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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS · denfalls wäre der Verzicht auf ein weiteres Auswahlverfahren...

Date post: 10-Jun-2020
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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS BVerwG 2 VR 1.13 In der Verwaltungsstreitsache
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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

BESCHLUSS BVerwG 2 VR 1.13

In der Verwaltungsstreitsache

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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 20. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Kenntner beschlossen:

Der Antragsgegnerin wird bis zum Abschluss des Haupt-sacheverfahrens untersagt, den Dienstposten „Referatslei-ter Rechtsangelegenheiten/G 10“ in der Abteilung … mit dem Beigeladenen zu besetzen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigelade-nen, die dieser selbst trägt. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 43 224,16 € festgesetzt.

G r ü n d e :

I

Die Antragstellerin ist Regierungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15) im Dienst

der Antragsgegnerin. Sie wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

gegen die Besetzung des mit der Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienst-

postens des Referatsleiters „Rechtsangelegenheiten/G 10“ (…) mit dem

Beigeladenen, der ebenfalls das Amt eines Regierungsdirektors (Besoldungs-

gruppe A 15) innehat.

Zur Nachbesetzung des freiwerdenden Dienstpostens entwickelte die Antrags-

gegnerin aus einer Dienstpostenbeschreibung ein Anforderungsprofil und

schrieb den Dienstposten im Juni 2012 entsprechend aus. Nach der Stellen-

ausschreibung sind u.a. die Befähigung zum Richteramt gemäß § 5 DRiG, Füh-

rungskompetenz, eine mindestens sechsjährige Erfahrung in Führungspositio-

nen im juristischen Bereich, Sprachkenntnisse Englisch entsprechend „SLP 3“

und eine mindestens zweijährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit auslän-

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dischen Nachrichtendiensten gefordert. Auf die Ausschreibung bewarben sich

u.a. die Antragstellerin und der Beigeladene, die in ihren letzten Regelbeurtei-

lungen beide das Gesamturteil 8 von 9 möglichen Punkten erzielt hatten. Die

Antragsgegnerin entschied sich für den Beigeladenen und teilte nach Zustim-

mung des Bundeskanzleramts den anderen Bewerbern mit, dass die „förderli-

che Besetzung“ des Dienstpostens mit dem Beigeladenen zum 1. Februar 2013

geplant sei.

Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt und die Gewährung

vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Sie hält die Auswahlentscheidung für

rechtswidrig, weil sie nur auf einzelne Merkmale des Anforderungsprofils abstel-

le, ohne hierfür eine ausreichende Begründung zu geben. Darüber hinaus sei

dem Beigeladenen zu Unrecht ein Vorsprung im Merkmal Führungskompetenz

zugesprochen worden. Sie sei hier besser beurteilt und verfüge auch über eine

längere Führungserfahrung im rechtlichen Bereich. Die ebenfalls im Anforde-

rungsprofil geforderten Sprachkenntnisse würden aktuell nur von ihr, nicht aber

vom Beigeladenen erfüllt. Sie weise auch die geforderte Erfahrung in der Zu-

sammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten auf, weil sie als Sachge-

bietsleiterin die Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe für ausländische Nachrich-

tendienste geplant und gesteuert habe und für die Entwicklung des AND-Policy-

Konzepts zuständig gewesen sei.

Die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, den Dienstposten Referatsleiter Rechtsange-legenheiten/G 10 in der Abteilung … mit dem Beige-ladenen zu besetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigt die Auswahlentscheidung. Nur der Beigeladene erfülle alle Merk-

male des Anforderungsprofils vollständig. Im Übrigen könne ein Vorsprung der

Antragstellerin auch im Hinblick auf das Merkmal Führungskompetenz nicht

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festgestellt werden. Zwar sei der Beigeladene hier etwas schlechter beurteilt; es

müsse jedoch berücksichtigt werden, dass er als Referatsleiter deutlich mehr

Sach- und Personalverantwortung getragen und damit höhere Anforderungen

zu erfüllen gehabt habe als die als Sachgebietsleiterin tätige Antragstellerin. Es

könne daher davon ausgegangen werden, dass die leicht schlechtere Beurtei-

lung bei höheren Anforderungen im Vergleich mit einer leicht besseren Beurtei-

lung bei weniger hohen Anforderungen als im Wesentlichen gleich gut einzustu-

fen sei.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Se-

natsakten sowie die vom Bundesnachrichtendienst übersandten Verwaltungs-

vorgänge verwiesen.

II

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den der Senat ge-

mäß § 123 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter

Instanz entscheidet, ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin hat glaub-

haft gemacht, dass durch die Besetzung des ausgeschriebenen Dienstpostens

mit dem Beigeladenen die Verwirklichung eigener Rechte vereitelt oder wesent-

lich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Antragstellerin steht ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2

VwGO für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite.

Zwar ist Gegenstand des Rechtsstreits nicht die Vergabe eines statusrechtli-

chen Amtes, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem

Grundsatz der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte,

wenn der unterlegene Bewerber unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG an der

Ausschöpfung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre (Urteil

vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 = Buchholz

11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 47, jeweils Rn. 27). Die mit dem Eilantrag angegriffene

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Übertragung des Dienstpostens auf einen Mitbewerber kann nachträglich auf-

gehoben und der Dienstposten anderweitig besetzt werden, so dass der An-

tragstellerin auch nachgelagerter Rechtsschutz zur Verfügung steht (Beschluss

vom 27. September 2011 - BVerwG 2 VR 3.11 - Buchholz 232.1 § 48 BLV Nr. 1

Rn. 19).

