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Crowdsourcing - Themenspecial vom Online-Wirtschaftsmagazin BusinessVALUE24

Date post: 03-Jul-2015
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Lassen Sie doch einfach mal den Kunden die Arbeit machen. Crowdsourcing heißt das Zauberwort. Immer mehr Unternehmen in Deutschland nutzen die Fantasie der Internetgemeinde. Dutzende, Hunderte, manchmal Tausende Menschen entwerfen gemeinsam Shampoos, Müsli-Riegel oder einfach nur Logos. Was bei den großen Konzernen schon ein gängiges Marketing-Instrument ist, bietet auch dem Mittelstand große Chancen. Die Schwarmintelligenz hilft dabei, besser auf die Wünsche der Zielgruppe einzugehen. Crowdsourcing stärkt auch die Markentreue der Kunden. Doch wo liegen die Grenzen dieses neuen Trends? BusinessVALUE24 hat sich in einer neuen Serie mit den Ursprüngen, Chancen und Risiken von Crowdsourcing auseinandergesetzt. Wir haben Strategen, Wissenschaftler und Unternehmen befragt. Jede Woche widmen wir uns einem neuen Aspekt dieses Trends.
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souRcing crowd BusinessVALUE24 widmet Crowdsourcing ein Themen- special und beleuchtet in dieser Serie die Ursprünge, Chancen und Risiken des Trends Lesen Sie jede Woche mehr auf BusinessVALUE24: www.businessvalue24.de
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Page 1: Crowdsourcing - Themenspecial vom Online-Wirtschaftsmagazin BusinessVALUE24

souRcingcrowd

BusinessVALUE24 widmet Crowdsourcing ein Themen-

special und beleuchtet in dieser Serie die Ursprünge, Chancen und Risiken des Trends

Lesen Sie jede Woche mehr auf BusinessVALUE24:www.businessvalue24.de

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Immer mehr Unternehmen in Deutschland nutzen die Fantasie der Internetgemeinde, um Produk-te herzustellen oder neue Ideen zu generieren. Crowdsourcing nennt sich das Phänomen, bei dem Marketing-Profis glänzende Augen bekommen. Viele große Konzernen profitieren bereits von Crowdsourcing, Open Innovation oder Mass Customization und lassen ihre Kunden für sich arbei-ten. Auch dem Mittelstand bietet das Marketing-Instrument große Chancen. Die Schwarmintelligenz hilft, besser auf die Wünsche der eigenen Zielgruppe einzugehen. Crowdsourcing stärkt auch die Markentreue der Kunden. Doch wo liegen die Grenzen dieses neuen Trends? BusinessVALUE24 hat sich in einer neuen Serie mit den Ursprüngen, Chancen und Risiken von Crowdsourcing auseinan-dergesetzt. Wir haben Strategen, Wissenschaftler und Unternehmen befragt. Jede Woche widmen wir uns einem neuen Aspekt dieses Trends. Den Anfang macht dieses e-Book mit einigen ausge-wählten Artikeln. Mehr lesen Sie in den kommenden Wochen immer montags auf www.businessvalue24.de. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!

Über uns: BusinessVALUE24 ist ein Online-Wirtschaftsmagazin für den Mittelstand. Wir berichten schwerpunktmäßig über Social Media-Trends und aktuelle Entwicklungen im mobile Commerce.

Vorwort

© Vladimir Wrange - Fotolia.com

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Inhalt

"Wir stellen einen Bastelbogen ins Internet"

S. 12

Der Verbraucher als Designer: Bei der Plattform „unserAller“ entwerfen Facebook-Mitglieder lauter neue Produkte.

Fleissige Könige • Über die Kunst den Kunden zur Mitarbeit anzuregen

S. 9

Crowdsourcing ist derzeit in aller Webmunde. Doch wie bekomme ich König Kunde dazu für mich zu arbeiten?

Wie der kunde arbeiten lernt

S. 6

Beim Crowdsourcing wird der Konsument zum „arbeitenden Kunden“. „Es ist ein neues Feld von Arbeit, und es ist nicht immer spaßig.“

Crowdsourcing • Viele Köche und ein Einheitsbrei?

S. 3

Zukunftstrend oder Arbeitsplatzvernichtung? Crowdsourcing ist umstritten.

"Bei Mass Customization die Auswahl nicht übertreiben!"

S. 15

Der Salzburger Marketingprofessor Prof. Domi-nik Walcher warnt vor den Fallstricken der Mass Customization.

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Crowdsourcing

Crowdsourcing - Einige halten es für den Trend der nächsten Jahre. Kritiker befürchten Arbeitsplatz-verluste. Erfahren Sie jetzt, was Crowdsourcing ist, welche Gestaötungsmöglichkeiten Unternehmen haben und wo Risiken lauern.

Viele Köche und ein Einheitsbrei?

Was haben Schokolade, Duschgel und Autos gemeinsam? Bei all diesen Produkten haben sich in jüngster Zeit Tausende Internetnutzer zusammengetan und neue Geschmacksrich-tungen, Düfte und technische Leistungen mi-tentwickelt. Und das kann man jetzt oder in

naher Zukunft kaufen: als Ritter-Sport Scho-kolade „Cookies & Cream“, als Duschgel der dm-Eigenmarke und als Kleinwagen Fiat 500. Wenn Kunden plötzlich zu Designern und Pro-duktentwicklern werden, gibt es ein Wort da-für: Crowdsourcing.

