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Darmstädter Arbeiten zur - download.e-bookshelf.de · Ein Argument zur Frage der Rechtsgeltung mit...

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Darmstädter Arbeiten zur Literaturwissenschaft und Philosophie

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Darmstädter Arbeiten zur Literaturwissenschaft und Philosophie

Herausgegeben von

Matthias Luserke-Jaqui und Gerhard Gamm

Band 15

Liza Mattutat

Die vertrackte Urteilsform Ein Argument zur Frage der Rechtsgeltung mit und gegen

Hans Kelsen, Gustav Radbruch und Carl Schmitt

Tectum Verlag

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Liza Mattutat Die vertrackte Urteilsform. Ein Argument zur Frage der Rechtsgeltung mit und gegen Hans Kelsen, Gustav Radbruch und Carl Schmitt Darmstädter Arbeiten zur Literaturwissenschaft und Philosophie; Band 15 Tectum Verlag Marburg, 2016 ISBN: 978-3-8288-6384-2 (Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter der ISBN 978-3-8288-3699-0 im Tectum Verlag erschienen.) ISSN: 1868-2847 Umschlagabbildung: Kladderadatsch, XVI. Jahrgang (1863), Nr. 6, S. 24 (Abbildung leicht bearbeitet). Alle Rechte vorbehalten Besuchen Sie uns im Internet www.tectum-verlag.de

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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Inhalt

1 Einleitung ......................................................................... 7

2 Rekonstruktion ............................................................. 17

2.1 Die Grundnorm als transzendental-logische Voraussetzung in Hans Kelsens Reiner Rechtslehre ................. 17

2.2 Die Grundnorm als Naturrechtssatz in Gustav Radbruchs Rechtsphilosophie ..................................... 32

3 Provokation ................................................................... 51

3.1 Die selbstständige Bedeutung der Dezision in Carl Schmitts Politischer Theologie .......................................... 51

3.2 Die Nichtableitbarkeit von Urteil und Geltung – Kritik des Normativismus .......................................................... 65

4 Reflexion ........................................................................ 73

4.1 Der notwendige Schein der Urteilsform ................................... 73

4.2 Zurückweisung von Dezisionismus und Relativismus ........ 88

4.3 Praktisches Vorausgesetztsein statt theoretisches Voraussetzen der Geltung .......................................................... 98

5 Schluss .......................................................................... 103

6 Literatur ........................................................................ 109

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1 Einleitung

Die Idee der Herrschaft des Gesetzes ist fast so alt wie die politische Philosophie selbst. Von Aristoteles’ Politik1 bis zu zeitgenössischen Fassungen von rule of law und Rechtsstaat2 hält sich die Forderung durch, mittels Einrichtung einer Rechtsordnung jede Form willkür-licher Herrschaft von Menschen über Menschen abzuschaffen und stattdessen eine wahrhaft allgemeine Herrschaft des Gesetzes zu er-richten. Das Recht muss, soll diese Forderung realisiert werden, auch für die staatliche Autorität und damit unabhängig von der In-stanz, die es kodifiziert und durchsetzt, gelten, da es sich sonst nicht als rationale Form und Begrenzung staatlicher Machtausübung, sondern als bloß ideologische Hülle und letztlich als Instrument derselben darstellte. Das positive Recht sucht daher seine Geltungs-gründe jenseits von Macht- und Kraftverhältnissen und findet diese entweder in dem Nachweis, einem überpositiven – göttlichen, na-türlichen oder vernünftigen – Recht zu entsprechen, oder in der Konstruktion eines logisch widerspruchsfreien und lückenlosen Sys-tems genereller Normen. In den im weitesten Sinne naturrechtlichen Systemen wurde die Herrschaft des Gesetzes als „Herrschaft des materialen Gesetzes“3 formuliert. Als Gesetz gilt ihnen nur, was ei-nem überpositiven Recht entspricht: Der Geltungsgrund von Rechts-normen ist ihre Übereinstimmung mit dem rationalen Prinzip (ius rationale oder Vernunftrecht), ihre Verwirklichung der menschlichen

1 Aristoteles: Politik. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2012, S. 109 (Buch III,

1282b2). 2 Zum Unterschied von ‚Rule of Law‘ und ‚Rechtsstaat‘ siehe Neumann,

Franz: Der Funktionswandel des Gesetzes im Recht der bürgerlichen Ge-sellschaft. In: Ders.: Demokratischer und autoritärer Staat. Beiträge zur Soziologie der Politik. Frankfurt a. M.: Fischer, 1986, S. 31-81; hier: S. 51-55.