Die Auswahlentscheidung ist auch nicht auf die spätere Vergabe des Beförde-

rungsamts gerichtet. Bereits der Text der Ausschreibung nimmt ausschließlich

die Vergabe eines Dienstpostens in Bezug, so dass potentielle Bewerber, deren

Interesse auf eine Beförderung gerichtet ist, nicht angesprochen und von einer

Bewerbung abgehalten wurden. Ausweislich der Erwägungen des Auswahlver-

merks hat der Präsident des Bundesnachrichtendienstes auch tatsächlich keine

Entscheidung über die Vergabe des Beförderungsamts getroffen, sondern allein

die Besetzung des Dienstpostens geregelt.

Soweit die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren mitgeteilt hat, eine Be-

förderung des Beigeladenen sei im Falle seiner Bewährung nach rund einem

Jahr beabsichtigt, fehlt es daher an einer hierauf bezogenen Auswahlentschei-

dung. Ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig wäre, mit der Dienst-

postenvergabe auch eine unter der Bedingung einer erfolgreichen Erprobung

(§ 22 Abs. 2 BBG, § 32 Nr. 2, § 34 Abs. 1 Satz 1 BLV) stehende Auswahlent-

scheidung für die erst zu einem ungewissen künftigen Zeitpunkt beabsichtigte

Beförderung zu treffen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Je-

denfalls wäre der Verzicht auf ein weiteres Auswahlverfahren nur in einem en-

gen zeitlichen Zusammenhang zu der Zuweisung des Beförderungsdienstpos-

tens denkbar, um die Aktualität der dienstlichen Beurteilungen zu wahren (Urteil

vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 A 7.06 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 44

Rn. 20) und in der Zwischenzeit möglicherweise hinzukommende weitere Be-

werber nicht ohne hinreichende Rechtfertigung vom Auswahlverfahren über das

Beförderungsamt auszuschließen.

Die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienst-

postenvergabe vermag die Rechtsstellung der Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 2

GG aber dennoch zu beeinträchtigen, weil sie eine Vorauswahl für die Vergabe

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eines höheren Statusamts der Besoldungsgruppe A 16 trifft (vgl. Beschluss vom

25. Oktober 2011 - BVerwG 2 VR 4.11 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 50

Rn. 11 m.w.N.; hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007

- 2 BvR 2457/04 - BVerfGK 12, 265 <268 f.> = juris Rn. 11). Art. 33 Abs. 2 GG

gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang

zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung.

Die Verbindlichkeit dieses verfassungsunmittelbar angeordneten Maßstabs gilt

nicht nur für die unmittelbare Vergabe eines Amtes im statusrechtlichen Sinne,

sondern auch für vorgelagerte Auswahlentscheidungen, durch die eine

zwingende Voraussetzung für die nachfolgende Ämtervergabe vermittelt und

die Auswahl für die Ämtervergabe damit vorweggenommen oder vorbestimmt

wird (stRspr; vgl. Urteile vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE

115, 58 <60> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54 S. 3, vom 16. Oktober 2008

- BVerwG 2 A 9.07 - BVerwGE 132, 110 = Buchholz 11 Art. 87a GG Nr. 6

jeweils Rn. 49 und vom 26. September 2012 - BVerwG 2 C 74.10 - NVwZ 2013,

80 Rn. 18).

Der von der Antragsgegnerin zur Neubesetzung ausgeschriebene und mit der

Besoldungsgruppe A 16 bewertete Dienstposten des Referatsleiters „Rechts-

angelegenheiten/G 10“ stellt für die Antragstellerin und den Beigeladenen, die

beide ein Amt der Besoldungsgruppe A 15 bekleiden, einen höherwertigen

Dienstposten dar. Die Übertragung schafft daher die laufbahnrechtlichen Vor-

aussetzungen für eine spätere Beförderung (§ 22 Abs. 2 BBG). Die Übertra-

gung des höherwertigen Dienstpostens soll unter den Bedingungen praktischer

Tätigkeit die Prognose bestätigen, dass der Inhaber des Dienstpostens - besser

als etwaige Mitbewerber - den Anforderungen des Beförderungsamtes genügen

wird. Nur der erfolgreich Erprobte hat die Chance der Beförderung. Andere Inte-

ressenten, die bislang nicht auf einem höherwertigen Dienstposten erprobt wor-

den sind, kommen für eine Beförderung aus laufbahnrechtlichen Gründen nicht

in Betracht. Damit wird die Auslese für Beförderungsämter vorverlagert auf die

Auswahl unter den Bewerbern um „Beförderungsdienstposten“.

Diese Vorwirkung begründet in Fällen der Übertragung eines Beförderungs-

dienstpostens an einen Mitbewerber für den Unterlegenen einen Anordnungs-

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grund und führt dazu, dass das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in

diesen Fällen grundsätzlich die Funktion des Hauptsacheverfahrens übernimmt.

Deshalb muss es den sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Anforderungen

gerecht werden und darf nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter

einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben. Vielmehr ist eine umfassende tat-

sächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl verfassungsrecht-

lich geboten, bei der die Anforderungen an einen Erfolg des unterlegenen Be-

werbers nicht überspannt werden dürfen (Beschluss vom 25. Oktober 2011

a.a.O. Rn. 12, stRspr). Wird dabei eine Verletzung des Bewerbungsverfahrens-

anspruchs festgestellt, muss die Ernennung des ausgewählten Bewerbers be-

reits dann durch einstweilige Anordnung untersagt werden, wenn die Auswahl

des Antragstellers bei rechtsfehlerfreier Auswahl jedenfalls möglich erscheint

(BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 - NVwZ

2003, 200 <201> = juris Rn. 13).