©unserAller© takaji - Fotolia.com

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Fischen in sozialen NetzwerkenCrowdsourcing ist ein junges Phänomen, das eng mit der Entwicklung des sogenannten Mitmachnetzes Web 2.0 verknüpft ist. Der Be-griff wurde geprägt von dem Amerikaner Jeff Howe, der vor fünf Jahren zum ersten Mal im Magazin „Wired“ über den Zusammenhang von Crowds, also Menschenmengen und Out-sourcing schrieb. Howe definierte Crowdsour-cing als Auslagern von Unternehmensaufga-ben auf die Arbeitskraft und die Intelligenz, die eine große Masse Freizeitarbeiter im Internet zur Verfügung stellt.

Über soziale Netzwerke oder spezielle Crowd-sourcing-Plattformen finden Unternehmen und motivierte Kunden zusammen. Vor allem dank Social Media lassen sich viele Menschen er-reichen: Rund 40 Millionen Deutsche sind mitt-lerweile bei Facebook, StudiVZ und Co. an-gemeldet. Allein im vergangenen Jahr wuchs die Gemeinde um ein Drittel. Bei den Internet-nutzern unter 30 Jahren sind sogar 96 Prozent Mitglied einer Social Community. Diese Ver-netzung birgt großes Potenzial. Sie ermöglicht

es Unternehmen, schnell und unkompliziert mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen, ihnen zuzuhören und sie - letztendlich - zum Teil der Wertschöpfungskette zu machen.

Kunden werden Teil der WertschöpfungCrowdsourcing arbeitet mit einem Mechanis-mus, der„Wisdom of Crowds“ oder zu deutsch „Schwarmintelligenz“ heißt. Ähnlich wie Fische und Vögel in einem Schwarm scheinbar zu ei-nem größeren Individuum verschmelzen, das intelligent auf sein Umfeld reagiert, verhält es sich auch beim Menschen: Die Lösung, die eine Gruppe gemeinsam für ein Problem findet, ist meist besser als das Resultat von Einzelkämp-fern. In seinem Buch „Die Weisheit der Vielen – Warum Gruppen klüger sind als Einzelne“ hat der US-Autor James Surowiecki viele Beispiele zusammentragen, die diese Theorie stützen.

Unternehmen können beim Crowdsourcing die Vorteile der Schwarmintelligenz für sich nut-zen, um bei der Produktentwicklung Kosten zu sparen, neue Ideen zu finden, die Wünsche der eigenen Zielgruppe besser kennenzulernen, die Markentreue zu erhöhen oder Kunden zu begeistern.

Helfer belohnenDie Wege zum Crowdsourcing sind vielfältig: Über offene Ideenwettbewerbe können User konkrete Fragen des Unternehmens beant-worten. Welche Idee am Ende die beste ist, entscheiden dann entweder die Community oder das Unternehmen selbst. Eine andere Möglichkeit bieten sogenannte virtuelle Micro-jobs, bei denen Unternehmen einzelne Aufga-be „anbieten“, die von der Community erledigt werden können. Auf virtuellen Marktplätzen wie Clickworker oder Mechanical Turk finden arbeitswillige User und Firmen zueinander. Bei solchen Microjobs legen Unternehmen in der Regel vorher fest, wie sie die Arbeit entlohnen. Auch im kreativen Bereich lässt sich Crowd-sourcing häufig sinnvoll einsetzen. Logos oder Grafiken sind eine gute Gelegenheit, um die Fantasie der Crowd „anzuzapfen“. Aus den

Beim Crowdsourcing ziehen viele User an einem Strang.

© iQoncept - Fotolia.com

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besten Ergebnissen eines Designwettbewerbs können die User am Ende wiederum ihren Fa-voriten wählen.

Daneben gibt es noch weitere Spielarten von Crowdsourcing mit klangvollen Namen wie Mass Customization, Open Innovation oder Crowdfunding. Bei Mass Customization verei-nen sich die Vorteile von Massenproduktion mit denen von Einzelanfertigung. Ein gern zitiertes Beispiel ist „MyMuesli“, ein deutsches Start-up Unternehmen. Kunden können aus einer Vielzahl von Zutaten - von einfachen Hafer-flocken bis hin zu Gummibärchen - genau die auswählen, die sie am liebsten in ihrem Müsli essen möchten. Open Innovation arbeitet an-ders: Hier suchen Unternehmen mit der Inter-netgemeinde nach starken Ideen, Einsparpo-tenzialen in der Produktion oder Lösungen für komplizierte Probleme. So können Organisa-tionen auf einen riesigen Wissenspool zugrei-fen. Wieder ein anderes Ziel verfolgt Crowd-funding. Das Wort setzt sich zusammen aus Crowd und Funding, also Finanzierung oder Mittelbeschaffung. Damit ist das Konzept auch schon auf den Punkt gebracht: Beim Crowd-funding geben viele Menschen (meist kleinere) Geldbeträge, um ein Projekt zu unterstützen. Meist sind es künstlerische oder soziale Vorha-ben, die auf Plattformen wie SellaBand oder Betterplace gefördert werden.

