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Christenthum, Katholicismus und Kultur by Raffaele MarianoHistorische Zeitschrift, Bd. 47, H. 1 (1882), pp. 110-112Published by: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH (and its subsidary Akademie Verlag GmbH)Stable URL: http://www.jstor.org/stable/27593667 .
Accessed: 17/06/2014 10:33
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110 Literaturbericht.
Christenthum, Katholicismus und Kultur. Studien von Raffaele Mariano. Aus dem Italienischen. Leipzig, Breitkopf u. H?rtet. 1880.
Nachdem der Vf. in der Einleitung feinen Standpunkt bei der
Behandlung der religi?fen Frage der Gegenwart gekennzeichnet, ver breitet er fich ?ber dieselbe in sieben Kapiteln: die Religion und der
Naturalismus; Christenthum, Kultur und Sozialismus; der Katholi eismus in der modernen Kultur; Religion und Staat; der Katholi cismus und Italien; Deutschland und das Christenthum; Minghetti und Curci. Da der Vf. zweien Nationen angeh?rt, der italienifchen durch Geburt, der deutfchen durch Bildung, widmet er den Zust?nden diefer beiden L?nder feine besondere Aufmerksamkeit, oder geht viel
mehr ? und dies erzeugt einige Einseitigkeit
? bei seinen Betrach tungen von den Zust?nden diefer beiden L?nder aus. Allenthalben tritt er uns als ein feiner Beobachter, als ein selbst?ndig denkender
Kopf, als ein Mann von edlem, f?r die h?chsten Interessen der Mensch heit begeistertem Herzen entgegen. Er kann sich nicht r?hmen
? und eben das rechnet er sich vielleicht zum h?chsten Ruhm
? einer gro?en Partei die Fahne voranzutragen; denn niemand ?bertrifft ihn an
Eifer f?r die Religion und zwar in dem Sinne einer von dem Staate mit allen Mitteln gef?rderten Kirchlichkeit, und andrerseits zeigt er
sich als den tapfersten Vertheidiger der modernen Kultur gegen die
Angriffe der Hierarchie. Dies fcheint ein fo widerspruchsvolles Pro gramm zu fein, da? fich nicht viele zu demselben werden bekennen
wollen; oder, mehr im Sinne des Vf. gesprochen, die Linie, die seinen Weg bezeichnet, ist eine fo feine und gewundene, da? ihm eine gr??ere Menge nicht zu folgen vermag.
Wir wollen nun von vorn herein gestehen, da? auch wir ihm nicht folgen k?nnen, obwohl mit vielen feiner Ausf?hrungen einverstanden und beinahe von allen gefesselt. Des Vf. Blick haftet nirgends an der Oberst?che, aber mitunter sucht er tiefer einzudringen, als es zur Erkenntnis der wirklichen Zust?nde ersprie?lich scheint. Wir lieben die philosophische Geschichtsbetrachtung, weil sie die eigentliche Bl?te der Forschung ist; aber wir wehren ihr, sobald sie die Ereignisse und
Zust?nde nach ihren Ideen nicht zu betrachten, fondern zu gestalten beginnt. Mariano geht von dem Grundsatze aus, da? die Menschheit durchaus der Religion bed?rfe. Das Christenthum ist ihm die Reli
gion 3e?r e^o^^. Der moderne Staat mu? sich um feiner felbst willen, weil er mit seiner gefammten Kultur das Erzeugnis des
Christenthums ist, zur christlichen Religion bekennen. Die echte uud
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Literaturbericht. Ill
einzige Form des Ehristenthums ist der Protestantismus. Der Katho licismus steht der modernen Kultur und ihrer Grundlage, dem Ehristen thum und der Religion feindlich gegen?ber. Der Kampf gegen die
katholische Kirche ist darum von dem modern-protestantischen Staate, als dessen Typus dem Vf. Deutschland erscheint, nicht nach den Prin zipien des religionslosen Liberalismus, der zum Theil von j?dischen Ele menten beherrscht wird, zu f?hren, sondern vom Standpunkte des
gl?ubigen Protestantismus aus. Wenn es Italien nicht gelingt, sich von der Herrschaft des Katholicismus zu befreien, steht ihm der sichere Untergang bevor.
