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Blessing Vorschau Herbst 2014

Date post: 10-Mar-2016
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Das Herbstprogramm 2014 des Blessing Verlags
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n Hamster der Enkelkinder einzufrieren, war der erste Fehler gewesen, den Max und Katriina in diesem Winter begangen hatten – bis zu ihrer Trennung sollten noch viele folgen. Es war ein Unfall. Max war auf d mster getreten. Er spürte, wie sich etwas Weiches unter seiner Fußsohle bewegte, und hörte ein eigenartiges, furchtbares Piepsen, aber da war es schon zu spät. Blixten war nur ein halbes Jahr alt geworden, und je rde er in eine Tüte gepackt und ganz weit hinten im Tieühlfach verstaut. Für ihre älteste Tochter Helen war das Grund genug, um in den folgenden zwei Wochen nicht mehr mit ihnen zu reden, aber als Max spä rüber nachdachte, fragte er sich, ob die Probleme im Grunde nicht schon im November angefangen hatten. Es war ein milder Herbst. Die Töölöbucht seufzte unter dem feuchten Novembernebel, während Jogger an langkeuchten. An einem Freitag am Ende des Monats waren Max und Katriina bei den Keskinens zum Abendessen eingeladen. Katriina mischte sich schnell unter die Gäste, während Max – wie er befürchtet hatt ben der Chefin seiner Frau platziert wurde. Wivan Winckelmann war eine kleine Frau von sechzig Jahren und besaß eine grässliche Stimme, allein dafür geschaffen, Max’ Nerven ausfindig zu machen und zu traktier arbeitete in leitender Funktion für die HUS, die für die medizinische Versorgung in der gesamten Region Helsinki zuständig war, und besaß damit einen enormen Einfluss auf den ganzen öffentlichen Sektor. Verheira r sie mit einem glatzköpfigen Kaninchengesicht namens Pertti. Er schien sich stets etwa einen Meter hinter ihr zu verbergen, als hätte er in Wivan ein effektives Schutzschild gegen eine bösartige und anspruchsvolle W unden. Die Keskinens wohnten in einem der neueren Viertel von Vuosaari, in einer Wohnung, die aussah, als käme sie aus einem modernen, finnischen Film: klinisch, weiß und steril. Eine Wohnung, in der sich, llte sich Max vor, ein Serienmörder wohlfühlen würde. Früher hatten sie in einem alten Jugendstilhaus an der Fredrikinkatu gewohnt. Die Keskinens hatten Max besser gefallen, als sie noch in der alten Wohnung gele ten. Es war eine dieser Wohnungen, die man während der Wirtschaſtskrise in den Neunzigerjahren günstig kaufen konnte. Risto war – genau wie Max – gut durch die Krise gekommen. Sie arbeiteten beide in Beruf von den schlechten Zeiten kaum in Mitleidenschaſt gezogen worden waren. Ganz im Gegenteil: Als der ganze Rest von Finnland in wirtschaſtlicher Depression und Massenarbeitslosigkeit versank, waren sowohl M auch Risto in ihrem jeweiligen Metier sehr erfolgreich. Die Krise schien die Nachfrage nach gesellschaſtlichen Analysen, die Max’ Spezialgebiet innerhalb der Soziologie darstellten, zu fördern. Risto wiederum, der ychiater arbeitete, wurden im Kielwasser der Konjunkturschwäche etliche Patienten zugespült, die schwer an Scheidungen oder persönlichen Tragödien zu tragen hatten. Max tauschte Wangenküsse mit Tuula Keskin anschließend bei Katriina untergehakt und mit einem Gin Tonic in der Hand in der Wohnung verschwand. Katriina und Max hatten während der ganzen Taxifahrt kein Wort gewechselt. Max hatte aus dem Autofens chaut und es genossen in Bewegung zu sein, das sanſte Gleiten des Wagens über die Sturenkatu, während der Regen wie glänzendes Konfetti herabfiel. Es hatte die ganze Woche geregnet, ein milder und angenehm gen, der die Baumstämme tief schwarz färbte und bewirkte, dass man an den Wangen ständig fror. In diesem Jahr war die Dunkelheit ganz plötzlich gekommen. Max hatte den ganzen Herbst an einem Manuskr arbeitet, mit einem Abgabetermin im März, der beunruhigend schnell näherrückte, und jedes Mal, wenn er nachmittags aus dem Fenster seines Arbeitszimmers schaute, wunderte er sich, dass die Tage so kurz geword ren. Ihre jüngste Tochter, Eva, war in diesem Herbst nach London gezogen, und Katriina war in einer, wie sie selbst es nannte, „Depression” versunken, was für Max eher die egozentrische Deutung des Umstands w ss Kinder irgendwann einmal erwachsen werden. Indem sie diese Entwicklung als Diagnose ihres persönlichen Zustandes interpretierte, konnte Katriina sie für ihre eigenen, dramatischen Zwecke nutzen. Als sie E August zum Flughafen gefahren hatten, erklärte Katriina in aller Breite – wie sie es immer tat –, was Eva nach ihrem Jahr in London alles tun sollte, wie sie ihren Lebenslauf zu planen hatte und wie viel Geld sie jed onat zurücklegen sollte, wenn sie erst einen Job ergattert hätte. Sie schlug gleichzeitig – als Alternative – vor, dass Eva ihr abgebrochenes Studium in Helsinki wieder aufnehmen und vielleicht sogar ihren Master mach nnte. “Weißt du was, Mama, ich kann das alles echt nicht mehr hören. Nicht alle Menschen planen ihr Leben bis ins letzte Detail voraus”, sagte Eva vom Rücksitz aus, wo sie auf ihrem Telefon herumtippte. Sie hatte d nzen Sommer bei ihnen gewohnt, weil sie ihre Wohnung gekündigt hatte, als sie von der Schule angenommen worden war. Alles nur, um Geld zu sparen, hatte sie behauptet. Einen Ferienjob hatte sie sich allerdings ni sorgt. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und hatte den Sommer damit verbracht, auf dem Balkon in der Sonne zu liegen und Wein zu trinken. “Nein, nein. Ich wollte damit nur sagen, dass es gut wäre, wenn du einen P test.” „Ich habe doch einen Plan. Ich werde Kunst studieren. Ich werde mich hoffentlich mit unzähligen attraktiven Briten verabreden. Für mich ist das genug. Weißt du überhaupt, wie schwer es ist, in diesen Studienga neinzukommen?” „Doch, doch, wir sind unheimlich stolz auf dich.” Max hatte versucht, sich herauszuhalten. Er war tatsächlich unheimlich stolz auf Eva. Katriina und Eva stritten sich manchmal über Dinge, die M ht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte, und er nahm an, dass es damit zu tun hatte, wie ähnlich die beiden einander waren. Sie schienen beide das Gefühl zu haben, dass ihnen die Welt gehörte. Dass Eva di nstellung von Katriina geerbt hatte, war offensichtlich, aber woher sie bei Katriina kam, konnte er sich nicht erklären. Sie war eines dieser Persönlichkeitsmerkmale, die man in der eorie leicht bewundern konnte, d e australische Krankenschwester Bonnie Ware hat jahrelang Menschen in den Tod begleitet, mit ihnen gesprochen und ihnen beim Sterben zugehört. Sie meint, es gäbe fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen u ne anders gemacht hätten: Sie hätten ihr eigenes Leben leben, nicht so viel arbeiten, ihre Gefühle zeigen, Freundschaſten pflegen und vermehrt ihr Glück suchen sollen. Doch was ist Glück? Wie finden wir es? Und wov ngt es ab? In den letzten Jahren hat die Wissenschaſt viel über unser Glück herausgefunden. Bevor wir uns der Philosophie zuwenden, hier also die wichtigsten Erkenntnisse. Die Glücksforschung geht davon aus, d ser Glück zur Hälſte genetisch bedingt ist. Wer die richtigen Gene hat, hat die Hälſte also bereits gescha. Die andere Hälſte wird wesentlich durch äußere Umstände bestimmt, durch das Lebensumfeld, durch glücklic gungen und Zufälle. Nur ein kleiner Teil des Glücks liegt in unserer eigenen Hand. Wir sind also nicht wirklich unseres Glückes Schmied. Was aber sind die Faktoren, die uns glücklich machen? Um es auf den Pun bringen: Gesundheit, Familie, Liebe, Freundschaſten, Arbeit, Wohlstand und Glaube. Woher man das weiß? Man hat es gemessen, indem man die Leute gefragt hat: „Wie zufrieden sind Sie derzeit – alles in allem – m em Leben? Auf einer Skala von 1-10?“. Was würden Sie ankreuzen? Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7.2. In der Schweiz liegt er bei 8.1. Die Dänen führen die Statistik an, mit einem Glückswert von 8.2. Vergleichswe glücklich sind die Bewohner ehemaliger kommunistischer Länder und Menschen in sehr armen Ländern Afrikas. Für den geringen Wohlstand auffallend glücklich sind die Bewohner Lateinamerikas und der Karib ahrscheinlich liegt das am Wetter. Aber das erklärt nicht alles. Auch in Afrika scheint die Sonne. Macht Geld glücklich? Nur bis zu einer bestimmten Summe. Wenn grundlegende Bedürfnisse gestillt sind, führt me ichtum kaum noch zu mehr Glück. In den westlichen Industrienationen stagniert das tägliche Wohlbefinden ab einem jährlichen Einkommen von 60’000 Euro. Darüber werden wir zwar reicher, aber nicht wirklich glü her. Zudem gilt: Das relative Einkommen ist wichtiger als das absolute: Unser Glück hängt davon ab, was diejenigen haben, mit denen wir uns vergleichen. Für Ihr Glück ist es wichtig, was Ihr Kollege im Büro verdie s Einkommen von Bill Gates berührt ihr Glück dagegen kaum. Wenn Sie also der kleinste Frosch im Teich sind, dann suchen Sie sich einfach einen neuen Teich, in dem Sie zu den Größten zähle n weiteres Problem mit zusätzlichem Reichtum ist, dass wir uns schnell an den neuen Wohlstand gewöhnen. Darum hält die Zufriedenheit bei einer Lohnerhöhung auch nur sechs Monate an und das Glück von Lottom nären sinkt sechs Monate nach dem Gewinn sogar oſt unter das Niveau vor dem Gewinn. Für das Unglück gilt dasselbe: Querschnittgelähmte sind bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall wieder so glücklich wie vorh s Nullniveau verschiebt sich dadurch, dass wir uns an die neuen Umstände gewöhnen. Nirgends zeigt sich die Macht der Gewohnheit stärker als beim Glück. Konsum ist die neue Religion, wird gesagt. Wir konsumier e verrückt – erreichen damit aber nicht, was wir wollen: Shoppen macht nämlich nur kurzfristig glücklich. Erwerben befriedigt, besitzen nicht. Darum kaufen wir immer weiter. Eine Studie hat gezeigt, dass wir un ld besser für soziale Aktivitäten und für aufregende Erlebnisse ausgeben sollten als für materielle Dinge. Menschen machen uns glücklich, nicht Dinge. Sie sollten die teuren Schuhe also besser im Schaufenster lassen u ttdessen mit Ihrer besten Freundin eine aufregende Reise machen. Auf dem Weg zum Glück helfen auch beten und meditieren: Religiöse Menschen sind glücklicher. Und Kinderkriegen? Ja, aber man muss warten, bis sgeflogen sind. Und Politik? Mitbestimmung kann helfen: Menschen, die Ihre Umwelt aktiv mitgestalten, sind glücklicher als Mitläufer. Vielleicht sind wir deshalb in Demokratien glücklicher als in Diktaturen. Und d bensalter? In der Mitte des Lebens sind wir am unglücklichsten. Am Anfang haben wir noch alles vor uns und gegen Ende werden wir genügsamer und machen uns weniger Illusionen. Und die Auswahlmöglichkeiten? l Auswahl macht unglücklich: Wenn Sie zwischen drei Marmeladesorten wählen können, sind sie zufriedener mit Ihrer Wahl, als wenn Ihnen fünfzehn Sorten zur Verfügung standen. Und Fernsehen? Macht unglückli so weg mit der Kiste. Eine überraschende Einsicht ist, dass man beim Verfolgen eines Ziels oſt glücklicher ist als dann, wenn man das Ziel erreicht hat. Vorfreude ist die schönste Freude, wie der Volksmund sagt. Dam sammen hängt jedoch die verflixte Sache mit den Erwartungen: Sind sie zu hoch, kann man nur enttäuscht werden. Leider kann man die eigenen Erwartungen jedoch nicht frei steuern, sie stellen sich von selbst ein. D t übrigens auch für das Glück. Man kann es nur selten erzwingen. „Alle rennen nach dem Glück – das Glück rennt hinterher“ wie Bertold Brecht schreibt. Das Glück gleicht eben doch einem Schmetterling: „Jag ihm na d er entwischt dir. Setzt dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder“, wie der indische eologe Anthony de Mello treffend festhält. Nun lassen wir aber die Kalendersprüche und schauen, was die Philosophie zu ück beizutragen hat. Wir fangen – wie sich das gehört – mit den alten Griechen an. „Glücklich bis über den Tod hinaus“. Stellen Sie sich vor, Sie führen ein glückliches Leben, werden alt und sterben friedlich. Im Sterbeb gend blicken Sie noch ein letztes Mal zurück und lassen Ihr Leben Revue passieren. Schließlich sagen Sie erleichtert: „Mein Leben ist so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Ein wahrhaſt gelungenes Leben!“. Kau ben Sie diese Sätze geäußert, entschlafen Sie. Doch dann wird alles anders: Nach ihrem Tod verbreitet Ihr Nachbar üble Gerüchte über Sie und ihre Familie. Die ganze Stadt redet plötzlich schlecht über Sie. Ihre Kind d erzürnt über die Vorwürfe und entschließen sich, als Racheakt den Nachbarn umzubringen. Fortan sind die Kinder gezwungen, ein Leben auf der Flucht zu führen. Sie überfallen Banken und rauben unschuld ute aus. Das Bild, das die Leute von Ihnen und Ihrer Familie haben, wird immer schlechter. Nun wirſt man Ihnen auch noch vor, Sie hätten Ihre Kinder nicht anständig erziehen können. Die Leute beschimpfen Sie u ucken auf ihr Grab. Würden Sie unter diesem Umständen immer noch sagen, dass ihr Leben „wahrhaſt gelungen“ sei? Diese Überlegung stammt von Aristoteles, dem Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Groß istoteles war einer der größten Philosophen überhaupt und ein Wissenschaſtler durch und durch. Er war gleichzeitig Biologe, Physiker, Psychologe, Logiker, Politologe, Dichtungstheoretiker, eologe und Ethiker. ttelalter nannte man ihn schlicht und einfach „den Philosophen“. Leider wissen wir nur sehr wenig über das private Leben dieses Universalgelehrten. Martin Heidegger, der deutsche Philosoph des 20. Jahrhunderts, fas HERBST 2014
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Page 1: Blessing Vorschau Herbst 2014

Den Hamster der Enkelkinder einzufrieren, war der erste Fehler gewesen, den Max und Katriina in diesem Winter begangen hatten – bis zu ihrer Trennung sollten noch viele folgen. Es war ein Unfall. Max war auf den Hamster getreten. Er spürte, wie sich etwas Weiches unter seiner Fußsohle bewegte, und hörte ein eigenartiges, furchtbares Piepsen, aber da war es schon zu spät. Blixten war nur ein halbes Jahr alt geworden, und jetzt wurde er in eine Tüte gepackt und ganz weit hinten im Tiefkühlfach verstaut. Für ihre älteste Tochter Helen war das Grund genug, um in den folgenden zwei Wochen nicht mehr mit ihnen zu reden, aber als Max später darüber nachdachte, fragte er sich, ob die Probleme im Grunde nicht schon im November angefangen hatten. Es war ein milder Herbst. Die Töölöbucht seufzte unter dem feuchten Novembernebel, während Jogger an ihr entlangkeuchten. An einem Freitag am Ende des Monats waren Max und Katriina bei den Keskinens zum Abendessen eingeladen. Katriina mischte sich schnell unter die Gäste, während Max – wie er befürchtet hatte – neben der Chefin seiner Frau platziert wurde. Wivan Winckelmann war eine kleine Frau von sechzig Jahren und besaß eine grässliche Stimme, allein dafür geschaffen, Max’ Nerven ausfindig zu machen und zu traktieren. Sie arbeitete in leitender Funktion für die HUS, die für die medizinische Versorgung in der gesamten Region Helsinki zuständig war, und besaß damit einen enormen Einfluss auf den ganzen öffentlichen Sektor. Verheiratet war sie mit einem glatzköpfigen Kaninchengesicht namens Pertti. Er schien sich stets etwa einen Meter hinter ihr zu verbergen, als hätte er in Wivan ein effektives Schutzschild gegen eine bösartige und anspruchsvolle Welt gefunden. Die Keskinens wohnten in einem der neueren Viertel von Vuosaari, in einer Wohnung, die aussah, als käme sie aus einem modernen, finnischen Film: klinisch, weiß und steril. Eine Wohnung, in der sich, so stellte sich Max vor, ein Serienmörder wohlfühlen würde. Früher hatten sie in einem alten Jugendstilhaus an der Fredrikinkatu gewohnt. Die Keskinens hatten Max besser gefallen, als sie noch in der alten Wohnung gelebt hatten. Es war eine dieser Wohnungen, die man während der Wirtschaftskrise in den Neunzigerjahren günstig kaufen konnte. Risto war – genau wie Max – gut durch die Krise gekommen. Sie arbeiteten beide in Berufen, die von den schlechten Zeiten kaum in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Ganz im Gegenteil: Als der ganze Rest von Finnland in wirtschaftlicher Depression und Massenarbeitslosigkeit versank, waren sowohl Max als auch Risto in ihrem jeweiligen Metier sehr erfolgreich. Die Krise schien die Nachfrage nach gesellschaftlichen Analysen, die Max’ Spezialgebiet innerhalb der Soziologie darstellten, zu fördern. Risto wiederum, der als Psychiater arbeitete, wurden im Kielwasser der Konjunkturschwäche etliche Patienten zugespült, die schwer an Scheidungen oder persönlichen Tragödien zu tragen hatten. Max tauschte Wangenküsse mit Tuula Keskinen, die anschließend bei Katriina untergehakt und mit einem Gin Tonic in der Hand in der Wohnung verschwand. Katriina und Max hatten während der ganzen Taxifahrt kein Wort gewechselt. Max hatte aus dem Autofenster geschaut und es genossen in Bewegung zu sein, das sanfte Gleiten des Wagens über die Sturenkatu, während der Regen wie glänzendes Konfetti herabfiel. Es hatte die ganze Woche geregnet, ein milder und angenehmer Regen, der die Baumstämme tief schwarz färbte und bewirkte, dass man an den Wangen ständig fror. In diesem Jahr war die Dunkelheit ganz plötzlich gekommen. Max hatte den ganzen Herbst an einem Manuskript gearbeitet, mit einem Abgabetermin im März, der beunruhigend schnell näherrückte, und jedes Mal, wenn er nachmittags aus dem Fenster seines Arbeitszimmers schaute, wunderte er sich, dass die Tage so kurz geworden waren. Ihre jüngste Tochter, Eva, war in diesem Herbst nach London gezogen, und Katriina war in einer, wie sie selbst es nannte, „Depression” versunken, was für Max eher die egozentrische Deutung des Umstands war, dass Kinder irgendwann einmal erwachsen werden. Indem sie diese Entwicklung als Diagnose ihres persönlichen Zustandes interpretierte, konnte Katriina sie für ihre eigenen, dramatischen Zwecke nutzen. Als sie Eva im August zum Flughafen gefahren hatten, erklärte Katriina in aller Breite – wie sie es immer tat –, was Eva nach ihrem Jahr in London alles tun sollte, wie sie ihren Lebenslauf zu planen hatte und wie viel Geld sie jeden Monat zurücklegen sollte, wenn sie erst einen Job ergattert hätte. Sie schlug gleichzeitig – als Alternative – vor, dass Eva ihr abgebrochenes Studium in Helsinki wieder aufnehmen und vielleicht sogar ihren Master machen könnte. “Weißt du was, Mama, ich kann das alles echt nicht mehr hören. Nicht alle Menschen planen ihr Leben bis ins letzte Detail voraus”, sagte Eva vom Rücksitz aus, wo sie auf ihrem Telefon herumtippte. Sie hatte den ganzen Sommer bei ihnen gewohnt, weil sie ihre Wohnung gekündigt hatte, als sie von der Schule angenommen worden war. Alles nur, um Geld zu sparen, hatte sie behauptet. Einen Ferienjob hatte sie sich allerdings nicht besorgt. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und hatte den Sommer damit verbracht, auf dem Balkon in der Sonne zu liegen und Wein zu trinken. “Nein, nein. Ich wollte damit nur sagen, dass es gut wäre, wenn du einen Plan hättest.” „Ich habe doch einen Plan. Ich werde Kunst studieren. Ich werde mich hoffentlich mit unzähligen attraktiven Briten verabreden. Für mich ist das genug. Weißt du überhaupt, wie schwer es ist, in diesen Studiengang hineinzukommen?” „Doch, doch, wir sind unheimlich stolz auf dich.” Max hatte versucht, sich herauszuhalten. Er war tatsächlich unheimlich stolz auf Eva. Katriina und Eva stritten sich manchmal über Dinge, die Max nicht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte, und er nahm an, dass es damit zu tun hatte, wie ähnlich die beiden einander waren. Sie schienen beide das Gefühl zu haben, dass ihnen die Welt gehörte. Dass Eva diese Einstellung von Katriina geerbt hatte, war offensichtlich, aber woher sie bei Katriina kam, konnte er sich nicht erklären. Sie war eines dieser Persönlichkeitsmerkmale, die man in der Theorie leicht bewundern konnte, dieDie australische Krankenschwester Bonnie Ware hat jahrelang Menschen in den Tod begleitet, mit ihnen gesprochen und ihnen beim Sterben zugehört. Sie meint, es gäbe fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen und gerne anders gemacht hätten: Sie hätten ihr eigenes Leben leben, nicht so viel arbeiten, ihre Gefühle zeigen, Freundschaften pflegen und vermehrt ihr Glück suchen sollen. Doch was ist Glück? Wie finden wir es? Und wovon hängt es ab? In den letzten Jahren hat die Wissenschaft viel über unser Glück herausgefunden. Bevor wir uns der Philosophie zuwenden, hier also die wichtigsten Erkenntnisse. Die Glücksforschung geht davon aus, dass unser Glück zur Hälfte genetisch bedingt ist. Wer die richtigen Gene hat, hat die Hälfte also bereits geschafft. Die andere Hälfte wird wesentlich durch äußere Umstände bestimmt, durch das Lebensumfeld, durch glückliche Fügungen und Zufälle. Nur ein kleiner Teil des Glücks liegt in unserer eigenen Hand. Wir sind also nicht wirklich unseres Glückes Schmied. Was aber sind die Faktoren, die uns glücklich machen? Um es auf den Punkt zu bringen: Gesundheit, Familie, Liebe, Freundschaften, Arbeit, Wohlstand und Glaube. Woher man das weiß? Man hat es gemessen, indem man die Leute gefragt hat: „Wie zufrieden sind Sie derzeit – alles in allem – mit ihrem Leben? Auf einer Skala von 1-10?“. Was würden Sie ankreuzen? Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7.2. In der Schweiz liegt er bei 8.1. Die Dänen führen die Statistik an, mit einem Glückswert von 8.2. Vergleichsweise unglücklich sind die Bewohner ehemaliger kommunistischer Länder und Menschen in sehr armen Ländern Afrikas. Für den geringen Wohlstand auffallend glücklich sind die Bewohner Lateinamerikas und der Karibik. Wahrscheinlich liegt das am Wetter. Aber das erklärt nicht alles. Auch in Afrika scheint die Sonne. Macht Geld glücklich? Nur bis zu einer bestimmten Summe. Wenn grundlegende Bedürfnisse gestillt sind, führt mehr Reichtum kaum noch zu mehr Glück. In den westlichen Industrienationen stagniert das tägliche Wohlbefinden ab einem jährlichen Einkommen von 60’000 Euro. Darüber werden wir zwar reicher, aber nicht wirklich glück-licher. Zudem gilt: Das relative Einkommen ist wichtiger als das absolute: Unser Glück hängt davon ab, was diejenigen haben, mit denen wir uns vergleichen. Für Ihr Glück ist es wichtig, was Ihr Kollege im Büro verdient; das Einkommen von Bill Gates berührt ihr Glück dagegen kaum. Wenn Sie also der kleinste Frosch im Teich sind, dann suchen Sie sich einfach einen neuen Teich, in dem Sie zu den Größten zählen.Ein weiteres Problem mit zusätzlichem Reichtum ist, dass wir uns schnell an den neuen Wohlstand gewöhnen. Darum hält die Zufriedenheit bei einer Lohnerhöhung auch nur sechs Monate an und das Glück von Lottomil-lionären sinkt sechs Monate nach dem Gewinn sogar oft unter das Niveau vor dem Gewinn. Für das Unglück gilt dasselbe: Querschnittgelähmte sind bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall wieder so glücklich wie vorher. Das Nullniveau verschiebt sich dadurch, dass wir uns an die neuen Umstände gewöhnen. Nirgends zeigt sich die Macht der Gewohnheit stärker als beim Glück. Konsum ist die neue Religion, wird gesagt. Wir konsumieren wie verrückt – erreichen damit aber nicht, was wir wollen: Shoppen macht nämlich nur kurzfristig glücklich. Erwerben befriedigt, besitzen nicht. Darum kaufen wir immer weiter. Eine Studie hat gezeigt, dass wir unser Geld besser für soziale Aktivitäten und für aufregende Erlebnisse ausgeben sollten als für materielle Dinge. Menschen machen uns glücklich, nicht Dinge. Sie sollten die teuren Schuhe also besser im Schaufenster lassen und stattdessen mit Ihrer besten Freundin eine aufregende Reise machen. Auf dem Weg zum Glück helfen auch beten und meditieren: Religiöse Menschen sind glücklicher. Und Kinderkriegen? Ja, aber man muss warten, bis sie ausgeflogen sind. Und Politik? Mitbestimmung kann helfen: Menschen, die Ihre Umwelt aktiv mitgestalten, sind glücklicher als Mitläufer. Vielleicht sind wir deshalb in Demokratien glücklicher als in Diktaturen. Und das Lebensalter? In der Mitte des Lebens sind wir am unglücklichsten. Am Anfang haben wir noch alles vor uns und gegen Ende werden wir genügsamer und machen uns weniger Illusionen. Und die Auswahlmöglichkeiten? Zu viel Auswahl macht unglücklich: Wenn Sie zwischen drei Marmeladesorten wählen können, sind sie zufriedener mit Ihrer Wahl, als wenn Ihnen fünfzehn Sorten zur Verfügung standen. Und Fernsehen? Macht unglücklich. Also weg mit der Kiste. Eine überraschende Einsicht ist, dass man beim Verfolgen eines Ziels oft glücklicher ist als dann, wenn man das Ziel erreicht hat. Vorfreude ist die schönste Freude, wie der Volksmund sagt. Damit zusammen hängt jedoch die verflixte Sache mit den Erwartungen: Sind sie zu hoch, kann man nur enttäuscht werden. Leider kann man die eigenen Erwartungen jedoch nicht frei steuern, sie stellen sich von selbst ein. Das gilt übrigens auch für das Glück. Man kann es nur selten erzwingen. „Alle rennen nach dem Glück – das Glück rennt hinterher“ wie Bertold Brecht schreibt. Das Glück gleicht eben doch einem Schmetterling: „Jag ihm nach, und er entwischt dir. Setzt dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder“, wie der indische Theologe Anthony de Mello treffend festhält. Nun lassen wir aber die Kalendersprüche und schauen, was die Philosophie zum Glück beizutragen hat. Wir fangen – wie sich das gehört – mit den alten Griechen an. „Glücklich bis über den Tod hinaus“. Stellen Sie sich vor, Sie führen ein glückliches Leben, werden alt und sterben friedlich. Im Sterbebett liegend blicken Sie noch ein letztes Mal zurück und lassen Ihr Leben Revue passieren. Schließlich sagen Sie erleichtert: „Mein Leben ist so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Ein wahrhaft gelungenes Leben!“. Kaum haben Sie diese Sätze geäußert, entschlafen Sie. Doch dann wird alles anders: Nach ihrem Tod verbreitet Ihr Nachbar üble Gerüchte über Sie und ihre Familie. Die ganze Stadt redet plötzlich schlecht über Sie. Ihre Kinder sind erzürnt über die Vorwürfe und entschließen sich, als Racheakt den Nachbarn umzubringen. Fortan sind die Kinder gezwungen, ein Leben auf der Flucht zu führen. Sie überfallen Banken und rauben unschuldige Leute aus. Das Bild, das die Leute von Ihnen und Ihrer Familie haben, wird immer schlechter. Nun wirft man Ihnen auch noch vor, Sie hätten Ihre Kinder nicht anständig erziehen können. Die Leute beschimpfen Sie und spucken auf ihr Grab. Würden Sie unter diesem Umständen immer noch sagen, dass ihr Leben „wahrhaft gelungen“ sei? Diese Überlegung stammt von Aristoteles, dem Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Großen. Aristoteles war einer der größten Philosophen überhaupt und ein Wissenschaftler durch und durch. Er war gleichzeitig Biologe, Physiker, Psychologe, Logiker, Politologe, Dichtungstheoretiker, Theologe und Ethiker. Im Mittelalter nannte man ihn schlicht und einfach „den Philosophen“. Leider wissen wir nur sehr wenig über das private Leben dieses Universalgelehrten. Martin Heidegger, der deutsche Philosoph des 20. Jahrhunderts, fasste

