bremer kirchenzeitungDas evangelische Magazin März - Juni 2018
FröhlicheOstern!
Trauercafé:Ganz viel Kraft schicken
Raus aus den Schulden
Neues Leben fürHühner aus Massentierhaltung
ImpressumUnser TitelbildDie bremer kirchenzeitung erscheint vier Mal im Jahr als Beilage zum Weser-Kurier
und den Bremer Nachrichten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen
nicht in jedem Fall die Meinung der redaktion dar.
Herausgeber: Bremische evangelische Kirche (Mitglied im Gemeinschaftswerk
der evangelischen Publizistik), Franziuseck 2-4, 28199 Bremen
Redaktion: sabine Hatscher & Matthias Dembski
Grafische Realisation: rank - Grafik-Design
Druck & Vertrieb: Bremer Tageszeitungen AG (BTAG), Martinistraße 43, 28195 Bremen
Anzeigen (verantwortlich): David Koopmann, Tanja Bittner (beide BTAG)
Die nächste Ausgabe der bremer kirchenzeitung erscheint am 23. Juni 2018.
Oster-Radtour zur Wasserhorster Kirche
Foto: Nikolai Wolff/ Panthermedia, Retusche: Ulrike Rank
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Elisabeth Lanz: Was im Leben zählt
Radeln mit Leib und Seele: Osterradtour zu Bremens Kirchen
„Ganz viel Kraft schicken“: Zu Besuch im Trauercafé
Faszination Orgel: Musik vom Hobby zum Nebenberuf machen
Ich wollt‘, ich hätt‘ ein Huhn: Die Aktion „Rettet das Huhn“
Ei, Ei, Ei: Alles rund um das uralte Oster-Symbol
Meditation: Sieben neue Hühnerleben
Segel setzen: Kurs für neue Aufbrüche
Projekt Zehn: Künstler Tom Gefken stellt in der Kulturkirche aus
Mehr als ein Job: Erzieherin in einer evangelischen Kita
Raus aus den Schulden: Selbst im Koma keine Hilfe
Schulden: Tipps und Infos zum Thema
Stille Helden: Gerd Urban und Heinrich Fischer
Sie praktiziert seit 2002 als „Tierärztin Dr. Mertens“ in der gleichnamigen ARD-Serie
aus dem Zoo Leipzig, hat im vergangenen Jahr für das Hörbuch „Wenn Engel lachen“
über die Liebesgeschichte von Katharina von Bora und Martin Luther die Rolle der
Katharina übernommen und bei den Bad Hersfelder Festspielen auf der Theater-
bühne ebenfalls die Lutherin gegeben: Elisabeth Lanz ist eine vielseitige Schauspie-
lerin, ebenso breit gefächert sind ihre Interessen. „Ich bin einfach ein neugieriger
Mensch“, lacht sie. Vor ihrer Schauspielausbildung am Wiener Volkstheater studierte
die gebürtige Grazerin unter anderem Linguistik, Philosophie, später Jura und Thea-
terwissenschaft. „Die Praxis hat mich zur Schauspielerei gebracht. Ich studiere nicht
nur einen Charakter, sondern ich denke mich ein und spiele ihn nach, was einen sehr
tiefen Einblick bedeutet. Man verstellt sich nicht, sondern man enthüllt eine Person
– das hat mich immer fasziniert, auch wenn in der Praxis beim Drehen oft nur wenig
Zeit dafür ist.“
„Katharina von Bora war wahnsinnig mutig“
Für die Rolle der Katharina von Bora tauchte Lanz in die Zeit der Reformation und in
die Lebensgeschichte der Nonne ein, die das Kloster verließ und später Martin Luther
heiratete. „Eine kluge, extrem starke, selbstbewusste Frau, auch wenn in der Literatur
wie so oft der Mann, Luther, im Mittelpunkt steht. Katharina hat ihm glaube ich eine
ungeheure Stärke gegeben, war für Luther eine echte Gesprächspartnerin auf Augen-
höhe. Sie hat den ganzen weltlichen Bereich mit großer Fachkenntnis geschaukelt,
die sie im Kloster erworben hatte. Sich so gegen die herkömmliche Glaubenstradition
zu stellen, das sichere Kloster zu verlassen, war wahnsinnig mutig. Für die Gründung
einer Familie wurde sie auch sehr angefeindet.“
„Über den Tod nachzudenken, macht unser Leben tiefer“
Eine Erfahrung, die sie auch aus der eigenen Familiengeschichte kennt. Auch ihr
Vater, ein ehemaliger katholischer Priester, entschied sich für die Liebe, verließ sein
Amt und heiratete. „Ein konfliktreicher Weg, meine Eltern waren extrem stark, sich
gegen den Widerstand ihrer Familien für ihre Liebe zu entscheiden. Erst Jahre später
fanden meine Großeltern und Eltern wieder zueinander.“ Was man für seinen Glau-
ben opfere, sei für ihren Vater eine existenzielle Frage gewesen, die einen inneren
Kampf bedeutet habe. „Das hat die Liebe zu meiner Mutter noch tiefer gemacht.“
Lanz‘ Vater leitete später ein SOS-Kinderdorf, wo die Schauspielerin mit ihren drei
leiblichen Geschwistern aufwuchs. „Dort habe ich auch viele schwierige Schicksale
erlebt. Da lernt man praktische Psychologie und vor allem, sich einzufühlen.“ Bis
heute engagiert sie sich für die SOS-Kinderdörfer, aber auch für Kinderhospize. „Die
Endlichkeit, egal ob sie Kinder oder Erwachsene betrifft, wirft Menschen oft aus der
Bahn. Sie brauchen eine gute Begleitung. Wir sollten uns trauen, uns mit unserem
Sterben und dem Tod auseinanderzusetzen. Das macht unser Leben tiefer, weil wir
darüber nachdenken, wie wir leben und was im Leben wichtig ist.“ Das berührt auch
Glaubensfragen: „Indem wir über das, was nach diesem Leben kommt, miteinander
sprechen, offenbaren sich unsere sehr unterschiedlichen Glaubensvorstellungen.“
Ihren persönlichen Glauben findet Elisabeth Lanz am ehesten im Gebet des Heili-
gen Franziskus wieder: „Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass
ich Liebe bringe, wo man sich hasst...“ Religionen gegeneinander abzugrenzen sei
schrecklich: „Wenn ich die neuerliche Diskussion verfolge, ob der Islam zu Deutsch-
land gehört, finde ich das einfach absolut blöd. Ich denke, wir müssen heute mehr
denn je schauen, was uns verbindet, versöhnt und Menschen über Religionsgrenzen
hinweg zusammenführt.“
Die Lust am Leben auf dem Land
Entspannen kann die Schauspielerin am besten in dem Dorf bei München, wo sie
mit ihrer Familie lebt. Was sie am Landleben mag? „Dass dort nichts ist“, meint sie
lachend. „Ich liebe es, dass es akustisch und optisch stiller ist als in der Stadt. Ich
kann nach innen gehen, zum Beispiel mal eine Woche intensiv lesen, was mir in der
Stadt nicht so einfach gelingen würde.“ Zuhause bedeutet für sie, da zu sein, wo
Freunde und Familie sind. „So werden wir es auch zu Ostern machen und darauf
freue ich mich schon.“
Was im Leben zählt Elisabeth Lanz über Neugierde,
Katharina von Bora
und SOS-Kinderdörfer
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2018 3
Elisabeth Lanz,
Schauspielerin
Elisabeth Lanz
Wenn Engel lachen Hörbuch
3 Audio-CD´s, 170 Minuten,15 Euro
ISBN 978-3-96038-122-8
Gespräch: Matthias Dembski
Foto: Dirk Schmidt
Check Technisch fit ins Frühjahr radeln
4 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2018 5
Radelnmit Leib und Seele
Bei der Oster-Radtour Bremens Kirchen entdecken
Endlich Frühling! Spätestens, wenn die ersten
Sonnenstrahlen locken, ist es Zeit, den Drahtesel aus
dem Schuppen zu holen. Dann geht es direkt vor der
Haustür auf Tour, denn für attraktive Ziele müssen
Bremerinnen und Bremer nicht weit radeln.
Schöne Kirchen in allen Richtungen
Ob von der Borgfelder Kirche über den Wümmedeich
bis zur idyllisch gelegenen Wasserhorster Kirche
oder von der Grambker Kirche durchs Werderland
bis zur Moorlosen-Kirche in Mittelsbüren – in jeder
Himmelsrichtung gibt es Bremer Kirchen, die sich als
Ziel einer Frühlings-Radtour eignen.
Radpilgern an der Ochtum
Wer etwas mehr Zeit mitbringt und auch über die
Stadtgrenze hinaus unterwegs sein möchte, kann auf
dem Radpilgerweg „Ochtum, Marsch und Moor“ neue
Kreuze und alte Kirchen in norddeutscher Landschaft
entdecken. Auf Bremer Gebiet geht‘s los in Huchting,
vorbei an der Dietrich Bonhoeffer Kirche und der
Rablinghauser Deichkirche Richtung Altenesch.
Ein Pilgerführer enthält Pilgergebete, Segensworte,
Mediationen sowie Bildbetrachtungen.
