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Buchbesprechungen

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buchbesprechung 88 Buchbesprechungen 1 3 Konrad Peter Grossmann, Ulrike Russinger Verwandlung der Selbstbeziehung. Therapeutische Wege zur Freundschaft mit sich selbst Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2011, EUR 21,95, ISBN 978-3-89670-947-9. Konrad Peter Grossmann und Ulrike Russinger verknüpfen in ihrem ersten gemeinsamen Buch ihre Erfahrung aus Lehre und Forschung mit dichten praxis- orientierten Anregungen. Die Autoren stellen das Thema der Verwandlung der Selbstbeziehung von KlientInnen in das Zentrum ihrer Überle- gungen – sowohl konzeptionell als auch über die sehr detaillierte und eingängige Schilderung ihrer praktischen Arbeit. Zentrale Forschungsfragen sind in diesem Zusammenhang: Was umschreiben die Begriffe „Selbst“ und „Selbstbeziehung“, und auf welche Art sind sie mit der Ent- stehung von biospsychosozialen Pro- blemzuständen verbunden? Wie lässt sich eine Verwandlung der Selbstbeziehung von KlientInnen therapeutisch unterstützen, und was sind mögliche methodische Vorge- hensweisen? Ich werde dieser Struktur der Autoren beschreibend folgen und sie mit einem abschließenden Resümee ergänzen. Im theoretischen Teil des Buches erläutern die Autoren die Begriffe Nar- ratives und Prozessuales Selbst und schließen an eine alte Unterscheidung von William James zwischen „I“ und „Me“ an. Prozessuales Selbst ist für sie die Vielfalt unserer physiologischen Erfah- rungszustände und die Vielfalt aller damit verknüpften Fühl-, Denk- und Ver- haltensmuster in allen Augenblicken des Hier und Jetzt. Unter dem Narrativen Selbst ver- stehen sie die strukturierte Organisa- tion solcher Erfahrungen, kohärente Geschichten über sich selbst. Im Zusammenhang mit biopsychosozialen Leidens-zuständen kann es bei Klien- tInnen zu Einschränkungen, Dominanz, Fixierung auf Erzählungen über sich selbst kommen, die primär defizitär sind. Die Bezugnahme des Narrativen Selbst auf die Prozesse des Prozessualen Selbst verwirklicht sich aus Sicht der Autoren als Selbstwahrnehmung, Selbsterzählung, Selbstattribution sowie als Selbstfür- sorge. Die Funktionen des Narrativen Selbst sind die Konstruktion kohärenter Erzählungen rund um das eigene Selbst sowie die Regulation physiologischer Erfahrungszustände und der Fühl-, Denk- Online publiziert: 12. Juni 2014 © Springer-Verlag Wien 2014 Psychotherapie Forum (2014) 19:88–94 DOI 10.1007/s00729-014-0008-1 Buchbesprechungen und Verhaltensmuster, indem einzelne Aspekte des Prozessualen Selbst ent- weder aktiviert oder gehemmt werden. Die Autoren vertreten die Position, dass KlientInnen mittels Fokussierung von Aufmerksamkeit ihr Erleben und Fühlen auswählen und aktivieren und daher Mit- autoren des eigenen Lebens sein können. In einem weiteren konzeptionel- len Schritt wird der Zusammenhang zwischen Selbstbeziehung und bio- spsychosozialen Problemstellungen hergestellt. Auf Basis eines einfachen Modells von Stressoren, kognitiver sowie affektiver, physiologischer Verarbeitung und Coping wird das Zusammenspiel zwischen Prozessualem und Narrativem Selbst, dargestellt mit kurzen, prägnan- ten Fallvignetten, näher beleuchtet. Die Funktion von Bewältigungsstra- tegien liegt für die Autoren in der inter- aktionellen Gestaltung einer sozialen Stresssituation sowie in der Rückregula- tion von physiologischen und emotiona- len Stresserfahrungen. Die Schattenseiten kurzfristig wirksamer, jedoch langfristig schädlicher Strategien (Alkoholmiss- brauch, Aggression, Vermeidung…) zei- gen sich in der zunehmenden Dominanz im Denken, Fühlen und Handeln von Betroffenen. Hier verknüpfen die Autoren nun die Wahrnehmung und Bewertung von Stres- soren und Coping mit der Art der Selbst- bezugnahme mittels des Narrativen Selbst
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Konrad Peter Grossmann, Ulrike Russinger

Verwandlung der Selbstbeziehung. Therapeutische Wege zur Freundschaft mit sich selbst

Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2011, EUR 21,95,

ISBN 978-3-89670-947-9.

Konrad Peter Grossmann und Ulrike Russinger verknüpfen in ihrem ersten gemeinsamen Buch ihre Erfahrung aus Lehre und Forschung mit dichten praxis-orientierten Anregungen.

Die Autoren stellen das Thema der Verwandlung der Selbstbeziehung von KlientInnen in das Zentrum ihrer Überle-gungen – sowohl konzeptionell als auch über die sehr detaillierte und eingängige Schilderung ihrer praktischen Arbeit.

Zentrale Forschungsfragen sind in diesem Zusammenhang:

● Was umschreiben die Begriffe „Selbst“ und „Selbstbeziehung“, und auf welche Art sind sie mit der Ent-stehung von biospsychosozialen Pro-blemzuständen verbunden?

● Wie lässt sich eine Verwandlung der Selbstbeziehung von KlientInnen therapeutisch unterstützen, und was sind mögliche methodische Vorge-hensweisen?

Ich werde dieser Struktur der Autoren beschreibend folgen und sie mit einem abschließenden Resümee ergänzen.

