+ All Categories
Home > Documents > BIG BUSINESS 1/11

BIG BUSINESS 1/11

Date post: 23-Mar-2016
Category:
Upload: bundesimmobiliengesellschaft-mbh
View: 227 times
Download: 6 times
Share this document with a friend
Description:
Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft
68
www.big.at Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft Ausgabe Nr. 9 • Juni 2011 Wunschkonzert Beim Schulbau wollen viele mitreden. Nicht zwangsläufig führt erhöhte Beteiligung zu einem harmonischeren Ergebnis. Das Kreuz mit den Kirchen Gotteshäuser sind nicht gerade die Cashcow im Portfolio der BIG. Erhalten werden wollen sie aber allemal.
Transcript
Page 1: BIG BUSINESS 1/11

www.big.at

Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Ausgabe Nr. 9 • Juni 2011

WunschkonzertBeim Schulbau wollen viele mitreden. Nicht zwangsläufig führt erhöhte Beteiligung zu einem harmonischeren Ergebnis.

Das Kreuz mit den KirchenGotteshäuser sind nicht gerade die Cashcow im Portfolio der BIG. Erhalten werden wollen sie aber allemal.

Page 2: BIG BUSINESS 1/11

Impressum

Inhalt

02 ZeitrafferSpatenstiche, Gleichenfeiern, Eröffnungen oder sonstige Ereignisse, die die BIG im vergangenen halben Jahr bewegt hat.

14 BabylonischeVerwirrungZahlen zur Beschreibung von Kosten sind bei Bauprojekten nur dann etwas wert, wenn die herleitung auch klar ist. Das thema eignet sich trefflich, um gezielt aneinander vorbeizureden.

20 „OhneKompromissegehtesnicht“Barrierefreiheit ist für „gesunde“ Menschen selbstverständlich. Viele können aber keine Stufen steigen oder sehen den Eingang nicht. Das wird vor allem auch in hinblick auf die „alternde“ Gesellschaft eine herausforderung.

26 DasKreuzmitdenKirchenGotteshäuser sind nicht gerade die Cashcow im Portfolio der BIG. Erhalten werden wollen sie aber allemal.

34 DieJägerdesverlorenenSchatzesIn den häusern der BIG hängen, stehen, schlummern enorme Kunstschätze. In Einzelfällen verwahrlosen sie aber auch.

40 BasisdemokratischesWunschkonzertDer Einfluss des Gebäudes auf die lernergebnisse ist unbestritten. In der Frage, wie ein optimales Schulgebäude aussehen soll, schei-den sich allerdings die Geister. Mitreden wollen jedenfalls alle.

48 DasGebotderStabilitätDas neue Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen bestimmt, wie lange ein Meter auf der ganzen Welt zu sein hat. Den Raum dafür hat die BIG geschaffen.

54 „Schutzbedürftig“aus angst vor Kriegen hat die Republik Schutzräume geschaffen. Für den akuten Ernstfall stehen die wenigsten bereit.

58 LauschangriffausMuggendorfauf dem trafelberg in einem eher verschlafenen teil nieder-österreichs ist die Ruhe von enormem Vorteil. Von dort aus wird nämlich quasi die ganze Welt abgehört.

62 EinQuantumErkenntnisBis vor Kurzem blieb der atomreaktor im Wiener Prater von der Öffentlichkeit unbemerkt. Durch das Erdbeben in Japan waren die Forscher plötzlich medial gefragte Experten.

65 GalerieEnde Mai war Zeit der Messen. Die BIG präsentierte sich nahezu gleichzeitig auf der Real Vienna und dem Städtetag in St. Pölten.

IMprESSuMAusgabe: Nr. 9/2011 Herausgeber: Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Hintere Zollamtsstraße 1, 1031 Wien, T 05 02 44-0, F 05 02 44-1199,

[email protected], www.big.at Geschäftsführung: Wolfgang Gleissner, Hans-peter Weiss Chefredaktion: ernst eichinger redaktion: Herbert Hutar, Christian mayr, paul Frühauf produktionundArtdirektion:martin Jandrisevits, Hans Ljung Lektorat:Nicole Tintera FotosTitelblatt,u4:Harald A. Jahn

Druck: Grasl Druck & Neue medien GmbH, 2540 Bad VöslauDieses Druckwerk zeichnet sich durch eine nachhaltige und ressourcenschonende produktion aus und wurde klimaneutral gedruckt. Das papier dieses produktes stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern sowie kontrollierten Quellen und ist somit peFC zertifiziert. peFC steht somit als synonym für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die Zertifizierung der gesamten Verarbeitungskette vom Wald bis zum endprodukt garantiert, dass die Holz-herkunft unzweifelhaft nachvollziehbar ist und geprüft wurde. Durch unabhängige, renommierte Zertifizierungsgesellschaften wird sichergestellt, dass die Wälder nach hohen peFC-standards bewirtschaftet werden. peFC-Zertifikationsnummer: HCA-CoC-0249. Klimaneutral drucken bedeutet, die CO2-emission für die Herstellung eines Druckproduktes durch den erwerb anerkannter umweltzertifikate auszugleichen.BI

GB

uSI

nES

SIn

HAL

T

14

02

26

48

54

Foto

: ric

hard

Tanz

erFo

to: F

otol

iaFo

to: m

icha

el G

rühb

aum

Foto

: Gis

ela

erla

cher

Foto

: mic

hael

Het

zman

nsed

er

PEFC zertifziertDas Papier dieses Produktes stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen

www.pefc.at

Page 3: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at BIG BusiNess 1

editorial

Die BIG hat einmal mehr ihre hohe Leistungs-fähigkeit und Effizienz unter Beweis gestellt und im vergangenen Jahr ein Bauvolumen von insgesamt 636 Millionen Euro abgewi-

ckelt. Nie in der zehnjährigen Firmengeschichte – bezogen auf den Zeitpunkt des Kaufs der Liegenschaften – war die-ser Wert so hoch. Ein Symbol für diesen „Bauboom“ ist die neue Wirtschaftsuniversität Wien (WU), die im Prater seit Anfang 2010 errichtet wird. Das definitiv größte Bauvorha-ben der BIG seit Bestehen des Unternehmens ist voll auf Schiene. Aus heutiger Sicht halten sowohl Zeitplan als auch Kosten. Das soll selbstverständlich bis zur Übergabe so blei-ben und gilt auch für alle anderen 47 derzeit in Ausführung befindlichen Großprojekte quer durch ganz Österreich, die in den kommenden Jahren fertiggestellt werden. Diese solide Dienstleistungsqualität wird nicht nur von Projekt-partnern, sondern auch vom Kapitalmarkt honoriert. Gera-de die Einschätzung der Marktteilnehmer ist für die BIG von enormer Bedeutung. Denn ob die Anleihen – und da-mit letztendlich das Unternehmen – bei Investoren gefragt sind, entscheidet über die Zukunft des Unternehmens.

Generell reagieren wir rasch auf neue Herausforderun-gen, kennen unsere Stärken, bauen sie kontinuierlich aus und behaupten uns damit im offenen Wettbewerb. Flexi-

bel waren wir auch bei den Inhalten unseres Magazins BIG Business. So wurde nach dem Nuklearunfall in Fukushima das Konzept radikal umgestellt. In der aktuellen Ausgabe stellen wir Ihnen daher den neu errichteten Messstollen vor, in dem Erdbeben zukünftig zeitnah und genauestens aufgezeichnet werden. Im Zuge der Katastrophe in Japan hat der Reaktor im Wiener Prater zum ersten Mal die ge-bührende, mediale Aufmerksamkeit erreicht. Nicht zuletzt stieg bei der Bevölkerung in den vergangenen Monaten das subjektive Sicherheitsbedürfnis massiv. Daher kamen auch Schutzräume wieder ins Gespräch, die allerdings der-zeit eher ein Schattendasein fristen. Wir blicken für Sie nicht nur hinter die Kulissen, sondern in diesem BIG Busi-ness auch in die Keller der Amtsgebäude und wünschen viel Spaß beim Lesen!

Mit Qualität in die Zukunft

Foto

: ric

hard

tanz

er

Wolfgang Gleissner Hans-Peter Weiss

Seit 1. Juni 2011 leitet die auf fünf Jahre neu bestellte Geschäfts­führung, bestehend aus Hans­Peter Weiss (links) und Wolfgang Gleissner, das Unter­nehmen.

Page 4: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at2 BIG BusiNess

Zeitraffer

Wu

15 Kräne und im Durchschnitt 350 Arbeiter arbeiten pro Tag

mit Hochdruck auf der Baustelle der neuen WU. Alleine die Kräne

zu koordinieren ist bereits eine logistische Meisterleistung. Bau-liche Herausforderungen gibt es

auch genug. Im Bild rechts die „schiefen“ Wände des Learning

and Library Center (LLC) von Zaha Hadid.

Foto

: boa

net.a

t

Foto

s: Ri

char

d Ta

nzer

Foto

: LBs

Red

l

Page 5: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 3BIG BusiNess

Wu

Von der Aussichtsplattform, die übrigens allen Inter-essierten von 8 bis 20 Uhr offen steht, ist ein Wald von Kränen zu sehen, schwere Baumaschinen, die

auf den rund 90.000 Quadratmetern in bester Innenstadt-lage ein kompliziertes Ballett aufführen. Noch ist schwer vorstellbar, dass hier bereits im Herbst 2013 die ersten Vor-lesungen stattfinden sollen. Die Größe kann der Besucher schon erahnen, mit der Leichtigkeit im Entwurf der Archi-tektin Zaha Hadid tut man sich noch etwas schwerer. Doch die künftigen Formen sind schon vorgegeben: Inmitten der Betonplatten werden einige schiefe Wände betoniert – die Grundpfeiler der kühnen, nach vorne geschwungenen Form des künf tigen Library & Learning Centers, Herzstück des riesigen Bauvorhabens.

FinanzierungsfragenVor allem ganz große Bauprojekte haben den Ruf, grund-sätzlich später fertig und dafür viel teurer zu werden. Diese Sorgen zerstreut BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner mit Nachdruck. Selbstverständlich liege man im Zeitplan. Und auch die Kosten halten. „Zwei Drittel der Bauaufträge wurden bereits vergeben, bis Ende 2011 werden es 90 Pro-zent sein. Die meisten davon an inländische Unternehmen. Insgesamt sind bisher rund 100 Millionen Euro in den Neu-bau geflossen“, sagt Maximilian Pammer, Geschäftsführer der Projektgesellschaft, die für die Abwicklung des Bauvor-habens zuständig ist.

Zu den Gesamtkosten kommen noch 46 Mil lionen Euro für die Inneneinrichtung, sagt Michael Holoubek, Rekto-ratsbeauftragter der WU für den neuen Campus: „In die-sem Betrag enthalten sind die komplexe Uni-IT ebenso wie

der Umzug im Sommer 2013. Darauf richten wir uns jetzt schon ein. Wenn wir am alten Standort einen Semi nartisch kaufen, dann schauen wir, dass wir ihn später mitnehmen können.“

StandortvorteileDer neue Campus wird so ziemlich alles bieten, was Stu-denten- und Lehrendenherzen begehren. Die innerstädti-sche Lage direkt an der U2 und Radwege im und rund um das Gelände sorgen für staufreie Verbindungen. Die direkte Nachbarschaft zum Prater sowie eine Kooperation mit der USI – „wir verhandeln aber noch“, so Holoubek – sollen für ausreichend Sportmöglichkeiten sorgen. Als Wasserballer würde sich der Professor eine Schwimmhalle wünschen, aber „die wird sich nicht ausgehen“.

Zügig schreitet der Bau im Wiener Prater voran: Der Campus WU nimmt Formen an! Das 492-Millionen-Euro-Projekt stellt zumindest aufgrund seiner Dimension alle anderen Bauvorhaben der BIG in den Schatten.

Kranballett im Wiener Prater

Foto

: Bu

sarc

hite

ktur

/boa

net.a

tFo

tos:

Zaha

Had

id A

rchi

tect

s

Page 6: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at4 BIG BusiNess

Zeitraffer

AmtsgeBäude Bruck/mur | HtL & HAk st. PöLteN

■  Die  Modernisierung  der  Liegenschaft  in  Bruck/Mur,  in dem  Bezirksgericht,  finanzamt  und  Bundesamt  für  eich- und  Vermessungswesen  untergebracht  sind,  wurde  im Mai in angriff genommen. Die neue Hülle für die Gebäude aus  den  60er-Jahren  wird  mit  Solarwaben  verkleidet,  die zusammen mit anderen Maßnahmen wie etwa einer tief-bohr-Wärmepumpe  den  energieverbrauch  auf  die  Hälfte senken  sollen.  eine  starke  Photovoltaik-anlage  auf  dem Dach könnte sogar noch Strom ins Netz einspeisen. außer-dem wird das Gerichtsgebäude aufgestockt und mit einem kleinen Neubau versehen, um der Justiz dringend benötig-ten Platz zu verschaffen. 

Die BiG demonstriert mit diesem Projekt, wie viel ener-gie  durch  innovative  Maßnahmen  bei  altbauten  gespart werden  kann.  „Die  in  Bruck  gewonnenen  erfahrungen  werden  in  viele  weitere  Sanierungen  einfließen“,  sagt Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der BiG anlässlich des Spatenstichs.

Foto

: ww

w.yp

silo

nef.c

om

Foto

: pitt

ino

& o

rtne

r arc

hite

ktur

büro

Foto

: pitt

ino

& o

rtne

r arc

hite

ktur

büro

Foto

: Big

Die sanierungsbedürftigen und aus allen Nähten platzenden Schulen HAK und HTL St. Pölten

wachsen zusammen und werden auf modernsten Stand gebracht.

Lange ersehntes großprojekt verbindet schulen■  Die Bauarbeiten an der HtL und HaK St. Pölten haben be-gonnen!  Die  Schulen  aus  den  60er-Jahren  werden  nicht nur  von  Grund  auf  saniert,  sondern  auch  räumlich  näher zusammengeführt.  Dazu  wird  ein  Campus  geschaffen, während  ein  neuer,  gemeinsamer  eingangsbereich  neue städtebauliche akzente setzt. Die weitläufige, transparente Bauweise nach Plänen der Yf architekten aus Wien und ge-meinsam genutzte einrichtungen wie etwa der Bibliothek und einer Mensa sollen für offene Kommunikation sorgen. außerdem bekommt die HtL als eine der größten Schulen Österreichs  den  lange  gehegten  Wunsch  nach  einem  neuen turnsaal erfüllt.

Die  arbeiten  an  dem  über  60  Millionen  euro  teuren Großprojekt  werden  in  zwei  etappen  abgewickelt  und rund vier Jahre dauern – zwei für die Neubauten, zwei, um den Bestand zu sanieren. Der Unterricht wird in dieser Zeit in Containern stattfinden, die vor allem im innenhof auf-gestellt werden.

Beim Spatenstich waren neben Bundesministerin Beatrix Karl auch die Repräsentanten der beteiligten

Institutionen gekommen: der Brucker Finanzamtsleiter Alfred Brunnsteiner, der Präsident

des Oberlandesgerichts Graz Manfred Scaria, der Vizepräsident des Bundesamts für Eich- und

Vermessungswesen Johann Pacher, Brucks Bürgermeister Bernd Rosenberger, der steirische Landtagspräsident Manfred Wegscheider sowie

BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner.

Das Amtsgebäude in Bruck an der Mur soll nach Fertigstellung des Bauvorhabens das Vorzeigeprojekt

der BIG punkto energieeffiziente Sanierung sein.

ende für schweißtreibende sommer & kalte Winter

Die neue „Spange“ wird zwei große Schulen mitein-

ander verbinden. Al-leine in der Höheren

Technischen Lehranstalt sind

1.800 Schüler und rund 200 Lehrer

untergebracht.

Page 7: BIG BUSINESS 1/11

5BIG Businessnr. 9 | 2011 | www.big.at

■ Was hat Sie bewogen, den Job bei der BIG anzustreben?Weiss: Die BIG ist für mich ein spannendes Unternehmen mit einer herausfordernden Aufgabenstellung im Span­nungsfeld zwischen Politik und Wirtschaft und ein wirk­lich großer Player in der Immobilienbranche. Ein solches Unternehmen mitgestalten zu dürfen ist schon eine reiz­volle Aufgabe. Und die BIG hat eine unglaubliche Breite und Fülle an Aufgaben. Aufgrund der Themenstellungen in meiner früheren Tätigkeit hatte ich auch mit vielen ver­schiedenen Institutionen zu tun und genieße es, sowohl mit Kunden, der Politik als auch der Bevölkerung ständig Kontakt zu haben – das liegt mir.

Andererseits: Diese Breite, also viele Positionen unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer einfach. Anders gefragt: Wie stark ist Ihre Leidensfähigkeit?

Weiss: Das ist keine Frage der Leidensfähigkeit, sondern eher der Leidenschaft, mit der man an eine Aufgabe heran­geht und letztlich auch eine Frage der Konsequenz. Na­türlich ist die Bewältigung eines breiten Spektrums oder anders gesagt die Erfüllung unterschiedlichster Wünsche nicht einfach, aber es ist zugleich eine Herausforderung an das Management. Man könnte es auch Kundenorientie­rung nennen.

Der Eigentümer der BIG ist gleichzeitig Hauptmieter. Gele­gentlich vermischen sich diese Positionen. Wie sehen Sie dieses Spannungsfeld?

Weiss: Das ist mit Sicherheit eine besondere Herausforde­rung. Es ist aber vor allem eine Frage der Kommunikation. Wir sind gefordert klarzumachen, dass die BIG Eigentümer ihrer Immobilien ist und wir im Interesse dieses Unterneh­mens handeln müssen. Das bedeutet permanente, aktive Kommunikation. Aber ich glaube mit dem nötigen guten Willen und der Begeisterung für die Aufgabe lässt sich das lösen.

Der BIG wird gelegentlich vorgeworfen, sie wäre zu teuer. Daneben müssen aber Stollen, Kirchen & Co. mitgetragen werden. Wie passt das zusammen? Muss man das, was unter den ein­zelnen Segmenten zusammenge­fasst ist, noch stärker voneinander trennen?

Weiss: Man muss die Frage präzisie­ren. Was heißt zu teuer? Womit ver­gleicht man die BIG? Das ist wieder so ein Fall von Kommunikations­ und Informationsbedarf. So wie ich

die BIG bisher kennengelernt habe, wird hier sehr gute Ar­beit geleistet. Die BIG ist in ei­nem speziellen Umfeld tätig, in dem auch besondere Im­mobilien Platz haben. Und im Gegensatz zu anderen Immo­bilienunternehmen hat sich die BIG an besondere Richtli­nien wie das Bundesvergabe­gesetz zu halten. Wenn nach diesen Überlegungen noch immer übrig bleibt, dass wir zu teuer sind, dann werden wir das verbessern. Auch da­für bin ich angetreten.

Man sagt: „Der erste Eindruck zählt.“ Was war Ihrer, nach­dem Sie die BIG das erste Mal betreten haben?

Weiss: Ich hatte sofort den Eindruck, dass eine positive Stimmung in diesem Haus herrscht und dass alle, die in diesem Unternehmen arbeiten, genau wissen, welche be­sonderen Aufgaben sie hier jeden Tag erledigen dürfen. Die BIG ist ein spannendes Unternehmen mit einer breiten Themenstellung – das spürt man sofort. Aber man spürt auch, dass sich die BIG selbst noch zu wenig als Unter­nehmen versteht. An diesem Selbstverständnis werden wir arbeiten.

Wie wichtig ist Ihnen familiäres Klima in einem Unter­nehmen?

Weiss: Mir ist ein offener, ehrlicher und persönlicher Um­gang sehr wichtig. Das ist die Basis für ein erfolgreiches Unternehmen, weil es Sicherheit und letztlich auch Ver­bundenheit zum Unternehmen vermittelt. Und nur wenn

diese beiden Aspekte gegeben sind, kann man nachhaltig erfolgreich sein.

Sie sind privat Ehemann und Vater von zwei Kindern. Wie wichtig ist Ihnen Familie?

Weiss: Meine Familie ist mir sehr wichtig und gibt mir persönlich Kraft.

Vielen Dank für das Interview!

« Wir sind gefordert klarzumachen, dass die BIG Eigentümer ihrer Immobilien ist und wir im Interesse dieses Unternehmens handeln müssen.»Hans-Peter Weiss, BIG

Seit rund einem Monat amtiert der neue BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss. Im Interview mit BIG Business spricht er über seine Motivation, Leidensfähigkeit und die kommunikativen Herausforderungen.

Der neue BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss will verstärkt informieren und kommunizieren.

Foto

: Ric

hard

Tanz

er

„Der BiG verpflichtet“

GF WeissinTeRvieW

Page 8: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at6 BIG BusiNess

Zeitraffer

BG KufsteiN | BezirKsGericht Graz-Ost

Anfang Juli fahren in Kufstein die Bagger auf. Der Erweiterungsbau setzt architektonische Akzente.

Neue flächen für Gymnasium im innenhof

■  Das mehr als 100 Jahre alte Bundesgymnasium Kufstein wird  ab  Sommer  2011  saniert  und  erweitert.  im  Bestand werden  die  elektroinstallationen,  teile  der  Haustechnik und der Brandschutz erneuert. Zusätzlich wird ein Neubau mit  insgesamt  15  neuen  Klassen  errichtet.  Dazu  kommen neue  Werkräume  sowie  ein  Mehrzwecksaal  und  eine  Bibliothek.  Die  wichtigste  Änderung  am  existierenden  Gebäude wird die Bereinigung des innenhofes sein, wo der 

Helle Klassen und eine markante

Fassade für den Gymnasium-Zubau.

Das Bezirksgericht in der steirischen Landeshauptstadt wurde vom Keller bis ins Dach runderneuert. Außen wurde nur „behübscht“.

■  Die Generalsanierung des Bezirksgerichts Graz-Ost wur-de nach rund eineinhalb Jahren im februar 2011 fertigge-stellt. Das Objekt präsentiert sich damit punktgenau zum 100. Geburtstag in neuer frische. Während die historische Substanz  von  1910,  von  kosmetischen  eingriffen  abgese-hen, nach außen hin unverändert blieb, wurde das innere des  von  architekt  anton  Spinler  gebauten  Hauses  kom-plett umgekrempelt und auf den neuesten Stand der tech-nik gebracht. Barrierefreiheit und helle, freundliche Warte-räume  sind  deutliche  Zeichen  der  Modernisierung.  auch Böden, fenster, türen, die gesamte elektro-installation in-klusive eDV sowie die Haustechnik sind jetzt auf dem neu-esten Stand. Vollste Zustimmung zum Projekt kommt auch von  der  Grazer  altstadterhaltungs-Kommission,  deren strenge auflagen genau eingehalten wurden. Das entstan-dene Gebäude vereint damit den Charme des altbaus mit der effizienten funktionalität des 21. Jahrhunderts.

insgesamt steht dem Bezirksgericht nun eine Nutzfläche von rund 4.800 Quadratmetern zur Verfügung. Die Gesamt-investitionen für alle baulichen Maßnahmen belaufen sich auf rund 6,5 Millionen euro, und die komplette Sanierung wurde bei laufendem Gerichtsbetrieb abgewickelt.

altbau der Justiz erscheint in neuem Glanz

foto

s: w

iesfl

ecke

r-arc

hite

kten

zt g

mbh

foto

s: ro

bert

fran

kl

 eingangsbereich  rückgebaut  und  die  ausleuchtung  deutlich  verbessert  wird.  im  erdgeschoß  entsteht  eine  naturwissenschaftliche etage. Die 21 bestehenden Klassen-räume bieten nach abschluss der arbeiten mehr Platz für zeitgemäßes  Lernen.  Der  Neubau  wird  modern,  licht-durchflutet  und  steht  im  krassen  Gegensatz  zu  den  eher  traditionellen Bauten in der Umgebung.

insgesamt  beträgt  das  investitionsvolumen  rund  zwölf Millionen euro und die fertigstellung des Neubaus ist für Sommer 2012 geplant. Die Sanierung des Bestandes soll ein Jahr später abgeschlossen sein.

