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Chrom-Autorisierung unter Reach für kleine und mittlere Betriebe

Date post: 21-Jan-2017
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b Der nächste Schritt bei der Um- setzung der europäischen Chemi- kalienpolitik ist die Zulassung von besonders besorgniserregenden Stoffen (substances of very high concern, SVHC) [Nachr. Chem. 2009, 57, 45]. Dabei gibt es für klei- ne und mittlere Unternehmen (KMU) verstärkt Herausforderun- gen, die nicht direkt mit der Zulas- sung selbst zusammenhängen. Sie sind darauf zurückzuführen, dass Reach das erste Gesetz ist, das di- rekt von der europäischen Kom- mission bestimmt und umgesetzt wird. So sind verbindliche Zwi- schenentscheide über die Verwen- dung eines SVHC durch nationale oder europäische Fachbehörden nicht vorgesehen. Ausschließlich die Mehrheit der Kommissare der EU-Kommission entscheidet über eine Zulassung. Alle Diskussionen oder behördlichen Vorgehen – na- tional wie europäisch – haben le- diglich Empfehlungscharakter. Dies ist für viele Betriebe ungewohnt. Ein weiterer Faktor ist die Be- weislastumkehr: Mussten Betriebe nach deutschen Gesetzen bisher handeln, wenn ein Risiko nachge- wiesen war, müssen sie nach Reach nun nachweisen, dass kein Risiko besteht oder dass sie es ausrei- chend beherrschen. Die Autorisierung erreichen b Besonders für kleine und mitt- lere Betriebe ist es schwierig nach- zuweisen, dass sie ein Risiko ange- messen beherrschen. Außerdem ist nachzuweisen, dass es keinen Ersatz für die betreffende Sub- stanz gibt. Letzteres trifft häufig auf aus Chrom(VI)-Elektrolyten abgeschiedene Chromschichten zu. Zentraler Punkt für das weite- re Vorgehen ist, dass das betroffe- ne Unternehmen genau be- schreibt, wie es die Substanz in der betrieblichen Praxis anwen- det. Eine Maßgabe, wie detailliert die Beschreibung sein muss, gibt es nicht. Die betroffenen Betriebe haben mehrere Möglichkeiten, um einen SVHC zu verwenden: 1. Der Lieferant des Stoffs bean- tragt und erhält eine Autorisierung. Der nachgeschaltete Anwender ver- wendet den Stoff im Rahmen dieser Autorisierung. Diese Lösung ist für Standardverwendungen denkbar. Sie kann allerdings die Entwick- lung einschränken, da die Autori- sierung neue Anwendungen nicht berücksichtigt. 2. Der Anwender beteiligt sich an einem Verbund betroffener Be- triebe. Solche Kooperationen gibt bereits; sie unterscheiden in Inte- ressenslage und Vorgehensweise. 3. Der Anwender beantragt die Autorisierung seiner spezifischen Anwendung selbst. Dies bedeutet gerade für die nachgeschalteten Anwender einen hohen, von KMU zumeist nicht realisierbaren Auf- wand. 4. Eine Verwendung, die viele unter Standardbedingungen nut- zen, erhält eine allgemeine Zulas- sung. Allerdings muss eine Zulas- sung an eine juristische Person er- teilt werden, so dass diese Lösung nicht wahrscheinlich ist. Für welche der Möglichkeiten sich ein Betrieb auch entscheidet – er muss immer seine eigene Ver- wendung so definieren, dass das Risiko als angemessen beherrscht gilt und damit eine Zulassung zu Uwe König Wie können Unternehmen mit der europäischen Chemikalienregelung umgehen, damit ihre Fertigung in den nächsten Jahren gesichert ist? Eine Lösung ist, die Kommunikation und Kooperation entlang der Lieferkette zu stärken, wie dies bei der Verwendung von Chrom(VI)-Verbindungen angestrebt wird. Chrom-Autorisierung unter Reach für kleine und mittlere Betriebe BChemiewirtschaftV Verchromte Felge. (Wikipedia, Stefan-Xp) Nachrichten aus der Chemie| 62 | Februar 2014 | www.gdch.de/nachrichten 154
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Page 1: Chrom-Autorisierung unter Reach für kleine und mittlere Betriebe

b Der nächste Schritt bei der Um-setzung der europäischen Chemi-kalienpolitik ist die Zulassung von besonders besorgniserregenden Stoffen (substances of very high concern, SVHC) [Nachr. Chem. 2009, 57, 45]. Dabei gibt es für klei-ne und mittlere Unternehmen (KMU) verstärkt Herausforderun-gen, die nicht direkt mit der Zulas-sung selbst zusammenhängen. Sie sind darauf zurückzuführen, dass Reach das erste Gesetz ist, das di-rekt von der europäischen Kom-mission bestimmt und umgesetzt wird. So sind verbindliche Zwi-schenentscheide über die Verwen-