Bei der Kritik dieser S?tze, welche die Grundideen des vorlie
genden Buches bilden, m?ssen wir uns auf wenige Andeutungen be
schr?nken. Eine dem Werthe der geistreichen Ausf?hrungen entsprechende W?rdigung w?rde wieder ein ganzes Buch erfordern. Nach der be
reits gemachten Bemerkung wird die Kritik darauf auszugehen haben, Zu zeigen, da? der Vf. zu wenig Historiker und zu viel Philosoph sei, um den Thatsachen gerecht zu werden. Und dieses Unternehmen d?rfte kein allzuschwieriges sein. Als Konvertit hat der Vf. das
katholische Glaubensbekenntnis mit dem protestantischen vertauscht, um nun die beiden Bekenntnisse wieder nur vom Standpunkte des Dog nmtikers zu beurtheilen. Katholicismus ist ihm ein bestimmtes System, wie er es in seinem eigenen Vaterlande von Jugend auf wahr genommen; die deutschen Katholiken sind ?halbe Protestanten". Eine
Beurtheilung des Katholicismus nach dessen einzelnen Lehren, Lei
stungen, Evolutionen ist dem Vf. fremd. Desgleichen ist ihm der
Protestantismus ein Begriff. F?r die geschichtliche Entwicklung desselben zeigt er wenig Sinn. Was er unter dem ?gl?ubigen Protestantismus" versteht, ist nur eine Betonung des idealen, erbauenden, religi?sen
Momentes unter den traditionellen kirchlichen Formen. Der j?dische Monotheismus erweist sich nach ihm als unzureichend f?r ein wahr haft religi?ses Leben. Dazu sind die Lehren von der Trinit?t und der
Menschwerdung unbedingt erforderlich. Aber nun will M. diese Lehren selbst im Sinne Hegel's, mehr oder weniger pantheistisch verstanden wissen.
Gegen seine gesammte Auffassung, welche nicht auf das ehrliche F?r wahrhalten der alten christlichen Lehren in deren objektivem, histori schem Sinne, sondern auf ein idealisirendes Umdeuten derselben ge richtet ist, wird wohl niemand entschiedener Protestiren als gerade der
?gl?ubige Protestantismus", dem der Vf. dienen will. Wie weit aber die aprioristifche Schablone, mit welcher M. an die Betrachtung felbst
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112 Literaturbericht.
gegenw?rtiger Zust?nde herantritt, ihn von der richtigen F?hrte ab
gelenkt hat, zeigt seine Schilderung des deutschen Ultramontanismus S. 348: ?So gibt es in Deutschland zwar Klerikale und Ultramon
tane, nicht aber, wie z. B. in Frankreich, einen organisirten, streitenden Ultramontanismus und Klerikalismus. Daraus ergibt fich immer
mehr, wie verworren und grundlos die Aufregung der Liberalen
wegen des Kulturkampfes gewesen ist, u. f. w." Der Vf. verkennt,
da? namentlich feit dem Vatikanischen Konzil von einer wesentlichen Verschiedenheit des Ultramontanismus in den einzelnen L?ndern keine Rede mehr sein kann, und da? jenes Konzil gerade dazu bestimmt war, den wenigen Resten des ?halben Protestantismus" unter den
deutschen Katholiken v?llig ein Ende zu machen.
Welche Wege M. empfiehlt, um ?ber die Gefahren des So
zialismus einerseits und die K?mpfe mit der r?mischen Hierarchie, oder, wie der Vf. fagt, der katholischen Kirche hinwegzukommen, wurde zum Theil schon angedeutet. Wie es f?r Deutschland der
des ?gl?ubigen Protestantismus" ist, so f?r Italien ?
ehrlich ge
sprochen ?
gleichfalls die allm?hliche Verdr?ngung des Papstthnms durch das Protestantifiren des Volkes. Denn dahin zielen die von
M. entwickelten kirchlichen Reformgedanken. Er wird sein Vater land gut genug kennen, um zu wissen, ob er die Behauptung wagen
durfte, da? in Rom selbst (S. 282) ?ein ernster Ruf nach Re
form ?berall Widerhall finden w?rde". Wir Deutfche k?nnen uns nur gestatten, ?ber diefe Vermuthung unsere Verwunderung aus
zusprechen. Der Sozialismus schwebt dem Vf. als Schreckbild vor Augen.
Er bef?rchtet eine allgemeine, gro?e Katastrophe, wenn nicht bald
durch Wiederbelebung des Idealismus dem alle Kreise durchdringenden Materialismus gesteuert wird. In Deutschland erblickt er das klassische Land des religi?sen und sozialen Ideals. Er bedauert ? wir w?nschten
sagen zu k?nnen mit Unrecht ?, da? namentlich nach der gro?en nationalen Errungenschaft des Jahres 1870 auch in unserm Vater
lande das materielle Streben die Oberhand gewonnen und die dem
Deutschen angeborene ideale Richtung zur?ckgedr?ngt habe. Aber er
hofft auch, da? gerade von Deutschland die geistige Erneuerung aus
gehen werde. Wir theilen diese Hoffnung, wenn auch ohne zu wissen^ wie sie fich verwirklichen soll. 1^.
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