 281 322

Italien 161 215 247 282 324

150

200

250

300

350

400

Page 19: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 11

Abb. 5: Verlauf der Abweichung vom Durchschnitt der Teilnehmerländer (Index 95%Perz. –

Index 5%Perz.)

(a) Lesen

(b) Mathematik

Erläuterung: Die Differenzen der Abweichung der beiden Extremperzentile vom jeweiligen Durchschnitt der PIAAC Teilnehmerländer zeigen die Spanne der relativen Leistungsungleichheit in den einzelnen Ländern: eine positive Differenz zeigt, dass der Index im oberen Leistungsbereich um die angegebenen Prozentpunkte höher ist als der Index im unteren Leistungsbereich (am stärksten Spanien im Lesen 10 Prozentpunkte und USA in Mathematik 15 Prozentpunkte), eine negative Differenz zeigt, dass die unteren Werte im Vergleich zum Durchschnitt relativ besser sind als die oberen Werte (in beiden Bereichen ist das in Japan mit 15 Prozentpunkten ausgeprägt der Fall), auch in Österreich deutet sich in beiden Bereichen ein derart degressives Muster an (ca. -5 Prozentpunkte). Quelle: Statistik Austria, PIAAC, eigene Berechnung und Darstellung

Das Fazit aus diesen Betrachtungen ist, dass sich – wie bereits oft in den LSAs – die österreichischen

Werte radikal von einem zu erwartenden Bild unterscheiden, das aus den Argumentationsfiguren der

VerteidigerInnen der gegebenen elitären Bildungsstrukturen abzuleiten wäre. Wenn man die

extremsten Argumentationen heranzieht, denen zufolge diese Ergebnisse Resultat der

jahrzehntelangen kontraproduktiven Reformbemühungen wären, die das erfolgreiche elitäre System

bereits zerstört hätten, so können diese wohl kaum die im internationalen Vergleich besseren

Ergebnisse im unteren Leistungsbereich erklären – diese SchülerInnen müssten wohl am meisten

unter den kontraproduktiven Praktiken leiden; daher müsste die Kurve im Vergleich viel tiefer liegen,

-20%

-15%

-10%

-5%

0%

5%

10%

Span

ien

Fran

krei

ch

USA

Kan

ada

Sch

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en

Po

len

Irla

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erre

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Estl

and

Ko

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Zyp

ern

Tsch

ech

isch

eR.

Slo

wak

isch

eR.

Jap

an

Lesen Differenz zwischen Index Abweichung von OECD (Index 95%Perz-5%Perz)

-20%-15%-10%

-5%0%5%

10%15%

USA

Fran

krei

ch

Span

ien

Au

stra

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Irla

nd

Kan

ada

UK

(En

gl.N

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Ital

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Fin

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Ko

rea

Öst

erre

ich

Zyp

ern

Slo

wak

isch

eR.

Estl

and

Tsch

ech

isch

eR.

Jap

an

Mathematik Differenz zwischen Index Abweichung von OECD (Index 95%Perz-5%Perz)

Page 20: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

12 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

wenn diese ultra-konservative Argumentation zutreffen würde. Auch das Argument einer Umverteilung

der Anstrengungen vom oberen zum unteren Leistungsbereich ist nicht plausibel, wenn man die nach

wie vor elitäre Auswahl in den AHS-Oberstufen und die hohen Kosten des Unterrichts berücksichtigt;

angesichts des bewiesenermaßen nicht notwendigen Trade-offs zwischen Effizienz und Gerechtigkeit

wäre es unerklärlich, dass von den gleichen Praktiken die SchülerInnen des unteren

Leistungsbereichs profitieren, während die viel leichter zu unterrichtenden SchülerInnen des oberen

Leistungsbereiches Schaden erleiden würden.

Ein konsistente und plausible Erklärung dieses Musters kann aber – auch unter Berücksichtigung der

skizzierten historischen Pfadabhängigkeit – darin gesehen werden, dass im vorherrschenden System

der sozialen Elitenreproduktion die Leistungsachse eben vor allem im Bereich der AufsteigerInnen

relevant ist, während in den hohen sozialen Strata andere Formen des kulturellen Kapitals stärker

wiegen als die Leistungen.19

Dies findet dann auch – sozusagen als argumentatives ‚Sahnehäubchen‘

– einen konsistenten Abschluss darin, dass einerseits gerade die österreichische konservative

Pädagogik (unterstützt von medienwirksamer philosophischer Kraft) ihre Ressourcen dazu nützt, die

LSAs argumentativ zu destruieren,20

und dass andererseits der Unternehmenssektor, der faktisch

vom den Leistungen und dem Leistungsvermögen der Bevölkerung abhängig ist, seit einiger Zeit von

der Verteidigung der elitären Strukturen (vielleicht nicht so sehr geradlinig, aber doch) abrückt. Die

letztlich geringe Relevanz der Leistungsachse kann überdies daran abgelesen werden, dass für die

erwiesenen leistungshemmenden Governance-Probleme (politisierter Verteilungsföderalismus und

taylorisierte unprofessionelle Arbeitsbeziehungen) bereits seit mehr als einem Jahrzehnt keine

ernsthaften Lösungsansätze absehbar sind;21

die Anstrengungen zur Verbesserung der Leistungen

müssen daher in einem unangemessenen Rahmen stattfinden, was an den unzureichenden

Ergebnissen abgelesen werden kann – alle AkteurInnen können in dieser Struktur die jeweils anderen

nach der Methode ‚Haltet den Dieb/die Diebin‘ für die vorhandenen Probleme verantwortlich machen,

die einen sehen die Ursachen in den dauernden Reformen, die anderen im Reformstau.

19

Hans Pechar (2010) argumentiert in ähnlicher Richtung und verfolgt in diesem Zusammenhang den Ansatz der ‚sponsored mobility‘ von Ralph Turner aus den 1950ern und 1960ern. Pechar, Hans (2010) Die ständische Versäulung des österreichischen Bildungssystems. In: Josef Broukal, Erwin Niederwieser (Hg.) Bildung in der Krise. Warum wir uns Nichtstun nicht leisten können. Wien: Kremayr & Scheriau, 27-38. 20

Vgl. Hopmann, Stefan Thomas, Brinek, Gertrude, Retzl, Martin, Hg. (2007) PISA zufolge PISA – PISA According to PISA. Wien: LIT. 21

Vgl. dazu Lassnigg, Lorenz et al. (2007) Ökonomische Bewertung der Struktur und Effizienz des österreichischen Bildungswesens und seiner Verwaltung . IHS Forschungsbericht.‚Wien. http://www.equi.at/dateien/ihs_oekbew.pdf

Page 21: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 13

Abb. 6: Differenz der Leseleistungen der Länder nach Perzentilen zum Durchschnitt

Quelle: Statistik Austria, PIAAC, eigene Berechnung und Darstellung

36

28

23

19

13

10

1415

17

20

4

-2-4

-5-6

-16

-12-11

-8 -8

-26

-22-21

-19-17-17

-22-23 -23 -23

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Japan

Finnland

Niederlande

Australien

Schweden

Norwegen

Estland

Kanada

Belgien(Fl)

TschechischeR.

Korea

SlowakischeR.

UK(Engl.N.irl.)

Dänemark

USA

Deutschland

Österreich

Zypern

Polen

Irland

Frankreich

Spanien

Italien

OECD

JP

EE

CZ

KOR

SK

AT

CY

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-30

-20

-10

0

10

20

30

40

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Japan

Estland

TschechischeR.

Korea

SlowakischeR.

Österreich

Zypern

Italien

OECD

*NL

NOR

Fl.(BE)

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*PL

**IT

-30

-20

-10

0

10

20

30

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Niederlande

Norwegen

Belgien(Fl)

Dänemark

Deutschland

Irland

Polen

Italien

OECD

FIN

*NL

AUS

SE

CND

UK

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FR

ES

-30

-20

-10

0

10

20

30

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Finnland

Niederlande

Australien

Schweden

Kanada

UK(Engl.N.irl.)

USA

Polen

Frankreich

Spanien

OECD

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14 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

Abb. 7: Differenz der Mathematikleistungen der Länder nach Perzentilen zum Durchschnitt

Quelle: Statistik Austria, PIAAC, eigene Berechnung und Darstellung

1315

1413 13

22

12 12

9

779

8 87

-12-10

-8-6

-7

-14-12

-16

-19-21

-20

-23

-20-19

-17

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Finnland

Niederlande

Japan

Belgien(Fl)

Korea

Österreich

Schweden

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SlowakischeR.

TschechischeR.

Deutschland

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UK(Engl.N.irl.)

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NL

JP

KOR

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CY

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-30

-20

-10

0

10

20

30

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Niederlande

Japan

Korea

Estland

TschechischeR.

Zypern

Spanien

OECD

FIN

Fl.(BE)

SE

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PL

IRL

IT

-25

-20

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Finnland

Belgien(Fl)

Schweden

Österreich

SlowakischeR.

Dänemark

Polen

Irland

Italien

OECD

DE

NOR

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CND

F

UK

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-30

-25

-20

-15

-10

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0

5

10

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Deutschland

Norwegen

Australien

Kanada

Frankreich

UK(Engl.N.irl.)

