Brady Udall Der einsame Polygamist · 2018-10-07 · 8 ahJre) Louise (Tochter Nr. 11, »Das...

Brady Udall

Der einsame Polygamist

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Brady Udall


Ro man

Ins Deutsche übertragen von Rainer Schmidt


Brady Udall


Ro man

Ins Deutsche übertragen von Rainer Schmidt


Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel»The Lonely Polygamist« bei W. W. Norton & Company, Inc., New York.

Textnachweise»Disco Inferno« geschrieben von Leroy Green und Tyrone Kersey. Erschienen

bei State One Music America, o/b/o FSMGI, & Mercy Kersey Music.Auszug aus »Fall 1961« aus Collected Poems von Robert Lowell. Copyright © 2003 by Harriet Lowell und Sheridan Lowell. Gedruckt mit freundlicher

Genehmigung von Farrar, Straus, Giroux, LLC.

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Ver lags grup pe Ran dom House FSC-DEU-0100Das für die ses Buch ver wen dete FSC®-zer tifi zier te Pa pier

EOS liefert Salzer Papier, St. Pölten, Austria.

1. AuflageCopyright © der Originalausgabe by Brady Udall 2010

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: FinePicSatz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in Germany

ISBN 978-3-442-31134-7

www.goldmann-verlag.de


IN GE DEN KEN AN

CAROL HOU CK SMITH

1923–2008

Und für mei ne Ge schwis ter,

jede und je den Ein zel nen von ih nen

TRAVIS

SYMO NIE

CORD

BOO MER

CA MIE

LINDY

BRIG HAM

KEE GAN



Ver zeich nis der Per so nenDie Fa mi lie Ri chards

GOL DEN RI CHARDS (Va ter, 45 Jah re)

BE VERLY RI CHARDS(Mut ter Nr. 1, 48 Jah re)

Em (Toch ter Nr. 1, 17 Jah re)Ne phi (Sohn Nr. 1, 16 Jah re)Jo sep hine (Toch ter Nr. 2, Ers ter

Zwil ling Nr. 1, 14 Jah re)Na omi (Toch ter Nr. 3, Ers ter

Zwil ling Nr. 2, 14 Jah re)Par ley (Sohn Nr. 3, 13 Jah re)Al vin (Sohn Nr. 4, 11 Jah re)Glory (Toch ter Nr. 9, ver stor ben)Mar tin (Sohn Nr. 10, Sto oge Nr. 1,

8 Jah re)Lou ise (Toch ter Nr. 11, »Das

Glubsch au ge«, 6 Jah re)Sar iah (Toch ter Nr. 14, 4 Jah re)

ROSE-OF-SHARON RI CHARDS

(Mut ter Nr. 3, 40 Jah re)

Pau li ne (Toch ter Nr. 4, 14 Jah re)Gale (Toch ter Nr. 8, 12 Jah re)Ru sty (Sohn Nr. 5, »Der Fa mi li en

ter ro rist«, 11 Jah re)Her schel (Sohn Nr. 7,

»Der Schlei mer«, 9 Jah re)Wayne (Sohn Nr. 9, Sto oge Nr. 2,

8 Jah re)Fig New ton (Toch ter Nr. 12, 6 Jah re)Fer ris (Sohn Nr. 12, »Der Flit zer«,

4 Jah re)

TRISH RI CHARDS(Mut ter Nr. 4, 27 Jah re)

Faye (Toch ter Nr. 10, »Die Un heim li che«, 7 Jah re)

NOLA RI CHARDS(Mut ter Nr. 2, 43 Jah re)

Hel aman (Sohn Nr. 2, 15 Jah re)Nov el la (Toch ter Nr. 5, 13 Jah re)Sy bil (Toch ter Nr. 6, Zwei ter

Zwil ling Nr. 1, 12 Jah re)Dee an ne (Toch ter Nr. 7, Zwei ter

Zwil ling Nr. 2, 12 Jah re)Clif ton (Sohn Nr. 6, 10 Jah re)Boo (Sohn Nr. 8, Sto oge Nr. 3,

8 Jah re)Tea gue (Sohn Nr. 11, 7 Jah re)Dar ling (Toch ter Nr. 13,

»Die Fa mi li en heul su se«, 5 Jah re)Jame-o (Sohn Nr. 13, 4 Jah re)Pet (Toch ter Nr. 15, 3 Jah re)



Our end drifts nearer, the moon lifts,

radiant with terror.The state

is a diver under a glass bell.

A father’s no shieldfor his child.

Unser Ende weht heran,Der Mond steigt auf,

Strahlend vor Grauen.Der Zustand

der eines Tauchers unter einer Glasglocke.

Ein Vater ist kein SchildFür sein Kind.

RO BERT LO WELL, »Fall 1961«



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Ein Abend in der Fa mi lie

Um es ganz ein fach zu sa gen: Dies ist die Ge schich te ei nes Po-ly ga mis ten, der eine Af fä re hat. Aber na tür lich steckt da mehr da hin ter; das Le ben je des Po ly ga mis ten, selbst wenn es nicht durch Lü gen und Ge heim nis se und Un treue komp li ziert wird, ist al les an de re als ein fach. Man neh me zum Bei spiel den Frei-tag abend zu An fang des Früh lings, als Gol den Ri chards ins Gro ße Haus zu rück kehr te – eins der drei Häu ser, die er sein Zu hau se nann te –, nach dem er be rufl ich eine Wo che fort ge-we sen war. Es hät te eine über aus rei zen de, er bau li che häus li che Sze ne da raus wer den müs sen: Ein Va ter kehrt in die lie be vol le Ob hut sei ner Frau en und Kin der zu rück. Aber was in die sem Haus gleich ge sche hen wür de, da rü ber war sich Gol den durch-aus im Kla ren, als er in den lan gen Kies weg ein bog, wäre nicht im Ent fern tes ten er bau lich oder rei zend.

Das Haus war be leuch tet wie ein Zir kus zelt – gel bes Licht brann te in je dem der zwei Dut zend Fens ter –, und der Lärm, der von in nen he raus drang, war lau ter als je zu vor: ein grö len-des Ge tö se, das hin und wie der in in di vi du el les Ge schrei und Ge joh le und Ge stamp fe zer fiel, be vor es sich wie der zu ei nem an schwel len den Heu len zu sam men füg te, das die Haus tür an den An geln rüt teln und die Fens ter vib rie ren ließ. Das hier hat-te Gol den so seit Jah ren nicht mehr ge hört, aber er wuss te ge-nau, was es war. Es klang nach Vor wür fen und Cha os. Es klang nach Schwie rig kei ten.

»Mist«, sag te Gol den.


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Ob wohl er ge ra de über zwei hun dert Mei len weit ge fah ren war, ohne ei nen ein zi gen Bo xen stopp ein zu le gen, war es nicht leicht, sich jetzt dazu zu über re den, die Zün dung ab zu stel len und das Lenk rad los zu las sen. Erst ein Harn drang, der an see-li sche Fol ter grenz te, zwang ihn, sei ne lan ge Ge stalt aus dem Auto zu stem men. Rat los stand er zwi schen den ab ge stor be nen Stock ro sen, die Haa re vol ler Sä ge mehl, und rieb sich blin zelnd mit bei den Hän den das schmer zen de Hin ter teil. Er war ein gro-ßer, breit schult ri ger Mann mit knub be li gen Hän den und ei nem leich ten Über biss, den er zu ver ber gen such te, in dem er die Lip-pen spitz te wie ei ner, der pfei fen woll te. Auch jetzt spitz te er die Lip pen und ließ den Blick über den Vor gar ten wan dern, der im wäss ri gen Mond licht den An blick ei nes kürz lich ver las-se nen Schlacht felds bot: Hand schu he, Schals und Spring sei le hin gen in den Sträu chern, Par kas, zer bro che nes Spiel zeug und der Him mel wuss te, was noch al les, lag ver streut bis hi nauf zur Stra ße, wie von ei ner zu rück wei chen den Flut wel le hin ter las sen. Auf dem Pro pan tank stand in blau er Krei de das Wort PO PEL.

»Nett«, sag te Gol den. »Sieh mal an.«Nicht nur dass sei ne Bla se je den Au gen blick plat zen wür de,

auch sein stei fes Bein war auf der Heim fahrt ein ge schla fen. Als er über den Ra sen ge hen und die Vor der trep pe hi nauf stei gen woll te, war es, als sei er von ei ner plötz li chen Läh mung be fal-len. Das Bein gab nach und knick te ein, als er über den Ra sen und die Trep pe hi naufhopp elte, gri mas sie rend auf dem gu ten Bein schlin ger te, um das Gleich ge wicht nicht zu ver lie ren, und un ter wegs über die Spiel sa chen stol per te. Blind lings muss te er nach dem Ge län der grei fen, um nicht seit wärts von der Ve ran-da zu fal len. Er hum pel te auf die Tür zu, und ein un heil vol les Ge fühl leg te sich in sei nen Na cken. Das Bein krib bel te schmerz-haft, und er spür te den Lärm aus dem Haus im Vib rie ren der Bo den die len un ter sei nen Fü ßen.

Ein hand ge schrie be nes Schild ne ben der Tür be fahl:


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FÜS SE AB WI SCHEN

und Gol den scheu er te ge hor sam die Schuh soh len an der Gum-mi mat te. Um sich zu mo ti vie ren, at me te er ein paar Mal tief durch die Nase und leg te die Hand auf den Tür knauf, aber ge nug Wil lens kraft, um ihn zu dre hen, brach te er dann doch nicht auf.

Es gab kein Ver tun: Er hat te Angst. Angst da vor, dass die Wahr heit schließ lich ent deckt und er als hin ter häl ti ger Lüg ner und Be trü ger ent larvt wor den war. Was für ein An blick: ein Mann, der Angst hat te, sein ei ge nes Haus zu be tre ten.

Nach dem er das Hemd mit dem Dau men in den Ho sen bund ge stopft, sich ein biss chen Sä ge mehl aus dem Haar ge klopft, ein Atem frisch pfef fer minz aus der Hemd ta sche ge wühlt und zwei Stö ße Af rin-Spray in die Na sen lö cher ge sprüht hat te, fühl te er sich ein biss chen si che rer. Wie der leg te er die Hand auf den Tür-knopf und schloss die Au gen.