Im theoretischen Teil des Buches erläutern die Autoren die Begriffe Nar-ratives und Prozessuales Selbst und schließen an eine alte Unterscheidung von William James zwischen „I“ und „Me“ an.

Prozessuales Selbst ist für sie die Vielfalt unserer physiologischen Erfah-rungszustände und die Vielfalt aller damit verknüpften Fühl-, Denk- und Ver-haltensmuster in allen Augenblicken des Hier und Jetzt.

Unter dem Narrativen Selbst ver-stehen sie die strukturierte Organisa-tion solcher Erfahrungen, kohärente Geschichten über sich selbst. Im Zusammenhang mit biopsychosozialen Leidens-zuständen kann es bei Klien-tInnen zu Einschränkungen, Dominanz, Fixierung auf Erzählungen über sich selbst kommen, die primär defizitär sind.

Die Bezugnahme des Narrativen Selbst auf die Prozesse des Prozessualen Selbst verwirklicht sich aus Sicht der Autoren als Selbstwahrnehmung, Selbsterzählung, Selbstattribution sowie als Selbstfür-sorge. Die Funktionen des Narrativen Selbst sind die Konstruktion kohärenter Erzählungen rund um das eigene Selbst sowie die Regulation physiologischer Erfahrungszustände und der Fühl-, Denk-

Online publiziert: 12. Juni 2014© Springer-Verlag Wien 2014

Psychotherapie Forum (2014) 19:88–94DOI 10.1007/s00729-014-0008-1

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und Verhaltensmuster, indem einzelne Aspekte des Prozessualen Selbst ent-weder aktiviert oder gehemmt werden. Die Autoren vertreten die Position, dass KlientInnen mittels Fokussierung von Aufmerksamkeit ihr Erleben und Fühlen auswählen und aktivieren und daher Mit-autoren des eigenen Lebens sein können.

In einem weiteren konzeptionel-len Schritt wird der Zusammenhang zwischen Selbstbeziehung und bio-spsychosozialen Problemstellungen hergestellt. Auf Basis eines einfachen Modells von Stressoren, kognitiver sowie affektiver, physiologischer Verarbeitung und Coping wird das Zusammenspiel zwischen Prozessualem und Narrativem Selbst, dargestellt mit kurzen, prägnan-ten Fallvignetten, näher beleuchtet.

Die Funktion von Bewältigungsstra-tegien liegt für die Autoren in der inter-aktionellen Gestaltung einer sozialen Stresssituation sowie in der Rückregula-tion von physiologischen und emotiona-len Stresserfahrungen. Die Schattenseiten kurzfristig wirksamer, jedoch langfristig schädlicher Strategien (Alkoholmiss-brauch, Aggression, Vermeidung…) zei-gen sich in der zunehmenden Dominanz im Denken, Fühlen und Handeln von Betroffenen.

Hier verknüpfen die Autoren nun die Wahrnehmung und Bewertung von Stres-soren und Coping mit der Art der Selbst-bezugnahme mittels des Narrativen Selbst

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und stellen daher folgende Schwerpunkte in den Vordergrund: Die Einschränkung der Selbstwahrnehmung, Selbstfeind-schaft und mangelnde Selbstfürsorge.

Gegen Ende des theoretischen Teils werden die Modellbildungen des Selbst einiger psychotherapeutischer Richtun-gen beschrieben und daraus der Schluss gezogen, dass das Ziel zumeist in der Reintegration abgespaltener Anteile des Prozessualen Selbst liegen kann. In die-sem Zusammenhang wird auch eine Brücke zwischen Ergebnissen der Bin-dungsforschung und der Entwicklung des Narrativen Selbst geschlagen. Abschlie-ßend werden erste lösungs-theoreti-sche Implikationen im Hinblick auf die Verwandlung der Selbstbeziehung in Richtung eines achtsamen und wohl-wollenden Selbst angedeutet, wobei die Qualität der therapeutischen Beziehung als Einstieg dient.

Im sehr praxisorientierten Teil des Buches konzentrieren sich Ulrike Rus-singer und Konrad Peter Grossmann auf die Förderung des positiven Selbst, die Anregung einer erweiterten Selbstwahr-nehmung, die Stärkung von Selbstfreund-schaft, die Praxis von Selbstfürsorge und die Arbeit mit traumatisierten Menschen.

Sie verwenden dabei jeweils kurze Fallvignetten und stellen ihr therapeu-tisches Vorgehen sehr strukturiert, detailliert und nachvollziehbar in den einzelnen Kapiteln dar.

● Bei der Förderung eines positiven Narrativen Selbst bedienen sich die Autoren auktorialer Erzählperspekti-ven, d.  h., ein autonomes positiven Selbst wird über Partialisieren mit Familienbrett oder Skulpturtechnik, über das Benennen von Teilen, über mehr-fache Erzählstimmen und die assoziative Anreicherung des Narra-tiven Selbst mit Erfahrungsqualitäten von Gelassenheit, Sicherheit oder Autonomie erreicht.

● Die Erweiterung der Selbstwahrneh-mung negativ attribuierter Selbst-anteile erfolgt beispielhaft über die Verknüpfung von Symptomen und jenseits von ihnen vorhandenen Res-sourcen. Positiv attribuierte Selbst-anteile werden anhand von Ausnah-men und den dahinter vermuteten

Fähigkeiten und Kompetenzen von KlientInnen dargelegt. Interventio-nen folgen dabei dem 3er-Schritt der Aktivierung problem- und lösungs-orientierter Selbstanteile, der Einfüh-rung des übergeordneten Narrativen Selbst sowie der Anregung von ver-stärkten Assoziationen zum positiven Selbstanteil bzw. der Dissoziation vom problemassoziierten Selbstan-teil.

