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Cambra Maria Skadé im Interview Kunst, Magie und Heilung · CO’MED: Sie waren in Sibirien, im...

Date post: 14-Mar-2021
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Grenzbereiche der Medizin Cambra Maria Skadé im Interview Kunst, Magie und Heilung Schamanismus im Altai Kunst, Magie und Heilung, was hat das miteinander zu tun? Wenn sich eine Künstle- rin aufmacht, um mit Schaman/innen im Altai zu leben, kehrt sie verändert und um einiges bereichert zurück. Ihre tiefen Erfahrungen verändern die Kunst - sie lernt, diese auch zur Begleitung von Heilungsprozessen einzusetzen. Was passiert, wenn eine Frau, in diesem Fall die Künstlerin und Autorin selbst, einem Ruf folgt, der sie im Innersten erreicht, ist in dem Buch von Cambra Skadé „Am Feuer der Scha- manin“ in poetisch eigenwilliger Sprache und Bildkunst erzählt. Der Altai steht hier für eine mythologische Seelenheimat, dort, wo die Er- innerungen zuhause sind, öffnen sich die Schleier, werden feiner, transparenter und ge- ben neue Rätsel auf. Zwei Reisen, in zwei auf- einander folgenden Sommern führen zu Wan- del und Transformation. Höhenflüge ergeben sich aus der Begegnung mit den Schatten. Die Besuche bei den Schamaninnen vor Ort bringen Verlorenes zurück und leiten Heilun- gen ein. Neben den interessanten Schilderungen über das alltägliche Leben in der Weite der Step- pe, dem Schneeland öffnet sich mit dem Le- sen unmerklich die Traumzeit und lädt zum Mitträumen ein. Das liegt sicherlich auch an der Art, wie Gesagtes und Ungesagtes mitei- nander verwoben sind und vieles im Bereich des Unerklärbaren bleibt. Die lineare Zeit löst sich bisweilen auf, und die beiden Reisen schieben sich ineinander als Summe einer gefühlten Wirklichkeit. Erlebensdimensionen nehmen zu. Für besonders tiefe Eindrücke bleibt der Mythos, sibirische, schamanische Elemente verbinden sich mit sehr persönli- chen Mythen und Geschichten. So kann das subjektive Erleben in einen größeren Zusam- menhang eingegliedert sein. „Am Feuer der Schamanin“ nimmt die Le- ser/innen mit auf die Reise. Sie können teil- nehmen an einer Welt, in der es wenig Tren- nung zwischen Innen und Außen gibt. Das Ge- schehen als Spiegel zu erfahren und auf die- se Art die symbolische Ebene zu betreten, ist keine leichte Aufgabe. Es braucht große Auf- merksamkeit und wertfreies Annehmen. Träu- me sind bedeutsam, Bäume und Tiere teilen sich mit, Berührung findet statt. Schamanin- nen als Reisebegleiterinnen fordern heraus. Schrittweise erfährt die Seele der Reisenden eine Initiation. Das bedeutet die Alltagsstruk- turen, das Bekannte zu verlassen und sich Gefahren und Ängsten zu stellen, bis der Zeit- punkt für Prüfungen gekommen ist. Der Aus- gang ist ungewiss. Doch Mut wird belohnt. Unterwegs fallen der Reisenden einige Geschenke in den Schoß. Wenn das Selbstverständnis bröckelt, öffnen sich Tore in andere Wirklichkeiten. „Eine der großen Belehrungen hier in Belowodje war, hochfrequente spirituelle Energien mit großer Erdenliebe, Sinnlichkeit, Hingabe an das Le- ben selbst zu verbinden, ohne lange Übergän- ge umzusetzen – schnell, fließend, spiele- risch, lachend. Auf dem Weg zur Aneignung verlorener Teile, auf dem Weg zur Magierin- Künstlerin ließ Lyuda uns etwas ganz Wesent- liches erleben: den zelebrierten Alltag, den kunstmagischen Alltag.