USA

OECD

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I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 15

2. Hohes Gewicht der sozialen Reproduktion im Bildungswesen

Das hohe Gewicht der sozialen Reproduktion im österreichischen Bildungswesen braucht keine

weiteren analytischen Belege, da es in vielerlei Hinsicht bereits sehr gut untermauert ist. Auch hier

kommt die Bedeutung der Leistungsachse zum Tragen, da es in den nationalen Datenerhebungen

bisher – mit Ausnahme der Bildungsstandards – gelungen ist, den sozialen Hintergrund der

SchülerInnen im Dunkeln zu lassen.22

Erst die LSAs, vor allem PISA, und daran anknüpfend die

Erhebungen zu den Bildungsstandards, sowie in beschränktem Maß auch die Europäischen

Vorgaben für die Arbeitskräfteerhebung, haben hier Informationen geliefert, die Österreich wieder auf

das Niveau der westlichen sozialwissenschaftlichen Diskussion gebracht haben.23

In verschiedensten Varianten zeigen diese Auswertungen und Analysen immer wieder, dass das

Ausmaß der sozialen Reproduktion (oder wie auch manche sagen, der ‚sozialen Vererbung‘ von

Bildungspositionen und –leistungen) in Österreich besonders stark ausgeprägt ist. Dieses Faktum hat

seinen Weg bereits seit spätestens dem ersten Nationalen Bildungsbericht 2009 auch in die ‚offizielle‘

wissenschaftsgestützte Berichterstattung gebracht (leider nicht mit der Wirkung einer vertieften

inhaltlichen Diskussion sondern mit der Wirkung verstärkter de-legitimierender Angriffe auf die

Analysten als ÜberbringerInnen der Botschaft). Es kann kurz durch verschiedene ‚stilisierte Fakten‘

umschrieben und belegt werden:

- die soziale Herkunft, wie auch die Unterschiede zwischen den stratifizierten Schulen (nicht zwischen

Individuen, wie in vielen anderen Ländern) erklären einen hohen Teil der Leistungsvarianz24

- die Zugehörigkeit zu den nominell nach Leistungsniveaus stratifizierten Schulen, wie auch die

erzielten Noten können nur zu einem geringen Teil durch die tatsächlich erbrachten Leistungen erklärt

werden, andere Hintergrundfaktoren spielen eine, ebenso große oder größere Rolle25

- der Zugang zu den verschiedenen Schultypen wird in hohem Maß durch die soziale Herkunft, und

v.a. durch den Bildungsstand der Eltern erklärt26

22

Das vordergründige Argument ist der ‚Datenschutz‘, der offensichtlich in den meisten zivilisierten Ländern so sehr zu wünschen übrig lässt, dass diese über entsprechende Informationen und Forschungsagenden verfügen 23

Obwohl diese Thematik der sozialen Reproduktion bei PISA 2000 zwar in den internationalen Berichten thematisiert wurde, ist sie in den österreichischen Diskursen jedoch – u.a. auch mittels erfolgreichem Datenverschluss – noch weitgehend unter den Tisch gekehrt worden; erst eine politisch Verantwortliche in Person der Ministerin Schmied, die nicht aus dem ‚pädagogischen und bildungspolitischen Establishment‘ gekommen ist, hat es gewagt, diese Fragen der sozialen Gerechtigkeit und entsprechender Reformen auf den Tisch zu legen, und ist dann auch der konzentrierten Gegenwehr dieses elitären Establishments zum Opfer gefallen. 24

Vgl. Indikator D7 Chancengleichheit im Kompetenzerwerb, S.152-153 in Bruneforth, Michael; Lassnigg, Lorenz (Hrsg.) (2012), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012, Band 1: Das Schulsystem im Spiegel von Daten und Indikatoren, Graz: Leykam. 25

Vgl. Tabelle C2.a: Verteilung der Schüler/innen der 8. Schulstufe nach Schultyp und Leistungsgruppe (2009), S.79 in Bruneforth, Michael; Lassnigg, Lorenz (Hrsg.) (2012), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012, Band 1: Das Schulsystem im Spiegel von Daten und Indikatoren, Leykam, Graz; sowie Tabelle, Abb. D3.a: Bildungsstatus von 17-Jährigen nach Schultyp und Elternbildung S.125sowie Abb. 5.2: Abhängigkeit der Leseleistungen vom sozioökonomischen Status der Eltern in unterschiedlichen Ländern S.205 in Michael Bruneforth, Christoph Weber & Johann Bacher (2012) Chancengleichheit und garantiertes Bildungsminimum in Österreich. In: Barbara Herzog-Punzenberger (Hrsg.) Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012. Band 2 Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen, Graz: Leykam, S.189-227.

Page 24: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

16 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

- sophistizierte Analysen zeigen auch, dass die erreichten Leistungen in beträchtlichem Maß durch

soziale Hintergrundfaktoren erklärt werden.27

3. Ungleichheit im österreichischen Sozialmodell: vorhanden, aber vergleichsweise gering

In diesem Abschnitt wird aufgrund von neueren international vergleichenden Daten versucht, das

Ausmaß an Ungleichheit gemessen an der Einkommens- und Vermögensverteilung in verschiedenen

Varianten zu erfassen. Die Einkommen beschreiben die Ungleichheit nicht umfassend, es gibt viele

weitere soziale und kulturelle Faktoren, aber die Einkommen sind eine wesentliche Komponente, die

andere Kapitalformen fördert, und die auch zwischen Staaten einigermaßen vergleichbar ist. Im

Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise sind hier in den letzten Jahren große

Fortschritte in der Analyse dieses an sich gerne tabuisierten und herunter gespielten Feldes erzielt

worden.28

Abb. 8 zeigt, dass die Ungleichheit v.a. seit den frühen 1980ern, als die ‚Krise des Wohlfahrtstaates‘

im OECD Raum ausgerufen wurde, generell im Steigen begriffen ist. Man sieht auch, dass das

Niveau der Ungleichheit in Österreich zuerst zwischen Deutschland und den Nordischen Ländern

gelegen hat, bei etwa 80% des OECD-Schnittes und dass die Zunahme der Ungleichheit bis in die

2000er in Österreich vergleichsweise gering war, so dass die Nordischen Staaten etwa auf das

Niveau von Österreich gestiegen sind.

26

Vgl. Abb. D3.b: Chancenverhältnis von 17-Jährigen, eine zur Matura führende Schule (AHS, BHS) zu besuchen, nach regionalen und sozialen Merkmalen, S.127, sowie Abb. D3.c: Inländische Studienanfänger/innen nach Bildungsabschluss der Eltern sowie die „Elterngeneration“ nach Bildungsabschluss (WS 2010/11) NBB Bd.1 2012, S.129 in Bruneforth, Michael; Lassnigg, Lorenz (Hrsg.) (2012), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012, Band 1: Das Schulsystem im Spiegel von Daten und Indikatoren, Leykam, Graz; vgl. auch Lassnigg, Lorenz, Vogtenhuber, Stefan (2009) Indikator F8 Zugangschancen zu höheren Schulen nach sozioökonomischen und regionalen Hintergrundmerkmalen, S. 154, sowie Lassnigg, Lorenz, Vogtenhuber, Stefan (2009) IndikatorF9 Sozioökonomische Herkunft der Studierenden an wissenschaftlichen Universitäten und Fachhochschulen S.156 in Specht, Werner (Hrsg.), Nationaler Bildungsbericht Österreich 2009. Band 1: Das Schulsystem im Spiegel von Daten und Indikatoren, Graz: Leykam. 27

Vgl. Michael Bruneforth, Christoph Weber & Johann Bacher (2012) Chancengleichheit und garantiertes Bildungsminimum in Österreich. Barbara Herzog-Punzenberger (Hrsg.) Nationaler Bildungsbericht Österreich 2012 Band 2 Fokussierte Analysen bildungspolitischer Schwerpunktthemen Graz: Leykam, S.189-227; sowie Lassnigg, Lorenz; Vogtenhuber, Stefan (2009), Governance-Faktoren, Schülerleistungen und Selektivität der Schulen, in: Schreiner, Claudia; Schwantner, Ursula (Hrsg.), PISA 2006. Österreichischer Expertenbericht zum Naturwissenchafts-Schwerpunkt, Leykam, Graz, S. 376-386. 28

EC-DG for Employment, Social Affairs and Inclusion (2012) Employment and Social Developments in Europe 2011. Luxembourg: Publications Office of the European Union; vgl. auch Förster, Michael F. / Martin, John P.(2012) Balancing Economic Efficiency and Social Equity. Japan Economic Foundation, Economy, Culture and History Bimonthly Japan Spotlight (November/December), 14-17 http://www.oecd.org/els/soc/JEF2012BalancingEconomicEfficiencyAndSocialEquity.pdf; Bonesmo Fredriksen, K. (2012), “Income Inequality in the European Union”, OECD Economics Department Working Papers, No. 952, OECD Publishing. http://dx.doi.org/10.1787/5k9bdt47q5zt-en; Atkinson, Anthony B. (2011). Prosperity and Fairness. In EC-ECFIN European Commission, Directorate-General for Economic and Financial Affairs (Hrsg.), Annual Research Conference 2011 ‘New growth models for Europe‘(November). http://ec.europa.eu/economy_finance/events/2011/2011-11-21-annual-research-conference_en/pdf/session02_atkinson_paper_en.pdf; sowie http://ec.europa.eu/economy_finance/events/2011/2011-11-21-annual-research-conference_en/pdf/session02_atkinson_en.pdf; EC-ECFIN European Commission, Directorate-General for Economic and Financial Affairs (2011). Annual Research Conference 2011 - New growth models for Europe. http://ec.europa.eu/economy_finance/events/2011/2011-11-21-annual-research-conference_en/; OECD (2008). Growing Unequal? INCOME DISTRIBUTION AND POVERTY IN OECD COUNTRIES. Paris: OECD; OECD (2011) Divided We Stand. Why Inequality Keeps Rising. Paris: OECD.

Page 25: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 17

Abb. 8: Entwicklung der Einkommensungleichheit in OECD und ausgewählten Ländern seit

den 1970ern

Quelle: eigene Darstellung aufgrund von OECD 2011, Hintergrundtabelle

0,300,29

0,300,30 0,31 0,32 0,32

0,1500

0,2000

0,2500

0,3000

0,3500

0,4000

19

75

19

76

19

77

19

78

19

79

19

80

19

81

19

82

19

83

19

84

19

85

19

86

19

87

19

88

19

89

19

90

19

91

19

92

19

93

19

94

19

95

19

96

19

97

19

98

19

99

20

00

20

01

20

02

20

03

20

04

20

05

20

06

20

07

20

08

20

09

GINI Index 1975-2009, ausgewählte Länder

OECD

AT

DE

DK

FI

SE

UK

0,60

0,70

0,80

0,90

1,00

1,10

1,20

1,30

19

75

19

76

19

77

19

78

19

79

19

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19

81

19

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19

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19

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19

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19

86

19

87

19

88

19

89

19

90

19

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19

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19

93

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19

95

19

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19

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19

98

19

99

20

00

20

01

20

02

20

03

20

04

20

05

20

06

20

07

20

08

20

09

(OECD=1,00; Zwischenjahre interpoliert)

OECD

AT

DE

DK

FI

SE

UK

Page 26: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

18 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

Abb. 9: Europäische Ungleichheitsindikatoren (disponibles Einkommen, Armutsrisiko und Komponenten, Umverteilungswirkungen

Quelle: Eigene Zusammenstellung und Darstellung aus EU-DG Empl 2012

0

1

2

3

4

5

6

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BG LT PT ES EL IT UK EE PL

DE

LU CY IE FR MT FI AT

BE SK NL

HU SE DK SI CZ

Ungleichheit (Percentile) Perz90/Perz10

Perz90/Perz50

Perz50/Perz10

0

5

10

15

20

25

30

35

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LV LT PT

RO

BG EL UK ES IT EE PL

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7 FR LU DE IE CY

MT

NL

DK FI BE

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Ungleichheit (GINI-Index)

TrendJoblose HH

TrendJobarmut

R² = 0,0037

R² = 0,5767

0

5

10

15

20

25

30

LV RO

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CY

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MT IE LU BE FI SE DK FR HU AT SI NL

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ArmutsrisikoArmutsrisiko 2009

Joblose HH 2009

Jobarmut 2009

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

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Ungleichheit (GINI-Index) GINI Markt Ek.