● Die Stärkung der Selbstfreundschaft von KlientInnen wird analog dem Umgang mit guten Freunden expli-ziert und den Erwartungen, die an Freundschaften herangetragen wer-den. Die Art, wie KlientInnen mit den Schattenseiten von Freunden umge-hen – d. h. mit Verständnis, Respekt, fehlerfreundlich und kritisch -, könnte eine Anregung für den Umgang des Narrativen Selbst mit unerwünsch-ten Anteilen sein. Die Skalierung der Freundschaft mit sich selbst, positive Externalisierung sowie Rituale der Selbstvergebung ergänzen die thera-peutischen Vorschläge.

● Das Thema der Selbstfürsorge erläu-tert die Entwicklung funktionaler Stra-tegien zum Aufbau produktiver Alter-nativen der Stressregulation („Inseln“, kognitive Umstrukturierung, körperliche Selbstberuhigung) sowie die Einübung von Resilienz im Sinne der Sorge für das eigene (kindliche) Selbst.

● Der umfangreiche Abschnitt über das Arbeiten mit traumatisierten KlientInnen bietet einen leicht fass-lichen Einblick in Ziele und Leitlinien traumatherapeutischer Arbeit, wobei der Bezug zum Narrativen Selbst im Vordergrund steht. Es wird auf ein Arbeitsmodell Bezug genommen, das auf Basis von Sicherheit und Sta-bilisierung als zweiten Schritt einen anderen Zugang zu traumatischen Erfahrungen schafft (z.  B. durch einen Dialog mit verletzten kindlichen Anteilen). Als letzter Schritt wird die Integration bzw. der Aufbau einer neuen Selbstbeziehung vorgeschla-gen, sodass wahrgenommene Teile des Prozessualen Selbst mit dem Narrativen Selbst gut zusammen-arbeiten können.

Dieser Abschnitt des Buches zeich-net sich durch besonders genaue Falldarstellungen und eine große

Vielfalt an therapeutischen Interven-tionen aus.

Resümee: Es ist Ulrike Russinger und Konrad Peter Grossmann gelungen, theoretische Stringenz mit Praxisnähe und präziser Anleitung für die prakti-sche therapeutische Arbeit zu verknüp-fen. Die Brücke von der Entwicklung des Konzepts des narrativen Selbst hin zu leicht verständlichen Interventionen ist die zentrale Stärke des Buches und macht es dem Fachleser zugleich möglich, einzelne Kapitel herauszugrei-fen und in die eigene therapeutische Arbeit einzubauen. Die durchgängige Verwendung passender Fallvignetten erleichtert das Lesen und illustriert ein-gängig, wie die Autoren therapeutisch arbeiten und welches ihr Bild von gelin-gender Therapie ist. Dies wird im letz-ten Abschnitt unter dem Titel Langsame Therapie vertieft.

Besonders hervorzuheben ist auch, dass in diesem Buch therapeutische Begriffe wie Erweiterung der Selbstwahr-nehmung, Selbstfreundschaft und Selbst-fürsorge theoretisch kohärent und mit vielen Literaturhinweisen fundiert werden. Es wäre eine interessante Frage, wie die-ses Themengebiet auch als Hilfe für den Psychotherapeuten oder die Psychothe-rapeutin angewendet werden könnte.

Friedrich FaltnerSalzburg, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Elke Metzner, Martin Schimkus (Hrsg.)

Die Gründung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung durch Freud und Jung

Psychosozial-Verlag, Gießen 2011, EUR 29,90,

ISBN-13: 978-3-8379-2101-4.

Es ist ein großes Verdienst des Psy-chosozial-Verlags, mit seiner Reihe „Bibliothek der Psychoanalyse“ eine Plattform zur Auseinandersetzung der Psychoanalyse mit ihrer Geschichte geschaffen zu haben, die auch allen von Freuds Psychoanalyse „abgespaltenen“ Schulen zugänglich ist. Neuere (oder neu aufgelegte) Titel in dieser Reihe

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Übertragungen, weshalb die Tendenz zu Abspaltungen und Ausgrenzungen anhält. Kernbergs Analysen zu diesem Thema, die von Freuds Verhalten aus-gehend die bleibenden Übertragungs-komplikationen in psychoanalytischen Gesellschaften reflektiert, hätten es ver-dient, in diesem Buch ebenfalls erörtert zu werden.

Dies besonders, weil immer wieder auf Freuds Anspruch verwiesen wird, väterliche Führungsfigur zu sein und zu bleiben, der demokratische Strukturen ausdrücklich verhindern wollte. Michael Ermann (Mai Wegener u.  a.) verweisen darauf, dass Jung z.  B. auf Lebens-zeit von Freud als Präsident eingesetzt werden sollte, um u.  a. „richtige Psy-choanalyse“ vom „Unsinn“ scheiden, die Psychoanalyse „rein“ erhalten zu können; Freuds „autoritärer Anspruch [stand] dem emanzipatorischen Pro-gramm der Psychoanalyse“ entgegen. Demgegenüber gebe es heute einen breiten Strom von Auffassungen und Meinungen in der IPV, „die offen mitei-nander rivalisieren“. Die Emanzipation sei aber „noch nicht abgeschlossen“, es gebe immer noch „Ausgrenzungen und Entwertungen“. Wir seien noch „weit davon entfernt anzuerkennen, dass die Psychoanalyse in ihrer Ganzheit nieman-dem gehört“, wie Cremerius bereits vor Jahren betonte. Die Grundproblema-tik der IPV-Gründung, die autoritär und ohne vorherige Bekanntgabe über die Köpfe der TeilnehmerInnen des damali-gen Kongresses hinweg von Freud, Jung und Ferenczi vorbereitet und durchgezo-gen wurde, ist sehr gut erfasst.

