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BID.op.ed Energiepolitik 1/2014 - Thema: Energieeffizienz

Date post: 06-Apr-2016
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Finden Sie hier das Debattenmagazin BID.op.ed zur Energiepolitik zum Thema Energieeffizienz. Weitere Informationen sowie Download unter: www.bid.ag
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BID.OP.ED DAS DEBATTENFORUM DES //////////// BERLINER INFORMATIONSDIENSTES Energieeffizienz ENERGIEPOLITIK AUSGABE 2014 DEBATTENBEITRÄGE ENERGIEEFFIZIENZ
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Page 1: BID.op.ed Energiepolitik 1/2014 - Thema: Energieeffizienz

BID.OP.EDDAS DEBATTENFORUM DES //////////// BERLINER INFORMATIONSDIENSTES

Energieeffizienz

ENERGIEPOLITIK AUSGABE 2014 DEBATTENBEITRÄGE ENERGIEEFFIZIENZ

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DAS DEBATTENFORUM „BID.OP.ED“

Zeitungslesern ist das „op ed“ als der Freiraum („opposite the editorial page“) für Meinungsartikel bekannt, die nicht aus der Feder der Redaktion stammen. Mit dem BID.op.ed wollen auch wir unse-ren Lesern die Gelegenheit geben, Ihren Standpunkt im Debattenforum des Ber-liner Informationsdienstes zur Diskussion zu stellen. Halbjährlich wechselnd wer-den wir zentrale politische Fragestellun-gen aufgreifen und Positionen aus Politik, Verbänden und Wirtschaft zusammen-führen. Zentrales Anliegen des moderier-ten Debattenforums ist der Austausch von Ideen zwischen Menschen, die den politischen Prozess mitgestalten und die Diskussion mit ihrer Sachkenntnis beglei-ten wollen. Um mit den Beiträgen eine interessierte Öffentlichkeit zu erreichen, werden die veröffentlichten Debatten-beiträge halbjährlich zu einem Reader aufbereitet und den politischen Entschei-dern in Bundestag und Verwaltung sowie weiteren politischen Organisationen und einem interessierten Fachpublikum zu-gesandt. Auf diese Weise kann sich die Fach-Community kompakt über den ak-tuellen Stand der Diskussion sowie die politischen Ziele und Standpunkte der Akteure informieren.

ENERGIEEFFIZIENZ

„Die Erhöhung der Energieeffizienz ist eine Schlüsselfrage für eine umwelt-schonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung in Deutschland.“ Zu diesem Fazit kommt die Bundesregie-rung in ihrem Energiekonzept vom 28. September 2010. Im Koalitionsvertrag benennt die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen, um die festgelegten Effizi-enzziele – bei Primärenergie 20 Prozent bis 2020 und 50 Prozent bis 2050 – zu er-reichen. Zudem verpflichtet die EU-Ener-gieeffizienzrichtlinie zur Reduzierung des EU-Primärenergieverbrauchs. Sollten die europäischen Ziele durch die Aufstellung Nationaler Energieeffizienz-Aktionspläne nicht erreicht werden, hat die Kommissi-on die Möglichkeit ein weiteres Legislativ- verfahren zur Festlegung verbindlicher nationaler Zielen festzulegen.

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Liebe Leser,mit unserem Debattenforum BID.op.ed laden wir alle am politischen Entscheidungs-prozess Beteiligten ein, ihre Position zu erläutern – bevor Themen wie die Energie-effizienz auf der öffentlichen Agenda stehen. Ergänzt um Hintergrundinformationen zum rechtlichen Rahmen, veröffentlichte Studien und weitere Details bildet dieser Reader eine umfangreiche Informationsbasis, wenn die politische Diskussion ein breiteres Publikum erreicht.

Die Diskussionen, die das BID.op.ed aufgreift, sind selbstverständlich nur ein kleiner Ausschnitt des täglichen politischen Diskurses. Den komplexen politischen Entschei-dungsprozess haben wir mit dem Politikmonitoring des Berliner Informationsdiens-tes, das in Kooperation mit dem Verlag Der Tagesspiegel erscheint, im Blick. Mit unserem Informationsservice reduzieren wir die tägliche Informationsflut auf das Elementare: den politischen Prozess. Damit bieten wir ein intelligentes Monitoring für Politikberatungen, Unternehmen, Verbände, NGOs sowie politische Entschei-dungsträger in den Themenfeldern Energie-, Gesundheits- und Netzpolitik.

Unsere Leser erhalten neben aktuellen Hintergrundinformationen einen Über-blick über relevante Entscheidungen von Bundestag, Bundesrat und Regierung. Gleichzeitig halten wir sie über die Positionen der politischen Akteure und direkten Stakeholder im jeweiligen Politikfeld auf dem Laufenden. Wöchentlich liefern wir detaillierte Informationen über parlamentarische Initiativen, den Stand aktueller Gesetzgebungsprozesse und einen Ausblick auf alle Politikfeld-relevanten Termine.

Nachdem das Thema „Energieeffizienz“ lange ignoriert wurde, drängt nun die Zeit für Entscheidungen, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz werden die nächsten Schritte festgelegt, die Positionen mit denen die relevanten Stakeholder in die politische Debatte gehen, finden sie im BID.op.ed.

Zur Diskussion eingeladen haben wir Akteure, die den politischen Prozess mit ih-rer Sachkenntnis begleiten und mitgestalten. Nun möchten wir Sie einladen, sich mit dem „BID.op.ed“-Reader einen Überblick über den Stand der Diskussion zu ver-schaffen und die nächste Debatte mit eigenen Beiträgen zu bereichern.

Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre!

Dr. Sandra Busch-Janser Chefin vom Dienst

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Inhalt

6 Energiepolitik zur Energieeffizienz Moritz Hunger, Redakteur Energiepolitik

9 Energieeffizienz als elementarer Bestandteil der Energiewende Thomas Bareiß MdB, Koordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-

Bundestagsfraktion

10 Drei unausgesprochene Bedingungen für eine erfolgreiche Effizienz-Politik

Nina Scheer MdB, Sprecherin für Energieeffizienz der SPD-Bundestagsfraktion

12 Chancen der Energieeffizienzpolitik nicht verspielen Dr. Julia Verlinden MdB, energiepolitische Sprecherin der

Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

14 Ökologische Modernisierung auch für kleine Geldbeutel Eva Bulling-Schröter MdB, Energie- und Klimapolitische Sprecherin der

Bundestagsfraktion Die Linke

16 Nur noch wenige Wochen für Aktionsplan Energieeffizienz Alexandra Langenheld, Projektleiterin bei Agora Energiewende

18 Deutschland braucht endlich eine umfassende Energieeffizienzstrategie

Tobias Vincenz Krug, deutsche Klima- und Energiepolitik beim World Wide Fund For Nature-Deutschland

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20 Energieeffizienz: Energiesicherheit braucht mehr als einen leeren Konsens!

Christian Noll, Mitgründer und geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF)

21 Die Energieeffizienz muss ins Rampenlicht! Dr.Carola Kantz, Geschäftsführerin des Forums Energie im Verband

Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA)

23 Die Energiewende wird im Gebäude entschieden Karl-Heinz Stawiarski, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe

(BWP)

25 Energieeffiziente Gebäude als gemeinsames Ziel von Industrie und Politik

Günther Mertz, Geschäftsführer der TGA-Repräsentanz Berlin GbR

27 Die Energieeffizienz: vom Stiefkind zum Musterschüler der Energiewende!?

Markus Rosenthal,Geschäftsführer von nuances public affairs Isabel Hoffmann, Advisor bei nuances public affairs

29 Energieberatung: Listenzwang statt attraktives Konzept Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig, Leiter „Hessische Energiespar-Aktion“

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Moritz Hunger, Redakteur Energiepolitik

Ausgangspunkt: Die Energieeffizienz-ziele der Bundesregierung

„Die Erhöhung der Energieeffizienz ist eine Schlüsselfrage für eine umwelt-schonende, zuverlässige und bezahlba-re Energieversorgung in Deutschland.“ Zu diesem Fazit kommt die Bundesre-gierung in ihrem Energiekonzept „Eck-punkte Energieeffizienz“ vom 28. Sep-tember 2010.

Die Bundesregierung hat sich damals zum Ziel gesetzt, bis 2020 den Primä-renergieverbrauch gegenüber 2008 um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent zu verringern. Der Stromverbrauch soll bis 2020 gegenüber 2008 in einer Grö-ßenordnung von 10 Prozent und bis 2050 von 25 Prozent vermindert wer-den. Bis 2050 soll der Gebäudebestand in Deutschland nahezu klimaneutral sein. Der Wärmbedarf soll bis 2020 um 20 Prozent reduziert werden. Um diese Ziele zu erreichen, muss die Energie-produktivität jährlich um durchschnitt-lich 2,1 Prozent bezogen auf den Ende-nergieverbrauch steigen.

Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wurde im Herbst 2013 ein „sektorübergreifender“ Ansatz fest-geschrieben, der Gebäude, Industrie, Gewerbe und Haushalte umfasst und dabei Strom, Wärme und Kälte glei-

chermaßen in den Blick nimmt. Ausge-hend von einer „technisch-wirtschaft-lichen Potenzialanalyse“ sollen Märkte für Energieeffizienz entwickelt und da-bei alle Akteure eingebunden werden.

Finanziert werden soll dieser Ansatz zum einen durch eine Umschichtung im Bundeshaushalt und zum anderen sol-len Mittel aus dem Energie- und Klima-fonds (EKF) herangezogen werden – für anspruchsvolle Effizienzmaßnahmen in der Wirtschaft, durch Handwerk und Mittelstand, Kommunen und Haushalte.

In einem „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ will die Koalition die Ziele für die verschiedenen Bereiche, die Instrumente, die Finanzierung und die Verantwortung der einzelnen Ak-teure zusammenfassen. Der Plan soll in einem jährlichen Monitoring von ei-ner unabhängigen Expertenkommissi-on überprüft werden. Der Aktionsplan wird voraussichtlich am 3. Dezember im Bundeskabinett beschlossen.

Konkrete Maßnahmen aus dem Koaliti-onsvertrag:

• Das KfW-Programm zur energeti-schen Gebäudesanierung soll auf-gestockt, verstetigt und deutlich vereinfacht werden.

• Die Programme sollen so gestaltet sein, dass durch Beratung Fehlin-vestitionen verhindert werden.

EINFÜHRUNG

Energiepolitik zur Energieeffizienz

Moritz Hunger ist Redakteur beim Berliner Informationsdienst im Bereich Energiepolitik. Nach einem internationalen Studium und ersten Berufserfahrungen bei der Deutschen Botschaft in Washington D.C., der EU-Delegation in Namibia, der Agentur Brunswick und in der Pressestelle des Think Tanks Population Europe schreibt er seit 2013 für die Redaktion.

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• Die EU-Energieeffizienz-Richtlinie wird sachgerecht umgesetzt.

• Zur Förderung sinnvoller und kos-teneffizienter Maßnahmen soll der Schwerpunkt auf eine fachlich fundierte und unabhängige Ener-gieberatung gelegt und gefördert werden, die insbesondere über die Effizienz von Heizungsanlagen und möglichen Maßnahmen zur Effizi-enzverbesserung gezielt informiert.

• Die kostenlose Energieberatung für Haushalte mit niedrigen Ein-kommen soll ausgebaut werden. Investitionen in energiesparende Haushaltgeräte werden erleichtert.