GINI Dispon.Ekl.

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5%

10%

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35%

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AT SE FI SI IE

HU

Wirkung von Umverteilung auf Ungleichheit (GINI)

0

10

20

30

40

50

60

70

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7

BG EL IT RO EE PT PL

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FR NL FI SI SE AT

CZ

HU DK IE

Wirkung von Umverteilung auf Armutsrisiko

Page 27: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 19

Abb. 10: Zusammenhänge zwischen Ungleichheitsindikatoren

Quelle: Eigene Zusammenstellung und Darstellung aus EU-DG Empl 2012

SEDK

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DE

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FR

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10

20

09

GINI 2009

GINI x Perzentil-Ratio90/10

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LV

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20

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30

35

40

20 25 30 35 40

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GINI 2005

GINI 2005 x 09

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FI

SICZ

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AT

FR

UK

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4

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5

5,5

6

6,5

7

2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5 7

Pe

rz9

0/P

erz

10

20

09

Perz90/Perz10 2005

Perzentil-Ratio 2005-09

HU

SI

FIATSE

DK

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0,2

0,25

0,3

0,35

0,4

0,45

0,5

0,2 0,25 0,3 0,35 0,4 0,45 0,5

GIN

I 20

09

dis

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nib

les

EK

GINI 2009 original EK

GINI 2009 vor und nach UmverteilungHU

SI IE

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BEAT

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CY

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5%

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35%

0,25 0,3 0,35 0,4 0,45

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ed

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GIN

I du

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GINI 2009 original EK

GINI 2009 x Reduktion durch Umverteilung

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0 5 10 15 20 25 30

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20

09

Armutsrisiko 2009

Armutsrisiko x arbeitslose Haushalte

0,1

1

10

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BE

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CY

Einkommensmobilität (Dezile)Auf+Ab/Gleich

Auf+Ab2+/Gleich

0,1

1

10

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HU PT IE IT UK

NO LU SE FR DK SI FI CY

NL

DE

Auf-, abwärts/Gleichbleibend Auf/GleichAb/Gleich

0,1

1

10

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PL

BE ES IT SI SE NO DK LV UK CZ

BG AT SK LT DE

HU

RO PT EE

Aufwärts/Abwärts Auf/Ab2+Auf/2+Ab

Page 28: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

20 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

Abb. 11: Ungleichheit und relative Höhe der Vermögen (2008-2010)

Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung aufgrund von ECB 2013

Die weiteren Abbildungen zeigen in verschiedenen Facetten, dass das Niveau der

Einkommensungleichheit als Indikator für das Ausmaß an Ungleichheit in Österreich

vergleichsweise gering ist, dass des Weiteren die Umverteilungsprozesse zwischen dem

Markteinkommen und dem verfügbaren Einkommen vergleichsweise wirksam sind, und dass

auch das Armutsrisiko als Indikator für die Ungleichheit am unteren Ende der Verteilung

ebenfalls vergleichsweise gering ist (Abb. 9 und Abb. 10). Die Ungleichheit der

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

DE

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Ungleichheit Vermögen (MW/Median)

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2

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3

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relative Höhe Vermögen (Median, MW)

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0 0,5 1 1,5 2 2,5 3

Un

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ich

he

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erm

öge

n (

MW

/MED

IAN

)

relative Höhe MW Vermögen

Vermögen MW x Ungleichheit

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I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 21

Markteinkommen vor den Umverteilungswirkungen ist höher und liegt knapp beim EU oder

OECD Durchschnitt. Die Umverteilungswirkungen der Sachleistungen (z.B. Bildung und

Gesundheit) – hier nicht dargestellt – sind jedoch in Österreich gering, so dass sich die

Verteilungs-Position dadurch nicht mehr verbessert. Die Einkommensmobilität ist – im

Unterschied zu den sehr oft unterstellten ‚Starrheiten‘ – vergleichsweise groß, und zwischen

Aufwärts- und Abwärtsbewegungen etwa ausgeglichen (Abb. 10 unten). Die

Berücksichtigung der Vermögen nach der – teilweise heiß diskutierten – rezenten Studie in

einigen EU-Ländern29

ergibt für Österreich im Unterschied zu den Einkommen eine sehr

starke Ungleichverteilung, was jedoch durch eine vergleichsweise geringe Höhe der

Vermögen relativiert wird (Abb. 11); bei den gesamten Brutto-Einkommen ergibt sich daraus

unter den erfassten Ländern eine vergleichsweise hohe Ungleichheit. Wie sich diese starke

Ungleichverteilung der Vermögen aber auf die nach Umverteilung verfügbaren Einkommen

auswirkt, ist aufgrund der verfügbaren Daten nicht ersichtlich; Österreich und Deutschland

zeigen hier eine beträchtliche Anomalie, was das Verhältnis von niedriger Vermögenshöhe

und hoher Ungleichheit betrifft.

Wenn man diese Befunde in eine breitere Betrachtung des österreichischen Sozialmodells

einbettet, so ergibt die – heute angesichts der neoliberalen ideologischen Welle teilweise

etwas vergessene – Literatur zum ‚Small State Corporatism‘ eine gute Erklärung dieser

Muster.30

Der Sozialpartnerschaft ist es über die Jahrzehnte des wirtschaftlichen

Aufholprozesses gelungen, eine Einkommenspolitik im Einklang mit den wirtschaftlichen

Erfordernissen umzusetzen, die von den Systemen der sozialen Sicherheit flankiert wurde.

Vom System der Lehrlingsausbildung wird in dieser Literatur auch erwartet, dass dieses zu

einer Kompression der Einkommensverteilung beiträgt, von der Innovationsanreize auf die

Firmen ausgehen sollen.31

Hier ist es wichtig zu sehen, dass in diesem österreichischen Wohlfahrtsmodell – das

gegenwärtig in verschiedensten Widersprüchlichkeiten befangen ist – das Bildungswesen

und die Verteilungsmechanismen stark getrennt in unterschiedlichen politischen und

sozialen ‚Welten‘ angesiedelt sind. Diese Kluft zwischen zwei Welten kommt auch darin zum

Ausdruck, dass innerhalb der Berufsbildung die Lehrlingsausbildung als potentieller

Überschneidungsbereich in einem eigenen Governance-Modell vom schulischen Bereich

getrennt reguliert und verwaltet wird.

29

ECB - European Central Bank (2013) The Eurosystem Household Finance and Consumption Survey. Results from the first wave. Statistics Paper Series NO 2 / April. Frankfurt/Main http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecbsp2en.pdf?ae103739809daa1cac48df7b34a42cc2 30

Vgl. das zentrale Werk Katzenstein, Peter J. (1985) Small States in World Markets: Industrial Policy in Europe. Ithaca: Cornell Univ.Press; vgl. auch Ders. (2003) ; vgl. auch Graf, Lukas; Lassnigg, Lorenz; Powell, Justin J.W (2011), Austrian Corporatism and Institutional Change in the Relationship between Apprenticeship Training and School-based VET, in: Busemeyer, Marius R.; Trampusch, Christine (eds.), The Political Economy of Collective Skill Formation, Oxford University Press, Oxford, pp. 150-178. 31

Vgl. Busemeyer, Marius R, Iversen, Torben (2011) Collective skills systems, wage bargaining, and labor market stratification, in: Busemeyer, Marius R.; Trampusch, Christine (eds.), The Political Economy of Collective Skill Formation, Oxford University Press, Oxford, pp.205-233.

Page 30: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

22 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

Die sog. ‚Bildungspartnerschaft‘ (Susanne Dermutz) war insofern nie eine Analogie zur

‚Sozialpartnerschaft‘, indem ihr keine freiwillige Selbstbindung in im Prinzip offenen

Verhandlungslösungen (die Sozialpartnerschaft hat keine gesetzliche Grundlage; ihre

Verhandlungslösungen fließen aber in die Gesetzgebung und –umsetzung ein) sondern von

Anfang an eine verfassungsgesetzliche Selbstknebelung der politischen Parteien in

bürokratischen Strukturen zugrunde lag – de facto ist das überhaupt keine Partnerschaft. Es

ist offensichtlich ein Unterschied zwischen einer Partnerschaft, die (im Konfliktfall kündbare)

Verträge abschließt, die periodisch neu verhandelt werden, oder sich auf Gesetzesvorhaben

einigt, die von den Abgeordneten beschlossen werden müssen, und einer ‚Partnerschaft‘ wie

im Schulwesen, die sich durch einen de facto unkündbaren Verfassungsbeschluss knebelt,

der noch dazu im Wesentlichen den Status-Quo festschreibt. An einer derartigen Struktur

können offensichtlich nur die beharrenden Kräfte ein Interesse haben und sie beruht auf

einer ‚Partnerschaft‘ im gegenseitigen Misstrauen, in der die Reformkräfte keine Handhabe

für offene Verhandlungen haben, aber auch in einer endemischen ‚Oppositionslogik‘

jederzeit alles in Frage stellen und auch Forderungen stellen zu können, ohne Aussicht auf

Realisierung.