Der Hinweis von Almuth Bruder-Bezzel, dass Freuds Vorgehen dabei spaltend war und die Entwertung „der Wiener“ beabsichtigte, fügt sich in diese Sicht ein und verdeutlicht die manipula-tiv-autoritäre Grundeinstellung, zugleich aber auch Freuds paranoide Angst, die Psychoanalyse könnte verfälscht oder ihm entrissen werden. Von dieser Angst war vieles in der folgenden Geschichte geprägt.

Der einzige Vortrag, der – wohltuend selbstkritisch – die heutige Situation der deutschen Jungianer mit der Situation bei der IPV-Gründung vor 100 Jahren vergleicht, stammt von Anne Springer.

wie „Spaltungen in der Geschichte der Psychoanalyse“ (hg. von Ludger M. Hermanns) oder „C.G. Jung – Zerris-sen zwischen Mythos und Wirklichkeit“ (Brigitte Spillmann und Robert Strubel) reflektieren auch heikle, schmerzhafte und destruktive Spaltungsprozesse in dieser Geschichte. Als neuste Publika-tion erschien 2011 der Sammelband „Die Gründung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung durch Freud und Jung“, die 1910 erfolgt und Auftakt zu mehreren Abspaltungen war. 100 Jahre danach hielt die „Deutsche Gesellschaft für Analytische Psycho-logie“ (DGAP), der Berufsverband der deutschen Jungianer, in Nürnberg ihre Frühjahrstagung ab; das genannte Buch enthält die Vorträge der Tagung, von denen die meisten auf die 100 Jahre zuvor dort gehaltenen Vorträge Bezug nahmen. Es sollte aus der Erin-nerung an den Kongress von 1910 „die Gegenwart der psychotherapeutischen Praxis reflektiert“, also ein Bogen vom damaligen zum heutigen Wissensstand geschlagen werden. Beteiligt daran sind mehrheitlich Jung’sche AnalytikerInnen, daneben drei Sozialwissenschaftler und ein Historiker. Im Folgenden werde ich vor allem auf die Artikel eingehen, die sich wesentlich mit der Problematik der IPV-Gründung und deren Analogien in der Gegenwart befassen.

In einem soziologisch-historischen Vergleich mit anderen Vereinsgründun-gen der damaligen Zeit wird von dem Soziologen Friedhelm Kröll der schwie-rige Übergang von bekennender, affektiv motivierter Anhängerschaft gegenüber der Grundidee und ihrem Begründer zur Mitgliedschaft in einem Verein mit formal versachlichten Strukturen verdeutlicht. In der Frühphase sind informelle Bezie-hungen oft mit den Verbandsstruktu-ren vermischt oder überlagern sie. Ein scheinbarer Konsens erweist sich leicht als Illusion, sodass „Sezessionen“ statt-finden, bevor der Verein wirklich eine gemeinsame Basis gefunden hat. Die Ausführungen regen zu Reflexionen dar-über an (die hier nicht ausgeführt sind), dass nicht nur die Rekrutierung neuer Mitglieder, sondern generell die Verge-sellschaftung psychoanalytischer Ver-bände bleibend und nicht nur in deren Anfangsphase belastet ist durch infor-melle Beziehungen aufgrund ungelöster

Während sich in der Freud’schen Welt die IPV als Erfolgsmodell erwies, bil-deten sich unter den Jungianern in den verschiedensten Ländern Clubs, entsprechend Jungs eigenem Club in Zürich. Der Versuch eines Zusammen-schlusses der Clubs verschiedener Länder im Jahre 1940 scheiterte in den Wirren des 2. Weltkriegs. Erst 1948 wurde das C.G. Jung-Institut in Zürich und 1955 die „International Associa-tion for Analytical Psychology“ (IAAP) gegründet. In Deutschland bildete sich nach dem Krieg in Berlin eine Gruppe (und später ein Institut), das von der Vor-aussetzung ausging: „Kein Jung ohne Freud, kein Freud ohne Jung“. Die Stutt-garter Gruppenphantasie hingegen hieß: „Jung brauchte Freud nicht wirklich, er war als ein Eigener groß/und wir sind es mit ihm.“ 1960 wurde die DGAP gegrün-det; auch dort fand kein Diskurs statt, weder über die inneren Divergenzen noch über das Freud-Jung-Verhältnis. In Identifikation mit Jungs persönlicher Ablehnung von Organisationen wurden Jung’sche Gesellschaften überwiegend personenbezogen geführt, die Gruppe zu wenig als positiver Bezugspunkt für die einzelnen gesehen. Die unbearbei-tete innere Gespaltenheit zwischen den beiden deutschen Gruppen hinter-ließ „schwer heilbare[n] Verletzungen“. Innerhalb der DGAP gibt es daher „eine Bedrohung durch destruktive Prozesse, die den Diskurs, die Kreativität und die Weiterentwicklung behindern“. „So ste-hen wir vor einer modernen Variante von Jungs Problem von 1910. […] Meine Hoffnung ist, dass wir uns für den Dis-kurs entscheiden mit der Chance, dass 1910 für die DGAP nicht mehr Vergan-genheit in der Gegenwart ist“.