Den Flussgeist im Gewölbe suchen
Wo auch immer Sie radeln: Neue Entdeckungen in
den Kirchen und am Wegesrand sind garantiert: Wie
wäre es mit einer Tour durch den Bremer Osten nach
Arbergen zu einer der ältesten Bremer Dorfkirchen?
Die St. Johannis-Kirche aus dem Jahr 1719 hat früh-
mittelalterliche Ursprünge. Von dort aus kann man
übers Weserwehr an der Weser entlang wieder fluss-
aufwärts über Habenhausen nach Arsten zur nächs-
ten alten Dorfkirche radeln. Die St. Johannes Kirche,
erstmals 1325 erwähnt, steht etwas erhöht auf einer
Warft und bot Menschen früher Zuflucht vor dem
Weser-Hochwasser. Das mittelalterliche Gewölbe im
Chorraum enthält ein Bilderrätsel: Wo ist ein schel-
misch lachendes Gesicht versteckt? Vielleicht soll es
einen Flussgeist zeigen, vor dem sich die Menschen in
vorchristlicher Zeit fürchteten.
Text: Matthias Dembski | Fotos: Panthermedia/
Nikolai Wolff
Deichkirche Rablinghausen
St. Jacobi-Kirche in Seehausen
Wasserhorster Kirche
St. JohannisArbergen
Kirche Borgfeld
Moorlosen-Kirche Mittelsbüren
St. JohannesArsten
Gut gepackt ist halb gewonnen
Frischeboxen sind praktisch und vermeiden Abfall.
Wichtig: Thermo-Picknickdecke einpacken!
Superschneller Dipp – Tipp
Kräuter und Knoblauchzehe fein hacken und unter Jo-
ghurt oder Quark rühren. Den Dipp mit Zitronensaft,
Salz und Pfeffer abschmecken. Möhren, Paprika, Gurke
oder Kohlrabi zum Dippen in Sticks schneiden.
Was kommt auf´s Sandwich?
Käse, Salat, Pesto, Salami, Senf, Räucherlachs, Spros-
sen - alles, was schmeckt! Mayonnaise bei warmem
Wetter lieber nicht verwenden.
Kleine Erfrischung?
Am Besten eignen sich Tees, Saftschorlen oder Was-
ser. Wie wäre es mit einem Zitronen-Ingwer-Tee, der
schmeckt warm und kalt.
Smoothie
Ob fruchtig oder pikant - schnell im Mixer püriert,
sind Smoothies einfach lecker. „Melone-Orange“ oder
„Tomate-Avocado“ machen fit für die nächste Etappe.
Fingerfood – passt immer!
Spieße mit Gouda, Feta oder Mozarella und Kirschto-
maten, Oliven, Basilikum oder Weintrauben sein.
Tipps für den Picknick-Korb
Putzen & Prüfen
Rahmen, Gabel und Felgen mit Spüli und Schwamm
reinigen. Rahmen, Lenker, Vorbau und Sattelstütze auf
Risse und Verformungen prüfen.
Schraube locker?
Alle Schrauben - nicht zu stark - nachziehen. Auch die
Speichen einzeln prüfen: Stimmt die Spannung, sind
Speichen gerissen, hat die Felge einen Schlag? Sitzt
der Steuersatz fest? Hat die Nabe Spiel? – Dann ab zur
Fahrradwerkstatt!
Antrieb fitmachen!
Kette mit altem Baumwolltuch säubern, mit Fließfett
oder Öl schmieren, überschüssiges Öl abwischen. Schal-
tungen sollten leicht laufen und direkt umschalten. Au-
ßenhüllen und Seilzüge auf Schäden kontrollieren. Hat
die Kette genug Spannung?
Allzeit bremsbereit
Sind Bremsseile und Spannung in Ordnung, sind die
Bremsen leichtgängig? Bremsklötze austauschen, wenn
etwa Quer-Rillen nicht mehr erkennbar sind.
Gesehen werden
Das Licht muss auch im Frühling funktionieren. Sind
noch alle Reflektoren vorhanden?
Druck machen
Wer Reifen regelmäßig aufpumpt, fährt leichter, hat
weniger Verschleiß und vermeidet einen Platten.
keine Antwort. „Ich hab‘ ihn sehr gern gehabt“, bricht
es aus ihr heraus. Nach einem Moment der Stille bil-
den alle in der Runde einen „Kraftkreis“. Sie reichen
sich die Hände. „Wir schicken Nicole jetzt mal ganz viel
Kraft, indem wir uns gegenseitig die Hände drücken“,
sagt Trauerbegleiterin Wiebke Voller. Nicole kommt tat-
sächlich zur Ruhe und zündet eine Kerze an: „Für meine
Schwestern Doris und Katja, damit sie Kraft bekommen
gegen die Trauer.“
Abschied ist wichtig für den Trauerprozess
Seit Mai 2011 gibt es das Trauercafé der Lebenshilfe.
Petra Groß und ihre Kollegin Wiebke Voller hatten sich
damals zunächst für die Sterbegleitung, danach als
Trauerbegleiterinnen fortgebildet. Die beiden Päda-
goginnen arbeiten in Wohngruppen der Lebenshilfe.
„Ich habe dort früher noch erlebt, dass Menschen mit
geistiger Behinderung der Tod ihrer Eltern verschwie-
gen wurde. Die kamen dann einfach nicht mehr, aber
niemand von den Angehörigen sagte ihnen, was los ist.
Sie durften nicht zur Beerdigung“, erinnert sich Petra
Groß. „Dabei ist der persönliche Abschied so wichtig für
den Trauerprozess.“ Trauer sei für alle Menschen gleich
schwer zu bewältigen – unabhängig von ihrer Beein-
trächtigung, betont Wiebke Voller. Trotzdem bräuchten
Menschen zur Bewältigung unterschiedliche Formen.
„Trauergruppen laufen in der Regel viel über Sprache,
was für Menschen mit geistiger Behinderung oft schwie-
rig ist. Deswegen arbeiten wir viel mit Bildern und Sym-
bolen, basteln, malen oder gestalten Kerzen.“ Außer-
dem gibt es stets einen Info-Teil, bei dem zum Beispiel
über Bestattungsformen gesprochen wird. „Für diese
Zielgruppe sind sinnliche, greifbare Zugänge besonders
wichtig“, betont Petra Groß. So geht es diesmal im Trau-
ercafé um Seebestattungen. „Dass eine Urne ins Was-
ser kommt und nicht ein Mensch dort versenkt wird,
war vielen nicht klar. Da herrschten zum Teil gruselige
Vorstellungen. Deshalb haben die Teilnehmer entschie-
den, dass wir uns in einem Film mal anschauen, wie
eine Seebestattung wirklich abläuft.“ Ein solcher Info-
Block baut Ängste ab. „Wir machen auch Exkursionen
zur Messe Leben und Tod, gehen mit dem Pastor auf
den Friedhof oder schauen uns einen Friedwald an“,
berichten die beiden Trauerbegleiterinnen. Um welche
Themen es geht, entscheiden die Teilnehmer.
Fröhliche Stimmungbeim Kaffeetrinken
Zum Abschluss des Trauercafés versammeln sich alle
um eine Kaffeetafel. Die Erinnerungskerzen stehen
auf dem Tisch, es gibt diesesmal sogar eine selbstge-
machte Torte und Kuchen. Wie bei einem Beerdigungs-
Kaffeetrinken füllt bald Stimmengewirr und Lachen
den Raum. Es geht um den nächsten Urlaub, einen
Ausflug mit der Wohngruppe oder Hobbys – bis der
erste Fahrdienst da ist, der Teilnehmende abholt, die
nicht selbständig nach Hause kommen. „Bis in zwei
Wochen, tschüss“, ruft Malte und geht winkend aus
der Tür – seine negativen Gefühle und die Trauer über
sein verlorenes Leben zusammen mit seiner Mutter sind
nicht weg. Aber darüber zu sprechen und eine Kerze
anzuzünden hat ihm für heute geholfen.
(* alle Namen der Teilnehmenden von der Redaktion geändert)
Text/Fotos: Matthias Dembski
„Erst ist meine Mutter ganz plötzlich gestorben und
dann musste ich aus der Wohnung raus und in eine
Wohngruppe umziehen.“ – Maltes* Trauer klingt zornig
und trotzig. Stockend erzählt er, greift zwischendurch
immer wieder nach der Hand seiner Freundin Amelie.
Im Trauercafé der Lebenshilfe Bremen, das sich an Men-
schen mit geistiger Behinderung richtet, haben alle Zeit,
ihm zuzuhören. In der Runde ist es ganz still geworden.
Der Reihe nach erzählen die Teilnehmerinnen und Teil-
nehmer, was ihnen auf der Seele brennt.
Bei Malte hat sich einiges aufgestaut, seitdem sich die
Gruppe vor zwei Wochen das letzte Mal getroffen hat.
Er hadert mit seiner Wohnsituation. „Ich möchte in eine
eigene Wohnung.“ Möglichst soll es die frühere Woh-
nung sein, in der er mit seiner Mutter lebte, die zugleich
seine Betreuerin war. Man merkt dem jungen Mann
an, dass seit ihrem Tod nichts mehr so ist, wie es mal
war. Alles in seinem Leben ist durcheinander gekom-
men, Trauer und Wut mischen sich. Schließlich zündet
Malte eine Kerze für seine Mutter an und stellt das bunt
gestaltete Glas in die Mitte des Stuhlkreises.