»Komm schon«, flüs ter te er. »Na los, du Angst ha se.«Er nahm sich zu sam men, als wol le er in ei nen eis kal ten Teich

sprin gen, und stieß die Tür auf. Eine Hit ze wel le schlug ihm ent ge gen. Im Haus war es heiß wie in ei ner Bä cke rei. Der ge-flies te Ein gangs flur lag halb dun kel und ver las sen da, und ein schwe rer, zuck ri ger Duft aus dem Back ofen – hof fent lich war es Bever lys ge stürz ter A na nas ku chen – ließ das Was ser in sei nem Mund zu sam men lau fen. Ver stoh len mach te er ei nen Schritt, roll te den Fuß von der Fer se bis zu den Ze hen ab, dann noch ein mal, und dann blieb er ste hen und lausch te. Über den lau-ten Stim men und stamp fen den Fü ßen hör te er das Ra dio und das Glu ckern des Was sers in den Lei tun gen über ihm. Nor-ma ler wei se hät te eine Hor de Kin der an der Tür ge war tet; alle hät ten durch ei nan der ge schrien und an sei nen Klei dern ge zerrt und nach ih ren Mit bring seln ge fragt. Die Klei nen hät ten auf dem Kopf ge stan den oder ei nen neu en Blut er guss oder eine ver-krus te te Wun de vor ge zeigt – Guck mal! Guck mal! –, und die


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Frau en hät ten im Hin ter grund auf die Ge le gen heit ge war tet, ihn in Be schlag zu neh men, jede ein zel ne ein grel ler Schein wer-fer, der An for de run gen und Be dürf nis se aus strahl te.

Aber zum ers ten Mal, so weit er sich er in nern konn te, war nie mand da, um ihn zu be grü ßen. Er war ganz al lein, und das be un ru hig te ihn.

Er lausch te und ver such te zu er spü ren, was ihn er war te te. Eine Tür wur de zu ge schla gen. Ge dämpf te Stim men hall ten die Trep pe he run ter. Er zwang sich, ei nen Schritt vor wärts zu tun, aus dem dunk len Flur ins hel le Wohn zim mer zu tre ten, aber im mer wie der mal te er sich aus, wie er wie der zur Tür hin aus-schlüpf te, sich ver drück te wie ein Ein bre cher, viel leicht wie der auf den High way hi naus fuhr und ein Zim mer im Apa che Ac-res Mo tor Inn nahm, um dort lan ge und aus gie big zu pin keln, zu Hau se an zu ru fen und et was von ei ner Au to pan ne zu er zäh-len und sich dann aus dem 24-Stun den-Im biss ein gu tes Land-haus-Steak kom men zu las sen und im Farb fern se her Star sky and Hut ch an zu se hen – aber sei ne klei ne Fan ta sie war nicht von Dau er, denn in die sem Au gen blick grif fen die Kin der an.

Je mand schrie: »Tö tet den Zom bie!«, und er wur de von hin-ten am Gür tel und von bei den Sei ten bei den Wa den ge packt. Sie ka men hin ter den So fas her vor und die Trep pe he run ter, zehn, zwölf Kin der, die ihn mit ih ren klei nen Köp fen ramm ten, sei ne Bei ne um klam mer ten, die Fin ger in die Ta schen sei ner Jeans krall ten und ver such ten, ihn zu Bo den zu zie hen. Her-schel, Fig New ton, Fer ris, Dar ling, Jame-o, Lou ise, Tea gue. Da wa ren die zwei ten Zwil lin ge, Sy bil und Dee an ne. Und die Drei Stoo ges, die jauchz ten wie Ma riac his. Alle wa ren sie ver-schwitzt und wild, und ei nen Mo ment lang fühl te es sich an, als wür den sie ihn mit ih rem blo ßen Ge wicht in Stü cke rei ßen.

An ei nem an de ren Abend hät te Gol den viel leicht mit ge spielt, er hät te ge stöhnt wie die Mu mie aus ei nem Zei chen trick film und in der ge spiel ten Wut ei nes Un to ten mit den Ar men ge-ru dert, wäre mit ih nen auf den Wohn zim mer tep pich ge fal len,


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hät te mit ih nen ge run gen, sie ge kit zelt und ge küsst – aber nicht heu te Abend. Nicht heu te. Er drück te die Knie durch, mach te sich steif und hoff te, den Über fall ein fach durch zu ste hen, aber sie lie ßen nicht lo cker, kreisch ten vor La chen und sporn ten sich ge gen sei tig an. Der elf jäh ri ge Ru sty, den sei ne Mut ter »stäm-mig« nann te und der für sol che Spä ße all mäh lich zu alt war, schlüpf te aus sei nem Ver steck hin ter dem Vor hang und sprang vom Kla vier sitz auf Gol dens Rü cken, wo durch er den gan zen Hau fen fast zum Ein stür zen brach te.

»Gut jetzt«, grunzte Gol den. »Wir wol len doch ver su chen, es nicht zu über trei ben!« Ein Sa mu rai schwert aus Plas tik schlug klat schend ge gen sei ne Schien bei ne, und er hat te den Ein druck, als wol le ihm ge ra de je mand ein Stück aus sei ner Knie schei be bei ßen.

An fangs leis te te er kei nen Wi der stand und tat kaum mehr, als da zu ste hen und sei ne Stra fe in Emp fang zu neh men. Aber dann tat Tea gue, der seit ei ner Wei le bei je der sich bie ten den Ge le-gen heit ver such te, Gol den in die Weich tei le zu schla gen, ge nau die ses, und Gol den ent schied, er habe jetzt ge nug. Er schüt tel te Rus ty ab und be gann, sie von sich ab zu schä len, ein Kind nach dem an dern. Meh re re wehr ten sich, weil sie dach ten, es sei im-mer noch ein Spiel. Zwei oder drei hin gen noch an sei nen Bei-nen, und je mand war an sei nem Rü cken he rauf ge klet tert und klam mer te sich an sei nen Hemd kra gen. Pet, ihr sil ber-rosa Haar zu Zöp fen ge floch ten, stand auf den Ze hen spit zen, um schlang in brüns tig sei ne Tail le und quetsch te da bei sei ne Nie ren.

»Okay, hey, pass auf, Vor sicht jetzt.« Gol den hob Pet zur Sei te, und ein paar an de re spran gen he ran, um ih ren Platz ein-zu neh men. »Das reicht – oh, au! Hey, ha, jetzt ist es ge nug da. Stopp. Jun ge, Jun ge. Autsch! Run ter hier! So fort!«

Sie wi chen zu rück und blin zel ten, und ihre Un ter kie fer hin-gen über rascht he run ter. Fig New ton war so ver dat tert, dass ihr die Trä nen aus den Au gen lie fen, als habe je mand sie ge schla-gen. Nur Lou ise, die halb taub war und nur sel ten ihr Hör-


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gerät trug, nag te wei ter an Gol dens Stie fel und knurr te da bei wie ein Hund.

»Okay, Leu te«, schnarr te Gol den und zog sei ne Hose wie-der in ihre ur sprüng li che Po si ti on. Er schüt tel te Lou ise ab und zog Fig New ton, die im mer noch bit ter lich wein te, fest an sei-ne Hüf te. »Es tut mir wirk lich leid, Kin der, aber ich habe heu-te Abend nicht viel von ei nem Zom bie in mir. Ein an der mal, ver spro chen.« Er schob seuf zend die Hand ins Haar und ver-such te, ein ent spann tes Lä cheln auf zu set zen. »Hui uiui. So – wo sind eure Müt ter?«

Die se Fra ge mun ter te sie au gen blick lich auf. Ein paar zuck-ten die Ach seln, an de re schrien: »Wis sen wir nicht!« Zu zweit und zu dritt sto ben sie aus ei nan der und johl ten schon wie der los, und die meis ten lie fen zur Renn bahn, um ihre Run den wie-der auf zu neh men.

Als Gol den das Gro ße Haus elf Jah re zu vor ge baut hat te, wa-ren ihm zwei Feh ler un ter lau fen: nicht ge nug Ba de zim mer und die Renn bahn. Die Renn bahn war schlicht und er grei fend ein Pla nungs feh ler. Das Haus war nach ei nem Stan dard ent wurf ge baut wor den: Kü che in der Mit te, um ge ben von Wohn zim-mer, Fa mi li en zim mer, Ess zim mer, Spiel zim mer, und ein Zim mer ging ins nächs te über. Wie hat te er vo raus se hen sol len, dass die-se Kons tel la ti on ei nen Kreis ver kehr im eu ro pä i schen Stil bil den wür de, eine per fekt ova le Renn bahn, die es den Kin dern er mög-li chen wür de, in end lo ser, un un ter bro che ner Ko lon ne durch das Haus zu ga lop pie ren? Das Gro ße Haus wur de zum Schau-platz ei ner an dau ern den Stamp ede: Kin der spur te ten hin ter ei-nan der durch die Zim mer, bo gen in Schräg la ge um die Ecken und be schleu nig ten auf der Ge ra den, sie schleu der ten, schlit-ter ten und prall ten von den Wän den ab, und das aus ir gend ei-nem Grund im mer ge gen den Uhr zei ger sinn. Manch mal wur de Gol den von der blo ßen An we sen heit im Haus schwin de lig; da saß er auf sei nem Platz in der Kü che bei ei nem Be cher Malz-kaf fee oder mit ei ni gen Blau pau sen, die er durch sah, ohne auf


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die Meu te zu ach ten, die ihn tag täg lich um kreis te, und ganz un ver se hens schwirr te ihm plötz lich der Kopf so sehr, dass er sich an der Kü chen the ke fest hal ten muss te, um nicht seit wärts vom Ho cker zu kip pen.

Nach nur an dert halb Jah ren war der Tep pich in ei nem knapp halb me ter brei ten Pfad bis auf das Ge we be ab ge fräst, und Gol-den ver such te, das Ren nen im gan zen Haus zu ver bie ten. Aber ge nau so gut hät te er die Pla ne ten auf for dern kön nen, in ih rem Or bit ste hen zu blei ben. Er ver such te es da mit, ein Zweier-so fa in den Ein gang zum Ess zim mer zu stel len, um den Fluss zu stau en, und droh te so gar an, das Ess zim mer über haupt zu ver schlie ßen, wenn es nö tig sein soll te, aber Nola und Rose-of-Sharon – die bei den Ehe frau en und Schwes tern, die mit im Haus wohn ten – über zeug ten ihn, dass die gan ze Ren ne rei trotz des Lärms und der Schä den am Tep pich bo den in Wahr heit ein Se gen sei; sie sei ein gu tes Ven til für ih ren Über schwang und schüt ze vor Dumm hei ten.

