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»Cool am Alex«

Date post: 26-Mar-2016
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Nach »Matrosenhunde, Kapitänsfrauen und der weiß lackierte Zaun« haben wir jetzt ein neues Buch verfasst. Das kann man kaufen, um hineinzugucken und ein klein wenig zu versinken. »Cool am Alex« versammelt Matrosenhunde-Expeditionen aus dem letzten Jahr: Große Fragen, kleine Momente und eine Prise vernünftige Sehnsucht. Geschichten, Texte, Lieblingswörter und Bilder für die Jackentasche. »Cool am Alex« Madeleine Penny Potganski & Fine Heininger 2012
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»Cool am Alex«

Matrosenhunde unterwegs

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Fine Heininger & Madeleine Penny Potganski »Cool am Alex«Matrosenhunde unterwegs

Berlin, 2012www.matrosenhun.de

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die Selbstverständlichkeit, unsere Leben zu teilen, wich einer Verwunderung darüber, dass so plötzlich alles ein großes Früher war; von Seidenpapier fein säuberlich von-einander getrennte Momente in abgegriffenen Fotoalben.

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SIE NANNTEN SICH EUGEN UNd MATHILdA

Sie nannten sich Eugen und Mathilda. Sie gingen gemein-sam in den Supermarkt, immer wieder aufs Neue überfor-dert ob des unüberschaubaren Angebots und der überschaubaren Summe Geld, die sie dabeihatten. Sie tanzten gemeinsam durch die Nacht, weil das so viel einfacher ging als bei hellem Sonnenschein, sie konnten einfach die Vorhänge zuziehen, einen Song auf Repeat hören und sich im Kreis drehen, ohne dass ihnen schwinde-lig würde oder sie sich lächerlich vorkämen. Nachts, wenn die dinge ungeschminkt und zugedeckt daliegen, neben den Ausgehfrisuren und Leuchtreklamen, in diesem zärtlichen durcheinander, da war es einfach. Ein dasein, kein Auf-die-Uhr-Sehen, ein beinahe sakrales durchschrei-ten der dunkelheit. Sie konnten es spüren, das Glück oder wie auch immer man es nennen mochte, ein Gefühl, wie damals, als sie noch klein waren und nackt in den dorfteich sprangen. Manchmal, da kam er sich vor wie in einem Film und glaubte kurz, er müsse sich wieder zusammenreißen, das ist doch ein Klischee, sagte er, das haben schon Tausende vor uns gemacht und wir haben dabei zugesehen. dann guck nicht hin, sagte sie dann, sie sagte das so schlicht und voller Gewissheit, dass er sich beruhigen konnte, ja, das war kein Pathos, keine gespielte Trunkenheit, das waren einfach sie beide, Eugen und Mathilda. Sie taten dinge, die hatten Tausende vor ihnen schon getan und Tausende nach ihnen würden vielleicht auch über die dielen tanzen, doch es war egal. Einzigartig war es trotzdem, das Besondere brauchte keine großen Worte und keine Markierungen. Und sie hörten auf zu reden, weil es gar nicht wichtig war, irgend etwas zu sagen.

Und wenn die Sonne schien und sie einen freien Tag teilen konnten, setzten sie sich in die Bahn, um zum See zu fahren oder in den Wald oder ans andere Ende der Stadt, um Eis mit Lakritzgeschmack zu essen, in Pappbechern mit Obstaufdruck und transparentgrünen Löffelchen dazu. Manchmal sah Mathilda dann nervös auf die Akkuanzeige ihres Musikabspielgeräts, sie wollte doch die richtige Musik hören, während sie in der Bahn saß und die Sonne ihr Gesicht wärmte. Ein Lied, dass sie all die grauen Menschen vergessen ließ, die vielen Fragen und den Kontostand. Und Eugen, der legte ihr dann die Hand aufs Knie und lächelte. du musst keine Angst haben, dass die Musik aufhört, sagte er dann oder vielleicht sagte er es auch nicht, sie konnte es in seinen Augen sehen, dass es gut werden würde, trotzdem. du darfst das alles nicht so