„Ich hab‘ meinen Papa sehr gern gehabt“
Feste Rituale wie die Erzähl-Runde, bei der ein herzförmi-
ger Speckstein von Hand zu Hand weitergegeben wird,
gehören zum Trauercafé dazu. In der Raummitte liegt
ein Tuch, auf dem ein Strauß Osterglocken steht. Nach
und nach kommen immer mehr Kerzen dazu: Für Pauls
Bruder Stefan, für Amelies Papa, für Rainers Mitbewoh-
ner Lothar, für Maries Freund Niklas und viele Andere.
Schließlich ist Nicole an der Reihe. Die Hände immer in
Bewegung, sucht sie nach Worten. Schließlich bricht es
aus ihr heraus, dass es ihr heute einfach nicht gut geht.
Die junge Frau mit Down-Syndrom ist das erste Mal in
der Trauergruppe dabei und sehr aufgeregt. Ihr Vater ist
im vergangenen Oktober gestorben. Behutsam erfragt
Trauerbegleiterin Wiebke Voller ihre Geschichte. „Mein
Papa hatte einen Herzinfarkt und ist daran gestorben.“
Die Trauerbegleiterin reicht ihr ein Taschentuch. Auf die
Frage, was ihr Papa gerne gemacht hat, findet Nicole
6 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de
Amelie hilft Nicole
beim Anzünden
ihrer Erinnerungskerze
Ganz vielKraft schicken
Zu Besuch im Trauercafé für Menschen mit geistiger Behinderung
www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2018 7
Alle Angebote sind kostenfrei
Trauercafé für Menschen
mit geistiger Behinderung
Gemeindezentrum Zion, Kornstraße 31
alle zwei Wochen freitags um 16 Uhr
Kontakt: Petra Groß, Telefon 0421/82 60 69
Gesprächskreis „Weiterleben“
Gemeindezentrum Zion, Kornstraße 31
jeden letzten Freitag im Monat (außer in den Ferien)
17.30 bis 19 Uhr
Kontakt: Pastor Thomas Lieberum
Telefon 0421/59 76 95 21
Trauertreffpunkt „Lindencafé“
Kirchengemeinde Horn, Horner Heerstraße 28
einmal monatlich montags oder donnerstags
16 bis 18 Uhr
Kontakt: Telefon 0421/23 60 56
Trauercafé Lichtblick
St. Martini Lesum, Hindenburgstraße 30
jeden ersten Dienstag im Monat von 15 bis 17 Uhr
(außer in den Sommerferien)
Kontakt: Annette Carstens, Telefon 0421/67 41 424
Neu ab 4. April 2018:
Gespräche mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern
Osterholzer Friedhof, Nordkapelle
mittwochs von 14 bis 15.30 Uhr,
von Mai bis August bis 16.30 Uhr
Die Gespräche sind vertraulich, kostenfrei und
unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft
kirche-bremen.de
Hilfe für Trauernde
Kirchen, Diakonie und Caritas beraten an
Stand 6 C 02 zu allen Fragen rund um Krankheit,
Pflege, Trauer und kirchliche Bestattung.
Vor Ort gibt es ein vertrauliches Seelsorge-Angebot.
Infos zur Messe und zum Kongressprogramm:
leben-und-tod.de
Programm des Evangelischen Bildungswerks
u.a. mit den Themen:
Mir fehlen die Worte – sich trauernden
Angehörigen zuwenden können
Ich bin für Dich da – trauernden
Freundinnen und Kollegen beistehen
Letzte Hilfe – am Ende wissen, wie es gehen kann
Gesegneter Abschied – Ermutigung fürs Leben
kirche-bremen.de
Trauern erlaubt?!Mit dem Verlust (m)eines Kindes nach
Spätabbruch, Tot- oder Fehlgeburt umgehen
Vortrag und Diskussion mit der
Trauerberaterin Tanja M. Brinkmann
Donnerstag, 19. April, 19 Uhr
Zentralbibliothek Bremen, Am Wall 201
cara-bremen.de
8 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2018 9
„Peter und der Wolf“ war Christopher Skiltons erste be-
wusste Begegnung mit der Orgel, an die er sich erin-
nert. Das von Sergei Prokofjew vertonte russische Mär-
chen auf dem großen Instrument mit den vielen Pfeifen
begeisterte den Erstklässler. „Da wusste ich, dass ich
irgendwann einmal selber Orgel spielen wollte“, erin-
nert sich der heute 19-Jährige. „Ich sang damals im
Kinderchor der Remberti-Gemeinde, und unser Kantor
hatte uns öfter mit auf die Orgelempore genommen
und das Instrument erklärt.“ Der Funke sprang über.
„Ich glaube, mich hat beeindruckt, welche ungeheuren
musikalischen Möglichkeiten ich als einzelner Musiker
herausholen kann. Man hat dieses große, mächtige In-
strument für sich allein und kann darauf seine musi-
kalischen Ideen entwickeln.“ Pedale, mehrere Manuale
und unzählige Register – die Technik einer Orgel und
ihr vielfältiger Klang – all das wollte Christopher selber
beherrschen.
Orgelunterricht mit 13 Jahren begonnen
Doch zunächst waren seine Beine zu kurz, um von der
Orgelbank bis an die Pedale heran zu reichen. „So bin
ich erst mal beim Klavier geblieben und habe, wann
immer ich konnte, im Dom den Organisten zugehört“,
erinnert er sich. Erst mit 13 begann er, sein Trauminstru-
ment zu erlernen. „Ich war mit meinen musikalischen In-
teressen immer ein wenig der Exot: Knabenchor-Sänger
seit 2005, Orgelunterricht, geistliche Musik und Klas-
sik – das ist natürlich bei den meisten in meinem Alter
nicht so angesagt.“ Doch Christopher blieb musikalisch
am Ball. „2016 habe ich einen C-Kurs begonnen, das ist
die Ausbildung zum nebenamtlichen Kirchenmusiker.“
C-Musiker-Ausbildung neben der Schule
Neben der Schule war dieser Kurs eine Menge Holz:
„Einmal wöchentlich Orgelunterricht, Gesangsunter-
richt, zusätzlich privat Klavierunterricht und Übungs-
zeiten“, zählt er auf. „Am Freitagabend fand der ei-
gentliche Kurs statt, so fielen private Verabredungen
an diesem Abend flach. Aber das ist wie bei einem
Profi-Sportler, der seine Zeit und Energie auch voll auf
ein Ziel konzentriert.“ Im C-Kurs habe er eine Menge
gelernt: „Musiktheorie, Infos zum Kirchenjahr und ande-
ren theologischen Themen, ein Chorpraktikum, Exkursi-
onen zu interessanten Orgeln im Elbe-Weser-Raum – für
mich war der Kurs eine ideale Studienvorbereitung, weil
ich beschlossen hatte, später hauptamtlicher Kirchen-
musiker zu werden, dafür muss man studieren.“ Seine
Kurs-Gruppe war nett, auch wenn Skilton als Schüler
das „Küken“ war. „Die anderen waren deutlich älter
und alle schon im Beruf, wollten aber ihr musikalisches
Hobby quasi zum Nebenberuf machen.“
Berufswunsch Kirchenmusiker
Seinen C-Kurs hat Christopher Skilton kürzlich erfolg-
reich abgeschlossen. Derzeit bereitet sich der junge Mu-
siker auf seine Aufnahmeprüfungen vor. An vier Musik-
hochschulen hat er sich beworben. Ob es ihn nach Köln,
Hamburg, Hannover oder Halle verschlägt, ist noch un-
klar. „Dass mein Berufswunsch Kirchenmusiker ist, hat
sich während meines Freiwilligen Kulturellen Jahr beim
Knabenchor deutlich rauskristallisiert. Neben der Musik
habe ich auch entdeckt, wieviel Spaß es macht, Konzer-
te zu planen und zu organisieren.“
Neue Kurse nach den Sommerferien
Nach den Sommerferien starten in Bremen wieder zwei
Ausbildungsangebote für angehende nebenberufliche
Kirchenmusiker. Der so genannte D-Kurs richtet sich
vor allem an Schülerinnen und Schüler mit Klavier-
Vorkenntnissen, die Orgelspielen lernen wollen, um
später bezahlte Vertretungsdienste für Gottesdienste
zu übernehmen. Der C-Kurs ist vor allem für Berufstä-
tige gedacht, die bereits vertiefte Vorerfahrungen im
Klavierspiel und Chorgesang mitbringen. Für Christo-
pher Skilton hat sein C-Kurs einen angenehmen Neben-
effekt: „Ich kann künftig neben meinem Studium durch
Vertretungsdienste in Gottesdiensten oder bei kirchli-
chen Amtshandlungen Geld verdienen, vielleicht finde
ich sogar eine Teilzeit-Stelle, bei der ich neben Orgel-
Diensten auch einen Chor leiten kann.“
Text | Fotos: Matthias Dembski
Faszination Orgel Musik vom Hobby zum Nebenberuf machen
Christopher Skilton auf der Orgelbank in der Kirche Unser Lieben Frauen
Donnerstag, 26. & Freitag, 27. Apriljeweils 19.30 Uhr im Kapitel 8, Domsheide 8
Anmeldeschluss für beide Kurse: 31. Mai
Info-Abende für beide Kurse
D-Kurs
Dauer: Zwei Jahre ab August 2018
Ort: Martin-Luther-Kirche Findorff,
bei Bedarf werden wohnortnah Orgeln zum Üben vermittelt
Zeitlicher Aufwand: wöchentlicher Orgelunterricht (45 Minuten)
bei Christian Faerber, individuelle Übungszeiten,
pro Halbjahr zwei bis drei Blockveranstaltungen an Wochenenden
Zielgruppe: ab 16 Jahre
Voraussetzungen: Klavierunterricht (Mittelstufen-Niveau mit
Sonatinen, Inventionen), mehrstimmig denken und spielen können
Ausbildungsinhalte: Choralbegleitung, einfache Vorspiele,
liturgisches Orgelspiel, Registerkunde und technische Grundlagen
der Orgel, Gesangbuchkunde (reine Orgelausbildung ohne Chorleitung)
Ziel: Gottesdienstbegleitung (Choräle/Lieder und Liturgie) für
Vertretungsdienste, schnelle Anwendbarkeit des Gelernten
Kosten: 50 Euro monatlich für den Orgelunterricht, damit parallel der
private Klavierunterricht weiter laufen kann, dazu kommen Kosten für
Notenmaterial. Zuschüsse aus materiellen Gründen sind auf Antrag möglich.