“ Die vielen in den Text hinein gewobenen Bilder berichten davon. Einige verbinden Fotografie mit Gemaltem. Dadurch transportiert der All- tag des Altais eine sehr persönliche Symbo- lik, und wieder öffnen sich die Tore, diesmal zu Erinnerungen oder gefühlter Bedeutung. Traumgestalten tauchen schleierhaft auf und rühren die Seele an. Die Wege zur Urschamanin sind Wege zum al- ten Heilsein, Ganzsein, zur tief in der Erde ver- borgenen Weisheit. Beim Lesen wird das spürbar. Wenn eine auf ihren Spuren reist, kommt sie wieder und beschenkt die Zurück- gebliebenen mit ihren Eindrücken, Einsichten, mit bunten Facetten aus einer anderen als der bekannten Wirklichkeit. Sie ist nicht mehr die- selbe wie vor ihrem Aufbruch, sondern hat sich durch Berührung verwandeln lassen, so- weit, wie es ihr bisheriges Erleben zuließ. Ih- re Geschichten vermögen vielleicht das zu wecken, was bei anderen noch unter den Zweifeln begraben ist. Sie wecken möglicher- weise schlafende Samen an, so dass sie aus ihrem Traum im Erdreich erwachen und in Wind und Wetter hinaus keimen wollen. Sie klingen an eine tiefe Sehnsucht, die wohl de- nen innewohnt, die nach Hause kommen möchten. Ankommen, in sich und der Wirk- lichkeit, die aus ihren Träumen tiefes Verbun- densein und Zauber schöpft. CO’MED 1 führte ein Interview mit der Au- torin, um die interessante Verbindung aus Kunst und Schamanischen Heilwei- sen näher zu beleuchten: CO’MED: Sie waren in Sibirien, im Altai und haben dort mit Schamanen gelebt. Was war das Besondere, das Sie dort erfahren konn- ten in Bezug auf das Heilen? Cambra Skadé: Aufgefallen ist, dass alle Schamanen von demselben sprechen. Es geht um die Balance, die Lebenskraft, sich wieder einzubinden in das Gesamtgefüge. In der Methodik unterscheiden sie sich. Der Schamane Arshan arbeitet mit Klängen. Ma- ria liest aus Wasser, das man ihr bringen soll, sie bespricht es, wirft etwas hinein wie Wa- cholder, ein abgebranntes Streichholz von ih- rem heiligen Feuer ... Dieses Wasser ist dann über Tage verteilt zu trinken. Klara arbeitet bevorzugt mit einer schamanischen Mesa. Al- le gehen so vor, wie es für sie stimmt, je nach persönlicher besonderer Fähigkeit. Sie raten das auch uns an – das ganz eigene zu finden und umzusetzen. Gestalten die Schaman/innen ein gemeinsa- mes Ritual, dann sprechen sie alle ganz selbstverständlich dieselbe Ritualsprache. Dies kommt zwar selten vor, ist aber notwen- dig, wenn zum Beispiel der Schutz für den dort besonders heiligen Ort des Ukok-Pla- teaus aufzubauen ist. Sehr intensiv war für mich die Kraft an allen Plätzen zu spüren, die geheiligt werden. Über- all hängen weiße Bänder mit Wünschen und Gebeten. Im Kyjra-Ritual werden die Wesen- heiten, die Kräfte der Plätze geehrt, mit Op- fergaben und den Bändern. Das Ehren und Hüten der Plätze, die Verbundenheit mit der Natur ist den Schaman/innen ein großes An- liegen, gerade da wir heute damit beschäftigt sind, das Gesamtgefüge nachhaltig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Alle sprechen sie von den Gleichgewichten. Davon, dass alle Energien und Kräfte ihren Platz haben – in der Natur, in uns, im Ritual, im Universum. Oft ist es so, dass sie in ihren Heilritualen den Kräften oder Wesenheiten ih- ren Platz wieder zuweisen, denn Ungleichge- wichte, die durch sie entstehen, verursachen Krankheiten und Störungen. Um die Balance aller Kräfte geht es. Das Anliegen der Schaman/innen ist es, die Menschen wieder in den 1 04/08 1 Das Interview wurde geführt von Ulla Janascheck.
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Page 1: Cambra Maria Skadé im Interview Kunst, Magie und Heilung · CO’MED: Sie waren in Sibirien, im Altai und haben dort mit Schamanen gelebt. Was war das Besondere, das Sie dort erfahren