2. Der Antragstellerin steht auch ein Anordnungsanspruch zu, weil die Aus-

wahlentscheidung der Antragsgegnerin für die Vergabe des Dienstpostens den

Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin verletzt. Die Auswahlent-

scheidung beruht auf einem unzulässigen Anforderungsprofil (a) und einem feh-

lerhaften Leistungsvergleich (b). Es erscheint auch möglich, dass der Dienst-

posten im Falle einer fehlerfreien Wiederholung des Auswahlverfahrens an die

Antragstellerin vergeben würde.

a) Auswahlentscheidungen sind grundsätzlich anhand aktueller dienstlicher Be-

urteilungen vorzunehmen, die auf das Statusamt bezogen sind und eine Aus-

sage dazu treffen, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen

seines Amts und dessen Laufbahn gewachsen ist (aa). Eine Einengung des

Bewerberfelds anhand der Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens ist

hiermit nicht vereinbar (bb). Anderes gilt nur dann, wenn die Wahrnehmung der

Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkei-

ten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich

in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgaben-

wahrnehmung auch nicht verschaffen kann (cc). Diese Voraussetzungen liegen

hinsichtlich der in der Stellenausschreibung vorausgesetzten juristischen Aus-

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bildung vor, nicht aber im Hinblick auf die geforderte Erfahrung in der Zusam-

menarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten (dd).

aa) Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne

nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und

fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die

darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte oder Richter den An-

forderungen seines Amts genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich

bewähren wird. Art. 33 Abs. 2 GG gilt für Beförderungen unbeschränkt und vor-

behaltlos; er enthält keine Einschränkungen, die die Bedeutung des Leistungs-

grundsatzes relativieren. Diese inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2

GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen eine Bewerberauswahl not-

wendig. Der Dienstherr muss Bewerbungen von Beamten oder Richtern um das

höherwertige Amt zulassen und darf das Amt nur demjenigen Bewerber verlei-

hen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechen-

den Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat.

Art. 33 Abs. 2 GG dient dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Be-

setzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Fachliches Niveau und rechtliche

Integrität des öffentlichen Dienstes sollen gerade durch die ungeschmälerte

Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zudem vermittelt

Art. 33 Abs. 2 GG Bewerbern ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsge-

rechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Jeder Bewerber um ein Amt hat

einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen

zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (sog. Bewerbungsverfah-

rensanspruch).

Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist anhand aktu-

eller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Deren Eignung als Vergleichs-

grundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erfor-

derlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeit-

raum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind,

das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf

der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend

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differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen.

Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende

Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der ein-

zelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (Urteil vom 4. Novem-

ber 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 = Buchholz 11 Art. 33

Abs. 2 GG Nr. 47, jeweils Rn. 46; stRspr).

Der Inhalt dienstlicher Beurteilungen ist auf das Statusamt bezogen. Beurtei-

lungen treffen eine Aussage, ob und in welchem Maße der Beamte den Anfor-

derungen gewachsen ist, die mit den Aufgaben seines Amts und dessen Lauf-

bahn verbunden sind. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass die Vergabe

eines Statusamts nicht aufgrund der Anforderungen des Dienstpostens erfolgen

soll, den der ausgewählte Bewerber nach der Vergabe des Statusamts oder

vorher in einer Bewährungszeit wahrnehmen soll. Denn der ausgewählte Be-

werber soll der am besten geeignete für jeden Dienstposten sein, der für einen

Inhaber des höheren Statusamts amtsangemessen ist.

Über die Eignung des Bewerberfeldes kann der Dienstherr auch in einem ge-

stuften Auswahlverfahren befinden. Bewerber, die die allgemeinen Ernen-

nungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen

oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein

nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen

werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden

(Beschluss vom 6. April 2006 - BVerwG 2 VR 2.05 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2

GG Nr. 33 Rn. 7). Dies gilt grundsätzlich auch für Bewerber, die zwingende

Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (Beschluss

vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 2 VR 4.11 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG

Nr. 50 = juris Rn. 17 und 30).

bb) Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr aber an die

gesetzlichen Vorgaben gebunden und damit, soweit eine an Art. 33 Abs. 2 GG

zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht (vgl. Urteil vom 25. November

2004 - BVerwG 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237 <242> = Buchholz 11 Art. 33

Abs. 2 GG Nr. 31), auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl

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verpflichtet (Urteil vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122,

147 <153> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30). Hiermit ist eine Einengung

des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines bestimmten

Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar.

Zwar entscheidet der Dienstherr über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung

von Dienstposten innerhalb des von Verfassung und Parlament vorgegebenen

Rahmens aufgrund der ihm zukommenden Organisationsgewalt nach seinen

Bedürfnissen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. November 2011 - 2 BvR

2305/11 - NVwZ 2012, 368 <369>). Wie er seine Stellen zuschneidet, welche

Zuständigkeiten er ihnen im Einzelnen zuweist und welche Fachkenntnisse er

zur Erfüllung der daraus im Einzelnen resultierenden Aufgaben für erforderlich

ansieht, fällt in sein Organisationsermessen, das gerichtlich nur auf sachfremde

Erwägungen überprüfbar ist (Urteil vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 2 A 9.07 -

BVerwGE 132, 110 = Buchholz 11 Art. 87a GG Nr. 6, jeweils Rn. 54). Setzt ein

Dienstposten nach seiner Funktionsbeschreibung spezifische Anforderungen

voraus, die der Inhaber zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Dienstaufga-

ben erfüllen muss, können diese Kriterien im Rahmen der Stellenausschreibung

verlangt werden.