Vergütung bei späterem Einsatz: Pro Gottesdienst/Amtshandlung
28 bis 45 Euro, das Brutto-Einstiegsgehalt für eine volle D-Musikerstelle
liegt bei 2.100 Euro
Kontakt: Christian Faerber, Telefon 0421/37 96 9-36
C-Kurs
Dauer: Zwei Jahre ab August 2018
Ort: Gemeinderäume in Innenstadtnähe
Zeitlicher Aufwand: jeweils wöchentlich Orgelunterricht
(45 Minuten) bei A-Musiker/innen und individuelle Übungszeiten,
Unterrichtsabend (Donnerstag, 19 bis 21.30 Uhr) mit Hausaufgaben,
ein Abend für das Chorpraktikum
Zielgruppe: ab 16 Jahre, Erwachsene neben dem Beruf
Voraussetzungen: gerne D-Prüfung, fortgeschrittenes Klavierspiel,
evtl. Dirigier-, Chorerfahrung, Musiklehre-Kenntnisse, Freude am Gottesdienst
Ausbildungsinhalte: Orgel- und Gesangs-Unterricht, Chorleitung,
Orgelbaukunde, Musiktheorie, theologische Informationen,
Gesangbuchkunde, Kirchenmusikgeschichte, Liturgik, Themenabende
zum Kirchenjahr, Exkursionen zu Orgeln, begleitendes Chorpraktikum
Ziel: Gottesdienstbegleitung (Choräle/Lieder und Liturgie),
Chorleitung, Übernahme einer C-Stelle, Assistenzen & Vertretungen
Kosten: 50 Euro im Quartal + Kosten für Orgelunterricht + 190 Euro für die
Prüfungsvorbereitungs-Woche im Hildesheimer Michaeliskloster
Vergütung bei späterem Einsatz: Pro Gottesdienst/Amtshandlung
32 bis 53 Euro, das Brutto-Einstiegsgehalt für eine volle C-Musikerstelle
liegt bei 2.300 Euro
Kontakt: Katja Zerbst, Telefon 0421/205 81-17
Hinter der Hecke mischt sich zufriedenes Boak,bok,bok
gelegentlich mit lauterem Gaack, Gack-ack-ack, ab und
zu lugt ein buschiger, brauner Feder-Po zwischen den
Zweigen hervor, oder eines der Hühner steckt den Kopf
hindurch. Endlich ist die hoffentlich letzte winterliche
Kaltfront abgezogen. Berta, Agathe, Riekchen und
die anderen können wieder raus aus dem Stall. Die
Sonnenstrahlen locken die Hühnerschar in den Garten,
sobald sich die Stallklappe nach dem „Frostarrest“
zum ersten Mal wieder öffnet. Neugierig beginnen die
sieben Hennen sofort ihre Erkundungstour. Nach einer
Weile picken und scharren sie im Boden, gehen auf
Regenwurm-Jagd oder wandern hinter der Hecke auf
und ab – ein ganz normales Hühnervolk mit prächti-
gem braunen Federkleid und straffen, roten Kämmen,
das sich in der ersten Frühlingssonne im Garten von
Jeannette und Thomas Querfurth tummelt. Doch bis
dahin war es ein weiter Weg.
Gerupft wie Suppenhühner
Als Agathe, Berta, Carölchen, Dora, Emmi, Riekchen und
Gitte im Mai 2017 Querfurths Garten bezogen, sahen
sie wie gerupft aus, waren mager, hatten kahle Stellen
im Federkleid und hängende Kämme, stammen sie
doch allesamt aus einer Massenhaltung. Mitglieder vom
Verein „Rettet das Huhn“ hatten sie von dort übernom-
men. Sie vermitteln diese „ausgedienten“ Legehennen
an Menschen weiter, die den Tieren ein neues artgerech-
tes Zuhause und ein erfülltes Hühnerleben schenken
möchten. Denn sobald ihre Legeleistung nachlässt, sind
diese Hühner für die Eierindustrie nicht mehr rentabel
und müssen neuen, jungen Hennen weichen. Nach
spätestens 16 Monaten werden sie auf dem Schlachthof
entsorgt und zu Tierfutter verarbeitet – Restwert 10
Cent. Ein Schicksal, das nach Angaben von „Rettet
das Huhn“ jährlich allein in Deutschland 45 Millionen
Legehennen ereilt.
Gut 10.000 von ihnen haben dank der Aktion ein zwei-
tes, freies Leben mit Tageslicht, Auslauf, der Möglichkeit
zu scharren und zu picken und allem, was sonst zu
einem glücklichen Hühnerleben dazu gehört. „Rettet das
Huhn“ kooperiert deutschlandweit mit Legebetrieben,
die ihre ausgelaugten Tiere an den Verein abgeben.
„Tolle, zutrauliche Haustiere“
Die sieben Hennen im Garten der Querfurths gehören
zu den Glücklichen, und sie genießen ihr Leben in vol-
len Zügen, erstmals mit Tageslicht, an der frischen Luft
und mit allen Möglichkeiten, die ein Huhn von Natur
aus braucht. Sie können scharren, Würmer und Insekten
picken, buddeln oder im Sand baden. „Innerhalb kürzes-
ter Zeit haben sie sich prima erholt und sind ganz nor-
male Hühner geworden, denen man ihr Schicksal nicht
mehr ansieht. In den ersten Wochen trugen sie teil-
weise noch einen Hühnerpulli, weil sie so kahl waren.
Aber man konnte zusehen, wie ihnen von Woche zu
Woche mehr Federn wuchsen“, erinnert sich Jeannette
Querfurth. Selbstbewusste Tiere waren die gerupften
Kreaturen von Anfang an. „In der Hackordnung stand
anfangs Riekchen als Chefin ganz oben. Das war ver-
blüffend, war sie doch die Kleinste und glich mit ihren
wenigen Federn einem lebendigen Suppenhuhn. Aber
sie war so frech und mutig, dass sie die unangefoch-
tene Chefin unserer Hühnerschar wurde.“ In einem
Blog hält Jeannette Querfurth ihre Erfahrungen und
Erlebnisse mit ihren sieben Mitbewohnerinnen fest.
„Hühner sind tolle Haustiere, die wirklich zutraulich
sind und auf Menschen reagieren“, erklärt Jeannette
Querfurth. „Uns macht es einfach Spaß, sie zu beob-
achten und ihr beruhigendes, angenehmes Gackern im
Garten zu hören.“
„Ein frisch gelegtes Ei ist ein Geschenk“
Die Querfurths möchten ihre Hühner nicht mehr mis-
sen. „Seit unsere sieben Hühner da sind, entdecke ich
jeden Tag, wie charmant und selbstbewusst sie sind.
Jedes Huhn hat seinen eigenen Charakter, das ist faszi-
nierend.“ Die sieben niedlichen, wuselnden Federbälle
sind außerdem weiterhin Nutztiere: „Sie legen vier bis
sechs Eier am Tag. Wenn man so ein körperwarmes Ei
aus dem Nest holt, ist das wie ein Geschenk.“
Text: Matthias Dembski | Fotos: Jeannette Querfurth
www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2018 1110 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de
Planen
Ausführlich informieren und mit den
Nachbarn sprechen. Stimmen die Vor-
aussetzungen, was ist nötig? Hüh-
nerhaltung ist erlaubt, muss aber
angemeldet werden (ndstsk.de). Mit
„Rettet das Huhn“ Kontakt aufnehmen.
Vorbereiten
Marder- und frostsicheren Stall
mit Tageslicht-Einfall und Voliere
bauen, den Auslauf mindestens
1,20 Meter hoch einzäunen. Fotos
der Haltungsbedingungen an
„Rettet das Huhn“ schicken.