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Den Hamster der Enkelkinder einzufrieren, war der erste Fehler gewesen, den Max und Katriina in diesem Winter begangen hatten – bis zu ihrer Trennung sollten noch viele folgen. Es war ein Unfall. Max war auf den Hamster getreten. Er spürte, wie sich etwas Weiches unter seiner Fußsohle bewegte, und hörte ein eigenartiges, furchtbares Piepsen, aber da war es schon zu spät. Blixten war nur ein halbes Jahr alt geworden, und jetzt wurde er in eine Tüte gepackt und ganz weit hinten im Tiefkühlfach verstaut. Für ihre älteste Tochter Helen war das Grund genug, um in den folgenden zwei Wochen nicht mehr mit ihnen zu reden, aber als Max später darüber nachdachte, fragte er sich, ob die Probleme im Grunde nicht schon im November angefangen hatten. Es war ein milder Herbst. Die Töölöbucht seufzte unter dem feuchten Novembernebel, während Jogger an ihr entlangkeuchten. An einem Freitag am Ende des Monats waren Max und Katriina bei den Keskinens zum Abendessen eingeladen. Katriina mischte sich schnell unter die Gäste, während Max – wie er befürchtet hatte – neben der Chefin seiner Frau platziert wurde. Wivan Winckelmann war eine kleine Frau von sechzig Jahren und besaß eine grässliche Stimme, allein dafür geschaffen, Max’ Nerven ausfindig zu machen und zu traktieren. Sie arbeitete in leitender Funktion für die HUS, die für die medizinische Versorgung in der gesamten Region Helsinki zuständig war, und besaß damit einen enormen Einfluss auf den ganzen öffentlichen Sektor. Verheiratet war sie mit einem glatzköpfigen Kaninchengesicht namens Pertti. Er schien sich stets etwa einen Meter hinter ihr zu verbergen, als hätte er in Wivan ein effektives Schutzschild gegen eine bösartige und anspruchsvolle Welt gefunden. Die Keskinens wohnten in einem der neueren Viertel von Vuosaari, in einer Wohnung, die aussah, als käme sie aus einem modernen, finnischen Film: klinisch, weiß und steril. Eine Wohnung, in der sich, so stellte sich Max vor, ein Serienmörder wohlfühlen würde. Früher hatten sie in einem alten Jugendstilhaus an der Fredrikinkatu gewohnt. Die Keskinens hatten Max besser gefallen, als sie noch in der alten Wohnung gelebt hatten. Es war eine dieser Wohnungen, die man während der Wirtschaftskrise in den Neunzigerjahren günstig kaufen konnte. Risto war – genau wie Max – gut durch die Krise gekommen. Sie arbeiteten beide in Berufen, die von den schlechten Zeiten kaum in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Ganz im Gegenteil: Als der ganze Rest von Finnland in wirtschaftlicher Depression und Massenarbeitslo-sigkeit versank, waren sowohl Max als auch Risto in ihrem jeweiligen Metier sehr erfolgreich. Die Krise schien die Nachfrage nach gesellschaftlichen Analysen, die Max’ Spezialgebiet innerhalb der Soziologie darstellten, zu fördern. Risto wiederum, der als Psychiater arbeitete, wurden im Kielwasser der Konjunkturschwäche etliche Patienten zugespült, die schwer an Scheidungen oder persönlichen Tragödien zu tragen hatten. Max tauschte Wangenküsse mit Tuula Keskinen, die anschließend bei Katriina untergehakt und mit einem Gin Tonic in der Hand in der Wohnung verschwand. Katriina und Max hatten während der ganzen Taxifahrt kein Wort gewechselt. Max hatte aus dem Autofenster geschaut und es genossen in Bewegung zu sein, das sanfte Gleiten des Wagens über die Sturenkatu, während der Regen wie glänzendes Konfetti herabfiel. Es hatte die ganze Woche geregnet, ein milder und angenehmer Regen, der die Baumstämme tief schwarz färbte und bewirkte, dass man an den Wangen ständig fror. In diesem Jahr war die Dunkelheit ganz plötzlich gekommen. Max hatte den ganzen Herbst an einem Manuskript gearbeitet, mit einem Abgabetermin im März, der beunruhigend schnell näherrückte, und jedes Mal, wenn er nachmittags aus dem Fenster seines Arbeitszimmers schaute, wunderte er sich, dass die Tage so kurz geworden waren. Ihre jüngste Tochter, Eva, war in diesem Herbst nach London gezogen, und Katriina war in einer, wie sie selbst es nannte, „Depression” versunken, was für Max eher die egozentrische Deutung des Umstands war, dass Kinder irgendwann einmal erwachsen werden. Indem sie diese Entwicklung als Diagnose ihres persönlichen Zustandes interpretierte, konnte Katriina sie für ihre eigenen, dramatischen Zwecke nutzen. Als sie Eva im August zum Flughafen gefahren hatten, erklärte Katriina in aller Breite – wie sie es immer tat –, was Eva nach ihrem Jahr in London alles tun sollte, wie sie ihren Lebenslauf zu planen hatte und wie viel Geld sie jeden Monat zurücklegen sollte, wenn sie erst einen Job ergattert hätte. Sie schlug gleichzeitig – als Alternative – vor, dass Eva ihr abgebrochenes Studium in Helsinki wieder aufnehmen und vielleicht sogar ihren Master machen könnte. „Weißt du was, Mama, ich kann das alles echt nicht mehr hören. Nicht alle Menschen planen ihr Leben bis ins letzte Detail voraus”, sagte Eva vom Rücksitz aus, wo sie auf ihrem Telefon herumtippte. Sie hatte den ganzen Sommer bei ihnen gewohnt, weil sie ihre Wohnung gekündigt hatte, als sie von der Schule angenommen worden war. Alles nur, um Geld zu sparen, hatte sie behauptet. Einen Ferienjob hatte sie sich allerdings nicht besorgt. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und hatte den Sommer damit verbracht, auf dem Balkon in der Sonne zu liegen und Wein zu trinken. „Nein, nein. Ich wollte damit nur sagen, dass es gut wäre, wenn du einen Plan hättest.” „Ich habe doch einen Plan. Ich werde Kunst studieren. Ich werde mich hoffentlich mit unzähligen attraktiven Briten verab-reden. Für mich ist das genug. Weißt du überhaupt, wie schwer es ist, in diesen Studiengang hineinzukommen?”„Doch, doch, wir sind unheimlich stolz auf dich.” Max hatte versucht, sich herauszuhalten. Er war tatsäch-lich unheimlich stolz auf Eva. Katriina und Eva stritten sich manchmal über Dinge, die Max nicht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte, und er nahm an, dass es damit zu tun hatte, wie ähnlich die beiden einander waren. Sie schienen beide das Gefühl zu haben, dass ihnen die Welt gehörte. Dass Eva diese Einstellung von Katriina geerbt hatte, war offensichtlich, aber woher sie bei Katriina kam, konnte er sich nicht erklären. Sie war eines dieser Persönlichkeitsmerkmale, die man in der Theorie leicht bewundern konnte, die aber das Leben in der Praxis nicht einfacher machten. Seit er Katriina kannte, hatte sie nie gezögert, wenn sie etwas unbedingt haben wollte. Heute Abend hatte er zu verstehen gegeben, dass Katriina Eva vielleicht nicht jede Woche anrufen, sondern sie ihr eigenes Leben in London leben lassen sollte. Das hatte dazu geführt, dass Katriina ihn angeblafft hatte, weil er zwei Stunden vor dem Abendessen bei Risto und Tuula noch Tennis spielen wollte. Er hatte ihr entgegnet, dass sie nicht so viel Wein auf nüchternen Magen trinken solle, woraufhin sie gesagt hatte, dass er vielleicht mehr Zeit mit ihr verbringen könnte, dann bräuchte sie nicht zu trinken. So ging es weiter, bis Max die Tür hinter sich zuschlug und in den Regen hinausging, um sich auf den Weg zur Tennishal-le zu machen. Er hatte gespielt wie ein Holzklotz, grob und gereizt, und als er zu Hause in die Diele trat, hatte er noch schlechtere Laune als vorher. Am Ende hatten sie trotz allem ein Taxi zu den Keskinens genommen, ohne auf der Fahrt auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Max besaß keinen Führerschein. Als sie sich vor dreißig Jahren kennengelernt hatten, war Katriina begeistert gewesen von seiner Verweigerungshaltung gegenüber dem Individualverkehr. Jetzt verachtete sie ihn aus demselben Grund. Sie behauptete, dass diese Haltung während all der Jahre eher mit Faulheit und Geiz zu tun gehabt habe als mit Umweltschutz. Sie kamen zwanzig Minuten zu spät und wurden gleich aufgefordert, am Esstisch Platz zu nehmen. Max setzte sich und stellte fest, dass er die Mehrzahl der Gäste zumindest vom Sehen kannte: Wivan und Pertti, Tuula und Risto – Risto begrüßte ihn mit einem Nicken, während er um den Tisch ging und jedem einen Schnaps einschenkte –, einige Arbeitskollegen von Katriina in Begleitung ihrer Männer oder Frauen. Am Tisch saß auch ein chinesisches Paar, das sie einige Male selbst schon zum Abendessen eingeladen hatten. Der Mann hieß John, und Max hatte ihn als schweigsamen, aber sympathischen Experten für internationales Handelsrecht in Er-innerung. Ganz hinten, am anderen Ende des Tisches, saßen Stefan und Gun-Maj, ein finnlandschwedisches Paar, die ihr gesamtes Hab und Gut verkauft hatten, als sie in Pension gegangen waren. Inzwischen reisten sie durch Ostasien und organisierten teure Meditationskurse für Paare mittleren Alters, die aus den Mühlen des Alltags ausbrechen wollten. Stefan war stets gleichmäßig gebräunt und hatte sich neu

Die australische Krankenschwester Bonnie Ware hat jahrelang Menschen in den Tod begleitet, mit ihnen gesprochen und ihnen beim Sterben zugehört. Sie meint, es gäbe fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen und gerne anders gemacht hätten: Sie hätten ihr eigenes Leben leben, nicht so viel arbeiten, ihre Gefühle zeigen, Freundschaften pflegen und vermehrt ihr Glück suchen sollen. Doch was ist Glück? Wie finden wir es? Und wovon hängt es ab? In den letzten Jahren hat die Wissenschaft viel über unser Glück herausgefunden. Bevor wir uns der Philosophie zuwenden, hier also die wichtigsten Erkenntnisse. Die Glücksforschung geht davon aus, dass unser Glück zur Hälfte genetisch bedingt ist. Wer die richtigen Gene hat, hat die Hälfte also bereits geschafft. Die andere Hälfte wird wesentlich durch äußere Umstände bestimmt, durch das Lebensumfeld, durch glückliche Fügungen und Zufälle. Nur ein kleiner Teil des Glücks liegt in unserer eigenen Hand. Wir sind also nicht wirklich unseres Glückes Schmied. Was aber sind die Faktoren, die uns glücklich machen? Um es auf den Punkt zu bringen: Gesundheit, Familie, Liebe, Freundschaften, Arbeit, Wohlstand und Glaube. Woher man das weiß? Man hat es gemessen, indem man die Leute gefragt hat: „Wie zufrieden sind Sie derzeit – alles in allem – mit ihrem Leben? Auf einer Skala von 1-10?“. Was würden Sie ankreuzen? Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7.2. In der Schweiz liegt er bei 8.1. Die Dänen führen die Statistik an, mit einem Glückswert von 8.2. Vergleichsweise unglücklich sind die Bewohner ehemaliger kommunistischer Länder und Menschen in sehr armen Ländern Afrikas. Für den geringen Wohlstand auffallend glücklich sind die Bewohner Lateinamerikas und der Karibik. Wahrscheinlich liegt das am Wetter. Aber das erklärt nicht alles. Auch in Afrika scheint die Sonne. Macht Geld glücklich? Nur bis zu einer bestimmten Summe. Wenn grundlegende Bedürfnisse gestillt sind, führt mehr Reichtum kaum noch zu mehr Glück. In den westlichen Industrienationen stagniert das tägliche Wohlbefinden ab einem jährlichen Einkommen von 60’000 Euro. Darüber werden wir zwar reicher, aber nicht wirklich glücklicher. Zudem gilt: Das relative Einkommen ist wichtiger als das absolute: Unser Glück hängt davon ab, was diejenigen haben, mit denen wir uns vergleichen. Für Ihr Glück ist es wichtig, was Ihr Kolle-ge im Büro verdient; das Einkommen von Bill Gates berührt ihr Glück dagegen kaum. Wenn Sie also der kleinste Frosch im Teich sind, dann suchen Sie sich einfach einen neuen Teich, in dem Sie zu den Größten zählen. Ein weiteres Problem mit zusätzlichem Reichtum ist, dass wir uns schnell an den neuen Wohlstand gewöhnen. Darum hält die Zufriedenheit bei einer Lohnerhöhung auch nur sechs Monate an und das Glück von Lot-tomillionären sinkt sechs Monate nach dem Gewinn sogar oft unter das Niveau vor dem Gewinn. Für das Unglück gilt dasselbe: Querschnittgelähmte sind bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall wieder so glücklich wie vorher. Das Nullniveau verschiebt sich dadurch, dass wir uns an die neuen Umstände gewöhnen. Nirgends zeigt sich die Macht der Gewohnheit stärker als beim Glück. Konsum ist die neue Religion, wird gesagt. Wir konsumieren wie verrückt – erreichen damit aber nicht, was wir wollen: Shoppen macht nämlich nur kurzfristig glücklich. Erwerben befriedigt, besitzen nicht. Darum kaufen wir immer weiter. Eine Studie hat gezeigt, dass wir unser Geld besser für soziale Aktivitäten und für aufregende Erlebnisse ausgeben sollten als für materielle Dinge. Menschen machen uns glücklich, nicht Dinge. Sie sollten die teuren Schuhe also besser im Schaufenster lassen und stattdessen mit Ihrer besten Freundin eine aufregende Reise machen. Auf dem Weg zum Glück helfen auch beten und meditieren: Religiöse Menschen sind glücklicher. Und Kinderkriegen? Ja, aber man muss warten, bis sie ausgeflogen sind. Und Politik? Mitbestimmung kann helfen: Menschen, die Ihre Umwelt aktiv mitgestalten, sind glücklicher als Mitläufer. Vielleicht sind wir deshalb in Demokratien glücklicher als in Diktaturen. Und das Lebensalter? In der Mitte des Lebens sind wir am unglücklichsten. Am Anfang haben wir noch alles vor uns und gegen Ende werden wir genügsamer und machen uns weniger Il-lusionen. Und die Auswahlmöglichkeiten? Zu viel Auswahl macht unglücklich: Wenn Sie zwischen drei Marmeladesorten wählen können, sind sie zufriedener mit Ihrer Wahl, als wenn Ihnen fünfzehn Sorten zur Ver-fügung standen. Und Fernsehen? Macht unglücklich. Also weg mit der Kiste. Eine überraschende Einsicht ist, dass man beim Verfolgen eines Ziels oft glücklicher ist als dann, wenn man das Ziel erreicht hat. Vorfreude ist die schönste Freude, wie der Volksmund sagt. Damit zusammen hängt jedoch die verflixte Sache mit den Erwartungen: Sind sie zu hoch, kann man nur enttäuscht werden. Leider kann man die eigenen Erwartungen jedoch nicht frei steuern, sie stellen sich von selbst ein. Das gilt übrigens auch für das Glück. Man kann es nur selten erzwingen. „Alle rennen nach dem Glück – das Glück rennt hinterher“ wie Bertold Brecht schreibt. Das Glück gleicht eben doch einem Schmetterling: „Jag ihm nach, und er entwischt dir. Setzt dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder“, wie der indische Theologe Anthony de Mello treffend festhält. Nun lassen wir aber die Kalendersprüche und schauen, was die Philosophie zum Glück beizutragen hat. Wir fangen – wie sich das gehört – mit den alten Griechen an. „Glücklich bis über den Tod hinaus“. Stellen Sie sich vor, Sie führen ein glückliches Leben, werden alt und sterben friedlich. Im Sterbebett liegend blicken Sie noch ein letztes Mal zurück und lassen Ihr Leben Revue passieren. Schließlich sagen Sie erleichtert: „Mein Leben ist so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Ein wahrhaft gelungenes Leben!“. Kaum haben Sie diese Sätze geäußert, entschlafen Sie. Doch dann wird alles anders: Nach ihrem Tod verbreitet Ihr Nachbar üble Gerüchte über Sie und ihre Familie. Die ganze Stadt redet plötzlich schlecht über Sie. Ihre Kinder sind erzürnt über die Vorwürfe und entschließen sich, als Racheakt den Nachbarn umzubringen. Fortan sind die Kinder gezwun-gen, ein Leben auf der Flucht zu führen. Sie überfallen Banken und rauben unschuldige Leute aus. Das Bild, das die Leute von Ihnen und Ihrer Familie haben, wird immer schlechter. Nun wirft man Ihnen auch noch vor, Sie hätten Ihre Kinder nicht anständig erziehen können. Die Leute beschimpfen Sie und spucken auf ihr Grab. Würden Sie unter diesem Umständen immer noch sagen, dass ihr Leben „wahrhaft gelungen“ sei? Diese Überlegung stammt von Aristoteles, dem Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Großen. Aristoteles war einer der größten Philosophen überhaupt und ein Wissenschaftler durch und durch. Er war gleichzei-tig Biologe, Physiker, Psychologe, Logiker, Politologe, Dichtungstheoretiker, Theologe und Ethiker. Im Mittelalter nannte man ihn schlicht und einfach „den Philosophen“. Leider wissen wir nur sehr wenig über das private Leben dieses Universalgelehrten. Martin Heidegger, der deutsche Philosoph des 20. Jahrhunderts, fasste dessen Leben mit den Worten zusammen: „Aristoteles wurde geboren, arbeitete und starb“. Aber was für eine Arbeit! Aristoteles’ Schriften prägten das Weltbild bis in die Neuzeit hinein. Zwar wird seine Physik heute kaum noch gelesen, seine Ethik dafür um so mehr. In seiner einflussreichen Schrift „Nikomachische Ethik“ entwirft er nichts Geringeres als eine Theorie des guten Lebens. Warum die Schrift so heißt, weiß man nicht sicher – wahrscheinlich bezieht sich der Name auf seinen Sohn oder auf seinen Vater, die beide „Nikomachos“ hießen. Aristoteles ist der Ansicht, das angestrebte Ziel aller Menschen sei die „eudaimonia“ – ein griechisches Wort, das kaum ins Deutsche übersetzt werden kann. Manche sprechen von „Glückseligkeit“, andere von einem „guten“ oder „gelungenen Leben“, wieder andere einfach von „Glück“. Aristoteles meint nun, dass dieses Lebensglück das letzte und eigentliche Ziel des Menschen sei. Gewisse Dinge wollen wir nur, um mit ihnen etwas anderes zu erreichen. Sie sind nur Mittel zum Zweck, wie etwa Geld, Macht und Eigentum. Das Glück aber erstreben wir nicht, um etwas anderes zu erreichen. Es ist Selbstzweck. Spielen wir das an einem Beispiel durch: Angenommen, Sie wollen sich die Haare schneiden lassen. Wozu? Damit Sie gut aussehen. Und warum wollen Sie gut aussehen? Damit andere Personen Sie attraktiv finden. Und warum wollen Sie attraktiv sein? Damit Sie mit anderen ins Gespräch kommen. Und warum möchten Sie das? Damit Sie einen Partner kennenlernen. Aber wozu das? Um geliebt zu werden. Und wozu möchten Sie geliebt werden? Weil Sie das glücklich macht. Und wozu wollen Sie glücklich sein? Hmm. Schwer zu sagen. Die Frage, wozu wir glücklich sein wollen, macht keinen Sinn. Daran zeigt sich: Ein gelungenes Leben ist nie Mittel zum Zweck, sondern der Endzweck allen Tuns. Das gelungene Leben hängt nach Aristoteles von vielen verschiedenen Faktoren ab: von äußeren, körperlichen und seelischen Gütern. Zu den äußeren Gütern zählt er Reichtum, Freundschaft, Herkunft, Nachkommen, Ehre und günstige Zufälle. Zu den körperlichen Gütern gehören Gesundheit, Schönheit und Fitness. Und zu den seelischen Gütern zählen Tugenden wie Mut oder Aufrichtigkeit. Alle drei Arten von Gütern seien wichtig für das Glück. Ohne Mitgift und ohne günstige Zufälle könne man unmöglich glücklich werden. Wir sollten uns also weder von allen Äußerlichkeiten frei machen, noch sind wir die alleinigen Schmiede unseres Glücks. Und vor dem Ende des Lebens sollten wir nie über unser Leben urteilen, denn bereits morgen kann uns ein Unfall, eine Krankheit, eine Trennung oder ein Diebstahl ins Unglück stürzen. Gegen das Unglück sind wir nicht versichert. Auch nicht nach unserem Tod, meint Aristoteles. Wie das Gedankenspiel zu Beginn zeigt, gehört zu unserer Vorstellung eines gelungenen Lebens mehr ein glückliches Leben vor dem Tod. Unser Lebensideal reicht über den Tod hinaus. Wir möchten in guter Erinnerung bleiben – obwohl wir dann bereits tot sind und die üble Nachrede nicht mehr hören werden. Seltsam. Aber dasselbe gilt für unseren Körper. Wir möchten nicht, dass jemand mit unserem Kopf Fußball spielt, wenn wir tot sind. Aber warum eigentlich? Wir spüren doch nichts mehr! Lassen wir den Fußball und kommen zurück zu den Gütern, von denen unser Glück abhängt. Schauen wir uns die seelischen Güter, also die Tugenden, etwas genauer an. Die Griechen verstanden unter einer „Tugend“ nicht dasselbe wie wir: Für sie konnte auch ein Messer tugendhaft sein, nämlich dann, wenn es seine Aufgabe vortrefflich erfüllt, d.h. wenn es gut schneidet. Aristoteles glaubte, jedes Ding habe einen solchen Zweck – etwas, wozu es da ist und das es von Natur aus besonders gut kann. Tugendhaft sei etwas dann, wenn es seinen Zweck möglichst gut erfüllt. Das Messer muss schneiden und der Löwe muss die Gazelle reißen und sein Revier verteidigen. Was tugendhaft ist, ist vortrefflich in seiner Art. Aber gilt das auch für den Menschen? Und was ist der Zweck des Menschen?