»Über schwang?«, hat te Gol den ge fragt. »Kön nen sie denn nicht drau ßen um das Haus her um ren nen, wo Kin der ih rem Über schwang üb li cher wei se frei en Lauf las sen? Hier drin nen ma che ich mir Sor gen um die Bo den die len.«

Nola seufz te, wie sie es oft tat, wenn sie Gol den et was er klär-te. »Du weißt, dass sie drau ßen auch ren nen. Aber hier drin sind sie we nigs tens un ter Kont rol le«, sag te sie. Rose-of-Sharon, die mit ih rer Schwes ter an ei ner Ba by stepp de cke ar bei te te, nick te zu stim mend. »Hier drin nen ha ben wir sie im Auge. Da wis sen wir zu min dest, dass sie nicht auf die Stra ße lau fen, wo sie von Vieh trans por tern platt ge walzt oder von Ver bre chern ge raubt wer den.«

Da mit war die Sa che er le digt. Von nun an war das Gro ße Haus da für be kannt, dass Her um ren nen in sei nen Räu men nicht nur er laubt, son dern so gar gern ge se hen wur de.

Es soll te auch als ein Haus be kannt wer den, in dem es schwie-rig war, eine freie Toi let te zu fin den. Gol den ver such te es an fangs


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mit der am hin te ren Kor ri dor, aber die war be setzt (sie hat te eine ge pols ter te Klo bril le und eine Bib li o thek von Sears-and-Roe-buck-Ver sand haus ka ta lo gen vor zu wei sen, was be deu te te, dass sie prak tisch im mer be setzt war, so gar mit ten in der Nacht). In der Bau pha se war ihm das Sechs hun dert fünf zig-Quad rat meter-Haus ein biss chen über trie ben vor ge kom men, aber jetzt, als er sich zu der ein zi gen an de ren Toi let te im Erd ge schoss durch-schlug, ganz hin ten in der an de ren Ecke, fand er es ge ra de zu haar sträu bend.

Bei der Großv ate ruhr blieb er ste hen, um sich zu ori en tie ren. Wenn man in drei ver schie de nen Häu sern wohn te, wie Gol-den es tat, war es nicht schwer, Klei nig kei ten durch ei nan der-zu brin gen – zum Bei spiel, wo die Er satz glüh bir nen auf be wahrt wur den oder wie der We cker funk ti o nier te oder wo ge nau die Toi let ten wa ren. Ein paar Wo chen zu vor war er mit ten in der Nacht auf ge wacht, und im Glau ben, er sei im Al ten Haus, war er dort hin ge gan gen, wo er die Kü che ver mu te te, um sich ein Glas Was ser zu ho len. Er war ein Stück weit die Trep pe hi nun-ter ge fal len und hat te sich ir gend wo in der Leis te eine Zer rung zu ge zo gen.

Jetzt end lich ge lang es ihm, im Geis te ei nen La ge plan der Toi let te an zu fer ti gen – sie be fand sich am Ende des Kor ri dors in der Nähe der Ga ra ge –, und er setz te sei ne Wan de rung fort: durch das Spiel zim mer, wo ein paar der grö ße ren Jun gen an dem aus Feld stei nen ge mau er ten Ka min bis zur drei Me ter ho-hen De cke hi nauf klet ter ten, wäh rend un ten die Drei Stoo ges – Mar tin, Boo und Wayne – Kung-Fu-Kom bi na ti o nen üb ten und ei nan der mit den Papp röh ren aus dem In nen le ben von Pack-pa pier rol len ver prü gel ten. Vor bei am Wohn zim mer, wo Pau li-ne und Nov el la im Schnei der sitz mit ten auf dem Fuß bo den sa-ßen, ge heim nis voll mit ei nan der flüs ter ten und dann krei schend über ein be krit zel tes No tiz blatt her fie len. Wei ter ins Ess zim mer, wo ein mit Alu fo lie be deck ter Tel ler säu ber lich ganz al lein am Kopf en de des aus la den den drei tei li gen Ti sches plat ziert war.


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Ei ner der Strah ler an der Strom schie ne un ter der De cke war da rauf ge rich tet, so dass der Tel ler aus sah wie ein Aus stel lungs-stück in ei nem Mu se um.

Gol den wuss te, dass der Tel ler ein Zei chen war, eine Bot-schaft. Du hast dich ver spä tet, teil te er mit. Das Abend es sen ist vor bei, und wir sa ßen wie der ein mal ohne dich am Tisch.

Ta del die ser Art be kam er in letz ter Zeit oft. Mit sei nem Bau-ge schäft ging es seit über zwei Jah ren berg ab, und er hat te an-fan gen müs sen, Auf trä ge in im mer grö ße rer Ent fer nung an-zu neh men. In fol ge des sen hat te er noch we ni ger Zeit für die Fa mi lie. Jetzt, da er auf ei ner Bau stel le ar bei te te, die zwei hun-dert Mei len weit ent fernt in Nye County, Ne va da, lag, war er ta ge lang fort, manch mal die gan ze Wo che, und wenn er dann in eins sei ner Häu ser kam, fühl te er sich mehr denn je wie ein Frem der, ein Aus län der, der mit den lo ka len Sit ten und Ge bräu-chen nicht ver traut war.

Dass er heu te Abend so spät ge kom men war, muss te als be-son ders schwer wie gen der Feh ler gel ten. Heu te war der häus li-che Fa mi li en abend, der eine Abend der Wo che, an dem sich die gan ze Fa mi lie im Gro ßen Haus ver sam mel te (nur hier fan den alle zwei und drei ßig Platz), zum Es sen und zu ei nem Fa mi li en-tref fen mit Bi bel lek tü re, Lie dern, Spie len und viel leicht Zit ro-nen bis kuit oder Scho ko chip-Eis, wenn alle sich gut be nah men. Zwei fel los hat ten sie ein auf wän di ges Es sen ge kocht, das Haus ge putzt und für den Fa mi li en abend et was Be son de res vor be rei-tet und dann ge war tet. Ge war tet auf ei nen Mann und Va ter, der fast nie da war und der es sich zur Ge wohn heit ge macht hat te, sie war ten zu las sen. Und dann hat ten sie, wie sie es in letz ter Zeit im mer öf ter ta ten, ohne ihn ge ges sen.

In die sem Au gen blick rann te der klei ne Fer ris vor bei, von den Hüf ten ab wärts split ter nackt. An schei nend hat te er sich von dem Aus bruch sei nes Va ters im Flur wie der voll stän dig er holt. Eine sei ner Schwes tern schrie ihm nach: »Fer ris hat wie der kei-ne Hose an!«, und wie um die se Fest stel lung zu be stä ti gen, voll-


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führ te Fer ris ein über schwän gli ches, hüft schwen ken des Tänz-chen, das vage auf rei zend wirk te, zu mal bei ei nem Vier jäh ri gen.

»La la la«, sang er. »Du du du.«Er war so sehr da mit be schäf tigt, sei ne ei ge ne Nackt heit zu

ge nie ßen, dass er Gol den gar nicht be merk te. Woh lig rieb er sein Hin ter teil an der Kie fern holz tä fe lung, schwof te quer durch das Zim mer zur an de ren Sei te und quetsch te sich in ei nen Blu-men topf. Erst als Nov el la er schien und droh te, al les sei ner Mut-ter zu er zäh len, ga lop pier te er auf der Renn bahn da von und klatsch te sich da bei auf die Po ba cken.

Als Gol den wie der al lein war, be trach te te er den Tel ler auf dem Tisch. Trotz al lem – er konn te ein fach nicht an ders – hob er die Fo lie hoch und zog be hut sam ei nen ge grill ten Hüh ner flü-gel da run ter her vor. Schuld be wusst lutsch te er da ran und ging mit tän zeln den Seit wärts schrit ten wei ter durch den Kor ri dor. Er bog um die Ecke und sah den pum me li gen, im mer schwit zen-den Clif ton vor der ver schlos se nen Toi let ten tür. Im Takt ei nes kla gen den Aus bil dungs la ger lie des trat er im mer wie der da ge-gen: »Mach auf, mach auf, so fort, so fort, mach auf, mach auf, hey-hey, so fort.«

Als er Gol den sah, heul te er: »Wer den wir mal was ge gen die Mäd chen in die sem Haus un ter neh men? Was ma chen die da dau ernd? Hä? Ich has se sie!«

Gol den ließ sich ge gen die Wand fal len und gab sich ge schla-gen. Der Jun ge hat te recht – die Mäd chen wa ren Bad be woh ner. Schon vor der Pu ber tät konn ten sie eine hal be Stun de da rauf ver wen den, ihre Klei dung zu ord nen, ihre Fri sur zu über prü fen und an de ren kryp ti schen Ver rich tun gen nach zu ge hen, über die man als Jun ge nur Ver mu tun gen an stel len konn te. Und wenn ein Bad mal frei war, er reich ten sie es an schei nend im mer als Ers te, als ver füg ten sie über In si der-In for ma ti o nen, die den Jun-gen – die die Be nut zung des Ba de zim mers nur als läs ti ge Not-wen dig keit be trach te ten – nicht zu gäng lich wa ren. Gol den hät-te auf rich ti ges Mit ge fühl für Clif ton emp fin den müs sen, aber


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in die sem Au gen blick war er nur wü tend, weil der Jun ge vor ihm da ge we sen war.

Durch das Don ner kra chen meh re rer Kin der, die im Zim mer über sei nem Kopf von den Stock bet ten spran gen, hör te er das Rat tern ei ner Näh ma schi ne, und was er sah, als er sich um dreh-te, ließ ihm das Blut in den Adern ge frie ren: Be verly, die ers-te Ehe frau, saß in dem All zweck raum ge gen über und ar bei te te kon zent riert an ei ner glat ten Stoff bahn. In qual vol ler Zeit lu-pen be we gung ver such te Gol den, sich rück wärts au ßer Sicht zu brin gen, aber ge ra de als er da bei war, hin ter dem Tür rah men zu ver schwin den, blick te sie auf und ließ ihn er star ren. Wort-los wand te sie sich wie der ih rer Näh ar beit zu.

Bis jetzt war er si cher ge we sen, dass die Frau en sich oben in ei nem Zim mer ver sam melt hat ten, um über sein Schick sal zu be fin den. Grim mig wür den sie die Be wei se ge gen ihn ana ly sie-ren, ei nig in ih rem Ver lan gen, ihn für sei ne Lü gen und Ver stö-ße be zah len zu las sen. Aber hier saß Be verly al lein, und Gol den wuss te nicht, ob das eine schlech te Nach richt oder eine po si ti ve Ent wick lung war. Viel leicht war ihre Be ra tung schon zu Ende, und sie hat ten sich in ver schie de ne Ecken des Hau ses zu rück-ge zo gen. Viel leicht hat te es auch gar kein Komp lott ge ge ben, und hier brau te sich et was an de res zu sam men, über das er nur Ver mu tun gen an stel len konn te. Im Mo ment war Gol den nicht in der rich ti gen Ver fas sung für Ver mu tun gen. Er konn te von Glück sa gen, dass er we nigs tens die Toi let te ge fun den hat te.

