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CMD – In wie weit lassen sich Knackphänomene … · Examensarbeit im Bereich Manuelle Therapie...

Date post: 04-Jun-2018
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Examensarbeit im Bereich Manuelle Therapie CMD – In wie weit lassen sich Knackphänomene differenzieren? von Frank Kerlin
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Examensarbeit im Bereich Manuelle Therapie

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von Frank Kerlin

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Inhaltsverzeichnis

I Einleitung………………………………………………………………………… Seite 11 II Anatomie………………………………………………………………………… Seite 12 III Biomechanik…………………………………………………………………… Seite 14

IV Dysfunktionen des Kiefergelenks…………………………………………. Seite 16

V Symptome vom CMD…………………………………………………………..Seite 17

VI Funktionsanalyse……………………………………………………………...Seite 19

1. Basisuntersuchung……………………………………………………...Seite 19

1.1 Aktive Bewegungen………………………………………………...Seite 19

1.1.1 Mundöffnung…………………………………………………. Seite 10

1.1.2 Meditrusion sowie Laterotrusion…………………………… Seite 10

1.1.3 Protrusion…………………………………………………….. Seite 10

1.1.4 Retrusion………………………………………………………Seite 10

1.2 Passive Bewegungen……………………………………………… Seite 11

1.3 Isometrische Untersuchung………………………………………..Seite 12

1.4 Palpatorische Untersuchung……………………………………... Seite 12

1.5 Gelenkspieltechniken……………………………………………….Seite 15

1.6 Passive Kompression……………………………………………… Seite 15

2. Erweiterte Untersuchung……………………………………………….. Seite 16

2.1 Dynamische Kompression………………………………………… Seite 16

2.2 Dynamische Translation lateral mit Kompression……………….Seite 17

2.3 Dynamische Translation medial…………………………………...Seite 18

2.4 Dynamische Translation lateral……………………………………Seite 18

VII Resümee und Ausblick………………………………………………………Seite 18

Literaturverzeichnis………………………………………………………………Seite 20

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I Einleitung Der Begriff Craniomandibuläre Dysfunktion (im folgenden CMD genannt) kommt von

„Cranium“ (Schädel), „Mandibula“ (Unterkiefer) und „Dysfunktion“ (Fehlfunktion). Es

geht hier also um eine Fehlfunktion im Zusammenspiel von Ober- und Unterkiefer,

bedingt durch Störungen in der Funktion der Zähne, der Kiefergelenke und der

Kiefermuskulatur sowie anderer Teile des stomatogmaten Systems.

Im deutschen Sprachraum gibt es darüber hinaus Bezeichnungen wie Myoarthropathie

(MAP), Kiefergelenkserkrankungen, Oromandibuläre Dysfunktion, Kiefergelenks-

Schmerz-Dysfunktions-Syndrom, Myofasziales Schmerzsyndrom. Im englischen

Sprachraum sind Begriffe wie Temporomandibular Disorders (TMD), TMJ-Disorders,

TMJ-Pain und Orofascial-Pain bekannt.

Schon zu Zeiten Friedrichs des Großen, im 18. Jahrhundert beschreibt der

Hofzahnarzt, dass „manche Menschen mit den Muskeln ihrer Kinnbacken und der

Festigkeit ihrer Zähne ich weiß nicht was für Taten verrichten können. Da kann es nicht

fehlen, es müssen bei diesen gewaltsamen Übungen die Zähne teils abgenutzt, teils

heftig in ihrem Sitze erschüttert werden“ (vgl. Kares/Schindler/Schöttl (2001) S. 13).

1934 beschrieb COSTON Symptome von Kiefergelenksstörungen wie Knackgeräusche

beim Kauen, Kopfschmerz, Schwindelgefühl, Ohrensausen und Taubheitsgefühle im

Ohr, die als Coston-Syndrom bezeichnet wurden (vgl. Coston (1934) S. 1-15). Um die

Beteiligung des Kiefergelenks zu betonen und auf die Bedeutung der zugehörigen

Muskulatur und der psychischen Komponente hinzuweisen, prägte SCHWARZ den

Begriff des „temperomandibular joint pain dysfunction syndrom“ (vgl. Olschowsky 2000).

Die Symptome, die durch diese Erkrankung hervorgerufen werden können, sind so

vielfältig, dass man CMD auch als „Chamäleon“ bezeichnen kann, das sich

hervorragend hinter einer Vielzahl unspezifischer Symptome versteckt. Heute

international anerkannte Kriterien für das Vorliegen einer CMD sind in den RDC/RMD

(Research Diagnostic Criteria for Temporomandibuläre Dysfunction) fixiert (vgl.

Kares/Schindler/Schöttl (2003)).

Folgende spezifische Diagnosen müssen vorliegen, damit man von einer CMD

sprechen kann:

• Myofaszialer Schmerz

• Myofaszialer Schmerz mit eingeschränkter Mundöffnung

• Discusverlagerung mit Reposition

• Discusverlagerung ohne Reposition mit eingeschränkter Mundöffnung

• Discusverlagerung ohne Reposition ohne eingeschränkte Mundöffnung

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• Arthritis

• Arthrose

• Arthralgie

De Boever und Steenks sowie Blank hingegen sprechen von einer Funktionsstörung

des Kiefergelenks, wenn eine oder mehrere der folgenden Symptome vorliegen (vgl. De

Boever, Steenks (1991) S. 35-43, Blank (1998) S. 592-597):

• Knack- oder Knirschgeräusche im Kiefergelenk

• Einschränkung der Beweglichkeit im Kiefergelenk, wie z. B. der Mundöffnung,

der Protrusion oder Lateralbeweglichkeit des Unterkiefers

• Bewegungsabweichung des Unterkiefers, wie z. B. Seitabweichung bei

Mundöffnung (Deviation/Deflexion)

• Muskelschwäche oder Muskelverkürzung der Kaumuskulatur

• Schmerzen im Kiefergelenk, in der Kaumuskulatur, schmerzende Zähne,

Kopfschmerz.