dung eines SVHC durch nationale oder europäische Fachbehörden nicht vorgesehen. Ausschließlich die Mehrheit der Kommissare der EU-Kommission entscheidet über eine Zulassung. Alle Diskussionen oder behördlichen Vorgehen – na-tional wie europäisch – haben le-diglich Empfehlungscharakter. Dies ist für viele Betriebe ungewohnt.

Ein weiterer Faktor ist die Be-weislastumkehr: Mussten Betriebe nach deutschen Gesetzen bisher handeln, wenn ein Risiko nachge-wiesen war, müssen sie nach Reach nun nachweisen, dass kein Risiko besteht oder dass sie es ausrei-chend beherrschen.

Die Autorisierung erreichen

b Besonders für kleine und mitt-lere Betriebe ist es schwierig nach-zuweisen, dass sie ein Risiko ange-messen beherrschen. Außerdem ist nachzuweisen, dass es keinen Ersatz für die betreffende Sub-stanz gibt. Letzteres trifft häufig auf aus Chrom(VI)-Elektrolyten abgeschiedene Chromschichten zu. Zentraler Punkt für das weite-re Vorgehen ist, dass das betroffe-ne Unternehmen genau be-schreibt, wie es die Substanz in der betrieblichen Praxis anwen-det. Eine Maßgabe, wie detailliert die Beschreibung sein muss, gibt es nicht.

Die betroffenen Betriebe haben mehrere Möglichkeiten, um einen SVHC zu verwenden:

1. Der Lieferant des Stoffs bean-tragt und erhält eine Autorisierung. Der nachgeschaltete Anwender ver-wendet den Stoff im Rahmen dieser Autorisierung. Diese Lösung ist für Standardverwendungen denkbar. Sie kann allerdings die Entwick-lung einschränken, da die Autori-sierung neue Anwendungen nicht berücksichtigt.

2. Der Anwender beteiligt sich an einem Verbund betroffener Be-triebe. Solche Kooperationen gibt bereits; sie unterscheiden in Inte-ressenslage und Vorgehensweise.

3. Der Anwender beantragt die Autorisierung seiner spezifischen Anwendung selbst. Dies bedeutet gerade für die nachgeschalteten Anwender einen hohen, von KMU zumeist nicht realisierbaren Auf-wand.

4. Eine Verwendung, die viele unter Standardbedingungen nut-zen, erhält eine allgemeine Zulas-sung. Allerdings muss eine Zulas-sung an eine juristische Person er-teilt werden, so dass diese Lösung nicht wahrscheinlich ist.

Für welche der Möglichkeiten sich ein Betrieb auch entscheidet – er muss immer seine eigene Ver-wendung so definieren, dass das Risiko als angemessen beherrscht gilt und damit eine Zulassung zu

Uwe König

Wie können Unternehmen mit der europäischen Chemikalienregelung umgehen, damit ihre Fertigung

in den nächsten Jahren gesichert ist? Eine Lösung ist, die Kommunikation und Kooperation entlang der

Lieferkette zu stärken, wie dies bei der Verwendung von Chrom(VI)-Verbindungen angestrebt wird.

Chrom-Autorisierung unter Reach für kleine und mittlere Betriebe

BChemiewirtschaftV

Verchromte Felge. (Wikipedia, Stefan-Xp)

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erwarten ist. Diese Definition muss er entweder an seinen Lieferanten weiterleiten (bei Punkt 1) oder dem Verbund zur Verfügung stellen (bei Punkt 2). Der zum Teil hohe Spezialisierungsgrad des nachge-schalteten Anwenders macht Ver-allgemeinerungen schwierig, so-dass spezielle Anwendungen nicht in die Lieferanten- oder Verbund -sicher heits berichte aufgenommen werden. Im Zeitraum 2011 bis 2012 gingen bei der europäischen Chemikalienbehörde Echa genau 100 Stoffsicherheitsberichte (Che-mical Safety Reports, CSR) von nachgeschalteten Anwendern ein. In 91 Fällen war der Grund, dass der Vorlieferant die jeweilige Ver-wendung trotz Gesprächen nicht in den CSR aufgenommen hatte.

