Markus LörzVortrag an der Johannes Gutenberg Universität Mainz am 07. Juni 2013
Bildungsexpansion und soziale Ungleichheiten beim Übergang ins Studium
2Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Analysegegenstand
Herkunftsspezifische Unterschiede beim Zugang zu höherer Bildung
vertikale Ungleichheiten
Herkunftsspezifische Unterschiede in der Art der Bildungsbeteiligung
horizontale Ungleichheiten
3Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Vertikale Ungleichheiten
Inpu
t
Out
put
Out
put
Primar-Stufe
Out
put
Sekundar-Stufe
II
I
Hoch-schule
BerufsausbildungErwerbstätigkeit
Inpu
t
Selektion Selektion
4Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Horizontale Ungleichheiten
Inpu
t
Out
put
Out
put
Primar-Stufe
Out
put
Sekundar-Stufe
II
I
Hoch-schule
BerufsausbildungErwerbstätigkeit
Inpu
t
5Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Bildungsexpansion und Differenzierung
Studienberechtigtenquote (in %) Studienanfängerquote (in %)
0
10
20
30
40
50
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 20100
10
20
30
40
50
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
Insgesamt
Allgemeinbildende Schulen
Berufliche Schulen
Insgesamt
Universitäten
Fachhochschulen
Quelle: Lörz 2013
6Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Forschungsfragen
(1) Inwieweit bestehen im deutschen Bildungssystem herkunftsspezifische Unterschiede? (Ausmaß)
(2) Wie haben sich diese Unterschiede in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt? (Entwicklung)
(3) Welche Prozesse und Mechanismen liegen den beobachtbaren Ungleichheiten zugrunde? (Mechanismen)
7Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Aus handlungstheoretischer Perspektive wird der Bildungsweg gewählt, der den größtmöglichen Nutzen (U) verspricht:
UAlternative A > UAlternative B
Der Nutzen eines Bildungsweges (Ui) ergibt sich aus verschiedenen Aspekten (Erikson/Jonsson 1996):
Ui =
Bi erwartete Erträge (z.B. Karriereaussichten)Ci erwartete Kosten (z.B. Dauer der Ausbildung)Pi Erfolgsaussichten (z.B. Leistungsfähigkeit)Ai Rahmenbedingungen (z.B. Bildungsabschluss)
Theoretische Überlegungen
Bi(Bi * Pi) – Ci ) | Ai( Bi
8Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Ausgangssituation: Herkunftsunterschiede
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,2
0
20
40
60
80
100
beruflicheSchule
allgemeinbildendeSchule
stud
ierq
uote
0,00
0,02
0,04
0,06
0,08
0,10
1 1,5 2 2,5 3 3,5 4
0
10
20
30
40
50
keinen Einfluss
2 3 4 großen Einfluss
0
10
20
30
40
50
VorteilAusbildung
teils/teils VorteilStudium
Rahmenbedingungen (Ai) Erfolgsaussichten (Pi)
Kostenüberlegungen (Ci) Ertragsüberlegungen (Bi)
Quelle: HIS-Studienberechtigtenbefragung 2010
9Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Ausgangssituation: HerkunftsunterschiedeZugang zu höherer Bildung Hochschulwahl
Studienfachwahl Studienerfahrungen
0
20
40
60
80
100
Erwerb HZB Übergang ins Studium0
20
40
60
80
100
Universität Fachhochschule
0
10
20
30
40
50
Medizin/Jura0
10
20
30
40
50
Auslandsstudium
Quelle: Lörz & Schindler 2011; Lörz & Krawietz 2011; Lörz 2012, 2013
10Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Theoretische Überlegungen
Wie entwickeln sich die herkunftsspezifischen Ungleichheiten im Zeitverlauf?
11Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Theo. Erwartungen (Sekundarschulbereich)
Hyp. Bildungsbeteiligung Ungleichheitsentwicklung
(in %)
0
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 20100
10
20
30
40
50(in %)
Untere Sozialgruppen Obere SozialgruppenSättigungsbereich Ungleichheitsausmaß
Sättigungsbereich
Quelle: Lörz 2013
12Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Wie wirken sich die veränderten Rahmenbedingungen auf die Ungleichheiten im Hochschulbereich aus?