Die mittlerweile Ex-Justizministerin

Claudia Bandion-Ortner bei der

Eröffnung des frisch renovierten

BG Graz-Ost.

Page 9: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 7BIG BUSINESS

BIG BILANZ

Foto: Hertha Hurnaus

Im Jahr 2010 hat die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) massiv investiert. Insgesamt wurden 636 Millionen Euro (nach 522 Millionen Euro 2009) für neue Bauvorhaben

(inklusive WU-Projektgesellschaft) oder Instandhaltungs-maßnahmen geleistet. Das ist so viel wie nie zuvor in der über zehnjährigen Unternehmensgeschichte (seit Eigen-tumserwerb 2000/2001).

So fl ossen 2010, ohne Campus WU, rund 372,4 Millionen Euro (2009: 291,3 Millionen) in Neubauten und General-sanierungen. 48 Bauvorhaben wurden im laufenden Ge-schäftsjahr 2010 fertiggestellt. Prominente Fertigstellun-gen sind: Neubau Lehartrakt TU Wien, Neubau AHS Conti-weg Wien, Neubau Chemiegebäude TU Graz. Die Instand-haltungsaufwendungen zur Wertsicherung der Objekte betrugen 222,7 Millionen Euro (nach 210,7 Millionen Euro im Jahr 2009).

Gewinn gesunkenBei einer Bilanzsumme von rund 4,6 Milliarden Euro stie-gen die Umsatzerlöse der BIG leicht von 791,4 Millionen Eu-ro im Jahr 2009 auf 792,3 Millionen Euro im Jahr 2010. Mehr als 85 Prozent des Umsatzes resultiert aus Mieteinnahmen (653,4 Millionen Euro). Hauptkunde der vermieteten Flä-chen ist der Bund oder bundesnahe Institutionen. 2010 wurde gemäß UGB ein Jahresgewinn von rund 14,7 Millio-nen Euro (nach 47,7 Millionen Euro im Jahr 2009) erwirt-schaftet, der zur Gänze im Unternehmen belassen wird.

Das von der BIG abgewickelte Projektvolumen erreichte im Jahr 2010 völlig neue Höhen. Ein Ende des Baubooms ist nicht in Sicht. Auch in den Jahren 2011 und 2012 bleiben die Investitionen voraussichtlich auf einem Niveau, das deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre liegt.

Das im letzten Jahr fertiggestellte Neubauprojekt AHS Contiweg ist beispielhaft für einen massiven Investitionsschub.

Investitionen

Gründe für die Belastung des Jahresgewinnes waren ge-stiegene Aufwendungen für Instandhaltungsmaßnahmen und Abwertungen von Immobilien.

Insgesamt wurden 2010 Liegenschaften um rund 40,3 Millionen Euro verkauft. Daher fl ießen aus dem Titel der Nachbesserungsverpfl ichtung 20,6 Millionen Euro an das Bundesministerium für Finanzen. Die Nettoverschul-dung betrug zum Stichtag 31. Dezember 2010 rund 3,316 Mil-liarden Euro.

Im Jahr 2010 hat die international renommierte Rating-agentur Moody’s die höchste Bonitätsstufe (AAA) wieder bestätigt.

InvestitionsrekordFACTS & FIGURES (Zahlen nach UGB) BIG IN ÖSTERREICH 2010

Bilanzsumme ca. 4,6 Mrd. EuroUmsatz ca. 792 Mio. EuroGewinn 14,7 Mio. EuroEigenkapitalquote 13,97 ProzentProjekt-Investitionen ca. 636 Mio. EuroMitarbeiter ø 813 Gebäude ca. 2.800Gebäudefl äche ca. 7 Mio. m2

in Mio. €

100

Instandhaltung

Neubau & Generalsanierungen

Gesamt

200

300

400

500

2001

121 165 183

206

388

189

332

206

341

243

359

187

312

229

412

307

517

413

636

116 125 183 210 223135143

178

342

214

335

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

600

700

Page 10: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at8 BIG BusiNess

sieben seiner neun Jahre als Direktor des Francisco Josephinum in Wieselburg hat Alois Rosenberger auf einer Baustelle verbracht. Auch angesichts des mehr

als befriedigenden Ergebnisses nimmt er die Zeit sportlich. „Wir kommen aus der Landwirtschaft“, sagt er. „Wir sind hart im Nehmen!“

Die Renovierung des Schlosses war die letzte Etappe und ist jetzt erfolgreich abgeschlossen. Zuvor wurden Neubau-ten wie das Lebensmitteltechnische Prüfzentrum, ein Turn-saal mit Photovoltaik-Anlage, ein Biomasse-Kraftwerk und das Internat errichtet. Das Ergebnis am Standort ist die per-fekte Mischung aus Altbau-Charme und modernem Funk-tionsbau mit dem Anspruch, alles, nur nicht fad zu sein. Ein besonderes Zuckerl für den Direktor gibt’s als Trost: „Ich bin ziemlich stolz auf mein neues Büro“, sagt Rosenberger. „40 Quadratmeter, Stuck, der einzige Raum im ganzen Schloss mit Originalmöblierung und Originalboden. Noch mehr persönliche Note geht nicht!“

„Ein besonderes Anliegen war mir die Gestaltung des Innenhofes. Ich wollte, dass so viele Menschen wie möglich

ZEITRAFFER

Herrschaftliche Bildung

scHloss WieselBurg

Das Schloss Weinzierl in Wieselburg ist nach der Sanierung beispielhaft für moderne Schulbauten in altem

Gewand und repräsentiert gleichzeitig den Schlussstein eines

gewaltigen Bauvorhabens.

Page 11: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 9BIG BusiNess

Das Schloss Wieselburg wurde vom Keller bis zum Dachziegel generalsaniert. Der überdachte Hof bietet Platz für diverse Veranstaltungen. Zuvor wurde die Schule bereits erweitert.

schloss

in dieser Aula Platz haben, da wir immer wieder Veranstal­tungen im Haus haben, bei denen wir an die Kapazitäts­grenze stoßen. Daher wurde eine geplante Stiege vom Fest­saal im ersten Stock nicht realisiert. Auch eine geplante Glaswand in diesem Bereich ist weggefallen“, so Rosen­berger.

Im Bereich der Schularchitektur spielt das Josephinum jetzt jedenfalls ganz vorne mit. Die Klassen sind in Neubau­ten untergebracht – „aber auch im Schloss selbst, darauf habe ich bestanden, damit es keine Trennung zwischen Schülern und Verwaltung gibt“ – und nach modernsten pä­dagogischen Standards errichtet. Alles ist auf Teamwork ausgerichtet, vom Hörsaal für 140 Personen bis zu unterein­ander verbundenen Räumen für kleine Arbeitsgruppen. Im Schloss stehen voll ausgestattete Übungsfirmen zur Verfü­gung. Aber ist das jetzt eigentlich sicher für Schüler und Lehrer? „Aber natürlich“, lacht Rosenberger. „Allerdings ist so ein altes Gemäuer nie ganz berechenbar. Das macht aber auch den Charme aus und setzt es von modernen Funk­tionsbauten ab.“

WieselBurg

Die Kletterwand ist nur eines von vielen Highlights an dem mittlerweile runderneuerten Bildungsstandort.

« Ich bin ziemlich stolz auf mein neues Büro – der einzige Raum im ganzen Schloss mit Originalmöblierung und Originalboden.»  Alois Rosenberger, Direktor des Francisco  Josephinum

Foto

: har

ald

A. Ja

hn

Foto

: har

ald

A. Ja

hn

Foto

s: M

icha

el g

rühb

aum

Page 12: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at10 BIG BusiNess

Zeitraffer

„Grüne Klasse“ im innenhof

AHs DiefeNBAcHGAsseAlzBurG

Bei dem Projekt erweiterung und Sanierung aHS Die-fenbachgasse werden nicht einfach nur Klassen und Gänge im Bestand saniert, sondern auch in einem

Neubau viel Platz für einen fächerübergreifenden Unter-richt geschaffen. es wurde sorgfältig darauf geachtet, sämt-liche fachspezifische Unterrichtsgebiete zu Zentren zusam-menzufassen. Die Schüler werden durch eine Mischung aus Lernzonen, On- und Offline-Lernräume und freiflächen motiviert, sich auch außerhalb des regulären Unterrichts Wissen anzueignen. Durch eine „Grüne Klasse“ im innen-hof wird der Unterricht auch ins freie verlegt. aufatmen können aber nicht nur die Schüler, sondern auch die (urba-ne) Natur: Der Neubau der aHS wird in Niedrigenergie-Bauweise ausgeführt, was auch die städtebaulich günstige Kompaktbauweise unterstützt.

Beinahe luxuriös wird die neue Schule für Direktor und administration: Die Büros sind durch ihre Positionierung im obersten Geschoß ruhig und überblicken das gesamte areal. es steht auch eine terrasse zur Verfügung.

Eines der großen Wiener Schulprojekte geht im Juli an den Start: Baubeginn an der AHS

Diefenbachgasse im 15. Wiener Gemeindebezirk.

foto

s: Ar

ch. D

i Tho

mas

Wag

enso

mm

erer

Der luxuriöse Innenhof dient

nicht nur der Erholung, sondern auch Lernzwecken

in angenehmer Umgebung.

Page 13: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 11BIG BusiNess

DoNaustaDtBusiNess acaDemy

In der „business academy donaustadt“ in der Wiener Polgarstraße (22. Bezirk) werden die pädagogischen Konzepte von morgen baulich umgesetzt.

mit dem Zubau kommt auch in die Architektur der BHAK/HAS frischer, innovativer Wind. Denn an der Planung waren nicht nur Architekten betei-

ligt, auch Vertreter der Schule wurden aktiv eingebunden – schließlich müssen sie das Gebäude ständig nutzen. Unter dem Motto „Schule plant Schule“ wurde noch vor der Ausschreibung ein 70-seitiges Pflichtenheft für die Archi-tekten entwickelt. Von der Schule selbst wurden etwa 900 Stunden in die Ausarbeitung gesteckt.

Modulares LernenDurch diesen direkten Input ist ein modulares Cluster-system entstanden, das Lehrenden erlaubt, während einer Unterrichtseinheit ohne weite Wege verschiedene Räume und ihre Ressourcen zu nutzen. Was natürlich perfekt mit dem Lehrkonzept von Schuldirektor Christian Posad har-moniert: Denn der setzt auf modulares Lernen, statt wie bisher üblich fixe Lehrpläne einfach abzuarbeiten. Das be-deutet nicht nur sehr viele Raumwechsel, sondern auch, dass während des Unterrichts auf Ressourcen von anderen Räumen zugegriffen werden muss. Das traditionelle Schul-Layout mit aneinander gereihten Klassenzimmern ist da-für denkbar ungeeignet. So entstand die Idee einer waben-förmigen Anordnung rund um ein offenes Atrium, das gleichzeitig als Kommunikations- und Veranstaltungsplatz dient. Schulchef Posad ist zufrieden: „Frontalunterricht ist out, es muss auch Raum für selbstständiges, interdiszipli-

näres Arbeiten und Teamarbeit geben, um die jungen Leu-te auf das Leben nach der Matura und Überleben in der Wirtschaft vorzubereiten“, betont er.

Für den Architekten stellte sich eine völlig neue Heraus-forderung im Schulbau. Guido Welzl von sglw architekten musste sowohl die Anforderungen der Schule als auch Platzbeschränkungen und natürlich auch finanzielle An-forderungen unter einen Hut bringen. Gar nicht so einfach: „Wir mussten natürlich Kompromisse eingehen“, sagt Welzl. Diese konnten allerdings klein gehalten werden und stören das neue Schulkonzept nicht.

RuhezoneEin besonderes Highlight des Neubaus ist die Einbeziehung der Außenflächen. Schulräume sind ja eigentlich nicht als besonders naturnah bekannt, daher hat man sich für eine bewusste Gegensteuerung entschieden: Alle Klassen im Erdgeschoß haben Ausgänge ins Freie. Das im Übrigen drei-geteilt wird, geht es nach der Schule. Eine Ruhezone soll für Entspannung sorgen, Lernzonen für genug Platz, sich im Team Wissen anzueignen, und eine Kreativzone mit Bühne, um überschüssige Energien produktiv abbauen zu können.

Der Neubau besteht aus einem vierstöckigen Gebäude und wird insgesamt 8.200 Quadratmeter umfassen. Damit sollte der Platzbedarf der beliebten Schule erst einmal ge-deckt sein: Ab Sommer 2013 wird es Platz für rund 570 zu-sätzliche Schülerinnen und Schüler geben.

„schule plant schule“Durch Einbeziehen von Schülern und Lehrern soll nach dem Bauvorhaben ein hoher Zufriedenheitsgrad erreicht werden.

Foto

: sgl

w a

rchi

tekt

en

Page 14: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at12 BIG BusiNess

Zeitraffer

Tourismusschule DoNausTaDT | KiNDerhaus Tu Graz

Barrierefreies Gebäude bietet mehr Platz und Komfort für Schüler und Lehrpersonal.

■  im  22.  Wiener  Gemeindebezirk  wurde  der  Neubau  der Hertha firnberg tourismusschule am gleichnamigen Platz feierlich eröffnet. Das barrierefreie Gebäude bietet Platz für 31 Klassen und etwa 600 Schülerinnen und Schüler. 

Nachdem der bestehende Standort in der Wassermann-gasse schon aus allen Nähten geplatzt war, kann mit dem neuen  Bauteil  auch  der  lang  geplante  ausbildungszweig CSM  (Computer  Science  Management)  in  den  Lehrplan auf genommen werden. Um ein wenig vom harten Lernall-tag abzulenken, wird die Schule mit Leihgaben der artho-tek Wien auch ästhetisch aufgewertet – ein angebot, das bei Schülern und Lehrern gleichermaßen gut ankommt!

mehr Platz für Tourismusschüler

in der Donaustadt

Begeistert von der auf moderne pädagogische Erkenntnisse ausgerichteten Architektur: BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner, Präsidentin des Stadtschulrates Susanne Brandsteidl, Nationalratsabgeordnete Ruth Becher, Direktorin Marlies Ettl, Unterrichtsministerin Claudia Schmied, Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch und Bezirksvorsteher Norbert Scheed.

Die technische Universität auf den

Inffeldgründen in Graz wächst

unaufhörlich. Zukünftig wird auch

der Forscher- Nachwuchs dort

Platz finden.

Gleichenfeier im Kinderhaus der TU Graz.

■  rasante  fortschritte  machen  die  Neubauten  rund  um das  neue  Produktionstechnikzentrum  der  tU  Graz.  Das würfelförmige Haus des Kindes, unigerecht „Nanoversity“ getauft, hat nach nur einem halben Jahr Bauzeit schon im februar Dachgleiche erreicht. ab Herbst 2011 werden hier insgesamt 120 Kinder von Mitarbeitern und Studenten im alter von null bis zwölf Jahren spielend lernen. Herzstück ist dabei das Marie-Curie-Zimmer, Labor und Werkstatt in einem  für  alle  altersstufen.  Ganz  besonders  stolz  ist  die Volkshilfe, der zukünftige Betreiber, auf den erlebnisspiel-park rund um das Gebäude. Der wurde nämlich von Päda-gogen gemeinsam mit Kindern entwickelt und bietet jede Menge alters- und talentgerechter aktivitäten.

ein Würfel für die Kleinen

Foto

s: Bi

G

Foto

s: h

elm

ut lu

ngha

mm

er

Page 15: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 13BIG BusiNess

st. PölteNlaNdesgericht

raumwunder

der spektakuläre Zubau bietet endlich ausreichend Platz für Gericht und Staatsanwaltschaft sowie eine neue Bibliothek. Neben der goldglänzenden Fassade

fallen im Inneren vor allem die wellenförmigen Gänge auf, in deren Nischen Wartezonen eingerichtet sind. In den An-sprachen wurde vor allem auf die Wichtigkeit einer starken Justiz für den Wirtschaftsstandort St. Pölten hingewiesen. Für Diskussionen und kreative Namensgebungen im Vor-feld sorgte hingegen der Vorplatz zum neuen Gerichtsge-bäude. Der spiegelt nämlich mit verschieden hohen Säulen die Fassade wider und ist nicht nur für St. Pölten ein unge-wöhnlicher Anblick. Doch inzwischen sind die Blumentöpfe begrünt, die Sitzgelegenheiten werden gerne angenom-men und die Bevölkerung freut sich nach einer kurzen Eingewöhnungsphase über ein kleines architektonisches Meisterwerk in der Stadt.

Am 27. April wurde der neue Bauteil des Landesgerichts St. Pölten feierlich eröffnet.

Viele St. Pöltener hätten auf dem nunmehr architekto­nisch gestalteten Platz lieber geparkt. Der Raum für Kraft­fahrzeuge befindet sich versteckt darun­ter, ist aber nur für die Justiz reserviert.

Transparente Flächen sind das

Markenzeichen des Zubaus.

Landtagsabgeordnete Heidemaria Onodi, Bgm. Matthias Stadler, Bischof

Klaus Küng, Pfarrer Daniel Vögele, Landes­

gerichtspräsident Franz Cutka, Präsident des

Oberlandesgerichts Wien Anton Sumerauer, Land­

tagsabgeordneter Martin Michalitsch und BIG­

Geschäftsführer Wolfgang Gleissner.

Foto

s: th

omas

Ott

Foto

: Big

Page 16: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at14 BIGBusiNess

Mediale Diskussionen zu diversen Bauskandalen inklusive Kostenexplosionen geben selten einblick in die dahinter liegende Problematik. Denn zu einem großen Bauprojekt gibt es viele unterschiedliche Zahlen. Jede davon kann richtig sein. Ohne genaue Definition sind aber alle Angaben bloße „Hausnummern“.

BAuKOsteN

Thema

Mit Zahlen lässt sich trefflich streiten. Und es gibt kaum einen Bereich, wo dieser Sinnspruch so zutrifft wie in der Bauwirtschaft, vor allem in der öffentlichen. Kostenangaben hängen

vom Standpunkt ab. auf der politischen Bühne sind die Wortwahl und die Zahlen tendenziell andere als zwischen auftraggebern, Banken und Baufirmen und – bei Vertrags­erstellung oder im Streitfall – den Juristen.

„Beliebte Begriffe sind da Investitionsvolumen oder Bau­summe“, sagt alexandra Petermann, Leiterin der abteilung Projektcontrolling in der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), „darunter kann man sich alles mögliche vorstellen, mit oder ohne Finanzierungskosten, mit oder ohne mehr­wertsteuer, da sollte man doch genauer nachfragen.“

Dabei steht jeder Politiker, der ein Projekt zu vertreten hat, vor einem Dilemma: Soll er sich den Bürgern als Wohl­täter präsentieren und mit der Faszination der großen Zahl eindruck machen, oder als sparsamer Verwalter von Steuer­geld? muss ein Projekt etwa vom Gemeinderat genehmigt werden, werden die Kosten gern kleingeredet. Ist die Ge­nehmigung über die Bühne, werden spätere Korrekturen nach oben meist zähneknirschend akzeptiert.

Unvollständige angaben sind oft in der Trickkiste zu fin­den. Bei Tunnelprojekten werden gern die Zulaufstrecken verschwiegen. Oder – nicht nur bei Tunnels – die Finanzie­rungskosten, wenn Kredite aufgenommen werden und diese die Budgets auf Jahrzehnte hinaus belasten. Sind bei einem öffentlichen Schwimmbad etwa die Grundstücks­kosten dabei oder nicht? Die Parkplätze, die Bäume oder nur das Schwimmbecken?

FestgelegtDabei gibt es eindeutiges Regelwerk für Bauleistungen, nämlich die Önorm. „Nahezu jedes Detail steht in der Önorm B 1801“, stellt alexandra Petermann fest, „man müsste sich nur daran halten.“ Da wird genau unterschieden zwischen Bauwerkskosten (Rohbau, Technik und ausbau), Baukosten (aufschließung, Rohbau, Technik und ausbau sowie einrichtung und außenanlagen), errichtungskosten, bei denen honorare zum Beispiel für architekten und Sta­tiker, Nebenkosten z. B. für Baustellenbewachung oder Spa­tenstichfeier sowie Reserven für böse Überraschungen bei der Grundbeschaffenheit dazukommen, und schließlich die Gesamtkosten, bei denen zu den bisherigen Positionen

Babylonische Verwirrung

Foto

: sei

dl t

hom

a Ku

mm

er

Foto

s: Bi

G

Page 17: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 15BIG BusiNess

BaukosteN

Der Neubau des Zentrums für Molekulare Biowissenschaften in Graz wurde quasi „auf der grünen Wiese“ errichtet. Während der verschiedenen Projektabschnitte differieren auch die Kosten zum Teil erheblich. Alleine vom Ende des Architekturwettbewerbs bis zur Einreichplanung beträgt die Schwankungsbreite bis zu 30 Prozent.

Grund0

aufschließung1

Bauwerk-Rohbau2

Bauwerk-technik3

Bauwerk-ausbau4

einrichtung5

außenanlagen6

Honorare7

Nebenkosten8

Reserven9

Baukosten

ErrichtungskostenGesamtkosten

Bauwerkskosten

Aufschlüsselung der Kosten-Zusammensetzung eines Projektes.

Foto

: BiG

Foto

s: H

einz

Red

l

Page 18: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at16 BIG BUSINESS

BAUKOSTEN

THEMA

die Kosten für den Baugrund dazugerechnet werden.

Auf elf Seiten sind die Bau-leistungen und Kostenposi-tionen detailliert angeführt, bis hin zum Mobilklo auf der Baustelle (siehe Tabelle).

Trotzdem ist die Önorm keine Garantie. Denn jedes Projekt hat ein Eigenleben. Michael Steibl, Geschäftsfüh-rer der Vereinigung Industri-eller Bauunternehmen Öster-reichs (VIBÖ), vergleicht: „Je-des Bauprojekt ist wie ein Prototyp im Autobau. Das ist – im Gegensatz zur Serienfertigung – ein Einzelstück, da fallen auch unvorhergesehene Kosten an, wenn das Fahr-zeug nicht so wird, wie es sich die Konstrukteure vorstel-len.“ Und auf den Bau übertragen: „Auch beim Fertigteil-haus gibt es einen Fixpreis erst ab dem Keller, denn die Grundbeschaffenheit kann Überraschungen bringen.“

Um dennoch die Gesamtkosten eines Projektes im Vorhin ein möglichst genau zu bestimmen, verfolgt die BIG einen festen Stufenplan: Projektidee, Studie, Planersuche, Vorentwurf, Entwurf, Ausschreibung und Bauverträge, dann Baubeginn. Allerdings stehen gerade während dieses Prozesses viele unterschiedliche Zahlen im Raum. Und was vor drei Monaten gegolten hat, kann schon längst überholt sein. Denn alleine zwischen Ergebnis des Architekturwett-bewerbs und Baubeginn dürfen die Kosten „ganz legal“ um rund 30 Prozent differieren.