Er ver such te Bever lys Hal tung zu deu ten, aber da war nichts zu deu ten; sie hielt den Rü cken im mer ge ra de, die El len bo gen dicht an den Rip pen. Selbst in Au gen bli cken größ ter Ab len-kung oder Un be küm mert heit ließ sie sich nie mals hän gen, sie trö del te nicht, sie schlurf te nicht, und nie mals lehn te sie sich zu rück und ent spann te sich. Wenn sie schlief, lag ihr Kopf im-mer mit ten auf dem Kis sen, und ihre Hän de wa ren über der De cke auf der Brust ge fal tet, als po sie re sie für eine Mat rat-zen wer bung.


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Gol den muss te die Schen kel zu sam men pres sen, um nicht in die Hose zu ma chen. Er hum pel te durch den Kor ri dor und lehn-te sich in ei nem ver zwei fel ten Ver such, läs sig zu er schei nen, an den Tür rah men. Er be griff, dass er den halb auf ge ges se nen Hüh ner flü gel noch in der Hand hielt, und in ei nem Au gen blick der Pa nik stopf te er ihn in die Ho sen ta sche.

»Ah, hey, hal lo.« Er wink te kurz, als rede er durch eine Glas-schei be mit ihr, und er hob die Stim me, da mit sie ihn durch das Rat tern der Näh ma schi ne und ein an hal ten des Ge heul, das im Fa mi li en zim mer aus ge bro chen war, noch hö ren konn te. »Tut mir leid, dass ich so spät kom me! Der Kerl mit dem ver damm-ten Be ton ist erst um vier Uhr auf ge kreuzt!«

Kaum merk lich ho ben sich ihre Schul tern und fie len wie der he rab, aber sie hör te nicht auf, den Stoff durch die Ma schi ne zu schie ben. Er trat nä her an sie he ran und spür te, wie die Tem-pe ra tur sich senk te. Be verly war eine Frau, de ren Stim mun gen die Atmo sphä re ih rer un mit tel ba ren Um ge bung be herrsch ten und die an schei nend al les in der Hand hat te, so gar das Wet ter. Ihr krau ses, ei sen grau es Haar hielt sie mit ei nem Sor ti ment von Clips, Span gen, Klam mern und Na deln im Zaum. Heu te Abend hat te sie es wie üb lich zu ei nem kaum zu bän di gen den Kno ten hochge steckt, das reins te Mi ni a tur waf fen ar se nal, so sah es zu-min dest aus.

Erst nach dem sie die komp let te Stoff bahn ge säumt hat te, stand sie auf, gab ihm ei nen flüch ti gen Kuss auf die Wan ge und teil te ihm mit, dass sein Es sen auf dem Tisch war te te. Dann setz te sie sich wie der und über prüf te ih ren Saum im Licht ei ner Ju we liers lam pe.

»Und die Fahrt?«, frag te sie.»Lang, wie im mer«, sag te er. »Ich glau be, ich soll te den Pick-

up viel leicht ge gen El wins al tes Sprüh flug zeug ein tau schen und wäh rend des gan zen Heim flugs Rol len flie gen. So wür de ich we nigs tens wach blei ben.«

Drau ßen im Kor ri dor ver pass te Clif ton der ver schlos se nen


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Klo tür ei nen kräf ti gen Tritt und sang: »Ich ster be hier drau-ßen. Ich ster-be!«

Be verly nick te, blick te aber nicht auf. Nor ma ler wei se hät-te er erst mal eine Re ak ti on von ihr ab ge war tet, aber Clif ton war nicht der Ein zi ge, der am Ran de ei ner erns ten Ka tast ro-phe stand.

»Ich, äh, ist – ist ir gend et was los?«»Hier ist eine Men ge los, Gol den. Wie im mer.«»Al les kommt mir ein biss chen, du weißt schon, ver rückt

vor.«»Na ja, so ist es hier eben, falls du das ver ges sen hast.«»Nicht nor mal ver rückt, da von rede ich nicht. Ir gend et was

kommt mir – ich weiß nicht …«Be verly sah ihn zum ers ten Mal di rekt an, und sein Mund

be weg te sich laut los, wäh rend er nach dem Wort such te, das er brauch te. Wör ter: Selbst un ter den güns tigs ten Be din gun gen such te Gol den nach ih nen, und wenn man ihm so die Pis to le auf die Brust setz te, war es fast un mög lich.

»… kommt mir ver quer vor«, sag te er schließ lich.»Ver quer.« Sie gab sich be son de re Mühe mit der Be to nung,

schau te ihm noch eine Se kun de län ger in die Au gen und wand-te sich dann wie der ih rer Ar beit zu. »Okay, ver quer. Ver quer heißt es. Und du hast recht, heu te Abend ist hier eine Men ge ver quer. Dein Hund zum Bei spiel, der es zum drit ten Mal in zwei Wo chen für nö tig ge hal ten hat, in mei ne Schu he zu pin-keln.«

»Coo ter?«, frag te Gol den.»Au ßer du hast noch ei nen Hund, von dem ich nichts weiß.

Ich habe ihn in den Putz schrank ge sperrt, und wenn er da auf ir gend et was ge pin kelt hat, wer de ich den Nach barn sa gen, sie sol len ihn zu Schieß übun gen be nut zen.«

Ein, zwei Se kun den lang ver spür te Gol den ei nen krib beln-den Op ti mis mus: War es das, was hin ter all dem steck te? Dass Coo ter in Bever lys Schu he ge macht hat te? Be verly und Coo ter


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be krieg ten sich seit Jah ren, aber die an de ren Ehe frau en to le-rier ten den klei nen Hund, ja, sie zeig ten ihm so gar eine ge wis-se Zu nei gung, und wahr schein lich hat te er des halb noch nie in ihre Schu he ge pin kelt. Nein, die an de ren Frau en hat ten kei nen Grund, sich über Coot ers Mis se ta ten auf zu re gen, und selbst die mäch ti ge Be verly war nicht dazu im stan de, al lein da für zu sor-gen, dass sich al les so ver quer ent wi ckel te.

»Üb ri gens«, sag te Be verly und ver kno te te ei nen Fa den, »du hast da was an der Lip pe.«

Der Be sen schrank

In der stau bi gen Dun kel heit ei nes Be sen schranks, in dem es nach Schuh creme und Putz mit tel roch, er wärmt von ei ner 200-Li ter-Ther me, die ge le gent lich ein zu frie de nes Gur geln er tö nen ließ, fühl te er sich ab ge schirmt und vor läu fig si cher vor den Ge fah ren des Hau ses. Er war her ge kom men, nach-dem er mit Be verly ge spro chen hat te, nach dem er sich die Bar-be cue sauce vom Mund ge wischt und eine Zeit lang auf sei ne Stie fel ge starrt hat te, be vor er schließ lich die ein zi ge gute Ent-schei dung traf, die sich ihm bot, näm lich kehrt zu ma chen und weg zu lau fen. Er mur mel te et was von Coo ter und dass er ein Wört chen mit ihm re den wer de, und be vor Be verly pro tes tie-ren konn te, flüch te te er.

Das Glück woll te es, dass der Putz schrank nur sechs Schrit-te weit ent fernt war. Gol den zog die Tür hin ter sich zu, und es war, als habe er sich aus heu len dem Wind und wir beln dem Müll in ei nen Sturm kel ler aus ar mier tem Be ton ge ret tet. Der Lärm brach so fort ab, und in sei nen Oh ren blieb nichts als ein fer nes Hal len und das He cheln Coot ers zu sei nen Fü ßen. Er frag te sich, wa rum er die se Kam mer nicht schon frü her ent-deckt hat te. Es war re gel recht an ge nehm hier. Wenn al les au-ßer Kont rol le ge riet, wenn alle ihm im Na cken sa ßen und er ein


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biss chen Ruhe brauch te, dann müss te er sich nicht in die Ga ra-ge hi naus schlei chen, wo er sein Werk zeug und ein Feld bett hat-te. Er könn te hier hi nein schlüp fen, sich die Schu he put zen und dem Was ser boi ler eine Wei le Ge sell schaft leis ten.

In des sen än der te nichts da von et was an der Tat sa che, dass er so fort pin keln muss te. Ja, die se un er war te te Ruhe hat te eine ent span nen de Wir kung nicht nur auf sei nen Geist, son dern auch auf sei ne Bla se (und das Glu ckern des Was sers war da-bei nicht ge ra de hilf reich). Er spür te, dass sei ne Ge säß ba cken sich zum ers ten Mal seit Stun den wie der lo cker ten, es fühl te sich an, als fal le sei ne Bla se in sich zu sam men, und er wuss te, dass er da war: der Punkt, an dem es kein Zu rück mehr gab. Er biss sich auf die Lip pe und tas te te im Dun keln nach ei nem Zug schal ter – war hier nicht ir gend wo eine Ket te zum Licht-an ma chen? –, und als er kei nen fand, ver fiel er in ei ner Art re-sig nier te Pa nik: Er stieß Be sen und Ab fluss püm pel um, kämpf te in der pech schwar zen Dun kel heit mit ei nem Bü gel brett – Au, pass doch auf, ah ver dammt, nein, nein, nein, komm schon, bitte –, feg te Spray do sen und Ajax-Fla schen von den Re gal bor-den und ver setz te Coo ter, der in der Wär me des Was ser boi lers ge döst hat te, in blind lings schar ren de Hys te rie. Und wie durch ein Wun der leg te Gol dens Hand sich auf das, was er ge sucht hat te: auf ei nen 20-Li ter-Putz ei mer aus Plas tik.

Zwan zig Li ter, dach te Gol den. Hof fent lich reicht das.Nach ei nem hek ti schen Kampf mit sei nem Reiß ver schluss

konn te Gol den sich end lich ent span nen und, wie sein Va ter sich aus ge drückt hat te, »sein Ge schäft mit Mut ter Na tur ma chen«. Die Er leich te rung war um fas send wie bei ei nem, der lan ge un ter Was ser ge we sen war und end lich wie der Luft be kam. Wäh rend der Ei mer sich füll te, hat te Gol den Zeit, mit der frei en Hand die Ket te zu fin den und das Licht an zu schal ten. Soll te je mand, dach te er sich, zu fäl lig die Tür öff nen, ehe die ser Vor gang ab-ge schlos sen war, wür de das bren nen de Licht dem Gan zen hier viel leicht eher den An schein der Recht mä ßig keit ver lei hen.