• Auf europäischer Ebene will sich die Koalition mit Nachdruck für dynamische und anspruchsvolle-re Standards für energierelevante Produkte im Rahmen der Öko- Design-Richtlinie (Verankerung des Top-Runner-Prinzips) einsetzen.

• Die Kennzeichnung von Produkten (z. B. Haushaltsgeräten) entspre-chend ihrer Energieeffizienz soll für die Kunden aussagekräftig ge-staltet werden.

• Das Erneuerbare-Energien-Wärme-gesetz wird auf der Grundlage des Erfahrungsberichtes und in Um-setzung von europäischem Recht fortentwickelt sowie mit den Be-stimmungen der Energieeinspar-verordnung (EnEV) abgeglichen.

EU-Energieeffizienzrichtlinie

Ergänzend zu den nationalen Effizienz-zielen verpflichtet seit Dezember 2012 auch die europäische Energieeffizienz-richtlinie (2012/27/EU) die Mitglieds-

länder der Europäischen Union zum Energiesparen. Die EU hat sich mit der Richtlinie eine Reduzierung des EU-Pri-märenergieverbrauchs um 20 Prozent bis 2020 zum Ziel gesetzt. Inhaltlich wurden weitere sektorübergreifende Regelungen zur Steigerung der Ener-gieeffizienz auf europäischer Ebene beschlossen, die Deadline für die Um-setzung in nationales Recht war der 5. Juni 2014. Am 31. Juli 2014 wurde vom BMWi ein Diskussionsentwurf veröf-fentlicht, mit dem die Forderungen, die in der EED enthalten sind, in nationa-les Recht umgesetzt werden sollen. Es wurden unter anderem die Anforde-rungen von Artikel 8 der EED (Energie-audits) aufgenommen sowie weitere Bestimmungen und Fristen angepasst und aktualisiert.

Nun steht die Bewertung der ein-gereichten Maßnahmen durch die EU-Kommission an, die bereits zum 30. Juni 2014 dem Europäischen Parlament und dem Rat hätten vorgelegt werden sollen. Neben Deutschland haben aller-dings 20 weitere Staaten die EED nicht umgesetzt, so dass am 22. Juli ein Ver-tragsverletzungsverfahren gegen diese Mitgliedsländer eingeleitet wurde.

Eine der zentralen Maßnahmen der EU-Richtlinie ist die Verpflichtung im Zeitraum von 2014 bis 2020 jährlich 1,5 Prozent der an Endkunden abgesetzten Energie einzusparen. Die Richtlinie lässt es zu, dass laufende und konkret ge-plante künftige politische Maßnahmen des Bundes und der Länder auf diese Verpflichtung angerechnet werden kön-nen, wenn sie zu nachweisbaren Ende-nergieeinsparungen führen. Um auch die wichtigsten potenziell anrechenba-ren Einsparmaßnahmen in den Ländern zu quantifizieren, wird in Zusammenar-beit mit den Ländern ein sogenanntes

Einspar-Monitoring durchgeführt.

Bis Ende des Jahres soll außerdem eine Sicherstellung ausgearbeitet werden, dass Energie-Abrechnungsinformatio-nen auf Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs basieren (Artikel 10 EED) und dass Potenzial für den Einsatz der hocheffizienten KWK und der effizien-ten Fernwärme- und Fernkälteversor-gung (Artikel 14 EED) bewertet werden.

Stand der Effizienzmaßnahmen

Im dritten Nationalen Energieeffizi-enz-Aktionsplan (3. NEEAP) vom 30. Ap-ril 2014 heißt es, Deutschland verfügte bereits vor Verabschiedung der EED über ein umfassendes Instrumentari-um zur Erhöhung der Energieeffizienz und gehört zu den wenigen Industrie-ländern, die bereits heute eine sichtba-re Entkopplung des Energieverbrauchs vom Wirtschaftswachstum erreicht ha-ben. Diese positive Entwicklung soll in Zukunft noch verstärkt werden. Denn die Erhöhung der Energieeffizienz und die damit einhergehende Energieein-sparung sei eine tragende Säule der Energiewende in Deutschland, heißt es weiter.

Der NEEAP muss gemäß EED das indi-kative nationale Energieeffizienzziel für 2020 enthalten. In einem Schreiben im Oktober 2010 hat die Bundesregie-rung für Deutschland eine jährliche Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Energieproduktivität von 2,1 Prozent errechnet. Dies wird im 3. NEEAP be-stätigt. Unter der Annahme einer jähr-lichen Steigerung des BIP von 1,1 Pro-zent ergibt sich hieraus demnach eine Verminderung des energetischen An-teils des Primärenergieverbrauchs von 314,3 Mio. Tonnen Rohöläquivalent (Mtoe) im Jahr 2008 auf 276,6 Mtoe im

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Jahr 2020. Für den Primärenergiever-brauch strebt die Bundesregierung an, bis 2020 eine Energieeinsparung um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent ge-genüber 2008 zu erreichen.

Allerdings fordern die Autoren des zweiten Monitoring-Berichts der Bun-desregierung „Energie der Zukunft“ vom April 2014 für das Berichtsjahr 2012, dass die Senkung des Energiever-brauchs durch mehr Energieeffizienz als zentraler Bestandteil der Energiewen-de mehr Gewicht erhalten soll. Um die von der Bundesregierung angestrebten CO2-Ziele zu erreichen, müsste kon-ventionelle Energie über alle Bereiche hinweg zu 67 Prozent durch Energie-effizienz und zu 33 Prozent durch Er-neuerbare Energie ersetzt werden. Der Energiebedarf für Wärme könnte dabei nach Meinung der Experten den größten Einzelbetrag leisten, allerdings gebe es hier bisher wenig Bewegung. Beispielsweise basieren von etwa einer halben Million Heizungserneuerungen jährlich über 90 Prozent hauptsächlich auf fossilen Brennstoffen, wodurch die Wärmebereitstellung der entsprechen-den Gebäude bis zum Jahr 2030 und gegebenenfalls darüber hinaus weitge-hend festgelegt wird.

Da es nach Ansicht der Experten gleich ist, ob konventionell erzeugter Strom durch Energieeffizienz eingespart oder durch Erneuerbare Energien erzeugt wird, empfiehlt die Stellungnahme in „Übereinstimmung mit internationalen Standards“ den ener getischen Beitrag der erneuerbaren Energien voll der Pri-märenergie zuzurechnen.

Bei Effizienzmaßnahmen sollte der Ge-bäudebereich prioritär angegangen werden, deshalb wird eine baldige Ent-scheidung über die zielkonforme Ausge-staltung von finanziellen Fördermaßnah-men für die Gebäudesanierung ebenso angemahnt wie eine weitere Verschär-fung der Energieeinsparverordnung (EnEV) – sowohl für Neubauten als auch für den Gebäudebestand. Dagegen hatte sich in der schwarz-gelben Bundesregie-rung insbesondere die FDP gestellt.

Einsparpotentiale

Die Studie Politikszenarien VI des Um-weltbundesamtes zeigt, dass der Ende-nergieverbrauch in Deutschland unter den gegenwärtigen Rahmenbedingun-gen von 9.180 Petajoule in 2008 um neun Prozent auf 8.343 Petajoule in 2030 sinken könnte. Mit zusätzlichen Anstrengungen könnte der Endener-gieverbrauch sogar um 22 Prozent auf 7.188 Petajoule sinken.

Der weltweite Energieverbrauch könn-te laut einer Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) durch verbesserte Energieeffizienz von Gebäuden, Verkehr und industriellen Verfahren bis 2050 um 17 bis 33 Prozent verringert werden.

Gebäude

Von den insgesamt 39 Mio. Wohnungen in Deutschland sind circa 80 Prozent vor 1984 errichtet, bis heute weitgehend unsaniert und noch mit einer alten Anlagetechnik ausgestattet. Deshalb könnten energetische Gebäudesanie-rungen zum Teil bis zu 80 Prozent des

Energiebedarfs einsparen. Nach Exper-tenmeinung könnten Gebäudedaten, Förderprogramme, ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen und Beratungs-angebote dieses Potential aktivieren.

Verkehr

Einsparpotentiale beim Verkehr kön-nen zum einen durch die richtige Ver-kehrsmittelwahl, aber auch durch neue Technologien und eine optimierte Inf-rastruktur gewonnen werden. Fahrzeu-ge mit geringem Kraftstoffverbrauch, der Umstieg auf energieeffiziente Ver-kehrsmittel oder verstärkter Ausbau von Elektromobilität und öffentlichem Nahverkehr sind Faktoren, die zu hier berücksichtigen wären.

Industrie

Effizienzsteigerung im Bereich Industrie basiert auf der Anpassung von industri-ellen Prozessen und deren Optimierung, vor allem durch neue Technologien. Bei Dampfkraftwerken kann beispielsweise anfallende Wärme als Abwärme durch Kraft-Wärme-Kopplungstechnologie weiterverwendet werden. Verbesserte Kessel und Brenner können bei höhe-ren Temperaturen arbeiten und gleich-zeitig weniger Brennstoff verbrauchen. Dadurch sind sie auch bei Schadstoffe-missionen effizienter.

(Stand Oktober 2014)

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POLITIK

Energieeffizienz als elementarer Bestandteil der Energiewende

Die Energiewende ist ein umfassender Wandel unseres Energiesystems, das uns mit Strom oder Wärme versorgt. Ziel dieses Projektes ist es, mehr Un-abhängigkeit von fossilen Energieträ-gern durch Innovation und Optimie-rung des Bestehenden zu erreichen. Damit ist Deutschland als Industriena-tion weltweit Vorreiter.

Im Fokus der öffentlichen Debat-te steht seit Jahren der Strommarkt – und im Zusammenhang damit die Themen Förderung und Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesonde-re Windkraft und Solarenergie. Das Thema Energieeffizienz hat oft nur eine geringe Bedeutung, sowohl in der öffentlichen als auch politischen Wahrnehmung. Trotzdem haben wir in Deutschland bereits viel erreicht auf dem Feld der Energieeffizienz. Wir nehmen hier weltweit eine Vor-reiterposition ein: Die deutsche Ener-gieproduktivität ist seit 1990 um rund 40 Prozent gestiegen. Während das Bruttoinlandsprodukt seit 1990 um 30 Prozent gewachsen ist, ist der Pri-märenergieverbrauch in Deutschland um 6,8 Prozent und der Endenergie-verbrauch um 5 Prozent gesunken. Dies ist sonst in kaum einem anderen Industrieland der Fall. Das wurde ins-besondere durch den Neu- und Um-bau von Kraftwerken sowie durch das Erschließen von Einsparpotenzialen in Wirtschaftsbereichen und privaten Haushalten erreicht.

Der Erfolg zeigt, dass es richtig ist, Ener-gieeffizienz anzureizen und nicht durch Ordnungsrecht zu erzwingen. Anreize ermöglichen, dass Potentiale sinnvoll und klug ausgeschöpft werden. Ord-nungsrecht hingegen schafft oft Atten-tismus und Fehlanreize, die am Ende genau das Gegenteil bewirken.