Dieser Artikel begreift das Problem der Jung’schen Psychologen wohl am besten von innen heraus. Die Autorin stellt darin nicht zuletzt den Anspruch an die Analytischen Psychologen, den jede tiefenpsychologische Therapie-richtung an ihre Patienten stellt: Sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzu-setzen. Sie weist darauf hin, dass dies ungenügend geschah und dass des-halb 1910 „für die DGAP“ noch immer „Gegenwart ist“.

Wiewohl in den verschiedenen Auf-sätzen dieses lesenswerten Buches

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Gottfried Fischer, Rosmarie Barwinski, Monika Becker-Fischer (unter Mitarbeit von Christiane Eichenberg)

Emotionale Einsicht und therapeutische Veränderung. Manual der modernen tiefenpsychologischen und analytischen Psychotherapie

Roland Asanger Verlag, Kröning 2011, EUR 34,50,

ISBN 3-89334-535-9.

Tiefenpsychologische und analytische Psychotherapie muss sich durch die Neuerscheinung von Fischer und Kol-leginnen nicht mehr dem Vorwurf der theoretischen und praktischen Inflexibi-lität aussetzen. Das Problem in diesen Therapieformen war unseres Erachtens eher der Mangel an praxeologischem Zugang und vermutlich weniger ihr geltendes Paradigma, welches an die Grenze seiner Gültigkeit gelangt wäre. Das therapeutische Handeln war letzt-lich zwar theoriegeleitet, aber in der Anwendung dann doch häufig therapeu-tischer Intuition überlassen. Damit war tiefenpsychologische und analytische Anwendung zwar vorhanden, aber nicht ausreichend genug „regelgeleitet“. Dies wird gleich schon zu Beginn des Werkes deutlich, wenn sich die Autorinnen und der Autor mit der empirischen Wende in der Psychoanalyse befassen und damit dem Ruf nach wissenschaftlicher Trans-parenz gefolgt wurde. Doch bevor die verschiedenen Elemente des Buches und ihre Bedeutung für moderne Anwen-dung erläutert werden, soll das Ziel des Buches – so wie wir es verstanden haben – erörtert werden.

Fischer und seine Kolleginnen refor-mieren die Psychoanalyse fundamental. Neben den Grundpfeilern wie Abwehr-mechanismen, Übertragung und Wider-stand wird die emotionale Einsicht als tiefgreifendes therapeutisches Verän-derungsmoment aufgegriffen. Nur die ungehinderte Untersuchung von Affek-ten, der Ausdruck von Emotionen, sowie die Erfahrung einer alternativen Bezie-hung im therapeutischen Arbeitsbündnis ermöglichen eine positive psychothera-peutische Wirkung und Nachwirkung. Die Einführung der dialektisch-ökolo-gischen Sichtweise stellt eine weitere

viel Erhellendes zur Geschichte der ver-schiedenen Richtungen gesagt wird, die aus „der Psychoanalyse“ hervorgingen, so zeigt gerade der Artikel von Anne Springer in aller denkbaren Deutlichkeit auf, dass auch dieser Kongress dem Anspruch nicht gerecht wurde, die seit 100 Jahren bestehenden Konflikte in ein gemeinsames Konfliktfeld zu setzen und auf den Diskurs darüber wirklich einzu-treten. Dies wird u. a. deutlich an einer Bemerkung im Vorwort dieses Buches, wo festgestellt wird: „Eine gemeinsame Tagung aller in Deutschland vertretenen psychoanalytischen Fachgesellschaf-ten innerhalb der DGPT war auch 2010 noch nicht möglich. Diese nicht wahrge-nommene Chance wurde am Ende der Tagung in Nürnberg bedauert…“ Diese Aussage ist in sich widersprüchlich: Wenn eine gemeinsame Tagung wirklich „nicht möglich“ gewesen wäre, so hätte es auch eine Chance dazu nicht gege-ben. Wenn die „Chance“ dazu aber eine „nicht wahrgenommene“ war, so wäre eine gemeinsame Tagung grundsätz-lich möglich gewesen, diese Möglich-keit wurde aber nicht ergriffen oder nicht geschaffen. Eine Auseinandersetzung mit der Gegenwärtigkeit von 1910 fand an dieser Tagung also nicht statt; die ungelösten Widersprüche blieben schon im Konzept der Tagung bestehen. Wieso traten die Nachfolger der Vertreter der Konfliktparteien von einst nach 100 Jah-ren nicht zusammen, um einen Diskurs über damalige und heutige Konflikte zu beginnen? Einigen oder allen heutigen Konfliktpartnern scheint die Spannung zu groß zu sein, die über den heute (immer noch) existierenden Konflikten liegt. Anne Springer hat dies für die Gruppe der Jungianer in Deutschland klar diagnostiziert. Sie hegt die Hoffnung auf einen Diskurs, auch zwischen Freu-dianern und Jungianern samt allem, was sie trennt und verbindet. Trotz viel auf-schlussreichen geschichtlichen Rück-blicks weckt der Band diese Hoffnung nicht. Gerade in diesem Sinne ist das Buch sehr erhellend.

Robert StrubelZollikon, SchweizE-Mail: [email protected]

bedeutende Veränderung dar. Diese ermöglicht eine Verbindung und Ergän-zung zur Traumatherapie. Durch diese Sichtweise wird der Komplexität der traumatischen Ätiologie, sowie auch der Behandlung und Therapie Rech-nung getragen, und es können Trau-maparadigma und Neurosenparadigma ohne Theoriebruch zur therapeutischen Anwendung gelangen. In dieser trauma-adaptierten Weiterentwicklung verlassen Fischer und Kolleginnen den zeitweilig vorherrschenden psychoanalytischen Mainstream und ziehen die Psychotrau-matologie ins Zentrum der modernen Psychoanalyse. Die Psychotraumatolo-gie zeigt sich als spezieller Bereich der kausalen Psychotherapie, unter Orien-tierung an der Ätiologie und einem dia-lektisch-ökologischen Denken.