Abholen
Am Vermittlungstag Hühner am
vereinbarten Übergabepunkt
abholen, genügend Transport-
körbe (keine Kartons) mitnehmen.
Eine Auswahl der Tiere ist nicht
möglich, die Vermittlung erfolgt
gegen Spende.
Einziehen
Innerhalb weniger Tage erobern
sich die Hühner ihr Zuhause. Hat
sich ein Huhn erstmal getraut, den
Stall zu verlassen, dauert es nicht
mehr lange, bis alle anderen eben-
falls ihre neue Freiheit entdecken.
Ich wollt‘, ich hätt‘ ein
Von der Idee zum eigenen Hühnerstall
Riekchen im
Mai 2017
Riekchen im
September 2017
Huhn... „Rettet das Huhn“ schenktLegehennen ein zweites Leben
Was ein Huhn braucht
isolierter, zugfreier und trockener Stall mit Milben-
schutzanstrich, Legenestern, Sitzstangen und saugfä-
higem Einstreu; Wärmelampe für Frosttage;
eingezäunter Auslauf von mindestens zehn Qua-
dratmetern pro Huhn zum Scharren, Buddeln, Picken,
Gucken und Sandbaden. Hühner mögen Büsche und
Hecken zum Verstecken und als Schattenspender.
überdachte Voliere für Zeiten der Stallpflicht, bei-
spielsweise wegen Vogelgrippe;
eine Gruppe: Drei, besser fünf und mehr Tiere, ein
Hahn muss nicht dabei sein.
gutes Futter, etwa fertiges Körnerfutter – im Winter
mit untergemischtem Öl/Fett, Grünfutter und viel
Wasser. Hühner sind auch „Resteverwerter“ für unge-
würzte Kartoffeln/Kartoffelschalten, Reis usw.
regelmäßige Schluckimpfung vom Tierarzt gegen
die Newcastle-Krankheit;
Zeitaufwand: Wie bei jedem Haustier muss man
sich täglich kümmern, füttern, den Stall säubern –
und für eine Urlaubsvertretung sorgen, wenn man
nicht da ist.
Rettet das Huhn e.V.
rettetdashuhn.de
unserehuehnervonrettetdashuhn.blogspot.de
12 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2018 13
Eier sind Kraftwerke voller Nährstoffe und ein uraltes Ostersymbol
ier sind gesund
Ungesund sind Eier in Maßen genossen nicht. Das in Eiern
enthaltene Cholin soll das Gehirn unterstützen, Eiweiß und
Schwefel aus dem Eigelb lassen das Haar glänzen, Eiweiß
beugt Hautunreinheiten vor. Eier sind kleine „Kraftwerke“,
die unter anderem viel Kalzium, Magnesium, Eisen, Jod
und Fluor liefern. Auf den Cholesterinspiegel wirken sie sich
übrigens kaum aus. Ein Problem sind eher die Fette im Ei, die
unser Energiekonto hochtreiben. Deshalb gilt:
Maximal ein Ei am Tag ist okay,
zu Ostern dürfen‘s auch mal mehr sein.
Warum stereier?
Während der vorösterlichen Fastenzeit durften
die Menschen früher keine Eier essen, aber
die Hühner legten natürlich weiter. Um die
Eier haltbar zu machen, kochte und färbte
man sie mit Pflanzen, um gekochte von rohen
Eiern zu unterscheiden. Zu Ostern wurde die
„Überproduktion“ dann verschenkt. Übrigens:
Seit dem Mittelalter ist das traditionelle
Osterei rot – die Farbe des Blutes Christi, des
Lebens und der Freude.
erumeiern
Mit Worten wird viel herumgeeiert: Ein Ei gleicht dem
anderen, aber jeder sucht das Ei des Kolumbus. Niemand
möchte ein faules Ei ins Nest gelegt bekommen,
stattdessen aber lieber so aussehen wie aus dem Ei
gepellt. Doch Vorsicht, wenn etwas nicht das Gelbe vom Ei
ist. Deshalb sollte man aber nicht jeden wie ein rohes Ei
behandeln, sondern durchaus auch mal „Eier haben“. Auch
nicht empfehlenswert: Sich für ‘nen Appel und‘n Ei, sprich:
unter Wert, zu verkaufen. Der Reformator Martin Luther
riet: „Sorge dich nicht um ungelegte Eier.“
Symbol für neues eben
Das Ei galt schon den ersten Christen als Zeichen der
Auferstehung Jesu und Symbol des Lebens. Hinter der Schale
ist neues Leben verborgen. Dazu ein alter Merkspruch:
„Wie der Vogel aus dem Ei gekrochen, hat Jesus das Grab
zerbrochen.“ Wohl deshalb legte man im frühen Mittelalter
Verstorbenen Eier als Beigabe mit ins Grab, in Erinnerung an
die Auferstehung.
oleier mal anders
Alternativ zu den aufwändig eingelegten
„klassischen Soleiern“ sind diese Soleier nicht
nur schneller zubereitet, sie sind schlichtweg
geschmacklich vielseitiger. In gemütlicher
Runde bedient sich jeder nach seinem
Geschmack mit verschiedenen Essig- und
Ölsorten sowie fischigem Appetitsild.
Und so geht´s:
Hartgekochtes Ei vorsichtig längs halbieren
Eigelb herausnehmen
Die Kuhle mit Balsamico-Essig
und Olivenöl füllen,
darauf die Eigelbhälfe
und wer mag, eine Sardelle, Sprotte
oder Lachs...
einfach köstlich – Guten Appetit!
roduktion
285 Eier legt die durchschnittliche Henne pro Jahr.
235 Eier verzehrt jeder Deutsche pro Jahr. Macht
19,3 Milliarden Eier, die über 45 Millionen Hühner
jährlich legen. Die meisten leben in Bodenhaltung
(63,1 Prozent), 18,2 Prozent im Freiland.
10,4 Prozent sind Bio-Hühner.
In Kleingruppenhaltung leben lediglich
8,3 Prozent.
Text: Matthias Dembski | Fotos & Retusche: Ulrike Rank
om Suchen & Ditschen
Die Tradition der Eiersuche für Kinder stammt aus dem
19. Jahrhundert. Im Süden Deutschlands kennt man
das Ditschen, das Gegeneinanderstoßen von zwei Eiern.
Wessen Ei dabei heile bleibt, der bekommt beide Eier.
Eierrollen, -werfen bzw. -fangen oder Eier ausblasen,
um sie zur Dekoration zu bemalen oder zu verzieren -
der sportlichen und künstlerischen Kreativität sind
zu Ostern keine Grenzen gesetzt.
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2018 15
Agathe, Berta, Carölchen, Dora, Emmi, Riekchen und
Gitte: Heute vor einem Jahr waren unsere sieben
Hühner noch namenloses Material der Lebensmittel-
industrie. Anonyme Teilchen einer Menge in einem
gigantischen Stall. Je neun Hühner auf einem Quadrat-
meter. Bodenhaltung. Tausende Tiere, eine wabernde
Masse. Nicht mal einen Ring mit einer Nummer hatten
sie. Es kommt nicht auf ein paar mehr oder weniger
an. Kranke oder tote Tiere werden herausgenommen
und entsorgt. Für alle Lebenden gibt es nur eine
einzige Aufgabe: Eier legen. Tag für Tag. Ostern ist
Hochsaison.
„In kürzester Zeit wie normale Hühner“
Nur wenige tausend haben nach ihrem 16-monatigen
Dasein als Legemaschinen noch die Chance auf ein
richtiges Hühnerleben. Tierschutzorganisationen wie
„Rettet das Huhn“ nehmen den Betrieben ausgediente
Hühner ab und vermitteln sie weiter. So auch unserer
sieben Hühner Agathe, Berta, Carölchen, Dora, Emmi,
Riekchen und Gitte. (Siehe Artikel auf Seite 10-11)
„Geschöpfe Gottes sind keine Sachen“
Massentierhaltung macht Geschöpfe Gottes zu neu-
tralen Sachen, die der Mensch benutzt und dann
einfach wegwirft. Wie brutal das ist, merkt man erst,
wenn man einige von diesen namenlosen Wegwerf-
artikeln kennenlernt und merkt, wie zauberhaft und
unterschiedlich sie sind: Agathe ist schüchtern, Berta
selbstbewusst, Carölchen zerstreut, Dora eifersüchtig,
Emmi quasselig, Riekchen pfiffig und Gitte divenhaft.
Sie haben alle ihre Eigenarten, sind Individuen und
liebenswert.
„Von rücksichtsloser Ausbeutungwar keine Rede“
Als Gott den Menschen in der Schöpfungsgeschichte
der Bibel den Garten Eden als Zuhause gab, stellte
er ihnen die Aufgabe, die Natur zu pflegen und zu
schützen. In der Schöpfungsgeschichte werden die
Worte „pflegen, hüten“, „bebauen“ und „bewahren“
gebraucht. Von rücksichtsloser Ausbeutung war da
nicht die Rede. Zu lange hat der enge und arrogante
Blick auf den Menschen als „Krone der Schöpfung“
den Blick auf die anderen fühlenden und leidenden
Geschöpfe versperrt, die von Gott den gleichen Leben-
satem eingehaucht bekamen wie die Menschen.