Allgemein gilt: Jede dieser Stufen bringt ein Stück mehr Kenntnis über die Kosten. Gleichzeitig können die Kosten aber mit zunehmendem Planungsfortschritt immer weni-ger beeinfl usst werden. Mit anderen Worten: Je früher der Bauherr die Kostenbremse zieht, indem er zum Beispiel das Projekt verkleinert, desto wirksamer ist sie.

Je gründlicher geplant wird, je detaillierter die Ausschrei-bung und die Verträge, umso besser kann der Bauherr die Baukosten kontrollieren. „Sobald der erste Bagger aufge-fahren ist, sind die Kosten nur mehr schwer zu beeinfl us-

sen“, betont Petermann. „Die BIG befasst sich daher beson-ders intensiv mit der Frühphase eines Projektes“, erklärt sie, „die Phase vor Baubeginn dauert bei uns mindestens zwei Jahre und damit länger als der Bau selbst.“

Pläne und Vorbereitungsarbeiten kosten aber viel Geld. Zum Beispiel: Wie viele Probebohrungen braucht man, um die Beschaffenheit des Baugrundes festzustellen? Vom Er-gebnis hängt es ab, wie teuer das Fundament dann wird. „Daher ist es zweckmäßig, Planung und Bauvorbereitung von der Bauausführung zu trennen“, meint VIBÖ- Geschäftsführer Michael Steibl. „Ich brauche für das eine Architekten und Zivilingenieure, und für das andere die Baufi rma.“

Auch lange Bauzeiten treiben die Kosten, nicht nur we-gen der Dauer der Bauarbeiten, sondern auch wegen neuer technischer Standards, die nachträglich in das Projekt auf-genommen werden, ob von Behörden verlangt oder vom Bauherrn gewünscht.

Aktueller Stand„Besonders sensibel sind öffentliche Projekte mit hohen Si-cherheitserfordernissen, wo es um Brandschutz und Flucht-wege geht“, sagt Baumeister Walter Ester, gerichtlich beei-deter und zertifi zierter Sachverständiger für Bauwesen, mit Erfahrung bei der Abwicklung von Großprojekten. „Die Technik ändert sich, und bei öffentlichen Bauten ist der je- ›

Foto

: Fot

olia

Foto

: BIG

«Sobald der erste Bagger aufgefahren ist, sind die Kosten nur mehr schwer zu beeinflussen.»Alexandra Petermann, BIG

Page 19: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 17BIG BUSINESS

BAUKOSTEN

Foto

s: Pa

ul O

tt

KARL-FRANZENS-UNI GRAZ

Zentrum für Molekulare BiowissenschaftenBaubeginn: Juli 2005Fertigstellung: Dezember 2006Nutzfl äche: 11.350 QuadratmeterErrichtungskosten netto: 35,29 Mio. Euro

Page 20: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.atBIG BusiNess18

BaukosteN

Thema

weils aktuelle technische Standard gefragt, eine irgend-wann erteilte Bewilligung ist dann überholt.“ Baumeister ester macht auf ein weiteres merkmal von Großprojekten aufmerksam: „Funktion und bauliche Gestaltung von großen Bauwerken sind oft nicht von der Önorm erfasst. In solchen Fällen ist die Önorm dann die Grundlage für neue, gesondert auf das Projekt abzustimmende Standards zwischen Bauherrn, Baufirma und Behörden.“

VIBÖ-Geschäftsführer michael Steibl betont, solche Leis-tungsänderungen seien eine Besonderheit der Bauwirt-schaft und oft Bestandteile von Bauverträgen. Und er nimmt einen weiteren Vergleich zu hilfe: „ein Schneider kann darauf bestehen, einen braunen anzug zu liefern, wenn ihn der Kunde so bestellt hat. er ist nicht verpflichtet, den auftrag nachträglich auf einen blauen anzug zu än-dern, das ist im aBGB geregelt. anders in der Bauwirt-schaft: In der Önorm 2110, in den allgemeinen Vertragsbe-stimmungen für Bauleistungen, gibt es ein auftragsände-rungsrecht des auftraggebers.“ Das aber muss der auftrag-geber auch bezahlen. Bei der BIG ist es ähnlich. Vielfach sind solche Änderungsevidenzen vertraglich abgesichert. „Wenn ein auftraggeber realisierbare Wünsche hat, die von der Planung abweichen, erfüllen wir sie ihm als Dienst-leister selbstverständlich. allerdings sollte die höhere ab-rechnung dann auch keine Überraschung mehr sein“, sagt Günther Sokol, Leiter der abteilung Planen und Bauen der BIG, und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Gelegentlich sind die Konsequenzen der eigenen Bestellungen aber doch nicht ganz so klar und wir blicken in lange Gesichter.“

auch unklare Verantwortungsbereiche treiben die Kos-ten ebenfalls, betont Steibl: „Wenn ich als Bauherr selbst einen Dachdecker und einen Spengler beauftrage und es regnet dann herein, wer ist verantwortlich? Der eine deu-

tet auf den anderen, und als Bauherr bleibe ich dann üb-rig.“ ein Generalunternehmer als Gegenüber schafft dem Bauherrn Klarheit. Trotz alledem kann es zwischen den Partnern am Bau zum Streit kommen. VIBÖ-Geschäfts-führer Steibl räumt ein: „Bei der ausschreibung steht die Baufirma im Wettbewerb mit anderen anbietern, mehr-kosten werden oft erst auf den Tisch gelegt, wenn der Zuschlag schon erteilt ist.“ BIG-Projektcontrollerin Peter-mann sagt: „Die Baufirmen suchen da besonders gern nach angeb lichen oder wirklichen mängeln in der Planung und in der ausschreibung.“ Der Fachausdruck dafür: Claim management.

„Die Letztverantwortung gegenüber den ausführenden Firmen hat der Bauherr. er ist dafür verantwortlich, dass die ausführungsunterlagen termingemäß bereitgestellt werden, auch wenn eine Planungsfirma nicht rechtzeitig

Dass die veranschlagten Kosten für den überwiegenden Teil der Bauvorhaben eingehalten werden, beweist die BIG

immer wieder aufs Neue.

Page 21: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 19BIG BusiNess

liefert“, so Gerichtssachverständiger Walter Ester. Und zur Frage des Delegierens: „Jede Machtstellung in einem Pro-jekt bedeutet auch Verantwortung. Gibt der Bauherr Ver-antwortung an einen Totalunternehmer ab, hat er auch keine Einflussmöglichkeit mehr.“

PunktlandungDass die veranschlagten Kosten für den überwiegenden Teil der Bauvorhaben eingehalten werden, beweist die BIG immer wieder aufs Neue. Auch sensible Projekte wie die Sanierung des Palais Epstein in Wien gehören dazu. Die Ar-chitekten Georg Töpfer und Alexander van der Donk, die Akademie der bildenden Künste, das Bundesdenkmalamt und die BIG haben an dem Vorhaben zusammengewirkt. Dabei ging es nicht nur um die Restaurierung, betonen die Architekten: „Die Schwierigkeit bestand darin, einen völlig

neuen Bauteil in den wertvollen Bestand behutsam einzu-fügen.“ Bange Momente haben sie auch erlebt: „Immerhin mussten Wanddurchbrüche für die Haustechnik vorge-nommen, Parkettböden abgetragen und Türen durchge-brochen werden. Da gab es Momente, in denen wir dach-ten, wir würden dieses Haus nie wieder hinbekommen.“ Letztendlich war es doch eine finanzielle Punktlandung nach nur 19 Monaten Bauzeit. 19.674.000 Euro Errichtungs-kosten netto inklusive Honorare und Nebenkosten lautete die Berechnung zum Entwurf. 19.753.000 Euro Errichtungs-kosten netto inklusive Honorare und Nebenkosten wurden abgerechnet. Die Kosten seien nicht nur laufend verfolgt, sondern auch gesteuert worden, so Projektleiter Karl Lehner. Immer wieder seien die einzelnen Gewerke, also Ausschreibungen für gesonderte Arbeitsschritte, an den veranschlagten Kostenrahmen angepasst worden. Wenn etwa die Restaurierung eines Saales teurer ausfiel als ge-plant, wurden anderswo billigere Fliesen verwendet.

Zuvor in der allerersten Projektphase, noch vor dem Ar-chitektenwettbewerb, waren noch die künstlerischen und denkmalpflegerischen Grundlagen für die Restaurierung zu schaffen. Dafür sorgten das Institut für Restaurierung und Konservierung der Akademie der bildenden Künste gemeinsam mit dem Denkmalamt. „Mit dem Skalpell ha-ben die Studentinnen und Studenten die Wände, Fenster, Türen, Böden und sonstige Oberflächen untersucht, und das Denkmalamt hat regelrechte Tabuzonen für künftige bauliche Eingriffe festgelegt“, berichtet Lehner. So konnten viele möglicherweise teure Überraschungen vermieden werden. Zufrieden waren schließlich alle: Die Akademie der bildenden Künste, das Denkmalamt, die BIG und – für den Benutzer des restaurierten Palais Epstein – das Präsidi-um des Nationalrates. ‹

BaukosteN

Das Palais Epstein, Dependance des Parlaments, wurde in den Jahren 2004 bis 2005 saniert. Der ursprünglich veranschlagte Kostenrahmen wurde exakt eingehalten.

Foto

s: H

elga

Loid

old

Page 22: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at20 BIGBusiNess

„Barrierefreiheit“. Das oft strapazierte und seit 2006 gesetzlich verankerte Zauberwort verspricht Menschen mit Behinderungen spätestens bis zum Jahr 2019 uneingeschränkte Teilhabe am sozialen Leben und Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum. Bis dahin gibt’s aber noch einiges zu tun – auch für die BiG.

BaRRieRefReiheiT

Thema

„Ohne Kompromisse geht es nicht“

foto

: fot

olia

Page 23: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 21BIG BusiNess

FreiheitBarriere

Schwere Eingangstüren, die nur mit im Fitness-center gestählter Armmuskulatur oder der tat-kräftigen Unterstützung eines hilfsbereiten Adonis zu öffnen sind. Enge Stiegenaufgänge,

die den Transport eines Kinderwagens in Schwerarbeit ver-wandeln. Paternoster, die nicht nur für Menschen mit Krü-cken eine spitzensportliche Herausforderung darstellen. Türglocken und Gegensprechanlagen, die für kleinwüchsi-ge Menschen, Kinder und Rollstuhlfahrer so unerreichbar sind wie der Gipfel des Mount Everest für Hobbysportler.

Die Liste baulicher Barrieren, die es abzubauen gilt, ist lang. Was jungen, gesunden Menschen oft gar nicht auf-fällt, stellt für Mütter mit Kleinkindern, ältere, gebrechliche Personen und Menschen mit Bewegungs- oder Sinnesbe-einträchtigungen ein oft unüberwindbares Hindernis dar. Bis spätestens 2019 müssen alle öffentlichen Gebäude des Landes barrierefrei – das bedeutet für alle Menschen ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar – sein. Die Über-gangsfrist, die das 2006 in Kraft getretene Bundesbehin-dertengleichstellungsgesetz für die Adaptierung öffentli-cher Gebäude, die vor 2006 errichtet wurden, eingeräumt hat, läuft dann endgültig aus.

Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ist als einer der größten Haus- und Grundstückbesitzer des Landes stark gefordert, ihre 2.800 Objekte, von denen rund 95 Prozent öffentlich zugänglich sind, barrierefrei zu machen. Dabei

ist allerdings der Kooperationswille aller Beteiligten ge-fragt. Denn das Behindertengleichstellungsgesetz richtet sich nicht vorrangig an die Vermieter und ist vor allem auch nicht im Detail formuliert. Auch der Begriff „Ge bäude“ existiert nicht, sondern es solle „… im Bereich der hoheitlichen Vollziehung und der Privatwirtschaftverwal-tung des Bundes ein Diskriminierungsverbot normiert werden …“, wie es im Gesetzestext heißt. Es darf inter-pretiert werden. Sinngemäß lautet die Vorgabe des Gesetz-gebers also: „Alle Informationen oder Leistungen müssen ohne fremde Hilfe erreichbar sein.“ Bauliche Veränderun-gen sind nicht explizit erwähnt.

„So schnell wie möglich“„Nichtsdestotrotz sieht die BIG es als ethische Pflicht, ihren Beitrag zur Erreichung der gesetzlichen Vorgaben zu leis-ten. Das selbst definierte Ziel lautet – unabhängig von den verlängerten Übergangsregelungen –, den barrierefreien Zugang für alle im BIG-Eigentum stehenden Häuser so schnell wie möglich herzustellen. Derzeit sind rund ein Drittel der Objekte barrierefrei erreichbar. Insgesamt wer-den diese Maßnahmen im Bestand rund 20 Millionen Euro kosten“, sagt BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner.

Für die mit der Umsetzung betrauten BIG-Mitarbeiter eine Aufgabenstellung, die „schon ein bisserl schwierig ist“, wie Hausverwalter und BIG-Spezialist für Barrierefreiheit

Viele scheinbar belanglosen Kleinigkeiten können den Aktionsradius beschränken. So erschweren nicht nur zu hoch aufgehängte „Einwurfkästen“, sondern auch bauliche Barrieren den Alltag von Menschen mit Behinderungen. Fo

tos:

han

nes K

ohlm

eier

Foto

: ric

hard

tanz

er

Page 24: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at22 BIGBusiNess

Alfred Lazarus vorsichtig ausdrückt. Dabei bereiten ihm die Neu- und Zu-bauten noch am wenigsten Bauch-weh, „weil da können alle nötigen barrierefreien Bau- und Gestal-tungselemente, die klar in Önormen deklariert sind, von Anfang an mit-gedacht und eingeplant werden“.

Aufwendiger, komplizierter und kostenintensiver wird es allerdings bei nachträglichen Umbauten und der Adaptierung des alten Gebäude-bestands. „Mit der Errichtung von Rollstuhlrampen beim Eingang ist es in den meisten Fällen nicht getan“, erklärt Lazarus. Oft sind Türen und Gänge zu eng, um sich mit einem Rollstuhl mühelos bewegen oder gar wenden zu können, die bestehenden WCs zu winzig, um sie behinderten-gerecht auszubauen. „Schnell ein paar Mauern einreißen, um Platz zu schaffen, geht nicht so einfach, weil oft nicht nur Leitungen in den Wänden verborgen, sondern auch Brand- und Denkmalschutz zu be-rücksichtigen sind.“

Kompromisse Zudem darf man beim Wort Barrie-refreiheit nicht nur an Benützer von Rollstühlen und Kinderwägen den-ken. „Auch die Bedürfnisse von Men-schen mit Sinnesbeeinträchtigun-gen müssen berücksichtigt werden und die lassen sich oft nur schwer miteinander vereinbaren“, sagt La-zarus und veranschaulicht dies an folgendem Beispiel: Schwellen oder Gehsteigkanten müssen so stark ab-geschrägt werden, dass man mit einem Rollstuhl oder Kin-derwagen ohne Erschütterung drüberrollen kann. Gut für Rollstuhlfahrer, schlecht für Menschen mit Sehbeeinträch-tigungen. Denn die markanten Niveauunterschiede, die sehschwache Menschen zur Orientierung mit dem Blinden-stock benötigen, fehlen dann.

„Ohne Kompromisse geht es nicht“ – so das Resümee der BIG-Projektleiter. Sie können mittlerweile ein Lied davon singen, wie schwierig es oft ist, die Auflagen der unter-schiedlichen Behörden unter ein Dach zu bringen. Ein Bei-spiel: In den meisten älteren Gebäuden führen vom Ein-gang Stufen hinauf ins Erdgeschoß. Rampen sind hier un-möglich. Der Neigungswinkel wäre zu groß, die Rampe so-mit zu steil. Einziger Ausweg: ein Treppenlift. „Geht nicht“, sagt die Feuerwehr. Der Treppenlift verenge den Fluchtweg zu stark, die im Brandschutzgesetz vorgeschriebene Durch-gangsbreite könne nicht mehr erreicht werden.

Dies obwohl in den Bauvorschrif-ten der Einbau unter gewissen Be-dingungen erlaubt ist. Was tut ein BIG-Projektleiter in diesem Fall? „Al-ternativen überlegen, verhandeln, hoffen, dass einer der Behördenver-treter sich überreden lässt, auf eini-ge wenige Zentimeter zu verzichten und ein Auge zudrückt.“

Erfahrungsgemäß ergeben sich auch Interessenkonflikte durch den Einbau von Brandschutztüren, die selbstständig schließen und dabei eine bestimmte Mindestkraft errei-chen müssen, um möglichst dicht abzuschließen. Diese Türmechanis-men müssen deshalb sensibel ein-gestellt werden. Nicht zu leichtgän-gig, da sonst nach kurzer Zeit der Druck zu schwach wird, aber auch nicht zu stark, weil sich die Türen nur mit Mühe öffnen lassen und für ältere, schwächere Menschen oder Kinder somit nicht mehr nutzbar sind.

Für frühzeitige Ergrauung von BIG-Objektmanagern sorgen mit-unter auch Denkmalschützer, die die Bedürfnisse älterer oder gebrech-licher Menschen gnadenlos dem Erhalt des historischen Baustils hint-anstellen oder so wie im folgenden Fall auch Sicherheitsbestimmungen ignorieren. Bei der Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz wird gerade darüber gestritten, ob am festlichen, breiten Stiegenauf-gang zum Haupteingang vier Hand-läufe errichtet werden müssen, kön-nen, sollen, dürfen – oder nicht. Das

Denkmalamt sagt: „Nein, das sieht ja dann aus wie der Ein-gang zu einem Fußballstadion.“ Die Sicherheitsbestim-mungen im Veranstaltungsstättengesetz schreiben jedoch in einer Entfernung von vier Metern Handläufe vor. Und in puncto Barrierefreiheit sind Stiegenaufgänge ohne ausrei-chende Handläufe und Absturz sicherungen per se tabu. Wer sich bei diesem Streit durchsetzen wird, hänge vom Verhandlungsgeschick und der Überredungskunst der be-teiligten Behördenvertreter ab, so die Erfahrung der BIG-Experten.

Eine Frage der Organisation„Nichts ist unlösbar, alles ist machbar.“ Die Leiterin des BIG-Objektmanagements, Silvia Gepp, bleibt trotz aller Schwierigkeiten und Streitfragen, die es auch in Zukunft noch zu lösen gilt, optimistisch. „Unsere Devise ist es, mög-lichst lösungsorientiert und bedarfsgerecht zu arbeiten

Barrierefreiheit

THEMA

Bei Sanierungen oder Neubauten sind sämtliche Standards erfüllt. Im Bestand müssen diverse Maßnahmen sukzessive nachgezogen werden.

foto

: fot

olia

foto

: BiG

foto

: BiG

Page 25: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 23BIG BusiNess

und nicht bloß die starren Richtlinien und Normen im Kopf zu haben“, beschreibt Gepp die weitere Vorgangsweise. „In vielen Fällen ist es gar nicht notwendig, Barrierefreiheit baulich umzusetzen. Barrierefreiheit kann auch organisiert werden, indem beispielsweise im Erdgeschoß Informati-onsschalter eingerichtet werden, die barrierefrei erreichbar sind und wo der Kundenverkehr abgewickelt werden kann. Hier muss auch nicht in jedem Stockwerk ein Behinderten-WC installiert werden, es reicht dann eines im Bereich des Info-Schalters.“

Anders die Situation, wenn mobilitätseingeschränkte Angestellte im Gebäude tätig sind. Für behinderte Mitar-beiter muss die Barrierefreiheit vom Hauseingang bis zum Arbeitsplatz gewährleistet sein. In diesem Fall gilt das Behinderteneinstellungsgesetz.

Barrierefreiheit für alleDer Abbau von Barrieren komme ja nicht nur Rollstuhlfah-rern oder sehbehinderten Menschen zugute, er bringe Er-leichterung für alle. Lazarus verweist dabei auf die demo-grafische Entwicklung, die für die Zukunft eine stark über-alterte Bevölkerungsstruktur prognostiziert. Menschen mit Gehhilfen werden dann tagtäglich das Straßenbild prägen. Mit zunehmendem Alter lässt mitunter auch die Hör- und Sehkraft nach. „Darum ist es wichtig, bei der Herstellung der Barrierefreiheit nicht nur an Rollstuhlfahrer zu denken, sondern möglichst viele Formen von Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. Nur so können andere Diskriminierun-gen vermieden werden“, betont Katharina Kohlmaier, Lei-terin der BIG-Rechtsabteilung. Denn es sei ebenfalls dis-kriminierend, wenn zwar Barrieren für Rollstuhlfahrer be-seitigt, für sehbehinderte Menschen aber aus Kostenspar-gründen keine Maßnahmen gesetzt werden. Aus diesem Grund handelt die BIG in der Praxis nach folgendem Prin-zip: „Nur wenn die Umsetzung eines gesamten Konzeptes ›

FreiheitBarriere

Schwellen oder Gehsteigkanten müssen so stark abgeschrägt werden, dass man mit einem Rollstuhl oder Kinderwagen ohne Erschütterung drüberrollen kann. Gut für Rollstuhlfahrer, schlecht für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen.

Die Aula der Technischen Universität Wien wurde vor

Kurzem saniert – Leitlinien für Sehbeeinträchtigte inklusive.

Im Wiener Justizpalast müssen Rollstuhlfahrer nicht die Rampe bewältigen, sondern können über einen Seiteneingang ins Gebäude.

Foto

s: ri

char

d ta

nzer

Page 26: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.atBIG BusiNess24

■ Beim Bauen geht es immer auch um Geld. Wenn Sie auftauchen, wird’s für den Bauherrn zumindest einmal nicht billiger. Werden Sie gelegentlich mit Reaktionen konfrontiert wie: Was will der denn schon wieder? Wir machen eh schon alles!

Wassermann: Die Kosten für Barriere-freiheit sind bei richtiger Planung mini-mal – auch bei Sanierungen. Teuer wird es nur, wenn Fehler passieren. Werden am Anfang die Betroffenen miteinbezo-gen, gibt es sicher immer überzogene Forderungen. Dann muss man sich zu-sammensetzen und besprechen: Was ist notwendig, was ist realisierbar, was ist finanzierbar? Der Konsens ist wichtig. Denn das Behindertengleichstellungs-gesetz sagt auch ganz klar: Es muss in ei-nem wirtschaftlichen Kontext stehen und es darf die Leis-tungsfähigkeit der Organisation nicht beeinträchtigen. Ich kann nicht von einem kleinen Greißler erwarten, dass er um 100.000 Euro sein Geschäft barrierefrei macht.

Die Harmonie ist aber eher utopisch. So gibt es viele Arten von Beeinträchtigungen. Daraus resultieren unterschied­liche Anforderungen, die einander sogar widersprechen. Zusätzlich gibt es scheinbar keinen einheitlichen Verband, der gleichzeitig alle Menschen mit Beeinträchtigung vertritt. Sind da nicht auch die Grenzen eines Bauherrn schnell erreicht?