4. Fazit

Dieser Beitrag versucht einige Besonderheiten der österreichischen bildungspolitischen

Auseinandersetzungen zu erklären. Vor allem seit den schwachen Leistungsergebnissen in

den international vergleichenden LSAs und den in diesen Erhebungen auch neu verfügbaren

Befunden zur sozialen Reproduktion im Bildungswesen ist die Rationalität dieser

Auseinandersetzungen grundlegend zu hinterfragen. Erstens ist erklärungsbedürftig, warum

ein Teil der konservativen Eliten an der sachlich durch nichts begründeten Differenzierung

der zehnjährigen Kinder in zwei Schultypen so stark festhält, obwohl diese angeblich

leistungsbestimmte nachweislich Differenzierung weder aufgrund der Leistungsfähigkeit

vorgenommen wird, noch diese Struktur zur besseren Leistungsfähigkeit des

Bildungswesens beiträgt. Zweitens ist aber auch erklärungsbedürftig, warum diese

offensichtlich ungerechte, belastende und auch kontraproduktive Struktur in der Bevölkerung

wie auch unter den Betroffenen nicht auf den der Konstellation angemessenen und radikalen

Widerstand trifft. Die Reformkräfte befinden sich in dieser Konstellation in einer schwachen

Position, obwohl sie – gesamtgesellschaftlich gesehen – einiges Gewicht auf die

Waagschale bringen können. Die Frage nach der Rationalität der Auseinandersetzungen ist

umso mehr zu stellen, als die Struktur der politischen Argumentationen bereits seit

Jahrzehnten gegeben ist, und somit auch immer noch den Stand spiegelt, der in anderen

Ländern etwa in den 1960er und frühen 1970ern gegeben war – man findet es offensichtlich

Page 31: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 23

nicht der Mühe wert, den Erfahrungen nachzugehen, die in anderen Ländern von einem

ähnlichen Ausgangspunkt aus gemacht wurden.32

Die vorliegenden Betrachtungen haben neben den aufklärungsbedürftigen Fragen zur

bildungspolitischen Auseinandersetzung einige weitere teilweise erklärungsbedürftige und

teilweise aber auch sehr erhellende Befunde erbracht, die insgesamt gesehen zu einem

plausiblen Bild zusammengesetzt werden können:

(1) Sehr überraschend und erklärungsbedürftig ist das Muster der Kompetenzverteilung

unter den Erwachsenen, das bei den österreichischen Eliten im internationalen Vergleich

relativ schlechtere Leistungswerte im Lesen und Mathematik ergibt als im unteren

Leistungsspektrum. Dies widerspricht diametral dem Anspruch eines elitären und

separatistischen Bildungswesens, das die Aufteilung der zehnjährigen Kinder nach

generellen Leistungsniveaus im Sinne ihres besseren Lernens als Begründung für diesen

Separatismus vorschiebt (umso mehr, als in den internationalen Vergleichsdaten sehr wohl

auch ein ‚elitäres‘ Muster in vielen Ländern aufscheint). Die Ergebnisse der PIAAC-

Erhebung widersprechen somit neuerlich – wie die Reformkräfte seit Jahrzehnten bereits

unermüdlich betonen – schlagend den Behauptungen, ein elitäres und separatistisches

Bildungswesen würde zu verbesserten Leistungen führen. Diese Struktur führt nach diesen

Ergebnissen lediglich zur Separation von Kindern mit höherer Statusposition und somit zur

sozialen Reproduktion, aber nicht zu einer Verbesserung der Leistungen, und zwar

offensichtlich weder bei den SchülerInnen im elitären Zweig, noch insgesamt im Durchschnitt

der Bevölkerung. Dabei sind hier in Bezug auf die Ergebnisse zwei unterschiedliche Aspekte

festzuhalten, die zu weiteren Fragen führen: Erstens hat Österreich eine elitäre Struktur des

Bildungswesens mit hoher sozialer Reproduktion, aber eine dieser Struktur widersprechende

‚anti-elitäre‘ Leistungsverteilung, warum? Zweitens gibt es in einigen Ländern – konzentriert

auf den individualistisch-liberalen anglophilen und den mediterran-kontinentalen Raum33

tatsächlich eine elitäre Leistungsverteilung, diese Länder weisen jedoch insgesamt gesehen

ein schlechteres Leistungsprofil auf als die übrigen PIAAC-Länder; auch hier besteht

weiterer Erklärungsbedarf für dieses Muster in diesen Ländern.

(2) Wenn trotz der vorgebrachten – und vermutlich trotz immer wieder gegenläufiger

empirischer Ergebnisse auch weithin geglaubten – Ideologie der ‚notwendigen‘ Separation

der Kinder zum Zwecke besserer Leistungen diese herausgehobenen ‚Eliten‘ bis in ihr

Erwachsenenleben diese besseren Leistungen nicht erbringen und dies nicht einmal

bemerkt wird, dann gibt es offensichtlich Erklärungsbedarf. Leistung ist offensichtlich nicht

32

Vgl. z.B. Aho, Erkki, Pitkänen, Kari, Sahlberg, Pasi (2006) Policy Development and Reform Principles of Basic and Secondary Education in Finland since 1968. Education Working Paper Series No.2. Washington, D.C.: The World Bank http://siteresources.worldbank.org/EDUCATION/Resources/278200-1099079877269/547664-1099079967208/Education_in_Finland_May06.pdf 33

Ausnahmen, die nicht aus diesem Raum kommen, gibt es im Lesen: Deutschland und Polen, sowie Schweden als Grenzfall, wo nur das 5%-Perzentil stark abfällt, und die sich Verteilung ansonsten egalitär darstellt.

Page 32: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

24 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

das Thema, sondern es geht um andere Aspekte der Unterscheidung, für die es in den

Sozialwissenschaften viele Erklärungen gibt. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat

in seinem weltweit einflussreichen Ansatz auf Basis der Analysen der französischen

Gesellschaft den Begriff des ‚kulturellen Kapitals‘ geprägt, das auch den Leistungsaspekt als

Funktion viel breiterer kultureller Unterscheidungen umfasst. Wenn man das Leistungsprofil

Frankreichs mit dem Österreichs vergleicht, so zeigt dieses – entsprechend dem in

Frankreich vordergründig stark kompetitiven und (individuell) leistungsselektiven

Bildungswesen – tatsächlich ein ausgeprägt elitäres Muster, aber auf einem vergleichsweise

ziemlich niedrigem Niveau in Lesen und in Mathematik. Eine national stark herausgehobene

Elite muss also im internationalen Vergleich nicht unbedingt ebenso stark und

herausgehoben sein.

(3) Ein Aspekt, der in den österreichischen Diskussionen um die soziale Reproduktion

explizit bisher vernachlässigt wird, ist die Frage nach dem Ausmaß der gesellschaftlichen

Ungleichheit außerhalb des Bildungswesens. Es wird aber implizit meist vorausgesetzt, dass

die elitäre Struktur wie auch die nachweislich hohe soziale Vererbung im Bildungswesen

gleichsam automatisch mit einem hohen Grad an Ungleichheit in der umgebenden

Gesellschaft einher geht oder gar einhergehen muss. Die vorliegenden vergleichenden

Daten zur Einkommensungleichheit unterstützen diesen Befund jedoch nicht. Vor allem

wenn man die disponiblen Einkommen heranzieht, so liegt Österreich in der Größenordnung

der Nordischen Staaten, die im Hinblick auf ihre egalitäre Struktur als beispielgebend gelten.

Diese vergleichsweise egalitäre Struktur ist Ergebnis der vergleichsweise effektiven

Umverteilungsprozesse zwischen den Markteinkommen und den disponiblen Einkommen.

Aber auch die Ungleichheit der Markteinkommen ist zwar etwas höher, aber sie ist ebenfalls

nicht so hoch, wie dies aufgrund der starken Reproduktion im Bildungswesen oft unterstellt

wird, sondern liegt etwas unter dem Durchschnitt von OECD oder EU.

(4) Aus dieser Konstellation ergeben sich Konsequenzen in unterschiedliche Richtungen.

Einerseits kann daraus geschlossen werden, dass in den vorhandenen Strukturen der

Bedarf der konservativen Eliten nach ‚Unterscheidung‘ insgesamt nicht ausreichend erfüllt

wird – als einen ‚Spiegel‘ dafür kann man oftmals wiederholten, aber nichtsdestoweniger

immer noch völlig falschen, Spruch nehmen, ‚heute könne ohnehin schon jedeR in eine

AHS‘, nehmen. Dieser unbefriedigte ‚Bedarf nach Unterscheidung‘, dessen Bestand aus

sozialwissenschaftlicher Sicht gut gesichert ist, kann die aggressive, und durch Argumente

nicht abgesicherte, Verteidigung der selektiven Struktur des Bildungswesens plausibel

erklären. Im Hinblick auf eine bessere Analyse des ‚Bedarfs nach Unterscheidung‘ und nach

der Rolle der Leistungsdimension dabei, besteht zweifellos Forschungsbedarf. Die in der

selektiven Struktur ebenfalls vorhandenen Aufstiegsmöglichkeiten über die separaten Kanäle

der Hauptschulleistungsgruppen und die Berufsbildung, die durch das kompensatorische

Profil der Kompetenzen ausgedrückt werden, können erklären dass die ungerechten

Strukturen nicht stärkeren Widerstand hervorrufen. Auf der anderen Seite stellt sich aber

auch die Frage, welche politischen Konsequenzen sich aus dieser Konstellation ergeben.

Page 33: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 25

Auf den ersten Blick könnte man meinen, diese Ergebnisse würden ohnehin die Problematik

mehr oder weniger abschwächen. Bei näherer Betrachtung ist dies jedoch keineswegs der

Fall, sondern es ergeben sich mehrere problematische Konsequenzen aus dieser

Konstellation, die eine gedeihliche Weiterentwicklung grundlegend beeinträchtigen:

- Erstens gehen in den vorhandenen elitären Strukturen offensichtlich viele Potentiale

verloren, nicht nur im Bereich der Risikogruppen und AbbrecherInnen, sondern offensichtlich

auch im privilegierten Segment

- Zweitens ergeben sich aus dieser Konstellation Doppelbotschaften, die die bekannten

aggressiven und unproduktiven politischen Auseinandersetzungen befördern, indem die

Leistungsdimension zur Verteidigung der elitären Strukturen bemüht wird, obwohl diese nach

vielen Analysen der Daten von LSAs keine Anzeichen für eine Förderung der Leistungen

zeigen, und nach den dargestellten PIAAC-Ergebnissen nicht einmal dafür sorgen, dass die

Eliten im Alltag sehr gute Lesefähigkeiten haben – wofür es dann im akademischen Bereich

ebenfalls einen Spruch gibt, der die Konstellation spiegelt: ‚wenn du erfolgreich sein willst,

dann darfst du nicht lesen, sondern du musst schreiben‘…so entsteht ein Diskussionsraum,

in dem versucht wird das angeblich ‚Gute‘ – das gleichzeitig für den Status-Quo steht – zu

verteidigen, obwohl es offensichtlich nicht so gut ist, und damit auch gleichzeitig gegen

Verbesserungsbemühungen zu polemisieren, die damit diskreditiert werden. Wir haben in

einer Analyse der PISA-Daten eine Tendenz festgestellt, die die Widersprüchlichkeit in

diesen Strukturen gut ausdrückt: dass nämlich auf der einen Seite die Leistungen der

Höheren Schulen in wesentlichem Ausmaß von der Selektion der SchülerInnen von sozialen

Strata bestimmt wird, die AkteurInnen im Bildungswesen ihre (geringen)

Entscheidungsspielräume aber eher nutzen, um den selektiven (und ungerechten)

Strukturen entgegenzuwirken, als diese noch weiter zu fördern.34

Hier stellt sich die Frage,

inwieweit diese ‚Doppelstrategie‘, einerseits strukturell zu benachteiligen, und dann

Anstrengungen darauf zu konzentrieren, dieser Benachteiligung wieder entgegenzuwirken,

Reibungsverluste produziert, die beträchtliche Ressourcen kosten.