3 Neumann, Franz: Die Herrschaft des Gesetzes. Eine Untersuchung zum Verhältnis von politischer Theorie und Rechtssystem in der Konkurrenz-gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1980, S. 70. Hervorhebung L. M. Neumann will hier nicht auf den Unterschied von formellem Gesetz als Beschluss, der von der zuständigen Körperschaft gemäß dem vorge-schriebenen Gesetzgebungsverfahren gefasst wurde, und materiellem Ge-setz als hoheitliche Anordnung allgemeinen Charakters hinaus. Ihm geht es um den Geltungsgrund von Gesetzen. Im Naturrecht gelten Rechts-normen kraft ihres Gehalts, ihre Geltung ist in diesem Sinne material.

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Natur, der Normen der Moral (ius naturae oder Naturrecht) oder ih-re Erfüllung des göttlichen Gesetzes oder Willens (ius divinum oder göttliches Recht).4

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verloren diese Systeme zunehmend an Bedeutung. Der Rechtspositivismus stieg auf und entwickelte sich bald zur weitgehend anerkannten Theorie des Rechts. Er kün-digte die Vorstellung eines überpositiven Rechts auf und behauptete damit die Identität von Recht und Gesetz: Dem Rechtspositivismus ist alles Recht gesetztes Recht, Recht mit Gesetz identisch. Soll den-noch an der Idee der Herrschaft des Gesetzes festgehalten werden, muss sich das Recht als vollständiges und logisch konsistentes Normensystem darstellen lassen, damit „der Richter dieses Nor-mensystem nur anzuwenden [braucht], um den Willen des Gesetzes zum Ausdruck zu bringen, so daß trotz der Anwendung durch Menschen doch nur die Norm in ihrer Reinheit herrsch[t].“5 Die Herrschaft des Gesetzes ist hier die Herrschaft des formalen Geset-zes6: Rechtsnormen gelten, wenn sie in einem Verfahren erzeugt wurden, das eine durch höherstufigere Normen bestimmte Form einhält. Dass das Gesetz herrscht, bedeutet dann, dass der Staat das Recht, das er setzt, selbst beobachten muss – sodass sich die staatli-che Machtausübung demokratisch, transparent und für die Norma-dressaten berechenbar darstellt.

Es ist diese Art der Herrschaft des Gesetzes, die wir als ‚Rechts-staatsprinzip‘ kennen und die in der BRD etwa durch den Artikel 20 des Grundgesetzes garantiert sein soll: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“7 Die Frage nach Art und Weise dieser ‚Bindung‘ des Staates an das von ihm er-lassene Gesetz ruft die Frage nach der Geltung von Rechtsnormen auf den Plan: „Wenn das Gesetz nichts ist als der Wille des Staates in rechtlicher Form, so kann das Postulat der Gesetzesherrschaft keine Begrenzung für die Macht des Souveräns darstellen. Ein der- 4 Einige Schwierigkeiten, die eine solche Position mit sich bringt, werden

hier im Zusammenhang mit Gustav Radbruchs wertrelativistischer The-orie diskutiert, die sich in der Rekonstruktion als eine Variante der Na-turrechtslehre erweist (s. S. 45ff.).

5 Neumann 1986, S. 69. 6 Auch hier soll ‚formal‘ nicht die Gesetzesform qualifizieren, sondern den

Geltungsgrund von Gesetzen (vgl. Anm. 3). 7 Art 20 Abs. 3 GG.

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art entmaterialisiertes Gesetz bindet den Gesetzgeber nicht.“8 Auch der Rechtspositivismus muss sich daher bemühen, die Geltung des Gesetzes als von der Macht des Staates verschieden zu begreifen.

In der rechtspositivistischen Theorie wird die Frage nach der Gel-tung von Rechtsnormen analog zur Frage nach der Wahrheit von Aussagen verhandelt. So wie die Wahrheit einer Aussage genau dann gesichert sein soll, wenn sie als Folge eines gültigen Schlusses aus wahren Prämissen ausgewiesen werden kann, gilt eine Rechts-norm in diesen Theorien genau dann, wenn sie auf andere geltende Normen zurückgeführt werden kann. „Der Geltungsgrund einer Norm kann nur die Geltung einer anderen Norm sein.“9 Als ‚indivi-duelle Normen‘ aufgefasste Rechtsurteile sind gültig, wenn sie aus einer generellen Norm folgen. Generelle Normen gelten, wenn sie der Verfassung entsprechen. Die Verfassung gilt, wenn sie „im We-ge einer verfassungsmäßigen Verfassungsänderung“10 zustande ge-kommen ist und so weiter und so fort.