Zu den definierenden Symptomen können Schwindel, Ohrensausen, Gefühl der

Schwerhörigkeit, sowie Steifheits- und Ermüdungsgefühl der Kaumuskulatur

hinzutreten.

Im nachfolgenden wird zunächst die Anatomie und Biomechanik des Kiefergelenks

dargestellt, um anschließend auf die Dysfunktionen und Symptome von CMD - speziell

die der Knackphänomene - einzugehen.

II Anatomie Das Kiefergelenk, Articulatio temporomandibularis wird vom Os temporale und vom Os

mandibulare gebildet. Die Ausbildung des Kiefergelenks ist eng mit der Entwicklung

des Gebisses verbunden. Beim Neugeborenen und Säugling ist die koncave

Gelenkfläche am Os temporale, die Fossa mandibularis, sehr flach. Mit Durchbruch

des Milchgebisses vertieft sich die Fossa mandibularis, und die Wölbung des

Tuberculum articulare, ein kleiner Knochenvorsprung am vorderen Rand der Fossa

mandibularis, der zur Kiefergelenkfläche am Os temporale zählt, nimmt zu. Seine

endgültige Form erhält das Kiefergelenk erst nach Durchbruch der permanenten

Zähne. Im Alter, mit dem Verlust der Zähne, kommt es ebenfalls zu sekundären

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Umbauvorgängen im Kiefergelenk. Die Konvexität des Tuberculum articulare nimmt ab

und die Fossa mandibularis flacht sich ebenfalls ab.

Zwischen dem Gelenkkopf der Mandibula und den Gelenkflächen am Os temporale

liegt der Discus articularis, durch den das Kiefergelenk in zwei vollständig voneinander

getrennte Gelenkhöhlen unterteilt wird.

Die nachfolgende Abbildung zeigt den Aufbau des Kiefergelenks:

Das Caput mandibulae, die konvexe Gelenkfläche am Condylus des Unterkiefers, hat

eine annähernd zylindrisch gekrümmte Oberfläche. Eine quer durch das Caput

mandibulae gelegte Achse verläuft von ventro-lateral nach dorso-medial und außerdem

schräg von cranial nach caudal.

Die Entwicklung des Discus articularis geht unmittelbar mit der Bildung der

Gelenkhöhle einher. Einige Autoren sehen den Discus articularis als Fortsetzung des

M. pterygoideus lateralis an, andere beschreiben ihn als intraarticuläre Formation der

Gelenkkapsel.

Der Gelenkknorpel des Caput mandibulae besteht aus Faserknorpel. Die

Knorpelbedeckung ist im mittleren Bereich des Gelenkknorpels dicker als in den

kapselnahen Randzonen.

Die Gelenkflächen auf der Unterseite des Os temporale (Fossa mandibularis und

Tuberculum articulare) sind ebenfalls mit Faserknorpel bedeckt (deutet auf große

Belastung der Gelenkoberflächen hin).

Die Fossa mandibularis ist zwei- bis dreimal größer als die Gelenkoberfläche des

Caput mandibulae. Die Gelenkfläche der Fossa mandibularis geht nach ventral

kontinuierlich in das Tuberculum articulare über. Das Tuberculum hat eine

sattelförmige Gestalt. In der Frontalebene ist es koncav, und in der Sagitalebene

konvex gekrümmt.

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Der Gelenkknorpel am Tuberculum ist am Abhang des Gelenkhöckers am dicksten, da

dieser bei ungestörter Kiefer-Gelenkmechanik die primäre Articulationsfläche mit dem

Condylus der Mandibulae bildet. Der Discus articularis des Kiefergelenks besteht aus

straffem, kollagenfaserigem Bindegewebe und aus Faserknorpel. Er ist mit seinen

Rändern zirkulär mit der Gelenkkapsel, aus welcher er hervorgeht, verwachsen und

teilt dadurch das Kiefergelenk in zwei Kammern. Der Discus articularis zeigt regionale

Unterschiede in seinem Aufbau. Der dünnere zentrale Abschnitt, die so genannte

intermediäre Zone, besteht aus straffem Bindegewebe. Die nach dorsal und ventral

angrenzenden dicken Zonen bestehen aus straffem Bindegewebe, in welches

Knorpelzellen eingelagert sind. Im dorsalen Abschnitt des Discus, der bilaminären

Zone, die bis zu 3 mm dick werden kann, ziehen Gefäße und Nerven aus dem

extrakapsulären Abschnitt in den discus. Im ventralen Bereich besteht eine Verbindung

des Discus zum Caput superior des M. pterygoideus lateralis. Diese Verbindung

ermöglicht seine Dynamisierung.