Kooperationen bei Chromaten

b Unterschiedliche Interessen, wirtschaftliche Abhängigkeiten, politische Intentionen und unklare Bewertungen der Datenlage ver-sperrten einen gemeinsamen Weg bei der Autorisierung von Chroma-ten. So bildeten sich Zusammen-schlüsse, die – jeder für sich – ei-nen Konsens erreichten. Dies kann eine vertikale Struktur entlang der Lieferkette (Punkt 1) oder ein Zu-sammenschluss von anwendenden Betrieben mit eher horizontaler Struktur sein (Punkt 2).

Die vertikale Struktur konzen-triert sich auf Standardanwendun-gen. Den Antrag auf Zulassung stellt ein Lieferant, der möglichst am Beginn der Lieferkette steht. Hierbei besteht allerdings die Ge-fahr, dass sich Anwender mit Spezi-alanwendungen nicht wiederfin-den, die Alternativen nicht genü-gend abzugrenzen sind oder der so-zioökonomische Nutzen nicht aus-reichend zu spezifizieren ist.

Die horizontale Struktur berück-sichtigt möglichst viele spezifische Verwendungen. Sie legt deshalb den Schwerpunkt auf allgemeinere Be-wertungskriterien. Zu klären ist da-bei die Form des Zulassungsantrags.

Es kristallisieren sich immer mehr spezifische Verbünde heraus.

Manche bearbeiten sogar nur eine einzelne Anwendung mit einer gro-ßen wirtschaftlichen Bedeutung. Einige der Verbünde zur Zulassung von Chrom(VI)-Verbindungen sind• Vecco:1) Verein zur Wahrung

von Einsatz und Nutzung von Chromtrioxid und anderen Che-mikalien in der Oberflächen-technik. Substanzen: Chromtrio-xid, von Chromtrioxid abstam-mende Säuren und deren Oligo-mere, zukünftig relevante Sub-stanzen zur Oberflächenbehand-lung

• CTAC:1) The Chromium Trioxi-de Reach Authorization Consor-tium; Substanz: Chromtrioxid

• Fuschidec:2) Funktionale Schichten mit dekorativem Cha-rakter in der Sanitärindustrie; Substanz: Chromtrioxid

• Isla Mathieson (Regulatory Scientist) / TSGE (UK);1) Sub-stanzen: Chromtrioxid und Chrom(VI)-Hydroxysulfat

Hinzu kommen Initiativen aus spe-zifischen Anwendungsbereichen wie der Luft- und Raumfahrtindus-trie.

Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Konsortien weiter zunehmen wird, da die Möglichkeiten der ein-zelnen Konsortien begrenzt sind durch von Reach unabhängige fi-nanzielle und rechtliche Aspekte sowie durch unterschiedliche Inte-ressen.

Nach der Zulassung

b Wichtig ist für KMU auch die Zeit nach der Zulassung. Viele An-wender verwenden mehrere Stoffe, bei denen eine Zulassung disku-tiert werden kann. Jedes Konsorti-um muss sich deshalb bereits jetzt darauf vorbereiten, weitere Sub-stanzen zu bearbeiten. Neben den rein fachlichen Arbeiten ist es er-forderlich die Entscheidungswege zu betrachten sowie Basisdaten zur europaweiten Beurteilung des Risi-kos der jeweiligen Substanzen zu erarbeiten.

Nach der Zulassung sind Ent-wicklungen notwendig, die das Ri-

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siko weiter verringern oder Alter-nativen aufzeigen. Denn nach Reach wird nur eine zeitlich be-fristete Zulassung von Stoffen für bestimmte Anwendungen erteilt. In regelmäßigen Abständen über-prüft die Echa, ob sich aufgrund von technischen Entwicklungen die Voraussetzungen für eine Zu-lassung geändert haben und da-raus eine andere Beurteilung re-sultiert. Das Konsortium muss Wege entwickeln, die kleinen und mittleren Betriebe nach der Zulas-sung zu begleiten. Dies kann ein Konsortium mit horizontaler Struktur aufgrund ähnlicher Be-troffenheit der Betriebe eher leis-ten. So will Vecco weitere Substan-zen bearbeiten und begleitet die Betriebe langfristig.

Fazit

b Eine Zulassung nach Reach stellt die Vertreter einer klein- und mittelständisch orientierten Bran-che wie der Oberflächentechnik vor besondere, branchenspezifi-sche Probleme.

Ein vertrauensvoller Austausch innerhalb der Lieferkette sowie zwischen den Anwendern und den Behörden ist zwingend notwendig. Innerhalb eines Konsortiums kommt es auf eine gleichberechtig-te Auseinandersetzung mit den Sorgen jedes einzelnen Betriebs an.