Angst um ArbeitsplätzeTrotz der vielen Vorteile ist Crowdsourcing nicht unumstritten. Kritiker befürchten Arbeitsplatz-vernichtung. Sie bemängeln aber auch, dass die Arbeit der User nicht angemessen entlohnt werde und Kunden ausgebeutet würden. Auch die Frage, wem die Urheberrechte der entwi-ckelten Produkte gehören oder wer bei Mar-kenrechtsverletzungen verantwortlich ist, ist häufig strittig. Crowdsourcing eignet sich da-rüber hinaus nicht für jede Aufgabenstellung. Einem Projekt geht eine intensive Planungs-phase voraus, die klären muss, ob die Ein-beziehung der User im speziellen Fall sinnvoll ist, Es muss ein Konzept geben, was das Ziel

ist und wie die Crowd in die Wertschöpfung einbezogen werden soll. Das funktioniert nur mit qualifizierten Mitarbeitern. Da sind noch zwei ganz generelle Kritikpunkt: Geben Unter-nehmen nicht die Fäden aus der Hand? Und: Kommt bei vielen Köchen nicht ein Einheitsbrei heraus?

Erfahren Sie in den nächsten Wochen mehr auf BusinessVALUE24.

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Wie der Kunde

Beim Crowdsourcing wird der Konsument zum „arbeitenden Kunden“. Für Unternehmen ein zweischneidiges Schwert, findet der Soziologe Prof. Günter Voß: „Es ist ein neues Feld von Arbeit, und es ist nicht immer spaßig.“

arbeiten lernt

Vom Fahrkartenautomaten bis zum Billy-Regal - überall im Alltag schieben Unternehmen ih-ren Kunden einen Teil der Arbeit zu. Ein Bei-spiel, das die Dimensionen verdeutlicht: Die Gäste von McDonald’s, die ihre Tabletts selbst aufräumen, sparen dem Frikadellenbrater weltweit jährlich mehr als 1,8 Milliarden Euro. Geschäftsmodelle wie YouTube spannen ihre User noch viel stärker ein und machen sie zu

„arbeitenden Kunden“, wie sie Soziologe Prof. Günter Voß nennt.

Ökonomische RevolutionDass Käufer mit anpacken, ist eigentlich kein neuer Trend: Clarence Saunders eröffnete in Memphis (USA) schon 1916 mit „Piggly Wig-gly“ den ersten Laden mit Self-Service. In den 1950er Jahren hat die Selbstbedienung

© die-exklusiven - Fotolia.com

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Vom Konsumenten zum arbeitenden KundenDer Soziologe sieht hier einen großen Um-bruch bevorstehen: „Konsumenten müssen immer mehr produktive Leistungen erbringen,

beziehungsweise müssen dies in einer neuen Weise tun.“ Er ist nicht mehr länger nur der, der passiv ist und einkauft, er muss jetzt auch ar-beiten.

„Damit werden sie zu informellen Mitarbeitern, ohne dass ihr ökonomischer Status geklärt ist“, erläutert Prof. Voß. Wenn ein Kunde eine Idee entwickelt, ist er Teil des produktiven Geschäfts des Unternehmens. So bekommt er aus Un-ternehmersicht, aber auch aus seiner eigenen Sicht, eine neue Rolle. „Das wird aber von bei-den Seiten noch nicht so wahrgenommen.“

Für Unternehmen sei das Ganze ein zwei-schneidiges Schwert: Einerseits haben sie durch Crowdsourcing ihr Ohr nah am Konsu-menten und können auf Wünsche und Bedürf-nisse gezielter eingehen. Außerdem stärkt die enge Zusammenarbeit die Kundenbindung. „Andererseits kriegen die Unternehmen Prob-leme, weil sie sich von der Zuarbeit von Laien abhängig machen, aber trotzdem terminge-nau arbeiten müssen.“

Kunden gezielt steuernZu viele Unternehmen machten sich keine Ge-danken um zentrale Fragen wie: „Was kann der Kunde? Wie qualifiziert man ihn? Wie steu-ert man den Kunden? Was gibt man ihm?“, be-mängelt der Experte. Einige Firmen setzen sich mit diesen Fragen auseinander und haben eigene Wege gefunden. So versucht der On-line-Buchhändler Amazon seine Marketplace-Verkäufer zu steuern, indem er sie per E-Mails auffordert, die Ware möglichst schnell an die Kunden zu verschicken.

„Es ist ein neues Feld von Arbeit, und es ist nicht immer spaßig“, sagt Prof. Voß. „Die Kun-den sind manchmal auch renitent, die Crowd kann zurückschlagen. Da müssen vor allem die Kommunikationsmanager aufpassen. Wenn die Crowd böse wird, kann das leicht in einem PR-Desaster enden.“ Davor hätten viele Unter-nehmen auch Angst. „Unternehmen müssen sich jetzt überlegen, wie sie auf positive Art die

Über das Internet und Social Media können Un-ternehmen direkt mit ihren Kunden kommunizieren. Beim Crowdsourcing entwickeln sich Konsumenten zu arbeitenden Kunden - und werden Teil der Wertschöp-fungskette.