Grenzbereiche der Medizin

Cambra Maria Skadé im Interview

Kunst, Magie und HeilungSchamanismus im Altai

Kunst, Magie und Heilung, was hat das miteinander zu tun? Wenn sich eine Künstle-rin aufmacht, um mit Schaman/innen im Altai zu leben, kehrt sie verändert und umeiniges bereichert zurück. Ihre tiefen Erfahrungen verändern die Kunst - sie lernt,diese auch zur Begleitung von Heilungsprozessen einzusetzen.

Was passiert, wenn eine Frau, in diesem Falldie Künstlerin und Autorin selbst, einem Ruffolgt, der sie im Innersten erreicht, ist in demBuch von Cambra Skadé „Am Feuer der Scha-manin“ in poetisch eigenwilliger Sprache undBildkunst erzählt. Der Altai steht hier für einemythologische Seelenheimat, dort, wo die Er-innerungen zuhause sind, öffnen sich dieSchleier, werden feiner, transparenter und ge-ben neue Rätsel auf. Zwei Reisen, in zwei auf-einander folgenden Sommern führen zu Wan-del und Transformation. Höhenflüge ergebensich aus der Begegnung mit den Schatten.Die Besuche bei den Schamaninnen vor Ortbringen Verlorenes zurück und leiten Heilun-gen ein.

Neben den interessanten Schilderungen überdas alltägliche Leben in der Weite der Step-pe, dem Schneeland öffnet sich mit dem Le-sen unmerklich die Traumzeit und lädt zumMitträumen ein. Das liegt sicherlich auch ander Art, wie Gesagtes und Ungesagtes mitei-nander verwoben sind und vieles im Bereichdes Unerklärbaren bleibt. Die lineare Zeit löstsich bisweilen auf, und die beiden Reisenschieben sich ineinander als Summe einergefühlten Wirklichkeit. Erlebensdimensionennehmen zu. Für besonders tiefe Eindrückebleibt der Mythos, sibirische, schamanischeElemente verbinden sich mit sehr persönli-chen Mythen und Geschichten. So kann dassubjektive Erleben in einen größeren Zusam-menhang eingegliedert sein.

„Am Feuer der Schamanin“ nimmt die Le-ser/innen mit auf die Reise. Sie können teil-nehmen an einer Welt, in der es wenig Tren-nung zwischen Innen und Außen gibt. Das Ge-schehen als Spiegel zu erfahren und auf die-se Art die symbolische Ebene zu betreten, istkeine leichte Aufgabe. Es braucht große Auf-merksamkeit und wertfreies Annehmen. Träu-me sind bedeutsam, Bäume und Tiere teilensich mit, Berührung findet statt. Schamanin-nen als Reisebegleiterinnen fordern heraus.Schrittweise erfährt die Seele der Reisendeneine Initiation. Das bedeutet die Alltagsstruk-turen, das Bekannte zu verlassen und sichGefahren und Ängsten zu stellen, bis der Zeit-punkt für Prüfungen gekommen ist. Der Aus-gang ist ungewiss.

Doch Mut wird belohnt. Unterwegs fallen derReisenden einige Geschenke in den Schoß.Wenn das Selbstverständnis bröckelt, öffnensich Tore in andere Wirklichkeiten. „Eine dergroßen Belehrungen hier in Belowodje war,hochfrequente spirituelle Energien mit großerErdenliebe, Sinnlichkeit, Hingabe an das Le-ben selbst zu verbinden, ohne lange Übergän-ge umzusetzen – schnell, fließend, spiele-risch, lachend. Auf dem Weg zur Aneignungverlorener Teile, auf dem Weg zur Magierin-Künstlerin ließ Lyuda uns etwas ganz Wesent-liches erleben: den zelebrierten Alltag, denkunstmagischen Alltag.“

Die vielen in den Text hinein gewobenen Bilderberichten davon. Einige verbinden Fotografiemit Gemaltem. Dadurch transportiert der All-tag des Altais eine sehr persönliche Symbo-lik, und wieder öffnen sich die Tore, diesmalzu Erinnerungen oder gefühlter Bedeutung.Traumgestalten tauchen schleierhaft auf undrühren die Seele an.