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Im un freund li chen gel ben Licht der 40-Watt-Bir ne brauch-te er eine Se kun de, um Coo ter zu lo ka li sie ren. Der Hund trug eine Un ter ho se.

Gol den schüt tel te den Kopf. »O Mann, sie hat dich wie der er wischt, was? Tut mir wirk lich leid, Jun ge.«

Coo ter wand te sich ab, und sei ne feuch ten Au gen quol len ver bit tert aus den Höh len. An schei nend war er noch nicht be-reit, von ir gend je man dem eine Ent schul di gung an zu neh men. Coo ter war ein ner vö ser, glubsch äugi ger Da ckel misch ling, der vor et li chen Jah ren zum ers ten Mal ge zwun gen wor den war, eine Un ter ho se zu tra gen, als er eine Pe ri o de des ob sessi ven Lec kens durch lebt hat te: Er hat te sein Hin ter teil so lan ge ge-leckt, dass es blu te te. Die Un ter ho se half ihm, die se Ge wohn-heit im Zaum zu hal ten, aber als er an fing, auf Bever lys Hab-se lig kei ten zu pin keln, hol te sie die win zi gen Tei le aus dem Ru he stand zu rück und ver wand te sie zur psy cho lo gi schen Fol-ter. Der Hund hass te die se Din ger, und wenn er sie trug, uri-nier te und kot ete er nur, wenn ihm nichts an de res üb rig blieb. Es han del te sich um zier li che klei ne Hös chen, die frü her ein-mal ei ner Base ball-Pup pe na mens Swin gin’ Baby Tim my ge-hört hat ten (die se Pup pe hat te eine komp let te und re a lis ti sche Base ball-Aus stat tung ge tra gen: So cken, Stirr ups, Schien bein-scho ner, Schweiß bän der und ein voll stän di ges Tri kot), und sie wa ren al le samt weiß bis auf eine gel be Ex plo si on auf dem Ho-sen bo den, in der in blau en Let tern die Wor te HOME RUN!!! zu le sen wa ren.

Coo ter war ext rem emp find sam für die Auf merk sam keit, die man ihm ent ge gen brach te, wenn er sei ne »HOME RUN!!!«-Un ter wä sche trug, und Gol den kam zu dem Schluss, dass die Ver ban nung in die Kam mer wahr schein lich ein Glück im Un-glück war, weil Be verly Coo ter so den Bli cken der Öf fent lich-keit ent zo gen hat te.

Er woll te dem Hund mit der Schuh spitze ei nen freund schaft-li chen Stups ge ben, aber Coo ter drück te sich ge gen ei nen Sack


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Stein salz und wand te den Kopf ab, als sei er zum Ge gen stand ei ner grau sa men Krän kung ge wor den.

»Jetzt hör auf«, flüs ter te Gol den. »Komm mir nicht so. Du hast ver dient, was du ge kriegt hast, du Rie sen ba by. Wie oft hab ich dir ge sagt, lass Bever lys Schu he in Ruhe? Hm? Hm? Du sorgst noch da für, dass wir bei de in die Käl te hi naus ge jagt wer-den, weißt du das? Hm? Glaubst du, ich ma che Wit ze? Glaubst du, das hier ist ein Witz? Glaubst du …«

Gol den zog den Kopf zwi schen die Schul tern, als er be griff, in wel cher Lage er war: Er stand in ei nem dunk len Wand schrank, die Fin ger mit Bar be cue sau ce be schmiert, und pin kel te in ei nen Ei mer, wäh rend er ei nem Hund, der Un ter wä sche trug, ei nen Vor trag über Ba de zim mer ma nie ren hielt. Konn te es ei gent lich noch schlim mer wer den? Ja, na tür lich. Wahr schein lich noch be vor die Nacht vor bei wäre. Des halb fand er auch nicht die Kraft, über sich zu la chen. Noch nicht – nicht, be vor wohl oder übel über sein Schick sal ent schie den wor den wäre.

Als er sein Ge schäft be en det hat te, hock te er sich ne ben Coo-ter und hielt ihm sei ne sau cen be schmier te Hand ent ge gen. Coo-ter schnup per te un si cher da ran und sah rat su chend zu Gol den auf. Gol den spür te in sich eine Woge der Zu nei gung zu dem klei nen Hund, zu die ser wie sel ar ti gen Kre a tur mit den vor quel-len den Marty-Feld man-Au gen und dem haar lo sen Hin tern, die nicht ahn te, wie ab scheu lich sie aus sah.

»Na los«, seufz te Gol den, »hau rein.«Coo ter schlän gel te sei ne Zun ge zwi schen Gol dens Fin ger und

ver such te, noch den letz ten Rest Sau ce zu er wi schen, und Gol den öff ne te die Tür ei nen Spalt breit und zisch te Clif ton zu, der im-mer noch im Kor ri dor Toi let ten wa che hielt. Clif ton kam he ran-ge hüpft und krümm te sich. Sein Ge sicht war rot vor Em pö rung.

»Die sind da zu zweit drin«, sag te er. »Mäd chen. Ich höre sie ki chern, und sie las sen Was ser lau fen. Und Mom hat den Jungs ge sagt, wenn wir noch mal in die Bü sche ge hen, krie gen wir Haus ar rest. Wie so hilft mir kei ner?«


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»Ich hel fe dir, wenn du lei se bist.« Gol den hielt ihm die Tür auf. »Klein oder groß?«

»Klein haupt säch lich.« Clif tons Blick wan der te von Coo ter zu Gol den. »Hat Tan te Be verly dich auch hier ein ge sperrt?«

Gol den nahm den Ei mer vom Re gal. »Siehst du die sen Ei mer? Da kannst du rein ma chen und Toi let ten und Bü sche ver ges sen, wenn du mir ei nen klei nen Ge fal len tust.«

»Hast du auch in den Ei mer ge macht?«»Äh. Ja. Aber du darfst nie man dem da von er zäh len, ver stan-

den? Es ist ein Ge heim nis.«»Kann ich ei nen ei ge nen Ei mer ha ben?«»Das hier ist ein Not fall ei mer. Es gibt nur ei nen, und er ist

für Not fäl le. Du darfst ihn be nut zen, wenn du mir die sen ei nen Ge fal len tust, und du darfst es nie man dem er zäh len.«

»Kann ich nicht erst den Ei mer be nut zen und dir dann den Ge fal len tun?«

Gol den schüt tel te den Kopf. Er wuss te, wenn er den Jun gen zu erst in den Ei mer pin keln lie ße, wür de er ihn da nach wahr-schein lich nie wie der se hen. »Es dau ert nur ein paar Se kun den. Ich möch te, dass du nach oben gehst und dich um siehst und fest stellst, wo dei ne Mut ter und Tan te Trish und Tan te Rose sind. Dann kommst du zu rück und sagst es mir. Das ist wie ein Ge heim dienst ein satz. Top sec ret. Sprich mit nie man dem. Ich und Coo ter, wir war ten hier auf dich.«

Prak tisch im Hand um dre hen – Gol den schätz te, dass nicht mehr als fünf zehn Se kun den ver gan gen wa ren – war Clif ton wie der da. »Sie sind oben in der Kü che. Alle drei.«

»Was denn? Du warst schon oben?«Der Jun ge zuck te die Ach seln. »Ich kann schnell ren nen,

wenn es sein muss.«»Was tun sie da?«»Sie spü len Zeug und re den. Wo ist der Ei mer?«»Eins noch. Se hen sie wü tend aus?«Clif ton seufz te. »Ich glau be schon, wahr schein lich sind sie


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wü tend auf dich. Und ich glau be, du ver steckst dich des halb hier in der Be sen kam mer.«

Gol den reich te ihm den Ei mer. »Wenn du fer tig bist, stell ihn hin ter den Hau fen Lap pen. Und lass Coo ter nicht raus, sonst reißt Tan te Be verly dir den Kopf ab.«

Das Schiff

Drau ßen, um ge ben von hel lem Licht und Lärm, be kam Gol den ei nen Schwin del an fall, und plötz lich fühl te er sich wie der ver-wund bar. Er wünsch te, er hät te sich in der Be sen kam mer mehr Zeit ge nom men, sich zu sam meln und sei ne Ver tei di gung vor-zu be rei ten. Als er die Trep pe hi nauf stieg – eine Hor de Kin der wim mel te pul sie rend um ihn he rum wie ein Schwarm Fi sche –, kam er zu dem Schluss, dass er es hin ter sich brin gen woll te. Schluss mit der Ver stel le rei. Er wür de kei ne Ent schul di gun gen, kei ne Aus flüch te vor brin gen. Er wür de sich ih nen aus lie fern, auf Ge deih und Ver derb.

Die Frau en wa ren oben in der Kü che ver sam melt, alle drei, wie Clif ton es ge sagt hat te. Gol den hat te die Kü che im ers-ten Stock ein bau en las sen, da mit Nola und Rose-of-Sharon die Mög lich keit hät ten, ihre Fa mi li en se pa rat zu ver pfle gen. Sie war aber kaum mehr als eine Koch ni sche und er wies sich als zu klein selbst für eine Fa mi lie, und des halb wur de sie nur be-nutzt, wenn die Kü che im Erd ge schoss nicht aus reich te, um für ein paar Dut zend Per so nen zu ko chen und zu spü len. Nach und nach ver wan del te Rose-of-Sharon sie in das, was Gol den ins ge-heim als Öst ro gen-Ground-Zero be zeich ne te: Ihre Schub la den füll ten sich mit dem Werk zeug weib li cher Hand ar bei ten wie Stri cken und Sti cken und Bau ern ma le rei. Auf je dem ver füg ba-ren Fleck chen Wand hin gen Port räts von Kätz chen und Pu deln und kunst voll ge rahm te Sti cke rei en mit den Wor ten SEG NE DIE SES HAUS oder HIER SPRICHT DIE LIE BE. Mak ramee


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und Per len schnü re bau mel ten von der De cke, und Ar beits plat-ten und Fens ter bän ke wa ren mit Spit zend eck chen und klei-nen Na del kis sen in Form von lä cheln den To ma ten und rund-li chen Schnee män nern ge schmückt. Die Luft war schwer von dem Ro sen ge ruch der Blü ten kis sen und dem Flie der hauch der Duft ker zen, und Rose-of-Sharon hat te die Wän de kürz lich mit ei ner Gän se blüm chen ta pe te be klebt, die so leuch tend bunt war, dass Gol den das Ge fühl hat te, ei nen Raum voll grel ler Blitz-lich ter zu be tre ten.