Der Discus gleicht die Inkongruenz zwischen den artikulierenden Skelettelementen aus

und hat auf Grund seiner Verformbarkeit und Beweglichkeit die Funktion einer

„transportablen Gelenkfläche“. Das Kiefergelenk wird von einer weiten Gelenkkapsel

umschlossen. Vom Os temporale zieht die Gelenkkapsel trichterförmig zur Mandibula,

und inseriert dort an der Knorpel-Knochengrenze das Caput mandibulae. Die

Gelenkkapsel wird lateral und medial durch ein kleines Seitenband verstärkt (Ligg.

temporomandibulare laterale und mediale). Im extrakapsulären Bereich wird das

Kiefergelenk zusätzlich vom Lig. stylomandibulare und Lig. sphenomandibulare

stabilisiert. Beide Bänder dienen der Stabilisation und begrenzen die maximale Pro-

und Mediotrusion des Unterkiefers.

III Biomechanik Die beiden anatomisch getrennten Kiefergelenke bilden funktionell eine Einheit in Form

einer geschlossenen Gelenkkette. Die Bewegungen des Unterkiefers können wie bei

der Mundöffnung bilateral symmetrisch ablaufen oder aber, wie bei der Mahlbewegung,

asymmetrisch.

Das Senken des Unterkiefers (Abduktion) introlysiert zunächst eine Bewegung in der

unteren Gelenkkammer, die mit einer angulären Dorsalrotation der Mandibula um ihre

Transversalachse und einer zusätzlichen ventralen Translationskomponente

einhergeht. Mit zunehmender Mundöffnung entsteht parallel eine

Translationsbewegung zwischen dem Discus und der temporalen Gelenkfläche. Der

Discus gleitet dabei mit dem Caput mandibulae gemeinsam gegenüber der Fossa

mandibularis und dem Tuberculum articulare nach ventral (Protraktion). Diese

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kombinierte Dreh- und Verschiebebewegung wird durch die Aktivität des M.

pterygoideus lateralis zentralnervös gestützt. Bei der Hebung des Unterkiefers

(Mundschluss) kehren sich diese Bewegungen um.

Die nachfolgende Abbildung zeigt unterschiedliche Stellungen des Kiefergelenks:

a) Stellung des Kiefergelenks b) Stellung des Kiefergelenks c) Stellung des Kiefergelenks

bei Mundschluß bei der Mundöffnungsphase bei maximaler Mundöffnung

Bei der Mahlbewegung vollführt das Caput mandibulae auf einer Seite eine Rotation

um eine vertikale Achse (Laterotrusion), während das Caput mandibulae der

Gegenseite eine Translationsbewegung nach vorne-innen (Mediotrusion) ausführt. Auf

der Seite der Rotationsbewegung (Arbeitsseite) kommt es dabei zu einer Lateralisation

des Gelenkkopfes.

Die Mahlbewegungen werden anatomisch dadurch ermöglicht, dass die Fossa

mandibularis größer ist als das Caput mandibulae. Günstig wirkt sich außerdem die

Einlagerung des Discus articularis aus. Die Verlagerung und Verformung des Discus

bei den Mahlbewegungen erfolgt vorwiegend passiv. Aktiv kann der Discus durch die

obere Portion des M. pterygoideus lateral bewegt werden. Alle Bewegungen des

Kiefergelenks werden von Bewegungen der Halswirbelsäule im Sinne der Synkinesie

begleitet. So kommt es bei der Mundöffnung zu einer leichten Streckung der unteren

Halswirbelsäulensegmente bei gleichzeitiger Flexion zwischen Atlas und Occiput.

Diese kinematische Verknüpfung erklärt den engen funktionellen und

pathogenetischen Zusammenhang zwischen Erkrankungen oder Funktionsstörungen

der Halswirbelsäule und solchen der Kiefergelenke.

Treten Störungen in der Abduktionsmechanik des Kiefergelenkes auf, sieht man fast

regelmäßig eine Veränderung dieser synkinetischen Reaktion. Dabei wird die

mangelnde Öffnungsfähigkeit des Kiefergelenks durch eine Umkehr der

physiologischen Flexion in den Kopfgelenken im Sinne einer Hyperextension

kompensiert. Dies führt nicht selten zu einer begleitenden Störung der

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Gelenkmechanik in diesem Abschnitt der Halswirbelsäule und zu entsprechenden

hypertonen Reaktionen in der suboccipitalen Muskulatur.

IV Dysfunktionen des Kiefergelenks Die Funktionsstörungen des Kiefergelenkes, welche in ihrem klinischen

Erscheinungsbild auch als Myoarthropathie des Kiefergelenkes beschrieben werden,

gehen ursächlich in sehr vielen Fällen auf Veränderungen in den Okklusionsflächen

der Zähne zurück. Diese können durch den Verlust einzelner Zähne, aber auch durch

Füllungen, Inlays, Kronen oder Brücken ausgelöst werden, wenn diese die Okklusion

zwangsweise verändern. Hierbei können schon Abweichungen im Mikrometer-Bereich

Störungen verursachen. Aber nicht nur mechanische Störungen der Okklusion können

zu einer Überlastungsreaktion an den Kiefergelenken führen, sondern auch

schmerzhaft degenerative und entzündliche Prozesse an Zahn und Zahnfleisch können

die Mechanik des Kauens so verändern, dass sich daraus Dysbalancen der Zungen-,

Kau- und Schluckmuskulatur entwickeln, welche in Folge dann zur Irritation des

Gelenkes führen. Auch Parafunktionen des Kauapparates (Knirschen und Pressen)

sind in der Lage, Schmerzen im Kiefergelenk und vor allem in der Kaumuskulatur

(insbesondere M. masseter und M. pterygoideus lat.) zu erzeugen. In der

Fragestellung, weshalb manche Menschen in der Lage sind, diese Störmuster ohne die

Folge einer schmerzhaften Funktionsstörung der Kiefergelenke zu verarbeiten, scheint

der multifakterelle Denkansatz von entscheidender Bedeutung zu sein.