- Drittens wirft diese Konstellation auch Fragen der grundlegenden Orientierung der

Bildungspolitik auf, die im heutigen ökonomischen Diskurs über die Beziehung von Bildung

und Umverteilung eine große Rolle spielen. Es geht dabei um grundsätzliche

bildungspolitische Entscheidungsfragen, wie die Widersprüche zwischen Effizienz und

Gerechtigkeit angegangen werden können und sollen. Bildungsökonomisch wird die Frage

traditionell in Form von zwei alternative Grundstrategien gestellt, (a) ob durch die Art der

öffentlichen Bereitstellung der Bildungsleistungen – sozusagen in der ersten Runde – ein

direkter Ausgleich in Richtung Chancengleichheit angestrebt werden soll, oder (b) ob

34

Lassnigg, Lorenz; Vogtenhuber, Stefan (2009), Governance-Faktoren, Schülerleistungen und Selektivität der Schulen, in: Schreiner, Claudia; Schwantner, Ursula (Hrsg.), PISA 2006. Österreichischer Expertenbericht zum Naturwissenchafts-Schwerpunkt, Leykam, Graz, S. 376-386.

Page 34: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

26 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

zunächst selektiv v.a. in die produktivsten SchülerInnen und Bereiche investiert werden soll

(„Elitebildung“) und die Gerechtigkeit im Gegenzug dann – in der zweiten Runde – durch

Redistribution im Rahmen der Steuerpolitik hergestellt wird. Der große Haupttrend in der

Ökonomie folgt heute der ersten Strategie, Österreich folgt jedoch von seinen Strukturen her

eher der zweiten Strategie, wobei das Element der Umverteilung offensichtlich funktioniert,

das Element der ‚Elitenbildung‘ jedoch nur dem Anspruch nach existiert, aber offensichtlich

nicht funktioniert. Die Doppelbotschaften könnten möglicherweise dadurch aufgelöst werden,

dass diese Alternative klarer gestellt wird: Wenn die Elitenbildung funktionieren soll, muss

sie entsprechend gestärkt werden; dann muss aber auch dafür die entsprechende

Unterstützung mobilisiert werden, und wie die PIAAC-Ergebnisse andeuten, sind die elitären

Strukturen nicht gerade die erfolgreichsten bei der Produktion der Grundkompetenzen in der

Bevölkerung. Wenn aber die zweite Strategie der Herstellung von Chancengleichheit in der

ersten Runde gefahren werden soll, dann muss dies auch konsequent beschritten werden,

und es muss auch bedacht werden, dass diese Strategie bisher überhaupt eher auf dem

Reißbrett existiert als in der Realität – so haben die Nordischen Länder, die in der

Chancengleichheit weit gegangen sind, flankierend auch einen hohen Anteil an

Umverteilung, und John Roemer, einer der wichtigsten Theoretiker und Analysten von

Fragen der Chancengleichheit kommt in einem neueren Aufsatz zu dem nicht gerade

optimistischen Schluss: „With no redistribution of income, inequality in the human capital of

children in different dynasties persists forever … In a word, no guarantee exists that

democracy will eliminate inequality of opportunity in the long-run.” (Roemer 2007, S.119).35

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Page 38: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

30 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

ANHANG

ANH-Tab. 1: Kombinierte Rangordnung.......................................................................................................... 48

ANH-Abb. 1: Alter der Kinder und Jugendlichen bei der ersten Selektion in leistungsabhängige Programme .

.............................................................................................................................................. 31

ANH-Abb. 2: Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen Durchschnitt (LESEN),

Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2 ......................................................................................... 32

ANH-Abb. 3: Beta-Koeffizienten und R2 der Verteilungswerte nach Ländern (LESEN) ............................... 34

ANH-Abb. 4: Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen Durchschnitt (LESEN),

Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2, Gruppierung der Länder nach steigendem, flachem und

fallendem Verlauf .............................................................................................................................................. 35

ANH-Abb. 5: Schematisierung der Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen

Durchschnitt (LESEN), Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2, Gruppierung der Länder nach

steigendem, flachem und fallendem Verlauf, Wertebereiche Differenzen ................................................................. 36

ANH-Abb. 6: Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen Durchschnitt

(MATHEMATIK), Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2 .............................................................. 37

ANH-Abb. 7: Beta-Koeffizienten und R2 der Verteilungswerte nach Ländern (MATHEMATIK) ................... 39

ANH-Abb. 8: Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen Durchschnitt

(MATHEMATIK), Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2, Gruppierung der Länder nach

steigendem, flachem und fallendem Verlauf ............................................................................................................ 40

ANH-Abb. 9: Schematisierung der Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen

Durchschnitt (MATHEMATIK), Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2, Gruppierung der Länder

nach steigendem, flachem und fallendem Verlauf, Wertebereiche Differenzen ........................................................ 41

ANH-Abb. 10: Leseleistungen nach Perzentilen relativ im Ländervergleich (Durchschnitt=100%) ................ 43

ANH-Abb. 11: Mathematikleistungen nach Perzentilen relativ im Ländervergleich (Durchschnitt=100%) ...... 44

ANH-Abb. 12: Ratio zwischen 95%Perzentil und 5%Perzentil und durchschnittliche Perzentildifferenzen .... 46

ANH-Abb. 13: Kreuzklassifikation der Indikatoren zu den Leistungsverteilungen in Lesen und Mathematik ............ 47

ANH-Abb. 14: Klassifikation der Länder nach der PIAAC-Leistungsverteilung in Lesen und Mathematik

(kombinierte Rangordnungen der 95%/5%Perzentil-Ratio und der durchschnittlichen Differenz zwischen den Werten

der 5%, 25%, MW, 75%, 95% Perzentile) ................................................................................................................ 49

Page 39: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 31

Erster Selektionspunkt im OECD-Vergleich

ANH-Abb. 1: Alter der Kinder und Jugendlichen bei der ersten Selektion in

leistungsabhängige Programme

Quelle: eigene Auswertung von PISA 2006.

Page 40: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

32 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

Differenzen der Verteilungswerte der PIAAC-Länder vom internationalen Durchschnitt

in Lesen und Mathematik

LESEN

ANH-Abb. 2: Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen

Durchschnitt (LESEN), Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2

a) Werte

4

-2

-4-5

-6

y = 2,3x + 1,1R² = 0,9446

y = 0,4x + 1R² = 0,3333

y = - 2,2R² = 0

y = x - 5,8R² = 0,7813

y = -1,7x + 8,9R² = 0,7448

y = 2,3x + 8,3R² = 0,9653

y = 2x - 17R² = 0,9091

y = 0,4x - 7,4R² = 0,2353

y = -1,3x - 17,7R² = 0,6213

y = -5,5x + 40,3R² = 0,986

y = 2,7x - 7,3R² = 0,9746

y = -4x + 12,4R² = 0,9926

y = 1,4x + 6,6R² = 0,6364

y = -0,1x + 5,9R² = 0,0313

y = -2,3x + 4,3R² = 0,837

y = 1,4x - 9,8R² = 0,9245

y = 2,3x - 1,3R² = 0,6852

y = -5,2x + 16,4R² = 0,9985

y = 2,1x - 27,3R² = 0,9587

y = -4,6x + 15,8R² = 0,9618

y = 2,6x - 10,8R² = 0,9941

y = 1,9x - 5,5R² = 0,8435

y = -4,7x + 10,9R² = 0,9571

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Australien

Belgien(Fl)

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Irland

Italien

Japan

Kanada

Korea

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Schweden

SlowakischeR.

Spanien

TschechischeR.

USA

UK(Engl.N.irl.)

Zypern

OECD

Page 41: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 33

b) Trendlinien

AUS

Fl.(BE)

DK

DE

EE

FIN

F

IRL

IT

JP

CNDKOR

NL

NOR

AT

PL

SE

SK

ES

CZ

US

UKCY

y = 2,3x + 1,1R² = 0,9446

y = 0,4x + 1R² = 0,3333

y = - 2,2R² = 0

y = x - 5,8R² = 0,7813

y = -1,7x + 8,9R² = 0,7448

y = 2,3x + 8,3R² = 0,9653

y = 2x - 17R² = 0,9091

y = 0,4x - 7,4R² = 0,2353

y = -1,3x - 17,7R² = 0,6213

y = -5,5x + 40,3R² = 0,986

y = 2,7x - 7,3R² = 0,9746

y = -4x + 12,4R² = 0,9926

y = 1,4x + 6,6R² = 0,6364

y = -0,1x + 5,9R² = 0,0313

y = -2,3x + 4,3R² = 0,837

y = 1,4x - 9,8R² = 0,9245

y = 2,3x - 1,3R² = 0,6852

y = -5,2x + 16,4R² = 0,9985

y = 2,1x - 27,3R² = 0,9587

y = -4,6x + 15,8R² = 0,9618

y = 2,6x - 10,8R² = 0,9941

y = 1,9x - 5,5R² = 0,8435

y = -4,7x + 10,9R² = 0,9571

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Australien

Belgien(Fl)

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Irland

Italien

Japan

Kanada

Korea

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Schweden

SlowakischeR.

Spanien

TschechischeR.

USA

UK(Engl.N.irl.)

Zypern

OECD

Page 42: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

34 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

ANH-Abb. 3: Beta-Koeffizienten und R2 der Verteilungswerte nach Ländern (LESEN)

a) BETA und R2

b) R2

2,3

0,40 0

-1,7

2,32

0,4

-1,3

-5,5

2,7

-4

1,4

-0,1

-2,3

1,4

2,3

-5,2

2,1

-4,6

2,6

1,9

-4,7

0,94

0,330

0,78 0,740,97 0,91

0,240,62

0,99 0,97 0,990,64

0,03

0,84 0,920,69

0,99 0,96 0,96 0,99 0,84 0,96

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

1

2

3

4

Au

stra

lien

Be

lgie

n(F

l)

Dän

emar

k

De

uts

chla

nd

Estl

and

Fin

nla

nd

Fran

krei

ch

Irla

nd

Ital

ien

Jap

an

Kan

ada

Ko

rea

Nie

de

rlan

de

No

rwe

gen

Öst

erre

ich

Po

len

Sch

wed

en

Slo

wak

isch

eR.

Span

ien

Tsch

ech

isch

eR.

USA

UK

(En

gl.N

irl)

Zyp

ern

BETA

R2

0,94

0,33

0

0,78 0,74

0,970,91

0,24

0,62

0,99 0,97 0,99

0,64

0,03

0,840,92

0,69

0,99 0,96 0,96 0,99

0,84

0,96

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

Au

stra

lien

Be

lgie

n(F

l)

Dän

emar

k

De

uts

chla

nd

Estl

and

Fin

nla

nd

Fran

krei

ch

Irla

nd

Ital

ien

Jap

an

Kan

ada

Ko

rea

Nie

de

rlan

de

No

rwe

gen

Öst

erre

ich

Po

len

Sch

wed

en

Slo

wak

isch

eR.