Deshalb wollen wir mit Anreizen die Energieeffizienz weiter vorantreiben. Gerade im Gebäudebereich schlum-mert ein enormes Potential, denn 40 Prozent der gesamten Endenergie wird in Gebäuden verbraucht. Wir haben wichtige Schritte gemacht, um den positiven Trend auch im Gebäu-debereich weiter fortzusetzen. So ha-ben wir das CO2-Gebäudesanierungs-programm ausgeweitet und mit dem Mietrechtsänderungsgesetz energeti-sche Sanierungen von Mietgebäuden erleichtert. Darüber hinaus fördern wir mit dem Erneuerbare-Energi-en-Wärmegesetz (EEWärmeG) den Einsatz von erneuerbaren Wärme-technologien. Bedauerlicherweise wurde die steuerliche Förderung von energetische Gebäudesanierungen von den Bundesländern im Bundesrat abgelehnt. Es wäre richtig, dieses Inst-rument noch einmal aufzugreifen.

Während der laufenden Legislaturpe-riode werden wir all diese Maßnah-men im Nationalen Aktionsplan Ener-gieeffizienz bündeln und bei Bedarf Instrumente weiterentwickeln. Dabei

Thomas Bareiß MdB, Koordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

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Thomas Bareiß MdB ist seit 2010 Koordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 2005 sitzt er für den Landkreis Sigmaringen im Bundestag.

sollen die Ziele, die Instrumente, die Finanzierung und die Verantwortung der einzelnen Akteure zusammenge-fasst werden.

Weiterhin benötigen wir mehr Trans-parenz über Fördermaßnahmen und Regelungen im Bereich der Energie-effizienz. Daher ist die Zusammenfüh-rung der Energieeinsparverordnung (EnEV) und des EEWärmeG zu einem Instrument dringend erforderlich. Denn der Verbraucher muss wissen, wie er sein Energieeffizienzpotential heben kann und wie er dabei geför-dert wird.

Energieeffizienz ist nicht nur ein deutsches Thema; weltweit stei-gen die Umweltbelastungen und Energiepreise. Das macht deutsche Energieeffizienz-Technologien zum Exportschlager. Mit verlässlichen Rahmenbedingungen in Deutschland können entsprechende Technologien entwickelt werden. Das schafft erheb-liche Marktchancen für deutsche Un-ternehmen in der Welt und hilft auch, unsere ehrgeizigen Ziele zu erreichen.

(veröffentlicht am 19. Mai 2014)

POLITIK

Drei unausgesprochene Bedingungen für eine erfolgreiche Effizienz-Politik

An sich müsste ein Beitrag zur Energie-effizienz auf die hohen Potentiale der Energieeffizienz hinweisen, die geringen Kosten, mit denen diese erschlossen werden können, und die enormen Vor-teile für Wirtschaft und Gesellschaft be-tonen, die eine verstärkte Nutzung der Energieeffizienz mit sich bringen wird. Dabei kann eine Fülle an Studien zitiert werden, die teilweise Jahrzehnte zurück-liegen, etwa Untersuchungen des Wup-pertal Instituts aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, oder aktuell Studi-en z.B. von der European Climate Foun-dation (ECF) und Agora Energiewende. Ein schaler Beigeschmack entsteht aber mit Blick auf die dann einzugestehende und zunehmende Diskrepanz zwischen dem Bekenntnis zur Energieeffizienz ei-

nerseits und ausbleibenden bzw. unzu-reichenden Effizienzmaßnahmen ande-rerseits.

Diese Umsetzungs-Diskrepanz erklärt sich teilweise daraus, dass einige zentra-le Bedingungen für eine erfolgreiche Ef-fizienz-Politik unausgesprochen bleiben und nicht in den Mittelpunkt der Debat-te vordringen. Dies dürfte auch daran liegen, dass gewisse Maßnahmen unpo-pulär oder politisch unbequem sind.

Im Kern handelt es sich dabei um folgen-de Bedingungen und Grundsatzfragen:

• Neue, zusätzliche Finanzierungs-quellen müssen für Effizienz-Inves-titionen erschlossen werden

Nina Scheer MdB, Sprecherin für Energieeffizienz der SPD-Fraktion

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Auch wenn die Steigerung der Energieef-fizienz in der Gesamtbetrachtung positive volkswirtschaftliche Effekte hat, gilt es zu-sätzliche Finanzierungsquellen zu erschlie-ßen und zusätzliche Anreize zu schaffen, damit die (in der Regel) zusätzlichen, ka-pitalintensiven Investitionen zur Erschlie-ßung von Effizienz-Potentialen getätigt werden. Zwar werden durch die Verbes-serung der Energieeffizienz Kosten für die Energiebeschaffung und -bereitstellung eingespart. Doch die wirtschaftlichen Vor-teile einer höheren Energieeffizienz kom-men z.T. erst über eine längere Laufzeit zum Tragen.

• Auch mit einer ambitionierten Effi-zienz-Politik sind steigende Energie-preise nicht auszuschließen

Mit einer Verbesserung der Energieeffizi-enz können zwar stärkere Kostensteigerun-gen bei den Endkunden gedämpft werden. Damit Maßnahmen einer Effizienz-Politik auch in der Endwirkung den angestrebten Erfolg aufweisen, wird man aber sowohl direkte als auch indirekte Rebound-Effekte verhindern müssen. Ökonomisch herge-leitet bedeutet dies, dass die jeweiligen Energiepreise um den Prozentsatz steigen müssen, um den sich die Energieeffizienz erhöht. Dies setzt kurz- und mittelfristi-gen Preissenkungen enge Grenzen – auch wenn insgesamt die letztendgültige Kos-tenbelastung beim Endkunden nicht grö-ßer sein muss. In Zeiten, in den neben einer Effizienz-Politik auch eine Technologiepoli-tik bei Erneuerbaren Energien (EE) erfolgt, bei der Erneuerbare Energien noch teurer als konventionelle Erzeugungstechnologi-en sind, ergänzen sich Effizienz- und EE-Po-litik somit. Sobald Erneuerbare Energien aber kostengünstiger als konventionelle Erzeugungsarten werden, wird dies eine Auseinandersetzung über die neue Rolle und Bedeutung von „Schadstoff-Steuern“ erfordern. Möglicherweise wird hieraus

aber auch ein neuer Blick auf die Bedeu-tung von Energieeffizienz im Kontext der Energiewende entstehen.

• Der Staat wird eine aktive, gestalten-de Rolle bei der Effizienzpolitik ein-nehmen müssen

Aus den beiden oben genannten Punkten ergibt sich ganz klar, dass bei einer erfolgrei-chen Effizienz-Politik der Staat die Rahmen-bedingungen aktiv (um-)gestalten muss. Rein auf mögliche freiwillige Vereinbarun-gen bzw. Versprechen der Wirtschaft oder nur auf die Aufklärung der Wirtschaftsak-teure und Bürger zu setzen, wird weder die notwendigen Effizienzsteigerungen erbrin-gen noch Refinanzierungsprobleme lösen.

Es bedarf verlässlicher Mechanismen zur Refinanzierung von Effizienz-Investitio-nen. Die Debatte sollte dabei auf folgende Grundsatzfragen eingehen:

• Bedient man sich des Ordnungsrechts oder monetärer Anreize?

• Schafft man monetäre Anreize über eine Regulierung der Menge oder des Preises?

• Erfolgen die monetären Anreize aus öffentlichen Haushalten oder haus-haltsunabhängig?

Eine erfolgreiche Effizienz-Politik verlangt, auch unpopuläre Bedingungen unter Einbeziehung aller betroffenen Entschei-dungsträger in den Mittelpunkt der Debat-te zu stellen um dann die daraus folgenden Konsequenzen zu ziehen. Sollte dies nicht gelingen, wird auch in dieser Legislaturpe-riode die Energieeffizienz weiterhin „die vergessene Säule der Energiepolitik“ blei-ben.

(veröffentlicht am 02. Juni 2014)

Dr. Nina Scheer MdB ist ordentliches Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie Ansprechpartnerin für Erneuerbare Energien und Umweltwirtschaft der SPD-Bundestagsfraktion.

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POLITIK

Chancen der Energieeffizienzpolitik nicht verspielen

Zwei Drittel der energiebedingten CO2-Emissionsreduktionen müssen durch Effizienzmaßnahmen bei Strom, Wärme und Kraftstoffen eingespart werden, während die Erneuerbaren Energien das letzte Drittel erbringen. So war es in der Stellungnahme der Exper-tenkommission der Bundesregierung zum Energiewende-Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ vom April 2014 zu lesen. Deshalb kann nur die Ver-bindung von Energieeinsparung, Ener-gieeffizienz und Erneuerbaren Energi-en die zentralen Herausforderungen bewältigen, die sich in den Bereichen Klimawandel, Ressourcenschonung, Energiesicherheit und Wettbewerbsfä-higkeit stellen.

Diese Erkenntnisse sind eigentlich nicht neu. Es ist höchste Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Die Europäische Union hat sich bereits 2008 das Ziel gesetzt, ihren Pri-märenergieverbrauch im Vergleich zum Trend für das Jahr 2020 um 20 Prozent zu verringern. Mit der EU-Energieeffizienz-richtlinie von 2012 bekräftigte die EU die-ses Ziel und stellte gleichzeitig fest, dass weitere Anstrengungen nötig sind. Bis zum 5. Juni 2014 hatten die Mitgliedstaa-ten Zeit, diese europäische Richtlinie für die Verbesserung der Energieeffizienz in nationales Recht umzusetzen. Während die EU den Zieleinlauf für das Energie-sparwettrennen bereits geschlossen hat, ist Deutschland noch nicht einmal losge-laufen: Die Bundesregierung hat bis heu-te kein entsprechendes Gesetz vorgelegt.

Für Deutschland ergibt sich aus der EU-Vorgabe ein Reduktionsziel für den Endenergieverbrauch von rund 570 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Die-se Menge entspricht in etwa der Hälf-te des jährlichen Wärmeverbrauchs in Deutschland. Weil die Bundesregierung entschieden hat, den Verkehrsbereich auszuklammern, muss sie also bei der Raum- und Prozesswärme sowie beim Stromverbrauch kräftige Spar-Anreize setzen. Bisher hat die Bundesregie-rung aber nur Maßnahmen zur Ein-sparung von rund 130 TWh benannt. Wie die Bundesregierung die restliche Energieeinsparmenge erreichen will, ist noch völlig unklar. Das ist skandalös und steht im krassen Gegensatz zum Bekenntnis aus dem Koalitionsvertrag, Effizienz zur zweiten Säule der Energie-wende machen zu wollen.

Die Bundesregierung brüstet sich gerne damit, dass Deutschland Effizienz-Welt-meister sei. Doch diesen Titel kann Deutschland nur verteidigen, wenn die Regierung jetzt nicht die Füße hochlegt. Mit ihrer Untätigkeit bei der Energieef-fizienz vergibt die Regierung nicht nur eine wichtige Chance für mehr Klima-schutz, sondern auch für nachhaltige Innovations- und Konjunkturimpulse in Handwerk, Mittelstand und Industrie. Obendrein riskiert die deutsche Regie-rung ein Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel wegen Untätigkeit beim Energiesparen. Dabei ist Energieeffi-zienz nicht nur ein Klimaschutzinstru-

Dr. Julia Verlinden MdB, energiepolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

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ment und trägt zur Versorgungssicher-heit bei, sondern bietet auch sehr gute Chancen, ein wahrer Jobmotor zu wer-den. Laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kön-nen in Deutschland durch neue weiter-gehende Effizienzmaßnahmen bis 2020 zusätzlich 150.000 neue Jobs geschaf-fen werden. Zudem würden zusätzlich 45 Mio. t CO2 vermieden und 10,2 Mrd. Euro Energiekosten eingespart.