Page 3: Blessing Vorschau Herbst 2014

Den Hamster der Enkelkinder einzufrieren, war der erste Fehler gewesen, den Max und Katriina in diesem Winter begangen hatten – bis zu ihrer Trennung sollten noch viele folgen. Es war ein Unfall. Max war auf den Hamster getreten. Er spürte, wie sich etwas Weiches unter seiner Fußsohle bewegte, und hörte ein eigenartiges, furchtbares Piepsen, aber da war es schon zu spät. Blixten war nur ein halbes Jahr alt geworden, und jetzt wurde er in eine Tüte gepackt und ganz weit hinten im Tiefkühlfach verstaut. Für ihre älteste Tochter Helen war das Grund genug, um in den folgenden zwei Wochen nicht mehr mit ihnen zu reden, aber als Max später darüber nachdachte, fragte er sich, ob die Probleme im Grunde nicht schon im November angefangen hatten. Es war ein milder Herbst. Die Töölöbucht seufzte unter dem feuchten Novembernebel, während Jogger an ihr entlangkeuchten. An einem Freitag am Ende des Monats waren Max und Katriina bei den Keskinens zum Abendessen eingeladen. Katriina mischte sich schnell unter die Gäste, während Max – wie er befürchtet hatte – neben der Chefin seiner Frau platziert wurde. Wivan Winckelmann war eine kleine Frau von sechzig Jahren und besaß eine grässliche Stimme, allein dafür geschaffen, Max’ Nerven ausfindig zu machen und zu traktieren. Sie arbeitete in leitender Funktion für die HUS, die für die medizinische Versorgung in der gesamten Region Helsinki zuständig war, und besaß damit einen enormen Einfluss auf den ganzen öffentlichen Sektor. Verheiratet war sie mit einem glatzköpfigen Kaninchengesicht namens Pertti. Er schien sich stets etwa einen Meter hinter ihr zu verbergen, als hätte er in Wivan ein effektives Schutzschild gegen eine bösartige und anspruchsvolle Welt gefunden. Die Keskinens wohnten in einem der neueren Viertel von Vuosaari, in einer Wohnung, die aussah, als käme sie aus einem modernen, finnischen Film: klinisch, weiß und steril. Eine Wohnung, in der sich, so stellte sich Max vor, ein Serienmörder wohlfühlen würde. Früher hatten sie in einem alten Jugendstilhaus an der Fredrikinkatu gewohnt. Die Keskinens hatten Max besser gefallen, als sie noch in der alten Wohnung gelebt hatten. Es war eine dieser Wohnungen, die man während der Wirtschaftskrise in den Neunzigerjahren günstig kaufen konnte. Risto war – genau wie Max – gut durch die Krise gekommen. Sie arbeiteten beide in Berufen, die von den schlechten Zeiten kaum in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Ganz im Gegenteil: Als der ganze Rest von Finnland in wirtschaftlicher Depression und Massenarbeitslo-sigkeit versank, waren sowohl Max als auch Risto in ihrem jeweiligen Metier sehr erfolgreich. Die Krise schien die Nachfrage nach gesellschaftlichen Analysen, die Max’ Spezialgebiet innerhalb der Soziologie darstellten, zu fördern. Risto wiederum, der als Psychiater arbeitete, wurden im Kielwasser der Konjunkturschwäche etliche Patienten zugespült, die schwer an Scheidungen oder persönlichen Tragödien zu tragen hatten. Max tauschte Wangenküsse mit Tuula Keskinen, die anschließend bei Katriina untergehakt und mit einem Gin Tonic in der Hand in der Wohnung verschwand. Katriina und Max hatten während der ganzen Taxifahrt kein Wort gewechselt. Max hatte aus dem Autofenster geschaut und es genossen in Bewegung zu sein, das sanfte Gleiten des Wagens über die Sturenkatu, während der Regen wie glänzendes Konfetti herabfiel. Es hatte die ganze Woche geregnet, ein milder und angenehmer Regen, der die Baumstämme tief schwarz färbte und bewirkte, dass man an den Wangen ständig fror. In diesem Jahr war die Dunkelheit ganz plötzlich gekommen. Max hatte den ganzen Herbst an einem Manuskript gearbeitet, mit einem Abgabetermin im März, der beunruhigend schnell näherrückte, und jedes Mal, wenn er nachmittags aus dem Fenster seines Arbeitszimmers schaute, wunderte er sich, dass die Tage so kurz geworden waren. Ihre jüngste Tochter, Eva, war in diesem Herbst nach London gezogen, und Katriina war in einer, wie sie selbst es nannte, „Depression” versunken, was für Max eher die egozentrische Deutung des Umstands war, dass Kinder irgendwann einmal erwachsen werden. Indem sie diese Entwicklung als Diagnose ihres persönlichen Zustandes interpretierte, konnte Katriina sie für ihre eigenen, dramatischen Zwecke nutzen. Als sie Eva im August zum Flughafen gefahren hatten, erklärte Katriina in aller Breite – wie sie es immer tat –, was Eva nach ihrem Jahr in London alles tun sollte, wie sie ihren Lebenslauf zu planen hatte und wie viel Geld sie jeden Monat zurücklegen sollte, wenn sie erst einen Job ergattert hätte. Sie schlug gleichzeitig – als Alternative – vor, dass Eva ihr abgebrochenes Studium in Helsinki wieder aufnehmen und vielleicht sogar ihren Master machen könnte. „Weißt du was, Mama, ich kann das alles echt nicht mehr hören. Nicht alle Menschen planen ihr Leben bis ins letzte Detail voraus”, sagte Eva vom Rücksitz aus, wo sie auf ihrem Telefon herumtippte. Sie hatte den ganzen Sommer bei ihnen gewohnt, weil sie ihre Wohnung gekündigt hatte, als sie von der Schule angenommen worden war. Alles nur, um Geld zu sparen, hatte sie behauptet. Einen Ferienjob hatte sie sich allerdings nicht besorgt. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und hatte den Sommer damit verbracht, auf dem Balkon in der Sonne zu liegen und Wein zu trinken. „Nein, nein. Ich wollte damit nur sagen, dass es gut wäre, wenn du einen Plan hättest.” „Ich habe doch einen Plan. Ich werde Kunst studieren. Ich werde mich hoffentlich mit unzähligen attraktiven Briten verab-reden. Für mich ist das genug. Weißt du überhaupt, wie schwer es ist, in diesen Studiengang hineinzukommen?”„Doch, doch, wir sind unheimlich stolz auf dich.” Max hatte versucht, sich herauszuhalten. Er war tatsäch-lich unheimlich stolz auf Eva. Katriina und Eva stritten sich manchmal über Dinge, die Max nicht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte, und er nahm an, dass es damit zu tun hatte, wie ähnlich die beiden einander waren. Sie schienen beide das Gefühl zu haben, dass ihnen die Welt gehörte. Dass Eva diese Einstellung von Katriina geerbt hatte, war offensichtlich, aber woher sie bei Katriina kam, konnte er sich nicht erklären. Sie war eines dieser Persönlichkeitsmerkmale, die man in der Theorie leicht bewundern konnte, die aber das Leben in der Praxis nicht einfacher machten. Seit er Katriina kannte, hatte sie nie gezögert, wenn sie etwas unbedingt haben wollte. Heute Abend hatte er zu verstehen gegeben, dass Katriina Eva vielleicht nicht jede Woche anrufen, sondern sie ihr eigenes Leben in London leben lassen sollte. Das hatte dazu geführt, dass Katriina ihn angeblafft hatte, weil er zwei Stunden vor dem Abendessen bei Risto und Tuula noch Tennis spielen wollte. Er hatte ihr entgegnet, dass sie nicht so viel Wein auf nüchternen Magen trinken solle, woraufhin sie gesagt hatte, dass er vielleicht mehr Zeit mit ihr verbringen könnte, dann bräuchte sie nicht zu trinken. So ging es weiter, bis Max die Tür hinter sich zuschlug und in den Regen hinausging, um sich auf den Weg zur Tennishal-le zu machen. Er hatte gespielt wie ein Holzklotz, grob und gereizt, und als er zu Hause in die Diele trat, hatte er noch schlechtere Laune als vorher. Am Ende hatten sie trotz allem ein Taxi zu den Keskinens genommen, ohne auf der Fahrt auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Max besaß keinen Führerschein. Als sie sich vor dreißig Jahren kennengelernt hatten, war Katriina begeistert gewesen von seiner Verweigerungshaltung gegenüber dem Individualverkehr. Jetzt verachtete sie ihn aus demselben Grund. Sie behauptete, dass diese Haltung während all der Jahre eher mit Faulheit und Geiz zu tun gehabt habe als mit Umweltschutz. Sie kamen zwanzig Minuten zu spät und wurden gleich aufgefordert, am Esstisch Platz zu nehmen. Max setzte sich und stellte fest, dass er die Mehrzahl der Gäste zumindest vom Sehen kannte: Wivan und Pertti, Tuula und Risto – Risto begrüßte ihn mit einem Nicken, während er um den Tisch ging und jedem einen Schnaps einschenkte –, einige Arbeitskollegen von Katriina in Begleitung ihrer Männer oder Frauen. Am Tisch saß auch ein chinesisches Paar, das sie einige Male selbst schon zum Abendessen eingeladen hatten. Der Mann hieß John, und Max hatte ihn als schweigsamen, aber sympathischen Experten für internationales Handelsrecht in Er-innerung. Ganz hinten, am anderen Ende des Tisches, saßen Stefan und Gun-Maj, ein finnlandschwedisches Paar, die ihr gesamtes Hab und Gut verkauft hatten, als sie in Pension gegangen waren. Inzwischen reisten sie durch Ostasien und organisierten teure Meditationskurse für Paare mittleren Alters, die aus den Mühlen des Alltags ausbrechen wollten. Stefan war stets gleichmäßig gebräunt und hatte sich neu

Die australische Krankenschwester Bonnie Ware hat jahrelang Menschen in den Tod begleitet, mit ihnen gesprochen und ihnen beim Sterben zugehört. Sie meint, es gäbe fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen und gerne anders gemacht hätten: Sie hätten ihr eigenes Leben leben, nicht so viel arbeiten, ihre Gefühle zeigen, Freundschaften pflegen und vermehrt ihr Glück suchen sollen. Doch was ist Glück? Wie finden wir es? Und wovon hängt es ab? In den letzten Jahren hat die Wissenschaft viel über unser Glück herausgefunden. Bevor wir uns der Philosophie zuwenden, hier also die wichtigsten Erkenntnisse. Die Glücksforschung geht davon aus, dass unser Glück zur Hälfte genetisch bedingt ist. Wer die richtigen Gene hat, hat die Hälfte also bereits geschafft. Die andere Hälfte wird wesentlich durch äußere Umstände bestimmt, durch das Lebensumfeld, durch glückliche Fügungen und Zufälle. Nur ein kleiner Teil des Glücks liegt in unserer eigenen Hand. Wir sind also nicht wirklich unseres Glückes Schmied. Was aber sind die Faktoren, die uns glücklich machen? Um es auf den Punkt zu bringen: Gesundheit, Familie, Liebe, Freundschaften, Arbeit, Wohlstand und Glaube. Woher man das weiß? Man hat es gemessen, indem man die Leute gefragt hat: „Wie zufrieden sind Sie derzeit – alles in allem – mit ihrem Leben? Auf einer Skala von 1-10?“. Was würden Sie ankreuzen? Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7.2. In der Schweiz liegt er bei 8.1. Die Dänen führen die Statistik an, mit einem Glückswert von 8.2. Vergleichsweise unglücklich sind die Bewohner ehemaliger kommunistischer Länder und Menschen in sehr armen Ländern Afrikas. Für den geringen Wohlstand auffallend glücklich sind die Bewohner Lateinamerikas und der Karibik. Wahrscheinlich liegt das am Wetter. Aber das erklärt nicht alles. Auch in Afrika scheint die Sonne. Macht Geld glücklich? Nur bis zu einer bestimmten Summe. Wenn grundlegende Bedürfnisse gestillt sind, führt mehr Reichtum kaum noch zu mehr Glück. In den westlichen Industrienationen stagniert das tägliche Wohlbefinden ab einem jährlichen Einkommen von 60’000 Euro. Darüber werden wir zwar reicher, aber nicht wirklich glücklicher. Zudem gilt: Das relative Einkommen ist wichtiger als das absolute: Unser Glück hängt davon ab, was diejenigen haben, mit denen wir uns vergleichen. Für Ihr Glück ist es wichtig, was Ihr Kolle-ge im Büro verdient; das Einkommen von Bill Gates berührt ihr Glück dagegen kaum. Wenn Sie also der kleinste Frosch im Teich sind, dann suchen Sie sich einfach einen neuen Teich, in dem Sie zu den Größten zählen. Ein weiteres Problem mit zusätzlichem Reichtum ist, dass wir uns schnell an den neuen Wohlstand gewöhnen. Darum hält die Zufriedenheit bei einer Lohnerhöhung auch nur sechs Monate an und das Glück von Lot-tomillionären sinkt sechs Monate nach dem Gewinn sogar oft unter das Niveau vor dem Gewinn. Für das Unglück gilt dasselbe: Querschnittgelähmte sind bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall wieder so glücklich wie vorher. Das Nullniveau verschiebt sich dadurch, dass wir uns an die neuen Umstände gewöhnen. Nirgends zeigt sich die Macht der Gewohnheit stärker als beim Glück. Konsum ist die neue Religion, wird gesagt. Wir konsumieren wie verrückt – erreichen damit aber nicht, was wir wollen: Shoppen macht nämlich nur kurzfristig glücklich. Erwerben befriedigt, besitzen nicht. Darum kaufen wir immer weiter. Eine Studie hat gezeigt, dass wir unser Geld besser für soziale Aktivitäten und für aufregende Erlebnisse ausgeben sollten als für materielle Dinge. Menschen machen uns glücklich, nicht Dinge. Sie sollten die teuren Schuhe also besser im Schaufenster lassen und stattdessen mit Ihrer besten Freundin eine aufregende Reise machen. Auf dem Weg zum Glück helfen auch beten und meditieren: Religiöse Menschen sind glücklicher. Und Kinderkriegen? Ja, aber man muss warten, bis sie ausgeflogen sind. Und Politik? Mitbestimmung kann helfen: Menschen, die Ihre Umwelt aktiv mitgestalten, sind glücklicher als Mitläufer. Vielleicht sind wir deshalb in Demokratien glücklicher als in Diktaturen. Und das Lebensalter? In der Mitte des Lebens sind wir am unglücklichsten. Am Anfang haben wir noch alles vor uns und gegen Ende werden wir genügsamer und machen uns weniger Il-lusionen. Und die Auswahlmöglichkeiten? Zu viel Auswahl macht unglücklich: Wenn Sie zwischen drei Marmeladesorten wählen können, sind sie zufriedener mit Ihrer Wahl, als wenn Ihnen fünfzehn Sorten zur Ver-fügung standen. Und Fernsehen? Macht unglücklich. Also weg mit der Kiste. Eine überraschende Einsicht ist, dass man beim Verfolgen eines Ziels oft glücklicher ist als dann, wenn man das Ziel erreicht hat. Vorfreude ist die schönste Freude, wie der Volksmund sagt. Damit zusammen hängt jedoch die verflixte Sache mit den Erwartungen: Sind sie zu hoch, kann man nur enttäuscht werden. Leider kann man die eigenen Erwartungen jedoch nicht frei steuern, sie stellen sich von selbst ein. Das gilt übrigens auch für das Glück. Man kann es nur selten erzwingen. „Alle rennen nach dem Glück – das Glück rennt hinterher“ wie Bertold Brecht schreibt. Das Glück gleicht eben doch einem Schmetterling: „Jag ihm nach, und er entwischt dir. Setzt dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder“, wie der indische Theologe Anthony de Mello treffend festhält. Nun lassen wir aber die Kalendersprüche und schauen, was die Philosophie zum Glück beizutragen hat. Wir fangen – wie sich das gehört – mit den alten Griechen an. „Glücklich bis über den Tod hinaus“. Stellen Sie sich vor, Sie führen ein glückliches Leben, werden alt und sterben friedlich. Im Sterbebett liegend blicken Sie noch ein letztes Mal zurück und lassen Ihr Leben Revue passieren. Schließlich sagen Sie erleichtert: „Mein Leben ist so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Ein wahrhaft gelungenes Leben!“. Kaum haben Sie diese Sätze geäußert, entschlafen Sie. Doch dann wird alles anders: Nach ihrem Tod verbreitet Ihr Nachbar üble Gerüchte über Sie und ihre Familie. Die ganze Stadt redet plötzlich schlecht über Sie. Ihre Kinder sind erzürnt über die Vorwürfe und entschließen sich, als Racheakt den Nachbarn umzubringen. Fortan sind die Kinder gezwun-gen, ein Leben auf der Flucht zu führen. Sie überfallen Banken und rauben unschuldige Leute aus. Das Bild, das die Leute von Ihnen und Ihrer Familie haben, wird immer schlechter. Nun wirft man Ihnen auch noch vor, Sie hätten Ihre Kinder nicht anständig erziehen können. Die Leute beschimpfen Sie und spucken auf ihr Grab. Würden Sie unter diesem Umständen immer noch sagen, dass ihr Leben „wahrhaft gelungen“ sei? Diese Überlegung stammt von Aristoteles, dem Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Großen. Aristoteles war einer der größten Philosophen überhaupt und ein Wissenschaftler durch und durch. Er war gleichzei-tig Biologe, Physiker, Psychologe, Logiker, Politologe, Dichtungstheoretiker, Theologe und Ethiker. Im Mittelalter nannte man ihn schlicht und einfach „den Philosophen“. Leider wissen wir nur sehr wenig über das private Leben dieses Universalgelehrten. Martin Heidegger, der deutsche Philosoph des 20. Jahrhunderts, fasste dessen Leben mit den Worten zusammen: „Aristoteles wurde geboren, arbeitete und starb“. Aber was für eine Arbeit! Aristoteles’ Schriften prägten das Weltbild bis in die Neuzeit hinein. Zwar wird seine Physik heute kaum noch gelesen, seine Ethik dafür um so mehr. In seiner einflussreichen Schrift „Nikomachische Ethik“ entwirft er nichts Geringeres als eine Theorie des guten Lebens. Warum die Schrift so heißt, weiß man nicht sicher – wahrscheinlich bezieht sich der Name auf seinen Sohn oder auf seinen Vater, die beide „Nikomachos“ hießen. Aristoteles ist der Ansicht, das angestrebte Ziel aller Menschen sei die „eudaimonia“ – ein griechisches Wort, das kaum ins Deutsche übersetzt werden kann. Manche sprechen von „Glückseligkeit“, andere von einem „guten“ oder „gelungenen Leben“, wieder andere einfach von „Glück“. Aristoteles meint nun, dass dieses Lebensglück das letzte und eigentliche Ziel des Menschen sei. Gewisse Dinge wollen wir nur, um mit ihnen etwas anderes zu erreichen. Sie sind nur Mittel zum Zweck, wie etwa Geld, Macht und Eigentum. Das Glück aber erstreben wir nicht, um etwas anderes zu erreichen. Es ist Selbstzweck. Spielen wir das an einem Beispiel durch: Angenommen, Sie wollen sich die Haare schneiden lassen. Wozu? Damit Sie gut aussehen. Und warum wollen Sie gut aussehen? Damit andere Personen Sie attraktiv finden. Und warum wollen Sie attraktiv sein? Damit Sie mit anderen ins Gespräch kommen. Und warum möchten Sie das? Damit Sie einen Partner kennenlernen. Aber wozu das? Um geliebt zu werden. Und wozu möchten Sie geliebt werden? Weil Sie das glücklich macht. Und wozu wollen Sie glücklich sein? Hmm. Schwer zu sagen. Die Frage, wozu wir glücklich sein wollen, macht keinen Sinn. Daran zeigt sich: Ein gelungenes Leben ist nie Mittel zum Zweck, sondern der Endzweck allen Tuns. Das gelungene Leben hängt nach Aristoteles von vielen verschiedenen Faktoren ab: von äußeren, körperlichen und seelischen Gütern. Zu den äußeren Gütern zählt er Reichtum, Freundschaft, Herkunft, Nachkommen, Ehre und günstige Zufälle. Zu den körperlichen Gütern gehören Gesundheit, Schönheit und Fitness. Und zu den seelischen Gütern zählen Tugenden wie Mut oder Aufrichtigkeit. Alle drei Arten von Gütern seien wichtig für das Glück. Ohne Mitgift und ohne günstige Zufälle könne man unmöglich glücklich werden. Wir sollten uns also weder von allen Äußerlichkeiten frei machen, noch sind wir die alleinigen Schmiede unseres Glücks. Und vor dem Ende des Lebens sollten wir nie über unser Leben urteilen, denn bereits morgen kann uns ein Unfall, eine Krankheit, eine Trennung oder ein Diebstahl ins Unglück stürzen. Gegen das Unglück sind wir nicht versichert. Auch nicht nach unserem Tod, meint Aristoteles. Wie das Gedankenspiel zu Beginn zeigt, gehört zu unserer Vorstellung eines gelungenen Lebens mehr ein glückliches Leben vor dem Tod. Unser Lebensideal reicht über den Tod hinaus. Wir möchten in guter Erinnerung bleiben – obwohl wir dann bereits tot sind und die üble Nachrede nicht mehr hören werden. Seltsam. Aber dasselbe gilt für unseren Körper. Wir möchten nicht, dass jemand mit unserem Kopf Fußball spielt, wenn wir tot sind. Aber warum eigentlich? Wir spüren doch nichts mehr! Lassen wir den Fußball und kommen zurück zu den Gütern, von denen unser Glück abhängt. Schauen wir uns die seelischen Güter, also die Tugenden, etwas genauer an. Die Griechen verstanden unter einer „Tugend“ nicht dasselbe wie wir: Für sie konnte auch ein Messer tugendhaft sein, nämlich dann, wenn es seine Aufgabe vortrefflich erfüllt, d.h. wenn es gut schneidet. Aristoteles glaubte, jedes Ding habe einen solchen Zweck – etwas, wozu es da ist und das es von Natur aus besonders gut kann. Tugendhaft sei etwas dann, wenn es seinen Zweck möglichst gut erfüllt. Das Messer muss schneiden und der Löwe muss die Gazelle reißen und sein Revier verteidigen. Was tugendhaft ist, ist vortrefflich in seiner Art. Aber gilt das auch für den Menschen? Und was ist der Zweck des Menschen?