So kann z. B. ein Beckenschiefstand (durch Skoliose oder ISG-Blockierungen) die

Lage des Unter- und Oberkiefers beeinflussen.

LIPPOLD konnte bei seiner Untersuchung eine signifikante Korrelation zwischen

Kieferasymmetrien, Beckenschiefständen und funktionellen Beinlängendiskrepanzen

feststellen (vgl. Lippold, van den Bos (2000) S. 346-350).

Auch Untersuchungen von PÖLLMANN (vgl. Pöllmann (1983) konnten zeigen, dass

Kiefergelenksbeschwerden sehr häufig mit tendomyotischen Veränderungen am

Bewegungsapparat einhergehen. Auffallend war dabei die signifikante Beziehung

zwischen HWS-Syndrom und Kiefergelenksbeschwerden. Dabei spielt sowohl die

arthrogene Dysfunktion der HWS und die damit verbundene Reduktion der

synkinetischen Bewegungen, die bei Mundöffnung und Mundschluss auftreten, eine

Rolle, sowie auch die reflektorischen Tonusveränderungen der Suboccipital- und

Nackenmuskulatur. Diese bedingen eine Abschwächung der ventralen Halsmuskulatur,

die kompensatorisch durch die Aktivität der Supra- und Infrahyoidalmuskulatur

aufgefangen werden muss. Diese Dysbalance greift nach kurzer Zeit auf die

okklusionsfähige Kaumuskulatur (M. masseter und M. temporalis) über und löst

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gemeinsam mit der supra- und infrahyoidalen Muskulatur eine schmerzhafte

craniodorsale Hyperpression in den Kiefergelenken sowie die Bildung von

Triggerpunkten aus. Durch den Hypertonus des M. temporalis kann es des Weiteren zu

Restriktionen im Bereich der sutura temporoparietalis kommen. Dies wiederum hat

einen Einfluss auf die Funktion des Cranio-Sacralsystems und, durch die

Immobilisation der Schädelnaht, auf den physiologischen Dämpfungsmechanismus der

Kaubewegung durch diese Sutur. Hierdurch schließt sich der circulus vitiosus im

Kiefergelenk.

Aber auch primäre Dysfunktionen des craniosacralen Systems können durch eine

Fehlstellung oder Mobilitätsstörung des Os temporale sekundäre Kiefergelenks-

beschwerden induzieren.

Die Position und Mobilität des Os temporale ist von wesentlicher Bedeutung für eine

normale Funktion der Kiefergelenke. Eine Außenrotationsstellung des Os temporale

führt zu einer Deviation der Fossa mandibularis nach dorso-medial während eine

Innenrotationspositionierung eine Abweichung der Gelenkpfanne nach ventro-lateral

bedingt.

V Symptome von CMD

Häufigstes Symptom bei Patienten mit einer CMD ist das Knacken und/oder die

Krepitation während der Bewegung des Unterkiefers. Die Ursachen hierfür werden in

der Literatur ausführlich diskutiert.

Eine Erklärung ist die Discusverlagerung im Kiefergelenk nach vorne, die ein

„reziprokes Knacken“ verursacht. Beim Öffnen und Schließen kommt es zu typischen

Knackgeräuschen (vgl. Farrar, Mc Carty (1983)).

Als eine weitere Erklärung für die Ursache von Geräuschen im Kiefergelenk wird in der

Literatur die Krepitation als Zeichen der Veränderung chondraler und ossealer

Strukturen aufgeführt. Ein hypermobiles Gelenk, das ein terminales „Öffnungsknacken“

und ein initiales „Schliessungsknacken“ im Sinne einer Subluxation des Kiefergelenks

bewirkt, kann ebenso wie das „intermediäre Knacken“ als Zeichen einer lokalen

Verdickung des Knorpels, die Ursache von Gelenkgeräuschen sein. Schließlich ist bei

manchen Patienten ein „ligamentäres Knacken“ nachweisbar, welches entsteht, wenn

bei der Mundöffnung des Condylus unter dem Lig. laterale hindurchgeht (vgl. Kopp, Sebald

(1995)).

Knackgeräusche können sozial störend oder nicht störend sein. Die sozial nicht

störenden Knackgeräusche sind leise und werden von einigen Patienten nur über die

akustische Knochenleitung wahrgenommen. Allerdings sind diese Knackphänomene

fast immer schmerzhaft und oft mit Funktionseinschränkungen verbunden.

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Die sozial störenden Knackgeräusche können von sekundären Personen

wahrgenommen werden und so die betroffene Person sozial erheblich einschränken.

Unter Umständen führt dies soweit, dass der Patient z. B. den Restaurantbesuch

meidet, da dessen nähere Umgebung durch die Gelenkgeräusche irritiert wird.

Personen mit sozial störenden Gelenkgeräuschen haben oftmals allerdings keine

Schmerzsensation.

Einschränkungen der Beweglichkeit bzw. Bewegungsabweichungen des Unterkiefers

können ihre Ursache im neuromuskulären System (der Kaumuskulatur) oder in den

artikulären Strukturen haben. Diese Bewegungseinschränkungen können ein- oder

beidseitig sein. Einerseits unterscheidet man zwischen einer verkürzten oder

überweiten Beweglichkeit des Unterkiefers, andererseits zwischen gestörten

Bewegungsformen bei der Mundöffnung und –schliessung.