Die Grüne Bundestagsfraktion hat deshalb einen eigenen Antrag in den Bundestag eingebracht, der ein ent-sprechendes Gesetz mit verbindlichen Einsparzielen und Maßnahmen fordert. Für ein Gelingen der Energieeffizienz-politik braucht es:

• die Fortsetzung erfolgreicher Pro-gramme: Dabei sollen bestehende Instrumente (z.B. Energieeinspar-verordnung, Kraft-Wärme-Kopp-lungs-Gesetz, Energieberatung) beibehalten und weiterentwickelt werden. Darüber hinaus brauchen wir aber zusätzlichen Einsparmaß-nahmen, welche über wettbe-werbliche Ausschreibungen erfol-gen können.

• ausreichende Finanzierung: In un-serem Antrag fordern wir den Grü-nen Energiesparfonds in Höhe von drei Milliarden Euro und zusätzlich die Aufstockung des KfW-CO2-Ge-bäudesanierungsprogramms, qua-lifizierte Energieberatungen und die steuerliche Förderung der energetischen Gebäude-Moderni-sierung. Wir wollen weitergehend prüfen, wie wir über diese Pro-gramme hinaus eine haushalts-unabhängige Finanzierung für die zusätzlichen Energiesparmaßnah-men erreichen können.

• einen zentralen Akteur: Wir wol-len die Bundesstelle für Energie-effizienz zum zentralen Akteur der Energieeffizienzpolitik machen. Sie soll über ihre bisherigen Aufga-ben hinaus auch Förderprogram-me weiterentwickeln und sowohl die fachliche Ausgestaltung des Energiesparfonds als auch die Or-ganisation wettbewerblicher Aus-schreibungen für Energieeffizienz-dienstleistungen übernehmen.

Für uns ist klar: Bei der Umsetzung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie müs-sen soziale Rahmenbedingungen be-rücksichtigt und insbesondere finanz-schwache Haushalte dabei unterstützt werden, durch Einsparungen ihre Energiekosten zu senken. Denn: Jeder Haushalt kann Energie sparen. Die Energieeffizienzpotenziale sind enorm. Zugleich sind die technischen und wirt-schaftlichen Möglichkeiten vorhanden: das Know-how beim Handwerk, bei Energiedienstleistern sowie qualitativ hochwertige Produkte der Energieef-fizienz-Industrie steht zur Verfügung. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Poli-tik den richtigen Rahmen setzen muss, damit Energiesparen erleichtert wird.

Es bedarf also einer ambitionierten Energieeffizienzgesetzgebung mit ei-nem Mix aus Energiesparstandards für Geräte und Gebäude, finanziellen Anreizen, marktwirtschaftlichen Inst-rumenten sowie qualifizierter Beratung und Information. Ein neues Energieef-fizienzgesetz muss eine koordinierende Funktion gegenüber den zahlreichen, aber kaum vernetzten Einzelvorschrif-ten zur Senkung des Energieverbrauchs einnehmen, eine klare Zielbestimmung für Energiewirtschaft und Energie-verbraucherinnen und -verbraucher vornehmen und eine regelmäßige

Berichtspflicht der Bunderegierung ge-genüber dem Parlament enthalten.

(veröffentlicht am 23. Juni 2014)

Dr. Julia Verlinden MdB ist energiepolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Von November 2006 bis Oktober 2013 war sie als Wissenschaftliche Angestellte am Umweltbundesamt in Dessau beschäftigt, zunächst zum Schwerpunkt Ressourcenschonung, ab Anfang 2013 leitete sie das Fachgebiet „Energieeffizienz“. Zu diesem Thema hat sie von 2008 bis 2012 parallel zum Beruf ihre Doktorarbeit an der Universität Lüneburg geschrieben.

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POLITIK

Ökologische Modernisierung auch für kleine Geldbeutel

Eine aufrichtig gemeinte Energiewende muss neben der Stromwende endlich auch einen Schwerpunkt auf die Ener-gieeffizienz legen. In diesem Bereich liegt ein verlorenes Jahrzehnt hinter uns. Dabei ist eine zentrale Bedingung für eine vollständige Umstellung auf er-neuerbare Energien gerade die effizien-te und sparsame Nutzung von Energie. Diese Frage darf man nicht allein dem Marktgeschehen überlassen, denn die Vergangenheit hat gezeigt: profitable Möglichkeiten zur Energieeinsparung werden nicht automatisch erschlossen, die Politik muss lenkend eingreifen. Wir brauchen einen Mix aus strikten Grenz- werten, gezielter Förderung und Abbau alter Privilegien für Energiefresser. Al-lein bis zum Jahr 2020 könnten dadurch mehrere hunderttausend neue Arbeits-plätze entstehen.

Im Bereich der Gebäudesanierung muss ein bis zum Jahr 2050 reichen-des nationales Programm mit allen beteiligten gesellschaftlichen Akteuren entwickelt und aufgelegt werden, das anspruchsvolle, stufenweise zu errei-chende Klassen für den energetischen Zustand von Gebäuden enthält. Die Frist zur Vorlage eines Sanierungsfahr-plans der EU-Richtlinie 2012/27/EU ist bereits am 30. April 2014 verstrichen, ohne dass die Bundesregierung eine solche Gesamtstrategie vorgelegt hät-te. Um den Altbaubestand bis Mitte dieses Jahrhunderts nahezu vollständig energetisch zu sanieren, muss sich die

Sanierungsrate von derzeit 1,1 Prozent pro Jahr baldmöglichst auf mindestens zwei Prozent pro Jahr verdoppeln. Die Förderprogramme für die energeti-sche Gebäudesanierung sind nicht nur deutlich zu erhöhen, sondern vor allem dauerhaft zu gestalten. Die Rolle der Energieberater sollte deutlich gestärkt werden. Ohne staatliche Förderung wird es nicht gehen. Denn die Umlage der Sanierungskosten liegt in vielen Fäl-len höher als die Einsparungen bei den Betriebskosten. Ohne Förderprogram-me und klare gesetzliche Vorgaben im Mietrecht wären deutlich höhere Mie-ten und soziale Verdrängungsprozesse die Folge. Die energetische Gebäudes-anierung darf nicht als Waffe gegen un-erwünschte Mieter eingesetzt werden. Die soziale Problematik muss auch über Wohnen in öffentlicher Hand abgefe-dert werden. Daher muss der gemein-wohlorientierte Wohnungsbestand deutlich zunehmen und dabei strengen ökologischen Vorgaben folgen.

Im Bereich Energieeinsparung könn-te Teil eines solchen Effizienz-Planes sein: Unternehmen müssen verbindli-che gesetzliche Vorgaben zur Minimie-rung des Energieverbrauchs erhalten. Energieversorger werden verpflichtet, jährliche Energieeinsparungen von 1,5 Prozent bei ihren Kundinnen und Kun-den zu erzielen. Nicht nur im Osten Deutschlands steht eine Sanierungs-welle für Heizungen an. Eine Abwrack-prämie für Altgeräte unterstützt den

Eva Bulling-Schröter MdB, energie- und klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke

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Einbau effizienter Neugeräte. Für Elek-trogeräte wird künftig alle drei Jahre das energie- und ressourcensparendste Gerät als gesetzlicher Mindeststandard festgeschrieben („Top-Runner“-Pro-gramm). Ein Energiesparfonds unter-stützt private Haushalte, Unternehmen und Kommunen beim Energiesparen. Ausgestattet mit jährlich 2,5 Milliarden Euro sähe dieser Fonds auch spezielle Förderprogramme für einkommens-schwache Haushalte vor.

Dabei muss beachtet werden, dass die Steigerung der Energieeffizienz alleine allerdings nicht automatisch zu einem geringeren Energieverbrauch führt. Denn die Einsparwirkung vieler Effi-zienzmaßnahmen wird oftmals durch eine intensivere oder Mehrnutzung des jeweiligen Produkts teilweise oder ganz aufgezehrt. Beleuchtung, Elekt-rogeräte oder Fahrzeuge werden im-mer energiesparender, ihre Anzahl und Nutzungsdauer aber nimmt zu. Oder aber das eingesparte Geld bei der Ener-giekostenrechnung wird für den Kauf neuer Güter und Dienstleistungen aus-gegeben – für deren Produktion und Nutzung wiederum Energie verbraucht

wird. Um diesen sogenannten Re-bound-Effekten zu begegnen, müssen neben der Steigerung der Energieeffizi-enz auch feste Verbrauchsobergrenzen („caps“) festgelegt werden. In einem ersten Schritt hieße dies: ein klares Ziel zur Senkung des absoluten Energiever-brauchs auf europäischer und nationa-ler Ebene, statt „nur“ die Steigerung der Energieproduktivität in den Blick zu nehmen.

Für DIE LINKE ist die Energiewende und die Energieeffizienz aber auch im Zusammenhang mit einer Wohlstands-debatte zu sehen. Denn neben neuer Technik, Investitionen und Grenzwer-ten sollten wir auch über einen Wandel der Lebensstile nachdenken. Zwar kann jeder Einzelne durch einen sparsamen ökologischen Lebensstil dazu beitra-gen, aber die politischen Rahmenbe-dingungen sollten stimmen: Mehr so-ziale Sicherheit, mehr Zeitwohlstand würde ein Leben mit mehr individuel-len Freiräumen, aber weniger Konsum- und Erwerbsdruck ermöglichen.

(veröffentlicht am 19. Mai 2014)

Eva Bulling-Schröter MdB ist Energie- und Klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke. Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Sie war von 1994 bis 2002 und ist seit 2005 Mitglied des Bundestages, von 2009 bis 2013 Vorsitzende des Umweltausschusses. Sie ist seit 1990 Mitglied in der PDS, jetzt Die Linke, und Landessprecherin Die Linke Bayern. Sie ist Abgeordnete des Wahlkreises Ingolstadt.

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THINK THANK / NGO

Nur noch wenige Wochen für Aktionsplan Energieeffizienz

Agora Energiewende zeigt auf, in wel-chem Umfang mehr Ehrgeiz beim Energiesparen die Gesamtkosten des Stromsystems senken kann / Mit der Umsetzung der EU-Effizienzrichtlinie sowie dem Energieeffizienz-Aktions-plan steigt erneut der Handlungsdruck

Die Frage nach den Kosten beherrscht die öffentliche Debatte um die Ener-giewende. Dabei wird bisher vernach-lässigt, dass mehr Energieeffizienz die Energiewende deutlich günstiger ma-chen kann. Obwohl 2014 sowohl die Umsetzung der Europäischen Energieef-fizienzrichtlinie in nationales Recht an-steht als auch im Koalitionsvertrag der Nationale Energieeffizienz-Aktionsplan angekündigt wurde, steht beides bisher nicht auf der politischen Tagesordnung.

Die Energieeffizienz zu steigern, lohnt sich auf gleich drei Ebenen:

• für die Volkswirtschaft insgesamt,

• aus betriebswirtschaftlicher Per-spektive der Unternehmen und nicht zuletzt

• aus der Perspektive von Privat-haushalten.

Die volkswirtschaftliche Ebene: Je we-niger Strom verbraucht wird, desto we-niger Gas und Kohle müssen importiert werden. Zudem steigert Energieeffizi-enz die inländische Wertschöpfung und Beschäftigung.

Dieselbe Menge an Produkten oder Dienstleistungen mit weniger Energie bereitzustellen – das senkt die Energie-kosten pro Verbraucher. Zugleich sinken die Kosten für das Gesamtsystem, denn in einem schlanken, auf höchste Effizienz ausgelegten System muss weniger Geld in Erzeugungs-, Netz-, Speicher- und Re-servekapazitäten investiert werden.