schließlich auch Einzug in den deutschen Alltag gehalten. Das Internet brachte dann noch ein-mal neue Möglichkeiten: Die Kunden führen jetzt beim Onlinebanking ihre Überweisungen selbst aus, buchen ihre Reisen im World Wide Web ohne Hilfe eines Reisebüros und geben ihre Pakete in einer Packstation auf. „Der Kun-de macht das in erster Linie für sich selbst“, sagt Prof. Voß. „Auch wenn das Unternehmen hier Kosten auslagern kann.“Doch jetzt kommt Crowdsourcing: Damit erhält das Ganze eine neue Dimension. Die Konsumenten entwickeln sich vom aktiven zum arbeitenden Kunden: Sie erbringen Leistungen, die die Unternehmen intern weiterverwenden können. Damit wer-den sie zu einem Teil der Wertschöpfungskette. „Das ist ökonomisch gesehen die größere Re-volution“, sagt Prof. Voß. „Unternehmen eröff-nen sich eine neue Baustelle zur Nutzung von Arbeitskräften.“

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arbeitenden Kunden binden“, sagt der So-ziologe.

Der Digital DivideAuch für Konsumenten habe Crowdsourcing Vor- und Nachteile. Etwas selbst erledigen zu können, stärkt das Selbstbewusstsein und spart zudem Zeit und Geld. Allerdings könne sich der sogenannte digital divide böse auswirken, so Voß. Damit die Kunden überhaupt mitarbeiten können, brauchten sie die passende Ausrüstung, Qualifikation und Zeit. „Menschen, die den Anforderun-gen nicht gewachsen sind, müssen teilweise mehr für analogen Service zahlen. Es gibt eine Spaltungslinie zwischen denen, die es können, und denjenigen, die es nicht kön-nen.“ Unter den ganz jungen Menschen ent-stehe gerade eine Generation, die es nicht anders kenne. Ähnlich wie wir uns heute die Selbstbedienung nicht mehr wegdenken könnten. „Die Rolle des Kunden ändert sich, es ist aber noch nicht klar, was daraus folgt. Es ist ein Lernprozess.“

Professor Günter Voss lehrt an der Technischen Universität Chemnitz.

Er erforscht unter anderem das Verhält-nis von Produktion und Konsum. Dabei untersucht er beispielsweise, wie Unter-nehmen mit Hilfe neuer Medien, etwa dem Web 2.0, private Arbeit und Kom-petenzen nutzen.

Für unser nächstes Special „Die Welt in 3D - Wie die Technik Werbung und Ver-marktung verändern wird“ suchen wir noch spannende Texte.

Schicken Sie Ihren Artikel bis zum 31.07.2011 einfach an:[email protected]!

Werden SieGastautor!

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Fleissige Könige

Crowdsourcing ist derzeit in aller Webmunde. Forschungs-, Produktions- oder Marketingpro-zesse werden dabei online ausgelagert. Doch viele Unternehmer scheitern häufig an einer Frage: Wie bekomme ich König Kunde dazu für mich zu arbeiten? Ist erst einmal die Zielgrup-pe bekannt, befindet man sich auf dem richtigen Weg.

Über die Kunst den Kunden zur Mitarbeit anzuregen

„Mein Kunde arbeitet für mich, während ich ge-mütlich Kaffee trinke“, wer hat nicht selbst schon oft von dieser Idee geträumt. Vorweg müssen an dieser Stelle aber alle Webträumer ent-täuscht werden. Auch Crowdsourcing bedeutet Arbeit und Anstrengung für ein Unternehmen. Mindestens genauso viel wie im „Real Life“, nur

eben anders als bisher gewohnt. Arbeitende Kunden - viele Unternehmer sehen darin einen Widerspruch. Doch weit gefehlt, denn das A und O sind Systeme und Modelle die anreizen und zum mitmachen verführen. Die Frage nach der Gestaltung solcher Anreizsysteme ist die für Unternehmen wohl spannendste im

© Mog DDL - Fotolia.com

Gastbeitrag Lea Mühlebach

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im Zusammenhang mit Crowdsourcing. Ein einfaches Reiz-Reaktions-Denken ist dabei allerdings nicht ausreichend. Da man es mit Menschen zu tun hat, die aktiv, wandelbar und nicht unbedingt immer rational agieren, verhält sich nun einmal jeder in einer bestimmten Situ-ation anders. Generelle Ratschläge die immer zum gleichen Ergebnis führen, können daher nicht gegeben werden.

Grundsätzlich müssen gewisse Anreize für den Beitritt zu einer Community oder einem Crowdsourcing-Projekt geschaffen werden. Das Ganze fängt bereits bei der Bekanntma-chung einer Community an. Ist ein User auf der Internetseite gelandet, sollte er sehen, was ei-nem Mitglied für Möglichkeiten geboten wer-den, die ihm als bloßem Besucher verwehrt bleiben. Er muss motiviert und überzeugt wer-den, dass die Community ihm einen Mehrwert bieten kann. Nur so werden neue Mitglieder gewonnen.

Doch damit ist die Arbeit seitens des Unter-nehmens nicht getan. Durchschnittlich müssen über 90 Prozent der Mitglieder zusätzlich an-gesprochen und motiviert werden um aktiv tä-tig zu sein. Wie bereits erwähnt, unterscheiden sich Personen hinsichtlich ihrer Beitritts- und Teilnahmemotive an einer Community.