SIE NANNTEN SICH EUGEN UNd MATHILdA

Sie nannten sich Eugen und Mathilda. Sie gingen gemein-sam in den Supermarkt, immer wieder aufs Neue überfor-dert ob des unüberschaubaren Angebots und der überschaubaren Summe Geld, die sie dabeihatten. Sie tanzten gemeinsam durch die Nacht, weil das so viel einfacher ging als bei hellem Sonnenschein, sie konnten einfach die Vorhänge zuziehen, einen Song auf Repeat hören und sich im Kreis drehen, ohne dass ihnen schwinde-lig würde oder sie sich lächerlich vorkämen. Nachts, wenn die dinge ungeschminkt und zugedeckt daliegen, neben den Ausgehfrisuren und Leuchtreklamen, in diesem zärtlichen durcheinander, da war es einfach. Ein dasein, kein Auf-die-Uhr-Sehen, ein beinahe sakrales durchschrei-ten der dunkelheit. Sie konnten es spüren, das Glück oder wie auch immer man es nennen mochte, ein Gefühl, wie damals, als sie noch klein waren und nackt in den dorfteich sprangen. Manchmal, da kam er sich vor wie in einem Film und glaubte kurz, er müsse sich wieder zusammenreißen, das ist doch ein Klischee, sagte er, das haben schon Tausende vor uns gemacht und wir haben dabei zugesehen. dann guck nicht hin, sagte sie dann, sie sagte das so schlicht und voller Gewissheit, dass er sich beruhigen konnte, ja, das war kein Pathos, keine gespielte Trunkenheit, das waren einfach sie beide, Eugen und Mathilda. Sie taten dinge, die hatten Tausende vor ihnen schon getan und Tausende nach ihnen würden vielleicht auch über die dielen tanzen, doch es war egal. Einzigartig war es trotzdem, das Besondere brauchte keine großen Worte und keine Markierungen. Und sie hörten auf zu reden, weil es gar nicht wichtig war, irgend etwas zu

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Ich wäre gerne Zelluloid, dann könnte ich im dunkeln sitzen und vorfreudig warten, bis ich fertig entwickelt bin.

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Ich möchte die Zeit anhalten und über goldene Stoppelfel-der marschieren, mit Kopfhörern auf den Ohren und einem zahmen Igel an der Leine.

Komm, ich zeig dir die Welt, würde ich zu dem Igel sagen. Er würde nicht verstehen, was ich meine, aber die beglückende Korrespondenz zwischen den Strohhalmen unter seinem Bauch und den Stacheln auf seinem Rücken würde genügen, dass er mit mir käme, freiwillig. Etwas Vertrautes im Niemandsland, das ist überlebensnotwendig, noch wichtiger, als rechtzeitig auf einen Baum zu flüchten, wenn Gefahr droht. Ich weiß nicht, wer du bist und warum ich dich mitgenommen habe, würde ich zu dem Igel sagen, der mit Trippelschritten übers Feld huscht. Aber ich möchte, dass wir gemeinsam die Wälder durchstreifen, gemeinsam auf warmem Asphalt sitzen, Benzin und Sonnenuntergang in der Nase.

An irgendeinem Mittwochnachmittag überkäme mich dann das dringende Bedürfnis, ein rot-weißes Fahrrad mit schmalen Reifen zu klauen. Es wäre einfach notwendig und richtig. Und dann würden wir beide, der Igel und ich, ohne zu bremsen bergab fahren, schnell, schneller, ins dunstige Blau der Stadt, die sich über den Boden ergossen hat.

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LIEBLINGSWöRTER #1

»frohlocken«Ein Stepptanz der Glückseligkeit…

frohlockenVsw std. stil. (14. Jh.), spmhd. vrolocken.

Vermutlich zu lecken »springen, hüpfen« mit Umbildung, als das einfache ➞ lecken (2) unterging.

lecken (2) (auch löcken) Vsw »mit den Füßen ausschla-gen« erw. obs. phras. it. (13. Jh.), mhd. lecken. Herkunft unklar. Vielleicht zu lit. lekti »fliegen, laufen, rennen« oder aber (semantisch ansprechend, aber lautlich schwierig) zu gr. láx »mit der Ferse, mit dem Fuß«, l. calx »Ferse«. Heute noch in wider den Stachel löcken (mit ➞ Stachel ist ein gerät zum Antreiben der Ochsen gemeint), nach Apostel-geschichte 9,5, 26,14.

➞ frohlocken

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Wer hat eigentlich den ganzen Spaß?

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Zwischen uns: Ein Haufen vorgestellter Leben.

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PLUSqUAMPERFEKT

Jonathan versuchte schon seit Jahren, sein Leben ver-schwindend überschaubar zu halten und es gelang ihm sehr gut. Eine innere Notwendigkeit wachte darüber, dass er sich nicht zu sehr einließ auf die ihn umgebenden Umstände. Sorgfältig machte er morgens sein Bett und sortierte ausgelesene Bücher so ins Regal, dass sie bei sinnverwandter Literatur standen, inhaltlich, und mit den Kanten bündig am Regalbrett abschließend, geometrisch. Beinahe zärtlich sorgte er dafür, dass die dinge ihren Platz hatten, den Platz, den er ihnen zuwies, für eine Weile.