Zu diesen gestörten Bewegungsformen gehört die Dyskoordination, die ihre Ursachen

im neuromuskulären System hat. Sie ist durch eine (evtl. beidseitig wechselnde)

Abweichung des Unterkiefers von der Mittellinie bei der Öffnungs- und

Schliessbewegung gekennzeichnet, wobei am Ende der Mundöffnung oder der

Schließbewegung der Unterkiefer wieder auf die Mittellinie einschwenkt.

Die Deviation als Zeichen für eine artikuläre Störung ist eine ausgeprägte

Dyskoordination, die zu einer starken Abweichung des Unterkiefers von der Mittellinie

nach einer Seite führt. Der Unterkiefer weicht dabei immer zur kranken Seite ab. Auch

hier wird am Ende wieder die mittige Stellung eingenommen.

Ein Zeichen der Deflexion, ebenfalls eine intraartikuläre Störung, ist das plötzliche

Abweichen des Unterkiefers zu einer Seite, wobei am Ende der Öffnungsbewegung

der Unterkiefer maximal von der Mittellinie entfernt ist.

Bei den arthrogenen Ursachen der Bewegungseinschränkung bzw.

Bewegungsabweichung im Kiefergelenk spielt eine Verlagerung des Discus articularis

nach ventral, der die Beweglichkeit der Condylen im Kiefergelenk behindert, eine

wichtige Rolle.

All diese Einschränkungen der Beweglichkeit, ebenso wie Knack- und

Knirschphänomene, können eine Ursache für Schmerzsensationen im Bereich der

Kiefergelenke und seiner Umgebung sein (z.B. Nacken-, Kopf- und

Gesichtsschmerzen). Neben diesen klaren Symptomen können aber auch u. a.

Mundtrockenheit und Brennen der Mundschleimhäute, „Kloß im Hals“ sowie vermehrter

Tränenfluß auftreten.

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Bereits in diesem Kapitel wird global erkennbar, dass Knackphänomene differenzierbar

sind. Im nachfolgenden Kapitel „Funktionsanalyse“ soll dargestellt werden, wie eine

detaillierte Differenzierung der Knackphänomene vorgenommen werden kann.

VI Funktionsanalyse Bei der manuellen Funktionsanalyse werden bestimmte Strukturen im einzelnen oder

im groben provoziert und auf ihre Reaktion überprüft (Knacken, Schmerz,

Beweglichkeit etc.). Natürlich bedarf die genaue Diagnostik der vollständigen

Durchführung.

Zu Beginn der Untersuchung beobachtet der Therapeut, ob das Gesicht des Patienten

muskuläre oder skelettale Veränderungen oder Asymmetrien aufweist z. B. das

Gesicht des Patienten erscheint auf einer Seite voller. Ursache hierfür kann sein, dass

aufgrund eines Schmerzphänomens auf der linken Seite die rechte Seite die

Hauptbelastungsseite des Patienten ist. Des Weiteren achtet der Therapeut auf

äußerlich sichtbare Limitationsgründe, wie z. B. Verbrennungen, Verletzungen,

Sklerodermie, Narben.

Die Funktionsanalyse kann grob in zwei große Untersuchungen aufgeteilt werden:

1. Basisuntersuchung

2. erweiterte Untersuchung

1. Basisuntersuchung Bei der Durchführung der aktiven und passiven Bewegungen des Unterkiefers sowie

der isometrischen Anspannung der Kaumuskulatur wird zuerst ein Überblick über die

vorliegende Kiefergelenkproblematik und ihren Umfang und Richtung gewonnen und

ermittelt, ob es sich hauptsächlich um ein myogenes, arthrogenes oder neurogenes

Problem handelt.

1.1 Aktive Bewegungen Der aktiven Bewegung entsprechen die sechs Bewegungen, die jeder Patient selbst

durchführen kann, d. h. Öffnen und Schließen, seitwärts bewegen sowie Protrusion

und Retrusion.

Bei der Befunderhebung achtet der Therapeut auf den Bewegungsablauf,

Bewegungsbahn (Deflektion/Deviation), sowie auf die Bewegungsab- oder -zunahme

und auf evtl. Schmerzen oder Kiefergelenkgeräusche. Der Patient führt diese aktive

Bewegung bis zur funktionellen Grenze durch.

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1.1.1 Mundöffnung

Der Therapeut palpiert entweder die etwa ein fingerbreit vor und unter dem Gehörgang

liegenden Gruben der Kiefergelenke oder alternativ den äußeren Gehörgang.

Das Ausmaß der normalen Mundöffnung beträgt durchschnittlich zwischen 48 und 58

mm, je nach Alter, Körpergröße und Studie. Nach OKESON spricht man dann von

einer Mundöffnungseinschränkung, wenn die max. Mundöffnung weniger als 40 – 42

mm beträgt (vgl. Okeson (1998)).

Bei der aktiven Mundöffnung kann es zu Knackphänomenen kommen. Diese Knack-

phänomene ergeben sich aus dem Tastbefund des Discus. Sie werden in 4 Gruppen

eingeteilt:

a) Das Knacken tritt initial, d. h. zu Beginn der Mundöffnungsbewegung auf.

b) Das Knacken tritt initial / intermediär, d. h. zu Beginn und in etwa der Mitte der

Mundöffnungsbewegung auf.

c) Das Knacken tritt intermediär auf.

d) Das Knacken tritt terminal, d. h. gegen Ende der Bewegung auf.