Die Wege zur Urschamanin sind Wege zum al-ten Heilsein, Ganzsein, zur tief in der Erde ver-borgenen Weisheit. Beim Lesen wird dasspürbar. Wenn eine auf ihren Spuren reist,kommt sie wieder und beschenkt die Zurück-gebliebenen mit ihren Eindrücken, Einsichten,mit bunten Facetten aus einer anderen als derbekannten Wirklichkeit. Sie ist nicht mehr die-selbe wie vor ihrem Aufbruch, sondern hatsich durch Berührung verwandeln lassen, so-weit, wie es ihr bisheriges Erleben zuließ. Ih-re Geschichten vermögen vielleicht das zuwecken, was bei anderen noch unter denZweifeln begraben ist. Sie wecken möglicher-weise schlafende Samen an, so dass sie ausihrem Traum im Erdreich erwachen und inWind und Wetter hinaus keimen wollen. Sieklingen an eine tiefe Sehnsucht, die wohl de-nen innewohnt, die nach Hause kommenmöchten. Ankommen, in sich und der Wirk-lichkeit, die aus ihren Träumen tiefes Verbun-densein und Zauber schöpft.

CO’MED1 führte ein Interview mit der Au-torin, um die interessante Verbindungaus Kunst und Schamanischen Heilwei-sen näher zu beleuchten:

CO’MED: Sie waren in Sibirien, im Altai undhaben dort mit Schamanen gelebt. Was wardas Besondere, das Sie dort erfahren konn-ten in Bezug auf das Heilen?

Cambra Skadé: Aufgefallen ist, dass alleSchamanen von demselben sprechen. Esgeht um die Balance, die Lebenskraft, sichwieder einzubinden in das Gesamtgefüge. Inder Methodik unterscheiden sie sich. DerSchamane Arshan arbeitet mit Klängen. Ma-ria liest aus Wasser, das man ihr bringen soll,sie bespricht es, wirft etwas hinein wie Wa-cholder, ein abgebranntes Streichholz von ih-rem heiligen Feuer ... Dieses Wasser ist dannüber Tage verteilt zu trinken. Klara arbeitetbevorzugt mit einer schamanischen Mesa. Al-le gehen so vor, wie es für sie stimmt, je nachpersönlicher besonderer Fähigkeit. Sie ratendas auch uns an – das ganz eigene zu findenund umzusetzen.

Gestalten die Schaman/innen ein gemeinsa-mes Ritual, dann sprechen sie alle ganzselbstverständlich dieselbe Ritualsprache.Dies kommt zwar selten vor, ist aber notwen-dig, wenn zum Beispiel der Schutz für dendort besonders heiligen Ort des Ukok-Pla-teaus aufzubauen ist.

Sehr intensiv war für mich die Kraft an allenPlätzen zu spüren, die geheiligt werden. Über-all hängen weiße Bänder mit Wünschen undGebeten. Im Kyjra-Ritual werden die Wesen-heiten, die Kräfte der Plätze geehrt, mit Op-fergaben und den Bändern. Das Ehren undHüten der Plätze, die Verbundenheit mit derNatur ist den Schaman/innen ein großes An-liegen, gerade da wir heute damit beschäftigtsind, das Gesamtgefüge nachhaltig aus demGleichgewicht zu bringen.

Alle sprechen sie von den Gleichgewichten.Davon, dass alle Energien und Kräfte ihrenPlatz haben – in der Natur, in uns, im Ritual,im Universum. Oft ist es so, dass sie in ihrenHeilritualen den Kräften oder Wesenheiten ih-ren Platz wieder zuweisen, denn Ungleichge-wichte, die durch sie entstehen, verursachenKrankheiten und Störungen.

Um die Balance aller Kräfte geht es. Das Anliegen der

Schaman/innen ist es, die Menschen wieder in den

104/08

1 Das Interview wurde geführt von Ulla Janascheck.

Page 2: Cambra Maria Skadé im Interview Kunst, Magie und Heilung · CO’MED: Sie waren in Sibirien, im Altai und haben dort mit Schamanen gelebt. Was war das Besondere, das Sie dort erfahren

Grenzbereiche der Medizin

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Cambra Skadéist Künstlerin (Malerei, Wort, Performan-ce), Dozentin, Autorin der Bücher „Töch-ter der Mondin“, „Verwurzelt fliegen“, „AmFeuer der Schamanin“. Forschungs- undWirkbereiche sind Kunst als Fachsprachedes Schamanischen, die Verbindung vonKunst, Magie und Heilen.

Kontakt:www.cambra-skade.de

Rhythmus der universellen Le-benskraft einzubinden.