„Höchste Zeit, umzudenken“
Langsam aber sicher findet zum Glück ein Umdenken
statt. Es gibt inzwischen immer mehr Christinnen und
Christen, die die Tiere als Mitgeschöpfe mit in den
Blick nehmen. In Münster gibt es seit einiger Zeit das
weltweit erste „Institut für Theologische Zoologie“, das
Tiere als Mitgeschöpfe würdigt. Die Albert-Schweitzer-
Stiftung arbeitet seit Jahren an ganz konkreten Alter-
nativen zur Massentierhaltung. Ihr Impulsgeber, der
Theologe und Arzt Albert Schweitzer, war ein Men-
schen- und Tierfreund. Er hat geschrieben:
»Die Tiere sind unsere Brüder und Schwestern, die
großen wie die kleinen. Erst in dieser Erkenntnis gelan-
gen wir zum wahren Menschentum. Diese Bruderschaft
zwischen Mensch und Kreatur hat der heilige Franzis-
kus von Assisi (1182 bis 1226) erkannt. Aber die Men-
schen verstanden es nicht. Sie meinten, es sei Poesie. Es
ist aber die Wahrheit. Die Religion und die Philosophie
müssen es anerkennen.«
Ich finde auch, dass es dafür höchste Zeit ist. Nicht
jeder hat den Platz und die Zeit, um ein paar Hühner
im Garten zu halten. Das muss auch nicht sein. Aber
alle könnten sich die Mühe machen zu gucken und zu
prüfen, wie und von wem die Lebensmittel produziert
werden, die sie kaufen und essen. Ein paar Cent mehr
für ein Ei machen für die Henne, die es gelegt hat, den
Unterschied zwischen einem elendig qualvollen und
einem fast normalen Leben.
Für unsere Sieben ist jedenfalls aktuell keine Hochsai-
son mehr vor Ostern. Agathe, Berta, Carölchen, Dora,
Emmi, Riekchen und Gitte genießen fröhlich ihr neues
Leben. Und wir mit ihnen!
Pastorin Jeannette
Querfurth ist
Rundfunkbeauftragte
der Bremischen
Evangelischen Kirche
Der Beitrag zum Nachhören:
Foto: Ulrike Rank
xxx
Sieben neue Hühnerleben
14 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de
» Die Ehrfurcht vor dem Leben, zu der wir Menschen gelangen müssen,
begreift alles in sich, was als Liebe, Hingebung, Mitleiden, Mitfreude, Mitstreben in Betracht kommen kann.«
Albert SchweitzerArzt und Theologe (1875-1965)
16 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2018 17
Anzeige
Segel setzenEin Kursfür neue Aufbrüche Projekt Zehn
Angesichts der derzeitigen Gewalt der Bilder, Worte und Taten stellt der siebte
Kunststipendiat der Bremischen Evangelischen Kirche, Tom Gefken, eine grundlegen-
de Frage: Welche Gebote oder welche Gesetze setzen der Gewalt Grenzen – und was
bedeuten die Zehn Gebote überhaupt heute noch für uns?
„Projekt Zehn“ ist eine moderne Auseinandersetzung mit den Zehn Geboten der Bibel,
die der Künstler neben alternative, historische und moderne Texte der „Zehn Gebote“
stellt, die im Eingangsbereich der Ausstellung zu lesen sind – vom Philosophen
Bertrand Russell bis zu den Zehn Geboten für den sozialistischen Menschen von
Walter Ulbricht.
Tom Gefkens Ausstellung in der Kulturkirche St. Stephani lädt zu einem offenen
Dialog über unser Leben in unsicheren, immer komplizierteren Zeiten ein, in denen
Fake News und vermeintlich einfache Lösungen uns neue Wege versprechen. Tom
Gefken hinterfragt dagegen alle Antworten mit Absolutheitsanspruch: Wie ist es
überhaupt möglich, Gebote, Gesetze oder Rechte und ihre Systeme darzustellen, wenn
Gerechtigkeit oder etwas Ähnliches nicht darstellbar zu sein scheint?
Die Ausstellung zeigt die technische und künstlerische Vielfältigkeit des 1960 in
Bremen geborenen Künstlers. Zu sehen sind neben Malerei auch Objektkästen,
Wandinstallationen und Fotoarbeiten.
Projekt ZehnAusstellung von Tom Gefken
bis 24. Juni in der Kulturkirche St. Stephani
Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr
kulturkirche-bremen.de
Erfahrungen aus der Schule, Hobbies, vielleicht bereits
eine erste Ausbildung, ein Freiwilliges Soziales Jahr
oder ein Auslandsaufenthalt – Jugendliche haben
meist viele Talente, Fertigkeiten und vor allem kreative
Ideen – und doch fällt es ihnen manchmal schwer,
sich für das richtige Studienfach oder die richtige
Ausbildung zu entscheiden. Welcher Weg für die eige-
ne Zukunft richtig ist, ist gar nicht so einfach zu ent-
scheiden, wenn man gerade „im Hafen“ festliegt und
es so gar nicht weiterzugehen scheint. Deshalb: Segel
setzen – ein Aufbruch steht an!
Dabei hilft der Orientierungskurs „Segel setzen“
für Menschen zwischen 18 und 27 Jahren. Von
November bis Februar geht es 12 Wochen lang
von montags bis freitags ganztägig mit netten
Leuten um Handwerkszeug für‘s Zusammenleben,
Orientierung für die berufliche Zukunft und
das Thema „Sinn finden – sinnvoll leben“.
Angeboten werden unter anderem ein
Bewerbungstraining und Coaching zu Selbst- und
Projektmanagement. Unter fachkundiger Leitung geht
es außerdem um Themen wie interkulturelles Lernen,
Rituale und Strukturen im Alltag, Gender, Wohn- und
Lebensformen, Nachhaltigkeit und globales Lernen.
Drei der Seminarwochen finden in einem auswärtigen
Tagungshaus statt, ansonsten läuft das Programm
jeweils von Montag bis Freitag – außer in der
Weihnachtspause – im forum Kirche an der Hollerallee.
Die Kosten liegen bei circa 500 Euro inklusive der
Seminarwochen und täglichem Mittagessen.
Orientierungskurs Kontakt
Dieter Niermann und Kirsten Mittmann
Telefon 0421/346 15-10
WhatsApp 0421/63 95 213
Info-Abendeim forum Kirche, Hollerallee 75
Do, 24. Mai; Mo, 18. Juni und Do, 30. August,
jeweils 17 bis 18.30 Uhr
segelsetzen.infoFoto: Panthermedia/ Boris Zerwann
Ausstellung in der Kulturkiche
Montagmorgen um kurz nach halb neun steht bereits das zweite Spiel auf dem Tisch.
Kaum sind die Memory-Karten wieder eingepackt, haben die Kinder aus der Igel-
gruppe ein Zahlenpuzzle mit Tiermotiven ausgebreitet und sind eifrig dabei, die rich-
tigen Paare zusammenzufügen. Arbeitsalltag für Mara Jansen, die, dicht umlagert
von den Drei- bis Sechsjährigen, mitspielt, ihnen die Spielregeln erklärt und Fragen zu
den Tieren stellt. Die 28-Jährige ist Erzieherin in der Evangelischen Kita Arsten. „Hier
wird es nie langweilig, kein Tag ist wie der andere. Man muss einerseits gut planen,
gleichzeitig aber immer flexibel reagieren.“ Diese Herausforderung mag Mara Jansen.
„Ich wollte immer einen sozialen Beruf, bei dem ich in engem Kontakt mit Menschen
bin und kreativ arbeiten kann. Ich singe gerne, mache gerne mit den Kindern Spa-
ziergänge durch die Natur – das kann ich hier einbringen.“ Nach dem Abi studierte
sie eine zeitlang verschiedene Fächer, entschied sich dann aber für eine dreijährige
Ausbildung zur Erzieherin. „Da kann man sein Wissen anwenden und lernt direkt für
die Praxis.“ Nach ihren ersten Berufsjahren steht für Mara Jansen fest: „Ich mache
genau das, was ich immer machen wollte. Vor allen freut mich, das ich hier mit einem
Team in einer Kita arbeite, in der neue Impulse willkommen sind.“
Kirche ist ein fortbildungsfreundlicher Arbeitgeber
An ihrer Arbeit schätzt Mara Jansen vor allem die Möglichkeit, sich fortzubilden: „Die
Bremische Evangelische Kirche (BEK) hat ein umfangreiches Fortbildungsangebot,
und ich bekomme viel Unterstützung, mich auch extern weiter zu qualifizieren. Das ist
hier allen wichtig, weil alle davon profitieren.“ Gegenwärtig bildet sich die Erzieherin
zur Sprachförderkraft fort, privat qualifiziert sie sich als Reittherapeutin. „Im August
nehme ich am religionspädagogischen Grundkurs teil, später am Aufbaukurs.“ Neben-
effekt: Mit abgeschlossenem Aufbaukurs bekommen Erzieherinnen bei der BEK nach
sechs Jahren zwischen 130 und 300 Euro brutto mehr im Monat.