Wassermann: Es gibt einen Verband, der alle gemein-schaftlich vertritt: die Österreichische Arbeitsgemein-schaft für Rehabilitation. Das ist der Dachverband für alle Behindertenorganisatio-nen, der auch maßgeblich an Themen wie dem Behin-dertengleichstellungsge-setz mitgearbeitet hat. Ziel ist, Mindeststandards und damit ein größtmögliches Maß an Barrierefreiheit zu schaffen. Es stimmt: In Teilbereichen kann es bei schlechter Ausführung Pro-bleme geben. So kann ein

Leitsystem für Blinde und Sehbehinder-te für gehbehinderte Personen natürlich zum Hindernis werden. Aber auch da gibt es Möglichkeiten, wie man das um-gehen kann. Sind Sie prinzipiell mit dem Behinderten­

gleichstellungsgesetz und auch dessen Umsetzung zufrieden?

Wassermann: Prinzipiell geht es von der Grundidee in die richtige Richtung. Aber in Teilen ist es einfach zu schwammig formuliert. Ein Beispiel: Wenn ich nicht in ein Gebäude hineinkomme, kann ich sagen: Mir wird diese Leistung nicht an-geboten. Daraus resultiert ein persönli-cher Schaden. Den kann ich einklagen. Aber ich kann im Zuge dieses Verfahrens nicht erreichen, dass die Behinderung, die Barriere – Menschen mit Behinde-

rungen werden meist behindert und erst dadurch entsteht ihre Behinderung – beseitigt wird. Das kann ich rechtlich nicht einfordern. Ich kann zwar am nächsten Tag wieder sagen, diese Barriere behindert mich und wieder Schaden-ersatz einklagen, aber das ist ein endloses Spiel. Da ist der große Schwachpunkt.

Wie sind Sie – ich denke jetzt an das Bezirksgericht Klagen­furt – mit dem Zusammenspiel mehrerer öffentlicher Institutionen zufrieden?

Wassermann: Da hapert es sicher ganz extrem. Viele Köche verderben den Brei. Es ist sehr mühsam, wenn zuerst ge-klärt werden muss, wer überhaupt zuständig ist. Beispiel Leitsystem. Die BIG hat ein relativ gutes Leitsystem vom Eingang des Gerichtsgebäudes Richtung Gehsteig gelegt.

Dann hat die Stadt oder das Land oder wer auch immer so ein Mini-Leitsystem daraus gemacht. Darüber hinaus ist noch das Auf-merksamkeitsfeld bei der Haltestelle völlig falsch ausgeführt. Es ist schwierig mit der Bürokratie. Aber das Thema gibt es ja nicht nur beim barrierefreien Bauen. ‹

Mark Wassermann, Behindertenbeauftragter der universität Klagenfurt, über die Kosten des barrierefreien Bauens, die schwächen des

Behindertengleichstellungsgesetzes und über das nicht immer glückliche Zusammenwirken öffentlicher institutionen.

Foto

: Han

nes K

ohlm

eier

Barrierefreiheit mit Augenmaß

BArriereFreiHeit

THEMA

« Das Behindertengleichstellungsgesetz  muss in einem wirtschaftlichen Kontext stehen und es darf die Leistungsfähigkeit der Organisation nicht beeinträchtigen.»  Mark Wassermann, Behindertenbeauftragter der Universität Klagenfurt

Page 27: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 25BIG BusiNess

Auch die Über­alterung unserer Gesellschaft wird in den kommenden Jahren ein massives Thema. Denn viele ältere Menschen sind im Normalfall keine Leistungssportler mehr.

erfolgt, bei dem sowohl Mieter/Nutzer als auch die BIG ihren Beitrag leisten, ist diese sinnvoll. Die barrierefreie Adaptierung soll ja möglichst umfangreich und nicht nur eine Pseudo-Maßnahme sein“, versichert Lazarus. „Ich ste-he auch regelmäßig den Mietern als Berater zur Verfügung. Wir machen gemeinsame Sanierungs- und Umbaukonzep-te und erstellen Etappenpläne.“ Je nach Dringlichkeit und Zumutbarkeit müssen die Umbaumaßnahmen bis spätes-tens 2016 umgesetzt werden.

ErmessenssacheDer Aufwand, bestehende Gebäude barrierefrei zu gestal-ten, ist von Fall zu Fall verschieden. So wird bei unter Denk-malschutz stehenden Gebäuden vorrangig der Eingangs-bereich barrierefrei gestaltet. Wenn dies nicht möglich ist, dann ist der Hinweis auf einen barrierefreien Neben- oder Hintereingang erlaubt. Wenn in öffentlichen Gebäuden Kundenverkehr in mehrstöckigen Gebäuden angeboten wird, dann müssen diese mit Treppenliften oder barriere-freien Aufzügen, taktilen und akustischen Leitsystemen und Behinderten-WCs in jedem Stockwerk ausgestattet sein.

In vielen Fällen ist es Ermessenssache der Mieter, Nutzer und Eigentümer, die Dringlichkeit oder Nicht-Durchführ-barkeit bestimmter Adaptierungsmaßnahmen begründen zu müssen. Gebäude, die niemals barrierefrei zugänglich sind, brauchen eine Zumutbarkeitsprüfung. Beispiele für solche Gebäude sind der Stephansdom oder Burgruinen.

Genormte MenschlichkeitGenerell ist für Neubauten und Generalsanierungen die Einhaltung folgender Mindeststandards wie stufenlose Eingänge, genügend große Türdurchgangsbreiten von mindestens 80 Zentimeter, bequem begehbare geradläufi-ge Treppen mit stabilem Geländer, ausreichend Platz in den Sanitärräumen und der Einsatz von akustischen und optischen Hilfssystemen verbindlich umzusetzen. Allzu oft scheitere die barrierefreie Gestaltung jedoch an der Unwis-senheit der Architekten, kritisiert Monika Klenovec, Lehr-beauftragte an der TU Wien, Architektin und Gründerin des Zentrums für barrierefreie Lebensräume „design for all“. Barrierefreies Bauen sei noch immer nicht verpflich-tend in die Architekturausbildung integriert. 85 Prozent der Architekturabsolventen haben keine Ausbildung in barrie-refreien Gestaltungsgrundsätzen. So passiert es immer wieder sogar bei Neubauten, dass die in den Bauordnun-gen verankerten Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung

und die dazugehörenden Önormen nicht eingehalten wer-den. Bei „design for all“ macht man fehlende effiziente bau-polizeiliche Kontrollen dafür verantwortlich. „Wenn sich jemand diskriminiert fühlt, kann er zwar beim Bundessozi-alamt ein Schlichtungsgespräch und bei Nichteinigung auch Klage einreichen, aber der vorgesehene Schadener-satz, der schlimmstenfalls zu bezahlen wäre, ist so gering, dass er niemanden abschreckt“, wettert Bernhard Hruska, Architekt, Berater und Gutachter für barrierefreies Gestal-ten (design for all). Hruska fordert diesbezüglich auch die BIG auf, strengere Kontrollen durchzuführen.

Vom Zwang zur Normalität„Die BIG würde sich viel Geld ersparen, wenn sie die kor-rekte Umsetzung der Baumaßnahmen prüfen und Rück-forderungen an die Architekten stellen würde. Denn es ist auch bei der Sanierung von BIG-Gebäuden schon passiert, dass um teures Geld nachgebessert werden musste, weil

Rampen die maximale Steigung von zehn Prozent oder die in den Önormen vorgegebenen Türbreiten nicht eingehal-ten wurden“, weiß Hrsuka zu berichten. „Ich kenne wenige solcher Fälle“, so BIG-Chef Wolfgang Gleissner, der hin-zufügt: „Dabei handelt es sich ausschließlich um Gewähr-leistungen. Das ist zwar unangenehm, geht aber nicht zulasten der BIG.“

„Solange die Architekten barrierefreies Gestalten als Zwang und Einschränkung sehen, werden diese Fehler auch weiterhin passieren“, ist sich die design for all-Exper-tin Klenovec sicher. „Die Architekten müssen lernen, den Menschen in den Vordergrund ihrer Planung zu rücken und den Menschen in all seiner Vielfalt (Diversity) zu be-rücksichtigen. Denn den Idealtypus mit Modelmaßen gibt es nicht. Die wenigsten Menschen sind starke Muskel-protze, die locker die schweren Brandschutztüren öffnen können.“ Ihr Resümee: „Es ist an der Zeit, dass menschen-freundliche Bauweise selbstverständlich wird und nicht eine Vision von ein paar wenigen Idealisten bleibt.“ ‹

FreiheitBarriere

« Barrierefreies Bauen ist noch immer nicht verpflichtend in die Architekturausbildung integriert.» Monika Klenovec, TU Wien

Foto

: ric

hard

tanz

er

Page 28: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.atBIG BusiNess26

KircheN

Thema

Die Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes beim Wiesenhof liegt an der Straße nach Gnadenwald auf

dem Areal des ehemaligen Wiesenhofes. Sie wird von der Ausbildungseinrichtung des

Innenministeriums genutzt. Foto

: Gün

ter K

ress

er

Page 29: BIG BUSINESS 1/11

27BIG Businessnr. 9 | 2011 | www.big.at

Die BiG ist eigentümer einiger Gotteshäuser, deren instandhaltung aufgrund von

Verpflichtungen aus dem Konkordat immer wieder teuer kommt. nicht zuletzt sorgen komplizierte

nutzungsverhältnisse wie bei der salzburger Kollegienkirche für besondere Kraftanstrengungen.

Kirchen

Das Kreuz mit den Kirchen

Der Altarraum der Kollegienkirche in der Stadt Salzburg erstrahlt in neuem Glanz: Um 1,4 Millionen Euro wurde die von Barockbaumeister Fischer von Erlach konzipierte Stuckglorie restauriert. Fo

to: A

ndre

as K

olar

ik

Page 30: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at28 BIG BUSINESS

Dass in heimischen Klassenzimmern Kreuze hängen, ist in einer schriftlichen Übereinkunft zwischen dem Vatikan und Österreich aus dem Jahr 1933 geregelt. Dieses viel zitierte Konkor-

dat regelt nicht nur diese zuletzt oftmals diskutierte Frage, sondern auch die Instandhaltungspfl icht der Republik für alle im Bundesbesitz stehenden kirchlichen Gebäude – was rund 80 Jahre später mitunter zu einer millionenschweren Last geworden ist. Laut Paragraf 8 des Konkordats verpfl ich-tete sich der damalige Ständestaat, dass alle „Gebäude und Grundstücke des Bundes, welche gegenwärtig unmittelbar oder mittelbar kirchlichen Zwecken dienen“ auch weiter-hin „diesen Zwecken überlassen“ sein müssen. Dieser Pas-sus ist auch für die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) in-sofern von großer Bedeutung, als diese Verpfl ichtung im Zuge des Bundesimmobiliengesetzes im Jahr 2001 auf die BIG übertragen wurde und daher „namens des Bundes“ zu erfüllen ist. Und das nicht selten unentgeltlich.

„Alles sehr kompliziert“Rund eine Handvoll Kirchen und Kapellen sind es, die nun im Portfolio der BIG als Sonderimmobilien geführt werden – kleine Andachtsstätten und Gebetshäuser auf Friedhöfen ebenso wie bedeutsame Kirchen, die für etliche Millionen saniert und in Schuss gehalten werden müssen. Sowohl Rechtskonstruktionen als auch fi nanzielle Rahmenbedin-gungen sind höchst unterschiedlich. So gehört beispiels-weise das rund 4.000 Quadratmeter große Grundstück am Georgenberg in Wien Liesing, auf dem 1974 die Wotruba-Kirche erbaut wurde, der BIG. Das Gebäude selbst jedoch

nicht. „Erst 50 Jahre nach der Errich-tung dürfen wir Miete einheben. Aber auch danach halten sich die Ein-nahmen in Grenzen, zumal sich die damals vereinbarten Konditionen, selbst bei Einrechnung der Infl ation, in überschaubarer Höhe bewegen“, sagt BIG-Objektmanager Thomas Peneder. Mehr Aufwand verursachen da schon andere Kirchen, wie die im Jahr 2002 sanierte Schlosskapelle Weinzierl. Inklusive vergoldeter Turmspitzen wurden dabei 406.000 Euro investiert. Die Kehrseite der Medaille: „Wir heben dort weder Hauptmietzins noch anteilige Be-triebskosten ein“, sagt Irene Haiden, Objektmanagerin bei der BIG. Zusam-

KIRCHEN

THEMA

mengefasst: null Einnahmen. Auf der anderen Seite wartet das Portal der frühbarocken Schlosskapelle im Jahr 2011 auf seine Sanierung. Kosten: immerhin rund 6.000 Euro.

Freiwillige LeistungenGrundsätzlich wird der heilige Boden seitens der BIG-Tech-niker ohne besondere Ehrfurcht begangen. Nämlich standar-disiert zwei Mal im Jahr, um allfällige bau- oder haustechni-sche Mängel aufzunehmen. Wobei die Frage der rechtlichen Verpfl ichtung keineswegs eindeutig geklärt ist. „Unbestrit-ten ist unsere Zuständigkeit bei Erhaltung der Gebäudehülle und Wahrung der Sicherheit“, sagt Katharina Kohlmaier, Lei-terin der BIG-Rechtsabteilung. Ob der Innenraum dagegen repräsentativ ist oder eher weniger Glanz und Gloria ver-sprüht, falle nicht in den Kompetenzbereich des Unterneh-mens. Wenn die ,BIG in solchen Fällen in die eigene Tasche greift, handelt es sich eindeutig um freiwillige Leistungen.

Bestes Beispiel ist die Kollegienkirche im Herzen der Stadt Salzburg: Überdeutlich nagt an dem von Johann Bernhard Fischer von Erlach in den Jahren 1696 bis 1707 er-bauten Gotteshaus der Zahn der Zeit. Doch für eine umfas-sende und nachhaltige Sanierung, die in Summe mehr als 16 Millionen Euro kosten würde, fehlt nicht zuletzt auf-grund der komplizierten Eigentümer-, Miet- und Nut-zungsverhältnisse das Geld. Denn die Kollegienkirche fällt einerseits in die Zuständigkeit der Theologischen Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg, andererseits natür-lich auch in jene der katholischen Kirchen, namentlich der Erzdiözese Salzburg. Da aufgrund der Über einkunft keine Mieten gezahlt werden, greift das etwa bei Universitäten angewandte bewährte BIG-System, über befristete Zu-schlagsmieten eine Sanierung zu fi nanzieren, in diesem Fall nicht. Außerdem hat das Unternehmen den klaren Auftrag vom Gesetzgeber, dass die Bewirtschaftung des Portfolios nach marktorientierten Kriterien zu erfolgen hat – in diesem Fall können aber nicht einmal die anfallenden Betriebskosten vollständig abdeckt werden. Das gesamte Interieur einer Kirche plus die Innensanierung fällt, wie die BIG-Chefjuristin Katharina Kohlmaier nicht müde wird zu betonen, streng nach den Bezug habenden Regelwerken in die Verpfl ichtung des Mieters respektive des Nutzers und nicht des Eigentümers.

Qualität erkennenAlso waren und sind im Fall Salzburg Sonderlösungen nö-tig geworden: Für eine erste Bauphase verpfl ichtete sich die BIG, rund 3,2 Millionen Euro in das Objekt zu investieren – unter der Bedingung, dass auch die anderen Institutionen

KIRCHEN IM BIG-EIGENTUM

St.-Markus-Kirche, Klagenfurt, Kaufmanngasse 11,Altkatholische Kirchengemeinde Sacellum, Salzburg, Universitätsplatz/Uni SalzburgKollegienkirche, Salzburg, Universitätsplatz/Uni SalzburgKapelle zur Schmerzhaften Muttergottes, Absam, Walderst/BMIJesuitenkirche, Innsbruck, Karl-Rahner-Platz/Universität InnsbruckSt.-Ursula-Kirche, Wien, Johannesgasse 8Wotruba-Kirche, Wien, Mauer-St. GeorgKapelle, Wien, Ungargasse 69/HTLPatrozinium zur heiligen Gottesmutter, Wieselburg an der Erlauf, Francisco Josephinum

Page 31: BIG BUSINESS 1/11

29BIG Businessnr. 9 | 2011 | www.big.at

Kirchen

Mehrere Monate war der hintere Bereich der Kollegienkirche eingerüstet. Erst nach dem Abbau wurde der Blick wieder frei für jenen Gegenlichteffekt, den der Architekt konzipiert hatte (siehe Bild Seite 27).

In mühevoller Handarbeit wurde

der erste Teil der Kollegienkirche vom Schmutz befreit und

konserviert.

Foto

s: st

efan

Zen

zmai

er

Page 32: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.atBIG BusiNess30

KircheN

Thema

kräftig mitziehen. So gelang es unter anderem über Spen-den rund 1,3 millionen euro aufzutreiben; der World monu-ments Fund – eine internationale Organisation mit Sitz in New York, die sich weltweit für die erhaltung von Denkmä-lern und historischen Stätten einsetzt – steuerte als größ-ter einzelspender 500.000 Dollar bei. Seit Jahren engagiert ist auch der „Verein Kulturerbe Salzburg“, der möglichst viele private und öffentliche Quellen anzuzapfen versucht. mit diesen mitteln konnte die Sanierung des Dachs sowie der Türme (Fertigstellung 2011), aber auch der apsis im Inneren finanziert werden.

Wie Ronald Gobiet, Leiter des Salzburger Denkmalamtes und Schaltstelle bei den Restaurierungsarbeiten, erklärt, soll über allen anstrengungen die Rückführung des baro-cken Prachtbaus in den ursprünglichen Zustand stehen: „Wir wollen zu den Intentionen von Fischer von erlach zu-rück, damit man dessen Qualität auch erkennt.“ Bestes Bei-spiel ist etwa der teils gelungene Plan, das von Fischer von erlach konzipierte raffinierte Spiel mit Licht und Gegen-licht wieder zum Leben zu erwecken. So erstrahlt die zent-rale Figur der maria Immaculata wieder in natürlichem Licht. „es gelang uns nämlich, ein jahrhundertelang ge-schlossenes Fenster über dem altar in den früheren Zu-stand zu versetzen, weshalb nun das Licht wieder einfallen kann“, so BIG-Projektleiter Karl Lehner.

Doch diese arbeiten waren erst der anfang, denn für ei-ne umfassende, große Lösung fehlen noch etliche millio-nen euro. auch für die zweite Bauphase hat die BIG zuge-sagt, weitere 3,5 millionen euro aufzuwenden. Laut Lehner gehe es nun vorrangig darum, das Bauwerk für die Besu-cher sicher zu machen und allen voran die marmor-Fußbö-den, die weiteren Fenster und den durchfeuchteten Putz in Ordnung zu bringen. allerdings hört beim Wandanstrich in

etwa zwei meter höhe die Zuständigkeit des eigentümers auf, weshalb Lehner für eine Gesamtlösung plädiert. „es wird wenig Sinn machen, wenn wir dann bei zwei metern einfach aufhören.“ außerdem hielte er eine nachhaltige Lö-sung betreffend Lüftung für angebracht, damit neuerliche Schäden vermieden werden können – dazu bräuchte es aber etwa auch einen neuen eingangsbereich.

„Es läppert sich“Für die große Innensanierung inklusive neuer elektroins-tallation fehlen laut Landeskonservator Gobiet dann noch etwa acht millionen euro, die über verschiedenste Kanäle fließen sollen: „Wir werden wieder unsere anstrengungen unternehmen, wobei diese art von Lobbyismus nicht unse-re eigentliche aufgabe ist.“ So habe Gobiet mit dem World monuments Fund bereits eine grundsätzliche Vereinba-rung für eine weitere Unterstützung akkordiert, von einer münchner Stiftung gebe es 50.000 euro, das Kunstministe-rium habe 100.000 euro zugesagt: „So läppert sich das zu-sammen.“ Zukünftig sollen die Salzburger Festspiele und konkret Dirigent Ricardo muti noch stärker mit Veranstal-tungen eingebunden werden, auch plant Gobiet eine art Spenden-Canossagang zu den Benediktinern: „Früher wur-de die Universität von diesem Orden geführt, daher sollen sie jetzt auch ein Scherflein beitragen.“

„Spendenanimation“Die rechtliche Konstruktion als Universitätskirche ohne faktische Pfarrgemeinde macht die Finanzierung laut Go-biet nicht gerade einfacher: „eine Pfarre hat ja gewisse ein-nahmen und Latifundien. aber hier gibt es ja gar nicht so viele theologische Studenten.“ Kein Geld zu haben, also eine nicht dotierte Universitätspfarre zu sein, gibt auch

Die Wotruba-Kirche am Wiener

Georgenberg ist auf BIG-eigenem Grund

gebaut. Ab 2021 darf die BIG pro Jahr

349 Euro dafür in Rechnung stellen.

Foto

: BiG

Page 33: BIG BUSINESS 1/11

31BIG Businessnr. 9 | 2011 | www.big.at

Kirchen

Die Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes wurde ab 1723 durch Graf Ferdinand Karl von Wicka als Familiengrablege der Wicka

errichtet, die Weihe erfolgte 1732. Das Kirchlein selbst schmücken ein prachtvoller Altar sowie ein herrliches Fresko. Das

Stifterehepaar selbst ruht in einer Gruft unter dem Steinboden.

Das Patrozinium zur heiligen Gottesmutter befindet sich auf dem Areal der niederösterreichischen Landwirtschaftsschule Francisco Josephinum in Wieselburg. Der frühbarocke Saalbau mit nachgotischen Elementen wurde urkundlich erstmals 1675 erwähnt.

Foto

: Gün

ter K

ress

er

Foto

: Gün

ter K

ress

erFo

to: M

icha

el G

rühb

aum

Foto

: Mic

hael

Grü

hbau

m

Page 34: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at32 BIGBusiNess

KircheN

Thema

Christian Wallisch-Breitsching, Verwaltungsdirektor der Uni-versitätspfarre und seitens der Diözese für die Renovierung zuständig, unumwunden zu. „Unsere mitglieder sind sehr vage. Jeder, der studiert, ist eigentlich mitglied der Pfarre. Wir sind also eine Pfarre, die auf Personen und nicht auf ein Territorium bezogen ist.“ Dementsprechend gibt es nur ein mal pro Woche eine heilige messe; zum Winter-Semester-start leitet der Salzburger Bischof alois Kothgasser einen Gottesdienst.

Das Gros der Kirchenbesucher bilden laut Wallisch-Breit-sching die Touristen, sommers treten pro Tag etwa 300 bis 400 Personen über die Kirchenschwelle. Und selbstver-ständlich versucht man sie zum Spenden zu animieren. Die Konkurrenz im herzen der mozartstadt sei allerdings groß: es gibt gleich daneben den Dom, St. Peter, und die Franzis-kanerkirche. an eintritt zur Finanzierung der arbeiten wird freilich (noch) nicht gedacht: „Das wäre in Salzburg

ein absolutes Novum. Wenn man die Diskussionen in Wien um Stephansdom und Karlskirche ansieht, weiß man, wie sensibel das ist“, gesteht Wallisch-Breitsching. Was es gebe, seien verschiedene andere Ideen, die allesamt aber noch nicht ausgereift seien.