Er ver such te ihr Ge spräch zu ver ste hen, aber im an dau ern-den Rau schen des Was sers in der Spü le flos sen ihre Stim men in ei nan der. Er drück te den Rü cken an die Wand und voll führ-te ein Ma nö ver, bei dem es nö tig war, den Hals zu re cken und den Kopf in ei nem ext rem schie fen Win kel zu hal ten, so dass er die Lage über bli cken konn te, ohne selbst ent deckt zu wer den. Rose-of-Sharon saß am Tisch, saug te an ih rem Hemd kra gen und ent warf auf ei nem Bo gen Mil li me ter pa pier sorg fäl tig ei-nen neu en Quilt. Nola und Trish wa ren nicht zu se hen; wahr-schein lich stan den sie an der Spü le.

Gol den nahm sich ei nen Au gen blick Zeit, um zwei groß zü-gi ge Stö ße Af rin-Spray in die Na sen lö cher zu sprü hen. Sein gan zes Le ben lang hat te er die schlech te Ge wohn heit ge habt, bei Ner vo si tät zu nie sen. Ban gig keit und Angst bau ten sich in sei nem Kopf wie ein phy si ka li scher Druck auf, und der lei ses-te Juck reiz in den Na sen höh len lös te ein macht voll er schüt-tern des Nie sen aus, des sen Klang Kin der zum Wei nen brin gen konn te und Er wach se ne zu rück zu cken ließ, als sei eine Gra na te ex plo diert. Au ßer dem Spray hat te er nie ein Mit tel ge fun den, das die ses Nie sen in Schach hal ten konn te, und jetzt, da er so weit ins Herz des feind li chen Ter ri to ri ums vor ge drun gen war, muss te er si cher sein, dass er sei ne Po si ti on erst preis gab, wenn er rest los be reit war.

Er un ter zog sich ei ner ra schen Ins pek ti on und stellt fest, dass die Schnür sen kel an sei nen Stie feln of fen wa ren. Sein Hemd


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hing aus der Hose, und sein lin ker Hand rü cken war be deckt von ei nem Rest Bar be cue sau ce und Hun de sab ber. Wie ein Tod-ge weih ter band er sich die Schu he zu, strich sein Haar glatt und ver such te, das Hemd in den Bund sei ner Jeans zu stop fen, aber dann gab er auf, be vor er sich noch das Hemd in krampf haf ter Frust ra ti on vom Lei be riss. Zum Teu fel da mit. Ge nug Zeit ge-schun den: Er wür de jetzt hi nein ge hen. Er tat ei nen Schritt vor-wärts, hielt inne und wich wie der zu rück, um sei nen Reiß ver-schluss zu über prü fen.

Noch ei nen Strahl Na sen spray, noch ein atem er fri schen des Pfef fer minz als Glücks brin ger, und er war be reit. In ei nem Akt ver we ge ner Tap fer keit, wie er fand, mar schier te er in die Kü-che, leg te Rose-of-Sharon eine Hand auf die Schul ter, und mit al lem Selbst ver trau en, das er auf brin gen konn te, krächz te er: »Hal lo, Mä dels.«

Nola und Trish, die tat säch lich im auf stei gen den Dampf zu-sam men am Spül be cken stan den, dreh ten sich nicht um. Rose-of-Sharons Schul ter, die weich und schmieg sam ge we sen war, als er sie das ers te Mal be rührt hat te, fühl te sich jetzt an, als sei sie aus Holz. Trish warf ei nen kur zen, ner vö sen Blick zu ihm he rü ber, und Nola an gel te ei nen Schmor topf aus dem Spül was-ser und mach te sich mit ei nem Knäu el Stahl wol le da rü ber her.

»Tut mir leid, dass ich so spät kom me«, sag te Gol den. »Ich muss te zwei Stun den auf den ver flix ten Elekt ri ker war ten …«

Rose-of-Sharon duck te sich un ter sei ner Hand weg und ging zu der Schub la de ne ben dem Herd, wo sie an fing, eine Samm lung von be stick ten Topfl ap pen und Ofen hand schu hen zu sor tie ren. Ein so feind se li ger Akt, selbst wenn er mild war wie die ser, pass-te so we nig zu ihr, dass Gol dens Hand für ein paar Au gen bli cke wei ter in der Luft schweb te, als kön ne er nicht glau ben, dass er nicht mehr fest auf ei ner weib li chen Schul ter ruh te.

Jetzt wand ten ihm alle drei Frau en den Rü cken zu, und in der plötz li chen Stil le er kann te er, dass Pfef fer minz atem und zu ge bun de ne Schnür sen kel hier nichts än der ten. Die Frau en


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war te ten da rauf, dass er et was sag te, aber sei ne Zun ge lag im Mund wie ein Bro cken al tes Brot. Er setz te sich an den Tisch. Un er klär li cher wei se muss te er schon wie der pin keln.

»Ich habe euch un ten ge sucht«, sag te er. »Die Kin der wuss-ten nicht, wo ihr seid.«

Das Schwei gen zog sich in die Län ge, un ter bro chen nur vom Klap pern des Ge schirrs und von dem me tal li schen Dröh nen ei nes Back blechs. End lich seufz te Nola. In ei nem Ton, der – wenn man es nicht bes ser wuss te – ganz ver gnügt klang, sag-te sie: »Hey, Mä dels, wir sind ent deckt! Ha ha! Frau en ahoi!«

Man konn te sich im mer da rauf ver las sen, dass Nola das Schwei gen be en de te. Sie war ein fach nicht fä hig, lan ge still zu sein. Sie war eine groß bus ige, breit hüft ige Frau mit dem La-chen ei ner Knei pen wir tin und dem Schmoll münd chen ei nes Kin des. Rose-of-Sharon hat te die som mer spros si ge Haut und die hell grü nen Au gen ih rer Schwes ter, aber da mit wa ren die Ähn lich kei ten auch schon zu Ende. Ihre Kno chen wa ren lang, ihre Ge len ke kräf tig, und ihr Ge sicht war gut aus se hend und manch mal hübsch, wenn die Schat ten im rich ti gen Win kel auf ihm la gen. Aber ihr Ge sicht nahm fast im mer Platz zwei hin ter ih rem Haar ein, das na he zu in je der Wo che zu ei ner neu en Fri-sur ge formt war. Sie und Nola lei te ten die Vir gin County Aca-demy of Hair De sign in der Stadt. Nola, die Chef sty lis tin, be-nutz te Rose-of-Sharon als Ver suchs ka nin chen für Haar trends und, wenn die Fri sur ge lang, als wan deln de Wer bung für die Acad emy. Heu te Abend trug Rose-of-Sharon eine Fri sur, die Gol den an das Wort Milch mäd chen den ken ließ. Die Schwes-tern wohn ten zu sam men im Gro ßen Haus, seit es elf Jah re zu-vor ge baut wor den war, und Gol den hat te nie er lebt, dass sie sich strit ten oder un eins wa ren.

»Ihr seid wü tend auf mich«, stell te er fest. »Wa rum schreit ihr mich nicht an und bringt es hin ter euch? Werft mir ei nen Tel ler an den Kopf! Ir gend so was!«

»Wir schrei en dich nicht an«, sag te Trish.


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»Oh, das wer den wir noch se hen«, sag te Nola. »Und wenn wir uns nicht ge ra de die Mühe ge macht hät ten, die ses gan-ze Ge schirr ab zu wa schen, hät test du den Tel ler, den du dir wünschst, viel leicht ab ge kriegt.« Sie trat von der Spü le zu rück und schlug Gol den mit ei nem Ge schirr tuch auf die Schul tern, dass es klatsch te. Nola schlug ihn im mer mit ir gend et was, meis-tens als De mons t ra ti on ih rer Zu nei gung, aber die ses Ge schirr-tuch traf ihn doch schmerz haf ter, als er es ge wohnt war. Er rieb sich die Schul ter und frag te sich, ob je der im Haus ihn ein mal aufs Korn neh men wür de, be vor die Nacht zu Ende wäre.

»Nola«, sag te Rose-of-Sharon. Das Zit tern in ih rer Stim me ver riet ihm, dass sie gleich wei nen wür de. Er hoff te, das kom-me da her, dass sie ein schlech tes Ge wis sen habe, weil sie ihm den Rü cken zu ge wandt hat te. Er brauch te je den Fet zen Mit ge-fühl, den er be kom men konn te.

»Es tut mir leid«, sag te Gol den. »Wirk lich, wirk lich … leid. Schreck lich leid. Al les.«

»Dass es dir leidtut, ist nett«, sag te Nola. »Wirk lich, wirk lich leid – oh, das ist auch ziem lich gut. Aber was wirst du da ge gen tun? Wirst du es las sen, wo es ist, und wir müs sen es nach hin-ten schlep pen und zu Klein holz ver ar bei ten?«

Gol den blick te auf. »Zu Klein holz?«»Viel leicht könn ten wir es auch auf die Wei de der Spoon ers

stel len«, sag te Trish. »Dann könn ten ihre räu di gen Kühe sich drauf set zen, wenn sie kei ne Lust mehr ha ben, he rum zu ste hen und dumm aus zu se hen.«

Alle drei Frau en lach ten, jede auf ihre Art: Nola laut und trom pe tend, Rose-of-Sharon mit der Hand vor dem Mund und Trish wie die böse Hexe in ei nem al ten Schwarz-Weiß-Film. Hiihiihi iiiiiiii. Gol den blieb nichts an de res üb rig, als mit halb of fe nem Mund am Tisch zu sit zen.

Sie ka men in letz ter Zeit im mer öf ter, die se Au gen bli cke der Des o ri en tie rung, in de nen alle eine Art Kü chen la tein zu spre-chen schie nen, von dem er kein Wort ver stand. Er kam nach


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Hau se, und die Kin der stell ten ihm Fra gen, die ihn rat los mach-ten, die Ehe frau en er wähn ten Orte und Na men, die ihm nichts sag ten, und spra chen über die Kin der mit Spitz na men, die er noch nie ge hört hat te. Und ab und zu fin gen alle an zu la chen wie jetzt, und Gol den kam nicht mehr mit und war der Ein zi-ge, der den Witz nicht ka pier te.

»Ich bin …«, sag te er, »ich glau be, ich habe nicht – ich hat te …«Da rü ber muss ten sie noch lau ter la chen, und auch wenn Gol-

den nicht glück lich da rü ber war, als grin sen der Trot tel am Tisch zu sit zen, ließ es ihn hof fen: Wenn sie noch in der Ver fas sung wa ren, so zu la chen, dann konn te es so schlimm nicht sein.