Politik muss für eine bessere Bezahlung sorgen
„Das direkte Feedback von den Kindern und das Lob, das wir von vielen Eltern bekom-
men, gehören zu den schönen Seiten dieses Berufs“, sagt Mara Jansen. „Wenn die
Kinder glücklich sind und gerne in die Kita kommen, hilft einem das auch durch
anstrengende Zeiten wie kürzlich die Grippewelle.“ Trotzdem wünscht sie sich bessere
Rahmenbedingungen für die frühkindliche Bildung. „Da ist die Politik gefragt, den
Personalschlüssel zu verbessern, damit wir zum Beispiel öfter in Kleingruppen arbei-
ten und Kinder besser fördern können.“ Denn die Anforderungen, zum Beispiel durch
den Rahmenbildungsplan, steigen. Demnächst soll auch noch ein 21. Kind in jede
Gruppe – ohne zusätzliches Personal. Auch Eltern erwarten von Kitas immer mehr.
„Für das, was wir leisten wollen und müssen, passt die Bezahlung nicht. Auch für uns
steigen die Mieten und Lebenshaltungskosten, gerade in der Stadt.“ Zwar arbeiteten
Pädagoginnen zu allererst aus Leidenschaft. „Doch wenn die Erwartungen an die
Kitas im Bereich frühkindlicher Bildung immer weiter steigen und sich mehr junge
Leute für diesen tollen Beruf entscheiden sollen, führt kein Weg an einer besseren
Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher vorbei. Das gehört zur Wertschätzung für
einen Beruf, den ich gegen keinen anderen eintauschen würde.“
Text: Matthias Dembski | Fotos: Matthias Dembski/Landesverband
Beruf Erzieher/in
Ausbildung: Dreijährige Fachschulausbildung (in der Neustadt, in Blumenthal
oder am privaten Fachschulen)
Voraussetzung: Abitur oder vorangehende Ausbildung als Sozialassisten/in
Bezahlung: vom dritten (praktischen) Ausbildungsjahr an 1.528 Euro,
Alternative: dreijährige Praxisintegrierte Ausbildung (PiA) mit
Bezahlung in Höhe von 936 bis 1.040 Euro,
späteres Bruttogehalt zwischen 2.578 und 3.593 Euro
Fortbildungsmöglichkeiten:mindestens fünf Fortbildungstage pro Jahr,
eigenes Fortbildungsangebot der
Bremischen Evangelischen Kirche und starke
finanzielle Unterstützung, beispielsweise für ein
Weiterbildungsstudium, um zur Kita-Leitung aufzusteigen
18 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2018 19
Mara Jansen in der Igelgruppe
Anzeigen
Kontakt:Telefon 0421/346 16-0
Stellenausschreibungen, Infos zum Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder
und allen evangelischen Kitas und Krippen in Bremen:
kirche-bremen.de
Offene Stellen in Evangelischen Kitas
Mehr als ein Job Mara Jansen ist Erzieherin in einer evangelischen Kita
www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2018 2120 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de
Selbst im Koma keine Hilfe
Die Finanzierung der Schuldnerberatung ist in Bremen Glückssache
Schritt für Schritt raus aus den Schulden
Als Jens T.* seinen Ratenkreditvertrag über 10.000
Euro abschloss, hatte er noch seinen Job bei einem
Sicherheitsdienst. Zusätzlich jobbte er auf 400 Euro-
Basis als Werbeausträger. Dann kam der Schlaganfall,
mit gerade mal 47 Jahren – ein Schicksalsschlag, auch
für seine Frau und seine Tochter, die noch zur Schule
geht.
„Ich bin vor Sorgen nicht in den Schlaf gekommen und
wusste nicht, wie es weitergehen sollte“, erzählt seine
Frau Nadja. „Wann und wieweit Jens wieder auf die
Beine kommt, ist bis heute unklar. Mittlerweile liegt
er im Wachkoma, weil sein Gehirn teilweise die Arbeit
eingestellt hat. Dazu kommen seine verdammten
Schulden.“ Immer wieder Zahlungsaufforderungen: „Ich
bekomme nur eine geringe Erwerbsunfähigkeitsrente
und bin froh, dass ich Miete, Strom, Essen und die
Schulsachen für mein Kind zahlen kann. Für Kreditraten
habe ich keinen Puffer.“
„Bei uns ist nichts zu holen“
Jens T. ist überschuldet, auch wenn das für den
Wachkomapatienten augenblicklich das kleinste
Problem ist. „Ich drehe oft am Rad. Permanent bekom-
men wir Drohbriefe von der Bank oder Post vom
Gerichtsvollzieher. Dabei habe ich denen klar gesagt,
dass bei uns nichts zu holen ist. Die Bank hat sogar eine
Betrugsanzeige gegen meinen kranken Mann gestellt.“
Nadja T. entscheidet sich, zur Schuldnerberatung zu
gehen – stellvertretend für ihren Mann, dessen recht-
liche Betreuerin sie inzwischen ist. „Jens muss erstmal
gesund werden. Mit seinem Schuldenproblem können
wir aber bis dahin nicht warten, deshalb möchte ich
es jetzt klären.“ Eine Schuldnerberaterin vom Verein für
Innere Mission übernimmt den Fall. Sie schaut sich die
Unterlagen zu den Forderungen durch, nimmt Kontakt
mit der Bank auf und stellt beim Amt für Soziale
Dienste einen Antrag auf Kostenübernahme. Denn
Schuldnerberatung ist nicht kostenlos, auch der Verein
für Innere Mission muss seine Mitarbeitenden, die
Büromiete und vieles mehr bezahlen. „Natürlich kön-
nen nicht unsere Klienten die Beratungskosten zahlen.
Denn sie haben ja Schulden, also kein Geld.“, erläutert
die Beraterin. Deshalb müssen das Jobcenter oder das
Amt für Soziale Dienste ran. So auch im Fall von Jens T.
„Wie ein Schlag in die Magengrube“
Im Februar 2016 kommt dann ein Brief in Bürokra-
tendeutsch, der Nadja T. bis ins Mark trifft: „Ihrem Antrag
auf Übernahme der Kosten für die Schuldnerberatung
wird nicht entsprochen.“ Die Begründung: „Herr T.
befindet sich in einer neurologischen Rehaeinrichtung.
Eine Entlassung ist nicht absehbar.“ Noch heute ist
Nadja T. fassungslos: „Das war wie ein Schlag in die
Magengrube, weil das im Klartext heißt: Ihr Mann
bleibt ein Dauerpflegefall und es lohnt sich nicht mehr,
dass wir etwas für ihn tun. Wahrscheinlich denken die,
mein Mann stirbt sowieso bald.“ Im Behördendeutsch
liest sich das so: „Eine Überwindung der Lebenslage
von Herrn T. ist nicht zu erwarten.“
Seit einem Jahr keine Antwort
Nadja T. legt Widerspruch ein. Der Verein für Innere
Mission unterstützt sie weiterhin kostenlos. „Mittler-
weile begleiten wir das Insolvenzverfahren, das
im Februar 2016 eröffnet wurde. Wenn alles glatt
läuft, ist Herr T. im Jahr 2022 schuldenfrei, weil
er dann die Restschuldbefreiung bekommt“, so die
Schuldnerberaterin. Auf den Beratungskosten bleibt
der Verein für Innere Mission weiter sitzen. Bis heute
hat das Amt für Soziale Dienste den Widerspruch von
Nadja T. nicht bearbeitet.
Recht auf Schuldnerberatung für alle
„Leider sind Beratungen ohne Kostenübernahme bei
uns kein Einzelfall“, klagt Beratungsstellenleiterin
Petra Wulf-Lengner. „Mal ist jemand zu dick und
hat angeblich keine Chance am Arbeitsmarkt,
mal zu krank und es lohnt sich nicht mehr, seine
Schulden zu regeln.“ In anderen Bundesländern
bekommen Schuldnerberatungsstellen feste Zuschüsse.
Bremen gehört zu den wenigen Ländern, wo eine
Kostenübernahme beim JobCenter oder beim Amt
für Soziale Dienste beantragt werden muss. Beide
treffen Einzelfallentscheidungen. Das Jobcenter
zahlt nicht, wenn die Betroffenen „dem Arbeitsmarkt
nicht zur Verfügung stehen“ oder „vorrangig andere
Vermittlungshemmnisse“ (etwa Wohnungslosigkeit,
Sucht) beseitigt werden müssen. „Wir wünschen uns
ein Umdenken, denn kein Berater im Jobcenter sollte
sich anmaßen zu entscheiden, welches Problem am
dringendsten ist: Schulden, Sucht, Krankheit oder
Wohnungslosigkeit“, meint Petra Wulf-Lengner. „Wer
sein Schuldenproblem anpacken will, sollte in jedem
Fall die Beratung bezahlt bekommen – unabhängig
von der Lebenssituation.“ So wie Jens T., dessen
Insolvenzverfahren die Innere Mission seit mehr als zwei
Jahren ohne Kostenerstattung begleitet. „Vielleicht
kommt ja doch irgendwann eine Antwort vom Amt für
Soziale Dienste auf meinen Widerspruch“, hofft seine
Frau Nadja noch immer. „Für eine Untätigkeitsklage,
zu der mir die Schuldnerberaterin rät, fehlt mir einfach
die Kraft.“
(* alle Namen der Betroffenen von der Redaktion geändert)
Text: Matthias Dembski | Foto: Panthermedia
Die Schulden sind erdrückend, Rechnungen
können nicht mehr bezahlt werden: Der Schuld-
ner geht zur Schuldnerberatung. Wichtig: Alle
Unterlagen zu Krediten, Mahnungen, Inkasso-
Verfahren sowie Vollstreckungs- und Bußgeld-
bescheide mitbringen!