Geschenkt ist noch zu teuerWas sicher nicht dazugehöre, sei aber eine Übernahme der Kirche von der BIG – denn worüber sich in früheren Zeiten wohl viele gefreut hätten, gilt heute als klassisches Danaer-geschenk: „hier hat es nie offizielle Gespräche gegeben“, winkt Wallisch-Breitsching ab. auch Gabriele Pfeifer, Spre-cherin des Rektorats der Universität Salzburg, hat in Zeiten klammer Uni-Budgets andere Sorgen: „herschenken ist so eine Sache, da halst man sich eine Riesengeschichte auf. auch wenn es ein wertvolles Bauwerk ist, würde uns das ein Vermögen kosten. Und unsere aufgabe kann es nicht

sein, Kirchen zu sanieren.“ Und eigentlich geht der Trend in Österreich in die umgekehrte Richtung: aufgrund der miss-brauchsskandale samt austrittswellen ist es die katholi-sche Kirche, die mittlerweile Gotteshäuser notgedrungen an verwandte Religionsgemeinschaften abgeben muss – etwa in Wien die Neulerchenfelder Kirche in Ottakring an die serbisch-orthodoxe Gemeinde.

Bleibt die Frage, wie lange wohl für die Kollegienkirche gesammelt werden muss, um die Restaurierung finanzie-ren zu können. Schon ein mal hat die BIG einen ähnlich heiklen Fall wie die Kollegienkirche positiv über die Bühne gebracht: Im Jahr 2004 konnte die Innsbrucker Jesuiten-kirche, ebenfalls eine Konkordatskirche in universitärer Nutzung, nach jahrelangem Tauziehen fertig saniert neu eröffnet werden. „auch damals ging es um die Zurückfüh-rung der Kirche in den Originalzustand. Und aufgrund des vehementen engagements des damaligen Bürgermeisters herwig Van Staa konnte eine große Lösung, bei der alle an einem Strang gezogen haben, realisiert werden“, erinnert sich Gerald Lobgesang, BIG-Objektmanagement Team-leiter Tirol.

GeneralsanierungNachdem zunächst von 1990 bis 1998 die erneuerung der Fassade vorgenommen worden war, startete im Jahr 2003 die Sanierung des Innenraumes in dem Frühbarock-Klein-od (von 1627 bis 1646 erbaut). Im Zweiten Weltkrieg war das Bauwerk von Bomben getroffen und schwer beschädigt worden, unter anderem war der hochaltar dabei vollkom-men zerstört worden. Im Zuge der Sanierung wurden diese Kriegsschäden allesamt behoben, und auch der hochaltar wurde wiederhergestellt, was freilich bei Denkmalschüt-zern nicht wirklich auf ungeteilte Zustimmung stieß, da es sich um eine historisierende Form handelte. So wie nun in Salzburg geplant, gelang eine völlige erneuerung der Fens-ter, außerdem wurde ein neuer Zugang zur Krypta geschaf-fen. Zugleich wurde der Sakralbau, um ihn auch für Veran-staltungen nutzen zu können, mit einer Sanitärgruppe ver-sehen sowie beleuchtungs- und tontechnisch auf den letz-ten Stand der Technik gebracht. Die Investitionskosten im Fall Innsbruck betrugen für die BIG rund drei millionen eu-ro, insgesamt kostete das Projekt fast neun millionen euro – Land, Bund und zahlreiche private Spender retteten schließlich das Barockjuwel dauerhaft. Wobei es damit kei-neswegs getan ist. „Die laufende technische Betreuung ist für uns keineswegs Routine“, so Lobgesang. Der Umgang mit zerfallenden Sarkophagen oder barocken Blasengerln sei doch immer wieder herausfordernd.

So sehr sich die Kollegien- und Jesuitenkirche in der Restaurierungsgenese ähneln, so unterschiedlich seien die beschrittenen Wege gewesen, betont BIG-Chef Wolfgang Gleissner: „einen fix fertigen Plan, wie wir als BIG mit unse-ren Kirchen umgehen, gibt es leider nicht. Jeder Fall muss im einzelnen betrachtet werden. Und nur weil wir ein Pro-jekt freiwillig mitfinanzieren, ist das noch kein Präjudiz.“ Göttlicher Beistand für zündende neue Ideen im Umgang mit geweihten Flächen kann also nicht schaden. ‹

Auf der Orgel in St. Ursula in Wien

werden Musik­studenten auf ihre

erlernten Fähig­keiten geprüft.

Page 35: BIG BUSINESS 1/11

33BIG Businessnr. 9 | 2011 | www.big.at

Kirchen

Der markante und geschichtsträchtige Bau ist eines der hervorragenden Beispiele des frühen Barocks in Westösterreich. Die Jesuitenkirche in Innsbruck wurde ab 1627 nach den Plänen des Schweizer Architekten Santino Solari errichtet. Im Zuge der Generalsanierung der alten Innsbrucker Universität wurde auch die betont strenge, elegante Fassade der Kirche zwischen 1990 und 1998 saniert. Anfang 2003 begann in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt die behutsame Restaurierung und Adaptierung des Innenraumes nach Plänen des Haller Architekten Helmut Dreger.

Foto

s: h

elga

Loid

old

Page 36: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at34 BIGBusiNess

in der bis dato wohl aufwendigsten Kunst-inventarisierung des Landes hat die BiG alle ihre

Objekte nach Kunstwerken durchforsten lassen. Nun gibt es eine Datenbank mit 7.000 Datensätzen und

Zigtausenden Fotos. und die Debatte, wem was gehört beziehungsweise wie wertvoll dies alles ist.

KuNst

Thema

Die Jäger des verlorenen

Kunstschatzes

Die Stahlplastik Tomas Hokes im Stiegenhaus des

Klagenfurter Landesgerichts wird

gelegentlich als Aschenbecher

verwendet (rechts unten).

Von der Schulleitung unerwünscht: Eine Raumplastik Gustav Trogers in einem Grazer Gymnasium soll abgehängt werden (oben).

Missachtete Kunst in der HTBLA Salz-burg: Vor den 1985

entstandenen Bildern des österrei-

chischen Malers Lucas Suppin sind Getränkeautoma-

ten und Kopierer platziert, manche

der Werke sind sogar mit

Schautafeln behängt (rechts

oben).

Foto

s: Ku

nste

rken

nung

Page 37: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 35BIG BusiNess

KuNst

Von A wie Abondio, Isella, bis Z wie Zumbusch, Kaspar. Zigtausende Fotos, 7.000 Datensätze mit 50 Gigabyte Speichervolumen, gesammelt aus 800 Gebäuden mit fast sieben Millionen

Quadratmetern Nutzfläche. Das Ganze in fast fünf Jahren Arbeit bei 30 Stunden wöchentlich. Das sind die nackten Zahlen eines der größten und aufwendigsten Kunst-Inven-tarisierungsprojekte der Republik Österreich, das vor Kur-zem zu einem vorläufigen Ende gekommen ist. Im Auftrag der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), des größten Im-mobilienbesitzers des Landes, hat die Firma Kloser & Point-ner Kunstverwaltung in den vergangenen Jahren alle BIG-Objekte in ganz Österreich untersucht und die dort vorhan-denen Kunstwerke dokumentiert. Eine Vermessung von Österreichs Kunstschätzen am und im Bau, bei dem auch teils vergessene und teils unbekannte Werke wieder an die Oberfläche befördert wurden.

Das Zwei-Mann-Team, bestehend aus den Kunsthistori-kern Alexander Pointner und Peter Kloser, war es auch, das im Jahr 2006 für eine kleine Kunstsensation gesorgt hat – gleichsam als Auftakt der Inventarisierungsarbeit für die BIG. Damals wiederentdeckten sie im Palais Sturany am Wiener Schottenring vier Deckengemälde, an denen Gustav Klimt maßgeblich mitgearbeitet hat. Das Besonde-

„Wiederent­deckung“ eines Frühwerks von Gustav Klimt. Historistische Ausstattungskunst für das Palais Sturany an der Wiener Ringstraße. Das Palais wurde vor Kurzem verkauft.

re an diesem Kunstwerk ist, dass es sich um eines der ers-ten Auftragswerke des jungen Klimt handelt und sich dort auch sein Bruder Ernst künstlerisch verewigte. „Wir haben das aus dem Dehio (dem Handbuch der Kunstdenkmäler, Anmerkung) irgendwie schon gewusst und uns das dann einfach näher angeschaut“, berichtet Pointner, der damals bescheiden in der zweiten Reihe geblieben ist und anderen den Vortritt gelassen hat. „Durch den Namen Klimt wurde es auch etwas hochgepusht und so gesehen ist das die viel-leicht wichtigste Entdeckung für unsere Datenbank.“ Per-sönlich freilich hätte Pointner, der mittlerweile auch die Kunstdatenbank für die Albertina betreut, auf seiner Kunst-Tour quer durchs Land ganz andere Werke zu schät-zen und lieben gelernt – beispielsweise das Landesgericht Krems.

InventurWas ist bitte so faszinierend an einem so schlichten wie unspektakulären Gebäude aus der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts? „Es ist von der Ausstrahlung und der Schlichtheit ziemlich lässig“, schwärmt Pointner. Fast skur-ril für den Schauplatz nimmt sich etwa die Wandmalerei im Schwurgerichtssaal aus, prangen doch ausgerechnet dort die sieben Todsünden. Fasziniert ist Pointner aber

Foto

s: G

isel

a er

lach

er

Foto

: Kun

ster

kenn

ung

Page 38: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at36 BIGBusiNess

auch von den eleganten Stiegenhäusern oder den edlen Messingleuchten, die das Landesgericht zu einem Geheim-tipp für Kunstfreunde mache – vor allem, da Bauwerke aus dieser Zeit selten seien, aber von immer größerer Bedeu-tung wären.

Warum die BIG in dieses Inventarisierungsprogramm in-vestiert hat, ist leicht erklärt: „In jedem unserer Gebäude wird permanent irgendetwas repariert oder saniert. Bisher war es ein großes Übel, dass die Kollegen vor Ort zwar mit den Kunstwerken konfrontiert waren, aber nicht wussten, was es damit auf sich hat. Außerdem wurden sie vielfach auch gar nicht als Kunst wahrgenommen“, beschreibt Ute Woltron von der BIG das Grundpro blem. Nunmehr sei die Information über all diese Kunstwerke in den einzelnen BIG-Gebäuden sofort per Mausklick verfügbar, haben doch grundsätzlich alle Mitarbeiter Zugriff auf diese neue Datenbank.

Kunst im SperrmüllAuf Basis von Microsoft-Access bietet die Kunst-Daten-bank mehrere Suchfunktionen an – etwa nach dem Gebäude namen, dem Künstler (von denen rund 1.000 an-gelegt wurden) oder einem Kunstbegriff. Die jeweilige Da-tei enthält dann kurze Beschreibungen des Gebäudes, des Denkmalschutz-Status und wo sich genau die Kunstwerke befinden, inklusive einer Kurzbiografie des Schöpfers. „So es etwas dazu gibt“, ergänzt Pointner. Denn etwa bei der erst-genannten Isella Abondio gebe es schlichtweg keine Infor-mationen, sondern nur mehr ihre Arbeiten.

Und ganz wichtig sind die angefügten Fotos, damit auch für die Mitarbeiter sofort erkennbar ist, worum es sich han-delt. Denn wie das bei moderner Kunst durchaus möglich ist, kann es schon einmal zu Missverständnissen kommen, wie Kloser & Pointner am eigenen Leib erfahren mussten. In einer Salzburger Schule etwa landete eine vom Direktor als Schrott verunglimpfte Installation kurzerhand im Müll. „Im Sperrmüll liegen noch zwei Satelliten-Schüsseln, falls Sie noch Fotos machen wollen“, ließ ihnen ein Hausange-stellter ausrichten, nachdem die beiden eilig zur Rettung angetreten waren. Auch dieser Frevel wurde nichtsdesto-trotz dokumentiert.

HausbesucheAnsonsten lernten die beiden die üblichen Licht- und Schattenseiten im Querschnitt der Republik kennen – freundliche und interessierte Menschen hier, grantige und ignorante Zeitgenossen dort. „In Wien waren viele eher ge-nervt, was es am Land teilweise aber natürlich auch gab. Regelrecht stolz über das Kulturgut zeigten sich vor allem die Tiroler“, erzählt Pointner. Nach dem Motto „Gut geplant, ist halb inventarisiert“ organisierten sie ihre Reisen gründ-lich im Voraus und vereinbarten mit den jeweiligen Haus-

KuNst

THeMA

Barockes Theatrum Sacrum im ehemaligen Ursulinenkloster und der jetzigen Universität für Musik und darstellende Kunst in der Seilerstätte, Wien 1. Der Zustand ist allerdings, wie anhand der Klebstreifen sichtbar, eher schlecht.

In einer Salzburger Schule landete eine vom Direktor als Schrott verunglimpfte Installation kurzerhand im Müll.

Page 39: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 37BIG BusiNess

KuNst

verwaltungen Besuchstermine. Etwa eine Woche wurde pro Bundesland veranschlagt, Linz wurde in drei Tagen durchforstet, am aufwendigsten sei Salzburg-Stadt gewe-sen: „Kunstmäßig ist das sehr üppig“, so Pointner. Und Wien sei quasi immer wieder zwischendurch begutachtet worden, schließlich haben die beiden Kunsthistoriker ihr Büro in der Seidengasse im 7. Bezirk.

Zurück zu Tirol: Dort machten die beiden nicht nur eine ihrer seltsamsten Entdeckungen. Im abgelegenen Brixen-tal wurde das schaurige Folterzimmer in der Polizeistation Hopfgarten dokumentiert – ein Stück Zeitgeschichte, aber auch Theatergeschichte. Felix Mitterer habe dieses Zimmer zum Anlass seines Stückes „Die drei Teufel“ gemacht, er-klärt Pointner. Und im Zuge der Inventarisierung der Geis-teswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck wurde man wieder auf ein 25 Meter großes Wandmosaik des zeitge-nössischen österreichischen Künstlers Hubert Schmalix aufmerksam, das bereits 1985 realisiert worden war. „Das ist ein gutes Beispiel von exzellenter und ausgesprochen

Die in den frühen 1990ern entstandenen sechs Kontinente von Maitre Leherb sind mit acht mal acht Metern die größten Fayencen des 20. Jahrhunderts: Was damit nach Auszug der Wirtschaftsuniversität Wien passiert, ist offen (oben).

„Bedrohte Kunst“: Feuchtigkeit droht eine „Akkord“ genannte

Installation von Erwin Wurm vor der Musikuniversität in

Graz zu zerstören.

Foto

s: Ku

nste

rken

nung

Page 40: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.atBIG BusiNess38

KuNst

Thema

wertvoller zeitgenössischer Kunst am Bau“, meint Pointner. Prinzipiell regierte bei der Inventarisierung das Prinzip Neugier: „Wir haben alles mit der Kamera aufgenommen, was wir gesehen und für Kunst gehalten haben. Der Wert der einzelnen Stücke war nachrangig.“ So finden sich nun in der Datenbank auch jede menge unscheinbarer Fassa-denmalereien, eine Sonnenuhr von Raiffeisen, gusseiserne Öfen, Dekorationen auf Kriegerfriedhöfen oder monstran-zen in Kirchen. „Uns ging es nicht um den Wert, sondern die Vollständigkeit“, fasst Pointner zusammen.

Vereinbarung in ArbeitUm die Bewertung dieses gesammelten Datenschatzes soll es nämlich erst im zweiten Schritt gehen, der derzeit in eine Intensiv-Phase gekommen ist. Nun ist die Frage zu klären, wem genau diese Kunstwerke gehören und wer sie zu erhalten hat. experten von BIG, Wirtschaftsministerium und Finanzprokuratur haben ein Konzept dazu erarbeitet. eine grund legende Vereinbarung gibt es bereits. „ Prinzipiell gehören alle beweg lichen Kunstwerke in Gebäuden der BIG dem Bund. Daher sollen diese auch in die Bundesmo-bilienverwaltung des hofmobiliendepots übernommen

Beliebte Kunst im BG Vöcklabruck: Der „Fliegende Teppich“ Ulrike Lienbachers aus dem Jahr 2006 dient als Treffpunkt, als Freiluftklasse

und als Sitz- und Liegegelegenheit in den Pausen und Freistunden

(oben).

Elegantes Gesamtkunstwerk der frühen 30er-Jahre: das Landesgericht in Krems.

Page 41: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 39BIG BusiNess

KuNst

­werden“,­ so­ Ilsebill­ Barta,­ Leiterin­ des­ Hofmobiliendepot.­„Grundsätzlich­ sind­ wir­ in­ dieser­ Frage­ einer­ Meinung“,­sagt­ Katharina­ Kohlmaier,­ Leiterin­ der­ BIG-Rechtsabtei-lung,­fügt­aber­hinzu:­„Es­gibt­dabei­auch­eine­Grauzone.“­Bestes­ Bespiel­ sind­ etwa­ Fresken,­ die­ eigentlich­ mit­ dem­Gebäude­ direkt­ verbunden­ sind­ –­ was­ sie­ zum­ Eigentum­der­BIG­macht;­handelt­es­sich­jedoch­um­Fresco-Secco­(al-so­Trockenfresken)­wären­sie­theoretisch­abnehmbar­und­dem­Bund­zugehörig.­

Ein­ weiterer­ Diskussionspunkt­ betrifft­ all­ jene­ Kunst-werke,­ die­ historisch­ mit­ dem­ Gebäude­ verbunden­ sind.­Würde­ etwa­ der­ Justizpalast­ zu­ einem­ Hotel­ umgebaut,­wäre­die­Justitia­eine­Art­Scheidungskind.­Wird­wiederum­ein­Gebäude­abgerissen­und­ein­mit­dem­Haus­verbunde-nes­Werk­gerettet,­dann­könnte­am­Ende­auch­ein­Verkauf­durch­ die­ BIG­ stehen.­ Ein­ Beispiel­ wäre­ etwa­ das­ große­­Leherb-Werk­ an­ der­ Wiener­ Wirtschaftsuniversität,­ die­ ja­2013­an­einen­neuen­Standort­ziehen­wird.­Wobei­sich­die­BIG­ laut­ Experten­ bei­ solchen­ Transaktionen­ keineswegs­eine­ goldene­ Nase­ verdienen­ würde.­ „Das­ Werk­ ist­ auf-grund­seines­Formates­und­der­Substanz­eher­schwer­ver-käuflich“,­so­die­Einschätzung­eines­Kunsthändlers.­­­ ‹

So gut wie unberührt: Hubert Schmalix 1985 entstandenes monumentales Wandmosaik für die Geisteswissenschaftliche Fakultät in Innsbruck (oben).

Raum einer Polizeistation in Hopfgarten im Tiroler Brixental, der früher als Gefängniszelle gedient

haben soll. Felix Mitterer hat 1999 in „Die drei

Teufel“ ein Stück über diese dunkle Legende verfasst.

Foto

s: Ku

nste

rken

nung

Page 42: BIG BUSINESS 1/11

40 BIG BUSINESS Nr. 9 | 2011 | www.big.at

SCHULEN

DISKUSSION

Das Thema Schule hält sich bereits seit Längerem auf den Aufmacherseiten der österreichischen Tageszeitungen und Magazine. Und das nicht erst seit mäßigen Resultaten heimischer Schüler bei PISA. Der Einfl uss des Gebäudes auf die Lernergebnisse ist unbestritten. In der Frage, wie ein optimales Schulgebäude aussehen soll, scheiden sich allerdings die Geister. Mitreden wollen jedenfalls alle.

Basisdemokratisches Wunschkonzert

Foto

: Man

fred

Sei

dl

Page 43: BIG BUSINESS 1/11

41BIG BUSINESSNr. 9 | 2011 | www.big.at

SCHULEN

Die Bullaugen in der HAK II in Salzburg

sind bei den Schülern vor allem in den Pausen sehr

beliebt und stark frequentiert.

Page 44: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at42 BIGBusiNess

Diskussion

Schon die alten Lateiner wussten: „Quod licet Jovi, non licet bovi.“ Frei und auch ein wenig beschönigend übersetzt, dürfen nicht alle das Gleiche. Das erzeugt mitunter sogar ein gerüt­

telt Maß an Missgunst. Auch unter schulen gibt es also so etwas wie Wettbewerb. Wer unterrichtet nicht gerne die besten schüler im modernsten Gebäude. Der kommunisti­sche Ansatz ist dabei eher weniger gefragt. Denn Ge­schmäcker sind ebenso verschieden wie Führungsstile oder unterrichtsformen. An diesem Punkt beginnen auch schon die Herausforderungen bei neubauten oder sanie­rungen. Wer soll die Linie vorgeben? Wie viel Basisdemo­kratie verträgt ein Planungsprozess? und ist ein vielstim­miges konzert am Ende noch harmonisch?

ingeborg schneider, Direktorin der AHs Heustadelgasse im 22. Wiener Gemeindebezirk, hat die Errichtung „ihrer“ neuen schule bereits hinter sich. sie zeigt sich von dem Ge­bäude „eigentlich“ begeistert. Angetan hat es ihr die helle und transparente Bauweise der Architekten Henke und schreieck. „Viel Licht und offenheit zur Außenwelt sind, was sich moderne Pädagogen unter einer schule vorstel­len“, sagt schneider. Zusätzlich, und das ist in einem schnell wachsenden Bezirk wie der Donaustadt besonders wichtig, sorge die Breite der Gänge für genug Platz, um Reibereien zwischen Pubertierenden gleich gar nicht erst aufkommen zu lassen. Entsprechend harmonisch geht es in der Heusta­

delgasse auch zu. Allerdings werde auch jetzt der Raum schon wieder eng, da deutlich mehr klassen als geplant in der schule unterrichtet werden. sprich rund zehn Jahre nach Errichtung des objekts platzte man schon wieder „aus allen nähten“.

und auch bei anderen kleinigkeiten liege der Teufel be­kanntlich im Detail. so wäre nicht bedacht worden, dass die Reinigung der gläsernen Fassade aufwendig und teuer sei. und so sehr die Direktorin ihren auch bei den schülern sehr beliebten innenhof schätzt, die schneeräumung sei nur händisch möglich, weil Maschinen den schicken stein­boden beschädigen könnten. im sommer ist schatten Man­gelware. Ähnliches gilt für die Glasfassade: im sommer werden die innenräume sehr schnell sehr warm, im Winter ist die Beheizung kaum möglich, ohne das schulbudget zu sprengen. „Das sind“, so schneider, „Dinge, die man erst im laufenden Betrieb herausfindet.“ insgesamt wünscht sie sich aber trotz aller Liebe zum objekt ein „völlig neues kon­zept beim schulbau“.

Offenheit und OrgienWesentlich kritischer als seine kollegin steht Manfred Hofer, Direktor der HAk ii in salzburg, seiner 2007 erwei­terten schule gegenüber. und ein kleiner, nur bedingt ernst gemeinter seitenhieb illustriert dennoch den Wettbewerb der Bildungseinrichtungen untereinander. „offensichtlich

schuleN

Die Heustadelgasse in Wien ist eine architektonisch

bemerkenswerte Schule. Rundum

zufrieden sind die Nutzer dort aber

aus zum Teil nachvollziehbaren Gründen nicht. Da

ist auch die BIG gefragt, für die

Zukunft zu lernen.