Span

ien

Tsch

ech

isch

eR.

USA

UK

(En

gl.N

irl)

Zyp

ern

R2

Page 43: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 35

ANH-Abb. 4: Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen Durchschnitt (LESEN), Werte und Trendlinien,

Regressionsgleichungen und R2, Gruppierung der Länder nach steigendem, flachem und fallendem Verlauf

(a) Länder mit steigendem Verlauf (b) Länder mit flachem Verlauf (c) Länder mit fallendem Verlauf

Erläuterung: Zuordnung der Länder erfolgt nach den BETA-Koeffizienten für den linearen Anstieg (ANH-Abb. 3a); Legende beschreibt Länder nach der Reihenfolge ihrer Lage von oben nach unten

FIN

NL

AUS

SE

CND

UK

US

PL

FR

ES

y = 2,3x + 8,3R² = 0,9653

R² = 0,7848

y = 2,3x + 1,1R² = 0,9446

R² = 0,8416

y = 2,7x - 7,3R² = 0,9746

R² = 0,9786

y = 2,6x - 10,8R² = 0,9941

y = 1,4x - 9,8R² = 0,9245

R² = 0,9784 y = 2x - 17R² = 0,9091

y = 2,1x - 27,3R² = 0,9587

-30

-20

-10

0

10

20

30

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Finnland

Niederlande

Australien

Schweden

Kanada

UK(Engl.N.irl.)

USA

Polen

Frankreich

Spanien

OECD

Linear(Finnland)Poly.(Niederlande)Linear(Australien)Poly.(Schweden)Linear(Kanada)Poly.(UK(Engl.N.irl.))Linear (USA)

Linear (Polen)

Poly. (Polen)

Linear(Frankreich)

NL

NOR

Fl.(BE)

DK DE

IRL

PL

IT

R² = 0,7848 y = 1,4x + 6,6R² = 0,6364

y = -0,1x + 5,9R² = 0,0313

y = 0,4x + 1R² = 0,3333

y = - 2,2R² = 0

y = x - 5,8R² = 0,7813

y = 0,4x - 7,4R² = 0,2353

R² = 0,9784

y = -1,3x - 17,7R² = 0,6213

R² = 0,9391

-30

-20

-10

0

10

20

30

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Niederlande

Norwegen

Belgien(Fl)

Dänemark

Deutschland

Irland

Polen

Italien

OECD

Poly.(Niederlande)Linear(Niederlande)Linear(Norwegen)Linear(Belgien(Fl))Linear(Dänemark)Linear(Deutschland)Linear (Irland)

Linear (Irland)

Poly. (Polen)

Linear (Italien)

Poly. (Italien)

JP

EE

CZ

SK

AT

CY

IT

y = -5,5x + 40,3R² = 0,986

y = -1,7x + 8,9R² = 0,7448

R² = 0,9676

y = -4,6x + 15,8R² = 0,9618

y = -5,2x + 16,4R² = 0,9985

y = -2,3x + 4,3R² = 0,837

R² = 0,9738

y = -4,7x + 10,9R² = 0,9571

R² = 0,9391

y = -1,3x - 17,7R² = 0,6213

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Japan

Estland

TschechischeR.

Korea

SlowakischeR.

Österreich

Zypern

Italien

OECD

Linear (Japan)

Linear (Estland)

Poly. (Estland)

Linear(TschechischeR.)Linear(SlowakischeR.)

Page 44: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

36 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

ANH-Abb. 5: Schematisierung der Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen Durchschnitt (LESEN), Werte und

Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2, Gruppierung der Länder nach steigendem, flachem und fallendem Verlauf, Wertebereiche

Differenzen

(a) Länder mit steigendem Verlauf (b) Länder mit flachem Verlauf (c) Länder mit fallendem Verlauf

10

14

15

17

20

-26

-22

-21

-19

-17

-40-35-30-25-20-15-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40

5.Perz.

25.Perz.

MW

75.Perz.

95.Perz.

Spanien

Frankreich

Polen

USA

UK(Engl.N.irl.)

Kanada

Schweden

Australien

Niederlande

Finnland

6

12

11

12

13

-17

-22

-23

-23

-23

-40-35-30-25-20-15-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40

5.Perz.

25.Perz.

MW

75.Perz.

95.Perz.

Italien

Polen

Irland

Deutschland

Dänemark

Belgien(Fl)

Norwegen

Niederlande

36

28

23

19

13

8

0

-4

-9

-11

-40-35-30-25-20-15-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40

5.Perz.

25.Perz.

MW

75.Perz.

95.Perz.

Italien

Zypern

SlowakischeR.

Korea

TschechischeR.

Österreich

Estland

Japan

Page 45: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 37

ANH-Abb. 6: Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen

Durchschnitt (MATHEMATIK), Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2

a) Werte

7

98 8

7

y = 4,2x - 13,6R² = 0,9587

y = -0,2x + 11,6R² = 0,025

y = -0,5x + 3,7R² = 0,5208

y = 1,7x - 1,9R² = 0,6175

y = -2,4x + 15,2R² = 0,929

y = -0,2x + 14,2R² = 0,125

y = 1,4x - 12,8R² = 0,8448

y = 0,2x - 13R² = 0,125

y = x - 22,8R² = 0,5319

y = -3,3x + 22,3R² = 0,8176

y = 3,7x - 14,1R² = 0,992

y = -7,7x + 33,9R² = 0,9836

y = -2,6x + 22,4R² = 0,9494

y = 1,8x - 6,2R² = 0,8351

y = -0,1x + 8,1R² = 0,0357

y = -0,2x - 1,6R² = 0,1429

y = 0,5x + 6,3R² = 0,3676

y = -0,1x + 5,7R² = 0,003

y = -2,1x - 10,1R² = 0,8289

y = -3x + 15,6R² = 0,9868

y = 3,1x - 30,7R² = 0,82

y = 3x - 23R² = 0,9574

y = -2,1x - 1,1R² = 0,8963

-30

-20

-10

0

10

20

30

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Australien

Belgien(Fl)

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Irland

Italien

Japan

Kanada

Korea

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Schweden

SlowakischeR.

Spanien

TschechischeR.

USA

UK(Engl.N.irl.)

Zypern

OECD

Page 46: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

38 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

b) Trendlinien

AUS

Fl.(BE)

DKDE

EEFIN

F

IRL

IT

JP

CND

KOR

NL

NOR

AT

PL

SE

SK

ES

CZ

US

UK

CY

y = 4,2x - 13,6R² = 0,9587

y = -0,2x + 11,6R² = 0,025

y = -0,5x + 3,7R² = 0,5208

y = 1,7x - 1,9R² = 0,6175

y = -2,4x + 15,2R² = 0,929

y = -0,2x + 14,2R² = 0,125

y = 1,4x - 12,8R² = 0,8448

y = 0,2x - 13R² = 0,125

y = x - 22,8R² = 0,5319

y = -3,3x + 22,3R² = 0,8176

y = 3,7x - 14,1R² = 0,992

y = -7,7x + 33,9R² = 0,9836

y = -2,6x + 22,4R² = 0,9494

y = 1,8x - 6,2R² = 0,8351

y = -0,1x + 8,1R² = 0,0357

y = -0,2x - 1,6R² = 0,1429

y = 0,5x + 6,3R² = 0,3676

y = -0,1x + 5,7R² = 0,003

y = -2,1x - 10,1R² = 0,8289

y = -3x + 15,6R² = 0,9868

y = 3,1x - 30,7R² = 0,82

y = 3x - 23R² = 0,9574

y = -2,1x - 1,1R² = 0,8963

-30

-20

-10

0

10

20

30

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Australien

Belgien(Fl)

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Irland

Italien

Japan

Kanada

Korea

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Schweden

SlowakischeR.

Spanien

TschechischeR.

USA

UK(Engl.N.irl.)

Zypern

OECD

Page 47: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 39

ANH-Abb. 7: Beta-Koeffizienten und R2 der Verteilungswerte nach Ländern

(MATHEMATIK)

a) BETA und R2

b) R2

4,2

-0,2 -0,5

1,7

-2,4

-0,2

1,4

0,2

1

-3,3

3,7

-7,7

-2,6

1,8

-0,1 -0,2

0,5

-0,1-2,1

-3

3,1 3

-2,1

0,96

0,030,52 0,62

0,93

0,130,84

0,130,53 0,82 0,99 0,98 0,95 0,84

0,04 0,14 0,370

0,83 0,99 0,82 0,96 0,9

-10

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

Au

stra

lien

Be

lgie

n(F

l)

Dän

emar

k

De

uts

chla

nd

Estl

and

Fin

nla

nd

Fran

krei

ch

Irla

nd

Ital

ien

Jap

an

Kan

ada

Ko

rea

Nie

de

rlan

de

No

rwe

gen

Öst

erre

ich

Po

len

Sch

wed

en

Slo

wak

isch

eR.

Span

ien

Tsch

ech

isch

eR.

USA

UK

(En

gl.N

irl)

Zyp

ern

BETA

R2

0,96

0,03

0,520,62

0,93

0,13

0,84

0,13

0,53

0,82

0,99 0,98 0,950,84

0,040,14

0,37

0

0,83

0,99

0,82

0,960,9

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

Au

stra

lien

Be

lgie

n(F

l)

Dän

emar

k

De

uts

chla

nd

Estl

and

Fin

nla

nd

Fran

krei

ch

Irla

nd

Ital

ien

Jap

an

Kan

ada

Ko

rea

Nie

de

rlan

de

No

rwe

gen

Öst

erre

ich

Po

len

Sch

wed

en

Slo

wak

isch

eR.

Span

ien

Tsch

ech

isch

eR.

USA

UK

(En

gl.N

irl)

Zyp

ern

R2

Page 48: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

40 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

ANH-Abb. 8: Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen Durchschnitt (MATHEMATIK), Werte und Trendlinien,

Regressionsgleichungen und R2, Gruppierung der Länder nach steigendem, flachem und fallendem Verlauf

(a) Länder mit steigendem Verlauf (b) Länder mit flachem Verlauf (c) Länder mit fallendem Verlauf

Erläuterung: Zuordnung der Länder erfolgt nach den BETA-Koeffizienten für den linearen Anstieg (ANH-Abb. 7a), Legende beschreibt Länder nach der Reihenfolge ihrer Lage von oben nach unten

AUS

DE

CND

NOR

F

UK

US

y = 4,2x - 13,6R² = 0,9587

y = 1,7x - 1,9R² = 0,6175

R² = 0,8022y = 3,7x - 14,1

R² = 0,992

y = 1,8x - 6,2R² = 0,8351

R² = 0,9529

y = 1,4x - 12,8R² = 0,8448

R² = 0,9557

y = 3x - 23R² = 0,9574

y = 3,1x - 30,7R² = 0,82

R² = 0,9571

-30

-25

-20

-15

-10

-5

0

5

10

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Australien

Deutschland

Kanada

Norwegen

Frankreich

UK(Engl.N.irl.)