Belletristik

Philip Teir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4Winterkrieg

Oliver Harris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8 London Underground

Roope Lipasti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10 Ausflug mit Urne

Edward Rutherfurd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12 Paris

Diane Setterfield . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14 Aufstieg und Fall des Wollspinners William Bellman

Kathy Reichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16Knochen lügen nie

Sachbuch

Yves Bossart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20Ohne Heute gäbe es morgen kein Gestern

Florian Schui . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 24 Austerität

Luca Crippa; Maurizio Onnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 26 Der Fotograf von Auschwitz

Jung Chang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 28 Kaiserinwitwe Cixi

Michael Althen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 32 Liebling, ich bin im Kino!

Backlist

Dieter Hildebrandt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 34 Letzte Zugabe

Highlights . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 36

Inhalt HERBST 2014

Page 4: Blessing Vorschau Herbst 2014

Philip Teir

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Page 5: Blessing Vorschau Herbst 2014

Der Spiegel I Buchmesse-Beilagen von: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Die Zeit I Süddeutsche Zeitung

Online-Kampagne: perlentaucher.de I titel-kulturmagazin.netliteraturcafe.de I literaturforum.de

Publikumsanzeigen in auflagenstarken Medien:

Philip Teir

Bestsellermarketing

„Der Titel Winterkrieg kam mir in den Sinn, bevor ich überhaupt

angefangen hatte zu schreiben. So hatte ich einen Rahmen für das Buch, die

Zeitspanne November bis März also, und die Idee, dass zwischen

Katriina und Max eine Art Kriegszustand herrscht.“ PHILIP TEIR

StreifenplakatFormat 29,7 x 63 cm

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Philip Teir, geboren 1980, gilt als einer der wichtigs-ten Nachwuchsautoren Finnlands. Er hat bereits Gedichte und einen Band mit Kurzgeschichten veröffentlicht und ist Herausgeber von Anthologien. Winterkrieg ist sein erster Ro-man. Der Finnlandschwede Philip Teir lebt als freier Journa-list und Schriftsteller mit seiner Familie in Helsinki.

Max Paul ist Soziologe an der Universität von Helsinki und zugleich erfolgreicher Buchautor . Sein akademisches Stecken-pferd sind Sexualität und Ehe – seine eigene Ehe jedoch funk-tioniert schon lange nicht mehr. Während Max und seine Ehe-frau Katriina in eine immer tiefere Krise geraten, hadern auch ihre erwachsenen Töchter mit ihrem jeweiligen Lebensmo-dell: die Lehrerin und zweifache Mutter Helen genauso wie die Kunststudentin Eva, die mit knapp dreißig ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Als Eva eine Affäre mit ihrem Dozenten anfängt und Max eine mit einer jungen Journalistin, spitzt sich in einem kalten Winter in Helsinki die Situation der Familie Paul zu .

Ein brillant erzählter, psychologisch raffinierter Gesellschafts-roman über eine globale Mittelschicht auf der Suche nach dem Lebenssinn, hin- und hergerissen zwischen dem Streben nach Unabhängigkeit und der Sehnsucht nach Sicherheit .

Der große Gesellschaftsroman aus Finnland: ein zeitloses Bild derer, die alles haben und gerade deshalb nicht glücklich sein können.

Den Hamster der Enkelkinder einzufrieren, war der erste Fehler gewesen, den Max und Katriina in diesem Winter begangen hatten – bis zu ihrer Trennung sollten noch viele folgen. Es war ein Unfall. Max war auf den Hamster getreten. Er spürte, wie sich etwas Weiches unter seiner Fußsohle bewegte, und hörte ein eigenartiges, furchtbares Piepsen, aber da war es schon zu spät. Blixten war nur ein halbes Jahr alt geworden, und jetzt wurde er in eine Tüte gepackt und ganz weit hinten im Tiefkühlfach verstaut. Für ihre älteste Tochter Helen war das Grund genug, um in den folgenden zwei Wochen nicht mehr mit ihnen zu reden, aber als Max später darüber nachdachte, fragte er sich, ob die Probleme im Grunde nicht schon im November angefangen hatten. Es war ein milder Herbst. Die Töölöbucht seufzte unter dem feuchten Novembernebel, während Jogger an ihr entlangkeuchten. An einem Freitag am Ende des Monats waren Max und Katriina bei den Keskinens zum Abendessen eingeladen. Katriina mischte sich schnell unter die Gäste, während Max – wie er befürchtet hatte – neben der Chefin seiner Frau platziert wurde. Wivan Winckelmann war eine kleine Frau von sechzig Jahren und besaß eine grässliche Stimme, allein dafür geschaffen, Max’ Nerven ausfindig zu machen und zu traktieren. Sie arbeitete in leitender Funktion für die HUS, die für die medizinische Versorgung in der gesamten Region Helsinki zuständig war, und besaß damit einen enormen Einfluss auf den ganzen öffentlichen Sektor. Verheiratet war sie mit einem glatz-köpfigen Kaninchengesicht namens Pertti. Er schien sich stets etwa einen Meter hinter ihr zu verbergen, als hätte er in Wivan ein effektives Schutzschild gegen eine bösartige und anspruchsvolle Welt gefunden. Die Keskinens wohnten in einem der neueren Viertel von Vuosaari, in einer Wohnung, die aussah, als käme sie aus einem modernen, finnischen Film: klinisch, weiß und steril. Eine Wohnung, in der sich, so stellte sich Max vor, ein Serienmörder wohlfüh-len würde. Früher hatten sie in einem alten Jugendstilhaus an der Fredrikinkatu gewohnt. Die Keskinens hatten Max besser gefallen, als sie noch in der alten Wohnung gelebt hatten. Es war eine dieser Wohnungen, die man während der Wirtschaftskrise in den Neunzigerjahren günstig kaufen konnte. Risto war – genau wie Max – gut durch die Krise gekommen. Sie arbeiteten beide in Berufen, die von den schlechten Zeiten kaum in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Ganz im Gegenteil: Als der ganze Rest von Finnland in wirtschaftlicher Depression und Massenarbeitslosigkeit versank, waren sowohl Max als auch Risto in ihrem jeweiligen Metier sehr erfolgreich. Die Krise schien die Nachfrage nach gesellschaftlichen Analysen, die Max’ Spezialgebiet innerhalb der Soziologie darstellten, zu fördern. Risto wiederum, der als Psychiater arbeitete, wurden im Kielwasser der Konjunkturschwäche etliche Patienten zugespült, die schwer an Scheidungen oder persönlichen Tragödien zu tragen hatten. Max tauschte Wangenküsse mit Tuula Keskinen, die anschließend bei Katriina untergehakt und mit einem Gin Tonic in der Hand in der Wohnung verschwand. Katriina und Max hatten während der ganzen Taxifahrt kein Wort gewech-selt. Max hatte aus dem Autofenster geschaut und es genossen in Bewegung zu sein, das sanfte Gleiten des Wagens über die Sturenkatu, während der Regen wie glänzendes Konfetti herabfiel. Es hatte die ganze Woche geregnet, ein milder und angenehmer Regen, der die Baumstämme tief schwarz färbte und be-wirkte, dass man an den Wangen ständig fror. In diesem Jahr war die Dunkelheit ganz plötzlich gekommen. Max hatte den ganzen Herbst an einem Manu-skript gearbeitet, mit einem Abgabetermin im März, der beunruhigend schnell näherrückte, und jedes Mal, wenn er nachmittags aus dem Fenster seines Arbeitszimmers schaute, wunderte er sich, dass die Tage so kurz geworden waren. Ihre jüngste Tochter, Eva, war in diesem Herbst nach London gezogen, und Katriina war in einer, wie sie selbst es nannte, „Depression” versunken, was für Max eher die egozentrische Deutung des Umstands war, dass Kinder irgendwann einmal erwachsen werden. Indem sie diese Entwicklung als Diagnose ihres persönlichen Zustandes interpretierte, konnte Katriina sie für ihre eigenen, dramatischen Zwecke nutzen. Als sie Eva im August zum Flughafen gefahren hatten, erklärte Katriina in aller Breite – wie sie es immer tat –, was Eva nach ihrem Jahr in London alles tun sollte, wie sie ihren Lebenslauf zu planen hatte und wie viel Geld sie jeden Monat zurücklegen sollte, wenn sie erst einen Job ergattert hätte. Sie schlug gleichzeitig – als Alternative – vor, dass Eva ihr abgebrochenes Studium in Helsinki wieder aufnehmen und vielleicht sogar ihren Master machen könnte. „Weißt du was, Mama, ich kann das alles echt nicht mehr hören. Nicht alle Menschen planen ihr Leben bis ins letzte Detail voraus”, sagte Eva vom Rücksitz aus, wo sie auf ihrem Telefon herumtippte. Sie hatte den ganzen Sommer bei ihnen gewohnt, weil sie ihre Wohnung gekündigt hatte, als sie von der Schule angenommen worden war. Alles nur, um Geld zu sparen, hatte sie behauptet. Einen Ferienjob hatte sie sich allerdings nicht besorgt. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und hatte den Sommer damit verbracht, auf dem Balkon in der Sonne zu liegen und Wein zu trinken. „Nein, nein. Ich wollte damit nur sagen, dass es gut wäre, wenn du einen Plan hättest.” „Ich habe doch einen Plan. Ich werde Kunst studieren. Ich werde mich hof-fentlich mit unzähligen attraktiven Briten verabreden. Für mich ist das genug. Weißt du überhaupt, wie schwer es ist, in diesen Studiengang hineinzukom-men?” „Doch, doch, wir sind unheimlich stolz auf dich.” Max hatte versucht, sich herauszuhalten. Er war tatsächlich unheimlich stolz auf Eva. Katriina und Eva stritten sich manchmal über Dinge, die Max nicht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte, und er nahm an, dass es damit zu tun hatte, wie ähnlich die beiden einander waren. Sie schienen beide das Gefühl zu haben, dass ihnen die Welt gehörte. Dass Eva diese Einstellung von Katriina geerbt hatte, war offensichtlich, aber woher sie bei Katriina kam, konnte er sich nicht erklären. Sie war eines dieser Persönlichkeitsmerkmale, die man in der Theorie leicht bewundern konnte, die aber das Leben in der Praxis nicht einfacher machten. Seit er Katriina kannte, hatte sie nie gezögert, wenn sie etwas unbedingt haben wollte. Heute Abend hatte er zu verstehen gegeben, dass Katriina Eva vielleicht nicht jede Woche anrufen, sondern sie ihr eigenes Leben in London leben lassen sollte. Das hatte dazu geführt, dass Katriina ihn angeblafft hatte, weil er zwei Stunden vor dem Abendessen bei Risto und Tuula noch Tennis spielen wollte. Er hatte ihr entgegnet, dass sie nicht so viel Wein auf nüchternen Magen trinken solle, woraufhin sie gesagt hatte, dass er vielleicht mehr Zeit mit ihr verbringen könnte, dann bräuchte sie nicht zu trinken. So ging es weiter, bis Max die Tür hinter sich zuschlug und in den Regen hinausging, um sich auf den Weg zur Tennishalle zu machen. Er hatte gespielt wie ein Holzklotz, grob und gereizt, und als er zu Hause in die Diele trat, hatte er noch schlechtere Laune als vorher. Am Ende hatten sie trotz allem ein Taxi zu den Keskinens genommen, ohne auf der Fahrt auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Max besaß keinen Führerschein. Als sie sich vor dreißig Jahren kennengelernt hatten, war Katriina begeistert gewesen von seiner Verweigerungshaltung gegenüber dem Individualverkehr. Jetzt verachtete sie ihn aus demselben Grund. Sie behauptete, dass diese Haltung während all der Jahre eher mit Faulheit und Geiz zu tun gehabt habe als mit Umweltschutz. Sie kamen zwanzig Minuten zu spät und wurden gleich aufgefordert, am Esstisch Platz zu nehmen. Max setzte sich und stellte fest, dass er die Mehrzahl der Gäste zumindest vom Sehen kannte: Wivan und Pertti, Tuula und Risto – Risto begrüßte ihn mit einem Nicken, während er um den Tisch ging und jedem einen Schnaps einschenkte –, einige Arbeitskollegen von Katriina in Begleitung ihrer Männer oder Frauen. Am Tisch saß auch ein chinesisches Paar, das sie einige Male selbst schon zum Abendessen eingeladen hatten. Der Mann hieß John, und Max hatte ihn als schweigsamen, aber sympathischen Experten für internationales Handelsrecht in Erinnerung. Ganz hinten, am anderen Ende des Tisches, saßen Stefan und Gun-Maj, ein finnlandschwedisches Paar, die ihr gesamtes Hab und Gut verkauft hatten, als sie in Pension gegangen waren. Inzwischen reisten sie durch Ostasien und organisierten teure Meditationskurse für Paare mittleren Alters, die aus den Mühlen des Alltags ausbrechen wollten. Stefan war stets gleichmäßig gebräunt und hatte sich neuerdings ein albernes Ziegenbärtchen wachsen lassen. Max begrüßte seine Tischnachbarn. Wivan verwickelte ihn sofort in ein Gespräch. „Ich habe das Interview mit dir in der letzten Nummer von Anna gesehen. Gestern habe ich noch zu Pertti gesagt: Guck mal, das ist doch Max! Stimmt doch?” Pertti saß ein paar Stühle weiter und nickte, allem Anschein nach nicht, weil er seiner Frau zugehört hatte, sondern weil er darauf konditioniert war, ihr in jeder Situation beizupflichten. Wivan wandte sich erneut Max zu und und reichte ihm ein Tablett mit roter Beete. Ihr Armband klingelte gegen das Silbergeschirr. „Nein, du meinst bestimmt meinen Kollegen”, sagte Max. „Nein, dort stand, dass es sich um einen Soziologen von der Universität Helsinki handelte. Bei euch arbeiten doch nicht mehrere Soziologen, die Max Paul heißen?” Er reichte das Tablett weiter. „Doch, lustigerweise gibt es tatsächlich zwei an unserem Institut, und wir werden oft miteinander verwechselt.” Wivan verschlug es für ein paar Sekunden die Sprache, bevor sie nervös zu lachen begann. Max sah zu Katriina hinüber, aber sie schaute woanders hin. Sie hatte offensichtlich beschlossen, ihn für den Rest des Abends zu ignorieren. Er schaute auf ihr Weinglas und bemerkte, dass es schon halb geleert war, obwohl Risto gerade erst eingeschenkt hatte. „Nein, das ist mein voller Ernst. Das war ich nicht”, sagte er wieder an Wivan gewandt. Wivan hörte auf zu lachen und betrachtete ihn verwirrt. In gewisser Weise meinte es Max tatsächlich so, wie er es gesagt hatte: Bei der Person, die von Anna interviewt worden war, handelte es sich um eine Art Medienpersönlichkeit, die er zu solchen Anlässen hervorholte, wenn beispielsweise eine Frauenzeitschrift anrief und einen kurzen Oneliner oder zwei haben wollte. Meistens ging es um Familien oder um Sex, worüber Max zwar auch gelegentlich geforscht hatte, was aber keineswegs seine Themenschwerpunkte darstellte. Aber je mehr dieser Interviews er führte, desto mehr Journalisten riefen an und wollten mit dem „Sexprofessor” reden. Max hatte sich zwar geschworen, nie wieder auf diese Art von Fragen zu antworten, weil

schrieb. Zuerst stellte sie sich vor – Max bekam ihren Namen gar nicht richtig mit – und erklärte, dass sie im Auftrag der Zeitschrift Anna anrufe. „Ich schreibe gerade einen Artikel über das Hausfrauenideal von Heute. Könnten Sie sich vielleicht vorstellen, ein paar Fragen zu dem Thema zu beantworten?” „Nur zu”, erwiderte Max, während er sich weiterhin auf sein Diskussionsforum konzentrierte. Damit hatte er sich immer ausgiebiger beschäftigt. Es gab einige User, die häufig in denselben Diskussionen auftauchten wie Max. Mittlerweile diskutierten sie schon seit vielen Monaten heftig über alle möglichen Themen, angefangen vom Islam bis zum U-Bahn-Ausbau der Stadt Helsinki Richtung Westen. Max wusste, dass er sich auf solche Debatten im Internet gar nicht einlassen sollte. Die unmittelbare Befriedigung angesichts der Zerschlagung eines gegnerischen Arguments wurde sofort dadurch verdorben, dass der Streit doch niemals endete und es immer wieder neue Teilnehmer gab, die vom Thema ablenkten oder bewusst provozierten. Es war wie der Versuch, an einem Spielautomaten Geld zu gewinnen, man tat einen Schritt vorwärts und zwei wieder zurück. Und es machte genau so süchtig. Manchmal saß er nachts um zwei noch zu Hause und nahm an Diskussionen über die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen teil, um eine wissenschaftliche Perspektive einzubringen, obwohl er ganz genau wusste, dass es sich bei den anderen Teilnehmern um pubertierende Jugendliche handeln konnte. Die Frau am Telefon begann ihre Fragen zu stellen. „Ja, zunächst einmal … von verschiedener Seite wird ja behauptet, dass wir gerade einen neokonservativen Trend erleben, dass Frauen, die in den Achtzigerjahren geboren wurden, sich die traditionellen Ideale der Fünfzigerjahre zueigen machen. Fernsehserien wie Mad Men seien ein Beispiel dafür. Was sagen Sie dazu?” Das Hausfrauenideal? Das war ein Kinderspiel. Max brauchte nicht lange zu überlegen. „Das ist schwer zu sagen ohne statistische Grundlage. Wenn man sich die letzten zehn Jahre anschaut, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Die Leute heiraten später und immer mehr Paare leben ohne Trauschein zusammen. Außerdem machen Frauen Karriere und sind nicht länger an den Herd gefesselt.” „Und trotzdem ist da die Rede von diesem Trend …” „Natürlich kann man behaupten, dass es einen Trend gibt, aber das bedeutet nicht, dass er sich auch in der Statistik abzeichnet.” Er schloss seinen Browser. „Ja, aber in meinem Artikel geht es nun einmal um das neue Hausfrauenideal. Könnten Sie darüber etwas sagen? Ich meine, wir erleben im Augenblick ja ein riesiges Interesse am Kochen. Nur zum Beispiel. Was glauben Sie, woran liegt das?” „Die Leute müssen essen.” Die Frau am Telefon lachte höflich. „Klar, aber könnten Sie nicht etwas zu diesen Trends sagen? Ich meine, warum Frauen heutzutage mehr Zeit zu Hause verbringen und früher Kinder bekommen wollen?” Diesen Trend hatte Max tatsächlich aus nächster Nähe beobachten können. Seine ältere Tochter Helen hatte früh geheiratet und Kinder bekommen – ihm war das fast wie eine Rebellion gegen die Generation ihrer Eltern vorgekommen. Aber Eva schien nicht den Plan zu verfolgen, in die Fußstapfen ihrer Schwester zu treten. „Wollen sie das wirklich?”, fragte Max. „Also … ich habe die Zahlen jetzt nicht vor mir liegen, aber zurzeit wird ja viel über dieses neue Hausfrauenideal geredet … immer mehr Zeitschriften berichten darüber, und dann gibt es diese vielen neuen Zeitschriften, die sich direkt an junge Mütter richten …” Max war nicht dumm. Er wusste, wie solche Artikel zustande kamen: Man brauchte nur ein paar fantasieanregende Behauptungen und – das war das Allerwichtigste – einen sogenannten Case, einen Interviewpartner, der die These bekräftigen konnte, die der Verfasser verkaufen wollte. Im besten Fall brachte man noch einen mediengeilen Wissenschaftler wie Max dazu, die Hypothese zu bestätigen. Er dachte darüber nach, sie auflaufen zu lassen, aber dann beschloss er, ihr zu geben, was sie wollte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sprach langsam, damit sie alles notieren konnte. „Okay, wenn man die Ehe aus rein historischer Perspektive betrachtet, dann war sie schon immer konjunkturgebunden. Für lange Zeit war man davon ausgegangen, dass sich die Getreidepreise proportional zur Anzahl der Eheschließungen verhielten. Im achtzehnten Jahrhundert galt das beinahe als statistisches Axiom. Haben Sie das?” „Mhm”, antwortete sie. Er konnte hören, wie sie auf der Computertastatur klapperte. „Wenn die Kaufkraft niedrig ist, heiraten weniger Menschen. Bei uns im Westen haben wir heute einen extrem hohen Lebensstandard – man braucht mittlerweile also nicht mehr zu heiraten, um seine Versorgung zu sichern. Und diese Veränderung betrifft vor allem die Frauen. Die Ehe ist allerdings eine uralte Tradition, die Menschen haben schon immer in irgendeiner Form geheiratet, in allen Kulturen. Sie ist eine zählebige Institution. Heute heiraten die jungen Leute vielleicht, weil es ein Teil ihres Identitätsprojekts ist. Vielleicht geht es dabei nicht mehr um Sicherheit, sondern die Ehe wird zu einer Art Rollenspiel, zu einem Ritus des Erwachsenwerdens, den man in einer Zeit braucht, in der die Jugend zum absurden Dauerzustand geworden ist. Oder, wie Sie es ausdrücken, zu einem Trend. Als ich jung war, in den Siebzigerjahren, da wollten wir aus den Konventionen ausbrechen, für uns war die Ehe ein vorsintflutliches Relikt. Unsere Eltern repräsentierten die alten patriarchalen Muster, und wir wollten die Gleichberechtigung. Also, um Ihre Frage zu beantworten: der starke Trend besteht wohl darin, dass die Ehe ihr Gewicht als gesellschaftliche Institution immer mehr verliert. Sich scheiden zu lassen, war niemals leichter als heute. Vielleicht fällt es deshalb auch leichter zu heiraten.” Wenn er erst einmal angefangen hatte zu sprechen, wusste Max nie so genau, wie er enden würde, aber diese aus dem Stehgreif improvisierte Theorie fand er plausibel. Als der Text veröffentlicht wurde, war seine Antwort auf zwei Sätze zusammengekürzt worden. Au-ßerdem hatte ihm die Journalistin Worte in den Mund gelegt. Der Text lautete so: Der Soziologe Max Paul, Experte für Sexualwissenschaft, findet ebenfalls, dass das frühe Heiraten gerade einen Boom erlebt: „Die Ehe ist ein Teil unserer Natur, sie kommt in allen Kulturen vor. Mit einer Heirat setzen die jungen Leute ein Zeichen dafür, dass sie erwachsen sind, und noch nie war das Heiraten so einfach wie heute.” Wivan Winckelmann wartete immer noch darauf, dass Max ihr die Namensverwirrungen an seinem Institut ausführlicher erklärte. Er wollte gerade dazu ansetzen, als er vom anderen Ende des Tisches ein Räuspern vernahm. Risto wollte ein Trinklied singen. Er war ein notorischer Schnapstrinker, groß und kräftig gebaut und mit einem grauen Haarkranz, und er konnte während eines einzigen Abendessens mehr als zehnmal anstoßen, ohne davon betrunken zu werden. Er schien den Klang seiner eigenen Stimme zu lieben. Max überlegte, ob dies nicht ein allgemeines Kennzeichen für Psychologen sein konnte: Weil sie während der ganzen Woche gezwungen waren, stumm dazusitzen und zuzuhören, wurden sie am Wochenende geradezu zu Entertainern. Die Stimmung begann allmählich zu steigen und es wurde lauter in der Runde. Alle lachten über eine längere Geschichte, die Stefan am anderen Ende des Tisches zum Besten gab, aber weil an Max’ Ende nichts davon ankam, forderte Wivan ihren linken Tischnachbarn immer wieder dazu auf, Stefans Äußerungen zu wiederholen. Ganz offensichtlich überlebten die Pointen

Bestsellermarketing

Lesereise des Autors.

Page 7: Blessing Vorschau Herbst 2014

Ein intelligenter Roman über Familien, Beziehungen und Liebe, der an Jonathan Franzen und Siri Hustvedt erinnert.