Page 45: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 43BIG BusiNess

schuleN

war, nachdem die Heustadelgasse gebaut wurde, kein Geld mehr da“, so Hofer und war, als es dann doch ernst mit dem Neubau wurde, eher überrascht: „Ich habe jahrelang für einen Zubau gekämpft, ohne Fortschritte zu erzielen“, er-zählt er. „Dann ist es plötzlich viel zu schnell gegangen. Man sollte sich vorher ein Konzept überlegen und dann erst zu planen anfangen.“

Eines seiner Hauptprobleme mit dem Bau ist gleichzeitig das herausragende architektonische Merkmal: Eine ge-schwungene Spange, die zwei nebeneinander liegende Schulen verbindet und einen offenen Innenhof erzeugt. „Die war wohl ausschlaggebend, warum der Entwurf den Architektenwettbewerb gewonnen hat“, glaubt Hofer. Die Spange ist bei genauerer Betrachtung aber auch ein Problem. Denn die Bauweise auf Stel-zen verschwendet Raum, den der von chronischem Platzmangel geplagte Di-rektor sehr gut brauchen könnte. Nicht nur das: Bei Regen zieht dieser praktische Unterstand sämtliche Raucher aus der Umgebung magisch an, was nicht gerade für Ordnung und Sauberkeit sorgt. Ein „Schildbürgerstreich“ sei der Aufzug im Inneren, der nicht alle Stockwerke erreichen kann und daher im Sinne der Barrierefreiheit durch einen zweiten er-gänzt werden muss. Und was sich eines Nachts im nach au-

Foto

s: h

aral

d A.

Jahn

« Wir nutzen wirklich  jede Flexibilität aus, die wir 

bekommen können.»  Elke Delugan, Architektin

Foto

: Mic

hael

het

zman

nsed

er

Page 46: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.atBIG BusiNess44

schuleN

Diskussion

ßen hin offenen schulhof abgespielt hat, darüber schweigt der diskrete schuldirektor am liebsten ganz. Die aus locke-ren steinen gebauten sitzgelegenheiten, die sich trefflich zum Hineinstecken von schwer zu entfernendem Müll aller Art eignen, waren jedenfalls im Gegensatz zu einer sandkiste nicht involviert.

Ein Dorn im Auge sind Manfred Hofer auch scheinbare kleinigkeiten mit großer Wirkung. Ein von ihm gern ge-nanntes Beispiel sind die nicht verfliesten Toiletten. „Die Farbe ist nach nur drei Jahren ab“, sagt er und zeigt dazu gerne das entsprechend unappetitliche Beweisbild.

nicht alle seitens der Direktoren erkannten Mängel sind aber baulicher natur. so wurde in beiden Praxisbeispielen eine Lösung gewählt, die mit dem Vorteil der offenen Bau-weise den nachteil bringt, dass theoretisch auch uner-wünschte Personen Zugang zu dem jeweiligen Grundstück haben. Also eher ein Grundsatzproblem. Auch andere „un-pässlichkeiten“ sind zu relativieren. „Punkto Hygiene sind auch Fliesen mit ihren Fugen nicht das optimum. uns wurde sogar bereits einmal behördlich untersagt, die nass-räume einer schule zu verfliesen“, so BiG-Chef Wolfgang Gleissner auf den Vorwurf Hofers. Auch der „schildbürger-streich“ Aufzugseinbau sei so nicht ganz nachzuvollziehen, da das Behindertengleichstellungsgesetz vorrangig auf organisatorische Lösungen abziele.

Der lehrer und Publizist Niki Glattauer sieht im Gespräch mit BiG Business Vorteile für benachteiligte Kinder bei der

Ganztagsschule und stellt Pisa schlechte Noten aus.

„Verordneter lebensraum“

■ Sie fordern, dass die Schule von allen Beteiligten als Lebensraum be-trachtet wird. Würden Schüler und Lehrer das akzeptieren?

Glattauer: Am Anfang wahrschein-lich nicht. ich bin aber dafür, so et-was von oben zu verordnen, dann beginnt es von selbst zu laufen. Leh-rerproteste kamen vor allem von einer bestimmten Fraktion und ein paar alten Lehrern. in den nächsten Jahren werden sehr viele in Pension gehen, das ist die Gelegenheit für

einen Paradigmenwechsel. in Wahr-heit nimmt eine Ganztagsschule doch Druck von den Lehrern, denn Arbeiten, die jetzt zu Hause passie-ren müssen, könnten dann an einem gut ausgestatteten Arbeitsplatz in der schule erledigt werden. Was die schüler betrifft: ich denke da vor al-lem an jene, die zu Hause kein gutes umfeld haben. ich selbst unterrichte zum Beispiel welche, die sich daheim zu viert ein Zimmer teilen müssen. Da kann Lernen nicht funktionieren. Eine Ganztagsschule wäre für alle von Vorteil, aber ganz besonders für diese benachteiligten kinder.

Wie viel Freiraum haben Lehrer, was eventuelle Abweichungen vom klas-sischen Frontalunterricht betrifft?

Glattauer: Das kommt auf den schul-typ an. in meiner schule gibt es nicht

viel spielraum. Räumliche Beschrän-kungen einer hundert Jahre alten AHs, die schulglocke … Es gibt kleine Reformen, aber die nützen gar nichts. An anderen schultypen wie HTLs gibt es aber positive Entwicklungen wie zum Beispiel in Richtung Cluster. Das bedeutet klare Zielvorgaben für schüler, die am Ende des Jahres er-füllt werden müssen. Welcher Lehrer ihnen das Geforderte in welcher Ein-heit beibringt, ist eigentlich egal.

Sind die berüchtigten PISA-Ergebnis-se eine Folge der angesprochenen veralteten Konzepte?

Glattauer: Dieser Test taugt meiner Meinung nach gar nichts und wird dann auch noch falsch interpretiert.

Wie stellen Sie sich eine bessere Vernetzung zum Thema Schule vor? Eine Art Schulparlament vielleicht?

Glattauer: ich möchte, dass sich end-lich alle Verantwortlichen an einen Tisch setzen. Ganz wichtig dabei ist, dass die einzelnen Bundesländer zu-sammenkommen, denn dort bewegt sich gar nichts. Meiner Meinung nach sollten die Länder ihre Verant-wortung für schulen überhaupt ver-lieren – das ganze system gehört zentralisiert. so wie es heute läuft, kommen ideen und konzepte dort nämlich nicht an. Was in Wien funk-tioniert, davon hat man in Vorarlberg vielleicht noch nie was gehört und umgekehrt.

Welche Schulen halten Sie für die besten? Ganz allgemein?

Glattauer: Die, an denen nichts mehr funktioniert. Das sind zum Beispiel die Polytechnischen Lehrgänge. Dort finden sich kreative Lösungen im sinne jener schüler, von denen alle glauben, die sitzen eh nur ihre Zeit ab. ‹

Glattauer spricht sich vehement für eine Gesamt­reform des „Systems“ aus. Länder sieht er nicht in der Verantwortung.Fo

to: M

icha

el h

etzm

anns

eder

Foto

: Man

fred

sei

dlFo

to: M

anfr

ed h

ofer

Page 47: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 45BIG BusiNess

schuleN

Generell würde der eine oder andere Schuldirektor aber vermutlich trotzdem gerne mit Manfred Hofer oder Inge-borg Schneider tauschen. So können von der Fußbodenhei-zung im Winter und entsprechender Kühlung im Sommer viele Direktoren anderer Bildungsbauten im Umfeld der HAK II in Salzburg nur träumen, wie der Direktor einräumt. Und die Weitläufigkeit der Heustadelgasse findet man auch nicht oft in Österreichs Schulen. All diese Aspekte heben zwar die existierenden Probleme nicht auf, relativie-ren sie aber doch erheblich.

Mehr Mut zum Spielraum!Die Lösung für ultimative Zufriedenheit liegt für beide Direktoren auf der Hand: Mehr Mitspracherecht bei Schulbauten, auch um neue Konzepte in der Pädagogik umsetzen zu können. Und im Übrigen müsse man die Gebäude noch nutzen, wenn sich die Erbauer schon lange ande-ren Projekten zugewandt haben. Derselben Meinung ist auch Architektin Elke Delugan, der allerdings die bürokrati-schen Grenzen des Schulbaus nur allzu bekannt sind. „Ich würde gerne neue Erkenntnisse in meine Planungen ein-fließen lassen“, sagt sie. „Das wird jedoch oft von der relativ starren Vorgehensweise beim Schulbau verhindert.“

In der HAK II Salzburg wurde neben ein klassisches 70er-Jahre-Gebäude eine

futuristisch anmutende Spange gebaut – mit Vor- und Nachteilen.

« Die BIG sieht es natürlich als ihre Pflicht, auf etwaige

Planungsmängel hinzuweisen.» Wolfgang Gleissner, BIG-Geschäftsführer)

Foto

: Man

fred

sei

dl

Foto

: Mic

hael

het

zman

nsed

er

Page 48: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at46 BIG BUSINESS

SCHULEN

DISKUSSION

Die erklärt BIG-Geschäftsführer Gleissner genauer: „Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) bestellt eine Schule oder einen Zubau. Es hat be-stimmte Wünsche, die wir erfüllen. Grundsätzlich gibt es als Rahmen ein Raum- und Funktionsprogramm, auf die der Architektenwettbewerb aufsetzt, und eine Jury ent-scheidet sich schließlich für die beste Arbeit. Nach weiterer Abstimmung mit dem BMUKK wird mit dem Bau be-gonnen.“ Die BIG habe aber selbstverständlich die Pfl icht, auf etwaige Mängel hinzuweisen und tut das auch regel-mäßig.

Klare Kritik an dieser Vorgehensweise äußert Autor und Lehrer Niki Glattauer. „Früher waren Schulen als Kasernen gedacht, in denen Kinder aufbewahrt wurden. Ein Quad-ratmeter pro Kind, eineinhalb für den Lehrer und noch ein-mal so viel für einen Holzofen, das war eine Klasse. Nach diesem Muster wird noch heute gebaut. Neubauten sind einfach bessere Kasernen.“ Dem stimmt Elke Delugan nicht ganz zu: „Es gibt schon eine gewisse Flexibilität“, sagt sie. Und in Richtung Unterrichtsministerium: „Die erfordert aber viel Überzeugungsarbeit.“ Noch prägnanter auf den Punkt bringt es Delugans Kollege Peter Riepl und fordert: „Wir brauchen mehr Mut zum Spielraum!“

Punkto Mutlosigkeit fühlt man sich im BMUKK nicht ange-sprochen. Denn man müsse den vorhandenen Spielraum halt auch nutzen. Grundsätzlich betreibe das BMUKK gerade einmal zehn Pro-zent aller Schulen in Österreich. Ge-nerell sei man aber der einzige Schulerhalter ohne gesetzliche oder auf Verordnung basierenden Raum-vorgaben. Anhand eines Norm- Modells werde jenes Gesamtfl ä-chenanbot errechnet, das einen lehrplangemäßen Unterricht si-cherstellt. Die Raumgestaltung, Ab-folge von Räumen und Funktionen selbst obläge „idealtypisch“ den Planern im Dialog mit der Schule. „Allerdings mit der Einschränkung, dass diese Planung auch den Unter-richt ermöglicht“, sagt Helmut Moser, Sektionschef im BMUKK, und betont: „Man könnte bei Bun-desschulen daher auch sechseckige

oder runde Räume bauen. Die scheinen sich aber bisher als nicht sonderlich praktikabel herausgestellt zu haben.“

Die Form obliegt also dem Geschmack von Architekten, Direktoren oder Lehrern. „Zu viele Köche verderben nicht zwangsläufi g den Brei“, meint jener Mann, der in der BIG als Asset Manager für Schulbauten verantwortlich ist. Roland Köll hat einen differenzierteren Blick und spielt den Ball nicht zum Ministerium, sondern vor allem zu den Schulen. „Ich glaube nicht“, sagt er, „dass Lehrer, die Frontal-unterricht gewohnt sind, plötzlich mit einer 280-Quadrat-meter-Klasse umgehen können, wo in einer Ecke die Bas-telgruppe der ersten Klasse Lärm macht. Ich fi nde, man sollte zuerst ein Pilotprojekt in offener Bauweise starten und danach evaluieren. Können die Kinder aus so einer Klasse besser rechnen, besser lesen? An diesen Ergebnissen sollte man zukünftige Planungen ausrichten, bevor man die traditionelle Bauweise einfach so abschafft.“

Grenzen ziehenKöll kennt natürlich auch die Direktoren sehr gut. „Ich hat-te zum Beispiel ein Projekt in Salzburg, das recht typisch für die Wünsche von Schulen ist. Gefordert wurden ein Beachvolleyball-Platz und Spielfl ächen auf dem Dach. Die-se Wunschlisten werden endlos. Da muss man Grenzen zie-hen. Als Auftragnehmer des BMUKK müssen wir in erster Linie dessen Anforderungen entsprechen, auch bei der Fi-nanzierung. Es ist trotzdem so, dass die Direktoren immer in den Planungsprozess eingebunden sind.“

Aufgrund der letztgenannten Tatsache kann er auch die Kritik von Manfred Hofer nicht ganz verstehen. „Die hätte schon lange vor Baubeginn geäußert werden können“, wundert sich Köll. „Die BIG bekennt sich zu guter Architek-tur. Es ist aber so, dass der Funktionsplan Vorrang hat. Un-sere Devise ist ‚Form follows Function‘. Durch unsere Erfah-rung im Schulbau sind wir in der Lage, Architekten wert-volle Hinweise zu geben. Sinnlose Bauteile, die ausschließ-lich der Form dienen, werden im Prozess hinausreklamiert. Am Schluss steht ein Gebäude, das eine Einigung zwischen mehreren Beteiligten darstellt.“ Außerdem merkt Köll an: „Kein Mitarbeiter in einem Unternehmen kann seinen Arbeitsplatz selbst planen. Man kann ihn sich herrichten, aber nur selten selbst entscheiden, ob man ein Einzel- oder Großraumbüro haben will. Man muss mit dem arbeiten, was man bekommt.“

Auch auf das spezielle Toilettenproblem von Manfred Hofer geht Köll noch einmal ein, da es ein bisschen symp-tomatisch sei. „Erstens sind die Vorschriften der Bundes-

SONDERFALL POLGARSTRASSE

Ein Projekt, an dem ein Beteiligungskonzept der Lehrerschaft bewusst erprobt wird, entsteht gerade in der Wiener Polgarstraße im 22. Wiener Gemein-debezirk (siehe Zeitraffer Seite 11). In über 900 Stunden arbeitete ein Team aus Schulvertre-tern der „business academy donaustadt“ ein Wa-bensystem aus, das der modernen pädagogischen Linie von Schulleiter Christian Posad entgegen-kommt. „Die Schule hat sich genau an die Größen-vorgaben gehalten und sehr gut gearbeitet. Die Grundidee konnte übernommen werden.“ Sind die Erkenntnisse aus diesem Bau auch auf andere Schulen umlegbar? „Eher nein“, sagt Regina Stiassny, Asset Managerin Schulen. „Das ist eine HAK und die Konzepte können nicht einfach auf andere Schultypen umgelegt werden. Gelernt haben wir aber natürlich in diesem Prozess!“

« Man sollte erst ein Pilotprojekt evaluieren, bevor man die traditionelle

Bauweise einfach abschafft.» Roland Köll, Asset Manager Schulen

Foto

: BIG

Page 49: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 47BIG BUSINESS

SCHULEN

länder unterschiedlich. Zweitens halten wir uns an die Vorgaben der Architekten und drittens – wenn der Mieter etwas will, dann bekommt er es auch. Wir haben auch eine Schule mit schwarzen Fliesen, was für mich persönlich ebenfalls etwas befremdlich ist. Das war mit allen Beteilig-ten so abgestimmt.“ Insgesamt sieht Köll die Thematik sehr abgeklärt: „Man kann es sowieso nicht allen recht machen.“

Im KompetenzdschungelEin Beispiel dafür, wie kompliziert ein Schulbau sein kann, ist der geplante in der Seestadt Aspern im Norden Wiens. 20.000 Menschen sollen im Endausbau auf diesem aufge-lassenen Flugfeld wohnen, ebenso viele Arbeitsplätze sol-len entstehen. Diese Zahlen verlangen natürlich nach einer Schule. „Und zwar eine, die alles vom Kindergarten bis zur Matura in sich vereint“, sagt Roland Köll. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn Gymnasien sind Bundes-sache, während die Volksschulen dem Land gehören. Und hier beginnt es sich zu spießen. Die Körperschaften haben beispielsweise unterschiedliche Vorschriften, wie Klassen-zimmer auszusehen haben. Auch grundsätzliche Fragen des Betriebes – etwa wer die Reinigung von gemeinsamen Bereichen bezahlt – sind Stolpersteine auf dem Weg zur ge-meinsamen Errichtung einer Schule. Dem Asset Manager schwebt eine salomonische Lösung vor: „Von außen wird

die Schule wohl wie aus einem Guss aussehen. Innen wird aber eine strikte Trennung herrschen. Das ist auch in Anbe-tracht der Altersunterschiede eine gute Idee – wer sagt, dass sich Gymnasiasten und Volksschüler verstehen? Wir arbeiten aber auf einige gemeinsame Bereiche hin, um Synergien ausnutzen zu können.“

Die NachfolgefrageMitreden wollen bei der Gestaltung von Schulen praktisch alle. Men-schen arbeiten allerdings nur auf Zeit in einem bestimmten Gebäu-de. Viele der Betroffenen möchten unbedingt ihre eigenen Vorstellun-gen durchsetzen, was aber den jeweiligen Nachfolgern nicht zwangsläufi g gefallen muss. Die klügste Lösung ist daher der Mittel-weg. BIG-Geschäftsführer Wolf-gang Gleissner pragmatisch: „Die Nutzungsdauer muss länger sein, als einzelne Personen in einem Ge-bäude arbeiten. Es ist aber so, dass sich Nutzererfahrungen wiederho-len, wir daraus lernen und das auch an die Planer weitergeben.“ ‹

Foto

: Fot

olia

DATEN, FAKTEN, ZAHLEN

40 Prozent des Portfolios der Bundesimmobilien-gesellschaft (BIG) besteht aus Schulen. Insgesamt verwaltet die BIG 2,8 Millionen Quadratmeter Schulfl äche. Für Direktoren und andere Nutzer ist sie erster Ansprechpartner für Wünsche und Beschwerden. Derzeit befi nden sich 16 Projekte mit einem Volumen von 192 Millionen Euro in Aus führung. In Planung sind Investitionen von rund 327 Millionen Euro. Besonderen Wert legt Geschäftsführer Wolfgang Gleissner auf die Fest-stellung, dass die BIG Schulen nach dem Bau nicht abgibt, sondern über die Lebensdauer betreut. Bau- und Sanierungsarbeiten werden hauptsächlich über regionale Klein- und Mittelbetriebe abgewickelt.

Beachvolleyball-Plätze stehen auf der Wunschliste der Schulen weit oben. Alles ist aber nicht machbar. Gelegent-lich sind die Forde-rungen seitens der Nutzer leicht über-zogen und müssen daher auf ein realis-tisches Maß redu-ziert werden. Denn irgendwer muss das ja auch zahlen.

Page 50: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Das neue Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in Wien Ottakring setzt globale Maßstäbe – beispiels-

weise wie lange ein Meter auf der ganzen Welt zu sein hat. Dabei bewegen sich die Techniker in Dimensionen,

mit denen Normalsterbliche kaum in Berührung kommen. Den Raum dafür hat die BIG geschaffen.

BEV

Thema

Man nimmt es genau im Bundesamt für eich- und Vermessungswesen (BeV) in Wien, sehr genau: es geht um Billiardstelsekunden, milli-onstelmillimeter sowie milli- und um mikro-

gramm. In so extremen Bereichen des messens und Wä-gens ist jede erschütterung, jede Temperaturschwankung, ja selbst der Schritt eines menschen in den messraum eine Fehlerquelle. Die messgeräte müssen besonders ruhig gestellt sein. Der Bau bedarf daher maximaler Stabilität. Stabilität – eine Grundvoraussetzung also für den Neubau des Labortraktes im BeV.

Die anforderungen an die architekten und Bauleute wa-ren außergewöhnlich. ein Beispiel: ein Labortisch mit einer rund 15 Zentimeter starken Platte aus Granit ruht seiner-seits auf einem bis zu sieben Tonnen schweren Betonblock. Der wiederum ist auf Luftfedern gelagert. Die fangen Schwingungen ab. „Diese Betonblöcke mussten, obwohl sie Teile der einrichtung sind, vorgefertigt bereits mit dem Rohbau eingebracht werden und wurden erst später aus-gegossen“, erläutert andreas Stampfer, Projektleiter in der BIG, den baulichen und logistischen aufwand, die schwie-rige Planung.

Und weil jedes Gebäude eine eigenschwingung ent-wickelt, die mit der höhe zunimmt, wurden besonders sen-sible Labors möglichst weit unten im Gebäude, also eher im Keller, angesiedelt.

Das Gebot der Stabilität

Foto

: Gis

ela

Erla

cher

Die Fassade des Erweiterungsbaus in der Wiener Arltgasse ist jedenfalls ein Blickfang. Gleich daneben ist das Stammhaus.

BIG BusINEss48

Page 51: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 49BIG BusiNess

BeV

Page 52: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at50 BIGBusiNess

Schwingungen und Erschütterungen von außen kom­men, wie im Fall des BEV im 16. Bezirk in Wien, vor allem von der Straße. Und deswegen werden sie schon ganz weit „draußen“ am Bau abgefangen. Zwischen dem massiven Baukörper des Kellers und der Umschließung der Baugrube stecken Streifen aus Sylomer. Sylomer ist ein extrem ver­formungsbeständiger Polyurethan­Schaum. Die massive Bodenplatte des Gebäudes ruht auf einer Kiesschicht, und die wiederum auf einer Unterbetonlage. Auch Boden und Keller sind wärmegedämmt. „Wir haben sozusagen eine Wanne gebaut, und in diese Wanne dann erst das Gebäude“, sagt Andreas Stampfer. „Das nennen wir Schwingungsent­kopplung.“

Logo als VerbindungArchitekt Franz Bernhart erklärt: „In Wien hat man mit dieser Technik der Schwingungsentkopplung Neuland be­treten. Ähnlich konstruierte Gebäude in Bern oder in Ota­niemi in Finnland stehen jedoch in Ortsrandlagen. In Wien Ottakring sind die Rahmenbedingungen also um einiges schwieriger.“ Warum ist nicht das BEV überhaupt an den Stadtrand übersiedelt, wenn schon der Labortrakt so auf­wendig gebaut werden musste? Das gesamte Amt zu ver­

legen wäre noch teurer gekommen, sind sich die Experten einig.

Und so wurden in zwei Jahren Bauzeit um rund zwölf Millionen Euro zunächst der aus dem Jahr 1960 stammen­de Bauteil in der Arltgasse und der 27 Meter hohe und 95 Jahre alte Wasserturm im Hof abgebrochen. An dieser Stelle steht jetzt der neue Labortrakt. Der funktionale Stil des goldfarbenen Neubaus mit großen Fenstern in den Obergeschoßen und mit dem fast schwarzen hochgezoge­nen Sockel kontrastiert auffallend mit dem unmittelbar anschließenden Altbau aus dem Jahr 1916 in beiger Farbe, der Art­déco­Stilelemente erkennen lässt. Nur das Logo des BEV an beiden Gebäudeteilen zeigt, dass sie zusammenge­hören.