Die moderne Tiefenpsychologie und analytische Psychologie (TP/AP) zeigt sich fortschrittlicher hinsichtlich theo-retischer Reflexion und empirischer Forschung. Wie bereits in der Logik der Psychotherapie (Fischer 2008) ist die gegenseitige Durchdringung von Theorie und Praxis Basis tiefenpsychologischen und therapeutischen Tuns und Denkens. Nur die Abstimmung von Empirie und Theorie ermöglicht Fortschritte in der Wissenschaft und stellt so den Begrün-dungspfeiler der Psychotherapiewissen-schaft dar. Fischer und seine Kolleginnen erfüllen dies mit der erkenntnistheoreti-schen Grundlage, der dialektisch-öko-logischen Sichtweise, die im Mittelpunkt der modernen tiefenpsychologischen und analytischen Praxis steht. Dialek-tisches Denken enthüllt die Innenpers-pektive, die Geschichte menschlicher Subjektivität. Ökologisches Denken ent-spricht dem objektiven, umweltbezoge-nen Moment, in dem sich die Geschichte des Subjekts entfaltet. Um die Innenwelt zu verstehen, bedarf es der Erkenntnis der Außenwelt.

Eine weitere Bedeutung dieses Werkes zeigt sich in der ätiologischen Ausrichtung hinsichtlich Genese und Symptombehandlung. Diese Ausrich-tung basiert auf der nosologischen Pyramide, bei welcher das Symptom als pathologische Endstrecke (S.  205) des Krankheitsgeschehens auftritt. Aufgrund des ätiologie-orientierten Ansatzes wer-den Symptome aus ihrer überindividuell

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Dass das Buch nicht nur informiert, sondern darüber hinaus zum Studium einlädt, zeigt der didaktische Aufbau. Jeder Themenblock wird von einer Kurz-fassung, welche die wichtigsten Thesen enthält, angeführt. Bereits eine anfängli-che Kurzübersicht über den Gesamtinhalt ermöglicht ein umfassendes und vertief-tes Verständnis. Darüber hinaus werden die einzelnen Kapitel mit Verständnis- und Feedbackfragen zur Orientierung beendet. Dies macht die Arbeit auch zu einem Trainingsmanual für die berufliche Praxis, für Studierende und andere inter-essierte Leser.

Das Buch führt konsequent frühere Werke des Erstautors weiter und ebenso zusammen. Es wird dem Leser, der Leserin in „Emotionale Einsicht und the-rapeutische Veränderung“ nicht mehr – wie in Logik der Psychotherapie (Fischer 2008) – jeweils im Detail die theoretische oder geisteswissenschaftliche Herlei-tung einer Annahme begründet, sondern darauf auf- und weitergebaut. Dies führt in dem Werk zunehmend zu „Setzun-gen“. Das kann man beabsichtigen oder nicht. Der Vorteil besteht darin, dass sich den Lesenden quasi rascher die praxeologische Nutzbarkeit erschließt, hat jedoch den Nachteil, dass sie mit der einen oder anderen „Setzung“ konfron-tiert zu sein scheinen, da die Herleitung unmittelbar nicht mehr gegeben ist. Dies macht dieses Buch zwar trotzdem zu einem „Nachschlagwerk“, aber eben mit der Einschränkung, dass es zum Manual wird. In jedem Fall ist dieses Buch als Lehr- und Arbeitsbuch zu verstehen.

Letztlich tragen Fischer und Kollegin-nen nicht nur zur weiteren Entwicklung psychotherapeutischer Tiefenpsycholo-gie bei, sondern begründen die Psycho-therapiewissenschaft mit bzw. tragen zu ihrer weiteren Verankerung bei. Der/die Autor/innen blicken anhand ihres dialek-tisch-ökologischen Modells und den von ihnen ausgeführten „besonderen Merk-malen der modernen TP/ AP“ hinter die Erscheinungsbilder. Ein Ansatz, der sich auf den Umgang mit Widersprüchen ver-steht und eine beschränkte Sichtweise verlässt. Mit ihrem Werk stellen sie ein Manual für die psychotherapeutische Praxis bereit, welches das moderne Bild der Psychoanalyse, aber auch deren alte, bewährte Grundmauern wiedergibt.

konstatierten Erscheinung entnommen und aus einem spezifischen Kontext verstanden. Auch eine Therapieplanung, welche sich ausschließlich am Symptom-bild orientiert, sei laut dem/den Autor/innen nicht zielführend. Psychotherapie, welche sich hingegen am polyätiologi-schen Modell orientiert, ermöglicht eine kausale Psychotherapie. Kausale Psy-chotherapie, ein bedeutendes Merkmal der modernen TP/AP, beinhaltet nicht nur das Ziel der Symptombeseitigung, sondern ebenso die Unterbrechung des Krankheitsprozesses und seine Rückführung in eine selbstregulierende Persönlichkeitsentwicklung.

Gelungen in dieser Konzeptualisie-rung ist der Einsatz von handlungsbezo-genen Interventionen. Die Autorinnen und der Autor bewirken damit sowohl eine Abgrenzung als auch eine Annäherung an die Verhaltenstherapie mit dem Ziel der Förderung einer „semiotischen Progres-sion“. Nur eine präzise Beschreibung des Vorgehens gewährleistet die adäquate Einbettung der behavioralen Trainings-elemente in die entwicklungsorientierte Therapie, wobei die psychodynamische Fallkonzeption sowie die Beziehungsge-staltung stets Vorrang haben.