Trish wisch te sich über die Au gen. »Ich glau be, wir könn ten mehr als ei nen gu ten Ver wen dungs zweck für die se schrott ige alte Couch fin den.«

»Ha, ha«, sag te Gol den, noch im mer zu tiefst ver wirrt. Und dann rich te te er sich aus sei ner ge duck ten Hal tung so un ver-mit telt auf, dass er mit den Kni en un ter die Tisch kan te stieß. »Couch«, sag te er. Er hat te autsch sa gen wol len, aber wie ein Stein, der sich aus ei nem Steil hang löst, war das Wort Couch aus sei nem Mund ge pur zelt. Und dann wuss te er, wa rum: Der Zorn, der Lärm, die ei si gen Bli cke, der Tel ler un ter der Alu-folie – das al les hat te nichts zu tun mit den haar sträu ben den Lü gen, die er jetzt seit Mo na ten er zähl te, mit den Täu schun gen, die sein Le ben durch drun gen hat ten. Es ging um das stin ken de, ka put te, wahr haft wun der vol le Wrack ei ner Couch.

»Couch!«, sag te er noch ein mal, als lie fe re er die ent schei den-de Ant wort in ei ner Quiz sen dung. »Wo ist sie denn?«

»Willst du be haup ten, du hast sie un ten nicht ge se hen?«, frag-te Nola. »Sie hat sie vor dem Abend es sen von ih ren Jungs he-rein brin gen las sen und so ge tan, als täte sie uns ei nen Rie sen-gefal len, als hät ten wir noch nie eine Couch ge habt und könn ten von Glück sa gen, dass wir we nigs tens mal eine zu se hen be kom-men.«

Ohne ein wei te res Wort schoss Gol den zur Kü chen tür hi naus


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und hum pel te die Trep pe hi nun ter, so schnell er konn te. Schließ-lich nahm er zwei Stu fen auf ein mal. Jetzt fiel es ihm wie der ein. Er er in ner te sich, wie Be verly ihn vor ein paar Ta gen auf der Bau stel le an ge ru fen und ihm er zählt hat te, sie habe das Schnäpp chen ih res Le bens ent deckt: ein neu es Chur chill-Schlaf-so fa bei Steltz mey er Fur nit ure, dem Mö bel haus in St. George, das jetzt ge schlos sen wer de. Seit min des tens zwei Jah ren be-klag te sie sich über die alte Couch. We gen ih res fi schi gen Ge-ruchs und der rie si gen Aus ma ße nann ten die Kin der sie »das Schiff«. Sie un ter nah men da mit re gel mä ßig Fluss ex pe di ti o nen durch den Ur wald, schlach te ten von ih ren Decks aus Pi ra ten und men schen fres sen de Haie ab und ver an stal te ten Wett be wer-be, um fest zu stel len, wie vie le von ih nen sich gleich zei tig da rauf zu sam men drän gen konn ten (der Re kord lag bei acht zehn). Sie hing in der Mit te durch, die ge bro che nen Sprung fe dern bohr-ten sich durch den ocker gelb ka rier ten Be zug stoff, und Fisch ge-ruch spuk te in den Pols tern, seit ei ner der Drei Stoo ges sei nen zum Abend es sen ver zehr ten Thun fisch ein topf da rauf er bro chen hat te.

In sei nem hek ti schen Be stre ben, das Te le fon ge spräch mög-lichst schnell zu be en den, hat te er Be verly ge sagt, kein Pro blem, sie sol le die Couch kau fen, nur zu. Be verly hat te wis sen wol len, was sie mit der al ten an fan gen soll te, und an die ser Stel le hat te Gol den sei nen Feh ler be gan gen: Kurz vor dem Aufl e gen hat te er et was da von ge sagt, dass die Schwes tern ei nen Platz da für im gro ßen Haus fin den könn ten.

In ih rer ge gen wär ti gen fi nan zi el len Si tu a ti on war es schon schlimm ge nug, Be verly zu er lau ben, eine neue Couch zu kau-fen, aber ihr dann noch zu sa gen, sie sol le die alte den Schwes-tern ge ben – er muss te wirk lich mal sei nen Kopf un ter su chen las sen. Die an de ren Frau en wa ren im Lau fe der Jah re im mer emp find li cher ge wor den, wenn es da rum ging, Bever lys auf ge-tra ge ne und ab ge leg te Sa chen in Emp fang zu neh men, und die blo ße Er wäh nung die ses The mas konn te auf der Stel le zu Vor-


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wür fen und Trä nen füh ren. Des halb war es kein Wun der, dass die Din ge sich so ent wi ckelt hat ten: Die drei Schwes ter-Frau en wa ren nach oben ge gan gen, um ih ren Teil des Abend es sens ab-seits von Be verly und der an stoß er re gen den Couch zu zu be rei-ten, und Be verly ih rer seits war un ten ge blie ben und hat te sich zu Un recht be schul digt ge fühlt. Schließ lich hat te sie ja nur Gol-dens Wunsch aus ge führt.

Als Gol den die Couch vom Trep pen ab satz aus nicht se hen konn te, lief er mit schnel len Schrit ten ins Wohn zim mer, und ehe er sich ver sah, trab te er wei ter, fast ohne zu hin ken. All die Jah-re, und noch nie hat te er die Renn bahn aus pro biert. Er folg te dem ver schlis se nen, ab ge nutz ten Pfad und nahm die ers te Kur-ve, und es war, als wer de er von ei ner spon tan er wach ten Gra-vi ta ti on vo ran ge trie ben. Er fühl te sich stark und schwe re los, als er am Ess tisch vor bei lief wie ein er folg rei cher Schlag mann, der das zwei te Base um run de te, und in je dem Zim mer dreh ten sich Kin der nach ihm um und sa hen ihm nach. Er sprang über ei nen Ei mer Bau klöt ze hin weg – Zim mer manns blei stif te und sei ne Zahn bürs te hüpf ten aus sei ner Hemd ta sche – und spür te nur ei nen win zi gen Stich im Knie. Er fühl te sich so wohl, dass er die Couch in der ers ten Run de gänz lich über sah; erst kurz vor dem Ende der zwei ten sah er sie – wie hat te sie ihm ent ge-hen kön nen? – in ei ner Ecke des Fa mi li en zim mers, weit ab seits von al lem, und sie er schien ihm ein ge fal len und er schöpft, als habe sie die gan ze Nacht ver zwei felt ge schluchzt.

Gol den ging in die Kü che und läu te te die Es sens glo cke, ein fünf und zwan zig Zen ti me ter lan ges al tes Schie nen stück, das an ei ner Ket te von der De cke hing. »Jungs! Ich brau che Jungs!«, rief er, und sie ka men an ge rannt, ver schwitzt und rot und taten-durs tig. »Je der ver füg ba re Jun ge zwi schen – mal se hen –, zwi-schen neun und vier zehn, wür de ich sa gen. Es gibt Mö bel zu rü cken. Dee an ne, du läufst nach oben in die Kü che und sagst den Müt tern dort, wir be sor gen ih nen eine an de re Couch. Jungs, die se hier schaf fen wir jetzt raus.«


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Be vor er an fan gen konn te, die Kom man dos zu ge ben, hat-ten sie die Couch schon hoch ge ho ben, schwank ten da mit los und prall ten ge gen den Tür rah men wie ein Trupp be trun ke ner Sarg trä ger. Plötz lich war Be verly hin ter ihm. »Was soll das?«, frag te sie.

»Na, wir ha ben be schlos sen, eine an de re Couch zu be sor gen. Die hier passt ei gent lich nicht be son ders gut zum Tep pich und zur, du weißt schon, zur Ein rich tung.«

»Und das jetzt? Die se Kin der müs sen ins Bett. Über die Couch kön nen wir mor gen dis ku tie ren.«

»Es dau ert doch nur eine Mi nu te. Die Jungs hel fen mir. Sind in zwei Se kun den wie der da.«

Gol den spür te Bever lys har ten Blick im Rü cken, aber er wich ihm aus, so gut es ging; er duck te sich, trat zur Sei te und nahm sich vor, sich nicht um zu dre hen, denn sonst wür de er nicht le-bend da von kom men. Er half den Jun gen, die Couch zur Haus-tür hi naus zu bug sie ren, und rief ih nen Auf mun te run gen zu, wenn ihre Arme nach ge ben woll ten. Der Him mel war von Ster-nen wol ken über zo gen, und es war kalt drau ßen; des halb be-schloss Gol den, an stel le des Pick- ups lie ber den al ten Ca dil lac zu neh men, ei nen 1963er Lei chen wa gen, den er Ted dy Horn-beck ab ge kauft hat te, als Ted dy sein Be stat tungs ins ti tut ver äu-ßert hat te und nach Flo ri da ge zo gen war, wo die Leu te da für be kannt wa ren, dass sie auf ei ner re gel mä ßi ge ren und zu ver-läs si gen Ba sis star ben. Der Lei chen wa gen hat te nur vier tau-send Mei len auf der Uhr und war eins der schöns ten Au tos, die Gol den je ge se hen hat te: ult ra lang und schnit tig, mit der blo-ßen An deu tung von Heck flos sen und mit Samt vor hän gen an den Fens tern, die ei nen In nen raum ver bar gen, der groß ge nug für ein Bridge tur nier war. Hin ter dem ein zel nen Rück sitz hat te Gol den drei he raus nehm ba re Bän ke aus ver schweiß ten Stahl-roh ren und Ei chen holz lat ten ein ge baut, und fer tig war er: der Traum wa gen des Fa mi li en va ters, ein Auto, mit dem man fünf Er wach se ne und drei zehn Kin der ei ni ger ma ßen stil voll trans-


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por tie ren konn te. Na tür lich fan den man che es mor bid, ja, so-gar res pekt los ge gen Gott und die Ver stor be nen, aber das mach-te Gol den nichts aus. Er lieb te das tie fe, vib rie ren de Brum men des Acht zy lin ders und die Art, wie der Wa gen mü he los über die Stra ße schweb te wie ein Kon zert flü gel, der in ei nem Fluss schwamm.