Die Organisationsgewalt des Dienstherrn ist aber beschränkt und an die Aus-

wahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, wenn - wie hier - mit der

Dienstpostenzuweisung Vorwirkungen auf die spätere Vergabe des Amts im

statusrechtlichen Sinne verbunden sind und die hierauf bezogene Auswahlent-

scheidung damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird. Diese Bindung be-

reits der Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe an die Auswahl-

grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG kann ein Dienstherr nur vermeiden, wenn er

die Dienstpostenvergabe von der Auswahlentscheidung für die Vergabe des

Statusamts entkoppelt.

In diesen Vorwirkungsfällen sind damit auch die Vorgaben des Anforderungs-

profils den Maßstäben aus Art. 33 Abs. 2 GG unterworfen. Mit dem Anforde-

rungsprofil wird die Zusammensetzung des Bewerberfeldes gesteuert und ein-

geengt. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils legt der Dienstherr die

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Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest, an ihnen werden die Eigenschaften

und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen. Fehler im An-

forderungsprofil führen daher grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Aus-

wahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am

Grundsatz der Bestenauswahl orientierten Gesichtspunkten beruhen (BVerfG,

Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 - BVerfGK 12, 265

<270 f.> = juris Rn. 18).

Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist aber nicht

die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das ange-

strebte Statusamt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. März 2013 - 2 BvR

2582/12 - IÖD 2013, 98; zum Amtsbezug auch Urteil vom 24. September 2003

- 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <296>). Hiermit ist nicht vereinbar, einen

Bewerber vom Auswahlverfahren auszuschließen, nur weil er den besonderen

Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens nicht entspricht. Dies

steht mit dem Laufbahnprinzip nicht in Einklang. Danach wird ein Beamter auf-

grund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet

angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Status-

amt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet sind (vgl. § 16

Abs. 1, § 22 Abs. 3 BBG). Es kann grundsätzlich erwartet werden, dass der Be-

amte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten (Be-

schluss vom 25. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 15).

Eine Ausrichtung an den Anforderungen des konkreten Dienstpostens lässt

überdies außer Acht, dass die Betrauung des Beamten mit einem bestimmten

Dienstposten nicht von Dauer sein muss. Der Dienstherr kann den Aufgabenbe-

reich des Beamten nach seinen organisatorischen Vorstellungen und Bedürf-

nissen jederzeit ändern, sofern ein sachlicher Grund hierfür vorliegt (Urteil vom

28. November 1991 - BVerwG 2 C 41.89 - BVerwGE 89, 199 = Buchholz 232

§ 26 BBG Nr. 34). Der ausgewählte Bewerber soll daher der am besten geeig-

nete für jeden Dienstposten sein, der für einen Inhaber des höheren Statusamts

amtsangemessen ist. Schließlich ermöglicht die an den Anforderungen eines

Dienstpostens orientierte Auswahlentscheidung eine vom Gesamturteil der

dienstlichen Beurteilung unabhängige Ämtervergabe (vgl. zur Missbrauchsge-

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fahr derartiger Auswahlentscheidungen Urteil vom 26. Januar 2012 - BVerwG

2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 53).

Die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung darf daher grund-

sätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfol-

gen.

cc) Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufga-

ben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten

voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in

angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgaben-

wahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der

Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle.

Macht ein Dienstherr im Rahmen der Stellenausschreibung (vgl. zur Dokumen-

tationspflicht Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 5 C 16.10 - BVerwGE 139, 135

= Buchholz 436.62 § 82 SGB IX Nr. 1, jeweils Rn. 23) Vorgaben für die Vergabe

eines Beförderungsdienstpostens, bleiben diese für das laufende Auswahlver-

fahren verbindlich (Urteil vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE

115, 58 <60 f.> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54 S. 3; zur Rügefähigkeit der

Nichtbeachtung von im Anforderungsprofil vorausgesetzten Merkmalen BVerfG,

Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 a.a.O. S. 269 bzw. Rn. 14). Unzulässig

ist es insbesondere, die Auswahlkriterien nachträglich dergestalt zu ändern,

dass sich der Bewerberkreis erweitern würde, ohne dass mögliche Interessen-

ten hiervon Kenntnis erhielten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Februar

2007 - 2 BvR 2494/06 - BVerfGK 10, 355 <357 f.> = juris Rn. 7). Ob und in wel-

chem Umfang ein Anforderungsprofil Bindungswirkung entfaltet, muss daher

durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont poten-

tieller Bewerber orientierte Auslegung ermittelt werden (vgl. Beschluss vom

25. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 18).

Hat der Dienstherr im Rahmen der Stellenausschreibung zwingende Vorgaben

gemacht, die weder durch Art. 33 Abs. 2 GG noch als dienstpostenbezogene

Ausnahme im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ge-

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rechtfertigt sind, ist das Auswahlverfahren fehlerhaft. Dieser Mangel kann nach-

träglich nicht geheilt werden, das Auswahlverfahren muss abgebrochen und die

Stellenvergabe mit einer zulässigen Ausschreibung neu in Gang gesetzt wer-

den.

Dienstpostenbezogene Ausnahmeanforderungen können sich insbesondere

aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen ergeben (vgl. zur Fächer-

kombination bei Lehrern Urteil vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 -

BVerwGE 136, 140 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45, jeweils Rn. 17). Je

stärker die fachliche Ausdifferenzierung der Organisationseinheiten ist und je

höher die Anforderungen an die Spezialisierung der dort eingesetzten Beamten

sind, desto eher kann es erforderlich werden, im Interesse der Funktionsfähig-

keit der öffentlichen Verwaltung besondere Qualifikationsanforderungen an die

künftigen Stelleninhaber zu stellen. Bei technisch ausgerichteten Behörden et-

wa ist durchaus denkbar, dass die Aufgabenwahrnehmung bestimmter Dienst-

posten spezielle fachspezifische Vorkenntnisse erfordert (vgl. etwa OVG Rhein-

land-Pfalz, Beschluss vom 6. Februar 2012 - 10 B 11334/11 - DÖD 2012, 133

für einen Fachmann auf dem Gebiet Informationstechnik und Elektronik).