Hardcover

Philip Teir WinterkriegRoman[Vinterkriget]Aus dem Finnlandschwedischen von Thorsten Alms350 Seiten | 13,5 x 21,5 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-534-7WG 1110, Belletristik

SEPTEMBER 2014

E-Book€ 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-14070-0

HörbuchRandom House AudioGelesen von Hans-Werner Meyer6 CDs | € 19,99 [D/A] | CHF 29,90*ISBN 978-3-8371-2819-2

Spitzentitel

7 I Belletristik

Philip Teir kommt auf Einladung des Ehrengast- programms FINNCOOL auf die Frankfurter Buchmesse, im Anschluss daran ist eine Lesereise geplant.

„Humorvoll und leichtfüßig, kulturkritisch und spannend.“ DAGENS NYHETER

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Leseexemplar

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Oliver Harris, geboren 1978, hat am University Col-lege of London Englische Literatur studiert und in Psycholo-gie promoviert. Sein Debüt London Killing, Detective Nick Belseys erster Fall, erschien 2012 bei Blessing. Oliver Harris lebt in London.

Bei einer Verfolgungsjagd durch die Londoner City entdeckt Detective Nick Belsey einen Bunker und ein mysteriöses Tun-nellabyrinth unter den Straßen der Stadt. Der Verdächtige verschwindet darin spurlos, aber der ungewöhnliche Ort bringt Belsey auf eine Idee: Am Abend verabredet er sich dort mit einer jungen Frau zu einem ganz besonderen Rendez-vous. Als er die junge Frau in der Dunkelheit des Tunnelsys-tems verliert, ist ihm bald klar, dass sie entführt worden ist.Weil niemand erfahren darf, dass er selbst in den Fall verwi-ckelt ist, ermittelt Belsey fieberhaft und muss seinen Kollegen immer einen Schritt voraus sein: Er liefert sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Entführer, gerät immer tiefer in die Lon-doner Unterwelt hinein und stößt dabei auf eine eiskalte Ra-chegeschichte, die bis in die Zeiten des Kalten Krieges zurück- reicht .

Ein intelligenter, wendungsreicher Thriller und ein neuer Fall für Detective Nick Belsey, der den Leser mit seinen Ermitt-lungsmethoden hart an der Grenze zur Illegalität in Atem hält .

Nick Belsey ist zurück: „Ein hinreißender Mistkerl von einem Helden!“ VAL MCDERMID

Lesereise des Autors.

Anzeigen in Programmheften von Krimifestivals

Marketing

Page 9: Blessing Vorschau Herbst 2014

Ein atemberaubender Thriller um späte Rache vor der beeindruckenden Kulisse Londons.

9 I Belletristik

London Killing stand monatelang auf der KrimiZEIT-Bestenliste: „Rasantes Debüt. Oliver Harris gewinnt dem British Noir unverfrorene Heiterkeit ab.“ TOBIAS GOHLIS

„Oliver Harris macht die britische Hauptstadt zu einem so unheimlichen Ort wie le Carré Berlin und Larsson Stockholm.“ THE EVENING STANDARD

Hardcover

Oliver Harris London Underground Thriller[Deep Shelter]Aus dem Englischen von Gunnar Kwisinskica. 500 Seiten | 13,5 x 21,5 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-449-4WG 1121, Krimis/Thriller

SEPTEMBER 2014

E-Book€ 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-09283-2

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Digitales LeseexemplarBitte bestellen Sie [email protected]

480 Seiten | Heyne Taschenbuch€ 9,99 [D] | € 10,30 [A] | CHF 14,90* ISBN 978-3-453-43717-3

Page 10: Blessing Vorschau Herbst 2014

Teemu und Janne, zwei ungleiche Brüder, machen sich mit der Asche ihres Stiefgroßvaters Jalmari auf den Weg ins ost-finnische Imatra. Dort soll der letzte Wille des Verstorbenen verkündet werden. Teemu, der als Versicherungsmathemati-ker arbeitet, und Janne, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, hoffen auf ein üppiges Erbe. Die Reise quer durch Finnland, auf der die Brüder die Lebensstationen Jalmaris ab-klappern, ist gleichzeitig eine Reise in ihre Vergangenheit. Zwischen den beiden flammen seit Langem schwelende Kon-flikte wieder auf, doch Schlägereien, schlechter Sex, verrückte Verwandte, bekiffte Tramper und schließlich die Liebe zu ei-ner Frau machen den beiden deutlich, dass sie trotz allem im selben Boot sitzen .

Ein humorvoller und scharfsinniger Roman über geplatzte Il-lusionen, über das Älterwerden und darüber, wie unter-schiedlich Menschen sein können, selbst wenn sie dieselben Eltern haben .

Ein lakonischer Roadtrip durch Finnland, bei dem hinter jeder Kurve etwas Unvorhergesehenes passiert.

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Roope Lipasti, geboren 1970, hat Literatur und Phi-losophie studiert und ist als Journalist und Kolumnist für gro-ße finnische Tageszeitungen und Magazine tätig. Er ist Autor von mehreren Kinderbüchern und erlangte mit seinem Blog Pihalla, in dem er satirisch den Alltag seiner Mitmenschen beschreibt, in Finnland große Popularität. Roope Lipasti lebt mit seiner Familie in Lieto, in der Nähe von Turku.

Lesereise des Autors.

Page 11: Blessing Vorschau Herbst 2014

„Ein sehr sympathischer Roman! Roope Lipasti schreibt einfühlsam und doppelsinnig und präsentiert dem Leser die Männerwelt als einen sehr tragikomischen Ort.“ KARJALAINEN

11 I Belletristik

Hardcover

Roope LipastiAusflug mit UrneRoman[Perunkirjoitus]Aus dem Finnischen von Regine Pirschel300 Seiten | 13,5 x 21,5 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-528-6WG 1110, Belletristik

AUGUST 2014

E-Book€ 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-14071-7

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„Man will am liebsten ständig irgendwelche Sätze unterstreichen oder sich Lipastis großartige Gedanken notieren.“ ETELÄ SAIMANAA

Für alle Fans von Arto Paasilinna und Mikael Niemi.

Page 12: Blessing Vorschau Herbst 2014

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Edward Rutherfurd, 1948 in Salisbury geboren, studierte in Cambridge und Stanford und lebt heute in New York. Seine Romane Sarum (1990), London (1998), Der Wald der Könige (Blessing, 2000), Die Prinzen von Irland (Blessing, 2005) und sein großer New-York-Roman Im Rausch der Frei-heit (Blessing, 2012) wurden internationale Bestseller.

Vier Familien, deren Schicksale sich mit der großen Historie dieser Stadt über Jahrhunderte verweben: Die adligen Le Cy-gnes sind mit den armen Le Sourds seit der Niederschlagung der Pariser Kommune in einer Rachegeschichte unheilvoll verbunden. Die Brüder Gascon, die in den Hinterhöfen von Montmartre zu Hause sind, erleben bei der Errichtung des Eif-felturms Glanz und Elend – und, was den älteren der beiden Gascons betrifft, die große Liebe. Und schließlich sind da die Blanchards, die im Napoleonischen Zeitalter im Kunsthandel ihr Glück machen, bevor sie 1940 im Zuge der deutschen Be-satzung alles zu verlieren drohen .

Von der Gründung in der Antike bis zum 20. Jahrhundert zeichnet dieser Roman die Entwicklung von Paris nach – far-benprächtig, detailgenau und ebenso reich an historisch be-deutenden Episoden wie an bewegenden Einzelschicksalen .

Der Meister des Monumental-Epos entdeckt Paris neu.

Page 13: Blessing Vorschau Herbst 2014

„Rutherfurds Recherchen sind phänomenal: Wer Paris liebt, wird hier überraschende Einblicke in die Geschichte der Stadt der Lichter finden.“ FRANCE TODAY

13 I Belletristik

„Wie Paris selbst ist dieser Roman unerschöpflich – reich an dramatischen Geschichten, bedeutsamen Momenten und berühmten historischen Persönlichkeiten.“ TORONTO STAR

300.000 verkaufte Bücher des Autors im deutschsprachigen Raum.

Hardcover

Edward RutherfurdParisRoman einer Stadt[Paris]Aus dem Englischen von Dietlind Falk und Lisa Kögeböhnca. 850 Seiten | 15 x 22,7 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 29,99 [D] | € 30,90 [A] | CHF 40,90*ISBN 978-3-89667-515-6WG 1113, Historische Romane

OKTOBER 2014

E-Book€ 23,99 [D/A] | CHF 30,–*ISBN 978-3-641-13787-8

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1 .152 SeitenGebunden mit Schutzumschlag€ 29,95 [D] | € 30,80 [A] | CHF 40,90*ISBN 978-3-89667-439-5

Auch als Heyne Taschenbuch

Page 14: Blessing Vorschau Herbst 2014

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Diane Setterfield ist promovierte Romanistin und lebte viele Jahre in Frankreich. Bevor sie sich Vollzeit der Schriftstellerei widmete, arbeitete sie als Lehrerin. Ihr Debüt, Die dreizehnte Geschichte, erschien 2007 bei Blessing und wurde mit Vanessa Redgrave in der Hauptrolle von der BBC verfilmt. Diane Setterfield lebt in Oxford.

William Bellman tötet als Kind eine Krähe, um seinen drei bes-ten Freunden zu beweisen, wie gut er mit der Steinschleuder umgehen kann. Am Abend nach der Tat glaubt er, unter dem Baum, auf dem die Krähe saß, einen schwarz gekleideten Jun-gen zu sehen .Zunächst scheint dies kein schlechtes Omen zu sein: Als Ju-gendlicher beginnt William in der Wollspinnerei seines Groß-vaters zu arbeiten, sein Onkel ernennt ihn bald zum Teilhaber, und als die beiden plötzlich sterben, übernimmt William die Spinnerei und macht daraus ein Erfolgsunternehmen .Doch dann häufen sich die mysteriösen Todesfälle in seiner Umgebung, seine Frau und seine Kinder erkranken schwer. Und William begegnet immer wieder einer dunklen Gestalt, die ihm schließlich einen verhängnisvollen Pakt anbietet, um seine Existenz und sein Glück zu retten ...

Eine kluge und fesselnde Geschichte, so unheimlich wie Der Rabe von Edgar Allan Poe und so parabelhaft wie Das kalte Herz von Wilhelm Hauff.

„Diane Setterfield ist unübertroffen in der Kunst des Erzählens.“ THE GUARDIAN

Streifenplakat

Leseprobe im Dispenserfür den Buchhandel

Marketing

Page 15: Blessing Vorschau Herbst 2014

Der neue Roman der Autorin des Bestsellers Die dreizehnte Geschichte.

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„Subtil und packend: eine hervorragende Lektüre für die Zeit, wenn die Tage kürzer werden.“ THE OXFORD TIMES

130.000 verkaufte Exemplare von Diane Setterfields erstem Roman Die dreizehnte Geschichte.

Hardcover

Diane SetterfieldAufstieg und Fall des Wollspinners William BellmanRoman[Bellman and Black]Aus dem Englischen von Anke Kreutzer380 Seiten | 13,5 x 21,5 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-525-5WG 1110, Belletristik

OKTOBER 2014

E-Book€ 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-13790-8

9<HTOIUG=ghfcff>

528 Seiten | Heyne Taschenbuch€ 9,99 [D] | € 10,30 [A] | CHF 14,90* ISBN 978-3-453-40549-3

Page 16: Blessing Vorschau Herbst 2014

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Page 17: Blessing Vorschau Herbst 2014

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TV-Werbung zur Primetime:

Spots bei RTL im Umfeld der Serie BONES mit wöchentlich mehr als 4 Mio. Zuschauern

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KATHY REICHS’ ROMANE – VORLAGE FÜR DIE TV-SERIE

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KATHY REICHS’ ROMANE – VORLAGE FÜR DIE TV-SERIE

BONESD I E K N O C H E N J Ä G E R I N

Tischbox10 Exemplare

Page 18: Blessing Vorschau Herbst 2014

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Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthro-pologie, und unter anderem als forensische Anthropologin für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Caro-lina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten. Tempe Brennan ermittelt auch in der von Reichs mitkreierten und -produzierten Fernsehserie BONES – Die Knochenjägerin.

Tempe Brennan kann mit ihrer Arbeit für die Gerichtsmedizin Tote nicht wieder lebendig machen . Doch zumindest kann sie Mordopfern Gerechtigkeit widerfahren lassen, indem sie den Tätern mit forensischer Wissenschaft und weiblicher Intuition auf die Spur kommt . Nur in einem einzigen Fall entkam ihr ein Killer: Anique Pomerleau, eine junge Frau, die selbst trauma-tische Misshandlungen hatte durchleben müssen. Und die sich an der Welt rächte, indem sie Mädchen entführte, quäl-te, tötete. Jetzt, zehn Jahre später, tauchen in Montreal die Leichen mehrerer vermisster Teenager auf . Tempe erkennt das Mord-muster, die Grauen erregende Handschrift: Anique ist zurück. Sie will ein letztes Mal Rache nehmen . Und sie kommt Tempe immer näher . . .

Mit ihrem Roman Totenmontag schrieb sich Kathy Reichs in die Ränge der weltweit erfolgreichsten Thrillerautoren („Ihr mit Abstand bestes Buch!“ BRIGITTE) . Mit Knochen lügen nie knüpft sie nun an diesen Fall an und stellt einmal mehr unter Beweis, dass sie „spannender über Leichen schreiben kann als die meisten ihrer Kollegen über lebendige Menschen“ (DENIS SCHECK).

Ihr Ziel: Gerechtigkeit für die Toten. Ein neuer Fall für Tempe Brennan.

Ab Juni 2014in neuer Ausstattung im Heyne Taschenbuch

384 Seiten € 9,99 [D] | € 10,30 [A] | CHF 14,90*ISBN 978-3-453-43771-5

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19 I Belletristik

Wöchentlich mehr als 4 Millionen Zuschauer für Tempe Brennan in BONES – Die Knochenjägerin.

„Die Mutter aller Pathologen ist und bleibt Tempe Brennan alias Bones, die [...] so sympathisch dickköpfig wie standhaft ermittelt.“ GRAZIA

Mehr als 120 Millionen verkaufte Bücher weltweit: Kathy Reichs, Thrillerkönigin.

Hardcover

Kathy ReichsKnochen lügen nieEin neuer Fall für Tempe BrennanThriller[Bones Never Lie]Aus dem Amerikanischen von Klaus Berrca. 360 Seiten | 13,5 x 21,5 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-453-1WG 1121, Krimis/Thriller

JANUAR 2015

E-Book€ 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-13789-2

HörbuchRandom House AudioGelesen von Britta Steffenhagen6 CDs€ 19,99 [D/A] | CHF 29,90*ISBN 978-3-8371-2670-9

Spitzentitel

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KATHY REICHS’ ROMANE – VORLAGE FÜR DIE TV-SERIE

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Bestsellermarketing

Die Zeit I Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung I SZ-Magazin KulturSpiegel I NZZ „Bücher am Sonntag“ I Buchkultur

Online-Kampagne:

Social-Media-Aktion mit dem Buchportal bilandia.Quiz auf Extra-Microsite und redaktionelle Begleitung auf der Facebook-Seite von bilandia und Facebook-Ads.

Publikumsanzeigen in auflagenstarken Medien:

Yves Bossart

„Philosophie ist Fantasie, die zu mehr Klarheit führt.“ YVES BOSSART

Page 22: Blessing Vorschau Herbst 2014

Die australische Krankenschwester Bonnie Ware hat jahrelang Menschen in den Tod begleitet, mit ihnen gesprochen und ihnen beim Sterben zugehört. Sie meint, es gäbe fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen und gerne anders gemacht hätten: Sie hätten ihr eigenes Leben leben, nicht so viel arbeiten, ihre Gefühle zeigen, Freundschaften pflegen und vermehrt ihr Glück suchen sollen. Doch was ist Glück? Wie finden wir es? Und wovon hängt es ab? In den letzten Jahren hat die Wissenschaft viel über unser Glück herausgefunden. Bevor wir uns der Philosophie zuwenden, hier also die wichtigsten Erkenntnisse. Die Glücksforschung geht davon aus, dass unser Glück zur Hälfte genetisch bedingt ist. Wer die richtigen Gene hat, hat die Hälfte also bereits geschafft. Die ande-re Hälfte wird wesentlich durch äußere Umstände bestimmt, durch das Lebensumfeld, durch glückliche Fügungen und Zufälle. Nur ein kleiner Teil des Glücks liegt in unserer eigenen Hand. Wir sind also nicht wirklich unseres Glückes Schmied. Was aber sind die Faktoren, die uns glücklich machen? Um es auf den Punkt zu bringen: Gesundheit, Familie, Liebe, Freundschaften, Arbeit, Wohlstand und Glaube. Woher man das weiß? Man hat es gemessen, indem man die Leute gefragt hat: „Wie zufrieden sind Sie derzeit – alles in allem – mit ihrem Leben? Auf einer Skala von 1-10?“. Was würden Sie ankreuzen? Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7.2. In der Schweiz liegt er bei 8.1. Die Dänen führen die Statistik an, mit einem Glückswert von 8.2. Vergleichsweise unglücklich sind die Bewohner ehemaliger kommunistischer Länder und Menschen in sehr armen Ländern Afrikas. Für den geringen Wohlstand auffallend glücklich sind die Bewohner Lateinamerikas und der Karibik. Wahrscheinlich liegt das am Wetter. Aber das erklärt nicht alles. Auch in Afrika scheint die Sonne. Macht Geld glücklich? Nur bis zu einer bestimmten Summe. Wenn grundlegende Bedürfnisse gestillt sind, führt mehr Reichtum kaum noch zu mehr Glück. In den west-lichen Industrienationen stagniert das tägliche Wohlbefinden ab einem jährlichen Einkommen von 60’000 Euro. Darüber werden wir zwar reicher, aber nicht wirklich glücklicher. Zudem gilt: Das relative Einkommen ist wichtiger als das absolute: Unser Glück hängt davon ab, was diejenigen haben, mit denen wir uns vergleichen. Für Ihr Glück ist es wichtig, was Ihr Kollege im Büro verdient; das Einkommen von Bill Gates berührt ihr Glück dagegen kaum. Wenn Sie also der kleinste Frosch im Teich sind, dann suchen Sie sich einfach einen neuen Teich, in dem Sie zu den Größten zählen. Ein weiteres Problem mit zusätzlichem Reichtum ist, dass wir uns schnell an den neuen Wohlstand gewöhnen. Darum hält die Zufriedenheit bei einer Lohnerhöhung auch nur sechs Monate an und das Glück von Lottomillionären sinkt sechs Monate nach dem Gewinn sogar oft unter das Niveau vor dem Gewinn. Für das Unglück gilt dasselbe: Quer-schnittgelähmte sind bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall wieder so glücklich wie vorher. Das Nullniveau verschiebt sich dadurch, dass wir uns an die neuen Umstände gewöhnen. Nirgends zeigt sich die Macht der Gewohnheit stärker als beim Glück. Konsum ist die neue Religion, wird gesagt. Wir konsumie-ren wie verrückt – erreichen damit aber nicht, was wir wollen: Shoppen macht nämlich nur kurzfristig glücklich. Erwerben befriedigt, besitzen nicht. Darum kaufen wir immer weiter. Eine Studie hat gezeigt, dass wir unser Geld besser für soziale Aktivitäten und für aufregende Erlebnisse ausgeben sollten als für materielle Dinge. Menschen machen uns glücklich, nicht Dinge. Sie sollten die teuren Schuhe also besser im Schaufenster lassen und stattdessen mit Ihrer besten Freundin eine aufregende Reise machen. Auf dem Weg zum Glück helfen auch beten und meditieren: Religiöse Menschen sind glücklicher. Und Kin-derkriegen? Ja, aber man muss warten, bis sie ausgeflogen sind. Und Politik? Mitbestimmung kann helfen: Menschen, die Ihre Umwelt aktiv mitgestalten, sind glücklicher als Mitläufer. Vielleicht sind wir deshalb in Demokratien glücklicher als in Diktaturen. Und das Lebensalter? In der Mitte des Lebens sind wir am unglücklichsten. Am Anfang haben wir noch alles vor uns und gegen Ende werden wir genügsamer und machen uns weniger Illusionen. Und die Auswahl-möglichkeiten? Zu viel Auswahl macht unglücklich: Wenn Sie zwischen drei Marmeladesorten wählen können, sind sie zufriedener mit Ihrer Wahl, als wenn Ihnen fünfzehn Sorten zur Verfügung standen. Und Fernsehen? Macht unglücklich. Also weg mit der Kiste. Eine überraschende Einsicht ist, dass man beim Verfolgen eines Ziels oft glücklicher ist als dann, wenn man das Ziel erreicht hat. Vorfreude ist die schönste Freude, wie der Volksmund sagt. Damit zusammen hängt jedoch die verflixte Sache mit den Erwartungen: Sind sie zu hoch, kann man nur enttäuscht werden. Leider kann man die eigenen Erwartungen jedoch nicht frei steuern, sie stellen sich von selbst ein. Das gilt übrigens auch für das Glück. Man kann es nur selten erzwingen. „Alle rennen nach dem Glück – das Glück rennt hinterher“ wie Bertold Brecht schreibt. Das Glück gleicht eben doch einem Schmetterling: „Jag ihm nach, und er entwischt dir. Setzt dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder“, wie der indische Theologe Anthony de Mello treffend festhält. Nun lassen wir aber die Kalendersprüche und schauen, was die Philosophie zum Glück beizutragen hat. Wir fangen – wie sich das gehört – mit den alten Griechen an. „Glücklich bis über den Tod hinaus“. Stellen Sie sich vor, Sie führen ein glückliches Leben, werden alt und sterben friedlich. Im Sterbebett liegend blicken Sie noch ein letztes Mal zurück und lassen Ihr Leben Revue passieren. Schließlich sagen Sie erleichtert: „Mein Leben ist so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Ein wahrhaft gelungenes Leben!“. Kaum haben Sie diese Sätze geäußert, entschlafen Sie. Doch dann wird alles anders: Nach ihrem Tod verbreitet Ihr Nachbar üble Gerüchte über Sie und ihre Familie. Die ganze Stadt redet plötzlich schlecht über Sie. Ihre Kinder sind erzürnt über die Vorwürfe und entschließen sich, als Racheakt den Nachbarn umzubringen. Fortan sind die Kinder gezwungen, ein Leben auf der Flucht zu führen. Sie überfallen Banken und rauben unschuldige Leute aus. Das Bild, das die Leute von Ihnen und Ihrer Familie haben, wird immer schlechter. Nun wirft man Ihnen auch noch vor, Sie hätten Ihre Kinder nicht anständig erziehen können. Die Leute beschimpfen Sie und spucken auf ihr Grab. Würden Sie unter diesem Umständen immer noch sagen, dass ihr Leben „wahrhaft gelungen“ sei? Diese Überlegung stammt von Aristoteles, dem Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Großen. Aristoteles war einer der größten Philosophen überhaupt und ein Wissenschaftler durch und durch. Er war gleichzeitig Biologe, Physiker, Psychologe, Logiker, Politologe, Dichtungstheoretiker, Theologe und Ethiker. Im Mittelalter nannte man ihn schlicht und einfach „den Philosophen“. Leider wissen wir nur sehr wenig über das private Leben dieses Universalgelehrten. Mar-tin Heidegger, der deutsche Philosoph des 20. Jahrhunderts, fasste dessen Leben mit den Worten zusammen: „Aristoteles wurde geboren, arbeitete und starb“. Aber was für eine Arbeit! Aristoteles’ Schriften prägten das Weltbild bis in die Neuzeit hinein. Zwar wird seine Physik heute kaum noch gelesen, seine Ethik dafür um so mehr. In seiner einflussreichen Schrift „Nikomachische Ethik“ entwirft er nichts Geringeres als eine Theorie des guten Lebens. Warum die Schrift so heißt, weiß man nicht sicher – wahrscheinlich bezieht sich der Name auf seinen Sohn oder auf seinen Vater, die beide „Nikomachos“ hießen. Aristoteles ist der Ansicht, das angestrebte Ziel aller Menschen sei die „eudaimonia“ – ein griechisches Wort, das kaum ins Deutsche übersetzt werden kann. Manche spre-chen von „Glückseligkeit“, andere von einem „guten“ oder „gelungenen Leben“, wieder andere einfach von „Glück“. Aristoteles meint nun, dass dieses Lebens-glück das letzte und eigentliche Ziel des Menschen sei. Gewisse Dinge wollen wir nur, um mit ihnen etwas anderes zu erreichen. Sie sind nur Mittel zum Zweck, wie etwa Geld, Macht und Eigentum. Das Glück aber erstreben wir nicht, um etwas anderes zu erreichen. Es ist Selbstzweck. Spielen wir das an einem Beispiel durch: Angenommen, Sie wollen sich die Haare schneiden lassen. Wozu? Damit Sie gut aussehen. Und warum wollen Sie gut aussehen? Damit ande-re Personen Sie attraktiv finden. Und warum wollen Sie attraktiv sein? Damit Sie mit anderen ins Gespräch kommen. Und warum möchten Sie das? Damit Sie einen Partner kennenlernen. Aber wozu das? Um geliebt zu werden. Und wozu möchten Sie geliebt werden? Weil Sie das glücklich macht. Und wozu wollen Sie glücklich sein? Hmm. Schwer zu sagen. Die Frage, wozu wir glücklich sein wollen, macht keinen Sinn. Daran zeigt sich: Ein gelungenes Leben ist nie Mittel zum Zweck, sondern der Endzweck allen Tuns. Das gelungene Leben hängt nach Aristoteles von vielen verschiedenen Faktoren ab: von äußeren, kör-perlichen und seelischen Gütern. Zu den äußeren Gütern zählt er Reichtum, Freundschaft, Herkunft, Nachkommen, Ehre und günstige Zufälle. Zu den kör-perlichen Gütern gehören Gesundheit, Schönheit und Fitness. Und zu den seelischen Gütern zählen Tugenden wie Mut oder Aufrichtigkeit. Alle drei Arten von Gütern seien wichtig für das Glück. Ohne Mitgift und ohne günstige Zufälle könne man unmöglich glücklich werden. Wir sollten uns also weder von allen Äußerlichkeiten frei machen, noch sind wir die alleinigen Schmiede unseres Glücks. Und vor dem Ende des Lebens sollten wir nie über unser Leben urteilen, denn bereits morgen kann uns ein Unfall, eine Krankheit, eine Trennung oder ein Diebstahl ins Unglück stürzen. Gegen das Unglück sind wir nicht versichert. Auch nicht nach unserem Tod, meint Aristoteles. Wie das Gedankenspiel zu Beginn zeigt, gehört zu unserer Vorstellung eines gelungenen Lebens mehr ein glückliches Leben vor dem Tod. Unser Lebensideal reicht über den Tod hinaus. Wir möchten in guter Erinnerung bleiben – obwohl wir dann bereits tot sind und die üble Nachrede nicht mehr hören werden. Seltsam. Aber dasselbe gilt für unseren Körper. Wir möchten nicht, dass jemand mit unserem Kopf Fußball spielt, wenn wir tot sind. Aber warum eigentlich? Wir spüren doch nichts mehr! Lassen wir den Fußball und kommen zurück zu den Gütern, von denen unser Glück abhängt. Schauen wir uns die seelischen Güter, also die Tugenden, etwas genauer an. Die Griechen verstanden unter einer „Tugend“ nicht dasselbe wie wir: Für sie konnte auch ein Messer tugendhaft sein, nämlich dann, wenn es seine Aufgabe vortrefflich erfüllt, d.h. wenn es gut schneidet. Aris-toteles glaubte, jedes Ding habe einen solchen Zweck – etwas, wozu es da ist und das es von Natur aus besonders gut kann. Tugendhaft sei etwas dann, wenn es seinen Zweck möglichst gut erfüllt. Das Messer muss schneiden und der Löwe muss die Gazelle reißen und sein Revier verteidigen. Was tugendhaft ist, ist vortrefflich in seiner Art. Aber gilt das auch für den Menschen? Und was ist der Zweck des Menschen? Nach Aristoteles ist der Mensch das einzige Lebewesen, das Vernunft hat. Der Mensch ist die Intelligenzbestie unter den Tieren. Denken ist seine Bestimmung. Das kann er besser als alle anderen. Deswegen soll er sich der Philosophie widmen und versuchen, Weisheit zu erlangen. Dann werde er glücklich. Denn das gelingende Leben bestehe im Tun dessen, was der ei-genen Natur entspricht. Aber leider ist das theoretische Grübeln nicht jedermanns Sache. Das wusste auch Aristoteles. Es gäbe aber nicht nur eine theoretische, sondern auch eine praktische Vernunft. Das Glück ist nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu finden, im richtigen Handeln. Aristoteles stellt der Weisheit die praktische Klugheit gegenüber, die uns im täglichen Leben hilft, die richtigen Entscheidungen zu fällen und so zu unserem Glück beiträgt. Aber was ist jeweils die richtig Entscheidung? Nach Aristoteles liegt diese oft in der Mitte zwischen zwei Extremen. Der Tugendhafte zeichne sich dadurch aus, dass er in jeder Situation die goldene Mitte trifft: Der Mutige ist weder tollkühn noch feige, der Besonnene ist weder impulsiv noch apathisch und der Groß-zügige ist weder geizig noch verschwenderisch. Aristoteles ist der Auffassung, dass wir uns diese Charakterzüge antrainieren können. Tugend ist lernbar. Und damit auch die Basis für das eigene Glück. Spaziergang bitteschön? Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Hund und würden friedlich in der Sonne liegen. Auf einmal spüren Sie, wie etwas an Ihnen zerrt. Nun bemerken Sie auch, dass Sie eine Leine tragen und an einen Wagen angekettet sind, der sich in diesem Mo-ment in Bewegung setzt und losfährt. Sie versuchen sich von der Leine zu befreien. Ohne Erfolg. Eben lagen Sie noch gemütlich in der Sonne und nun sind Sie gezwungen, aufzustehen und dem Wagen hinterherzulaufen. Wenn Sie sich dagegen sträuben und liegen bleiben, tun Sie sich weh. Auch wenn Sie wider-willig mitlaufen und sich darüber aufregen, schaden Sie sich selbst: Sie wären unruhig, verärgert und unzufrieden. Also entscheiden Sie sich, einen Spazier-gang zu machen. Schließlich scheint die Sonne und Bewegung tut ja bekanntlich gut. Und tatsächlich: Nach der Rückkehr fühlen Sie sich pudelwohl und körperlich angenehm erschöpft. Gratulation: Sie sind ein kluges Hündchen. Sie haben das Schicksal ausgetrickst! Diese Überlegung stammt von Seneca, einem berühmten Philosophen, der im 1. Jahrhundert in Rom lebte. Seneca war nicht nur ein begnadeter Redner und Politiker, sondern auch der Erzieher des jungen Nero, der später Kaiser von Rom wurde. Seneca kämpfte sein Leben lang mit gesundheitlichen Problemen, er litt an schweren Asthmaanfällen und chronischer Bronchitis. Selbstmordgedanken trieben ihn um. In älteren Jahren zog er sich aus der römischen Politik zurück, um sich ganz der Philosophie zu widmen. Als Folge eines Mordversuchs an Kaiser Nero beschuldigte dieser Seneca der Intrige und befahl ihm, Selbstmord zu begehen. Seneca nahm sich daraufhin mit 64 Jahren das Leben. Seneca gehört einer philosophischen Richtung an, die sich „Stoa“ nennt. Der Name leitet sich von der Säulenhalle (griechisch „stoa“) ab, die im antiken Athen als Treffpunkt für Zenon und seine Schüler diente. Zenon von Kition gilt als Begründer der Stoa und wurde um 300 v. Chr. auf Zypern ge-boren. Nachdem er als Händler Schiffbruch erlitt und seinen ganzen Besitz verlor, entdeckte er die Philosophie. Zenon glaubte, wie alle Stoiker nach ihm, die Welt werde von vernünftigen und göttlichen Gesetzen regiert. Die Griechen nannten diese Vernunft „Logos“. Dieses vernünftige Weltgesetz ist nach stoischer Auffassung zugleich unser Schicksal. Der Weltverlauf ist festgelegt. Das meiste liegt nicht in unserer Macht. Wir müssen uns fügen und die unabwendbaren Dinge des Lebens hinnehmen – mit stoischer Ruhe und Gelassenheit. Versuche nicht zu ändern, was sich nicht ändern lässt, sondern lebe gemäss der Natur! Das ist der oberste Imperativ der Stoa. Die stoische Haltung ist jedoch zu unterscheiden von einem Fatalismus. Zwar können wir die Gesetze der Welt nicht verändern, unsere Einstellung gegenüber der Welt aber schon. Wenn wir die Dinge nicht ändern können, dann sollten wir versuchen, unsere Einstellung ge-genüber den Dingen zu ändern – wie der angekettete Hund, der sich spontan zu einem Spaziergang entschließt, wenn ihm nichts anderes übrig bleibt. Es seien nämlich nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern unsere Meinungen und Urteile über die Dinge, schreibt der Sklave und Stoiker Epiktet im 1. Jahrhundert. Die Stoa ist, wie alle Philosophieschulen des Hellenismus, auf das menschliche Glück ausgerichtet. Ziel des Denkens ist das gute und glückliche Leben. Die Theorie dient der Praxis. Ziel des Nachdenkens ist ein sorgenfreies und glückliches Leben. Insofern gleicht die Philosophie einer Therapie. Sie soll uns von Sorgen, Ängsten und Leiden befreien, uns gegen die Schicksalsschläge des Lebens wappnen und uns zum Glück führen. Wie aber kann uns die Phi-losophie dabei helfen, glücklich zu werden? Das Glück besteht nach stoischer Auffassung in einem tugendhaften Leben. Glück ist also eine Frage der inneren Haltung, denn Tugenden sind nichts weiter als vortreffliche Charakterzüge. Eine der wichtigsten Tugenden ist nach stoischer Auffassung der Gleichmut: die Kontrolle über die eigenen Leidenschaften. Die Griechen sprachen gar von der „Apathie“, der Leidenschaftslosigkeit. Nach stoischer Auffassung machen uns die Leidenschaften nämlich abhängig und unfrei. Zorn, Ehrgeiz, Neid, Lust, Begierden und Angst machen uns zu Sklaven – wir geben unser eigenes Leben aus der Hand. Auch äußere Güter machen uns abhängig: Wer nach Reichtum, Besitz, Macht, Ansehen und Erfolg strebt, rennt Dingen hinterher, die ihn letztlich nicht glücklich machen, sondern versklaven. Hinter all diesen Überlegungen steht die Forderung, nichts als einen Wert anzusehen, was uns weggenommen werden kann. Dasjenige, was nicht in unserer Macht steht, sollte uns gleichgültig sein. Dazu zählen auch der Tod, Krankheiten, Armut, Schwäche und Häss-lichkeit. Die Stoiker unterscheiden zwischen guten, schlechten und gleichgültigen Dingen. Gut sind allein die Tugenden – Weisheit, Besonnenheit, Gerechtig-keit und Tapferkeit. Schlecht dagegen seien die Laster, wie Unbesonnenheit, Zügellosigkeit, Ungerechtigkeit und Feigheit. Alles andere sei gleichgültig: Leben, Tod, Ehre, Unehre, Mühe, Lust, Reichtum, Armut, Krankheit und ähnliche Dinge. Diese Ansicht ist ziemlich radikal. Die Strategie jedoch ist klar: Mache dein Glück nicht abhängig von Dingen, die nicht in deiner Macht stehen. Und renne nicht Dingen hinterher, die du nicht brauchst. Seneca gibt in seinen Schriften viele praktische Anweisungen, wie wir uns in die Lebenskunst der Stoa einüben können. So rät er etwa: „Schiebe ein paar Tage ein, an denen Du Dich mit kärglichster und einfachster Kost, mit grober und rauer Kleidung begnügen und zu Dir selber sprechen magst: ‚Ist es das, wovor man sich fürchtete?’ Gerade in Sorglosigkeit soll sich der Geist auf Schwierigkeiten einstellen und sich gegen Heimsuchungen des Schicksals noch während seiner Gunstbeweise wapp-nen.“ In der heutigen Psychologie nennt man das „Reizexposition“: Man setzt sich dem aus, wovor man sich fürchtet. Wenn Sie sich nicht getrauen, dieses Experiment in der Praxis durchzuführen, dann sollten Sie zumindest versuchen, es im Geist auszuprobieren: Worauf könnten Sie verzichten? Auf Ihr Auto? Auf das Smartphone? Auf gewisse Kleider? Auf die große Wohnung? Auf den Job? Auf gewisse Bekanntschaften? Und was würde das für Sie bedeuten? Was ist Ihnen wirklich wichtig? Worauf kommt es im Leben an? Neben dem Ideal der Autarkie, der Selbstgenügsamkeit, gibt es eine weitere zentrale Forderung der stoischen Philosophie, die da lautet: Mache dir keine falschen Hoffnungen! Meistens sind wir nämlich unglücklich, weil sich unsere Erwartungen nicht erfüllt haben. Wir sind enttäuscht und frustriert. Diese Frustration kann man einfach umgehen, indem man die Erwartungen senkt. Epiktet schreibt: „Verlange nicht,

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Yves Bossart, geboren 1983, hat in Luzern, Zürich und Heidelberg Philosophie studiert und an der Humboldt- Universität zu Berlin über das Thema „Ästhetik nach Witt-genstein“ promoviert. Er ist Herausgeber des Bandes Sehen soweit das Denken reicht. Eine Begegnung von Philosophie und Fotografie, arbeitet als Redakteur der Sendung Stern-stunde Philosophie beim Schweizer Fernsehen und unter-richtet als Gymnasiallehrer Philosophie.

BestsellermarketingSachbuch

Der Autor steht für Veranstaltungen zur Verfügung.

Gedankenspiele sind seit über zweitausend Jahren die Werk-zeuge der Philosophie – sie helfen dabei, Antworten auf die grundlegenden Fragen des Lebens zu finden. Die großen Phi-losophen – von Sokrates bis Sartre – haben solche geistigen Experimente entwickelt, um sich Themen wie Moral, Freiheit oder Gerechtigkeit zu nähern: Wie würden wir leben, wenn wir unsterblich wären? Wenn ich mein Gehirn mit dem mei-nes Nachbarn tausche – wer wohnt dann wo? Wie kann ein angeketteter Hund glücklich werden? Könnte unser Leben ein langer Traum sein? Können Roboter menschliche Gefühle ha-ben? Wir fangen an nachzudenken – die Philosophie hat uns gepackt .

Yves Bossart versammelt die wichtigsten Gedankenspiele, stellt sie klar und verständlich dar, kommentiert und verführt den Leser dazu, sich selbst Antworten zu geben. Ohne Heute gäbe es morgen kein Gestern bietet eine Fülle von verblüf-fend einfachen, erstaunlich raumgreifenden und auch immer wieder herrlich absurden Abkürzungen in die faszinierende Welt der Philosophie.

Achtung: Lektüre führt zu tieferer Erkenntnis und höherer Klarheit!

Page 23: Blessing Vorschau Herbst 2014

23 I Sachbuch

Yves Bossart schaut den großen Denkern über die Schulter und erläutert ihre Theorien anhand einfacher Beispiele.

Originelle, fundierte und unterhaltsame Wissensvermittlung für die Leser von Richard David Precht und Rolf Dobelli.

Gedankenspiele ermöglichen einen schnellen, spielerischen Zugang zu den großen Fragen der Philosophie und lassen Raum für eigene Antworten.

Hardcover

Yves BossartOhne Heute gäbe es morgen kein GesternPhilosophische Gedankenspiele250 Seiten | 13,5 x 21,5 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-529-3WG 1923, Philosophie

SEPTEMBER 2014

E-Book€ 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-13791-5

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In Zeiten der Krise tritt – verlässlich, unvermeidlich, „alterna-tivlos“ – die Politik der Sparsamkeit auf den Plan: Was könnte tugendhafter sein, als sündhafter Verschuldung mit Verzicht und Enthaltsamkeit zu begegnen? Auch heute steht Austeri-tät wieder im Zentrum öffentlicher Debatten. Ihre Verfechter preisen sie als Fundament für künftiges Wachstum und die Rückkehr zur Stabilität. Ihre Kritiker warnen vor Abschwung und sozialer Ungerechtigkeit. Florian Schui betrachtet unsere heutige Diskussion im Kontext der jahrhundertealten Ideen-geschichte der Austerität – einer Idee, die sich in der Wirt-schaftspolitik hartnäckig hält, obwohl sie sich für die Bewälti-gung von Wirtschaftskrisen Mal um Mal als großer Fehler erwiesen hat .

Der Wirtschaftshistoriker Florian Schui legt eine prägnante Analyse vor, die belegt: Ein enthaltsamer Staat mag zwar die Moral auf seiner Seite haben, nicht aber die wirtschaftliche Vernunft. Ein wichtiger Beitrag zu der Debatte, die Europa zu spalten droht .

Wie die Enthaltsamkeit in die Wirtschaftspolitik kam und warum sie immer scheitern wird.

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Florian Schui, geboren 1973, lehrte und forschte an zahlreichen Instituten, darunter die University of Cambridge und die University of London, über die Geschichte ökonomi-scher und politischer Ideen und die Wirtschaftsgeschichte Europas. Er veröffentlichte bereits viel beachtete Bücher, u. a. über das preußische Bürgertum unter Friedrich II. und den Diskurs über Industrialisierung zu Voltaires Zeiten. Heute ist Schui an der Universität St. Gallen tätig.

Der Autor steht für Veranstaltungen zur Verfügung.

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25 I Sachbuch

Sparen in der Krise? Die fundierte Kritik einer gefährlichen Politik.

Geld, Moral, Vernunft: hochaktueller Stoff für die Leser von Tomáš Sedláčeks Ökonomie von Gut und Böse und David Graebers Schulden.

„Eine elegant geschriebene Polemik. Schui weist auf die moralische Scheinheiligkeit unserer Debatte hin. Ein Fingerzeig zur rechten Zeit.“ THE ECONOMIST

Hardcover

Florian SchuiAusteritätPolitik der Sparsamkeit: Die kurze Geschichte eines großen Fehlers[Austerity – The Great Failure]Aus dem Englischen von Ingrid Proß-Gill250 Seiten | 13,5 x 21,5 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-533-0WG 1976, Wirtschaft

OKTOBER 2014

E-Book€ 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-14074-8

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1940 wird Wilhelm Brasse, Sohn eines Österreichers und ei-ner Polin, nach Auschwitz deportiert. In drei Monaten wird er tot sein, sagt man ihm. Als die Lagerleitung hört, dass er eine Ausbildung als Fotograf absolviert hat, lässt sie ihn im soge-nannten Erkennungsdienst in Block 26 arbeiten. Angebote, sich der Wehrmacht anzuschließen, weist er zurück. In den nächsten Jahren muss er etwa 50.000 Fotos von Häftlingen machen . Entgegen den Anordnungen der Lagerleitung ver-sucht Wilhelm Brasse ihnen Respekt und Mitgefühl zu zeigen und retuschiert oft aufwendig die Porträts. Zugleich versucht er sich mit seiner Arbeit, die ihm gewisse Privilegien ver-schafft, von dem Grauen ringsum abzuschotten. Vergeblich, denn bald muss er auch die barbarischen Versuche der Lager- ärzte an Zwillingen und Frauen dokumentieren. Er schmuggelt Fotos hinaus und hat am Ende nur noch ein Ziel: die Vernich- tung dieser Aufnahmen durch die fluchtbereiten SS-Männer zu verhindern .

Dieses Buch erzählt erstmals ausführlich Wilhelm Brasses Geschichte – die Geschichte eines Mannes, der überleben wollte, ohne sich gänzlich dem Terror anzupassen.

Fast alle bekannten Auschwitz-Fotos stammen von Wilhelm Brasse. Wer ist dieser Mann, der für die Lagerleitung das Grauen fotografieren musste?

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Luca Crippa studierte Philosophie und Theologie und veröffentlichte ein Buch über die Darstellung von Hölle und Paradies in den schönen Küns-ten.

Maurizio Onnis stu-dierte Geschichte, schrieb zahl- reiche historische Untersuchun- gen und arbeitet als Lektor.

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27 I Sachbuch

Der Auschwitz-Häftling Nr. 3444 wollte eigentlich nur überleben – doch er wurde zum wichtigsten Zeitzeugen.

„Das überfällige Buch über einen demütigen und wertvollen Zeugen des Holocaust, dessen Fotos die ganze Welt erschütterten.“ LA REPUBBLICA

Mit 28 Originalfotografien von Wilhelm Brasse.

Sorgfältig recherchiert, bewegend erzählt.

Hardcover

Luca Crippa; Maurizio OnnisDer Fotograf von AuschwitzDie wahre Geschichte des Wilhelm Brasse[Il fotografo di Auschwitz]Aus dem Italienischen von Bruno Genzler280 Seiten | 13,5 x 21,5 cmMit zahlreichen AbbildungenGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-531-6WG 1941, Biografien

OKTOBER 2014

E-Book€ 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-14072-4

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Page 28: Blessing Vorschau Herbst 2014

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KulturSpiegel I buch aktuell I G/Geschichte I Buchkultur

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Jung Chang, geboren 1952 in China, lebt seit 1978 in London. Für ihr Buch Wilde Schwäne, das in über 12 Ländern auf Platz 1 der Bestsellerlisten stand, erhielt sie zahlreiche Preise. Auch ihre viel beachtete Biografie Mao – Das Leben eines Mannes. Das Schicksal eines Volkes (Blessing, 2005) war ein internationaler und deutscher Bestseller.

Kaiserinwitwe Cixi (1835–1908) ist die bedeutendste Frau in der chinesischen Geschichte . Das Mädchen aus einfachen Verhältnissen wird als Konkubine für den chinesischen Kaiser ausgewählt, sie bekommt einen Sohn und übernimmt 1861 nach des Kaisers Tod selbst die Regierungsgeschäfte. Fast ein halbes Jahrhundert lang wird Cixi die Geschicke des Reichs lenken, sich als Schlüsselfigur einer Zeitenwende im Reich der Dynastien entpuppen: Im Westen lange als rückwärtsge-wandte Despotin verschrien, tritt sie in Jung Changs Biografie in völlig neuem Licht auf: als die Frau, die in China die Moder-nisierung voranbrachte. Besonders für Frauen kam Cixis Re-gentschaft einer Befreiung gleich.

Die fundierte Studie eines entscheidenden Moments der Zeitgeschichte – Chinas Weg in die Moderne – und das detail-lierte Porträt einer schillernden Figur, verfasst von einer welt-weit anerkannten Expertin für die Geschichte Chinas.

Jung Changs Wilde Schwäne verkaufte sich weltweit über 10 Millionen Mal. Ihre Mao-Biografie stand wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Lesereise der Autorin.

Page 31: Blessing Vorschau Herbst 2014

„Ein faszinierendes Buch. Und wieder wird man das heutige China und seine heiß diskutierte jüngere Vergangenheit radikal anders betrachten.“ THE INDEPENDENT

31 I Sachbuch

Hardcover

Jung ChangKaiserinwitwe CixiDie Konkubine, die Chinas Weg in die Moderne ebnete[Empress Dowager Cixi]Aus dem Englischen von Ursel Schäferca. 680 Seiten | 15 x 22,7 cmMit zahlreichen AbbildungenGebunden mit Schutzumschlag€ 24,99 [D] | € 25,70 [A] | CHF 35,50*ISBN 978-3-89667-418-0WG 1941, Biografien

SEPTEMBER 2014

E-Book€ 19,99 [D/A] | CHF 25,–*ISBN 978-3-641-14232-2

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Ein „Buch des Jahres“ 2013 der New York Times: „Der erste wirklich maßgebliche Bericht über Cixis Herrschaft und ihre bedeutende, schillernde Geschichte.“

„Eine der erfolgreichsten Autorinnen der Welt.“ DER SPIEGEL

Spitzentitel

Page 32: Blessing Vorschau Herbst 2014

Einen solchen Film- und Kunstkritiker gab es in Deutschland sonst kaum: einen, der nicht seine Brillanz und Pointensicher-heit zur Schau stellte oder uns belehrte, sondern der uns ebenso passioniert wie charmant auf die kleinen Gesten auf-merksam machte, die uns bei großen Filmen bis ins Herz tref-fen können: Michael Althen, Filmredakteur erst der Süddeut-schen Zeitung, dann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieses Buch sammelt Texte, die über ihren unmittelbaren Anlass hinaus Bestand haben .

„Mittlerweile sind wir wahrscheinlich vollständig verdorben, aber das macht nichts, weil wir im Kino ein zweites Leben ge-funden haben, das viel besser ist als das unsere und ihm doch aufs Haar gleicht . Darin liegt die doppelte Natur des Kinos: dass es stets Auskunft gibt über das, was ist, und das, was möglich wäre, darüber, wer wir sind und wer wir gerne wä-ren .“ MICHAEL ALTHEN

„Man liest es und denkt, das ist nur für mich geschrieben. Woher weiß dieser Autor alles von mir?“ CLAUDIUS SEIDL

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Michael Althen, 1962 in München geboren, lange Jahre Filmkritiker der Süddeutschen Zeitung, dann Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 2002 erschien bei Blessing Warte, bis es dunkel wird – Eine Liebeserklärung ans Kino. Michael Althen starb am 12. Mai 2011 in Berlin. Auf Grundlage seiner Kolumnen „Heute morgen“ in der FAZ veröffentlichte der Blessing Verlag 2012 Meine Frau sagt ... Geschichten aus dem wahren Leben.