Hier setzt eine Studie der Prognos AG und des Instituts für Elektrische Anla-gen und Energiewirtschaft der RWTH Aachen an, die im Auftrag von Agora Energiewende, der European Climate Foundation und dem Regulatory As-sistance Project erstellt wurde. Als ers-te Untersuchung ihrer Art beziffert sie, in welcher Größenordnung der finan-zielle Wert des Stromsparens für den Stromsektor insgesamt liegt.

Konkret zeigt die Studie, wie durch Energieeffizienz die Kosten der Stro-merzeugung gesenkt werden können – sowohl durch geringere Investitionen in fossile und erneuerbare Kraftwerke als auch durch geringere Ausgaben für Brennstoffe und für den Netzausbau. Die zentralen Ergebnisse lauten:

• Wenn der Stromverbrauch in den nächsten 20 Jahren um 10 bis 35 Prozent gegenüber heute redu-ziert wird, senkt das Deutschlands Stromrechnung um jährlich steigen-de Milliardenbeträge. Im Jahr 2035 wären Einsparungen zwischen 10 und 20 Milliarden Euro möglich.

Alexandra Langenheld, Projektleiterin bei Agora Energiewende

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• Energieeffizienz zahlt sich von Jahr zu Jahr stärker aus. Demnach könn-ten im Jahr 2050 sogar zwischen 15 und 28 Milliarden Euro eingespart werden. Zudem könnte der Netz-ausbau im Übertragungsnetz bis 2050 um mehr als die Hälfte von etwa 8.500 Kilometer auf etwa 4.000 Kilometer reduziert werden.

• Mehr Energieeffizienz bedeutet mehr Klimaschutz und größere Unabhängigkeit von Energieim-porten: Im Jahr 2020 könnten die CO2-Emissionen um neun Milli-onen Tonnen reduziert werden, wenn der Stromverbrauch entspre-chend dem Energiekonzept-Ziel um zehn Prozent sinkt. Die Importab-hängigkeit verringert sich nachhal-tig. Deutschland kann im Jahr 2020 Kosten für Kohle- und Gasimporte von 1,2 Milliarden Euro sparen.

Bisher fehlen jedoch konkrete Maßnah-men, um den Stromverbrauch im Jahr 2020 um zehn Prozent und im Jahr 2050 um 25 Prozent gegenüber 2008 zu sen-ken. Diese Zielmarken sieht das Ener-giekonzept vor. Der Handlungsdruck steigt nun erneut, denn es steht die Umsetzung der EU-Effizienzrichtlinie bis Juni 2014 an. Die Studie ist also auch ein Plädoyer dafür, der Energieeffizienz eine prominente Rolle einzuräumen.

Große, volkswirtschaftlich hoch renta-ble Effizienzpotenziale werden bislang nicht systematisch genutzt, obwohl bereits heute marktreife Effizienztech-nologien bereitstehen. Viele Energie-dienstleistungsmodelle rechnen sich für Unternehmen und Privatleute nicht, zu-mindest nicht in der aus Sicht der Kapi-talmärkte entscheidenden Kurzfristper-spektive. Der Grund: Geschäftsmodelle, die auf mehr Energieeffizienz setzen,

sind meist mit hohen Anfangsinvestiti-onen und langen Amortisationszeiten verbunden. Zudem setzt die Kleinteilig-keit vieler Effizienzmaßnahmen voraus, dass sich zahlreiche (private) Akteure gleichzeitig bewegen. Die EU-Effizienz-richtlinie bietet neue Impulse, hierfür ein Anreizsystem zu etablieren und ei-nen Markt zu schaffen, der diese Dienst-leistungen besonders effizient erbringt.

Ein Kernstück der Effizienzrichtlinie ist dabei Artikel 7, in dessen Rahmen Energielieferanten oder -verteiler verpflichtet werden sollen, jährlich Energie in Höhe von 1,5 Prozent ihres Energieabsatzes einzusparen. Artikel 7 eröffnet zudem die Möglichkeit, eine äquivalente Einsparung auf anderen energiepolitischen Wegen zu erzielen. Entscheidend dabei ist, die Nachfrage nach Energieeffizienz klar zu organisie-ren und die Marktkräfte für Energieef-fizienz-Dienstleistungen zu aktivieren.

Hierfür brauchen wir ein Effizienzge-setz, zum Beispiel im Rahmen eines Klimaschutzgesetzes. Zu einer wir-kungsvollen Ausgestaltung zählen ne-ben verbindlichen, dem Energiekon-zept entsprechenden Einsparzielen, die passgenaue Einordnung des bereits vorhandenen, umfangreichen Effizi-enz-Instrumentariums sowie dessen Ergänzung durch neue Maßnahmen. Handlungs- und Finanzierungsoptio-nen hierfür liegen bereits vor. Es steht nun dringend an, einen konkreten Umsetzungsvorschlag für Artikel 7 auf den Tisch zu legen sowie geeignete Geschäftsmodelle für Energieeffizienz-dienstleistungen zu erarbeiten.

Die Bundesregierung steht 2014 vor der Aufgabe, für die Energieeffizienz wesentliche Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen auf den Weg zu brin-

gen. Auf der Tagesordnung stehen die sachgerechte Umsetzung der EU-Effi-zienzrichtlinie und ein ambitionierter Energieeffizienz-Aktionsplan. Doch wie eine wirkungsvolle Ausgestaltung aus-sieht und welche Anreize und Rahmen-setzungen erfolgversprechend sind – das sind Fragen, die dringend diskutiert und beantwortet werden müssen, da-mit Volkswirtschaft, Unternehmen und Haushalte profitieren. Seit Anfang des Jahres läuft die Zeit, denn die Umset-zungsfrist der Richtlinie endet im Juni!

(veröffentlicht am 6. Mai 2014)

Alexandra Langenheld ist Projektleiterin bei Agora Energiewende und verantwortet die Arbeiten zu den Themenbereichen Energieeffizienz und Lastmanagement. Gegründet von der Mercator Stiftung und der European Climate Foundation, möchte Agora Energiewende zusammen mit anderen Akteuren aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft ein gemeinsames Problemverständnis entwickeln, die Handlungsoptionen verstehen und politische Alternativen bei der Umsetzung der Energiewende in Deutschland diskutieren.

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THINK THANK / NGO

Deutschland braucht endlich eine umfassende Energieeffizienzstrategie

Mit dem „Energiekonzept“[1] der Bun-desregierung von 2010 und dem be-schleunigten Ausstieg aus der Kerne-nergie von 2011 verfügt Deutschland erstmals über langfristige und ambitio-nierte energie- und klimapolitische Ziele.

In allen Sektoren müssen nun strate-gische Ausrichtungen vorgenommen werden. Besonders dringlich sind die Re-paratur des europäischen Emissionshan-delssystems und die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Ebenso wichtig ist aber, dass wir uns endlich um die „zweite Säule der Ener-giewende“ kümmern: der Senkung unse-res Energieverbrauchs. Damit die Ener-giewende gelingt, müssen wir unseren Energieverbrauch bis 2050 halbieren[2]. Passiert ist bis heute viel zu wenig.

Ein umfassender Ansatz zur Erschließung der vorhandenen Energiesparpotenziale fehlt uns nach wie vor. Bislang ist unse-re Energieeffizienzpolitik eine unsortier-te Sammlung einzelner Werkzeuge, die teils besser, teils schlechter neben- und miteinander harmonieren. Was wir be-nötigen, ist ein wohlsortierter Instru-mentenkasten, der die ganze Breite der Handlungsnotwendigkeiten reflektiert. Denn die eine „silver bullet“ zur Lösung des Energieeffizienz-Staus kann und wird es nicht geben.

Unser Ziel muss sein, neue Geschäftsmo-delle für Energieeffizienz zu unterstüt-

zen. Energieeffizienz ist ein vielschich-tiges und viele Akteure betreffendes Thema. Um Projekte voranzubringen, müssen bspw. in Unternehmen zahl-reiche Ebenen – vom Vorstand bis zum Arbeiter in der Werkshalle – zusam-menarbeiten. Das klappt nicht immer reibungslos. Besonders erfolgreich sind Projekte dann, wenn sie von den Kern-produktionsprozessen über die Lieferket-te und Infrastruktur bis zur Organisation und Einbindung der Mitarbeiter einen umfassenden Ansatz verfolgen[3]. Hier können bspw. lernende Energieeffizi-enz-Netzwerke unterstützend wirken.

Im Bereich der Gebäudesanierung kön-nen ebenfalls große Potenziale gehoben werden. Im Rahmen des durch die Na-tionale Klimaschutzinitiative des Bun-desumweltministeriums geförderten Projekts „effin – Finanzforum Energieef-fizienz in Gebäuden“ verfolgen WWF und Deneff e.V. mit verschiedenen Projekt-partnern segmentspezifische Ansätze. Mit LBS und dem Energieberater-Netz-werk Energetrium wird derzeit ein Modellprojekt zur bedarfsorientierten Kundenansprache für Eigenheimer und nicht-gewerbliche Vermieter entwickelt. Ziel ist es, Beratung, Umsetzung und Fi-nanzierung von Sanierungsmaßnahmen „aus einer Hand“ anbieten zu können. Im Bereich der Immobilienwirtschaft arbeiten wir mit Entega GmbH & Co. KG und Bauverein AG an wirtschaftlich dar-stellbaren und dennoch ambitionierten energetischen Sanierungsfahrplänen[4].

Tobias Vincenz Krug, deutsche Klima- und Energiepolitik beim World Wildlife Fund (WWF) Deutschland

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Die Ankündigung der Bundesregierung, in 2014 einen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) aufzustellen, ist begrüßenswert. Bislang sind jedoch nur wenige Eckpunkte bekannt. Ziel muss es sein, dass der Plan verbindliche Zie-le, Instrumente, Finanzierung und die Verantwortung der einzelnen Akteure bestmöglich zusammenbringt. Dafür gilt es nun, die lückenhafte Werkzeugsamm-lung zu einem wohlsortierten Instru-mentenkasten zu ergänzen.

Dazu gehören aus Sicht des WWF fünf Kernbestandteile einer Energieeffizi-enz-Strategie. Die (1) verbindliche Vor-gabe eines absoluten Energieeinspar-ziels mit festen Zwischenschritten. Es muss klar sein, wer wann welche Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten hat. Nur so können die Ziele erreicht und den Investoren verlässliche Rahmenbedin-gungen gegeben werden. Eine (2) haus-haltsunabhängige Förderung, Denn die jährliche Stop & Go-Politik bei der För-derung ist kontraproduktiv. Zudem sollte eine ergänzende steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung mit ambitionierten, dynamischen Effizi-enzstandards für selbstnutzende Eigen-

tümer und Kleinvermieter eingeführt werden. Die (3) Entwicklung konkreter Unterstützungs- und Anreizprogramme für Unternehmen zur Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen auf allen Ebenen. Hier gilt es, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen gezielt zu un-terstützen (bspw. auch durch Förderung von Energieeffizienz-Netzwerken). (4) Gezielte Anpassungen des Rechtsrah-mens zur Erleichterung neuer Geschäfts-modelle für Energieeffizienz sowie Er-höhung der Anforderungen dort, wo dies Sinn macht. Die Einführung eines (5) Mengensteuerungsinstruments für Energieeffizienz (bspw. bei strombetrie-benen Produkten, Beleuchtung, Heizkes-seln, Querschnittstechnologien), wie es Art 7 Abs. 1 der europäischen Energieef-fizienz-Richtlinie (EED) vorsieht.