1.1.2 Meditrusion sowie Laterotrusion Die Palpation erfolgt wie in 1.1.1 beschrieben. Das Bewegungsausmaß liegt zwischen

10 – 15 mm.

1.1.3 Protrusion Auch hier palpiert der Therapeut wie in 1.1.1 beschrieben. Das Bewegungsausmaß

liegt zwischen 7 – 10 mm.

1.1.4 Retrusion Die Palpation erfolgt wie in 1.1.1 beschrieben. Das Bewegungsausmaß liegt zwischen

0 –22 mm.

Nach jedem der aufgezeigten Untersuchungsgänge wird der Patient befragt, ob und

wann Schmerzen aufgetreten sind und wenn ja, ob der aufgetretene Schmerz seinem

Hauptschmerz entspricht.

Nach BUMANN und LOTZMANN dient die Untersuchung der aktiven Bewegungen in

erster Linie der Dokumentation des Ausgangszustandes (vgl. Bumann, Lotzmann (2000)).

Grundsätzlich gilt jedoch, dass wenn bei aktiven Bewegungen schon Schmerzen auf-

treten, die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass diese bei passiven Bewegungen

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M. masseter kann es wiederum zu einem Kompressionsgelenk kommen und das

Gelenkknacken ist vorprogrammiert.

Außerdem können diese Muskeln auch die Schmerzen im Kiefergelenk verursachen.

Deshalb schließt sich nun die Untersuchung der Muskulatur an. Hier unterscheidet

man zwei Möglichkeiten zur Befundung der Muskulatur, zum einen die isometrische

Untersuchung, zum anderen die palpatorische Untersuchung.

1.3 Isometrische Untersuchung Adduktion des Kiefers: Mundschließbewegung gegen Widerstand von Watterollen

(diese sollten nicht zu weit nach dorsal positioniert werden) oder gegen den

Widerstand des Therapeuten am Kinn des Patienten. Schmerzen und fehlende Kraft

bei der Adduktion weisen auf funktionelle Störungen der Mundschließmuskulatur hin

(M. masseter, M. pterygoideus medialis, M. temporalis).

Abduktion des Unterkiefer: Mundöffnungsbewegung gegen submaximalen

Widerstand des Therapeuten am Kinn. Schmerzen und verminderte Kraft bei der

Abduktion weisen auf funktionelle Störungen der bei der Mundöffnung beteiligten

Muskeln hin (M. pterygoideus lateralis, M. digastricus, M. mylohyoideus).

Mediotrusion rechts zum Testen des M. pterygoideus lateralis rechts: getestet wird

auf Schmerz und Kraft.

Mediotrusion links zum Testen des M. pterygoideus lateralis links.

1.4 Palpatorische Untersuchung Hierbei wird überprüft, ob durch die Palpation des Muskels ein übertragener Schmerz

(„referred pain“, TRAVELL + SIMONS) durch einen Triggerpunkt auslösbar ist und/oder

Tenderpunkte vorhanden sind (vgl. Travell, Simons (1983)). Diese Punkte können ggf. den

Hauptschmerz des Patienten, z. B. Zahn-, Kopf- oder Kieferschmerz auslösen.

M. Masseter Ursprung: Arcus zygomaticus

Ansatz: Angulus mandibulae

Funktion: Kieferschluss

Innervaton: Radix N. trigemini

Dieser Muskel kann von außen palpiert werden oder ggf. intraoral.

Schmerzübertragung durch Triggerpunkte, siehe Abbildung.

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Schmerzübertragung durch Triggerpunkte des M. masseter

M. Pterygoideus medialis Ursprung: Fossa pterygoidea

Ansatz: Angulus mandibulae

Funktion: Kieferschluss

Innervation: Radix N. trigemini

Der Muskel ist intraoral palpierbar. Der Therapeut tastet ihn mit seinem Zeigefinger an

der Medialseite des Ramus mandibulae, wo er sich vom Tuber maxillae bis zum

Angulus mandibulae erstreckt.

Der M. pterygoideus medialis bildet mit dem M. masseter eine Muskelschlinge am

Angulus mandibulae, und sind zusammen an ca. 55 % der Adduktion des Kiefers

beteiligt. M. temporalis Ursprung: Linea temporalis der Squama ossis temporalis und des Os parietalis

Ansatz: Prozessus cornoideus mandibulae

Funktion: - Kieferschluss

- Retrusion

- leichte Unterstützung der Protrusion

Innervation: Radix N. trigemini

Der M. temporalis ist bei beidseitiger Aktivität an ca. 45 % der Adduktion des Kiefers

beteiligt.

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M. pterygoideus lateralis

Ursprung:

• Caput medialis: Crista infratemporalis ossis sphenoidalis

• Caput lateralis: Lamina lateralis des Processus pterygoideus

Ansatz:

• Caput medialis: Discus articularis

• Caput lateralis: Processus condylaris mandibulae

Funktion:

• Caput medialis: leitet die Kieferöffnung ein und zieht den Discus nach ventral

• Caput lateralis: - einseitig: Verschieben des Unterkiefers zur Gegenseite

- beideitig: Protrusion

Innervation: N. trigemini (Radix)

Palpation intraoral-> der Therapeut führt die Zeigefingerkuppe zwischen dem Tuber

maxillae und des Ramus mandibulae nach cranial .