CO’MED: Können Sie ein konkretes Heilritualbeschreiben – eines, bei dem Sie beteiligt wa-ren?

Cambra Skadé: Wir waren bei Arzhan, ei-nem Kaitschi. Das ist jemand mit der Gabedes „Kai“, der altaischen Weise des Kehlkopf-gesangs. Arshan ist gleichzeitig auch Scha-mane. Er hütet die Mythen, bewahrt die Weis-heit der Ahnen wie alle Kaitschis, und er hatdie Gabe der Sichtigkeit. Mit seinen Gesängenheilt er. Wenn alle rituellen Vorbereitungen fer-tig sind, fängt Arshan an zu singen, und seineStimme dringt durch alle Körperteile, durch-pulst jede Zelle, scannt sie ab. Dabei „sieht“er, was im Ungleichgewicht ist. Dann folgendie Heilgesänge für alle. Es arbeitet mitSchwingungen, Resonanzen, es ist eine Zell-aktivierung, eine Erinnerungsreise, eine Wie-der-Holung von Kraft, von Erinnerungswissen,wer wir eigentlich im Ursprung sind. Es kön-

nen alte Leben vorbeiziehen,die Zukunft, Botschaften kom-men, Bilder ... Vielfältig ist,was er mit den Klängen aus-löst. Manchmal hatte ich denEindruck, als würden meineDenkstrukturen zerfallen undsich neu zusammensetzen. Al-te einengende Muster löstensich im Bewusstsein auf, undRaum für Veränderung war ge-schaffen.

CO’MED: Hat sich nachhaltigetwas verändert bei Ihnen?

Cambra Skadé: Ja, in verschiedener Weise.Ich bleibe einmal bei dem neuen Verständnis,das ich mitgebracht habe. Es war die alte Ver-bindung von Kunst, Magie und Heilen. Kunstals Fachsprache der Heiler und SchamanIn-nen. Das hat meinen Weg als Künstlerin nocheinmal verändert, ich konnte diese Verbindungin Zentralasien erleben, verinnerlichen. Eswar, als ob mich Botschaften erreichten, dieweit über mein Selbstverständnis hinausgin-gen und in meine Tiefenschichten sickerten.Mit Mitteln der Kunst etwas aus dem Reich derTräume, Mythen, der anderen Welten sichtbarmachen, das wurde mir nicht nur mental klar,sondern mir gelang es, das auch umzusetzen.Von den SchamanInnen habe ich auch gelernt,das im magischen Raum, der gleichzeitig Heil-raum ist, alles das Leben Betreffende gleich-zeitig sein darf und nach Bedarf umgeschrie-ben werden kann. Wie es sich anfühlt, wenn al-les da sein darf, Schatten und Potenzial, alteWunden, Visionen. Wie sich die Vergangenheitso umschreiben lässt, dass es sich heilsamauf die Gegenwart auswirkt.

Ich habe dort z. B. meine Stimme freigege-ben, sie mir wieder zur Heilung angeeignet.Und ich bin über Bewertungen, Abwertungengestolpert, habe sie mir angeschaut, verab-schiedet. Es war, als fände ich einen verlore-nen Teil meiner Sprache wieder. Auf sehr un-terschiedlichen Ebenen hat sich also etwasverändert.

CO’MED: Was bedeutet für Sie der Sinnzu-sammenhang Kunst, Magie und Heilen?

Cambra Skadé: An einem Beispiel erklärt essich ganz gut, der schamanischen Mesa, ei-ner „Rauminstallation“.

Rauminstallationen kennen wir als künstleri-schen Ausdruck. Mit dem Ansatz, dass Kunstdie Fachsprache des Schamanischen ist unddavon ausgehend, dass Kunst ursprünglichkein Selbstläufer war, sondern der Heilerin,der Schamanin gedient hat, verbinden wir dieRauminstallation mit der Mesa. Die Mesa istder heilige Raum der Schamanin. Mit künstle-rischen Mitteln wird die nichtalltägliche Wirk-lichkeit sichtbar, hörbar, fühlbar gemacht. DieSchamanin webt mit künstlerischen Mitteln Fä-den zwischen dem Tonal, der alltäglichen Wirk-lichkeit und dem großen Ozean der nichtalltäg-lichen Wirklichkeit, dem Nagual.