So kann eine neue Energieeffizienz-Stra-tegie entstehen. Damit können wir die Energiewende auf zwei gesunde Beine stellen, die ein erfolgreiches Vorankom-men garantieren.

(veröffentlicht am 26. Mai 2014)

Tobias Vincenz Krug bearbeitet beim WWF Deutschland die deutsche Klima- und Energiepolitik, mit Fokus auf Elektrizitätsmarkt, Infrastruktur, Energieeffizienz und energetische Gebäudesanierung. Der World Wide Fund For Nature (WWF) ist eine der größten Naturschutzorganisationen der Welt und in mehr als 100 Ländern aktiv. Er tritt dafür ein, dass Bewahrung und verantwortungsvolle Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen mit nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung vereinbar sind.

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VERBÄNDE

Energieeffizienz: Energiesicherheit braucht mehr als einen leeren Konsens!

Der Gipfel der Staats- und Regierungs-chefs der EU am 20. und 21. März stand ganz im Zeichen der Ukraine-Krise. Im Ergebnis hielt man fest, Energieeffizienz solle der „erste Schritt“ sein, um Euro-pas Abhängigkeit von Energieimporten zu begegnen. Wohl an, denn tatsächlich könnte eine beherztere Steigerung der Energieeffizienz schon innerhalb von zehn Jahren die Gasabhängig von Russ-land um die Hälfte senken. Dies ist das Ergebnis einer Kurzstudie des Beratungs-instituts ECOFYS im Auftrag der Deut-schen Unternehmensinitiative Energie-effizienz (DENEFF).

Um dies schaffen, ist eine Verdopplung der bisherigen Bemühungen zur Effizi-enzsteigerung, insbesondere bei indust-riellen Prozessen und der energetischen Modernisierung von Gebäuden, erfor-derlich. Ein Anspruch, der sich immer wieder gleich- oder ähnlich lautend fin-det: im Energiekonzept der Bundesre-gierung von 2010 und vielen weiteren Studien, Szenarien und amtlichen Exper-tisen. Doch obwohl die Energieeffizienz konsequent – und auch im aktuellen Koalitionsvertrag – vollmundig als we-sentliche Säule, Schüsselfrage oder eben erster Schritt hochgehalten wird, bleibt dieser Anspruch ebenso zeitlos wie un-eingelöst.

Auch die EU-Debatte läuft Gefahr, auf den Ruf nach einer Energieunion zu-rückzufallen, die allein für Ersatz von Liefermengen sorgen soll, nicht jedoch

für gemeinsame Bemühungen für Ener-gieeffizienz- und Einsparungen. Dabei sind auch bei anderen, heute wichtigen Erdgaslieferanten in Westeuropa (bei-spielsweise Niederlande und Norwegen) natürliche Verknappungen absehbar.

Die Abhängigkeit von russischem Gas ist strenggenommen ohnehin „nur“ die aktuelle Erscheinung eines histori-schen und wachsenden Problems, das gerne immer wieder schnell vergessen wird. Spätestens seit den Ölkrisen der Siebziger Jahre wissen wir, dass wir uns dringend von jeder konfliktbeladenen, unsicheren oder umweltschädlichen Energiequelle lösen müssen. Während man damals beherzt und schnell mit Maßnahmen wie autofreien Sonntagen und Vorschriften für Energiesparendes Bauen reagierte, regiert heute der leere Konsens. Als sei die Welt seitdem friedli-cher und Energie billiger geworden.

Die sogenannte Berliner Republik kann sich keine Politik nach dem Grundsatz „Et hät no ewer joot jejange“ mehr leis-ten. Inzwischen gefährdet die unstete und inkonsequente Ankündigungspolitik der letzten Jahre erreichte wirtschaft-liche Erfolge und Arbeitsplätze: „Made in Germany“ ist (noch) Spitze bei ener-giesparenden Techniken und Dienstleis-tungen. Unternehmen mit mehreren hunderttausend Beschäftigten erzielen hier Umsätze im dreistelligen Milliarden-bereich - dank der zurückliegenden star-ken Umweltpolitik. Doch immer häufiger

Christian Noll, Mitgründer und geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF)

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wird bekannt, dass andere Investitions-standorte zunehmend attraktiver wer-den, da sie sich zu einer verbindlicheren Energieeffizienzpolitik bekennen. „Low Carbon Leakage“, die Abwanderung CO2-effizienter Unternehmen wird dafür zum stehenden Begriff.

Deutschlands beste Energieressource ist die Kompetenz zur Energieeinsparung und damit zur Energieunabhängigkeit. Gute Vorschläge, mit welchen konkreten Politikmaßnahmen die Energiewende-ziele zur Steigerung der Energieeffizienz erreicht werden können, warten seit Jahren in den Schubladen. Der im Ko-alitionsvertrag vorgesehene nationale Aktionsplan Energieeffizienz ist nun die historische Chance, den leeren Konsens

aufzukündigen und eine strategische und konsequente Energieeffizienzpolitik in die Tat umzusetzen.

(veröffentlicht am 12. Mai 2014)

Christian Noll (34), Diplom-Kommunikationswirt, ist Mitgründer und geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF). Die DENEFF setzt sich seit November 2010 als erstes unabhängiges, branchenübergreifendes Netzwerk für eine ambitionierte und effektive Energieeffizienzpolitik ein.

VERBÄNDE

Die Energieeffizienz muss ins Rampenlicht!

Politisch zeichnet sich das Handlungsfeld Energieeffizienz durch einen großen Wi-derspruch aus. Einerseits sind sich alle einig, dass ohne maßgebliche Fortschrit-te in der Energieeffizienz von Gebäuden, Industrie, Gewerbe und bei privaten Verbrauchern die klimapolitischen Ziele nicht erreicht werden können. Die Kos-ten für die Umsetzung der Energiewende könnten sich durch konsequente Effizi-enzsteigerungen für Verbraucher, Wirt-schaft und die öffentliche Hand drastisch reduzieren. Energieeffizienz ist auch der Schlüssel, um die Importabhängigkeit Eu-

ropas zu senken. Andererseits jedoch fris-tet die Energieeffizienz trotz dieses gro-ßen politischen Handlungsdrucks bisher ein Schattendasein in der Energie- und Klimapolitik.

Deutschland und die Europäische Union haben anspruchsvolle Ziele formuliert. Diese politischen Ziele sind mithilfe in-novativer Technologien erreichbar. Die Frist zur Umsetzung der EU-Energieeffi-zienzrichtlinie ließ Deutschland Anfang Juni jedoch verstreichen. Politisch ist das Thema Energieeffizienz selbst im „Ener-

Dr. Carola Kantz, Geschäftsführerin des Forums Energie im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA)

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giewende-Land Deutschland“ bisher nicht griffig genug. Das Handlungsfeld ist zu komplex und besteht aus sehr vielen Einzelmaßnahmen.

Aufgrund dieser Komplexität ist die Stei-gerung der Energieeffizienz auch bei den Technologienutzern kein Selbstläufer. Ob-wohl sich die Effizienzmaßnahmen auszah-len – für die gesamte Volkswirtschaft so-wie für einzelne Unternehmen und jeden Verbraucher. Viele bestehende Hemmnis-se werden von der Politik bisher nur unzu-reichend adressiert. Nehmen wir beispiels-weise die Steigerung der Energieeffizienz in der deutschen Wirtschaft. Die über-wiegende Mehrheit von Unternehmen fällt ihre Investitionsentscheidung anhand der Amortisationszeiten. Im Schnitt wer-den nur Amortisationszeiten von zwei bis drei Jahren akzeptiert. Dabei würden sich energieeffiziente Maschinen und Anlagen über ihre Lebensdauer hinweg rechnen, auch wenn sie eine etwas längere Amor-tisationszeit haben. Notwendig wäre eine längerfristige Betrachtung, die vor allem auch die Bewertung der Lebenszykluskos-ten miteinschließt. Politische Instrumente sollten daher gezielt Investitionen mit ho-hen Amortisationszeiten anreizen. Ähnli-che Hemmnisse existieren im Gebäudebe-reich, wie zum Beispiel das Investor-Nutzer Dilemma. Demnach unterbleiben energe-tisch sinnvolle Investitionen, da der Ver-mieter langfristig keinen Ertrag aus seiner Investition erzielen kann und der Mieter den genossenen Vorteil nicht bezahlen muss. Diese Hemmnisse müssen politisch adressiert werden.

Wie muss also eine ganzheitliche Effizi-enzstrategie der Bundesregierung ausse-hen? Aus Sicht des Maschinen- und An-lagenbaus gehören hierzu drei Bausteine:

Politische Sichtbarkeit auf höchster Ebene schaffen. Die Bundesregierung sollte das

Handlungsfeld Energieeffizienz dauer-haft zu einem zentralen Bestandteil der politischen Agenda machen. Der im Ko-alitionsvertrag angekündigte „Nationale Aktionsplan Energieeffizienz“ muss dazu zügig unter Beteiligung aller wesentlichen Stakeholder entwickelt und in ein regel-mäßiges Monitoring mit Instrumenten zur Nachsteuerung überführt werden.

Attraktive Rahmenbedingungen für In-vestitionen schaffen, damit die moder-nen und effizienten Technologien in den Markt kommen. Neue Finanzierungs-modelle und verbesserte Abschreibe-möglichkeiten können einen attraktiven Rahmen für neue Investitionen schaf-fen. Wettbewerbliche Ausschreibungen können, wenn sie technologieneutral ausgestaltet sind, die Marktdynamik erhöhen. Durch die zusätzliche Anforde-rung hoher Amortisationsraten können auch Investitionen in bisher schwierigen Marktsegmenten ausgelöst werden.

Ausbau der zielgruppengerechten Infor-mation über technologische Potenziale und der Wirtschaftlichkeit von Maßnah-men. Hierzu gehören die Verbesserung der Qualität der Energieberatung sowie neue Aus- und Weiterbildungsmöglich-keiten im ingeurswissenschaftlichen Be-reich. Auch Energieeffizienznetzwerke für Unternehmen und Kommunen soll-ten weiter ausgebaut werden.

Die Steigerung der Energieeffizienz ist ein komplexer Prozess, mit modernen Tech-nologien und den geeigneten politischen Rahmenbedingungen aber möglich. Die Bundesregierung steht im zweiten Halb-jahr 2014 vor allem vor der Aufgabe, die Energieeffizienz ins politische Rampen-licht zu stellen.

(veröffentlicht am 13. Juni 2014)

Dr. Carola Kantz koordiniert als Geschäftsführerin des Forums Energie im VDMA die Verbandsaktivitäten zum Bereich Energie und vertritt die energiepolitischen Interessen des Maschinen- und Anlagenbaus. Der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau vertritt die Interessen seiner Branche unter der Prämisse von vier zentralen Themen: „Vernetzt denken und handeln“, „Zukunft für Unternehmer“, „Technik für Menschen“ und „Europa und die Welt“.

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VERBÄNDE

Die Energiewende wird im Gebäude entschieden

Gemeint sind nicht der Reichstag oder das Wirtschaftsministerium, sondern der deutsche Häuserbestand. Hier gibt es riesige Potenziale – und genug Technologien, um diese zu heben. Das Grundproblem ist aber: Energieeffizi-enz lohnt sich nicht. Es ist darum Auf-gabe der Politik, effektiv zu fördern und den notwendigen Marktrahmen zu schaffen.