Die Schwierigkeit, dass tatsächlich nicht alle Laufbahnangehörigen in der Lage

sind, die Aufgaben jedes ihrem Statusamt zugeordneten Dienstpostens auszu-

füllen, nimmt durch neuere Laufbahnregelungen zu, die ursprünglich fachspezi-

fisch ausdifferenzierte Laufbahnen zusammenfassen (vgl. § 6 Abs. 2 der Bun-

deslaufbahnverordnung in der Fassung vom 12. Februar 2009, BGBl I S. 284).

Der höhere naturwissenschaftliche Dienst des Bundes etwa umfasst Ämter, für

die unterschiedliche Ausbildungen erforderlich sind und für die bislang eigen-

ständige Laufbahnen im biologischen, chemischen, geographischen, geologi-

schen, geophysikalischen, informationstechnischen, kryptologischen, lebensmit-

telchemischen, mathematischen, mineralogischen, ozeanographischen, phar-

mazeutischen oder physikalischen Dienst vorgesehen waren (vgl. Anlage 4 zur

BLV); entsprechendes gilt auch für den sprach- und kulturwissenschaftlichen

Dienst. Angesichts der in einer Laufbahn vereinigten unterschiedlichen Fach-

richtungen mit der hierzu gehörenden Spezialisierung liegt aber auf der Hand,

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dass ein Dienstposten Eignungsanforderungen stellen kann, die nicht von je-

dem Laufbahnangehörigen erfüllt werden.

Aus den besonderen Aufgaben eines Dienstpostens können sich auch über die

Festlegung der Fachrichtung hinaus Anforderungen ergeben, ohne deren Vor-

handensein die zugeordneten Funktionen schlechterdings nicht wahrgenom-

men werden können. Obliegt einem Dienstposteninhaber etwa das Aushandeln

und Abschließen von Verträgen mit ausländischen Partnern, sind die hierfür

erforderlichen Sprachkenntnisse objektiv unabdingbar. Ein Bewerber, der für

das Statusamt zwar grundsätzlich hervorragend geeignet ist, die notwendigen

Sprachkenntnisse aber nicht aufweist, ist zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfül-

lung auf diesem Dienstposten nicht in der Lage. Die Vorgabe spezifischer Eig-

nungsanforderungen kann hier im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentli-

chen Verwaltung erforderlich werden. Andernfalls wäre der Dienstherr gezwun-

gen, solche Dienstposten mit hierfür nicht geeigneten Bewerbern zu besetzen.

Ob die besonderen Anforderungen des konkret zu besetzenden Dienstpostens

in Ausnahmefällen auch im Rahmen des eigentlichen Leistungsvergleichs be-

rücksichtigt werden und ggf. eine Auswahlentscheidung rechtfertigen können,

die nicht dem Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung entspricht (vgl. hierzu

Beschluss vom 25. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 17; BVerfG, Kammerbeschluss

vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 1120/12 - ZBR 2013, 126 Rn. 14 und 17), bedarf

im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens keiner abschließenden Entschei-

dung. Die Antragstellerin und der Beigeladene sind im Wesentlichen gleich be-

urteilt worden. Angesichts der vorrangigen Bedeutung der dienstlichen Beurtei-

lung für die Feststellung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (§ 33

Abs. 1 Satz 1 BLV) könnte derartiges insbesondere in Betracht kommen, wenn

die Anforderungen des Dienstpostens eine Auswahl anhand von Kriterien erfor-

derlich machen, die in der dienstlichen Beurteilung nicht vollständig berücksich-

tigt worden sind (vgl. Beschluss vom 27. September 2011 - BVerwG 2 VR

3.11 - Buchholz 232.1 § 48 BLV Nr. 1 Rn. 25).

dd) Die in der Stellenausschreibung zwingend geforderte Befähigung zum Rich-

teramt gemäß § 5 DRiG entspricht diesen Anforderungen. Der von der Antrags-

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gegnerin ausgeschriebene Dienstposten „Referatsleiter Rechtsangelegenhei-

ten/G 10“ ist im Kern mit der juristischen Kontrolle nach dem G 10-Gesetz und

anderen Rechtsangelegenheiten betraut. Er setzt die durch eine entsprechende

Ausbildung erworbenen Kenntnisse voraus (vgl. zur Prozessführungsbefugnis

auch § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO), so dass sich diese Anforderung zwingend aus

dem Aufgabenbereich des Dienstpostens ergibt. Bewerber, die zwar die Lauf-

bahnbefähigung für den höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst des Bun-

des besitzen, nicht aber die genannte juristische Qualifikation, sind zur Wahr-

nehmung der Kernaufgaben dieses Dienstpostens nicht geeignet.

Die Antragsgegnerin hat aber nicht dargetan, dass der Aufgabenbereich des

ausgeschriebenen Dienstpostens die geforderte mindestens zweijährige prakti-

sche Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten

zwingend erfordert (vgl. zum Maßstab auch BVerfG, Kammerbeschluss vom

8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 u.a. - BVerfGK 12, 284 <289 f.> = juris

Rn. 20 f.).