Wenn die Heilerin in den Bereich der Raumin-stallation geht, handelt es sich um eine Mesa.„Mesa“ heißt auf Spanisch „Tisch“. Sie stehtfür einen begrenzten, von der Schamanin de-finierten Raum. Dieser kann Tischgröße ha-ben, ein temporärer Altar sein, ein Zimmer, je-der Raum bis hin zu einem ganzen Dorf. Füreine bestimmte Zeit wird die Mesa aufgerufen,sie ist zeitlich begrenzter magischer Raum.

Alles, was in diesem magischen Raum pas-siert (während die Mesa aktiviert ist), wirktsich im Großen aus, setzt sich dort um. Es istdas Prinzip „Mikrokosmos / Makrokosmos“:wie im Kleinen so im Großen.

Die Mesa wird angewandt, um zum Beispiel et-was in Balance zu bringen, um auf Reisen zugehen und Antworten zu bekommen oder umdie eigene Geschichte umzuschreiben. Wäh-rend die Mesa aufgerufen wird, ist die lineareZeit aufgehoben, es entsteht eine Struktur vonRaum, in der alles, was war, was ist oder je-mals sein wird gleichzeitig vorhanden ist. Sokann Heilung sehr schnell wirken, kann Ver-gangenheit (die es in der Mesa, im magischenRaum nicht mehr gibt) umgeschrieben wer-den.

Für die Mesa werden Repräsentanten ge-macht, gefunden, bestimmt, die geeignetsind, eine ganz bestimmte Kraft oder Wesen-heit einzuladen. Während die Mesa aufgerufenist, sind die Repräsentanten diese Kraft undstellen sie nicht nur symbolisch dar, ebensowie die Mesa eine Welt ist und nicht nur sym-bolisch dafür steht. Innerhalb der Mesa kön-nen wir etwas umstellen, hinzufügen, wegneh-men. Und immer bewegen wir uns im magi-schen Raum. Daraus entwickelte sich z. B.das (Familien-)stellen. Es handelt sich hier umein altes Heilinstrument, das nicht erst vonden letzten Generationen erfunden wurde.

Page 3: Cambra Maria Skadé im Interview Kunst, Magie und Heilung · CO’MED: Sie waren in Sibirien, im Altai und haben dort mit Schamanen gelebt. Was war das Besondere, das Sie dort erfahren

Grenzbereiche der Medizin

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L i t e r a t u r h i n w e i s e

Cambra Skadé: Am Feuer der Schamanin –Reisewege im sibirischen Altai. Hans NietschVerlag 2007

Die Mesa ist ein mächtiges magisches Instru-ment. Der leere Tisch, das weiße Tuch stelltden Kosmos dar, in dem alles möglich ist. Jenach Anliegen können wir alles aufrufen, alleseinladen – Kräfte, AhnInnen, Wesenheiten etc.und mit ihnen arbeiten. Die Mesa folgt von unsausgesuchten Yantras, rituellen Diagrammen.Wenn wir mit dem Rad des Lebens, den vierSchilden arbeiten, wird das Yantra auf derVierheit aufbauen. Anliegen könnte sein, dasssich die vier kraftvollen, reifen Schilde entfal-ten, dass sich etwas ausbalanciert, dass ge-schwächte Schilde gestärkt werden oder Ähn-liches.

Die Verbindung zweier schamanischer Heil-werkzeuge, zweier „Landkarten“, wie dem Le-bensrad (Medizinrad, vier Schilde) und der Me-sa befruchtet sich gegenseitig. Es sind uralteHeilwerkzeuge, mit denen schon unsere scha-manischen Ahninnen gearbeitet haben.

CO’MED: Gibt es bestimmte Voraussetzun-gen, die man für die von Ihnen erlebten Sitzun-gen braucht?

Cambra Skadé: Was immer wieder auf-taucht, ist der Hinweis, um wie viel leichter esfür die Schaman/innen ist, mit Menschen zuarbeiten, die bereit sind, sich hinzugeben.Nicht blind und naiv und die Verantwortung ab-gebend, aber, wenn die Entscheidung getrof-fen ist, mit den Schamanen zu arbeiten und et-was verändern zu wollen, dann in aller Offen-heit. Es geht um Vertrauen und um Hingabe,letztendlich an das Leben selbst, an die Le-benskraft, ans Universum.

CO’MED: Frau Skadé, vielen Dank für das Ge-spräch.


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