Ginge es wirklich bloß ‚so weiter und so fort‘, wäre mit diesem Ver-such keine Antwort auf die Frage nach der Geltung gegeben. Die vermeintliche Antwort – eine Rechtsnorm gilt, wenn sie auf gelten-de Rechtsnormen zurückgeführt werden kann – wäre in Wahrheit eine Wiederholung der Frage auf jeder Stufe der Begründung. Denn die begründende(n) Norm(en) wäre(n) je in gleicher Weise der Be-gründung bedürftig. Ein infiniter Regress entstünde. „Die Geltung [der] höchsten, die Einheit der Rechtsordnung allererst stiftenden und gewährleistenden Rechtsnorm kann demnach mit den Mitteln des positiven Rechts – sprich: rechtsordnungsimmanent – nicht be-gründet werden.“11 Ist aber die Geltung der höchsten Norm nicht gesichert, steht die Geltung aller Rechtsnormen, die auf ihrer Gel-tung beruhen soll, infrage.

8 Neumann 1980, S. 69. Wer oder was der ‚Souverän‘ ist und was sinnvoll

unter dem Begriff ‚Staat‘ gefasst werden kann, sind Fragen, die sich wei-ter hinten noch stellen werden. Sie sollen hier nicht vorschnell entschie-den werden. Neumanns Gleichsetzung von ‚Staat‘, ‚Souverän‘ und ‚Ge-setzgeber‘ ist daher mit Vorsicht zu genießen.

9 Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre. Wien: Verlag Österreich, 2000, S. 196. 10 Ebd., S. 203. 11 Jestaedt, Matthias: Hans Kelsens Reine Rechtslehre. Eine Einführung. In:

Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre. Studienausgabe der 1. Auflage von 1934. Tübingen: Mohr Siebeck, 2008, S. XI-LXVI; hier S. XLIII. Hervorhe-bung im Original.

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Die positivistische Theorie begegnet diesem Problem durch einen Abbruch des Begründungsverfahrens: Sie formuliert einen „Regreß, der letztlich in der Grundnorm mündet, der […] Grundregel und sohin dem obersten Geltungsgrund.“12 Dabei ist die Grundnorm in manchen Modellen gesetzte, materiale Norm, aus „deren Inhalt sich der Inhalt der die Ordnung bildenden Normen als das Besondere unter das Allgemeine subsumieren“13 lassen soll. In anderen Model-len hat die Grundnorm „formal-dynamischen Charakter“14 oder nur den Status einer „transzendental-logische[n] Voraussetzung“15 wirk-licher Rechtsakte. Auch der Zusammenhang der Rechtsnormen un-tereinander ist nicht immer als Verhältnis materialer Implikation gefasst, sondern kann auch formaler Natur sein. Im einen Fall gelten Rechtsnormen aufgrund ihres Gehalts, der aus der inhaltlich be-stimmten Grundnorm deduziert ist, im anderen aufgrund der Form ihrer Erzeugung. Gemeinsam bleibt den verschiedenen Weisen, die Grundnorm und den Zusammenhang der Rechtsnormen mit ihr und untereinander zu bestimmen, dass sie Geltung als von Stufe zu Stufe der Rechtsordnung bewahrbar begreifen. Gegen diese Vorstel-lung sollen hier einige Argumente vorgebracht werden. Die Kritik setzt nicht an dem schon häufig angegriffenen Punkt an, dass die Geltung auf der höchsten Stufe bloß (voraus-)gesetzt sein kann, sondern richtet sich gegen die Weise, in der der Zusammenhang der Stufen untereinander gedacht wird.

Um diese Kritik in Auseinandersetzung mit dem Kritisierten zu entwickeln, sollen zunächst zwei bekannte normativistische Gel-tungsmodelle rekonstruiert werden: Hans Kelsens konsequent posi-tivistische Theorie, die er besonders in der Reinen Rechtslehre16 vor-gestellt hat, und Gustav Radbruchs wertrelativistische Theorie, die in der am weitesten ausgearbeiteten Fassung in Radbruchs Rechts-

12 Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre. Studienausgabe der 1. Auflage 1934.

Tübingen: Mohr Siebeck, 2008, S. 85. 13 Ebd., S. 73f. 14 Ebd., S. 75. 15 Kelsen 2000, S. 204. 16 Kelsen 2008 [1934] und Kelsen 2000 [1960]. Die Ausgabe aus dem Jahr

1960 ist deutlich umfangreicher als die Fassung von 1934 und weist teil-weise auch inhaltliche Unterschiede auf. Hier wird mit beiden Fassungen gearbeitet. Abweichungen der einen von der anderen werden, wo nötig, in den Fußnoten kenntlich gemacht und diskutiert.


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