Ui = ((Bi * Pi) – Ci ) * Ai
Statusreproduktionsthese (Bi): Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt Bedarf an Extraqualifikationen Universitätsabschluss zunehmend für die oberen Sozialgruppen von Interesse (Hartmann 2004)
Ablenkungsthese (Ci): Die Ausbildungs- und Fachhochschul-angebote sprechen die unteren Sozialgruppen an (Müller/Pollak 2004).
Defizitthese (Pi): Absolventen von beruflichen Schulen erbringen schlechtere Schulleistungen (Teichler/Wolter 2004).
Institutionelle Veränderungen (Ai): Der Anteil der unteren Sozialgruppen an beruflichen Schulen steigt (Müller et al. 2010).
Theoretische Überlegungen
13Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Theo. Erwartungen (Hochschulbereich)
Hyp. Bildungsbeteiligung Ungleichheitsentwicklung
(in %) (in %)
0
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 20100
10
20
30
40
50
Untere Sozialgruppen Obere Sozialgruppen Ungleichheitsausmaß
Verändertes Bildungsverhalten: obere Sozialgruppen
Verändertes Bildungsverhalten: unteren Sozialgruppen
Quelle: Lörz 2013
14Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Theoretische Erwartungen
(1) Die Ungleichheiten nehmen im Sekundarschulbereich ab, nehmen aber beim Übergang ins Studium zu.
(2) Die Ungleichheiten zeigen sich zunehmend in horizontalen Aspekten der Bildungsbeteiligung.
15Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Daten
Mikrozensus 1976-2006repräsentative Bevölkerungsbefragungn = 75301
HIS-Studienberechtigtenpanel 1976-2006repräsentative Studienberechtigtenbefragung 1. Befragung: ½ Jahr vor Schulabgang2. Befragung: ½ Jahr nach Schulabgang3. Befragung: 3½ Jahre nach Schulabgangn = 78477
Daten und Methoden
16Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Methoden
ZeitreihenanalyseDeskription der Studierquoten
Logistische RegressionsanalyseEinflussfaktoren auf die Studienentscheidung
DekompositionsmethodeZerlegung des Herkunftseffekts (Fairlie 2005)
Daten und Methoden
17Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Abhängige Variablen
Vertikale UnterschiedeErwerb der HochschulzugangsberechtigungAufnahme eines Studiums
Horizontale UnterschiedeHochschulwahlFachwahlStudienverlauf
Daten und Methoden
18Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Unabhängige Variablen
KostenüberlegungenMotiv „finanzielle Unabhängigkeit“
ErtragsüberlegungenMotiv „hohes Einkommen erwerben“
LeistungsindikatorenSchulabschlussnote
BildungsbiographieArt der Schule (beruflich vs. Allgemeinbildend)
Daten und Methoden
19Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Ergebnisse (Sekundarschulbereich)Wie entwickeln sich die herkunftsspezifischen Unterschiede beim Erwerb der Hochschulreife?
Männer Frauen
BildungsexpansionDie unteren Sozialgruppen schließen zu den oberen aufDie herkunftsspezifischen Unterschiede nehmen ab
0
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 20050
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Quelle: Lörz & Schindler 2011
20Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Ergebnisse (Hochschulbereich)Wie entwickeln sich die herkunftsspezifischen Unterschiede beim Übergang ins Studium?
Männer Frauen
keine lineare EntwicklungAnfang der 80er Jahre sinkt die StudierbereitschaftDie herkunftsspezifischen Unterschiede nehmen zu
0
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 20050
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Quelle: Lörz & Schindler 2011
21Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Ergebnisse (Hochschulbereich)An welchen Hochschulen zeigen sich die herkunftsspezifischen Unterschiede?
0
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 20050
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
0
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 20050
20
40
60
80
100
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
UniversitätenMänner Frauen
Fachhochschulen
Quelle: Lörz 2013
22Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Ergebnisse (Hochschulbereich)Wie lassen sich die zunehmenden Ungleichheiten erklären?
23Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 20060
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 2006
Unterschiede bei der Aufnahme eines Universitätsstudiums
Männer Frauen
Ergebnisse der Effektezerlegung
1835
2138
Quelle: Lörz 2013
24Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Unterschiede bei der Aufnahme eines Universitätsstudiums
Männer Frauen
Ergebnisse der Effektezerlegung
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 20060
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 2006
(Erklärungsbeitrag auf Basis log. Regression und nicht-linearer Dekomposition)
Quelle: Lörz 2013
25Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Unterschiede bei der Aufnahme eines Universitätsstudiums
Männer Frauen
Ergebnisse der Effektezerlegung
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 20060
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 2006
(Erklärungsbeitrag auf Basis log. Regression und nicht-linearer Dekomposition)
Quelle: Lörz 2013
26Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Unterschiede bei der Aufnahme eines Universitätsstudiums
Männer Frauen
Ergebnisse der Effektezerlegung
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 20060
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 2006
(Erklärungsbeitrag auf Basis log. Regression und nicht-linearer Dekomposition)
Quelle: Lörz 2013
27Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Unterschiede bei der Aufnahme eines Universitätsstudiums
Männer Frauen
Ergebnisse der Effektezerlegung
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 20060
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
1976 1978 1980 1983 1986 1990 1992 1994 1999 2002 2006
(Erklärungsbeitrag auf Basis log. Regression und nicht-linearer Dekomposition)
Quelle: Lörz 2013
28Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Zusammenfassung
Trotz Bildungsexpansion bestehen weiterhin bemerkenswerte herkunftsspezifische Unterschiede in der Bildungsbeteiligung.
Die herkunftsspezifischen Unterschiede haben sich vom Sekundarschul- auf den Hochschulbereich verschoben (vertikale Ungleichheiten)
Die herkunftsspezifischen Unterschiede zeigen sich zunehmend auch in der Art der Bildungsbeteiligung (horizontale Ungleichheiten)
Die Ursache für diese veränderten Ungleichheits-mechanismen entsprechen nicht immer den theoretischen Erwartungen.
29Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
Zusammenfassung
Die zunehmenden Unterschiede hängen vorwiegend mit dem Ausbau der beruflichen Schulen und den damit eingeschränkten Studienoptionen zusammen.
In der Gruppe der Frauen führen auch zunehmende Kostenüberlegungen zu einem Studienverzicht.
Der Ausbau der beruflichen Schulen führt demnach zu einer Inklusion der bildungsfernen Schichten auf der Sek II – ist aber mit einer Exklusion aus den universitären Studienrichtungen verbunden.
30Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit beim Übergang ins Studium
LiteraturLörz, M. 2013: Bildungsexpansion, Differenzierung des Bildungssystems und die
Entwicklung herkunftsspezifischer Ungleichheiten. Dissertation an der Universität Mannheim.
Lörz, M. 2013: Differenzierung des Bildungssystems und soziale Ungleichheit: Haben sich mit dem Ausbau der beruflichen Bildungswege die Ungleichheitsmechanismen verändert? Zeitschrift für Soziologie, 42(2): 118-137.
Lörz, M. 2012: Mechanismen sozialer Ungleichheit beim Übergang ins Studium: Prozesse der Status- und Kulturreproduktion. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderband 52 "Soziologische Bildungsforschung". Wiesbaden, S.302-324.
Schindler, S. & M. Lörz. 2012: Mechanisms of social inequality development: Primary and secondary effects in the transition to tertiary education between 1976 and 2005. European Sociological Review, 28(5): 647-660.
Lörz, M., S. Schindler & J. Walter. 2011: Gender Inequalities in higher education. Extent, development and mechanisms of gender differences in enrolment and field of study choice. Irish Educational Studies, 30(2): 179-198.
Lörz, M. & S. Schindler. 2011: Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit: Zunahme, Abnahme oder Persistenz ungleicher Chancenverhältnisse – eine Frage der Perspektive? Zeitschrift für Soziologie, 40(6): 458-477.
Lörz, M. & M. Krawietz. 2011: Internationale Mobilität und soziale Selektivität: Ausmaß, Mechanismen und Entwicklung herkunftsspezifischer Unterschiede zwischen 1990 und 2005. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 63(2): 185–205.