Als die Couch ein ge la den war und die Jun gen drin nen sa ßen, zähl te er die Köp fe; wenn nicht je der Jun ge im genann-ten Al ters be reich im Wa gen säße, wür de spä ter die Höl-le los sein. Um si cher zu ge hen, dass er sie alle hat te, griff er auf sei ne Ge wohn heit zu rück, die Na men sei ner Kin der zur Me lo die von »The Old Gray Mare« lei se vor sich hin zu sin gen – Em NephiHelamanPaulineNaomiJo sep hine ParleyNovel la G aleSybil Dee an ne … –, nur so konn te er sie we nigs-tens halb wegs alle be hal ten. Nach dem er die Mäd chen und die klei ne ren Jun gen aus sor tiert hat te, stell te er fest, dass die Drei Stoo ges fehl ten. Er frag te, ob je mand wis se, wo sie wa ren, und be merk te, dass Clif ton sich auf sei nem Platz klein mach te.

»Rede, Clif ton«, be fahl Gol den.»Wa rum fragst du mich? Ich weiß nichts!«»Kein Grund, zu schrei en. Du sagst es mir jetzt so fort, oder

du bleibst zu Hau se bei den Mäd chen und den Ba bys.« Wie be stellt trat Pet auf die Ve ran da, leg te den Kopf in den Na cken und stimm te ein opern haf tes Kla ge ge heul an, weil sie zu rück-ge las sen wur de.

Clif ton schlug an ge wi dert mit der Faust auf den Sitz. »In der Be sen kam mer.«

»In der Be sen kam mer? Wie so in der Be sen kam mer?«Der Jun ge rich te te sich auf und hielt den Mund dicht an Gol-

dens Ohr. »Der Ei mer.«Und rich tig, sie wa ren in der Be sen kam mer, alle drei, mit he-

run ter ge las se nen Ho sen, drän gel ten sich um den Ei mer und ver-such ten, ihn gleich zei tig zu fül len. Der klei ne Fer ris war auch da, im mer noch von den Hüf ten ab wärts nackt, und war te te


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ge dul dig da rauf, dass er an die Rei he kam. Gol den konn te sich den Ge dan ken nicht ver knei fen, dass ir gend et was nicht stimm te in ei nem Haus halt, in dem der Hund eine Un ter ho se trug und die Kin der nicht.

»Jungs«, sag te Gol den, als er den Kopf in die Be sen kam mer steck te. »Was fällt euch ein?«

Of fen bar spür ten sie die gute Lau ne ih res Va ters, denn sie schau ten nur grin send zu ihm auf und pin kel ten wei ter. Gol-den ließ sie Still schwei gen ge lo ben, be vor er sie alle hi naus in den Flur scheuch te, auch Coo ter, den er un ter sei nem Hemd hi-naus schmug gel te. Sie schli chen sich am All zw eck zim mer vor-bei, wo Be verly wie der an ih rer Näh ma schi ne saß, und als sie ge ra de hin aus schlüp fen woll ten, fühl te Gol den, dass je mand ihn hin ten am Hemd zupf te, was ihn so sehr er schreck te, dass er Coo ter un ter sei nem Arm zu sam men drück te wie den Bla se-balg ei nes Du del sacks.

Hin ter ihm war nicht Be verly, son dern Trish. »Willst du ir-gend wo hin?«, flüs ter te sie.

»Ich will die se Couch aus wech seln«, flüs ter te er zu rück. »Ich neh me die Jungs hier mit. Es dau ert nicht lan ge.«

Sie trat ei nen Schritt nä her an ihn he ran, so dass er das Zi trus-sham poo rie chen konn te, das sie am liebs ten be nutz te. »Weißt du, mit wem du heu te Nacht zu sam men bist?«, frag te sie.

In Wahr heit wuss te er nie, mit wem er je weils die Nacht ver brin gen soll te. Je des Wo chen en de setz ten die Mä dels sich zu sam men und ent schie den mit Hil fe ei ner ge hei men al geb-ra i schen For mel, in wes sen Bett er in wel cher Nacht der kom-men den Wo che schla fen wür de. Er war im mer dank bar, wenn eine von ih nen so auf merk sam war, es ihm ein fach zu sa gen, statt ihn ra ten zu las sen.

»Mal über le gen«, sag te er. »Mit dir?« Er trat vol ler Un be ha-gen von ei nem Fuß auf den an dern, und sie warf ei nen neu gie-ri gen Blick auf die Beu le un ter sei nem Hemd, wo Coo ter sei ne Ach sel leck te.


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»Gut ge ra ten, Char lie Chan«, sag te sie und rück te noch ei-nen Schritt nä her he ran. Sie trug ein blau es Kleid, das er noch nie ge se hen hat te, und ihr Haar war zu ei nem Pfer de schwanz zu sam men ge bun den.

»Jungs«, sag te Gol den, »ihr geht schon raus zum Ca dil lac. Ich bin gleich da. Los.« Sie rem pel ten ei nan der mit den El len-bo gen an und lie fen im Zick zack hi naus auf den Ra sen. Vorn-ü ber ge beugt wipp ten sie ver stoh len mit den Köp fen und nah-men Kung-Fu-Po sen ein.

Trish sah sich kurz um, schlang ei nen Arm um sei ne Tail le und schien ihn küs sen zu wol len, als Her schel durch den Flur her an ge sprun gen kam und schrie: »Hub ba-hub ba!« Ei nen Au-gen blick spä ter leck te Coo ter wie der Gol dens Ach sel, und er grunzte und muss te ein La chen un ter drü cken.

»Okay«, sag te sie und ließ ihn ver wirrt los. »Mach nicht so lan ge.«

Stöh nend kämpf te er das La chen nie der, das wie eine Bla se in sei ner Keh le he rauf stieg und zu plat zen droh te, und er wand te sich ab und folg te den Jun gen. Am Stall, wo der Lei chen wa gen park te, wink te er noch ein mal und rief: »Bin so fort wie der da!«

Als alle ein ge stie gen wa ren, fuhr Gol den auf den High way und in Rich tung Stadt. Sein Plan war ein fach: Er wür de die Couch aus dem War te zim mer sei nes Im mo bi li en- und Bau un-ter neh mens ge gen Bever lys ka rier tes Monst rum ein tau schen. Er wür de die neue Couch ins Gro ße Haus brin gen, und al les hät te wie der sei ne Ord nung. Schwes ter Bar ba ra, die alte Lady aus der Kir che, die ihm ge le gent lich als Buch hal te rin und Emp fangs da-me zu Diens ten war, wür de nicht glück lich da rü ber sein, ihre neue Couch we gen ei nes häus li chen Dis puts im Ri chards-Clan zu ver lie ren, aber es war eine schlich te Tat sa che, dass Gol den mit Schwes ter Bar ba ra auch nicht re gel mä ßig schlief.

Der Mond war jetzt hin ter ei ner tief hän gen den Wol ken-bank ver steckt, und das Licht der Ster ne über ih nen schien sich zu ver dich ten und wie eine Rauch wol ke zu sam men zu zie-


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hen. Gol den fuhr lang sam an den Um ris sen von Was ser tanks und Ne ben ge bäu den und Sand stein hü geln vor bei, und mü he los steu er te er den Wa gen um Schlag lö cher und um pfeil schnel le Prä rie ha sen he rum, die vom hel len Drei eck sei nes Schein wer-fer lichts er fasst wur den. Aus der Hei zung weh te hei ßer Wind, Coo ter lag dö send auf sei nem Schoß, und die Jun gen hin ter ihm plau der ten schläf rig, und Gol den hielt den Fuß mit gleich mä-ßi gem Druck auf dem Gas pe dal und war zum ers ten Mal an die sem Abend so ent spannt, dass er tief aus at me te und sei nen wun den Hin tern in den wei chen Sitz sin ken ließ. Dann hör te er Ge tu schel und Ge ki cher hin ter sich.

»Ru sty stellt sich tot«, sag te je mand.Gol den dreh te sich um und sah, dass Ru sty mit ge schlos se nen

Au gen auf der Couch lag, die Hän de in der of fi zi el len Hal tung des To des über der Brust ge kreuzt. Ein paar Jun gen ki cher ten, und Ru sty selbst hat te Mühe, nicht zu grin sen.

Gol den trat auf die Brem se, und der Wa gen kam knir schend zum Ste hen. Das Heck rutsch te zur Sei te, als die Rei fen sich in den As phalt ver bis sen. Gol den knirsch te mit den Zäh nen, und sei ne Stim me war rau von plötz li cher Wut. »Hör auf da mit. Spiel so et was nie mals. Nie mals!«

Ru sty, der Schrä ge, der Troublem aker, der im mer al les falsch mach te, roll te sich von der Couch he run ter, kroch ans hin te re Ende des Wa gens, duck te sich zu sam men und win sel te, es tue ihm leid. Gol den hat te här ter als be ab sich tigt ge bremst; Coo ter war von sei nem Schoß ge rutscht, und meh re re Jun gen wa ren über ei nan der ge wor fen wor den. Alle blick ten jetzt zu ihm auf, er schro cken und mit kreis run den Au gen.

Gol den dreh te sich wie der nach vorn und hob Coo ter auf. Eine Wei le saß er nur da, schau te nach vorn durch die Front-schei be und ließ die Hän de auf dem Lenk rad lie gen, bis er wie-der lang sa mer at me te. Der Ge ruch von Aus puff ga sen war in den Wa gen ge drun gen, und man hör te nichts als das dunk le Un ter was ser gur geln des Mo tors. »Ich hät te nicht …«, sag te


UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Brady Udall

Der einsame PolygamistRoman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 736 Seiten, 13,5 x 21,5 cmISBN: 978-3-442-31134-7

Goldmann

Erscheinungstermin: Mai 2012

Er hat vier Frauen – und ist noch immer auf der Suche nach der einen, großen Liebe Golden Richards hat vier Ehefrauen, 28 Kinder und eine ordentliche Midlifecrisis. Seine Baufirmahat ihre besten Tage hinter sich, seine Familie ist außer Kontrolle und bekämpft sich, wo es nurgeht, und zu alledem macht ihm die Trauer um zwei seiner Kinder sehr zu schaffen. Viel zu oftfühlt er sich in seiner Familie nur noch als Außenstehender. Daher beschließt er, dass ihm etwasAbstand gut tun würde und übernimmt kurzerhand den Bau eines Bordells in einer Stadt, die einpaar Autostunden entfernt ist. Seiner Familie beichtet er allerdings nur die halbe Wahrheit. Fürsie arbeitet er an einem Seniorenheim. Was er ebenfalls nicht erzählt ist, dass er sich verliebthat. Dass seine neueste Liebe die Frau seines Auftraggebers ist, weiß er allerdings selbst nochnicht ...

Date post:	01-Aug-2020
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Brady Udall Der einsame Polygamist · 2018-10-07 · 8 ahJre) Louise (Tochter Nr. 11, »Das...

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