Der M. Pterygoideus lateralis steuert die Kinematik der Kiefergelenke bei der

Öffnungsbewegung, leitet die Mundöffnung ein, die dann von der suprahyoidalen

Muskulatur fortgesetzt wird (vgl. Rauber, Kopsch (1987) S. 743).

Suprahyoidale Muskulatur:

• M. digastricus

• M. mylohyoideus

• M. stylohyoideus

• M. geniohyoideus

Diese Muskeln sind am muskulären Aufbau des Mundbodens beteiligt. Die oberen

Zungenbeinmuskeln beteiligen sich am Schluck- und Kauakt sowie an der Artikulation

bei Sprechen und Singen. Bei Fixierung des Zungenbeins durch die infrahyoidale

Muskulatur beteiligen sich die Mm. Mylohyoidei an der Öffnungs- und

Seitwärtsbewegung des Unterkiefers.

Infrahyoidale Muskulatur:

• M. sternohyoideus

• M. sterno-thyreoideus

• M. omohyoideus

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Tonusasymmetrien und Dysbalancen der supra- und infrahoidalen Muskulatur führen

zu Einschränkungen der hyoidalen Mobilität. Diese kann durch Überprüfung der

lateralen, cranialen, caudalen bzw. ventralen Verschieblichkeit des Zungenbeins

überprüft werden. Speziell bei Dysbalancen der infrahyoidalen Muskulatur ist aber

auch auf die Mobilität des Kehlkopfes und des Schildknorpels zu achten.

M. sternocleidomastoideus / M. trapezius / kurze Nackenmuskeln Auch diese Muskeln können Schmerzen im Kiefer und Gesichtsbereich übertragen.

1.5 Gelenkspieltechniken Danach werden Gelenkspieltechniken durchgeführt, um Belastungen aus dem

Kapselbandgerät genauer zuordnen zu können. Bei den Gelenkspieltechniken

unterscheidet man die Kaudaltraktion und die ventromediale Translation. Die

Kaudaltraktion ist der Test zur Diagnostik einer Kapsulitis des Kiefergelenkes. Bei der

ventromedialen Translation werden die hinteren Anteile der Gelenkkapsel sowie das

Lig. stylomandibulare und Lig. sphenomandibulare überprüft.

Um nun auch noch differenzieren zu können, ob Beschwerden auf die bilaminäre Zone

oder auf die Gelenkflächen zurückzuführen sind, wird mittels der passiven

Kompression getestet.

1.6 Passive Kompressionen 1. Passive Kompressionen dorsal: der Therapeut führt mit Druck den Unterkiefer

nach dorsal. Bei einem gesunden Gelenk ist die Kompression schmerzfrei im

Gegensatz zur traumatischen oder entzündlichen bilaminären Zone, die mit

starken Schmerzen reagiert.

2. Passive Kompression dorso-cranial: hierbei wird die Gelenkbahn unter

Kompression abgefahren. Unebenheiten oder Reibegeräusche können somit

festgestellt werden.

Auch diese Untersuchung ermöglicht u. a. eine Differenzierung der Knackphänomene,

bei zum Beispiel einer Kondylushypermobilität, die aber noch in der erweiterten

Untersuchung näher erörtert wird.

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2. Erweiterte Untersuchung

Nach der allerersten Untersuchung – der aktiven Mundöffnung – (s. Kap. 1.1.1) sowie

den beschriebenen Gelenkuntersuchungen hat der Therapeut bereits

Grundinformationen über vorhandene Knackphänomene. Nun folgt die erweiterte

Differenzierung der Knackphänomene.

2.1 Dynamische Kompression Bei der dynamischen Kompression komprimiert der Therapeut gleichzeitig beide

Gelenke gleichmäßig und lässt eine Mundöffnungsbewegung durchführen. Dies ist die

erste Differenzierung der Knackphänomene im Kiefergelenk wie z. B.

• Discushypermobilität

• Knacken des Lig. laterale

• Discusadhäsion

• Partielle oder totale Discusvorverlagerung mit Reposition

• Knacken durch Condylushypermobilität

• Knacken durch Knorpelhypertrophie

Diese verschiedenen Knackphänomene reagieren unterschiedlich während der

Durchführung der dynamischen Kompression. Das Knacken kann lauter oder leiser

werden, verschwinden, später oder gleich erfolgen. Zum Beispiel wird aufgrund des

verkleinerten Gelenkspaltes unter Kompression eine Discusvorverlagerung mit

Reposition erst später und lauter auftreten oder das Knacken, weil der Discus unter

Umständen nicht mehr reponiert werden kann, verschwindet.

Dabei begleitet das Verschwinden des Knackens eine eingeschränkte Mundöffnung mit

Deflektion zur kranken Seite und Schmerzen, was im Vergleich zum späteren Knacken

unter Kompression eine schlechtere Prognose bedeutet.

Bei der Discusfixation verlagert sich der Discus articularis. Er bleibt allerdings nicht frei

im Gelenkspalt, also ist er nicht verschiebbar, sondern er fixiert sich auf der

Gelenkbahn. Durch die Fixation kann das Knacken unter Kompression nicht verspätet

auftreten, sondern bleibt an der gleichen Stelle, das Knacken wird aber viel heller und

lauter.