Dies ergibt sich zunächst bereits daraus, dass die „Außenvertretung in G 10-

Angelegenheiten“ insgesamt nur einen untergeordneten Ausschnitt der dem

„Referatsleiter Rechtsangelegenheiten/G 10“ zugewiesenen Fachaufgaben dar-

stellt. Hauptauftrag des Dienstpostens ist ausweislich der Funktionsbeschrei-

bung die Unterstützung der Abteilungsleitung in Rechtsangelegenheiten, die

Bearbeitung von Rechtsangelegenheiten für die Abteilung sowie die Durchfüh-

rung der juristischen Kontrolle nach dem G 10-Gesetz. Kernaufgaben sind da-

mit die Teilnahme an Sitzungen der G 10-Kommission, die Berichterstellung für

das Parlamentarische Kontrollgremium, die Erstellung von G 10-Beschrän-

kungsanträgen, die Bearbeitung von G 10-Grundsatzangelegenheiten und ab-

teilungsspezifischen Rechtsfragen. An diesen Hauptaufgaben sind die Eigen-

schaften und Fähigkeiten zu orientieren, die von einem Bewerber im Interesse

der bestmöglichen Aufgabenwahrnehmung erwartet werden (Urteil vom 16. Au-

gust 2001 a.a.O. S. 61 bzw. S. 3; hierzu auch Urteil vom 26. Januar 2012

- BVerwG 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG

Nr. 53, jeweils Rn. 23).

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Im Hinblick auf diese maßgeblichen Kriterien der Funktionsbeschreibung ist die

zwingende Forderung einer mindestens zweijährigen Zusammenarbeit mit aus-

ländischen Nachrichtendiensten nicht plausibel. Die Wahrnehmung der Außen-

vertretung in G 10-Angelegenheiten ist ein Randbereich der dem Dienstposten

übertragenen Aufgaben, so dass nicht erkennbar ist, warum die hierfür wün-

schenswerten Anforderungen in der Stellenausschreibung eine derart maßgeb-

liche Gewichtung erfahren haben. Dies gilt insbesondere, weil die Vorgabe zu

einer weitreichenden und nicht am Kernbereich der Dienstaufgaben orientierten

Verengung des Bewerberkreises führen kann (vgl. hierzu auch OVG Weimar,

Beschluss vom 10. Januar 2012 - 2 EO 293/11 - ThürVBl 2013, 79 <81>). Sie

schließt auch den für die Hauptaufgaben optimal geeigneten Bewerber aus,

wenn er nicht zusätzlich bereits in einer Vorverwendung praktische Erfahrungen

in der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten gesammelt hat.

Für eine derartig weitreichende Eingrenzung des Bewerberfeldes bietet die

maßgebliche Funktionsbeschreibung des Dienstpostens keine hinreichende

Grundlage.

Selbst wenn man auf die dem Dienstposten ebenfalls übertragene Aufgabe der

„Wahrnehmung der Außenvertretung in G 10-Angelegenheiten“ abstellt, ergibt

sich keine andere Bewertung. Denn dem Stelleninhaber sind nicht die Außen-

kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten generell zugewiesen. Sein

Aufgabenbereich beschränkt sich vielmehr auf die „juristische Begleitung von

AND-Besuchen zu G 10-Fragestellungen und vergleichbaren Rechtsfragen“.

Die Zusammenarbeit ist damit auf die Bewältigung von Rechtsfragen ausgerich-

tet. Aufgabe des Referates ist es dabei insbesondere, ausländischen Besu-

chern die dem Bundesnachrichtendienst gesetzten rechtlichen Grenzen für eine

technische Aufklärung zu erläutern. Dies erfordert - wie die Antragsgegnerin

selbst dargelegt hat - insbesondere die Vermittlung des spezifischen juristi-

schen Fachwissens. Denn ausländische Nachrichtendienste unterliegen ver-

gleichbaren Beschränkungen vielfach nicht. Hauptkriterium für diese Aufgaben-

stellung ist daher die Fähigkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die

Technische Aufklärung in Deutschland darstellen und vermitteln zu können.

Warum hierfür eine bereits erworbene praktische Zusammenarbeit mit auslän-

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dischen Nachrichtendiensten unabdingbar erforderlich sein soll, ist nicht er-

kennbar.

Dass auch im Rahmen dieser Fachbetreuung „unpassende“ Auftritte gegenüber

den Vertretern ausländischer Nachrichtendienste vermieden werden müssen,

liegt auf der Hand und ist von der Antragsgegnerin eindrücklich beschrieben

worden. Die hierfür maßgeblichen Anforderungsmerkmale sind auch Gegen-

stand der dienstlichen Beurteilung (vgl. etwa die aufgeführten Unterpunkte „so-

ziale Kompetenz“ und „Verhandlungsgeschick“) und können so bei der Aus-

wahlentscheidung berücksichtigt werden. Sie rechtfertigen indes nicht die zwin-

gende Vorgabe einer mindestens zweijährigen Zusammenarbeit mit ausländi-

schen Nachrichtendiensten für die Vergabe des Dienstpostens „Referatsleiter

Rechtsangelegenheiten/G 10“.

Schließlich ist auch nicht dargetan, warum der Dienstposteninhaber die er-

wünschte praktische Erfahrung bereits zu seinem Dienstantritt erworben haben

muss und eine entsprechende Einarbeitungszeit für ihn nicht organisierbar wä-

re. Angesichts der Funktionsbeschreibung ist weder ersichtlich, dass die juristi-

sche Begleitung ausländischer Besucher stets und ausschließlich durch den

Referatsleiter persönlich durchgeführt werden müsste, noch dass dessen Her-

anführung an die praktischen Besonderheiten durch insoweit erfahrenere Mitar-

beiter nicht in kurzer Zeit bewerkstelligt werden könnte.

b) Auch die der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Erwägungen zum

Leistungsvergleich der Bewerber sind fehlerhaft. Die Antragsgegnerin hat die in

der Stellenausschreibung vorgegebenen Kriterien beim Vergleich der im We-

sentlichen gleich beurteilten Bewerber nicht hinreichend berücksichtigt (aa) und

die Aussagen der dienstlichen Beurteilung im Rahmen des Leistungsvergleichs

nicht beachtet (bb).

aa) Der Leistungsvergleich der (nach einer zulässigen Vorauswahl verbliebe-

nen) Bewerber muss anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend diffe-

renzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Be-

urteilungen vorgenommen werden. Maßgebend ist in erster Linie das abschlie-

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ßende Gesamturteil (Gesamtnote), das durch eine Würdigung, Gewichtung und

Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist.