Die Darstellung und Beschreibung der besonderen Merkmale der moder-nen TP/ AP steht den Kapiteln der „therapeutischen Veränderung“ und des „psychotherapeutischen Dialogs in Theorie und Praxis“ gegenüber. Beson-dere Beachtung findet in diesem Kon-text die Übertragungsbeziehung, welche nach wie vor den Motor der Veränderung darstellt. Im psychotherapeutischen Dialog wird besonderes Augenmerk auf die Epistemologie der psychotherapeu-tischen Praxis mit den Stufen Phäno-menologie, Hermeneutik und Dialektik gelegt. Fallbeispiele demonstrieren die „Aufhebung“ von pathogenen Konflik-ten, Widersprüchen und Symptomen mit Hilfe der einzelnen Stufen der Inter-ventionslehre. Themen, wie Abwehr und Widerstand finden in gesonderten Kapiteln ihren Niederschlag. Neben der Dialektik und dem ökologischen Denken wird die klassische Deutungslehre um das semiotische Instrumentarium erwei-tert. Die Semiotik wird sowohl auf der Ebene der Symptomatik, als auch der Interventionen ausgeführt.

Zu empfehlen ist dieses praxisorientierte Manual sowohl informierten und inter-essierten Laien, als auch Theoretikern und Praktikern aus den Bereichen der psychotherapeutischen und psychologi-schen Heilkunde.

Verena Rattensberger und Pia AndreattaE-mail: [email protected]

Sabine Kern, Sabine Spitzer-Prochazka (Hrsg.)

Das Drama der Abhängigkeit. Eine Begegnung in 16 Szenen. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie, Sonderheft 4.

Springer Fachmedien, Wiesbaden 2013, EUR

29,15, ISBN 978-3-531-19778-4.

Beide Autorinnen sind (Lehr-)Psychothe-rapeutinnen der Fachrichtung Psycho-drama, Soziometrie und Rollenspiel und Redaktionsmitglied, sowie Mitherausge-berin der Zeitschrift Psychodrama und Soziometrie.

Das Buch gliedert sich in 16 Sze-nen, die unterschiedliche Bereiche des Themas Abhängigkeit aus psychodra-matischer Sicht beleuchten. Es werden die Entstehung, Diagnostik, Komorbidi-täten, Behandlungsmöglichkeiten und präventive Maßnahmen der verschiede-nen Abhängigkeiten/Süchte aufgezeigt.

Im ersten Beitrag von Hans Ben-zinger mit dem Titel „Zum Verständnis von Abhängigkeiten aus psychodra-matischer Sicht“ wird die Sucht näher betrachtet. Morenos allgemeines Krank-heitsverständnis übertragen auf das Thema Sucht und die Suchttheorie von Krüger sind hier im Fokus. Diese Theo-rien werden anhand von drei Fallbeispie-len dargestellt.

Die Entstehung und Entwicklung von Süchten wird von Sabine Kern in „Zur Ätiologie der Sucht. Wer sich in ein Labyrinth begibt, sollte den Ariadnefa-den nicht vergessen!“ angesehen. Sie zeigt den Verlauf vom Gelegenheitskon-sum, Missbrauch bis hin zur Abhängig-keit und veranschaulicht diesen durch Fallvignetten.

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Katharina Novy zeigt in „Autonomes Handeln. Soziologische, feministische und psychodramatische Perspektiven“ eine Verknüpfung dieser drei Perspek-tiven in Bezug auf die Autonomie. Es werden die Begriffe der relationalen Autonomie und des Doing Autonomy in der Verbindung mit dem Psychodrama beleuchtet.

Kurt Fellöcker beschreibt in „Sucht-prävention und Psychodramatheorie“ die Wichtigkeit und die Wirkfaktoren einer Suchtprävention und stellt dazu das Theaterstück „Traust du dich?“ vor. Das Theaterstück ist eine Möglichkeit der Suchtprävention in Schulen.

In der nachfolgenden Szene von Christian Stadler „Posttraumatische Belastungsstörung und Suchterkran-kung. Doppeldiagnose, Komorbidität und Behandlungsimplikationen“ werden zunächst beide Bereiche näher erläu-tert und im Anschluss als Komorbidität betrachtet. Dabei werden die Häufigkeit, Erklärungsansätze für die Doppeldiag-nose und psychodramatische Behand-lungsansätze dargestellt. Das wird anhand von zwei Fallbeispielen skizziert.

Doris Nowak- Schuh zeigt in „Abhän-gig vom Applaus. Narzissmus und Sucht“ die häufige Verbindung einer narziss-tischen Störung mit einer Abhängigkeit von Stimulanzien oder mit einer Essstö-rung und beschreibt dazu Behandlungs-implikationen. Veranschaulicht wird der Beitrag durch drei Fallbeispiele.

In dem Artikel „Borderline und Abhän-gigkeit. Ein theoriegestützter Erfah-rungsbericht über psychodramatische Einzeltherapien mit Borderline- Patient-Innen mit komorbiden Abhängigkeits-erkrankungen“ von Sonja Hintermeier werden die Komorbidität, die Ursachen und Auswirkungen der Abhängigkeit bei Borderline- PatientInnen und die psy-chodramatische Therapie dieser Komor-bidität theoretisch und mit Hilfe zweier Fallbeispiele beschrieben.

Die Autorin Christina Pichlhöfer ver-gleicht in „Beziehungsdynamik von Co- Abhängigen und Menschen mit abhängiger Persönlichkeitsstörung“ die beiden Störungen miteinander und zeigt dabei Gemeinsamkeiten und

Unterschiede auf. Anhand einer sozio-metrischen Darstellung werden diese aufgeführt.