Im Altbau mit der Front zur Koppstraße wurde das Tief­parterre mit diversen Messlabors umgebaut. In einem et­was mehr als 50 Meter langen Stollen werden Maßbänder kalibriert. „Ein Gebäude im Gebäude, weil der Stollen auch in sich stabil sein muss“, erläutert Andreas Stampfer. Auch darf kein Lufthauch die Messungen stören, keine Tempera­tur­, keine Feuchtigkeitsschwankung. „Hier haben wir in zwei Monaten zwischen 19,5 und 19,6 Grad, und die Luftfeuchte liegt konstant bei 40 Prozent“, sagt Robert

BeV

THEMA

« Wir haben sozusagen eine Wanne gebaut,

und in diese Wanne dann erst

das Gebäude.»Andreas Stampfer,

BIG-ProjektleiterFo

tos:

Gis

ela

erla

cher

Page 53: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 51BIG BusiNess

gewaltig. Eine Anlage pumpt 4.800 Kubikmeter Luft pro Stunde in zwei Laborräume. Das ist das Hundertfache des natürlichen Luftaustausches in einem Gebäude. Die gro-ßen Luftmengen bewirken eine konstante Temperatur und konstante Feuchte, und Zugluft wird vermieden.

BeV

Wer schon einmal in einem klassischen Wiener Zinshaus war, an dem die Straßenbahn vorbeigefahren ist, hat im Regelfall gespürt, wie die Erde bebt. Im BEV Arltgasse herrscht dagegen absolute Ruhe.

Edelmaier, Leiter des physikalisch-technischen Prüfdiens-tes im BEV, und er setzt hinzu: „So konstant müssen die Be-dingungen auch in den neuen Labors sein.“ Wegen des Dehnungsverhaltens der Referenz- und Prüfkörper sind nur sehr geringe Temperaturschwankungen in den Mess-labors tolerierbar.

Hier kommt die extrem aufwendige Gebäudetechnik zum Zug. Robert Edelmaier führt durch die erstaunlich große und umfangreiche Haustechnikzentrale im Dach-geschoß des Laborneubaues. Ein zentraler Technikschacht zwischen dem alten Gebäudeteil und dem neuen Gebäu-deteil für die Labors versorgt alle Räume mit Luft und Kli-ma, mit Wasser, Strom und Gas, mit Druckluft oder Stick-stoff. „Das kann kompliziert sein, denn unterschiedliche Messvorgänge brauchen in den einzelnen Labors unter-schiedliche klimatische Voraussetzungen“, sagt Edelmaier, „und die wiederum müssen jeweils möglichst stabil ge-halten werden.“

BelüftungDie Räume werden zu 90 Prozent mit Umluft versorgt, es werden jeweils nur zehn Prozent Frischluft zugemischt. Die Luftmengen, die durch die Labors geschleust werden, sind

Page 54: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at52 BIGBusiNess

„Manche Labors werden durch zahlreiche Löcher im Boden von unten be- und nach oben hin entlüftet“, sagt Andreas Stampfer, „oder durch sogenannte Quelllüfter kommt Luft herein. Das heißt, die Luft quillt über große Flä-chen aus Lochblech in den Raum, sie strömt nicht. Man spürt nichts von den immensen Luftmengen, die durch den Raum gepumpt werden.“

Auch die Anordnung der Räume im Gebäude folgt dem Ziel der gleichmäßigen Klimatisierung: Im Zentrum ist der

Technikschacht, links und rechts davon sind die Labors, und außen sind die Gänge. „Ein Zwiebelschalen-Modell“, sagt Robert Edelmaier. „Über den Technikschacht sind die La-bors mit Luft, Wasser oder Strom einfach zu versorgen, und die außen liegenden Gänge wirken wie Temperaturpols-ter.“ Andreas Stampfer ergänzt: „Betonwände und Decken sind aktiviert, das heißt auf 20 Grad vortemperiert.“ Zwi-schen Gang, Kontrollraum und Messraum muss dann nur mehr ein geringer Temperaturunterschied ausgeglichen werden.

Auf die Länge kommt es anEin Laborraum erhält außerdem eine Abschirmung gegen elektromagnetische Strahlung um den Faktor 100 gegen-über der Umgebung, denn auch Messgeräte für Strom wer-den hier geeicht. Das BEV ist ein Amt, wissenschaftliches Zentrum für Metrologie, also für die Wissenschaft vom

«Jedes Land hat sein eigenes Labor, in dem dieses Metermaß mit maximaler

Genauigkeit erzeugt wird.»Michael Matus, Leiter des Labors für Längenmessung

Foto

s: G

isel

a er

lach

er

BeV

ThEMA

Page 55: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 53BIG BUSINESS

Messen, und das BEV bietet eine Reihe von Dienstleistun-gen für die Wirtschaft.

Längenmessgeräte werden im BEV kalibriert. Wenn es Lasergeräte sind, wird der Femtosekunden-Kammgenera-tor eingesetzt. Eine Femtosekunde ist eine Billiardstel Se-kunde. Eine Sekunde ist mit 9.192.631.770 Schwingungen defi niert, die vom Cäsiumatom –133 ausgestrahlt werden. Diese Sekunde wird in den drei „Atomuhren“ des BEV dar-gestellt. Zeit und Raum sind im BEV keine Gegensätze.

GütesiegelAlle Zeitmessgeräte können danach eingestellt, also kalib-riert werden. Strommessgeräte nach Ampere, Volt und Ohm werden eingestellt. Wasserzähler, Gaszähler, Durchfl usszäh-ler für Tankstellen werden geeicht. Geräte zur Prüfung von Flüssigkeiten, Laserpistolen für die Polizei und vieles mehr erhält das Gütesiegel der technischen Verlässlichkeit im BEV.

Allein das Kilogramm ist noch eine physisch vorhandene Größe: Es ist die Kopie Nr. 49 des internationalen Kilo-grammprototyps aus einer Platin-Iridium-Legierung.

Das BEV leitet die internationale Koordination des Me-termaßes. Ein Meter ist jene Strecke, die Licht im leeren Raum in einer Zeit von 1/299.792.458 Sekunde, also in knapp einer 300-Millionstelsekunde, durchläuft. Dieser Defi nition haben sich in der Meterkonvention 87 Länder angeschlossen. Michael Matus, Leiter des Labors für Län-genmessung, erklärt: „Jedes Land hat sein eigenes Labor, in dem dieses Metermaß mit maximaler Genauigkeit erzeugt wird. Wir in Wien vergleichen im Auftrag der Meterkon-vention die Angaben der Länder und sehen, wie nahe jedes Land an diese Defi nition herankommt, und wir machen Rückmeldungen.“ Man könnte sagen: Das Pariser Urmeter hat ausgedient. Jetzt zeigt Wien, wie lange ein Meter tat-sächlich ist. ‹

BEV

ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

Baubeginn Februar 2009Fertigstellung Februar 2011Nettogrundfl äche Laborneubau 2.436 m2

Nettogrundfl äche Sanierung (Bestand) 1.793 m2

Nutzfl äche Laborneubau 1.325 m2

Nutzfl äche Sanierung (Bestand) 1.338 m2

Investitionen 12,1 Mio. Euro

Page 56: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at54 BIGBusiNess

Aus Angst vor Kriegen hat die Republik schutzräume geschaffen. 275 dieser Relikte des Kalten Krieges werden derzeit von der BiG verwaltet und unterschiedlich genutzt. Der größte für 1.062 Personen befindet sich im Regierungsgebäude in der Radetzkystraße – und steht für den akuten ernstfall eher nur bedingt bereit.

schutzRäume

Thema

„Schutzbedürftig“

Foto

: isto

ck

Page 57: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 55BIG BusiNess

Angeblich halten die das aus. Selbst wenn je-mand 100 Kilogramm wiegt. Ich kann das nicht glauben.“ Walter Lorenz, Objektmanager der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), richtet

einen zweifelnden Blick auf das Bettgestell. Statt Matrat- ze und Lattenrost ist die massive Eisenkonstruktion mit einem grünen Synthetikstoff umspannt – Marke Bau-markt, allerdings für den Garten-Sichtschutz. Gleich sechs Schlafplätze auf drei Ebenen bietet die Vorrichtung, die na-turgemäß weder Luxus noch Intimsphäre bieten kann; je-der, der sich hier zur Ruhe betten möchte, hat nicht einmal Platz, um sich nachts sorgenfrei umdrehen zu können. Denn eine Pritsche misst nur 40 Zentimeter in der Breite bei fast zwei Metern Länge. Die einzige vorgebliche Privat-sphäre sollen cremefarbene Vorhänge um die Bettenlager bieten. Benutzt hat sie jedoch noch niemand, denn der Schutzraum im Regierungsgebäude in der Radetzkystra-ße 2 musste bisher noch nicht in Betrieb genommen wer-den. Mit Platz für 1.062 Personen ist er der wohl größte sei-ner Art in Österreich und einer von insgesamt 275, die von der BIG betreut werden. Die meisten davon sind Kinder des Kalten Krieges.

Reale BedrohungUrvater der öffentlichen Schutzräume ist der damalige Bautenminister Vinzenz Kotzina. Er schreibt am 24. Juli 1967 in einem Vortrag an seine Ressortkollegen: „Ich werde daher in meinem Geschäftsbereich bei jedem Neubau zu-mindest Grundschutzräume vorsehen und über Wunsch des beteiligten Ressortministers Schutzräume mit höhe-rem Schutzumfang anordnen.“ So richtig wollte, trotz „rea-ler“ Bedrohung aus dem Osten, das Thema aber scheinbar nicht in Schwung kommen. Jahre später kritisiert Bauten-minister Karl Sekanina fehlende Klarheit der Zuständigkei-ten: „Wenngleich alle wesentlichen Planungs- und Bau-maßnahmen in diesem Zusammenhang getroffen werden, sind die meisten so errichteten Schutzräume derzeit noch nicht funktionsfähig, weil ihre Grundausstattung durch das Bundesministerium für Bauten und Technik und die Restausstattung der Schutzräume durch die verwaltenden Ressorts ebenso wie ihre Wartung bis dato nicht geregelt sind.“ Allerdings bleibt in diesem Ministerratsvortrag vom

17. März 1981 ein Hintertürchen offen, um doch noch eine Nutzung zu sichern: „Ferner soll in Zukunft den Möglich-keiten der Doppelverwendung von Schutzräumen beson-dere Aufmerksamkeit geschenkt werden.“ Wir schreiben das Jahr 1986. Am 26. April explodiert der Kernreaktor in Tschernobyl, halb Europa wird durch den nuklearen Super-Gau verstrahlt. Damit wird die atomare Angst, die der Kalte Krieg all die Jahre davor schon verbreitet hat, noch weiter verstärkt. Im Jahr 1986 wird auch das große Regierungsge-bäude in der Landstraßer Radetzkystraße eröffnet, wo sich heute Verkehrs- und Gesundheitsministerium befinden. Und ebendort sollten im Fall des Falles die Minister und Beamten Schutz finden, weshalb im dritten von vier Unter-geschoßen der Groß-Bunker eingerichtet wird. Nach der Reaktorkatastrophe in der Ukraine ist allerdings das Schutz-bedürfnis konstant gesunken. Somit ist auch der „Keller“ im Bundesamtsgebäude Radetzkystraße in einen Dornrös-chenschlaf gefallen. Genau 25 Jahre später, im Jahr 2011, ruft das Drama in Japan die teilweise vergessenen Schutzräume in Erinnerung.

„Eigentlich ist das ja eine Ebene der Tiefgarage. Wenn es einmal nötig wird, kann man den Schutzraum sofort anders nutzen. 26 Pkw hätten hier Platz“, berichtet Lorenz. 26 Autos oder 1.062 Menschen also – ein Vergleich, der erst die unvor-stellbare Enge beschreibt, die bei Vollbesetzung entstehen würde. „Eintritt verboten. Lebensgefahr“, prangt pikan-terweise oberhalb der massiven Eisentür, durch die es in den Bunker geht. Der (nicht leuchtende) Schriftzug bezieht sich allerdings auf die Garage, falls es etwa einmal brennen sollte.

Es riecht modrig dort unten. Die Luft steht, wie in Kellern alter Häuser. „Wir haben hier ein Umluftsystem ohne Luft von außen. Mittels Sandfilter wird die Luft immer gerei-nigt“, erzählt der BIG-Objektmanager. Allerdings wäre, wenn draußen alles zusammengebrochen ist, die Luft ir-gendwann zu dünn. „Nach drei Wochen ist der Diesel für das Notstromaggregat aus. Was dann passieren würde, weiß keiner.“ Es ist einer von vielen Punkten, die den riesi-gen Bunker hinterfragenswert machen. „Man hat sich zwar überlegt, wie man all die Leute hier unterbringt und ent-sprechend versorgt, aber wie man sie dann hier beschäftigt, hat sich keiner überlegt“, merkt Lorenz an. Gegen den sicher

Räumeschutz

Wie viele Schutzräume in Österreich existieren, weiß niemand so genau. In den Gebäuden der BIG sind es fast 300. Die wenigsten davon sind allerdings für den Ernstfall bereit.

Foto

: mic

hael

het

zman

nsed

er

«Ich werde daher in meinem Geschäftsbereich bei jedem Neubau zumindest Grundschutzräume vorsehen und über Wunsch des beteiligten Ressortministers Schutzräume mit höherem Schutzumfang anordnen.» Vinzenz Kotzina, ehemaliger Bautenminister

Page 58: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at56 BIGBusiNess

schutzräume

Thema

scheinenden Lagerkoller gebe es we-der Spiele noch handy oder Internet.

„hier herunten hat man keinen emp-fang. Der einzige Draht nach außen ist

eine Telefonverbindung.“ In einem eck steht tatsächlich ein Telefon, mit Wählschei-

ben aus den 70er-Jahren. Funktionieren tut es nicht. „Wir haben das abgedreht, weil sonst Leute herun-

terkommen und gratis raustelefonieren.“

Volle InfrastrukturDie Basisversorgung wäre aber – zumindest theoretisch – gegeben: eine Zisterne für 20.000 Liter und eine Küche wurden eingeplant. allerdings ist beides derzeit nicht für den ernstfall vorbereitet. aus Kostengründen ist weder die Zisterne befüllt noch die Küche mit Lebensmitteln oder Tel-lern bestückt. „anfangs wurden die Vorräte immer wieder vernichtet und neue gekauft. Das hat man dann aufgege-ben“, erzählt Lorenz. Und aus der Küche seien auch immer wieder Besteck und Geschirr entwendet worden, weshalb man auch das rausgeräumt habe. So konnten die den mie-tern verrechneten Kosten für den Schutzraum auf ein mini-mum gesenkt werden; pro Jahr sind es in der Radetzkystraße rund 12.000 euro – vorwiegend für Wartungsarbeiten. Und geheizt werden kann der Raum mangels heizung auch nicht: „Jeder mensch strahlt pro Stunde etwa 40 Watt ab. also bräuchte hier herunten niemand Wärme“, gibt Lorenz

zu bedenken. Nachsatz: „Klimaanlage gibt’s selbstver-ständlich aber auch nicht.“

Funktionstüchtig sind hingegen die Toiletten, denn die sind derzeit an die hauswasserleitung angeschlossen. WCs mit fließendem Wasser gibt es seltsamerweise im großen Bunkerraum für die Beamten, nicht aber im separaten Teil für die minister. Diese beiden Räume, die sich hinter extra dicken Tresortüren befinden, bieten nur Toiletten-Vorrich-tungen mit auffangsackerl. „Wahrscheinlich deshalb, weil es bei 1.000 Leuten sonst zu viel stinken würde“, mutmaßt Lorenz über die Beamten-Privilegien im Bunker. Spiegel – auch nicht für die Damen – gibt es da wie dort nicht, damit sich niemand freiwillig oder unfreiwillig verletzt. ansons-ten hätte es die ministerriege etwas bequemer in ihrem Separee: orange Scheibtischsessel im 70er-Jahre-Chic, Schreib tischkojen im Design-mix aus heurigenbank und

Foto

s: m

icha

el h

etzm

anns

eder

Kuscheln ist gefragt. Auf den Notschlafstellen käme man

einander zwangsweise näher. Infrastruktur wie Elektrizität und

Wasser existiert. Und auch bei Stromausfall fände man den Weg.

Page 59: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 57BIG BUSINESS

Volksschulgarderobe, extra mit Schaumstoff im Rücken ge-stärkt. Und wer von hier nach draußen will, kann durch ein Loch in der Mauer entfl iehen. „Dieser Notausgang geht auf die Vordere Zollamtstraße raus“, sagt Lorenz. Leuchtstrei-fen, die im Finsteren grell-grün strahlen, weisen den Weg hinaus; und auch andere wichtige Leitungen sind derart markiert. Ein Hauch von Disco-Feeling im fi nsteren Bunker kommt auf. „Sie werden es nicht glauben, aber vor Jahren gab es eine Anfrage, ob man hier ein Clubbing veranstalten könne“, erzählt Lorenz. Das Begehren wurde ebenso ab-gelehnt wie der Wunsch, eine ORF-Sendung hier aus-zurichten. „Für die Scheinwerfer wäre der Raum zu niedrig gewesen.“

ZweckentfremdetOb der Schutzraum im Krisenfall wirklich zur rettenden Ein-richtung werden kann, ist fraglich. Vor allem sei ungeklärt, wer die Organisation übernimmt: „Wer stellt sich hin und bewacht den Eingang? Was passiert, wenn der Raum bereits voll ist und noch jemand hinein will?“, skizziert Fritz Seda von der BIG offene Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Nicht nur aus diesem Grund werden in neue Gebäude keine Schutzräume mehr eingebaut. Denn mit dem Kauf des Im-mobilienportfolios der Republik durch die BIG sind die Kar-ten neu gemischt. Schutzräume müssen seit mittlerweile rund zehn Jahren bei Neubauten oder Erweiterungen expli-zit bestellt und damit auch bezahlt werden. Die Nachfrage tendiert aktuell gegen null.

Allerdings hat die BIG mit den existierenden 275 sowieso genug zu tun. Einige davon werden indes schon anderweitig genutzt – teilweise in einer Form, die man eher nicht erwar-ten würde. Bestes Beispiel ist der Schutzraum im Institutsge-bäude der Karl-Franzens-Universität in der Grazer Schubert-straße: Dort nutzen Psychologen den Bunker als Schreiraum, wo sich Patienten im Zuge einer Therapie so richtig die Seele aus dem Leib brüllen können. Schließlich ist der Schutzraum ob seiner (Schall-)Isolierungen besonders gut dafür geeig-net. Der Bunker im Amtsgebäude am Josef-Holaubek-Platz 1 in Wien-Alsergrund wiederum wird von der dort ansässigen Polizei zum Einsatztraining genutzt; Betten und Sanitäranla-

gen sind dort im Originalzustand erhalten, da-mit könnte der Raum auch theoretisch weiter als Schutzraum genutzt werden. Zu einem rich-tigen „Krisenzentrum“ ausgebaut haben Mit-arbeiter des Oberlandesgerichts Linz in der Gruberstraße den vorhandenen Schutzraum: Sollte es also etwa zu einem Anschlag oder einer Naturkatastrophe kommen, würde der mit EDV-Arbeitsplätzen ausgestattete Raum zum Refugium der Entscheidungsträger, um im Notfall Zugriff auf wichtige Dateien zu haben. Andere Lösungen gibt es in Form von Bibliotheken („Zahngebäude“ der Universität Graz), Tischtennis- und Tischfußball (Villa-cher St. Martin-Gymnasium) oder Garderoben (Gymnasium Polgarstraße in Wien 22). Für die Zukunft schwebt der BIG ein Modell vor, bei dem auch all die anderen Schutzräume sukzessive anderweitig genutzt werden können, ohne dass neue Kosten entstehen. „Umbauten und Umwidmung sollen aber nur auf schriftlichen Wunsch des Bundesmieters und natürlich unter Zustimmung der Baubehörden erfol-gen“, so BIG-Manager Fritz Seda.

Übrigens ist generell zweifelhaft, ob die Regierungsspitze im Ernstfall tatsächlich in die hauseigenen Bunker fl üchten würde – immerhin gibt es in St. Johann im Pongau ja auch den sagenumwobenen „Regierungsbunker“, der vom öster-reichischen Bundesheer betrieben wird. Der ein Kilometer lange Stollen gilt als Österreichs Lebensnerv im Katastro-phenfall und wird daher rund um die Uhr voll in Betrieb ge-halten – allein 250 Beschäftige arbeiten für die „Einsatzzen-trale Basisraum“, wie es offi ziell heißt. Im Ernstfall wären laut Bundesheer die Spitzen des Staates da, denn eine eige-ne Etage im Bunker ist für das staatliche Krisenmanage-ment reserviert, inklusive voll ausgestatteter Sitzungszim-mer und Büros. Auch verfügt das Bundeskanzleramt über ein eigenes Rechenzentrum im Berg. Laut Insidern ist der Pongauer Bunker gegen Angriffe von außen besser ge-schützt als die Al Kaida in ihren Höhlen. Insgesamt könnten rund 500 Personen völlig autark im Berg existieren – aller-dings nicht nur drei Wochen wie in der Radetzkystraße, sondern gleich bis zu drei Monate. ‹

RÄUMESCHUTZ

FACTS

Rund zwei Millionen Schutzraumplätze gibt es in Österreich, die meisten davon in Privathäusern. In Bundesbauten stehen rund 160.000 Plätze zur Verfügung, aller-dings ist ein Großteil der Räumlichkeiten nicht für den Ernstfall gerüstet. Laut Ex-perten stehen nur für rund vier Prozent der Bevölkerung einsatzfähige Schutzräu-me bereit. Auch von den 275 Schutzräu-men der BIG werden nur 64 regelmäßig gewartet, und in knapp der Hälfte der Räume befi ndet sich überhaupt eine Ein-richtung. Drei der Schutzräume wurden von der BIG bereits verkauft.

Gemäß Önormen müssen die Schutz-räume nach dem Typus „Grundschutz“ ge-gen das Eindringen chemischer und bio-logischer Schadstoffe gerüstet sein und bei nuklearer Rückstandsstrahlung einen Schutzfaktor kleiner als 1/250 (= 0,004) er-reichen. Außerdem müssen sie erdbeben-sicher sein, Einstürzen, Bränden sowie Explosionen standhalten können.

Foto

: BIG

Das Amtsgebäude in der Radetzkystraße im 3. Wiener Bezirk hat den größten funktionierenden Schutzraum im Untergeschoß.

Page 60: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at58 BIGBusiNess

Auf dem Trafelberg im verschlafensten Teil Niederösterreichs werden ereignisse von

globaler Bedeutung erforscht.

MuggeNdorf

Thema

Diese fein gesponnenen Tentakel lauschen rund um die Uhr in die Erde.

400 Meter bohrt sich der Stollen durch den Berg. Im

Vordergrund die Abdeckung einer Tiefbohrung, die

150 Meter tief reicht und Messgeräte aufnehmen wird.

Insgesamt wurden 30.000 Kubikmeter Gestein

ausgehoben.