Sind Bewerber mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden, muss der

Dienstherr zunächst die Beurteilungen unter Anlegung gleicher Maßstäbe um-

fassend inhaltlich auswerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner

Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis nehmen

(Urteil vom 30. Juni 2011 - BVerwG 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 = Buchholz

11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 49, jeweils Rn. 17; Beschluss vom 22. November 2012

- BVerwG 2 VR 5.12 - NVwZ-RR 2013, 267 Rn. 36; BVerfG, Kammerbeschluss

vom 5. September 2007 - 2 BvR 1855/07 - BVerfGK 12, 106 <108 f.> = juris

Rn. 8).

Zu einer Untersuchung der Begründungselemente gleichbewerteter Einzelkrite-

rien ist der Dienstherr grundsätzlich nicht verpflichtet (BVerfG, Kammerbe-

schluss vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 1120/12 - ZBR 2013, 126 Rn. 17). Eine

derartige Heranziehung von Teilelementen der Begründung widerspricht dem

wertenden Charakter der dienstlichen Beurteilung als Gesamturteil (vgl. § 49

Abs. 3 Satz 1 BLV) und misst einzelnen Begründungselementen eine Bedeu-

tung zu, die ihnen vom Beurteiler nicht zugedacht war. Ein Zwang zur vorrangi-

gen Ausschöpfung aller Einzelfeststellungen liefe daher Gefahr, geringfügige

und aus Sicht des Beurteilers möglicherweise unbedeutende Unterschiede

überzubewerten.

Ergibt der Vergleich der Gesamturteile, dass mehrere Bewerber als im Wesent-

lichen gleich geeignet einzustufen sind, kann der Dienstherr auf einzelne Ge-

sichtspunkte abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss.

Die Entscheidung des Dienstherrn, welches Gewicht er den einzelnen Ge-

sichtspunkten für das abschließende Gesamturteil und für die Auswahl zwi-

schen im Wesentlichen gleich geeigneten Bewerbern beimisst, unterliegt nur

einer eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Jedoch muss er die dienstli-

chen Beurteilungen heranziehen, um festzustellen, ob und inwieweit die einzel-

nen Bewerber mit gleichem Gesamturteil diese Anforderungen erfüllen. Weitere

Erkenntnisquellen können nur ergänzend herangezogen werden (stRspr; Urteil

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vom 30. Juni 2011 a.a.O. jeweils Rn. 20; Beschluss vom 25. Oktober 2011

- BVerwG 2 VR 4.11 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 50 Rn. 16).

Hat sich der Dienstherr vorab in der Stellenausschreibung durch die Vorgabe

der beim künftigen Dienstposteninhaber erwünschten Kenntnisse und Fähigkei-

ten festgelegt, ist diese Entscheidung für das weitere Auswahlverfahren bin-

dend. Der Dienstherr muss diesen Kriterien besondere Bedeutung zumessen,

wenn die Bewerber im Wesentlichen gleich beurteilt sind. Aus der Stellenaus-

schreibung muss sich ergeben, welche Anforderungen von allen Bewerbern

zwingend erwartet werden, und welche Kriterien zwar nicht notwendig für eine

Einbeziehung in das Auswahlverfahren sind, bei gleicher Eignung der Bewerber

aber maßgeblich berücksichtigt werden.

Diesen Anforderungen genügt die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin

nicht. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin und der Beigeladene

im Wesentlichen gleich beurteilt waren, hätte es einer Festlegung der für die

Auswahl maßgeblichen Gesichtspunkte bedurft. Diese Aufgabe vermag das in

der Stellenausschreibung enthaltene Anforderungsprofil schon deshalb nicht zu

erfüllen, weil es eine Vielzahl zum Teil unklarer Kriterien enthält, deren Bedeu-

tung, Gewichtung und Beziehung zueinander offenbleibt. Dem damit maßgebli-

chen Auswahlvermerk kann ebenfalls nicht entnommen werden, auf welche

Gesichtspunkte die Auswahlentscheidung tatsächlich gestützt war.

bb) Insbesondere aber ist der dem Beigeladenen zugesprochene Leistungsvor-

sprung hinsichtlich der Führungserfahrung nicht unter Beachtung der Aussagen

der dienstlichen Beurteilungen zustande gekommen. In der Merkmalgruppe

Führung hat der Beigeladene sechs Mal die Einzelnote 8 Punkte erhalten, die

(statusgleiche) Antragstellerin ist aber je dreimal mit 8 und mit 9 Punkten be-

wertet worden.

Soweit die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren die Auffassung vertreten

hat, die schlechtere Beurteilung des Beigeladenen im Merkmal Führung sei im

Hinblick auf die erhöhten Anforderungen seines Dienstpostens als im Wesentli-

chen gleich mit der Beurteilung der Antragstellerin einzustufen, ist dies unzutref-

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fend. Die Argumentation überträgt den Grundsatz, dass bei gleicher Notenstufe

die Beurteilung eines Beamten im höheren Statusamt grundsätzlich besser ist

als diejenige eines für ein niedrigeres Statusamt beurteilten Konkurrenten

(BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 13 m.w.N.), in un-

zulässiger Weise auf die unterschiedlichen Anforderungen von Dienstposten im

gleichen Statusamt (vgl. hierzu Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C

37.04 - BVerwGE 124, 99 <103> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32

Rn. 20).