Die Schuldnerberatung erstellt ein Gläubiger-
verzeichnis mit allen Forderungen und prüft:
Sind sie berechtigt, was ist verjährt? Kann
der Schuldner zum Beispiel Sozialleistungen
beantragen? Lassen sich Ausgaben vermeiden?
Die Schuldnerberatung versucht, mit den
Gläubigern eine außergerichtliche Einigung zu
erreichen: Kommen sie dem Schuldner entge-
gen, lassen sie sich auf Zahlung in niedrigen
Raten ein?
Können Schulden nicht einmal in Raten zurück-
gezahlt werden, bietet die Schuldnerberatung
Gläubigern einen „Flexiblen Null-Plan“ an. Ge-
zahlt wird erst dann, wenn genug Einnahmen
da sind. Diesem Plan müssen alle Gläubiger
zustimmen.
Der Schuldner entscheidet selbst, ob er ein
„Privat-Insolvenzverfahren“ beantragt.
Das Gericht stellt einen „Schuldenbereini-
gungsplan“ auf und bestimmt die Regeln für
den Schuldner. Das geht, auch wenn nicht alle
Gläubiger zustimmen.
Sechs Jahre lang muss der Schuldner alles an
seine Gläubiger abgeben, was geht. Die Frei-
grenze liegt für Singles bei 1139 Euro. Danach
ist er schuldenfrei, egal, wie viel er insgesamt
von seinen Schulden zurückzahlen konnte.
1. Schuldnerberatung 2. Überblick verschaffen 3. Verhandeln 4. Der flexible Null-Plan 5. Ohne Einigung vor Gericht 6. Schuldenfrei
Mehr zum Thema Schulden auf S.22-23
22 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de
FAQ: SchuldenWas bedeutet „Überschuldung“?
Wer nicht mehr flüssig ist, laufend Rechnungen plat-
zen lässt und kein Geld hat, um seinen Verpflichtun-
gen nachzukommen, ist überschuldet.
Was tun, wenn Schulden drücken?
Möglichst frühzeitig Hilfe bei einer Schuldnerbera-
tungsstelle holen. Je länger man wartet, desto höher
wächst der Schuldenberg und desto schwieriger sind
die Probleme zu lösen.
Haften Angehörige gegenseitig?
In der Regel müssen Partner, Geschwister oder Kin-
der nicht für Schulden gerade stehen, es sei denn, sie
haben mit unterschrieben oder füreinander gebürgt.
Wer bezahlt die Beratung?
Wer arbeiten kann und mit mindestens 2.500 Euro in
der Kreide steht, stellt einen Antrag beim JobCenter.
Wer von Sozialhilfe oder anderen Unterstützungen
lebt, wendet sich an das Amt für Soziale Dienste. Bei-
de prüfen zunächst, ob sie die Kosten übernehmen.
Wie arbeitet die Beratungsstelle?
Vertraulichkeit und Datenschutz sind selbstverständ-
lich. Die Beratungsstelle steht an der Seite des Schuld-
ners, verhandelt zunächst außergerichtlich mit den
Gläubigern und versucht, für verschuldete Menschen
eine tragbare Lösung zu erreichen. Sie stimmt alle
Schritte mit dem Ratsuchenden ab und begleitet ihn
auch durch ein Insolvenzverfahren.
Was bleibt zum Leben?
Alles, was ein Mensch zum Leben braucht, soll ihm
auch bei einer Insolvenz bleiben. Dafür sorgt die Pfän-
dungsgrenze. Die liegt bei Singles bei 1.140 Euro, ei-
ner vierköpfigen Familie stehen pfändungsfrei 2279
Euro zu. Wichtig: Pfändungsschutz-Konto bei der Bank
einrichten. Allerdings sind drei Viertel der Schuldner
so arm, dass bei ihnen nichts gepfändet werden kann.
Droht bei Schulden Gefängnis?
Nur bei Straftaten im Zusammenhang mit Schulden
wie etwa Betrug oder bei nicht bezahlten Strafschul-
den, etwa wegen Schwarzfahren, droht Knast.
Anzeigen
Überschuldete Haushaltein Bremen
www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2018 23
Schulden haben, heißt...... Angst zu haben, die Wohnung durch Zwangsräumung zu verlieren
... keinen Strom, kein Telefon, Internet oder Handy mehr zu haben
... negative Schufa-Einträge zu bekommen und die
Kreditwürdigkeit zu verlieren
... sich ständig mit Mahnungen und
Vollstreckungsbescheiden herumzuschlagen
... Gehaltspfändung beim Arbeitgeber,
was auch Stress am Arbeitsplatz bedeutet
... schnell den Job zu verlieren, weil Geld für Sprit
oder Monatskarte fehlt
... Stress und psychischer Druck durch Existenzängste
... Krankheiten und Suchtprobleme,
vor allem Depressionen und fehlender Antrieb
... Konflikte in Partnerschaft und Familie
... Einsamkeit, weil soziale Kontakte verloren gehen
... keine Lebensqualität mehr zu haben
Schuldnerberatung desVereins für Innere Mission
Am Brill 2-4
Telefon 0421/349 67-0
Spenden
Verein für Innere Mission in Bremen
Sparkasse Bremen
IBAN: DE22 2905 0101 0001 0777 00
inneremission-bremen.de
Warum verschuldet?
24 bremer kirchenzeitung März 2018 · www.kirche-bremen.de
Ruhig erklärt Airbus-Ingenieur Gerd Urban (64) einen Programmierschritt nach dem
anderen. Nebenan in der kleinen Werkstatt in der Bremer Neustadt ist sein Kollege
Heinrich Fischer (63) gerade dabei, mit den Jugendlichen aus Afghanistan, Syrien
und Somalia Platinen zu bestücken und die fertigen Module zu prüfen. Die beiden
Ingenieure sind Ausbilder und zugleich väterliche Coaches für die jugendlichen
Flüchtlinge. „Wenn man sieht, wie engagiert die beiden dabei sind, die jugendli-
chen Flüchtlinge auf eine Ausbildung vorzubereiten, sind sie echte ‚Stille Helden‘
für uns“, meint Pastor Hans-Günther Sanders, Integrationslotse in dem Bildungspro-
jekt von Airbus, Schulzentrum an der Delmestraße und SOS-Kinderdorfzentrum. Die
jungen Flüchtlinge lernen von den Ingenieuren, mit Lego-Technik Roboter zu bauen
und dafür die Platinen zu löten und zu programmieren. „Wir empfehlen Gerd Urban
und Heinrich Fischer als ‚Stille Helden‘, weil sie den Jugendlichen nahe bringen, was
Deutschland ausmacht: Industrie, technisches Know-how auf hohem Niveau, Arbeit
und Lernen“, sagt Integrationslotse George Okoro, Pastor der afrikanischen Gemeinde
Living Word Ministries in der Neustadt. „Dass dieses Projekt überhaupt so an den
Start gehen konnte, verdanken wir Gerd Urban, der uns als Betriebsrat bei Airbus
ermöglicht hat, auf der Betriebsversammlung zu sprechen und um Unterstützung für
die Jugendlichen zu werben.“
Seitdem ist das Unternehmen beim Bildungsprojekt vom Schulzentrum an der Delme-
straße und dem SOS-Kinderdorf mit im Boot und unterstützt personell, mit Know how
und Material. „Gerd Urban hat die Lehrpläne entwickelt, und durch ihn erfahren die
jugendlichen Flüchtlinge eine ungeheure Wertschätzung, weil sie ernst genommen
werden. Zwei der jungen Männer haben sogar schon ein Praktikum beim Deutschen
Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz machen können. Eine „väterliche Bezie-
hung“ sei zwischen den jungen Männern und den Airbus-Ingenieuren entstanden,
lobt George Okoro: „Wie wichtig Pünktlichkeit, Disziplin, exaktes Arbeiten, Schule und
Ausbildung sind, lernen sie hier tagtäglich. Gerd Urban arbeitet gemeinsam mit allen
anderen Beteiligten dafür, dass sie sich nicht hängen lassen, sondern ihre Zukunft
selber anpacken. Respekt – was die beiden Ingenieure im Hintergrund über das Netz-
werk von Airbus möglich machen, ist einfach toll. Sie haben ihr Herz aufschließen
lassen und wollen, dass diese Jungs vorankommen.“
Gerd Urban und Heinrich FischerAirbus-Ingenieure qualifizieren junge Flüchtlinge
Flüchtlings-BildungsprojektInformieren & unterstützenPastor Hans-Günter Sanders
Telefon 0421/59 712-0 (SOS Kinderdorfzentrum)
sos-kinderdorf-bremen.de
Die Airbus-Ingenieure Gerd Urban (4. von links) und Heinrich Fischer (6. von links)
mit den Integrationslotsen und Teilnehmern des Robotik-Projekts für junge Flüchtlinge.