Page 33: Blessing Vorschau Herbst 2014

33 I Sachbuch

Die besten Texte des begnadeten Kritikers.

Ein Buch für alle Filmfreunde und Kinogänger.

Mit einem Vorwort von Tom Tykwer.

15. Oktober 2014: Verleihung des Michael-Althen-Preises für Kritik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Berlin.

Hardcover

Michael Althen Liebling, ich bin im Kino!Texte über Filme, Schauspieler und Schauspielerinnen . Herausgegeben von Claudius Seidl250 Seiten | 12,5 x 20 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 17,99 [D] | € 18,50 [A] | CHF 25,90*ISBN 978-3-89667-535-4WG 1960, Film

SEPTEMBER 2014

E-Book€ 13,99 [D/A] | CHF 18,–*ISBN 978-3-641-14075-5

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Page 34: Blessing Vorschau Herbst 2014

Das letzte Buch des großen Kabarettisten.

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Dieter Hildebrandt, geboren 1927 in Bunzlau, Niederschlesien, studierte in München Theaterwissenschaf-ten. Zusammen mit Sammy Drechsel gründete er die Münch-ner Lach- und Schießgesellschaft. Seine TV-Serien Notizen aus der Provinz und Scheibenwischer wurden große Erfolge. Bis zu seinem Tod im November 2013 lebte Dieter Hildebrandt mit seiner zweiten Frau, der Kabarettistin Renate Küster, in München.

Seit Beginn des Jahres 2013 beschäftigte sich Dieter Hilde-brandt mit seinem letzten Buch. Anders als gedacht, früher als geplant war mit dem Arbeiten Schluss . Seine nachgelasse-nen und uns überlassenen Texte liegen nun als Letzte Zugabe vor. Sie zeigen Dieter Hildebrandt als Meister der satirisch- kämpferischen Auseinandersetzung mit den Zeitläuften, als witzigen Kommentator grotesker Vorgänge in unserem Land und als unerbittlichen Aufklärer, der kritisch war, aber auch lustig, ja von ungebremster Freude am Heiteren.

Mit einem Nachwort von Roger Willemsen und den pointier-ten Zeichnungen von Dieter Hanitzsch.

Streifenplakat

Page 35: Blessing Vorschau Herbst 2014

35 I Backlist

Sämtliche Texte erstmals in Buchform veröffentlicht.

Mit einem Nachwort von Roger Willemsen und Zeichnungen von Dieter Hanitzsch.

Große Presseresonanz.

Hardcover

Dieter HildebrandtLetzte ZugabeMit s/w-Abbildungen undZeichnungen von Dieter Hanitzsch272 Seiten | Format 13,5 x 21,5 cmGebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-537-8WG 1185, Kabarett

BEREITS ERSCHIENEN

E-Book € 15,99 [D/A] | CHF 20,–*ISBN 978-3-641-14083-0

HörbuchRandom House AudioGelesen von Walter Sittler2 CDs€ 19,99 [D/A] | CHF 29,90*ISBN 978-3-8371-2683-9Auslieferung 12.5.2014

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Page 36: Blessing Vorschau Herbst 2014

352 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-480-7

336 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 18,99 [D] | € 19,60 [A] | CHF 27,50* ISBN 978-3-89667-520-0

496 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-519-4 | Auslieferung 19.5.2014

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368 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50* ISBN 978-3-89667-477-7

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Unsere Highlights aus dem lieferbaren Programm

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Page 37: Blessing Vorschau Herbst 2014

37 I Backlist

352 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 19,95 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50* ISBN 978-3-89667-448-7

480 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50* ISBN 978-3-89667-458-6

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320 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag € 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50* ISBN 978-3-89667-464-7

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288 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag € 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-506-4

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Page 38: Blessing Vorschau Herbst 2014

448 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50*ISBN 978-3-89667-516-3

272 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50* ISBN 978-3-89667-474-6

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240 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag€ 16,99 [D] | € 17,50 [A] | CHF 24,50* ISBN 978-3-89667-521-7

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Unsere Highlights aus dem lieferbaren Programm

656 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag € 24,99 [D] | € 25,70 [A] | CHF 35,50* ISBN 978-3-89667-476-0

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Die australische Krankenschwester Bonnie Ware hat jahrelang Menschen in den Tod begleitet, mit ihnen gesprochen und ihnen beim Sterben zugehört. Sie meint, es gäbe fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen und gerne anders gemacht hätten: Sie hätten ihr eigenes Leben leben, nicht so viel arbeiten, ihre Gefühle zeigen, Freundschaften pflegen und vermehrt ihr Glück suchen sollen. Doch was ist Glück? Wie finden wir es? Und wovon hängt es ab? In den letzten Jahren hat die Wissenschaft viel über unser Glück herausgefunden. Bevor wir uns der Philosophie zuwenden, hier also die wichtigsten Erkenntnisse. Die Glücksforschung geht davon aus, dass unser Glück zur Hälfte genetisch bedingt ist. Wer die richtigen Gene hat, hat die Hälfte also bereits geschafft. Die andere Hälfte wird wesentlich durch äußere Umstände bestimmt, durch das Lebensumfeld, durch glückliche Fügungen und Zufälle. Nur ein kleiner Teil des Glücks liegt in unserer eigenen Hand. Wir sind also nicht wirklich unseres Glückes Schmied. Was aber sind die Faktoren, die uns glücklich machen? Um es auf den Punkt zu bringen: Gesundheit, Familie, Liebe, Freundschaften, Arbeit, Wohlstand und Glaube. Woher man das weiß? Man hat es gemessen, indem man die Leute gefragt hat: „Wie zufrieden sind Sie derzeit – alles in allem – mit ihrem Leben? Auf einer Skala von 1-10?“. Was würden Sie ankreuzen? Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7.2. In der Schweiz liegt er bei 8.1. Die Dänen führen die Statistik an, mit einem Glückswert von 8.2. Vergleichsweise unglücklich sind die Bewohner ehemaliger kommunistischer Länder und Menschen in sehr armen Ländern Afrikas. Für den geringen Wohlstand auffallend glücklich sind die Bewohner Latein-amerikas und der Karibik. Wahrscheinlich liegt das am Wetter. Aber das erklärt nicht alles. Auch in Afrika scheint die Sonne. Macht Geld glücklich? Nur bis zu einer bestimmten Summe. Wenn grundlegende Bedürfnis-se gestillt sind, führt mehr Reichtum kaum noch zu mehr Glück. In den westlichen Industrienationen stagniert das tägliche Wohlbefinden ab einem jährlichen Einkommen von 60’000 Euro. Darüber werden wir zwar reicher, aber nicht wirklich glücklicher. Zudem gilt: Das relative Einkommen ist wichtiger als das absolute: Unser Glück hängt davon ab, was diejenigen haben, mit denen wir uns vergleichen. Für Ihr Glück ist es wichtig, was Ihr Kollege im Büro verdient; das Einkommen von Bill Gates berührt ihr Glück dagegen kaum. Wenn Sie also der kleinste Frosch im Teich sind, dann suchen Sie sich einfach einen neuen Teich, in dem Sie zu den Größten zählen. Ein weiteres Problem mit zusätzlichem Reichtum ist, dass wir uns schnell an den neuen Wohlstand gewöhnen. Darum hält die Zufriedenheit bei einer Lohnerhöhung auch nur sechs Monate an und das Glück von Lottomillionären sinkt sechs Monate nach dem Gewinn sogar oft unter das Niveau vor dem Gewinn. Für das Unglück gilt dasselbe: Querschnittgelähmte sind bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall wieder so glücklich wie vorher. Das Nullniveau verschiebt sich dadurch, dass wir uns an die neuen Umstände gewöhnen. Nirgends zeigt sich die Macht der Gewohnheit stärker als beim Glück. Konsum ist die neue Religion, wird gesagt. Wir konsumieren wie verrückt – erreichen damit aber nicht, was wir wollen: Shoppen macht nämlich nur kurzfristig glücklich. Erwerben befriedigt, besitzen nicht. Darum kaufen wir immer weiter. Eine Studie hat gezeigt, dass wir unser Geld besser für soziale Aktivitäten und für aufregende Erlebnisse ausgeben sollten als für materielle Dinge. Menschen machen uns glücklich, nicht Dinge. Sie sollten die teuren Schuhe also besser im Schaufenster lassen und stattdessen mit Ihrer besten Freundin eine aufregende Reise machen. Auf dem Weg zum Glück helfen auch beten und meditieren: Religiöse Menschen sind glücklicher. Und Kinder-kriegen? Ja, aber man muss warten, bis sie ausgeflogen sind. Und Politik? Mitbestimmung kann helfen: Menschen, die Ihre Umwelt aktiv mitgestalten, sind glücklicher als Mitläufer. Vielleicht sind wir deshalb in Demo-kratien glücklicher als in Diktaturen. Und das Lebensalter? In der Mitte des Lebens sind wir am unglücklichsten. Am Anfang haben wir noch alles vor uns und gegen Ende werden wir genügsamer und machen uns we-niger Illusionen. Und die Auswahlmöglichkeiten? Zu viel Auswahl macht unglücklich: Wenn Sie zwischen drei Marmeladesorten wählen können, sind sie zufriedener mit Ihrer Wahl, als wenn Ihnen fünfzehn Sorten zur Verfügung standen. Und Fernsehen? Macht unglücklich. Also weg mit der Kiste. Eine überraschende Einsicht ist, dass man beim Verfolgen eines Ziels oft glücklicher ist als dann, wenn man das Ziel erreicht hat. Vorfreu-de ist die schönste Freude, wie der Volksmund sagt. Damit zusammen hängt jedoch die verflixte Sache mit den Erwartungen: Sind sie zu hoch, kann man nur enttäuscht werden. Leider kann man die eigenen Erwartun-gen jedoch nicht frei steuern, sie stellen sich von selbst ein. Das gilt übrigens auch für das Glück. Man kann es nur selten erzwingen. „Alle rennen nach dem Glück – das Glück rennt hinterher“ wie Bertold Brecht schreibt. Das Glück gleicht eben doch einem Schmetterling: „Jag ihm nach, und er entwischt dir. Setzt dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder“, wie der indische Theologe Anthony de Mello treffend festhält. Nun lassen wir aber die Kalendersprüche und schauen, was die Philosophie zum Glück beizutragen hat. Wir fangen – wie sich das gehört – mit den alten Griechen an. „Glücklich bis über den Tod hinaus“. Stellen Sie sich vor, Sie führen ein glückliches Leben, werden alt und sterben friedlich. Im Sterbebett liegend blicken Sie noch ein letztes Mal zurück und lassen Ihr Leben Revue passieren. Schließlich sagen Sie erleichtert: „Mein Leben ist so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Ein wahrhaft gelungenes Leben!“. Kaum haben Sie diese Sätze geäußert, entschlafen Sie. Doch dann wird alles anders: Nach ihrem Tod verbreitet Ihr Nachbar üble Gerüchte über Sie und ihre Familie. Die ganze Stadt redet plötzlich schlecht über Sie. Ihre Kinder sind erzürnt über die Vorwürfe und entschließen sich, als Racheakt den Nachbarn umzubringen. Fortan sind die Kinder gezwun-gen, ein Leben auf der Flucht zu führen. Sie überfallen Banken und rauben unschuldige Leute aus. Das Bild, das die Leute von Ihnen und Ihrer Familie haben, wird immer schlechter. Nun wirft man Ihnen auch noch vor, Sie hätten Ihre Kinder nicht anständig erziehen können. Die Leute beschimpfen Sie und spucken auf ihr Grab. Würden Sie unter diesem Umständen immer noch sagen, dass ihr Leben „wahrhaft gelungen“ sei? Diese Überlegung stammt von Aristoteles, dem Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Großen. Aristoteles war einer der größten Philosophen überhaupt und ein Wissenschaftler durch und durch. Er war gleichzeitig Biologe, Physiker, Psychologe, Logiker, Politologe, Dichtungstheoretiker, Theologe und Ethiker. Im Mittelalter nannte man ihn schlicht und einfach „den Philosophen“. Leider wissen wir nur sehr wenig über das private Leben dieses Universalgelehrten. Martin Heidegger, der deutsche Philosoph des 20. Jahrhunderts, fasste dessen Leben mit den Worten zusammen: „Aristoteles wurde geboren, arbeitete und starb“. Aber was für eine Arbeit! Aristoteles’ Schriften prägten das Weltbild bis in die Neuzeit hinein. Zwar wird seine Physik heute kaum noch gelesen, seine Ethik dafür um so mehr. In seiner einflussreichen Schrift „Nikomachische Ethik“ entwirft er nichts Geringeres als eine Theorie des guten Lebens. Warum die Schrift so heißt, weiß man nicht sicher – wahrscheinlich bezieht sich der Name auf seinen Sohn oder auf seinen Vater, die beide „Nikomachos“ hießen. Aristoteles ist der Ansicht, das angestrebte Ziel aller Menschen sei die „eudaimonia“ – ein griechisches Wort, das kaum ins Deutsche übersetzt werden kann. Manche sprechen von „Glückseligkeit“, andere von einem „guten“ oder „gelungenen Leben“, wieder andere einfach von „Glück“. Aristoteles meint nun, dass dieses Lebensglück das letzte und eigentliche Ziel des Menschen sei. Gewisse Dinge wollen wir nur, um mit ihnen etwas anderes zu erreichen. Sie sind nur Mittel zum Zweck, wie etwa Geld, Macht und Eigentum. Das Glück aber erstreben wir nicht, um etwas anderes zu erreichen. Es ist Selbstzweck. Spielen wir das an einem Beispiel durch: Angenommen, Sie wollen sich die Haare schneiden lassen. Wozu? Damit Sie gut aussehen. Und warum wollen Sie gut aussehen? Damit andere Personen Sie attraktiv finden. Und warum wollen Sie attraktiv sein? Damit Sie mit anderen ins Gespräch kommen. Und warum möchten Sie das? Damit Sie einen Partner kennenlernen. Aber wozu das? Um geliebt zu werden. Und wozu möchten Sie geliebt werden? Weil Sie das glücklich macht. Und wozu wollen Sie glücklich sein? Hmm. Schwer zu sagen. Die Frage, wozu wir glücklich sein wollen, macht keinen Sinn. Daran zeigt sich: Ein gelungenes Leben ist nie Mittel zum Zweck, sondern der Endzweck allen Tuns. Das gelungene Leben hängt nach Aristoteles von vielen verschiedenen Faktoren ab: von äußeren, körperlichen und seelischen Gütern. Zu den äußeren Gütern zählt er Reichtum, Freundschaft, Herkunft, Nachkommen, Ehre und günstige Zufälle. Zu den körperlichen Gütern gehören Gesundheit, Schönheit und Fitness. Und zu den seelischen Gütern zählen Tugenden wie Mut oder Aufrichtigkeit. Alle drei Arten von Gütern seien wichtig für das Glück. Ohne Mitgift und ohne günstige Zufälle könne man unmöglich glücklich werden. Wir sollten uns also weder von allen Äußerlichkeiten frei machen, noch sind wir die alleinigen Schmiede unseres Glücks. Und vor dem Ende des Lebens sollten wir nie über unser Leben urteilen, denn bereits morgen kann uns ein Unfall, eine Krankheit, eine Trennung oder ein Diebstahl ins Unglück stürzen. Gegen das Unglück sind wir nicht versichert. Auch nicht nach unserem Tod, meint Aristoteles. Wie das Gedankenspiel zu Beginn zeigt, gehört zu unserer Vorstellung eines gelungenen Lebens mehr ein glückliches Leben vor dem Tod. Unser Lebensideal reicht über den Tod hinaus. Wir möchten in guter Erinnerung bleiben – obwohl wir dann bereits tot sind und die üble Nachrede nicht mehr hören werden. Seltsam. Aber dasselbe gilt für unseren Körper. Wir möchten nicht, dass jemand mit unserem Kopf Fußball spielt, wenn wir tot sind. Aber warum eigentlich? Wir spüren doch nichts mehr! Lassen wir den Fußball und kommen zurück zu den Gütern, von denen unser Glück abhängt. Schauen wir uns die seelischen Güter, also die Tugenden, etwas genauer an. Die Griechen verstanden unter einer „Tugend“ nicht dasselbe wie wir: Für sie konnte auch ein Messer tugendhaft sein, nämlich dann, wenn es seine Aufgabe vortrefflich erfüllt, d.h. wenn es gut schneidet. Aristoteles glaubte, jedes Ding habe einen solchen Zweck – etwas, wozu es da ist und das es von Natur aus besonders gut kann. Tugendhaft sei etwas dann, wenn es seinen Zweck möglichst gut erfüllt. Das Messer muss schneiden und der Löwe muss die Gazelle reißen und sein Revier verteidigen. Was tugendhaft ist, ist vortrefflich in seiner Art. Aber gilt das auch für den Menschen? Und was ist der Zweck des Menschen? Nach Aristoteles ist der Mensch das einzige Lebewesen, das Vernunft hat. Der Mensch ist die Intelligenzbestie unter den Tieren. Denken ist seine Bestimmung. Das kann er besser als alle anderen. Deswegen soll er sich der Philosophie widmen und versuchen, Weisheit zu erlangen. Dann werde er glücklich. Denn das gelingende Leben bestehe im Tun dessen, was der eigenen Natur entspricht. Aber leider ist das theoretische Grübeln nicht jedermanns Sache. Das wusste auch Aristoteles. Es gäbe aber nicht nur eine theoretische, sondern auch eine praktische Ver-nunft. Das Glück ist nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu finden, im richtigen Handeln. Aristoteles stellt der Weisheit die praktische Klugheit gegenüber, die uns im täglichen Leben hilft, die richtigen Entscheidungen zu fällen und so zu unserem Glück beiträgt. Aber was ist jeweils die richtig Entscheidung? Nach Aristoteles liegt diese oft in der Mitte zwischen zwei Extremen. Der Tugendhafte zeichne sich dadurch aus, dass er in jeder Situation die goldene Mitte trifft: Der Mutige ist weder tollkühn noch feige, der Besonnene ist weder impulsiv noch apathisch und der Großzügige ist weder geizig noch verschwenderisch. Aristoteles ist der Auffassung, dass wir uns diese Charakterzüge antrainieren können. Tugend ist lernbar. Und damit auch die Basis für das eigene Glück. Spaziergang bitteschön? Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Hund und würden friedlich in der Sonne liegen. Auf einmal spüren Sie, wie etwas an Ihnen zerrt. Nun bemerken Sie auch, dass Sie eine Leine tragen und an einen Wagen angekettet sind, der sich in diesem Moment in Bewegung setzt und losfährt. Sie versuchen sich von der Leine zu befreien. Ohne Erfolg. Eben lagen Sie noch gemütlich in der Sonne und nun sind Sie gezwungen, aufzustehen und dem Wagen hinterherzulaufen. Wenn Sie sich dagegen sträuben und liegen bleiben, tun Sie sich weh. Auch wenn Sie widerwillig mitlaufen und sich darüber aufregen, schaden Sie sich selbst: Sie wären unruhig, verärgert und unzufrieden. Also entscheiden Sie sich, einen