Zwar sind bei der Beurteilung die Aufgaben und Anforderungen des jeweiligen

Dienstpostens in den Blick zu nehmen, weil nur so geprüft und bewertet werden

kann, ob der Beamte die an ihn gestellten Anforderungen erfüllt (vgl. Nr. 11.4

Satz 1 der Bestimmungen über die Beurteilung der Beamtinnen, Beamten und

Beschäftigten im Bundesnachrichtendienst vom 1. Juli 2009). Bezugspunkt der

Beurteilung bleibt aber der Vergleich mit den anderen Mitarbeitern derselben

Besoldungsgruppe (Nr. 11.7.2 Satz 1 und Nr. 1.3 Satz 1 der Beurteilungsbe-

stimmungen). Mit dieser Anknüpfung an das Statusamt sollen die im Wesentli-

chen identischen Leistungsanforderungen den Maßstab bestimmen, anhand

dessen die Arbeitsqualität und die Arbeitsquantität einzustufen sind (Urteil vom

24. November 2005 - BVerwG 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <361 f.> = Buch-

holz 232.1 § 41a BLV Nr. 1 Rn. 16 f.).

Weist ein Dienstposten daher Besonderheiten auf, die die typischerweise in der

Vergleichsgruppe desselben Statusamts anzutreffenden Anforderungen über-

steigen - wie im Falle des Beigeladenen die Leitung eines Referates und die

damit verbundene Personalverantwortung für 27 Mitarbeiter -, ist dies bei der

Leistungsbewertung zu berücksichtigen. Dementsprechend ist in der dienstli-

chen Beurteilung des Beigeladenen die nachgewiesene Eignung zum Referats-

leiter auch ausdrücklich hervorgehoben worden. Das besondere Aufgabenprofil

und die insoweit gezeigten Leistungen können bei der Beurteilung berücksich-

tigt werden. Eine zusätzliche Berücksichtigung dergestalt, dass die bereits in

Ansehung der besonderen Aufgaben des Dienstpostens vergebene Note im

Merkmal Führung gegenüber einem anderen Bewerber derselben Vergleichs-

gruppe, dessen Dienstposten diese Besonderheiten nicht aufwies, noch einmal

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„aufgewertet“ wird, ist aber nicht zulässig. Sie widerspricht dem mit dem Be-

zugspunkt Statusamt vorgegebenen Vergleichsmaßstab der Beurteilung.

Eine derartige „Verrechnung“ liegt der Auswahlentscheidung selbst indes auch

nicht zugrunde: Der maßgebliche Auswahlvermerk stellt entsprechende Erwä-

gungen nicht an. Die dortige Annahme, der Beigeladene weise die am deut-

lichsten ausgeprägte Führungserfahrung auf, beruht nicht auf den in den dienst-

lichen Beurteilungen vergebenen Noten, sondern ausschließlich auf dem Um-

stand, dass der Beigeladene breitere Vorverwendungen aufweisen könne und

als einziger bereits Erfahrung im Führen eines Referats gesammelt habe.

Damit hat die Antragsgegnerin Kriterien zur Bewertung der Führungskompetenz

den Ausschlag gegeben, die nicht mit den Aussagen der dienstlichen Beurtei-

lungen in Einklang stehen. Sie hat damit das Gebot der umfassenden inhaltli-

chen Auswertung und „Ausschöpfung“ der letzten dienstlichen Beurteilung ver-

letzt (Urteil vom 30. Juni 2011 - BVerwG 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 = Buch-

holz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 49, jeweils Rn. 17; Beschluss vom 22. November

2012 a.a.O. Rn. 36).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da der

Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, muss er keine Kosten tragen (§ 154

Abs. 3 VwGO), kann aber auch keine Kostenerstattung für etwaige außerge-

richtliche Kosten beanspruchen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1

und Abs. 5 Satz 2 GKG.

Domgörgen Dr. von der Weiden Dr. Kenntner

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Sachgebiet: BVerwGE: ja Beamtenrecht Fachpresse: ja Rechtsquellen: GG Art. 33 Abs. 2 BBG § 16 Abs. 1, § 22 Abs. 2 BLV § 6 Abs. 2, § 32 Nr. 2, § 33 Abs. 1, Anlage 4 VwGO § 123 Stichworte: Anforderungsprofil; Aufgabenbereich; Auswahlverfahren; Beförderungsdienst-posten; Bewährung; dienstliche Beurteilung; Dienstposten; Eignung; Erfahrung; Fachrichtung; Funktionsbeschreibung; Gesamturteil der dienstlichen Beurtei-lung; Laufbahnprinzip; Leistungsvergleich; Organisationsgewalt; spezifische Anforderungen des Dienstpostens; Sprachkenntnisse; Stellenausschreibung; Verwendungszeit. Leitsatz: Die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung ist auf das Amt im statusrechtlichen Sinne bezogen und darf daher grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Dienstauf-gaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mit-bringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzun-gen hat der Dienstherr darzulegen; sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle. Aus der Stellenausschreibung muss sich ergeben, welche Anforderungen von allen Bewerbern zwingend erwartet werden und welche Kriterien zwar nicht notwendig für eine Einbeziehung in das Auswahlverfahren sind, bei im Wesent-lichen gleicher Eignung der Bewerber aber maßgeblich berücksichtigt werden. Ob und in welchem Umfang ein Anforderungsprofil Bindungswirkung entfaltet, muss durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung ermittelt werden. Beschluss des 2. Senats vom 20. Juni 2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -


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