USA

OECD

Linear(Australien)Linear(Deutschland)Poly.(Deutschland)Linear(Kanada)Linear(Norwegen)Poly.(Norwegen)Linear(Frankreich)Poly.(Frankreich)Linear(UK(Engl.N.irl.))Linear (USA)

Poly. (USA)

FINFl.(BE)

SE

AT

SKDK

PL

IRL

IT

y = -0,2x + 14,2R² = 0,125

R² = 0,4821

y = -0,2x + 11,6R² = 0,025

R² = 0,4714

y = 0,5x + 6,3R² = 0,3676

y = -0,1x + 8,1R² = 0,0357

R² = 0,6735

y = -0,1x + 5,7R² = 0,003

R² = 0,7797

y = -0,5x + 3,7R² = 0,5208

R² = 0,8929

y = -0,2x - 1,6R² = 0,1429

R² = 0,551

y = 0,2x - 13R² = 0,125

R² = 0,9286

y = x - 22,8R² = 0,5319

R² = 0,7751

-25

-20

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Finnland

Belgien(Fl)

Schweden

Österreich

SlowakischeR.

Dänemark

Polen

Irland

Italien

OECD

Linear(Finnland)Poly. (Finnland)

Linear(Belgien(Fl))Poly.(Belgien(Fl))Linear(Schweden)Linear(Österreich)Poly.(Österreich)Linear(SlowakischeR.)Poly.(SlowakischeR.)Linear(Dänemark)Poly.(Dänemark)

KOR

NL

JP

EE

CZ

CY

ES

y = -7,7x + 33,9R² = 0,9836

y = -2,6x + 22,4R² = 0,9494

y = -3,3x + 22,3R² = 0,8176

y = -2,4x + 15,2R² = 0,929

y = -3x + 15,6R² = 0,9868

y = -2,1x - 1,1R² = 0,8963

y = -2,1x - 10,1R² = 0,8289

-30

-20

-10

0

10

20

30

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Korea

Niederlande

Japan

Estland

TschechischeR.

Zypern

Spanien

OECD

Linear (Korea)

Linear(Niederlande)

Linear (Japan)

Linear (Estland)

Linear(TschechischeR.)Linear (Zypern)

Page 49: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 41

ANH-Abb. 9: Schematisierung der Differenzen der Verteilungswerte der Länder vom internationalen Durchschnitt (MATHEMATIK),

Werte und Trendlinien, Regressionsgleichungen und R2, Gruppierung der Länder nach steigendem, flachem und fallendem Verlauf,

Wertebereiche Differenzen

(a) Länder mit steigendem Verlauf (b) Länder mit flachem Verlauf (c) Länder mit fallendem Verlauf

-9

-5

-1

1

9

-25

-27

-22

-20

-13

-40-35-30-25-20-15-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40

5.Perz.

25.Perz.

MW

75.Perz.

95.Perz.

USA

UK(Engl.N.irl.)

Frankreich

Norwegen

Deutschland

Kanada

Australien

13

15

14

13

13

-20

-23

-20

-19

-17

-40-35-30-25-20-15-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40

5.Perz.

25.Perz.

MW

75.Perz.

95.Perz.

Italien

Irland

Polen

Dänemark

SlowakischeR.

Österreich

Schweden

Belgien(Fl)

Finnland

28

17

10

2

-3

-14

-12

-16

-19

-21

-40-35-30-25-20-15-10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40

5.Perz.

25.Perz.

MW

75.Perz.

95.Perz.

Spanien

Zypern

TschechischeR.

Estland

Japan

Niederlande

Korea

Page 50: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

42 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

Indexdarstellung der Abweichungen der Verteilungswerte der PIAAC-Länder vom

internationalen Durchschnitt

ANH-Abb. 10 und ANH-Abb. 11 zeigen in der Indexdarstellung den Verlauf der Werte in den Ländern

im Vergleich zum Durchschnitt. Hier kann man die Position Österreichs deutlicher sehen als in der

Darstellung der absoluten Werte. Das Profil liegt in Mathematik höher als im Lesen, zeigt aber in

beiden Kompetenzbereichen ein charakteristisches kompensatorisches Muster, indem die Werte im

5%-Perzentil relativ besser sind als im 95%-Perzentil. In Mathematik liegen alle Perzentilwerte über

dem Durchschnitt, im Lesen sinkt der Wert bereits beim 25%-Perzentil unter den Durchschnitt. In der

Indexdarstellung ergibt sich folgende Identifikation der Länder nach den drei möglichen Mustern:

- Egalitär: in einer Minderheit von teilweise sehr unterschiedlichen Ländern ist der Abstand zum

Durchschnitt im gesamten Leistungsspektrum ähnlich, darunter alle Nordischen Länder (Norwegen in

beiden Bereichen, Finnland und Dänemark im Lesen, Schweden in Mathematik), drei kontinentale

Länder (Niederlande und Belgien-Flandern im Lesen, Deutschland in Mathematik), sowie Polen und

Italien in Mathematik; diese Länder liegen in sieben von zehn Fällen über dem Durchschnitt

- Kompensatorisch: außer Österreich befinden sich weitere sechs Länder in diesem ‚anti-elitären‘

Muster, in dem der Abstand zum Durchschnitt vom niedrigsten Perzentilwert zum höchsten

systematisch geringer wird, darunter befinden sich in beiden Kompetenzbereichen Japan und Korea,

drei Übergangsländer (Tschechische und Slowakische Republik sowie Estland), und Zypern; diese

Profile liegen v.a. in Mathematik in beträchtlichem Maße über dem Durchschnitt; allein in Mathematik

zeigen auch Finnland und Dänemark, sowie Belgien-Flandern und Niederlande dieses Profil.

- Elitär: die größte Zahl an Ländern findet sich schließlich im dritten Muster, das eigentlich den elitären

Erwartungen entsprechen würde, hier steigt der Abstand zum Durchschnitt mit steigendem

Leistungsniveau mehr oder weniger stark an, darunter befinden sich alle anglophilen liberalen Länder

(UK, USA, Kanada, Irland, Australien), zwei mediterrane Länder (Frankreich, Spanien) in beiden

Bereich und Italien im Lesen, sowie Deutschland, Polen und Schweden im Lesen); die Profile dieser

Länder liegen groß teils unter dem Durchschnitt.

Page 51: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 43

ANH-Abb. 10: Leseleistungen nach Perzentilen relativ im Ländervergleich

(Durchschnitt=100%)

105%106% 105% 106% 106%

92%

95%96%

97% 98%

91% 91%92%

92%93%

119%

111%

108%

106%

104%

102%

99%99% 98% 98%

86%

91%

92%

94%

95%

80%

85%

90%

95%

100%

105%

110%

115%

120%

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Australien

Belgien(Fl)

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Irland

Italien

Japan

Kanada

Korea

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Schweden

SlowakischeR.

Spanien

TschechischeR.

USA

UK(Engl.N.irl.)

Zypern

OECD80%

85%

90%

95%

100%

105%

110%

115%

120%

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Japan

Estland

SlowakischeR.

TschechischeR.Korea

OECD (=100)

Österreich

Zypern

80%

85%

90%

95%

100%

105%

110%

115%

120%

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Finnland

Niederlande

Norwegen

Belgien(Fl)

OECD (=100)

Dänemark

80%

85%

90%

95%

100%

105%

110%

115%

120%

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Australien

Schweden

Kanada

OECD (=100)

UK(Engl.N.irl.)

USA

Deutschland

Polen

Irland

Frankreich

Spanien

Italien

Page 52: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

44 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

ANH-Abb. 11: Mathematikleistungen nach Perzentilen relativ im Ländervergleich

(Durchschnitt=100%)

109%

105%105%

104% 104%

85%

92%

94%

97%97%

90% 90%

92%93%

94%

120%

110%

107%

105%

103%

107%

103%102%

102%101%

84%

91%91%

92%93%

80%

85%

90%

95%

100%

105%

110%

115%

120%

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Australien

Belgien(Fl)

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Irland

Italien

Japan

Kanada

Korea

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Schweden

SlowakischeR.

Spanien

TschechischeR.

USA

UK(Engl.N.irl.)

Zypern

OECD80%

85%

90%

95%

100%

105%

110%

115%

120%

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Japan

Finnland

Belgien(Fl)

Niederlande

Dänemark

TschechischeR.SlowakischeR.

Österreich

Estland

OECD (=100)

Zypern

Korea

80%

85%

90%

95%

100%

105%

110%

115%

120%

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

Schweden

Norwegen

Deutschland

OECD (=100)

Polen

Italien

80%

85%

90%

95%

100%

105%

110%

115%

120%

5.Perz. 25.Perz. MW 75.Perz. 95.Perz.

OECD (=100)

Australien

Kanada

UK(Engl.N.irl.)

Irland

Frankreich

USA

Spanien

Page 53: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 45

Analysen zur Typologisierung der Länder bezüglich der Verteilung der Kompetenzen in Lesen

und Mathematik lt. PIAAC

Hier wird eine Typologisierung der Teilnehmerländer an PIAAC vorgenommen, die die Verteilung der

Kompetenzen in Lesen und in Mathematik betrachtet, ohne die Relation zum Durchschnitt zu

berücksichtigen. Es wird jeweils die Ratio zwischen dem 95%Perzentil und dem 5%Perzentil und die

durchschnittliche Differenz zwischen den Perzentilwerten berücksichtigt (letzteres berücksichtigt

zusätzlich besonders deutliche Sprünge zwischen den Perzentilen, die in einigen Ländern

vorkommen, auch wenn der Unterschied zwischen dem Spitzen- und dem Basisbereich gering ist).

Zuerst werden die Indikatoren einzeln dargestellt (ANH-Abb. 12), dann werden sie für die beiden

Kompetenzbereiche kombiniert (ANH-Abb. 13), und schließlich wird eine Rangordnung über beide

Dimensionen aufgestellt (ANH-Tab. 1) und schließlich wird eine Typologie aufgestellt, die die beiden

Kompetenzdimensionen kreuzklassifiziert (ANH-Abb. 14).