Jonathans Leben war eines, das eine Weile lang so stattfand. Extreme waren ihm lästig und die Zurschaustel-lung seines inneren Nomadentums hätte er als vulgär empfunden, vielleicht suchte er gerade deswegen nach einer gewissen Gründlichkeit, einer höflichen Ordnung der Gegenstände. Er telefonierte regelmäßig mit seiner Mutter, fütterte die Katze einer verreisten Freundin und kaufte sinnvoll ein, oder jedenfalls so, wie es ihm sinnvoll vorkam. Sein äußeres und inneres Sein hatte er bedacht abgezir-kelt, tagsüber ging er notwendigen Verrichtungen nach und hatte ein offenes Ohr für seine Freunde. da er für seinen Humor und seine Klugheit sehr geschätzt wurde, war er beliebt und ein gern gesehener Gast bei Abendes-sen oder Konzerten.

Jonathan blieb Gast, er blieb es so sehr, dass es seiner Umgebung gar nicht auffiel, nicht auffallen wollte. Er war der ideale Gast und bereichernde Zeitgenosse, niemand wollte sich mit Überlegungen dahingehend aufhalten, ob diese Unkompliziertheit Jonathans nicht eher Symptom als Ursache von etwas sein könnte. Es schien, als seien alle seine Freunde einfach nur glücklich darüber, einen so angenehmen Menschen wie Jonathan zu den ihren zählen zu können, ohne darüber nachzudenken, weshalb er so angenehm erschien. Über die verschiedensten Gründe für auffälliges Verhalten wird ausführlich diskutiert, jeder hat eine Theorie parat, die dann den psychologischen, soziologischen oder gar philosophischen disziplinen zugeordnet werden soll. das Angenehme wird in der Regel nicht in Frage gestellt, es wird viel lieber einfach genossen, auf die Art eines Gentlemans. Schweigend.

Jonathan bewegte sich gerne durch sein provisorisches Leben, doch er beugte sich nie zu weit vor. Er hielt sich keine Hintertür offen, das war nicht seine Art, Jonathan

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Erschrocken stellte er fest, dass er über sich selbst hinausgewachsen war.

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MONTAGSFRAGEN #1

Wieso brauchst du ein Alibi? Beruhigt es dich, »Agentur« statt »Büro« zu sagen, wenn du nach deinen Plänen am dienstagnachmittag gefragt wirst? War dein Leben früher mal so etwas wie ein Weg? Seit wann pflasterst du diesen mit Features, die dir vor dir selbst das Gefühl geben, noch dabei zu sein? Was heißt das überhaupt, dabei-Sein? Liest du die Wochenendzeitung aus echtem Interesse oder auch, um dich zu distanzieren, vor Bildungsferne und Sonntags-zeitdehnung? Warum klappt die Entspannung nur in der Ferne? Erschrickst du, wenn du gefragt wirst, was du so machst? Was bedeutet Erfolg? Wen beneidest du? Hegst du heimliche Verachtung gegenüber Arbeitslosen? Ist es okay für dich, eine Zeit lang nichts zu machen? Wie lange darf das dauern? Setzt du gerne elektrische Geräte in Gang, um Herr der Lage zu sein? Macht es dich nervös, alleine zu essen?

Was ist aus ihnen geworden, den großen Plänen? Möchtest du intervenieren? Ist Horror Vacui Latein oder Montagmorgen schon da?

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Heute mach ich Inventur, heute sammel ich Beweise.

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»Spring House«

Vom 20. bis 24. April 2011 residierten die Matrosenhun-de im Spring House dresden und beobachteten für deren Magazin das bunte Treiben.

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Ich kann mich erinnern, dass damals rothaarige Kinder mit schmelzenden Augen kleine Skelette aus dem türkisen Planschbecken zogen. Sie sind schon lange erwachsen. Oder tot.

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die Tür bleibt zu, hier darf keiner rein, ich möchte nicht, dass man mit hungrigen Augen und achtlosen Händen in meinen Sachen rumwühlt. Versteht mich nicht falsch, ich will keinem etwas vorenthalten, hier gibt’s auch nichts Besonderes, aber es gehört einfach mir, mir allein.

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»Hupen in Zempow«

Matrosenhunde waren zu Gast bei Eva Kretschmer mit ihrem Hupe-design-Mobil.

Auf der Karte steht:

duft der Wildnis, Rinderher-den, Busgespräche,

die neue Wertschätzung für Funktionskleidung,

eine kleine Welt zwischen Sperrzone, Heidekraut und Waldexperten, Honigdamen und Kaffeejungs, zwischen Vision und Ackerbau, Stille

und Landregen, Busharmonie,

Prioritätenverschiebung, erhellende Momente

und die beruhigende Kraft des Weglassens.

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Manchmal reicht ein Tag für ein ganzes Leben.

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