Lauschangriff aus Muggendorf

Page 61: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 59BIG BusiNess

MuggeNdorf

Eigentlich erwartet man hier nichts mehr. Außer vielleicht einen schnellen Blick auf einen Fuchs und einen Hasen, die sich Gute Nacht sagen. Eine Forststraße voller Schlaglöcher führt durch

den Paßtaler Wald, Felswand auf der einen, Abgrund auf der anderen Seite. Doch kommt man in rund 1.000 Metern Seehöhe an, tun sich ganz neue Perspektiven auf. Auf einer Fläche von rund einem Hektar Größe liegen in dieser sehr ruhigen Ecke merkwürdige Gebilde auf dem Boden und strecken Tentakel in alle Richtungen. Dicke Rohre ver­binden kleine Kieshaufen. Eine surreale Marslandschaft? Mitnichten. Willkommen im Conrad­Observatorium der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Geodynamik ist die Lehre von den Erdbewegungen. Weil der Trafelberg so weit abseits liegt, durch besonders eisen­armes Gestein fast kein Magnetfeld aufweist und sich nicht einmal Touristen hierher verirren, ist er die ideale Ba­sis für eine Forschungsdisziplin, die allerhöchste Präzision

erfordert. Keine leichte Aufgabe für die Bundesimmobilien­gesellschaft (BIG), die auch im momentan laufenden zwei­ten Bauabschnitt Stollen und ein Gebäude errichtet.

Das Observatorium liegt, trotz sichtbarer Außenbauten, im Berginneren. Im ersten Bauabschnitt wurden Büros im Fels errichtet, im laufenden zweiten kommt zu neuen Stollen auch ein Holzgebäude dazu.

Space Weather, GPS und launische MagnetfelderDer Herr über den Trafelberg ist Roman Leonhardt, Leiter des Conrad­Observatoriums. „Im zweiten Teil, der gerade gebaut wird, führen wir ausschließlich magnetische For­schung durch. Dabei geht es einerseits um das Erdmagnet­feld als auch die Wechselwirkung mit der Sonne. Der Fach­begriff dafür ist Space Weather.“

Und was hat das mit uns zu tun? „Sehr viel“, so Leonhardt weiter. „Beispielsweise mit der Navigation auf der Erde. Neben GPS muss immer ein zweites System verfügbar sein,

foto

s: Bi

g

Page 62: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at60 BIGBusiNess

denn ein Satellit kann ausfallen. Das Erdmagnetfeld ist da verlässlicher, bewegt sich aber auch ständig – um mehr als 20 Grad zwischen dem magnetischen und dem geografi-schen Nordpol seit Beginn der Aufzeichnung. Hier liefern wir die Daten zur Nachjustierung von Navigationsinstru-menten. Außerdem wird das Magnetfeld immer schwä-cher. Insgesamt um zehn Prozent seit Beginn der Beobach-tungen vor 170 Jahren. Das ist eine ganze Menge für etwas, das seit drei Milliarden Jahren existiert. Wir forschen, was da gerade passiert, denn solche Schwankungen können auch auf der Erde große Auswirkungen haben. Das Mag-netfeld wirkt nämlich wie ein Schutzschild für die Erde. Wird es schwächer, erreicht uns mehr Sonnenwind. Das gibt einerseits schöne Polarlichter, kann aber auch zum Ausfall von technischen Geräten führen.“

Ein metallfreier BergUm diese Messungen möglich zu machen, muss das Obser-vatorium strengen Vorschriften entsprechen. Zum Beispiel was störende Magnetfelder betrifft – und damit praktisch jedes Metallteil in der Umgebung. Die Bauhütte, einige Meter unterhalb der eigentlichen Baustelle, zeigt, worauf die Wissenschaftler der ZAMG viel Wert legen: Sie ist aus Holz. „Und natürlich hatten wir Mäuse drin“, lacht BIG-Pro-jektleiter Gerald Kaufmann. „Im Ernst: Die Forscher sind sehr heikel, was Magnetismus betrifft.“

Wegen dieser Besonderheit durfte auch in der Konstruk-tion kein Metall verwendet werden, was die traditionelle Bauweise mit Stahlbetonmantel über den Haufen warf. Kaufmann musste daher tief in die Trickkiste greifen, um den Anforderungen der ZAMG gerecht werden zu können. Ersatz aus Kunststoff wurde gefunden, leichter, aber ge-

nauso tragfähig. Außenkonstruktionen werden aus Holz errichtet. Trotz aller Planung und Expertise bleibt so ein Tunnel immer ein wenig unberechenbar. „Bei so einem Projekt freut man sich, wenn man das Licht auf der ande-ren Seite sieht und es ist nichts passiert“, sagt Kaufmann. „Über dem Stollen sind immerhin 50 Meter massives Ge-stein, und während der Bauarbeiten sind wir immer wie-der auf Höhlen gestoßen, die in der geologischen Untersu-chung nicht gefunden wurden. Außerdem ist im Berg viel Wasser, das wir erst unter Kontrolle bringen mussten.“

Für Gerald Kaufmann eine ganz neue Erfahrung: „Jede verlorene Schraube wurde buchstäblich mit Metalldetek-toren gesucht.“

Diese Voraussetzung für die Magnetfeldforschung hat übrigens auch Nebenwirkungen, die nicht einkalkuliert waren. „So richtig sauer ist zum Beispiel die örtliche Jäger-schaft“, erzählt Kaufmann. „Nicht nur, dass rund um die empfindliche Station Jagdverbot herrscht, weil das Metall und der Lärm von Flinten die Geräte durcheinander-bringen. Das Wild ist so schlau, sich in diese ruhige Zone zurückzuziehen. Das ärgert die umliegenden Pachten.“

Katastrophen unter dem Paßtaler WaldDeutlich mehr Konsequenzen als ein Geweihmangel an so manches Waidmanns Wand hat die Arbeit, die in den Ka-vernen verrichtet wird. Die werden nicht nur genutzt, um nach Erdbewegungen zu lauschen oder Magnetfelder zu messen. Das Conrad-Observatorium ist Teil eines interna-tionalen Verbundes ähnlicher Einrichtungen und die Wiener UN-Vorfeldorganisation CTBTO (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization/Vertragsorganisati-on über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen) be-

THEMA

Außerirdische Perspektiven im tiefen niederösterreichischen Wald: Diese Messtürme versorgen sich selbst mit Strom.

MuggeNdorffo

tos:

Big

Page 63: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 61BIG BusiNess

treibt dort ein Testgelände. Sie lauschen nach Infraschall-Wellen (also solche weit unter dem menschlichen Hörbe-reich), die sich durch den Erdmantel ausbreiten. Hervorge-rufen werden sie durch tektonische Verschiebungen oder eben große Explosionen wie Atomtests. Die CTBTO ist mit rund 320 ähnlichen Messstationen in aller Welt vernetzt, die verschiedene Aufgaben im Bereich der Überwachung von Atom-Sperrverträgen erfüllen. In dieser einsamen Gegend mit Blick auf die Rückseite des Schneeberges ist es also möglich, einen nordkoreanischen Atombombentest zu hören – oder auch das Erdbeben in Japan, das im März 2011 zur Katastrophe von Fukushima geführt hatte.

Messungen von geodynamischen Ereignissen, die am anderen Ende der Welt stattfinden, werden mit Seismo-grafen durchgeführt. Die schlagen zwar auch aus, wenn je-mand auch nur denselben Raum betritt, können aber unter ruhigen Bedingungen weltweite tektonische Bewegungen erfassen. Für solche Zwecke verwenden die Wissenschaft-ler Detektoren, die dank Tiefbohrungen noch 150 Meter tiefer im Berg liegen als die Forschungsstation selbst.

Die Messdaten dieses hochempfindlichen globalen Lauschnetzwerkes haben neben den militärischen auch zivile Anwendungsmöglichkeiten: So werden seismische Daten selbstverständlich an Tsunami-Warnstationen wei-tergereicht. Insgesamt gibt es weltweit rund 60 Messsta-tionen, die mittels dieser Methode nicht nur ein Ereignis erfassen, sondern auch seine genaue Ursache herausfinden können.

Tiefbau-Probleme in luftiger HöheDie nur in liberalster Auslegung so zu nennende „Straße“ auf den Trafelberg stellt auch Laien vor die Frage: Wie soll da jemals eine Baumaschine hinkommen? „Wir arbeiten mit erfahrenen Tunnelbauern zusammen“, sagt Gerald Kaufmann dazu. „Diese Firma war zum Beispiel in Chile und hat 2010 mitgeholfen, die gefangenen Bergleute zu befreien.“

Trotzdem: Es ist eine Herausforderung für Mensch und Maschine, die Tonnen an benötigtem Material hinauf- und rund 30.000 Kubikmeter Aushub hinunterzubringen. Als wäre das nicht genug Herausforderung, kommen auch Querschüsse von unerwarteter Seite. So bestand der Brand-schutz-Beauftragte von Muggendorf etwa auf einen Lösch-teich mit 50.000 Litern. Doch die nächste Feuerwehr ist etwa zehn Kilometer ent-fernt im Tal. „Bevor die hier sind und den Teich anzapfen, brennt schon der ganze Berg“, ist Kaufmann sicher. „Außerdem, was soll hier brennen? Es ist eine Höhle.“ Die Wissenschaftler, die hier bald einzie-hen, werden eine perfekte Arbeitsumge-bung vorfinden, an der nichts mehr an die kleinen Ärgernisse der insgesamt erfolgreichen Bauphase erinnern wird. Der Baulärm der Bagger wird abgelöst sein durch die grollenden Geräusche von fernen Erdbewegun-gen. Und vielleicht einem Hasen, der dem Fuchs leise „Gute Nacht“ sagt. ‹

« Jede verlorene Schraube wurde buchstäblich mit Metalldetektoren

gesucht.» Gerald Kaufmann, BIG-Projektleiter

Letzte Arbeiten am zweiten Bauabschnitt, bevor die Wissenschaftler mit ihren Geräten einziehen.

MuggeNdorf

Hinter dieser Fassade verbergen sich die Büros im Berg.

Page 64: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at62 BIGBusiNess

AtomiNstitut

Thema

Es ist ruhig in der halle, die von dem hohen Re-aktorgefäß in der mitte beherrscht wird. Über eine metalltreppe kann man an den Rand des Reaktors hinaufsteigen und hineinschauen in

das ruhige, bläulich-helle Wasser, in dem die Brennstäbe gekühlt werden. Um den Reaktor herum sind arbeits- und Labortische gruppiert, an denen Wissenschaftler vor Computerbildschirmen arbeiten. Das Gemurmel leiser Ge-spräche ist zu hören, ab und zu unterbrochen von einem deut lichen Schnalzen, gefolgt von einem sekundenlangen Zischen. „Was Sie da hören, sind experimente mit Neu tronen“, erläutert Universitätsprofessor hannes-Jörg Schmied mayer, Leiter des atominstitutes der Technischen

Universität Wien (aTI), und deutet auf lange, weiße Schläu-che, die vom oberen Rand des Reaktorgefäßes hinunter-reichen zu den Labortischen. Durch die Schläuche werden Proben vom Labor in den Reaktor geschossen und nach der Bestrahlung wieder in das Labor zurückgeholt, ohne dass der Wissenschaftler seinen arbeitsplatz verlassen muss.

„Unser Reaktor wird in erster Linie als Neutronenquelle benützt“, fährt der Physikprofessor fort, „die Leistung mit 250 Kilowatt thermisch ist nicht höher als die eines mittle-ren PKWs.“ Der Reaktorkern besteht aus 80 Brennelemen-ten. Die maximale Temperatur liegt bei 200 Grad. Im Not-fall wird der Reaktor automatisch oder von hand aus in einer Zehntelsekunde abgeschaltet. Wegen der geringen

Bis vor Kurzem schossen im Wiener Prater die Atomteilchen von der Öffentlichkeit unbemerkt, aber selbstverständlich kontrolliert hin und her. Durch das erdbeben in Japan waren die Forscher des Atominstituts plötzlich medial gefragte experten.

Foto

: tu

Wie

nEin Quantum Erkenntnis

Page 65: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at 63BIG BusiNess

AtomiNstitut

Leistung des Reaktors, der 1962 erstmals kritisch wurde, können noch 50 Brennelemente von der ersten Ladung ver-wendet werden. Ausgebrannte Brennelemente werden an die USA zurückgestellt. Hersteller des Forschungsreaktors vom Typ TRIGA Mark II ist General Atomic. Weltweit sind 50 Reaktoren dieses Typs in Betrieb, davon zehn in Europa.

Der Prater-Reaktor, wie er auch wegen seines Standortes am Rand des Wiener Praters heißt, dient der Forschung und der Ausbildung in Atom- und Reaktorphysik, Strahlenphy-sik und Strahlenschutz, Umweltanalytik und Radiochemie, Messtechnik und Festkörperphysik. „Wir haben während der Reaktorkatastrophe in Japan ganz bewusst unsere jungen Wissenschaftler den Medien als Experten zur Ver-fügung gestellt, um unsere Kompetenz unter Beweis zu stellen“, betont der Dekan der Fakultät für Physik an der TU Wien, Gerald Badurek.

Stabiles LandAm Prater-Reaktor werden auch Experten der Internatio-nalen Atomenergie Organisation (IAEO) ausgebildet, deren Aufgabe es ist, rund um die Welt Atomprogramme der einzelnen Länder zu überprüfen, ob nicht unerlaubt an Atomwaffen gebastelt wird, ob also der Atomwaffensperr-vertrag eingehalten wird. „Unser Reaktor ist daher wichtig für Wien als Standort der IAEO und der UNO“, sind sich Dekan Badurek und ATI-Leiter Schmiedmayer einig. „Die Ausbildung auf einem so heiklen Gebiet in einem westli-chen und politisch stabilen Land, keine zehn Minuten mit

dem Taxi von der UNO-City entfernt, ist ein wesentlicher Standortvorteil“, meint Schmiedmayer.

Er gehört zu jenen Professoren, die in den letzten Jahren neu an das Atominstitut berufen wurden, und die neue Schwerpunkte gesetzt haben, vor allem auf dem Gebiet der Quantenphysik. „Die internationale Bedeutung des Atom-institutes steht und fällt mit den richtigen Berufungen“, betont Dekan Badurek, selbst Forscher auf dem Gebiet der Quantenphysik. Er sieht die besten Chancen für das Atom-institut in der Tradition eines Helmut Rauch, ein Koryphäe der modernen Quantenphysik in Österreich. Zu dessen Schülern zählt auch Anton Zeilinger. Zeilinger ist zum ersten Mal eine Form der Quan -ten- Teleportation gelungen. Auch Helmut Rauch war Leiter des ATI, Schmiedmayer ist einer seiner Nachfolger: Ausgebildet in Wien, nach Zwischenstationen in Har-vard und am Massachusetts Insti-tute for Technology (MIT), war er zuletzt Physikprofessor an der Uni-versität Heidelberg und hatte eine Gastprofessur in Beijing.

Jüngster Streich von Schmied-mayer und seinem Forscherteam: Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt ist es gelungen, Atompaare zu erzeugen. Jedes fliegt in eine an-dere Richtung, sie gelten jedoch als quantenphysikalische

Foto

: BiG

« Die internationale Bedeutung des Atominstitutes steht und fällt mit den richtigen Berufungen.»Gerald Badurek, TU Wien

Quasi im Wiener Prater, umgeben von Kleingärten, werden auch die Atomphysiker von morgen ausgebildet.

Foto

: tu

Wie

n

Page 66: BIG BUSINESS 1/11

Nr. 9 | 2011 | www.big.at64 BIGBusiNess

­Kopien­voneinander.­Das­eine­Atom­kann­nicht­beschrie-ben­werden,­ohne­auch­das­andere­zu­beschreiben.­Ähnli-che­Experimente­sind­bisher­nur­mit­Lichtteilchen­gelun-gen,­ jetzt­ also­ auch­ mit­ Materie.­ Diese­ Atom-Zwillinge­könnten­ zu­ Quanten-Messverfahren­ führen,­ deren­ Präzi-sion­ jene­ der­ klassischen­ Physik­ weit­ übertrifft,­ meint­Schmied­mayer.­

Aus Minus wird PlusFernziel­der­Forschung­am­ATI­ist­die­technische­Nutzung­der­Quantenwelt.­Die­aber­zeichnet­sich­vor­allem­dadurch­aus,­dass­sie­mit­dem­Hausverstand­kaum­zu­begreifen­ist.­Schmiedmayer:­ „Was­ wir­ jetzt­ und­ hier­ machen,­ sind­ Ex-perimente,­die­man­vor­50­Jahren­erst­als­Gedankenexperi-

mente­ bloß­ angedacht­ hat.­ Jetzt­­können­wir­sie­im­Labor­ausfüh-ren.­ Zum­ Beispiel,­ dass­ sich­ ein­Neutron,­ also­ Materie,­ zugleich­an­zwei­Punkten­aufhalten­kann.­Dass­ Materie­ genauso­ wie­ Licht­Interferenzen­ aufweisen­ kann.­Oder­ zum­ Beispiel­ ein­ Neutron,­also­ein­Teilchen,­das­einen­Dreh-impuls­hat:­Wenn­man­es­einmal­

um­360­Grad­dreht,­bekommt­es­ein­Minuszeichen,­es­verän-dert­sich.­Man­muss­es­zweimal­um­360­Grad­drehen,­damit­es­ wieder­ identisch­ wird.­ Das­ ist­ eine­ ganz­ fundamentale­Quanten­eigenschaft­von­Materie,­die­hier­das­erste­Mal­ge-zeigt­wurde.“­

Dekan­Gerald­Badurek­zeigt­gern­einen­kurzen­Film,­der­am­ Atominstitut­ gedreht­ wurde,­ und­ in­ dem­ versucht­wird,­ die­ Quantenphysik­ verständlich­ zu­ machen.­ Eine­Darstellung­ betrifft­ das­ sogenannte­ Doppelspalt-Experi-ment,­ in­ dem­ Teilchen­ ihr­ Verhalten­ ändern,­ je­ nachdem,­ob­ sie­ gemessen­ werden­ oder­ nicht.­ Irgendwann­ stellte­

sich­einer­der­Physiker­die­Frage:­„Treten­Gegenstände­oder­Phänomene­in­den­Zustand­der­Existenz­erst­ein,­wenn­sie­beobachtet­und­gemessen­werden?­Sind­sie­sonst­gar­nicht­vorhanden?“­Das­geht­natürlich­sehr­stark­in­den­philoso-phischen­Bereich­–­sozusagen­ein­Quantum­Erkenntnisthe-orie­am­Atom­institut.­­

Im­ Bereich­ der­ angewandten­ Quantenphysik­ arbeitet­Professor­Arno­Rauschenbeutel­an­ultradünnen­Glasfasern,­­die­hochempfindliche­Sensoren­und­Werkzeuge­darstellen,­mit­denen­Atome­und­Moleküle­im­Nanobereich­nachge-wiesen­und­manipuliert­werden­können.­

Grundlagenforschung in neuen BürosIm­Hintergrund­geistert­immer­wieder­der­Quantencompu-ter­durch­die­Diskussion,­der­den­binären­Computer­unserer­Tage­alt­aussehen­ließe.­Da­ist­Schmiedmayer­vorsichtig:­Es­könnte­in­den­nächsten­Jahren­schon­Experimente­geben,­meint­er,­die­an­die­Grenze­der­Leistungsfähigkeit­heutiger­Rechner­stößt.­Aber­für­einen­Quantencomputer­fehlt­ein-fach­die­Technologie,­wie­wir­sie­in­der­Halbleitertechnolo-gie­bei­unseren­Computern­haben.­„Wenn­ich­wüsste,­wie­man­ Quantencomputer­ baut,­ würde­ ich­ nicht­ hier­ sitzen,­sondern­etwas­Geld­an­der­Börse­holen,­und­ich­würde­es­­sicher­ kriegen.­ Aber­ wir­ betreiben­ hier­ Grundlagenfor-schung,­die­extrem­spannend­ist.­Man­darf­sich­nicht­dazu­versteigen,­Dinge­jetzt­zu­fordern,­die­50­Jahre­oder­mehr­in­der­Zukunft­liegen“,­bremst­er­die­Erwartungen.­

Für­die­neuen­Forschungsschwerpunkte­braucht­es­neue­Labors.­Und­so­hat­die­Bundesimmobiliengesellschaft­(BIG)­im­Atominstitut­am­Prater­in­Wien­ein­großes­Umbaupro-gramm­gestartet.­Insgesamt­15­Labors­wurden­neu­gebaut,­davon­ zehn­ für­ quantenoptische­ und­ neutronenphysi-kalische­ Experimente­ der­ drei­ in­ den­ letzten­ Jahren­­neu­ ­berufenen­ Professoren­ Jörg­ Schmiedmayer,­ Arno­­Rauschenbeutel­und­Hartmut­Abele.­Fünf­neue­Labors­sind­den­traditionellen­Arbeitsbereichen­Radiochemie,­Röntge-nologie­und­Tieftemperatur­zugeordnet.­

Zugleich­wird­eine­neue­Kälteanlage­installiert,­die­Elek-troinstallationen­erneuert­und­die­Heizung­von­Öl­auf­Gas­umgestellt.­ „Man­ darf­ nicht­ vergessen,­ dass­ der­ Bau­ aus­den­Fünfzigerjahren­stammt“,­sagt­Johannes­Sterba,­ausge-bildeter­Strahlenphysiker,­jetzt­aber­für­den­Umbau­verant-wortlich.­Nächstes­Jahr­werden­50­Jahre­Atominstitut­ge-feiert.­Und­da­wird­der­Prater-Reaktor­in­neuem­Glanz­er-strahlen.­­ ‹

AtomiNstitut

THEMAFo

to: t

u W

ien

Das Element Wasser ist zur Kühlung der Brennstäbe essenziell.

«Wenn ich wüsste, wie man Quantencomputer baut, würde ich nicht hier sitzen …»Hannes-Jörg Schmiedmayer, TU Wien

Page 67: BIG BUSINESS 1/11

65BIG Businessnr. 9 | 2011 | www.big.at

Galerie

am 24. und 25. Mai fand wieder die real Vienna im Messezentrum statt. Die BiG war natürlich mit dabei!

Der weithin sichtbare orange stand zog auch am städtetag vom 25. bis 27. Mai in st. Pölten jede Menge interessierte an.

Real Vienna 2011

Städtetag 2011

Rafael Reinisch, BIG

Facility Services, informiert

Interessenten genauestens über

die Angebote.

In stimmungsvollem Rahmen lässt es sich trefflich über künftige Geschäfte reden.

Auch die Politik fand sich am Stand ein:

Geschäftsführer Wolfgang Gleissner mit LH Erwin Pröll und EU-Kommissar Johannes

Hahn. Rechts: Gerhard Baumgartner, Objektmanagement-Team NÖ Süd &

Burgenland.

BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner im entspannten Gespräch mit Geschäftspartnern.

Die Hofburg gehört zwar nicht der BIG,

Hausherr Bundespräsident

Heinz Fischer ließ sich aber ein Kickerl mit Geschäftsführer Wolfgang Gleissner

nicht entgehen!

Starker Andrang, denn die Services der BIG werden für Städte immer attraktiver!

Am Stand der BIG herrschte reges Treiben. Besonders interessant für die Besucher: das Modell Campus WU in Wien …

… das von den Pro-jektmanagern Maxi-milian Pammer und Christoph Sommer (WU) auch ausführ-lich präsentiert wur-de. Mehr zur neuen Uni lesen Sie auf den Seiten 2 und 3!

Die BIG informierte Vertreter der österreichischen Städte in entspannter Atmosphäre über ihre Leistungen.

Foto

s: Bi

GFo

tos:

BiG

Page 68: BIG BUSINESS 1/11

BIG Bu

siness

Nr. 9 • Juni 2011 • w

ww

.big.at


Recommended