Schließlich ist es für ein Kon-sortium notwendig, eine Zulas-sung langfristig zu begleiten, zu erhalten und damit die geforder-ten technischen Weiterentwick-lungen soweit wie möglich zu un-terstützen und gemeinsam mit den Betrieben zu realisieren, um deren Existenz langfristig zu sichern.

Uwe König ist promovierter Chemiker mit

dem Schwerpunkt Technologieentwicklung.

Als Mitgesellschafter der Eupoc vertritt er die

Bereiche Technologie, Entwicklung und Nach-

haltigkeit in Deutschland und Europa.

[email protected]

Internet

1) http://chemicalwatch.com/reach_

consortia

2) www.baua.de, http://delivr.com/28629

Thomas Seuß beantwortet Fragen zum Patentrecht

Frage 72:

Ich beziehe mich auf Ihren letzten

Beitrag [Nachr. Chem. 2013, 61,

1240], in dem Sie die Möglichkeit

vorgestellt haben, während des

Prüfungsverfahrens einen Ein-

wand gegen eine Patentanmel-

dung zu erheben. Ich hatte bislang

gedacht, ein Patent sei vor allem

durch einen Einspruch nach der Er-

teilung angreifbar. Gibt es eigent-

lich Gründe für einen kosten-

pflichtigen Einspruch, wenn man

auch einen derartigen Einwand

vor der Erteilung erheben kann?

Antwort:

Aus gutem Grund bleibt das Ein-

spruchsverfahren, welches sich an

eine Patenterteilung anschließt,

das Standardverfahren, wenn es

um die Abwehr von Patenten geht,

die „eigentlich“ nicht hätten er-

teilt werden sollen. Der Haupt-

grund, das Einspruchsverfahren zu

wählen, liegt darin, dass der Ein-

sprechende Verfahrensbeteiligter

ist. Damit kann der Einsprechende

am besten auf das Verfahren Ein-

fluss nehmen, z. B. Anträge und

Beweismittel in das Verfahren ein-

bringen. Vor allem kann der Ein-

sprechende die Argumente und

Beweismittel des Patentinhabers

durch eigene Angaben entkräften

oder widerlegen.

So kommt es manchmal vor, dass

eine chemische Verbindung, die

zum Patent angemeldet wurde,

bereits vor der Anmeldung in einer

Publikation beschrieben war, dort

aber mit einer falschen Struktur-

formel angegeben ist. Wenn die

Nachsynthese der Vorschrift klar

und eindeutig zu der später pa-

tentgeschützten Verbindung

führt, dann ist die frühere Publika-

tion Stand der Technik und das Pa-

tent muss widerrufen werden. Den

Beweis, dass die Nachsynthese ei-

nes publizierten Verfahrens klar

und eindeutig zu einer bestimm-

ten Verbindung führt, obwohl de-

ren Strukturformel in einer Publi-

kation falsch angegeben wurde, ist

praktisch nur im Einspruchsver-

fahren zu führen.

Gegen eine Bestätigung des Pa-

tentes durch die zuständige Abtei-

lung kann der Einsprechende Be-

schwerde einlegen und somit die

Überprüfung durch eine zweite

unabhängige Kammer bewirken.

Dies ist eine sehr starke Stellung,

die in keiner Weise vergleichbar ist

mit den im früheren Beitrag ge-

schilderten Möglichkeiten eines

Einwandes vor der Patentertei-

lung. Darüber hinaus bleiben

dem Patentinhaber weniger Ver-

teidigungsmöglichkeiten, wenn

das Patent erst einmal erteilt

wurde. Dies alles spricht dafür, im

Zweifelsfall einen Einspruch ein-

zulegen.

Ein Einwand vor Patenterteilung

kann dann sinnvoll sein, wenn der

Sachverhalt klar und eindeutig ist

und die Patenterteilung noch län-

gere Zeit auf sich warten lässt. Die

Kostenersparnis der amtlichen

Einspruchsgebühren (Deutsches

Patent: 200 Euro Europäisches Pa-

tent: 745 Euro) ist normalerweise

nicht entscheidend.

Sinnvoll kann ein solcher Einwand

auch sein, wenn die Patentansprü-

che unklar formuliert sind: Kurio-

serweise ist die Unklarheit von Pa-

tentansprüchen kein Einspruchs-

grund.

Fragen für Thomas Seuß an: nachrichten@

gdch.de. Info zur kostenfreien Beratung

unter www.gdch.de/rechtsberatung

Einwand oder Einspruch?

Thomas Seuß Patentanwalt

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