Diese Darstellungen geben ein deutlicheres Bild der Diversität, die in diesen Typologien steckt. In

Mathematik ergeben sich ziemlich deutlich drei Gruppen von Ländern, lediglich Norwegen und

Schweden fallen hier etwas heraus, da die Perzentil-Ratio in der mittleren Kategorie liegt, aber die

durchschnittliche Differenz etwas erhöht ist. Im Lesen gibt es eher zwei Gruppen von Ländern, wobei

sich die Mittelgruppe von der Gruppe mit hohen Unterschieden nur fließend unterscheidet. Die

Gruppe der Länder mit kleinen Unterschieden ist eher klar abgegrenzt. Dies zeigt sich auch in der

kombinierten Typologie, indem im Bereich der kleinen Unterschiede die Mehrheit der Länder

konsistent zugeordnet werden (Japan, Tschechische Republik, Zypern, Korea, Österreich, und

Belgien-Flandern), auch die Slowakische Republik und Estland befinden sich konsistent in den beiden

Gruppen mit niedrigen Unterschieden, nur Norwegen ist inkonsistent zugeordnet. Im Bereich mit

großen Unterschieden sind jedoch nur zwei Länder (USA und UK) konsistent zugeordnet, während

die Mehrheit der Länder in den beiden Bereichen unterschiedlich zugeordnet ist.

Page 54: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

46 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

ANH-Abb. 12: Ratio zwischen 95%Perzentil und 5%Perzentil und durchschnittliche Perzentildifferenzen

Quelle: Statistik Austria, PIAAC, eigene Berechnung und Darstellung

1,5

1,6

1,7

1,8

1,9

2,0

2,1

2,2

2,3

Jap

an

Tsch

ech

isch

eR.

Estl

and

Zyp

ern

Slo

wak

isch

eR.

Ko

rea

Öst

erre

ich

Fin

nla

nd

Be

lgie

n(F

l)

Dän

emar

k

Nie

de

rlan

de

OEC

D

De

uts

chla

nd

Sch

wed

en

No

rwe

gen

Po

len

Ital

ien

Kan

ada

UK

(En

gl.N

.irl.)

Au

stra

lien

Irla

nd

Span

ien

Fran

krei

ch

USA

Mathematik 95%Perzentil / 5%Perzentil

31,5

36,5

41,5

46,5

51,5

Jap

an

Tsch

ech

isch

eR.

Estl

and

Ko

rea

Zyp

ern

Slo

wak

isch

eR.

Öst

erre

ich

Ital

ien

Be

lgie

n(F

l)

Dän

emar

k

Nie

de

rlan

de

Fin

nla

nd

Po

len

OEC

D

De

uts

chla

nd

Span

ien

Irla

nd

No

rwe

gen

Sch

wed

en

UK

(En

gl.N

.irl.)

Kan

ada

Au

stra

lien

Fran

krei

ch

USA

Mathematik durchschnittliche Perzentildifferenz (5%, 25%, MW, 75%, 95%)

1,5

1,6

1,7

1,8

1,9

2,0

2,1

Jap

an

Slo

wak

isch

eR.

Tsch

ech

isch

eR.

Zyp

ern

Ko

rea

Estl

and

Öst

erre

ich

No

rwe

gen

OEC

D

Be

lgie

n(F

l)

Fin

nla

nd

Nie

de

rlan

de

Dän

emar

k

De

uts

chla

nd

Au

stra

lien

Ital

ien

UK

(En

gl.N

.irl.)

Irla

nd

Sch

wed

en

Po

len

Kan

ada

USA

Fran

krei

ch

Span

ien

Lesen 95%Perzentil / 5%Perzentil

31,5

33,5

35,5

37,5

39,5

41,5

Jap

an

Slo

wak

isch

eR.

Tsch

ech

isch

eR.

Zyp

ern

Ko

rea

Öst

erre

ich

Estl

and

Ital

ien

No

rwe

gen

OEC

D

Be

lgie

n(F

l)

Dän

emar

k

De

uts

chla

nd

Irla

nd

Po

len

Nie

de

rlan

de

UK

(En

gl.N

.irl.)

Fran

krei

ch

Span

ien

Au

stra

lien

Fin

nla

nd

USA

Kan

ada

Sch

wed

en

Lesen durchschnittliche Perzentildifferenz (5%, 25%, MW, 75%, 95%)

Page 55: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit · So hat es beispielsweise auch im berühmten ‚Siegerland‘ Finnland fortgesetzte politische Auseinandersetzungen um

I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 47

ANH-Abb. 13: Kreuzklassifikation der Indikatoren zu den Leistungsverteilungen in Lesen und Mathematik

Quelle: Statistik Austria, PIAAC, eigene Berechnung und Darstellung

AU

BEDK

DE

EE

FI

FR

IE

IT

JP

CN

KR

NL

NO

AT

PL

SE

SK

ES

CZ

US

UK

CY

OECD

R² = 0,8271

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2

Lese

n d

urc

hsc

hn

.Dif

ere

nz

Pe

rz.

Lesen Perz95/Perz5

AU

BEDK

DE

EE

FI

FR

IE

IT

JP

CN

KR

NL

NO

AT

PL

SE

SK

ES

CZ

US

UK

CY

OECD

R² = 0,8343

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

1,6 1,7 1,8 1,9 2 2,1 2,2 2,3M

ath

em

atik

du

rch

sch

n.D

ife

ren

z P

erz

.Mathematik Perz95/Perz5

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48 — Lassnigg / Bildungsungleichheit — I H S

ANH-Tab. 1: Kombinierte Rangordnung Ranking Lesen Ranking Mathematik Rankung zusammen Lesen und Mathematik

23 Japan 23 Japan 23 Japan 23 22 SlowakischeR. 22 TschechischeR. 22 21 TschechischeR. 21 Estland 21 TschechischeR. 21,5 20 Zypern 20 SlowakischeR. 20,25 Zypern 19,5 Zypern 19,75 Estland 19,25

19 Korea 19 Korea 19 Korea 19 18 SlowakischeR. 18,5 Estland 17,5 17 Österreich 17,5 Österreich 17 Österreich 17,25 16 15 Norwegen 15,5 Belgien(Fl) 15 Belgien(Fl) 14,75 Belgien(Fl)- 14,5

Dänemark 14 14 Finnland 14 13 Niederlande 13 Dänemark 13,25 Italien 12,5 Italien 12,25 Dänemark 12,5 Niederlande 12 12 Italien 12 Norwegen 12 Deutschland 11,5 Finnland 11,5 11 Niederlande 11 Deutschland 11 Deutschland 11,25 10 Polen 10,5

Irland 9 9 Finnland 9 Polen 9 Schweden 8,5

8 UK(Engl.N.irl.) 8 Norwegen 8,5 Australien 7,5 7 Polen 7,5 Irland 7,5 Irland 6 UK(Engl.N.irl.) 6,75 6 Spanien 6 Schweden 6 Kanada 5,5 5 UK(Engl.N.irl.) 5,5 Australien 5,75 Spanien 4,75 Frankreich 4,5 Kanada 4,25

4 Australien 4 Spanien 3,5 Schweden 3,5 Kanada 3 3 USA 3 Frankreich 3,25 2 Frankreich 2 USA 2 1 USA 1

Quelle: Statistik Austria, PIAAC, eigene Berechnung und Darstellung in ANH-Abb. 12 und ANH-Abb. 13 Erläuterung: Werte sind durchschnittliche Rangordnungen aus den jeweils zwei Bereichsindikatoren bzw. aus allen vier Indikatoren; Klassifikation in fünf Gruppen von Rangplätzen 1-4, 5-9, 10-14, 15-19, 20-23.

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I H S — Lassnigg / Bildungsungleichheit — 49

ANH-Abb. 14: Klassifikation der Länder nach der PIAAC-Leistungsverteilung in Lesen

und Mathematik (kombinierte Rangordnungen der 95%/5%Perzentil-Ratio und der

durchschnittlichen Differenz zwischen den Werten der 5%, 25%, MW, 75%, 95%

Perzentile)

(a) konsistent ausgeprägte Typen (14 Länder inklusive Österreich)

LESEN

MATHE-MATIK

Unterschiede niedrig (Rang 1-4)

(zwischen) Unterschiede mittel (Rang

10-14) (zwischen)

Unterschiede hoch (Rang 20-23)

Unterschiede niedrig (Rang 1-4)

Japan Tschechische Rep.

Estland Zypern

(zwischen) Slovakische Rep.

ÖSTERREICH Korea

Unterschiede mittel (Rang 10-14)

Dänemark Deutschland

(zwischen) UK-England& Nordirland

Spanien Kanada Frankreich

Unterschiede hoch (Rang 20-23)

USA

Legende: Fett = Länder, die auf beiden Kompetenzbereichen jeweils konsistent nach beiden Indikatoren in einem Feld der fünf Kategorien von Rängen liegen Normal = Länder, die zwar in der Richtung auf beiden Kompetenzbereichen konsistent über oder unter der Mittelgruppe liegen, und zumindest einem der zwei oberen bzw. unteren Felder der fünf Kategorien von Rängen zugeordnet sind

(b) nicht konsistent ausgeprägte Typen (9 Länder)

LESEN

MATHE-MATIK

Unterschiede niedrig (Rang 1-4)

(zwischen) Unterschiede mittel (Rang

10-14) (zwischen)

Unterschiede hoch (Rang 20-23)

Unterschiede niedrig (Rang 1-4)

(zwischen)

Unterschiede mittel (Rang 10-14)

Belgien (Fl.) (Italien) Niederlande

Finnland - ++ Polen ++

(zwischen) Norwegen Irland Schweden

Unterschiede hoch (Rang 20-23)

Australien

(Fett und kursiv in Klammer) = widersprüchliche Zuordnung, in beiden Kompetenzbereichen auf den Indikatoren in gegenläufiger Richtung von der Mittelgruppe abweichend (nur Italien) Normal = schwächer ausgeprägte Strukturen, Länder, die jeweils auf einem Indikator pro Fachbereich in der Mittelgruppe liegen und im anderen eine oder zwei Kategorien über oder unter der Mittelgruppe liegen (-, -- oder +, ++) Fett = etwas stärker ausgeprägte Struktur, in zumindest einem Fachbereich konsistent auf beiden Indikatoren von der Mittelgruppe abweichend

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Author: Lorenz Lassnigg

Title: Das ‚österreichische Modell‘ der Bildungsungleichheit: Hohe soziale Reproduktion, starke

Umverteilung, politische Polarisierung

Reihe Soziologie / Sociological Series 00

Editor: Beate Littig

ISSN: 1605-8011

© 2015 by the Department of Sociology, Institute for Advanced Studies (IHS),

Josefstädter Strasse 39, A-1080 Vienna +43 1 59991-0 Fax +43 1 59991-555

http://www.ihs.ac.at

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ISSN: 1605-8011


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