Ein Knacken des Lig. laterale entsteht durch das Entlangstreifen des lateralen Poles

des Condylus an einem verhärteten und verdickten Lig. laterale. Durch die dynamische

Kompression werden die beiden Condylen nach cranial versetzt bzw. der Ansatz des

Ligamentum ist höher. Somit ist die Spannung geringer. Dadurch verschwindet das

Knacken oder wird erheblich weniger, ohne das andere Symptome entstehen,

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beispielsweise eine Einschränkung der Mundöffnung oder Schmerzen (wie bei der

Discusvorverlagerung mit Reposition).

Eine Condylushypermobilität / Condylussubluxation kann Knacken bei der maximalen

Mundöffnung beim Überschreiten des Tuberculum articulare verursachen und tritt

somit eher terminal auf. Dieses Knackphänomen ist gut festzustellen, da das

Subluxieren des Condylus optisch erkennbar ist und während des Abfahrens der

Gelenkbahn bei der passiven Kompression (ventrocranial), aber auch während der

dynamischen Kompression gut festgestellt werden kann. Wenn der Therapeut seine

komprimierende Kraft während der Mundöffnung nicht reduziert, kann es sein, dass der

Patient vorübergehend ventral vom Condylus hängen bleibt und erst nach Weglassen

der komprimierenden Kraft wieder richtig zubeißen kann.

Um nun die Knackphänomene weiter differenzial diagnostisch einzugrenzen, sind

weitere Test notwendig.

War das Knacken z. B. bei der aktiven Mundöffnung initial zu spüren und war das

Knacken nach der dynamischen Kompression verschwunden, könnte man auf eine

Discushypermobilität oder auf ein Knacken des Lig. laterale schließen.

Um dieses zu differenzieren, schließt sich der nächste Untersuchungsschritt an.

2.2 Dynamische Translation lateral mit Kompression Hierbei wird der Kiefer mittels Daumen vom Therapeuten zur testenden Seite nach

transversal lateral geschoben und bei der aktiven Mundöffnung des Patienten mit den

Fingerkuppen der anderen Hand des Therapeuten das zu testende Gelenk nach

cranial komprimiert. Dabei wird das Lig. laterale entspannt und das Knackgeräusch

bleibt aus.

Bei der Discushypermobilität jedoch wäre das Knackphänomen initial wie bei der

aktiven Mundöffnung, aber etwas lauter vorhanden.

Die Prognose der Discusvorverlagerung sowie die Art der Therapie hängen wesentlich

von dem Ausmaß der Verlagerung ab.

Die so genannte dynamische Translation medial erlaubt es festzustellen, ob eine

partielle oder totale Discusvorverlagerung vorliegt und wäre somit die nächste

Differenzierung der Knackphänome (aktive Mundöffnung initial/intermediar,

dynamische Kompression lauter + später).

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2.3. Dynamische Translation medial

Der Therapeut schiebt den Condylus in einer transversalen Richtung nach medial und

lässt dann den Patienten den Mund öffnen.

Bei einer partiellen Discusvorverlagerung gelingt es, den Condylus unter den Discus zu

bewegen und somit verschwindet das Knacken währen des Öffnens. Im anderen Fall

bleibt das Knacken trotz der dynamischen Translation bestehen, was auf eine

komplette Discusvorverlagerung hinweist und eine schlechtere Prognose und Stabilität

bei einer konservativen Repositionstherapie bedeutet.

Bei der Discusadhäsion oder Knorpelhyperplasie tritt das Knacken bei der aktiven

Mundöffnung intermediär auf und ist bei der dynamischen Kompression lauter. Um

diese beiden Knackphänomene zu differenzieren, bietet sich die nächste Untersuchung

an.

2.4 Dynamische Translation lateral Ausführung wie 2.3, zu testen ist nun aber das Kiefergelenk, welches nach lateral

translatiert wird.

Bei der Discusadhäsion wird unter diesem Test das Knacken deutlich lauter, wobei bei

der Knopelhyperplasie das Knacken leiser wird bzw. verschwindet.

Hiermit ist die lokale Befunderhebung des Kiefergelenks und die damit einhergehende

Differenzierung der Knackphänomene abgeschlossen.

VII Resümee und Ausblick Die in den vorausgegangenen Kapiteln beschriebenen Methoden und

Untersuchungsformen haben gezeigt, dass sich Knackphänomene auf

unterschiedlichste Art und Weise differenzieren lassen.

Die herrschende Meinung in der Fachliteratur sieht trotz Differentialdiagnostik kaum

Unterscheidungen in der physiotherapeutischen Behandlung der Knackphänome vor.

In der Hauptsache geht es bei der physiotherapeutischen Behandlung der

Knackphänomene um die Entlastung des Discus-Condylus-Komplexes sowie einer

Verringerung des Tonus der Kaumuskulatur. Dieses kann mittels Traktionen und

mobilisierenden Gleittechniken, sowie Detonisierung über Querfriktionen, Massagen,

Triggerpunkttherapie etc. wie auch Wärmebehandlungen erfolgen.

Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt ist es sinnvoll, dieses über eine

adäquate Schienentherapie ergänzend zu unterstützen.

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Meines Erachtens ist es jedoch auch von wesentlicher Bedeutung herauszufinden, ob

primäre Auslösemechanismen, wie einerseits ondogene Ursachen (z. B.

Okklusionsstörungen), gelenkspezifische Ursachen (z. B. Arthrose) aber auch

psychogene Ursachen (z. B. Bruxismus) oder aber sekundäre Ursachen oder

begleitende Auslösemechanismen wie alle biomechanischen Veränderungen (z. B.

antepositionierte HWS) für die Knackphänomene verantwortlich sind.

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