Grundsätzlich: Effizienz heißt Einspa-rung fossiler Primärenergie

Was mit Energieeffizienz eigentlich gemeint ist, bleibt in der Diskussion häufig im Dunkeln. Viele setzen Ener-gieeffizienz mit geringerem Stromver-brauch gleich. Warum dies ein Fehler ist, erläutere ich später. Energieeffi-zienz ist kein Selbstzweck, genau so wenig wie die Energiewende an sich. Das Ziel muss immer die Einsparung von CO2 zum Zwecke des Klimaschut-zes sein. Energieeffizienz sollte daher bedeuten, ein gegebenes Ziel, z.B. ein warmes Haus, mit einem möglichst geringen Verbrauch fossiler Primä-renergie, also von Brennstoffen wie Öl oder Gas, zu erreichen. Ein Teil der Lösung ist sicher das Vermeiden von Verlusten, z.B. durch Dämmung. Trotzdem muss der Restbedarf auf möglichst effiziente, klimafreundliche Weise bereitgestellt werden.

Verdrängung fossiler Brennstoffe durch Umweltwärme

Wärmepumpen gewinnen mithilfe von Strom Energie aus der Umwelt (Luft, Erdwärme, Grundwasser) und machen diese zur Raumheizung und für Warm-wasser nutzbar. So stellen sie das drei- bis vierfache der eingesetzten elektri-schen Energie (Strom) als thermische Energie (Wärme) bereit.

Früher war Heizen mit Strom verpönt, weil er fast ausschließlich aus Kohle- und Atomkraftwerken stammte. Mit der Energiewende ändert sich das. Je-de vierte Kilowattstunde ist heute er-neuerbar und der Anteil steigt weiter. Wer heute auf Umweltwärme setzt, dessen Heizung wird also in 20 Jahren noch ökologischer sein als heute. Eine Studie der TU München zeigt, dass ei-ne heute installierte Wärmepumpe im Laufe ihrer Lebenszeit rund 80 Prozent Primärenergie einspart (verglichen mit einer alten Ölheizung im Bestand oder Öl-Brennwert+Solar im Neubau). Ab 2015 ist dies auch am Energielabel erkennbar, bei dem nur Wärmepum-pen Spitzenwerte erreichen.

Stromsparen und Energieeffizienz sind nicht dasselbe

Häufig werden diese Begriffe gleich-gesetzt. Die Wärmepumpe macht deutlich, dass das ein Trugschluss ist. Angenommen, von heute auf morgen

Karl-Heinz Stawiarski, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP)

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würden 500.000 Heizkessel durch ei-ne Wärmepumpe ersetzt, so würde zwar der Stromverbrauch in Deutsch-land steigen. ABER: Um diesen Strom bereit zu stellen, muss weniger fossi-le Primärenergie eingesetzt werden, als die fossilen Heizungen verbraucht hätten.

Damit wird deutlich, dass beim Thema Energieeffizienz, in der Energiepolitik ganz allgemein, Strom und Wärme ge-meinsam betrachtet, die beiden Sek-toren sogar noch stärker miteinander verknüpft werden müssen. Dies wird von renommierten Experten schon lan-ge gefordert. Zwei Fraunhofer-Institu-te (IWES, ISE) und die Internationale Energieagentur (IEA) haben unabhängig voneinander errechnet, dass volkswirt-schaftlich effizienter Klimaschutz mit einer Elektrifizierung der Wärmebereit-stellung in Gebäuden durch Wärme-pumpen einhergehen muss.

Was bedeutet das für die Energiepo-litik in Deutschland?

Erstens: Energieeffizienz und insbe-sondere der Gebäudesektor müssen endlich in den energiepolitischen Fo-kus. Die Vernachlässigung der Wärme ist im Hinblick auf den Klimaschutz grob fahrlässig. Sie steht für 40% der CO2-Emissionen, doch Politik und Me-dien diskutieren nur über das EEG.

Zwar hat die Politik mit der EnEV-No-velle sinnvolle Vorgaben für den Neu-bau getroffen, die größten Potenziale schlummern jedoch im Gebäudebe-stand. Hier ist eine ausreichende und vor allem verbraucherfreundliche Förderpolitik sinnvoll. Die entspre-

chenden Programme müssen aber jährlich gegen Kürzungswünsche der Haushaltspolitiker verteidigt werden oder werden wie die steuerliche Ab-setzbarkeit von Sanierungsmaßnah-men von ihnen gänzlich verhindert. Während im Stromsektor jährlich 25 Milliarden Euro umgewälzt werden, scheitert die Wärmewende an einem Bruchteil dieses Betrages.

Zweitens: Energieeffizienz muss sich finanziell lohnen. Wie sonst sollen die Kunden von den erforderlichen In-vestitionen überzeugt werden? Dazu müssen die Preise am Markt für Hei-zenergieträger die ökologische Wirk-lichkeit widerspiegeln.

Wärmepumpen-Kunden müssen heute Stromsteuer und EEG-Umlage zahlen. Das sind über 8 Cent pro Kilowattstun-de (mehr als ein Drittel des Gesamtprei-ses), womit der Preis für Wärmepum-penstrom höher ist als der für Erdgas oder Heizöl. Die Stromsteuer war ein-mal als Anreiz für mehr Energieeffizienz gedacht; die EEG-Umlage soll den Aus-bau erneuerbarer Energien fördern. Im Wärmesektor verteuern sie jedoch den Strom im Vergleich zu fossilen Brenn-stoffen, die selbstverständlich nicht mit einer CO2-Abgabe belastet werden. So entsteht die paradoxe Situation, dass ein Kunde bei heutigen Preisen seinen alten Öl-Kessel gegen eine Wärmepum-pe eintauscht und so fossile Primärener-gie und schädliches CO2 spart – aber höhere Heizkosten hat. Es bestehen am Markt also Fehlanreize, die dringend be-seitigt werden müssen.

(veröffentlicht am 30. Juni 2014)

Karl-Heinz Stawiarski ist seit 2007 Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe. Der Bundesverband Wärmepumpe ist ein Zusammenschluss von rund 600 Mitgliedern und vertritt Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Zusammenhang mit Wärmepumpen.

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VERBÄNDE

Energieeffiziente Gebäude als gemeinsames Ziel von Industrie und Politik

Die Europäische Kommission hat ge-gen Deutschland ein Vertragsverlet-zungsverfahren eingeleitet, weil die Bundesrepublik aus ihrer Sicht die EU-Energieeffizienzrichtlinie nicht voll-ständig umgesetzt hat – deshalb hat die Kommission einen sogenannten Blauen Brief verschickt. Obwohl die technologischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind, wird Deutschland nach jetzigem Stand die europäischen und nationalen energie-einspar- und klimaschutzpolitischen Ziele verfehlen.

Nur wenn die Energiewende nicht nur als Strom-, sondern auch als Wärme- bzw. Kältewende verstanden wird, können die energieeinspar- und klimaschutzpoliti-schen Ziele in Deutschland erreicht wer-den. Vor allem das Thema Gebäudeener-gieeffizienz muss von der Politik stärker in den Fokus genommen werden. Dabei müssen Energieeinsparmöglichkeiten im Wohn- und im Nichtwohnbereich gleichrangig genutzt werden.

Technische Gebäudeausrüstung ist der Schlüssel zur Energieeffizienz

Etwa 40 Prozent des Gesamtenergie-verbrauchs entfallen zurzeit auf die Beheizung, Klimatisierung und Warm-wasserbereitung in Wohn- und Nicht-wohngebäuden. Obwohl vor allem im Bereich der Nichtwohngebäude be-trächtliche Effizienzpotenziale schlum-

mern, wird das Thema Energieeffizienz für diesen Bereich von der Politik selten diskutiert und häufig auch unterschätzt – allein der Energieverbrauch für Raumwärme in Nichtwohngebäuden entspricht mit ca. 850 Petajoule dem Wärmeverbrauch von zehn Millionen durchschnittlichen Einfamilienhäusern.

Von den ca. 21 Millionen Heizungsanla-gen im Gebäudebestand in Deutschland sind 71 Prozent unzureichend effizient und damit modernisierungsbedürftig. Ein Großteil der Heizungen ist weit über zwanzig Jahre alt und verbraucht deut-lich mehr Energie als nötig. Sollen die politischen Zielsetzungen erreicht wer-den, muss das Modernisierungstempo verdoppelt werden.

Wie beim Wärmebereich gibt es auch bei der in Deutschland installierten Klima- und Lüftungstechnik beträcht-liche Energieeinsparpotenziale: Die Klimaanlagen in Nichtwohngebäuden sind durchschnittlich 28 Jahre alt. Viele von ihnen arbeiten energetisch ineffi-zient. Auch hier muss das Modernisie-rungstempo deutlich erhöht werden.

Der Schlüssel für die Gebäude-Ener-gieeffizienz im Wohn- und Nichtwohn-bereich ist die moderne Technische Gebäudeausrüstung: Mit moderner Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik sowie innovativer Gebäudeautomation können kurz- bis mittelfristig erhebliche

Günther Mertz, Geschäftsführer der TGA-Repräsentanz Berlin

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Energieeffizienzpotenziale gehoben werden. Der Technischen Gebäudeaus-rüstung kommt damit für das Gelingen der Energiewende und das Erreichen der europäischen und nationalen Ener-gieeinsparziele eine entscheidende Rolle zu.

EnEV und EEWärmeG im Sinne des Ko-alitionsvertrags zügig angleichen

Angesichts des Blauen Briefes aus Brüs-sel und der noch nicht gehobenen Po-tenziale der Energieeffizienz im Gebäu-debereich muss die Bundesregierung eine engagiertere Energieeinspar- und Klimaschutzpolitik betreiben und die Zeitpläne ihrer Vorhaben straffen. Bei-spielsweise sollte – im Sinne des Koa-litionsvertrages – die Angleichung der Energieeinsparverordnung (EnEV) und des Erneuerbaren-Energien-Wärmege-setzes (EEWärmeG) nicht erst im Jahr 2016 angegangen werden, wie es in der „10-Punkte-Energie-Agenda“ des Bundeswirtschaftsministeriums an-gekündigt wurde. Die parallelen, sich insbesondere im Hinblick auf die An-lagentechnik teilweise widersprechen-den Regelungen der EnEV und des EE-WärmeG sind sogar für Fachleute oft schwer zu durchblicken. Der Bundesrat hat sich bereits für eine Zusammenfüh-rung dieser Regelungen ausgesprochen – die Bundesregierung muss diese nun zügig angehen. Investoren, Haus- und Wohnungseigentümer benötigen für die energetische Gebäudesanierung klare und verlässliche Rahmenbedin-gungen. Die unzähligen Debatten über die Einführung steuerlicher Anreize oder direkter Investitionsanreize verun-sichern die Eigentümer und so kommt es zu einem Investitionsstau. Nötig ist eine langfristige, verlässliche und ein-fache Förderung von energetischen

Sanierungen nach bundeseinheitlichen Standards. Diese Förderung muss tech-nologieoffene Anreize für Investoren schaffen und sollte auch steuerliche Elemente umfassen.

Industrie und Politik müssen stärker als bisher die ökonomischen Vorteile von energetischen Sanierungen und Energieeffizienzmaßnahmen im Wohn- und Nichtwohnbereich darstellen. Ein gelungenes Beispiel für klare, ein-heitliche und branchenübergreifende Kommunikation von Energieeffizienz-maßnahmen ist die Allianz für Gebäu-de-Energie-Effizienz (geea). Ein solcher Schulterschluss steht auf Seiten der zu-ständigen Bundesministerien noch aus: Eine bessere Ressortabstimmung und gemeinsame, Ressort übergreifende Aktivitäten der zuständigen Bundesmi-nisterien wären wünschenswert.