Die Kenntnis dieser Beweggründe ist nun von entscheidender Bedeutung. Sind die Motive erst einmal identifiziert, ist es ein Leichtes, die richtigen Anreize für die unterschiedlichen Ziel-gruppen zu setzen.

Im Allgemeinen nehmen Personen an Crowd-sourcing-Communities und Projekten teil, da sie durch die Partizipation ihre sozialen Be-dürfnisse befriedigt sehen. Sie suchen nach sozialer Anerkennung, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung durch andere Menschen. Aber auch Spaß, Stolz und das Gefühl gebraucht zu werden beziehungsweise etwas zu leisten, spielen eine Rolle. Diese sozialen und intrinsi-schen Motive können als Basismotive

Motivation ist der innere Antrieb ein Ziel zu verfolgen oder eine Handlung auszu-führen.

Die Motivationstheorie unterscheidet zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation:

Extrinsisch bedeutet, dass man etwas tut, weil es einen äußeren Zweck hat. Die Menschen beteiligen sich etwa an einem Crowdsourcing Projekt, weil sie eine Ge-genleistung erwarten. Das ist immer der Fall, wenn es zum Beispiel Prämien oder eine Entlohnung gibt.Intrinsisch ist eine Motivation dann, wenn ein Individuum aus sich heraus nach et-was strebt. Die Ziele werden dann um ih-rer selbst Willen verfolgt, etwa aus purem Spaß heraus. Äußere Belohnungsanreize spielen bei der intrinsischen Motivation keine Rolle.

StichwortMotivation

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bezeichnet werden. Allerdings dürfen extrinsi-sche Motive keinesfalls vergessen werden. Sie spielen im Kontext von Crowdsourcing eine nicht unerhebliche Rolle. Extrinsische Motive können beispielsweise durch monetäre Entloh-nung oder Karriereförderung befriedigt wer-den. Ob sich ein Unternehmen überwiegend für intrinsische oder extrinsische Anreizsysteme entscheidet, hängt nun größtenteils von der er-wünschten Zielgruppe ab.

Anreizsysteme werden also von der jeweiligen Fragestellung sowie der angestrebten Ziel-gruppe determiniert. Den Knackpunkt stellt die zielgruppenspezifische Segmentierung der Mitglieder dar. Ist die konkrete Zielgruppe ge-funden und sind die richtigen Anreize gesetzt, sind die Erfolgsaussichten hoch. Der Kunde kann und wird sich aktiv am Wertschöpfungs-prozess eines Unternehmens beteiligen, vo-rausgesetzt das Unternehmen geht auf seine Bedürfnisse ein. Eines bleibt jedoch zu beach-ten: Der Kunden bleibt schließlich doch König, auch wenn er arbeitet.

Lea Mühlebach hat Publizistik- und Kom-munikationswissenschaften an der Uni Wien mit Schwerpunkt Markt- und Kom-munikationsforschung studiert sowie In-ternationale Betriebswirtschaftslehre an der WU Wien mit Schwerpunkt Strategie. Insbesondere im Kontext ihrer Bachelor-arbeiten hat sie sich mit Crowdsourcing und Crowdfunding beschäftigt.Bachelorarbeiten: „Der arbeitende Konsument“; „Geschäftsmodelle für den Onlinejournalismus - Crowdfunding mittels Wertschätzung“Kontakt: [email protected]

Motivation ist Alles

Nur wer weiß, womit er seine Zielgruppe motivieren kann, hat Erfolg beim Crowdsourcing.

GastautorinLea Mühlebach

© Helder Almeida - Fotolia.com

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"Wir stellen einen

Der Verbraucher als Designer: Bei der Plattform „unserAller“ entwerfen Facebook-Mitglie-der lauter neue Produkte. Kosmetikfirmen oder Lebensmittelhersteller geben nur die große Linie vor. Über den Rest stimmen bis zu 2500 Internetuser ab. BusinessVALUE24 sprach mit „unserAller“-Gründerin Catharina van Delden.

Bastelbogen ins internet"

BusinessVALUE24: Frau van Delden, was ist unserAller?van Delden: Technisch gesehen ist es eine Fa-cebook-Applikation. unserAller ist ein Ort, an dem sich Menschen treffen, die was bewegen wollen, die kreativ sind und sich bessere Pro-dukte wünschen. Bei unserAller haben Konsu-menten die Möglichkeit, sich zusammenzutun und Veränderungen zu bewirken. Normaler-

weise ist es so: Man teilt dem Unternehmen etwas durch die Kaufentscheidung mit. Wer Bio-Produkte kauft, möchte vielleicht sagen, es ist mir wichtig, dass Ihr gut mit der Umwelt um-geht. Wir möchten den direkten Kommunika-tionskanal zwischen Kunde und Unternehmen herstellen - in Bezug auf die Produkte. Wir ha-ben diesen Austausch in einen standardisier-ten Prozess gefasst, damit ein Ergebnis

©unserAller

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herauskommt, hinter dem die Community als Ganzes stehen kann. Das ist unsere Motivati-on: Wir wollen eine ehrliche und direkte Inter-aktion zwischen Unternehmen und Konsumen-ten ermöglichen, mit dem Ziel, tolle Produkte zu entwickeln.