Ernst Silbermayr beschäftigt sich in „Man tritt ja keine Realitätsflucht an, wenn es nichts gibt, wovor man fliehen will. Die Begegnung eines Online- Rollen-spielers mit einem psychodramatischen Rollenspieler“ mit dem Zusammenhang von Online- Rollenspielen und Abhän-gigkeit und führt dazu ein Interview mit einem Online- Rollenspieler. Es wird das moderne Störungsbild der Online- Rol-lenspielabhängigkeit kritisch betrachtet.

Wolfgang Treiber beschreibt in „Die Katze als Türöffnerin zur ambulanten Entwöhnungsbehandlung. Eine psy-chodramatische Begegnung im Bera-tungskontext einer Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behand-lungsstelle“ anhand eines Fallbeispieles die Arbeit mit dem sozialen Atom als hilf-reiche Methode für eine Entscheidung für oder gegen Abstinenz in der ambu-lanten Suchthilfe.

Ressourcenorientierte Arbeit im Psy-chodrama mit der Anhängigkeit wird von Dorothea Ensel in „Von den Bremer Stadtmusikanten lernen. Psychodrama-tisches Arbeiten mit dem inneren Hel-ferInnenteam“ aufgezeigt. Sie erläutert dabei die Wichtigkeit des inneren Helfer-teams anhand des Märchens.

„Verwegen? Von wegen! Deswe-gen…Über die Neugestaltung in einer Fachstation für Drogenerkrankungen“ von Barbara Haid, Wolfgang Färber und Jutta Fürst beschreibt die Umsetzung, Evaluierung und Supervision einer psy-chodramatisch orientierten Gruppenthe-rapie im Landeskrankenhaus Hall.

Verena Vogelbach-Woerner schildert in „Das Psychodrama als Behandlungs-methode bei essgestörten Patientinnen“ die psychodramatischen Methoden bei Essstörungen in der Einzeltherapie. Sie beschreibt, wie der innere Konflikt auf der psychodramatischen Bühne dar-gestellt werden kann. Die angeführten Methoden werden anhand von Fallbei-spielen veranschaulicht.

Die szenische Arbeit mit einer Lebenslinie wird theoretisch und mit

Fallbespielen von Christel Lenz in „Die Lebenslinie in der Initialphase ambu-lanter Suchttherapie. Vom ‚Anamnes-tischen Spaziergang‘ zur ‚Subjektiven Krankheitstheorie‘“ vorgestellt. Es wird erläutert, wie durch die Lebenslinie die PatientInnen von Beginn an miteinbezo-gen werden können und welche Mög-lichkeiten es bei der Arbeit damit gibt.

Bettina Waldhelm- Auer beschreibt in „Leben mit Konsum und Rückfällen“ den Umgang mit Rückfällen in der Therapie und die möglichen Ursachen dafür. Es werden Theorien zur Veränderung der Motivation und der psychodramatische Zugang im Rahmen eines Lebens mit dem Konsum vorgestellt und mit Fallbei-spielen ergänzt.

In der letzten Szene hat Sabine Spit-zer- Prochazka Helmut Haselbachers Gedanken zu dem Thema „Am Sterben führt kein Weg vorbei. Ein Interview mit Helmut Haselbacher“ aufgezeichnet. Er beschreibt, welchen Einfluss die Abhän-gigkeit von Beginn des Lebens, bei der Eigenverantwortung, bei der Begeg-nung, beim destruktiven Handeln bis hin bis zum Abschied haben kann.

Diskussion Das Buch vermittelt einen guten und spannenden Überblick über das Thema der Abhängigkeit aus psy-chodramatischer Sicht. Interessant ist, dass verschiedene Arten von Abhängig-keit dargestellt und von der Entstehung bis zu den Möglichkeiten der Therapie geschildert werden. Die Beiträge sind alle mit Fallbeispielen gespickt, wodurch die einzelnen Theorien gut verständlich sind und ein Einblick in die praktische Arbeit des Psychodramas gewährt wird. Vor allem wird die Vielfältigkeit der Psy-chodramaarbeit durch die zahlreichen Behandlungsimplikationen in den Bei-trägen deutlich. Die ausgewählten Bei-träge bereichern über die Themen Sucht und Psychodrama. Sie regen durch ihre Aktualität dazu an (zum Beispiel durch den Beitrag der Online- Rollenspielab-hängigkeit) sich näher mit den Süchten in der heutigen Zeit und den Einfluss auf die Gesellschaft auseinandersetzen zu wollen. Dazu wäre noch ein Beitrag interessant gewesen, der sich mit der Darstellung von Süchten in den Medien beschäftigt.

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buchbesprechung

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Nachdem in den Beiträgen auch psychodramatische Grundkonzepte verwendet werden, ist ein gewisses Grundwissen über Psychodrama hilf-reich. Das Buch eignet sich somit für LeserInnen, die ein gewisses Grundwis-sen über Psychodrama haben und sich für das Thema Sucht, sowie mit dem

psychodramatischen Umgang damit interessieren.

Fazit Das Buch „Das Drama der Abhän-gigkeit“ ist eine vielschichte Darstellung dieser Problematik im Zusammenhang mit dem Psychodrama. Es eignet sich, um einen Einblick in die Wirkungsweise

des Psychodramas bei verschiedenen Süchten zu bekommen. Es regt vor allem durch die Aktualität dazu an sich weiterhin mit dieser Thematik beschäfti-gen zu wollen.

Mirjam ZedrosserKlagenfurt, Österreich


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