Page 39: Blessing Vorschau Herbst 2014

Den Hamster der Enkelkinder einzufrieren, war der erste Fehler gewesen, den Max und Katriina in diesem Winter begangen hatten – bis zu ihrer Trennung sollten noch viele folgen. Es war ein Unfall. Max war auf den Hamster getreten. Er spürte, wie sich etwas Weiches unter seiner Fußsohle bewegte, und hörte ein eigenartiges, furchtbares Piepsen, aber da war es schon zu spät. Blixten war nur ein halbes Jahr alt geworden, und jetzt wurde er in eine Tüte gepackt und ganz weit hinten im Tiefkühlfach verstaut. Für ihre älteste Tochter Helen war das Grund genug, um in den folgenden zwei Wochen nicht mehr mit ihnen zu reden, aber als Max später darüber nachdachte, fragte er sich, ob die Probleme im Grunde nicht schon im November angefangen hatten. Es war ein milder Herbst. Die Töölöbucht seufzte unter dem feuchten Novembernebel, während Jogger an ihr entlangkeuchten. An einem Freitag am Ende des Monats waren Max und Katriina bei den Keskinens zum Abendessen eingeladen. Katriina mischte sich schnell unter die Gäste, während Max – wie er befürchtet hatte – neben der Chefin seiner Frau platziert wurde. Wivan Winckelmann war eine kleine Frau von sechzig Jahren und besaß eine grässliche Stimme, allein dafür geschaffen, Max’ Nerven ausfindig zu machen und zu traktieren. Sie arbeitete in leitender Funktion für die HUS, die für die medizinische Versorgung in der gesamten Region Helsinki zuständig war, und besaß damit einen enormen Einfluss auf den ganzen öffentlichen Sektor. Verheiratet war sie mit einem glatzköpfigen Kaninchengesicht namens Pertti. Er schien sich stets etwa einen Meter hinter ihr zu verbergen, als hätte er in Wivan ein effektives Schutzschild gegen eine bösartige und anspruchsvolle Welt gefunden. Die Keskinens wohnten in einem der neueren Viertel von Vuosaari, in einer Wohnung, die aussah, als käme sie aus einem modernen, finnischen Film: klinisch, weiß und steril. Eine Wohnung, in der sich, so stellte sich Max vor, ein Serienmörder wohlfühlen würde. Früher hatten sie in einem alten Jugendstilhaus an der Fredrikinkatu gewohnt. Die Keskinens hatten Max besser gefallen, als sie noch in der alten Wohnung gelebt hatten. Es war eine dieser Wohnungen, die man während der Wirtschaftskrise in den Neunzigerjahren günstig kaufen konnte. Risto war – genau wie Max – gut durch die Krise gekommen. Sie arbeiteten beide in Berufen, die von den schlechten Zeiten kaum in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Ganz im Gegenteil: Als der ganze Rest von Finnland in wirtschaftlicher Depression und Massenarbeitslo-sigkeit versank, waren sowohl Max als auch Risto in ihrem jeweiligen Metier sehr erfolgreich. Die Krise schien die Nachfrage nach gesellschaftlichen Analysen, die Max’ Spezialgebiet innerhalb der Soziologie darstellten, zu fördern. Risto wiederum, der als Psychiater arbeitete, wurden im Kielwasser der Konjunkturschwäche etliche Patienten zugespült, die schwer an Scheidungen oder persönlichen Tragödien zu tragen hatten. Max tauschte Wangenküsse mit Tuula Keskinen, die anschließend bei Katriina untergehakt und mit einem Gin Tonic in der Hand in der Wohnung verschwand. Katriina und Max hatten während der ganzen Taxifahrt kein Wort gewechselt. Max hatte aus dem Autofenster geschaut und es genossen in Bewegung zu sein, das sanfte Gleiten des Wagens über die Sturenkatu, während der Regen wie glänzendes Konfetti herabfiel. Es hatte die ganze Woche geregnet, ein milder und angenehmer Regen, der die Baumstämme tief schwarz färbte und bewirkte, dass man an den Wangen ständig fror. In diesem Jahr war die Dunkelheit ganz plötzlich gekommen. Max hatte den ganzen Herbst an einem Manuskript gearbeitet, mit einem Abgabetermin im März, der beunruhigend schnell näherrückte, und jedes Mal, wenn er nachmittags aus dem Fenster seines Arbeitszimmers schaute, wunderte er sich, dass die Tage so kurz geworden waren. Ihre jüngste Tochter, Eva, war in diesem Herbst nach London gezogen, und Katriina war in einer, wie sie selbst es nannte, „Depression” versunken, was für Max eher die egozentrische Deutung des Umstands war, dass Kinder irgendwann einmal erwachsen werden. Indem sie diese Entwicklung als Diagnose ihres persönlichen Zustandes interpretierte, konnte Katriina sie für ihre eigenen, dramatischen Zwecke nutzen. Als sie Eva im August zum Flughafen gefahren hatten, erklärte Katriina in aller Breite – wie sie es immer tat –, was Eva nach ihrem Jahr in London alles tun sollte, wie sie ihren Lebenslauf zu planen hatte und wie viel Geld sie jeden Monat zurücklegen sollte, wenn sie erst einen Job ergattert hätte. Sie schlug gleichzeitig – als Alternative – vor, dass Eva ihr abgebrochenes Studium in Helsin-ki wieder aufnehmen und vielleicht sogar ihren Master machen könnte. „Weißt du was, Mama, ich kann das alles echt nicht mehr hören. Nicht alle Menschen planen ihr Leben bis ins letzte Detail voraus”, sagte Eva vom Rücksitz aus, wo sie auf ihrem Telefon herumtippte. Sie hatte den ganzen Sommer bei ihnen gewohnt, weil sie ihre Wohnung gekündigt hatte, als sie von der Schule angenommen worden war. Alles nur, um Geld zu sparen, hatte sie behauptet. Einen Ferienjob hatte sie sich allerdings nicht besorgt. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und hatte den Sommer damit verbracht, auf dem Balkon in der Sonne zu liegen und Wein zu trinken. „Nein, nein. Ich wollte damit nur sagen, dass es gut wäre, wenn du einen Plan hättest.” „Ich habe doch einen Plan. Ich werde Kunst studieren. Ich werde mich hoffentlich mit unzähligen attraktiven Briten verabreden. Für mich ist das genug. Weißt du überhaupt, wie schwer es ist, in diesen Studiengang hineinzukommen?” „Doch, doch, wir sind unheimlich stolz auf dich.” Max hatte versucht, sich herauszuhalten. Er war tatsächlich un-heimlich stolz auf Eva. Katriina und Eva stritten sich manchmal über Dinge, die Max nicht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte, und er nahm an, dass es damit zu tun hatte, wie ähnlich die beiden einander waren. Sie schienen beide das Gefühl zu haben, dass ihnen die Welt gehörte. Dass Eva diese Einstellung von Katriina geerbt hatte, war offensichtlich, aber woher sie bei Katriina kam, konnte er sich nicht erklären. Sie war eines dieser Persönlichkeitsmerkmale, die man in der Theorie leicht bewundern konnte, die aber das Leben in der Praxis nicht einfacher machten. Seit er Katriina kannte, hatte sie nie gezögert, wenn sie etwas unbedingt haben wollte. Heute Abend hatte er zu verstehen gegeben, dass Katriina Eva vielleicht nicht jede Woche anrufen, sondern sie ihr eigenes Leben in London leben lassen sollte. Das hatte dazu geführt, dass Katriina ihn angeblafft hatte, weil er zwei Stunden vor dem Abendessen bei Risto und Tuula noch Tennis spielen wollte. Er hatte ihr entgegnet, dass sie nicht so viel Wein auf nüchternen Magen trinken solle, woraufhin sie gesagt hatte, dass er vielleicht mehr Zeit mit ihr verbringen könnte, dann bräuchte sie nicht zu trinken. So ging es weiter, bis Max die Tür hinter sich zuschlug und in den Regen hinausging, um sich auf den Weg zur Tennishalle zu machen. Er hatte gespielt wie ein Holzklotz, grob und gereizt, und als er zu Hause in die Diele trat, hatte er noch schlechtere Laune als vorher. Am Ende hatten sie trotz allem ein Taxi zu den Keskinens genommen, ohne auf der Fahrt auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Max besaß keinen Führerschein. Als sie sich vor dreißig Jahren kennengelernt hatten, war Katriina begeistert gewesen von seiner Verweigerungshaltung gegenüber dem Individualverkehr. Jetzt verachtete sie ihn aus demselben Grund. Sie behauptete, dass diese Haltung während all der Jahre eher mit Faulheit und Geiz zu tun gehabt habe als mit Umweltschutz. Sie kamen zwanzig Minu-ten zu spät und wurden gleich aufgefordert, am Esstisch Platz zu nehmen. Max setzte sich und stellte fest, dass er die Mehrzahl der Gäste zumindest vom Sehen kannte: Wivan und Pertti, Tuula und Risto – Risto begrüß-te ihn mit einem Nicken, während er um den Tisch ging und jedem einen Schnaps einschenkte –, einige Arbeitskollegen von Katriina in Begleitung ihrer Männer oder Frauen. Am Tisch saß auch ein chinesisches Paar, das sie einige Male selbst schon zum Abendessen eingeladen hatten. Der Mann hieß John, und Max hatte ihn als schweigsamen, aber sympathischen Experten für internationales Handelsrecht in Erinnerung. Ganz hinten, am anderen Ende des Tisches, saßen Stefan und Gun-Maj, ein finnlandschwedisches Paar, die ihr gesamtes Hab und Gut verkauft hatten, als sie in Pension gegangen waren. Inzwischen reisten sie durch Ostasien und organisierten teure Meditationskurse für Paare mittleren Alters, die aus den Mühlen des Alltags ausbrechen wollten. Stefan war stets gleichmäßig gebräunt und hatte sich neuerdings ein albernes Ziegenbärtchen wachsen lassen. Max begrüßte seine Tischnachbarn. Wivan verwickelte ihn sofort in ein Gespräch. „Ich habe das Interview mit dir in der letzten Nummer von Anna gesehen. Gestern habe ich noch zu Pertti gesagt: Guck mal, das ist doch Max! Stimmt doch?” Pertti saß ein paar Stühle weiter und nickte, allem Anschein nach nicht, weil er seiner Frau zugehört hatte, sondern weil er darauf konditioniert war, ihr in jeder Situation beizu-pflichten. Wivan wandte sich erneut Max zu und und reichte ihm ein Tablett mit roter Beete. Ihr Armband klingelte gegen das Silbergeschirr. „Nein, du meinst bestimmt meinen Kollegen”, sagte Max. „Nein, dort stand, dass es sich um einen Soziologen von der Universität Helsinki handelte. Bei euch arbeiten doch nicht mehrere Soziologen, die Max Paul heißen?” Er reichte das Tablett weiter. „Doch, lustigerweise gibt es tatsächlich zwei an unserem Institut, und wir werden oft miteinander verwechselt.” Wivan verschlug es für ein paar Sekunden die Sprache, bevor sie nervös zu lachen begann. Max sah zu Katriina hinüber, aber sie schaute woanders hin. Sie hatte offensichtlich beschlossen, ihn für den Rest des Abends zu ignorieren. Er schaute auf ihr Weinglas und bemerkte, dass es schon halb geleert war, obwohl Risto gerade erst eingeschenkt hatte. „Nein, das ist mein voller Ernst. Das war ich nicht”, sagte er wieder an Wivan gewandt. Wivan hörte auf zu lachen und betrachtete ihn verwirrt. In gewisser Weise meinte es Max tatsächlich so, wie er es gesagt hatte: Bei der Person, die von Anna interviewt worden war, handelte es sich um eine Art Medienpersönlichkeit, die er zu solchen Anlässen hervorholte, wenn beispielsweise eine Frauenzeitschrift anrief und einen kurzen Oneliner oder zwei haben wollte. Meistens ging es um Familien oder um Sex, worüber Max zwar auch gelegentlich geforscht hatte, was aber keineswegs seine Themenschwerpunkte darstellte. Aber je mehr dieser Interviews er führte, desto mehr Journalisten riefen an und wollten mit dem „Sexprofessor” reden. Max hatte sich zwar geschworen, nie wieder auf diese Art von Fragen zu antworten, weil sich in Finnland langsam eine Vorstellung von der Soziologie als Sexwissenschaft breitzumachen begann, aber er war einfach zu faul und zu höflich, um nein zu sagen; es fiel ihm leichter, eine kurze Antwort zu geben als gar keine. Dieses Mal war das Interview von einer jungen Frau um die fünfundzwanzig geführt worden, die ihn im Institut angerufen hatte, als er gerade vor dem Internetauftritt der Helsingin Sanomat saß und einen Beitrag für ein Diskussionsforum schrieb. Zuerst stellte sie sich vor – Max bekam ihren Namen gar nicht richtig mit – und erklärte, dass sie im Auftrag der Zeitschrift Anna anrufe. „Ich schreibe gerade einen Artikel über das Hausfrauenideal von Heute. Könnten Sie sich vielleicht vorstellen, ein paar Fragen zu dem Thema zu beantworten?” „Nur zu”, erwiderte Max, während er sich weiterhin auf sein Diskussionsforum konzentrierte. Damit hatte er sich immer ausgiebiger beschäftigt. Es gab eini-ge User, die häufig in denselben Diskussionen auftauchten wie Max. Mittlerweile diskutierten sie schon seit vielen Monaten heftig über alle möglichen Themen, angefangen vom Islam bis zum U-Bahn-Ausbau der Stadt Helsinki Richtung Westen. Max wusste, dass er sich auf solche Debatten im Internet gar nicht einlassen sollte. Die unmittelbare Befriedigung angesichts der Zerschlagung eines gegnerischen Arguments wurde sofort dadurch verdorben, dass der Streit doch niemals endete und es immer wieder neue Teilnehmer gab, die vom Thema ablenkten oder bewusst provozierten. Es war wie der Versuch, an einem Spielautomaten Geld zu ge-winnen, man tat einen Schritt vorwärts und zwei wieder zurück. Und es machte genau so süchtig. Manchmal saß er nachts um zwei noch zu Hause und nahm an Diskussionen über die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen teil, um eine wissenschaftliche Perspektive einzubringen, obwohl er ganz genau wusste, dass es sich bei den anderen Teilnehmern um pubertierende Jugendliche handeln konnte. Die Frau am Tele-fon begann ihre Fragen zu stellen. „Ja, zunächst einmal … von verschiedener Seite wird ja behauptet, dass wir gerade einen neokonservativen Trend erleben, dass Frauen, die in den Achtzigerjahren geboren wurden, sich die traditionellen Ideale der Fünfzigerjahre zueigen machen. Fernsehserien wie Mad Men seien ein Beispiel dafür. Was sagen Sie dazu?” Das Hausfrauenideal? Das war ein Kinderspiel. Max brauchte nicht lange zu über Die australische Krankenschwester Bonnie Ware hat jahrelang Menschen in den Tod begleitet, mit ihnen gesprochen und ihnen beim Sterben zugehört. Sie meint, es gäbe fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen und gerne anders gemacht hätten: Sie hätten ihr eigenes Leben leben, nicht so viel arbeiten, ihre Gefühle zeigen, Freundschaften pflegen und vermehrt ihr Glück suchen sollen. Doch was ist Glück? Wie finden wir es? Und wovon hängt es ab? In den letzten Jahren hat die Wissenschaft viel über unser Glück herausgefunden. Bevor wir uns der Philosophie zuwenden, hier also die wichtigsten Erkenntnisse. Die Glücksforschung geht davon aus, dass unser Glück zur Hälfte genetisch bedingt ist. Wer die richtigen Gene hat, hat die Hälfte also bereits geschafft. Die andere Hälfte wird wesentlich durch äußere Umstände bestimmt, durch das Lebensumfeld, durch glückliche Fügungen und Zufälle. Nur ein kleiner Teil des Glücks liegt in unserer eigenen Hand. Wir sind also nicht wirklich unseres Glückes Schmied. Was aber sind die Faktoren, die uns glücklich machen? Um es auf den Punkt zu bringen: Gesundheit, Familie, Liebe, Freundschaften, Arbeit, Wohlstand und Glaube. Woher man das weiß? Man hat es gemessen, indem man die Leute gefragt hat: „Wie zufrieden sind Sie derzeit – alles in allem – mit ihrem Leben? Auf einer Skala von 1-10?“. Was würden Sie ankreuzen? Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7.2. In der Schweiz liegt er bei 8.1. Die Dänen führen die Statistik an, mit einem Glückswert von 8.2. Vergleichsweise unglücklich sind die Bewohner ehemaliger kommunistischer Länder und Menschen in sehr armen Ländern Afrikas. Für den geringen Wohlstand auffallend glücklich sind die Bewohner Latein-amerikas und der Karibik. Wahrscheinlich liegt das am Wetter. Aber das erklärt nicht alles. Auch in Afrika scheint die Sonne. Macht Geld glücklich? Nur bis zu einer bestimmten Summe. Wenn grundlegende Bedürfnis-se gestillt sind, führt mehr Reichtum kaum noch zu mehr Glück. In den westlichen Industrienationen stagniert das tägliche Wohlbefinden ab einem jährlichen Einkommen von 60’000 Euro. Darüber werden wir zwar reicher, aber nicht wirklich glücklicher. Zudem gilt: Das relative Einkommen ist wichtiger als das absolute: Unser Glück hängt davon ab, was diejenigen haben, mit denen wir uns vergleichen. Für Ihr Glück ist es wichtig, was Ihr Kollege im Büro verdient; das Einkommen von Bill Gates berührt ihr Glück dagegen kaum. Wenn Sie also der kleinste Frosch im Teich sind, dann suchen Sie sich einfach einen neuen Teich, in dem Sie zu den Größten zählen. Ein weiteres Problem mit zusätzlichem Reichtum ist, dass wir uns schnell an den neuen Wohlstand gewöhnen. Darum hält die Zufriedenheit bei einer Lohnerhöhung auch nur sechs Monate an und das Glück von Lottomillionären sinkt sechs Monate nach dem Gewinn sogar oft unter das Niveau vor dem Gewinn. Für das Unglück gilt dasselbe: Querschnittgelähmte sind bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall wieder so glücklich wie vorher. Das Nullniveau verschiebt sich dadurch, dass wir uns an die neuen Umstände gewöhnen. Nirgends zeigt sich die Macht der Gewohnheit stärker als beim Glück. Konsum ist die neue Religion, wird gesagt. Wir konsumieren wie verrückt – erreichen damit aber nicht, was wir wollen: Shoppen macht nämlich nur kurzfristig glücklich. Erwerben befriedigt, besitzen nicht. Darum kaufen wir immer weiter. Eine Studie hat gezeigt, dass wir unser Geld besser für soziale Aktivitäten und für aufregende Erlebnisse ausgeben sollten als für materielle Dinge. Menschen machen uns glücklich, nicht Dinge. Sie sollten die teuren Schuhe also besser im Schaufenster lassen und stattdessen mit Ihrer besten Freundin eine aufregende Reise machen. Auf dem Weg zum Glück helfen auch beten und meditieren: Religiöse Menschen sind glücklicher. Und Kinder-kriegen? Ja, aber man muss warten, bis sie ausgeflogen sind. Und Politik? Mitbestimmung kann helfen: Menschen, die Ihre Umwelt aktiv mitgestalten, sind glücklicher als Mitläufer. Vielleicht sind wir deshalb in Demo-kratien glücklicher als in Diktaturen. Und das Lebensalter? In der Mitte des Lebens sind wir am unglücklichsten. Am Anfang haben wir noch alles vor uns und gegen Ende werden wir genügsamer und machen uns we-niger Illusionen. Und die Auswahlmöglichkeiten? Zu viel Auswahl macht unglücklich: Wenn Sie zwischen drei Marmeladesorten wählen können, sind sie zufriedener mit Ihrer Wahl, als wenn Ihnen fünfzehn Sorten zur Verfügung standen. Und Fernsehen? Macht unglücklich. Also weg mit der Kiste. Eine überraschende Einsicht ist, dass man beim Verfolgen eines Ziels oft glücklicher ist als dann, wenn man das Ziel erreicht hat. Vorfreu-de ist die schönste Freude, wie der Volksmund sagt. Damit zusammen hängt jedoch die verflixte Sache mit den Erwartungen: Sind sie zu hoch, kann man nur enttäuscht werden. Leider kann man die eigenen Erwartun-gen jedoch nicht frei steuern, sie stellen sich von selbst ein. Das gilt übrigens auch für das Glück. Man kann es nur selten erzwingen. „Alle rennen nach dem Glück – das Glück rennt hinterher“ wie Bertold Brecht schreibt. Das Glück gleicht eben doch einem Schmetterling: „Jag ihm nach, und er entwischt dir. Setzt dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder“, wie der indische Theologe Anthony de Mello treffend festhält. Nun lassen wir aber die Kalendersprüche und schauen, was die Philosophie zum Glück beizutragen hat. Wir fangen – wie sich das gehört – mit den alten Griechen an. „Glücklich bis über den Tod hinaus“. Stellen Sie sich vor, Sie führen ein glückliches Leben, werden alt und sterben friedlich. Im Sterbebett liegend blicken Sie noch ein letztes Mal zurück und lassen Ihr Leben Revue passieren. Schließlich sagen Sie erleichtert: „Mein Leben ist so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Ein wahrhaft gelungenes Leben!“. Kaum haben Sie diese Sätze geäußert, entschlafen Sie. Doch dann wird alles anders: Nach ihrem Tod verbreitet Ihr Nachbar üble Gerüchte über Sie und ihre Familie. Die ganze Stadt redet plötzlich schlecht über Sie. Ihre Kinder sind erzürnt über die Vorwürfe und entschließen sich, als Racheakt den Nachbarn umzubringen. Fortan sind die Kinder gezwun-gen, ein Leben auf der Flucht zu führen. Sie überfallen Banken und rauben unschuldige Leute aus. Das Bild, das die Leute von Ihnen und Ihrer Familie haben, wird immer schlechter. Nun wirft man Ihnen auch noch vor, Sie hätten Ihre Kinder nicht anständig erziehen können. Die Leute beschimpfen Sie und spucken auf ihr Grab. Würden Sie unter diesem Umständen immer noch sagen, dass ihr Leben „wahrhaft gelungen“ sei? Diese Überlegung stammt von Aristoteles, dem Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Großen. Aristoteles war einer der größten Philosophen überhaupt und ein Wissenschaftler durch und durch. Er war gleichzeitig Biologe, Physiker, Psychologe, Logiker, Politologe, Dichtungstheoretiker, Theologe und Ethiker. Im Mittelalter nannte man ihn schlicht und einfach „den Philosophen“. Leider wissen wir nur sehr wenig über das private Leben dieses Universalgelehrten. Martin Heidegger, der deutsche Philosoph des 20. Jahrhunderts, fasste dessen Leben mit den Worten zusammen: „Aristoteles wurde geboren, arbeitete und starb“. Aber was für eine Arbeit! Aristoteles’ Schriften prägten das Weltbild bis in die Neuzeit hinein. Zwar wird seine Physik heute kaum noch gelesen, seine Ethik dafür um so mehr. In seiner einflussreichen Schrift „Nikomachische Ethik“ entwirft er nichts Geringeres als eine Theorie des guten Lebens. Warum die Schrift so heißt, weiß man nicht sicher – wahrscheinlich bezieht sich der Name auf seinen Sohn oder auf seinen Vater, die beide „Nikomachos“ hießen. Aristoteles ist der Ansicht, das angestrebte Ziel aller Menschen sei die „eudaimonia“ – ein griechisches Wort, das kaum ins Deutsche übersetzt werden kann. Manche sprechen von „Glückseligkeit“, andere von einem „guten“ oder „gelungenen Leben“, wieder andere einfach von „Glück“. Aristoteles meint nun, dass dieses Lebensglück das letzte und eigentliche Ziel des Menschen sei. Gewisse Dinge wollen wir nur, um mit ihnen etwas anderes zu erreichen. Sie sind nur Mittel zum Zweck, wie etwa Geld, Macht und Eigentum. Das Glück aber erstreben wir nicht, um etwas anderes zu erreichen. Es ist Selbstzweck. Spielen wir das an einem Beispiel durch: Angenommen, Sie wollen sich die Haare schneiden lassen. Wozu? Damit Sie gut aussehen. Und warum wollen Sie gut aussehen? Damit andere Personen Sie attraktiv finden. Und warum wollen Sie attraktiv sein? Damit Sie mit anderen ins Gespräch kommen. Und warum möchten Sie das? Damit Sie einen Partner kennenlernen. Aber wozu das? Um geliebt zu werden. Und wozu möchten Sie geliebt werden? Weil Sie das glücklich macht. Und wozu wollen Sie glücklich sein? Hmm. Schwer zu sagen. Die Frage, wozu wir glücklich sein wollen, macht keinen Sinn. Daran zeigt sich: Ein gelungenes Leben ist nie Mittel zum Zweck, sondern der Endzweck allen Tuns. Das gelungene Leben hängt nach Aristoteles von vielen verschiedenen Faktoren ab: von äußeren, körperlichen und seelischen Gütern. Zu den äußeren Gütern zählt er Reichtum, Freundschaft, Herkunft, Nachkommen, Ehre und günstige Zufälle. Zu den körperlichen Gütern gehören Gesundheit, Schönheit und Fitness. Und zu den seelischen Gütern zählen Tugenden wie Mut oder Aufrichtigkeit. Alle drei Arten von Gütern seien wichtig für das Glück. Ohne Mitgift und ohne günstige Zufälle könne man unmöglich glücklich werden. Wir sollten uns also weder von allen Äußerlichkeiten frei machen, noch sind wir die alleinigen Schmiede unseres Glücks. Und vor dem Ende des Lebens sollten wir nie über unser Leben urteilen, denn bereits morgen kann uns ein Unfall, eine Krankheit, eine Trennung oder ein Diebstahl ins Unglück stürzen. Gegen das Unglück sind wir nicht versichert. Auch nicht nach unserem Tod, meint Aristoteles. Wie das Gedankenspiel zu Beginn zeigt, gehört zu unserer Vorstellung eines gelungenen Lebens mehr ein glückliches Leben vor dem Tod. Unser Lebensideal reicht über den Tod hinaus. Wir möchten in guter Erinnerung bleiben – obwohl wir dann bereits tot sind und die üble Nachrede nicht mehr hören werden. Seltsam. Aber dasselbe gilt für unseren Körper. Wir möchten nicht, dass jemand mit unserem Kopf Fußball spielt, wenn wir tot sind. Aber warum eigentlich? Wir spüren doch nichts mehr! Lassen wir den Fußball und kommen zurück zu den Gütern, von denen unser Glück abhängt. Schauen wir uns die seelischen Güter, also die Tugenden, etwas genauer an. Die Griechen verstanden unter einer „Tugend“ nicht dasselbe wie wir: Für sie konnte auch ein Messer tugendhaft sein, nämlich dann, wenn es seine Aufgabe vortrefflich erfüllt, d.h. wenn es gut schneidet. Aristoteles glaubte, jedes Ding habe einen solchen Zweck – etwas, wozu es da ist und das es von Natur aus besonders gut kann. Tugendhaft sei etwas dann, wenn es seinen Zweck möglichst gut erfüllt. Das Messer muss schneiden und der Löwe muss die Gazelle reißen und sein Revier verteidigen. Was tugendhaft ist, ist vortrefflich in seiner Art. Aber gilt das auch für den Menschen? Und was ist der Zweck des Menschen? Nach Aristoteles ist der Mensch das einzige Lebewesen, das Vernunft hat. Der Mensch ist die Intelligenzbestie unter den Tieren. Denken ist seine Bestimmung. Das kann er besser als alle anderen. Deswegen soll er sich der Philosophie widmen und versuchen, Weisheit zu erlangen. Dann werde er glücklich. Denn das gelingende Leben bestehe im Tun dessen, was der eigenen Natur entspricht. Aber leider ist das theoretische Grübeln nicht jedermanns Sache. Das wusste auch Aristoteles. Es gäbe aber nicht nur eine theoretische, sondern auch eine praktische Ver-nunft. Das Glück ist nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu finden, im richtigen Handeln. Aristoteles stellt der Weisheit die praktische Klugheit gegenüber, die uns im täglichen Leben hilft, die richtigen Entscheidungen zu fällen und so zu unserem Glück beiträgt. Aber was ist jeweils die richtig Entscheidung? Nach Aristoteles liegt diese oft in der Mitte zwischen zwei Extremen. Der Tugendhafte zeichne sich dadurch aus, dass er in jeder Situation die goldene Mitte trifft: Der Mutige ist weder tollkühn noch feige, der Besonnene ist weder impulsiv noch apathisch und der Großzügige ist weder geizig noch verschwenderisch. Aristoteles ist der Auffassung, dass wir uns diese Charakterzüge antrainieren können. Tugend ist lernbar. Und damit auch die Basis für das eigene Glück. Spaziergang bitteschön? Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Hund und würden friedlich in der Sonne liegen. Auf einmal spüren Sie, wie etwas an Ihnen zerrt. Nun bemerken Sie auch, dass Sie eine Leine tragen und an einen Wagen angekettet sind, der sich in diesem Moment in Bewegung setzt und losfährt. Sie versuchen sich von der Leine zu befreien. Ohne Erfolg. Eben lagen Sie noch gemütlich in der Sonne und nun sind Sie gezwungen, aufzustehen und dem Wagen hinterherzulaufen. Wenn Sie sich dagegen sträuben und liegen bleiben, tun Sie sich weh. Auch wenn Sie widerwillig mitlaufen und sich darüber aufregen, schaden Sie sich selbst: Sie wären unruhig, verärgert und unzufrieden. Also entscheiden Sie sich, einen

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