BusinessVALUE24: Wie läuft diese Interaktion ab? van Delden: Wir stellen immer wieder Fragen an die Community, etwa „Was ist für Euch die wichtigste Eigenschaft an dem Produkt?“ oder „Was soll besonders beachtet werden?“. Es geht zum Beispiel um den Geschmack, aber auch darüber hinaus: Dinge wie Namen, Ver-packung und den sogenannten Anlass. Der Anlass ist bei uns immer die erste Phase. Es geht dabei um eine Vision, eine Richtung, die man einschlägt. Da kommen viele Themen zur Sprache, die nicht direkt mit der Produkteigen-schaft etwas zu tun haben.

BusinessVALUE24: Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein Produkt entwickeln wollen?van Delden: Das erkläre ich Ihnen am besten an einem konkreten Beispiel. Wir entwickeln zur Zeit einen Snack. Am Anfang werden die Rahmenbedingungen mit dem beteiligten Un-ternehmen definiert. Das sehr wichtig, hier ist die Community noch nicht beteiligt. Wir über-legen uns mit dem Kunden, was das Ziel des Projektes ist und was technisch möglich ist. So definieren wir für jeden Schritt, was ist mach-bar und was nicht. Den Snack haben wir dann gestartet mit der Frage: „In welcher Situation fehlt Euch noch ein Snack?“

BusinessVALUE24: Was war das Ergebnis?van Delden: Es kam heraus, dass es ein Früh-stücksersatz sein soll, den man unterwegs oder am Arbeitsplatz snacken kann, wenn man zu-hause keine Zeit hatte, etwas zu essen. Als Nächstes kam die Designphase: Wir haben gefragt, was ist Euch das Wichtigste an diesem Snack? Wie muss er sein? Da hat die Com-munity entschieden, dass er nicht dick machen soll. Er soll Kraft geben, aber keine Süßigkeit

sein. Er soll viele Ballaststoffe beinhalten, aber dafür wenig Kalorien.

BusinessVALUE24: Wie beteiligen Sie die User nach dieser Vorgabe an der tatsächlichen Pro-duktentwicklung?van Delden: Das passiert in der nächsten Pha-se, der Materialphase. Hier verschicken wir Selbermachpäckchen.

BusinessVALUE24: Selbermachpäckchen?van Delden: Der offizielle Ausdruck ist user-innovation-toolkits. Darin befinden sich alle möglichen Dinge, damit die Community die Produkte zuhause selbst herstellen kann. In diesem Fall waren Quark, Joghurt und Trink-joghurt enthalten, aber auch Müsli, Gewürze, Lebensmittelfarbe, verschiedene Süßungsmittel wie Traubenzucker oder Ahornsirup und auch Früchte. Darauf basierend wird dann ein Ver-packungskonzept entwickelt.

BusinessVALUE24: Worauf achten Sie beson-ders während des Entwicklungsprozesses?van Delden: In so einem Prozess ist es beson-ders wichtig, dass alle Phasen aufeinander aufbauen. Das Ergebnis der einen Stufe ist im-mer die Grundlage für die nächste.

unserAller Gründer:

HansPeter Heid, Catharina van Delden, Jan Fischer und Moritz S. Wurfbaum (v.l.)

©unserAller

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So erhalten wir ein in sich kohärentes Konzept. Das ist auch deshalb wichtig, weil so die ge-samte Community das Gefühl hat, dass sie überall mitgemacht hat. Außerdem ist es bei uns nicht ein einzelner, der am Ende „gewinnt“, sondern es werden ganz viele Einzelentschei-dungen getroffen, in die immer viele Menschen involviert sind.

BusinessVALUE24: Geben die Unternehmen den gesamten Prozess der Produktentwicklung an die Community ab?van Delden: Es gibt vor jeder Abstimmung ein Review durch die Unternehmen, in der geprüft wird, ob Ideen zur Auswahl stehen, die für un-seren Auftraggeber nicht umsetzbar sind. Das ist von der Community auch akzeptiert. Man kann vorher nicht immer wissen, ob die Din-ge auch technisch machbar sind. So haben die Unternehmen immer die Möglichkeit ein-zugreifen. Das Ergebnis passt am Ende zur Firmenstrategie und den Produktionsmöglich-keiten.

BusinessVALUE24: Das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ wird gern im Zusammen-hang mit Crowdsourcing als Gegenargument aufgeführt. Wie schaffen Sie es, dass so viele Menschen gemeinsam zu einer Entscheidung kommen?van Delden: Ich denke, dass der Kern der Lö-sung in unserer Plattform liegt. Die Prozesse, die Teilnahmemöglichkeiten und die Rahmen-bedingungen werden so geschaffen, dass das Ergebnis, zu dem die Community kommt, nicht nur Mittelmaß ist. Man hat ja immer ein biss-chen die Sorge, dass das Ergebnis bei demo-kratischen Abstimmungen nur mittelmäßig ist, was dann am Ende keiner mehr gut findet.

BusinessVALUE24: Es vergeht ein längerer Zeit-raum von der Planung eines Produktes bis es endlich im Laden steht. Sind die Mitglieder von unserAller nach Monaten noch an den Ergeb-nissen interessiert?van Delden: Auf jeden Fall. Unsere Mitglieder haben das Gefühl „Ich habe da mitgemacht,

deshalb ist das auch ein bisschen mein Pro-dukt“. Deswegen heißen wir ja auch unserAller - quasi unser aller Produkte. Dadurch wollen unsere User auch wissen, was mit den Produk-ten passiert, ob das Unternehmen die Ideen auch ernst nimmt und umsetzt. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Das von uns kreierte Egi-Öl ist vor kurzem auf den Markt gekommen. Wir haben auf auf Facebook gepostet, dass das Öl auf der Lebensmittel Messe „Slow-Food“ in Stuttgart erstmalig vorgestellt wird. Einige unserer Mitglieder sind tatsächlich nach Stuttgart gefahren und haben sich auf der Messe das Produkt angeschaut. Da erfahren wir eine große Identifikation mit dem Produkt. Ich denke, der Hauptgrund liegt darin, dass alle mitgemacht haben.

BusinessVALUE24: Wie motivieren Sie ihre Community?van Delden: Wir hatten beim Bau der Plattform geplant, dass die beteiligten User am Ende auf das neue Produkt Rabatte erhalten, das Pro-dukt geschenkt kriegen oder auch mitverdie-nen können - wie etwa bei der Badebombe. Das sollte die Motivation sein sich zu beteili-gen. Was wir dann aber festgestellt haben ist, dass die Selbermachpäckchen die eigentliche Motivation sind. Die Leute haben Spaß daran, zuhause ihre eigenen Produkte herzustellen, zu basteln und auszuprobieren. Das ist fast wie ein Spiel.

Lesen Sie das vollständige Interview auf BusinessVALUE24:> Link zum vollständigen Interview

Kontakt zu unserAller: [email protected]

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"Bei Mass Customization die

Der Salzburger Marketingprofessor Prof. Dominik Walcher warnt vor den Fallstricken des Mass Customization. Firmen sollten ihre Kunden mit Wahlmöglichkeiten nicht überfordern und sich fragen „Bringt es dem Kunden einen echten Mehrwert, nutzt es ihm was?“ BusinessVALUE24 sprach mit dem Experten über Massenproduktion, Sonderwünsche und zu große linke Füße.

Auswahl nicht übertreiben"

BusinessVALUE24: Was ist neu an Mass Custo-mization?Prof. Dominik Walcher: Die Leute lassen sich schon seit Hunderten von Jahren die Schuhe oder Anzüge individuell anfertigen. Aber das ist die klassische Einzelanfertigung, die ganz genau auf den Einzelnen abgestimmt ist. Beim Schuh beispielsweise wird die Leiste nach dem

Fuß gestaltet. Beim Mass Customization hat man hoch effiziente Prozesse. Durch das Inter-net kann man effizient Kundenwünsche erfas-sen und durch effiziente Produktionsanlagen, etwa modulare Produktarchitektur oder flexible Fertigung, lassen sich Produkte gestalten, die sehr nah an die Idealvorstellung des Kunden heranreichen.

©unserAller© Light - Fotolia.com

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BusinessVALUE24: Was sind die Vorteile von Mass Customization?Prof. Walcher: Da gibt es jede Menge. Zum ei-nen ist der Kunde bereit, mehr für ein solches Produkt zu zahlen, da die Zufriedenheit nicht nur auf Produktebene zu finden ist. Also auf der Produktebene ist er jetzt zufrieden, weil es beispielsweise gut sitzt. Um noch einmal das Schuhbeispiel aufzugreifen: Es gibt Untersu-chungen, dass bei einem großen Teil der Be-völkerung der rechte Fuß kleine ist als der linke. Das wird durch Mass Customization perfekt abgedeckt. So kann man rechts Schuhgröße 41 und links Schuhgröße 41,5 kaufen. Das ist im Laden nicht möglich. Man kann sich genau die Dinge zusammenstellen, die man benötigt. Das Prinzip bot Dell als erster Computerher-steller seinen Kunden an. Ich brauche da nicht noch eine Soundkarte zu bestellen, die ich ei-gentlich gar nicht möchte.

BusinessVALUE24: Aber das Ganze hat ja auch eine emotionale Seite.Prof. Walcher: Weil der Vorgang des Konfigu-rierens und selbst des Selbstgestaltens durch die Konfiguratoren heutzutage richtig Spaß macht. Man kann eintauchen in dieses Erleb-nis und das Produkt selbst zusammenstellen. Die Kunden werden vielleicht auch ein wenig

herausgefordert und empfinden Stolz, den so-genannten pride of authorship, also den Stolz der Urheberschaft. Dann geht es weiter, dass, wenn ich die Produkte konsumiere, auch von anderen gefragt werde: „Wo hast Du denn diese tollen Schuhe her? Die habe ich ja noch nie gesehen“, dann kann ich mit stolz sagen, die habe ich selbst gemacht.

BusinessVALUE24: Hat Mass Customization auch Nachteile?Prof. Walcher: Ja, absolut. Jede Menge. In einer Studie haben wir festgestellt, dass viele Mass Customizer auch wieder aus dem Markt aus-scheiden. Die drop-out Quote ist enorm hoch, etwa 7 Prozent haben das Mass Customizing schon nach einem Jahr eingestellt. Unter an-derem deshalb, weil es mit enormen Kosten verbunden ist. Für die flexible Fertigung muss man investieren. Auch die Marketingkosten steigen, weil das Angebot erst kommuniziert werden muss. Gerade Start-ups müssen viel investieren, um das Vertrauen der Kunden auf- und Unsicherheiten abzubauen. Die Kosten der Produktion erhöhen sich, da die Anforde-rungen an die Qualitätskontrolle steigen. Bei Massenproduktion reicht es einem Schrauben-hersteller, wenn er jede 50. oder 100. Schraube anguckt. Aber hier muss wirklich jedes Produkt überprüft werden, weil es individuell gefertigt ist. Ein ganz wichtiger Punkt ist beispielsweise bei großen Firmen, die Mass Customization anbieten, dass sie auf einmal im Direktver-trieb sind. Adidas hat beispielsweise lange nur Großhändler beliefert. Jetzt sind sie plötzlich im direkten Kontakt mit Endkunden. Adidas kann jetzt nicht mehr das gesamte Kundenma-nagement an den Handel outsourcen.

BusinessVALUE24: Wenn ein mittelständisches Unternehmen ein Produkt mit Hilfe von Mass Customization anbieten will, wie kann es da vorgehen?Prof. Walcher: Im ersten Schritt sollte sich das Unternehmen die Frage stellen: Bringt es dem Kunden einen echten Mehrwert, nutzt es ihm was? Oder wollen wir nur mitmachen, um

"Wir sind Erst am Anfang"

Prof. Walcher sieht noch viel Entwicklungspotential beim Mass Customization.

© Ben Chams - Fotolia.com

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innovativ zu wirken? Ist das geklärt, kann man die nächsten Schritte in drei große Blöcke un-terteilen: Der erste ist der Solution Space. Hier muss man sich die Frage stellen: Was können wir dem Kunden anbieten? Welche Wahlmög-lichkeiten hat er? Da haben wir festgestellt, dass es einen Grenznutzen gibt, eine optimale Menge an Wahlmöglichkeiten. Wenn es zuwe-nig sind, ist der Kunde unzufrieden. Wenn es zuviele sind, ist es auch schlecht. Da spricht man dann von Mass Confusion, der Kunde ist überfordert mit der Überzahl an Angeboten.

BusinessVALUE24: Man muss also nicht alles anbieten, was möglich ist. Prof. Walcher: Mass Customizatior der ersten Generation haben das gern gemacht. Sie ha-ben - überspitzt dargestellt - gesagt: „Bei uns kann man sich vierhundert Trilliarden Schuhe customizen.“ – und ihre Kunden damit überfor-dert. Das rechte Maß des solution spaces ist wichtig. Im nächsten Schritt muss sich das Un-ternehmen überlegen, ob es das Angebot um-setzen und robuste Prozesse garantieren kann. Es stellt sich also die Fragen: Was ist von der Produktion her möglich? Wie flexibel sind die Produktionsverfahren und -prozesse? Oft ist es hier ein Leichtes, aus den Standardprozessen, die schon vorhanden sind, personalisierte Pro-zesse zu machen. Manchmal sind es nur Klei-nigkeiten, dass beispielsweise auf ein Produkt noch der Name gedruckt wird oder es farblich angepasst wird. Wichtig ist, dass man stabi-le Prozesse hat, die auch skalierbar sind. Es muss also vorher klar sein: 20 individualisier-bare Stühle schaffen wir, aber 200 nicht. Der dritte Punkt zielt auf die Kundenkommunikati-on. In erster Linie geht es an dieser Stelle um die sogenannte choice navigation, also wie der Kunde sich auf der Plattform zurechtfindet.

Fragen, die sich hier stellen sind etwa: Wie ist die Navigation aufgemacht? Wie ist der Kom-munikationsprozess? Ist es leicht und intuitiv zu bedienen? Empfindet der Kunde Spaß?.

BusinessVALUE24: Das US-Marktforschungsun-ternehmen Forrester Research sieht Mass Custo-mization als die Zukunft der Produkte. Wie se-hen Sie das?Prof. Walcher: So pauschal würde ich das nicht sagen. Da muss man auch nach Branchen unterscheiden, Mass Customization ist nicht überall machbar. Aber ich denke, dass wir erst am Anfang sind. Es gibt zwar schon schö-ne Beispiele, aber wenn man einen richtigen großen Mass Customizer sucht, fällt mir immer nur der amerikanische Computerhersteller Dell ein. Meine persönliche Prognose ist: Es wird noch sehr viel passieren, aber es wird nicht so sein, dass es irgendwann nur noch individu-alisierte Produkte geben wird. Es wird immer auch Standardware geben.

Prof. Walcher ist verantwortlich für die strategische Entwicklung im Bereich Marketing & Unternehmensgründung an der FH Salzburg. Zusammen mit seinem Kollegen Frank Piller hat er die Benchmark-Studie The Customization500 durchgeführt und mehr als 500 online-Konfigurations-systeme von Mass Customizern unter-sucht. Die Ergebnisse der Studie sollen im Juli 2011 veröffentlicht werden.

Dominik WalcherProfessor

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Unser nächstes Themenspecial erscheint im August. Thema: „Die Welt in 3D - Wie die Technik Werbung und Vermarktung verändern wird“

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