Potenziale der Technischen Gebäude-ausrüstung heben

Mit den richtigen Maßnahmen kann die Politik dazu beitragen, die enormen Einsparmöglichkeiten im Gebäudebe-reich mittels moderner Technischer Ge-bäudeausrüstung kurz- bis mittelfristig zu nutzen. Dadurch können nicht nur die europäischen und nationalen ener-gieeinspar- und klimapolitischen Ziele erreicht werden, sondern gleichzeitig Wachstum, Beschäftigung und Innova-tion in Deutschland gefördert werden. Nötig ist ein orchestrierter Dreiklang aus stringenten ordnungspolitischen Vor-gaben, technologieoffenen Fördermaß-nahmen mit steuerlichen Anreizen und verstärkter gesamtgesellschaftlicher Kommunikation über die Vorteile ener-getischer Sanierungen von Gebäuden.

(veröffentlicht am 25. August 2014)

Günther Mertz ist Geschäftsführer der TGA-Repräsentanz Berlin. Die TGA-Repräsentanz wird getragen von den Verbänden der Technischen Gebäudeausrüstung: Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik e.V (BDH), Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung e.V. (BTGA), Fachverband Gebäude-Klima e.V. (FGK) und Herstellerverband Raumlufttechnische Geräte e.V. (RLT). Insgesamt vertreten die vier Verbände rund 950 Mitgliedsunternehmen.

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STAKEHOLDER

Die Energieeffizienz: vom Stiefkind zum Musterschüler der Energiewende!?

Laut Martin Wolf, Chefökonom der Fi-nancial Times, sind wir alle Klimaskepti-ker. Wir fahren mit dem Auto zur Arbeit und reisen mit dem Flugzeug in den Ur-laub – unser ökologischer Fußabdruck sei riesig, so der Wirtschaftsjournalist. Doch auch Wolf muss einräumen, dass sich im Bereich der Energieeffizienz in-zwischen einige Entwicklungen aufgetan haben, gleiches gilt für die erneuerba-ren Energien, die eine Trendwende er-ahnen lassen.

Energieeffizienz ist inzwischen in der politischen Rhetorik zu einer der wich-tigsten Übungen geworden, auch weil sich der europaweite Wähler mit mehr oder weniger schlechtem Gewissen, um mehr Effizienz bemüht – sei es bei der Dämmung des Hauses oder bei der Energiesparlampe. Er folgt damit – aller-dings mit Jahrzehnten Verspätung – der britischen Queen, die im Buckingham Palace noch persönlich den Lichtschalter umlegt, wenn kein Licht gebraucht wird.

Auch in der Energiewirtschaft, quasi das unterliegende Betriebssystem unserer Strom- und Wärmeversorgung, ist die Energieeffizienz inzwischen wichtig ge-worden. Dort ist von Lastmanagement die Rede, von weißen Zertifikaten und von Negawatts (nicht verbrauchte Ener-gie). Dabei spielt die Digitalisierung die erste Geige bei der Energieeffizienz. Das Zuhause wird smart, der Stromzähler intelligent und das Strom- und Gasnetz kommunikativ.

Energieeffizienz wird Sicherheitspolitik

Während die Stromdebatte in jedem Wahlkreis heftig diskutiert wird und Manager von stromintensiven Betrie-ben schlaflose Nächte haben, steigen die Kosten für Raumwärme und Warm-wasser nahezu unbeachtet weiter an. Ein durchschnittlicher Haushalt wen-det trotz EEG-Umlage beim Strom, mehr als zwei Drittel seiner Kosten für Wärme auf. Durch die Ukraine-Krise bekommt die Energieeffizienz bei der Raumwärme wegen des möglich stei-genden Gaspreises zusätzlich noch eine geopolitische Dimension. Die Energie-versorgungssicherheit, eine über Jah-re vernachlässigte Größe in der ener-giepolitischen Debatte, steht plötzlich wieder im Mittelpunkt. Bemerkens-wert: Energieeffizienz wird damit zu einem Element einer geostrategischen Sicherheitspolitik.

Die EU versucht seit Jahren mit einem einheitlichen Ziel von 20 Prozent Effek-tivitätsgewinn bei der Energienutzung die Mitgliedstaaten zu einer energiepo-litischen und energiewirtschaftlichen Effizienzgemeinschaft zu verbinden. Aktuell werden jedoch nur rund zehn Prozent Energieeffizienz-Steigerung EU-weit erreicht und nahezu alle Ex-perten gehen davon aus, dass in den kommenden sechs Jahren bis 2020, das 20 Prozent Effizienz-Ziel nicht erreicht werden kann.

Markus Rosenthal,Geschäftsführer von nuances public affairs Isabel Hoffmann, Advisor bei nuances public affairs

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Vorsätze: ja – Maßnahmen: Fehlanzeige

Anfang Juni tagten die Regierungschefs der bedeutendsten Industrienationen der Welt (G7) in Brüssel zusammen mit EU-Ratspräsident Herman van Rom-puy und identifizierten die Energieef-fizienzsteigerung als maßgeblichen Be-standteil, um die Energiesicherheit zu wahren. Auch der Mitteilungsentwurf der EU-Kommission für eine Strategie zur europäischen Energiesicherheit, spricht der Energieeffizienz eine ele-mentare Rolle zu. Es gelte, insbesonde-re die EU-Energieeffizienzrichtlinie so-wie die EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie „ehrgeizig“ und „rigoros“ umzusetzen.

Doch die Bundesregierung Deutsch-land ließ am 05. Juni dieses Jahres die Frist zur Umsetzung der EU-Energieeffi-zienzrichtlinie (EER) in nationales Recht verstreichen. Die EER erfordert unter anderem die Formulierung eines Nati-onalen Aktionsplanes Energieeffizienz. Während für die Förderung der erneu-erbaren Energien 25 Milliarden Euro jährlich über das Erneuerbare-Energi-en-Gesetztes (EEG) aufgewendet wer-den, stellt der Bund für die Energieef-fizienz von Gebäuden 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung.

Der Zukunftsmarkt Energieeffizienz wird vernachlässigt und zum Teil sogar medial bekämpft. Es wird versucht er-neuerbare Energien gegen die Energie-effizienz auszuspielen und umgekehrt. Einige Medien hatten vor fünf Jahren tote Feuerwehrmänner entdeckt, die durch brennende Solaranlagen „um-gebracht“ worden sind. Da weniger gestorben sind, als im Tatort, werden nun die immer gleichen Baumystiker

in ihrem Kampf gegen die Wärmedäm-mung zitiert. Die neueste Mode in der Berichterstattung: neues Dach, neue Fenster, neue Heizung sind zu teuer und sparen zu wenig Energiekosten. Doch Bundeskanzlerin Merkel fördert weiterhin und der Mieter zahlt.

Lange Zeit war die Energieeffizienz ein Traumschloss. Doch Rom wurde nicht an einem Tag gebaut und auch Schloss Neuschwanstein wurde Stein um Stein erbaut. So ist Energieeffizienz ein kon-tinuierlicher Prozess. Um Energie in Zukunft effektiv zu nutzen, müssen die Interessen fokussiert vertreten wer-den. Der Regulationsrahmen muss so geschaffen werden, dass ein Leitmarkt Energieeffizienz entstehen kann und Energiedienstleistung sowie Indust-riepolitik Hand in Hand gehen.

(veröffentlicht am 20. Juni 2014)

Isabel Hoffmann ist Advisor bei nuances public affairs.

Markus Rosenthal ist Geschäftsführer von nuances public affairs und seit 2002 im Bereich Public Affairs tätig.

nuances public affairs ist eine politische Unternehmensberatung und spezialisiert auf strategische Kommunikation an der Schnittstelle von Wirtschaft, Politik und Medien. Branchenschwerpunkte sind unter anderem Digitalisierung, Energie, Energieeffizienz und Verkehr.

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Energieberatung: Listenzwang statt attraktives Konzept

Ab Juni 2014 legten zwei Bundesmi-nisterien, zusammen mit dena, BAFA und KfW eine neue Energieberaterlis-te für die Bundes-Förderprogramme im Bereich energiesparendes Bauen und Sanieren auf. Die neue „Energieef-fizienz-Expertenliste“ soll die mediale Kritik an der Energieberatung ins Leere laufen lassen. Die neuen Experten müs-sen jährlich 100 EUR an die dena als Eintragsgebühr entrichten und haben je nach Eingangsvoraussetzung und ange-strebter Beratungsleistung einen Grund-stock von Weiterbildungsstunden vor-zuweisen, der laufend zu ergänzen ist. Dieses schwer durchschaubare System von Nachweisen für den Listeneintrag ist Voraussetzung für die Anerkennung der Sachverständigen in den KfW-För-derprogrammen.

Gegenwärtig stagniert die eingetragene Beraterzahl bei 10.300 Experten, die je-doch schon ca. 1,0 Mio. EUR Gebühren bei der „dena“ einzahlten. Es ist zu er-warten, dass sich die Beraterzahl schon in wenigen Jahren halbieren wird, denn der monetäre Nutzen der Listung ist für viele Berater fraglich. Dieses Schicksal ereilte auch die BAFA Vor-Ort-Bera-tung, die in den letzten zehn Jahren von 11.000 auf nur noch 5.000 Berater zu-rückging.

Ob die Listung die Qualität der Energie-beratung hebt, ist zweifelhaft. Denn die Fernsehkritiken spießten Mängel auf, an denen die neue Liste nichts ändert: Etwa

ein fehlendes Konzept für das Vorgehen in einer freien Energieberatung. Oder Aussagemängel, die ein verstecktes Fernsehteam verursachte, als es Ener-gieberatern aus einer Handwerkssparte eine Komplettbeurteilung des Gebäudes abverlangte, was Architekten- oder In-genieuraufgabe gewesen wäre. Mängel bestehen vor allem in den Instrumen-ten, die Energieberater in den staatli-chen Förderprogrammen von BAFA und KfW anwenden müssen.

Die Vor-Ort-Beratung der BAFA basiert auf reinen Bedarfsenergiekennwerten, jeder Ratsuchende bekommt einen KfW-Haus-Standard für sein Gebäude gezeigt. Dadurch berechnen die Berater überhöhte Einspar- und falsche Wirt-schaftlichkeitsaussagen, was von vielen Medien wieder als Qualitätsmangel der Berater und nicht des staatlich gefor-derten Beratungsberichtes aufgegriffen wird. Es ist schon auffällig, wenn ein Beratungssystem regelmäßig weit über dem realen Energieverbrauch der Ge-bäude liegende Einsparungen ausweist.

Die KfW-Förderprogramme für das ener-giesparende Bauen und Sanieren eifern im unnötigen Kompliziertheitsgrad der Energieeinsparverordnung nach und än-dern sich ständig bis ins Detail. Die Feh-ler in den Nachweisen beruhen auf dem viel zu komplizierten EnEV-Rechenver-fahren und sind auch von der Ausstel-lung von Energieausweisen bekannt. Ei-ne Entschlackung auf die Förderung von

Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig, Leiter „Hessische Energiespar-Aktion“

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Einzelmaßnahmen im Gebäudebestand und auf einen einzigen Zielstandard für den Neubau würde die KfW-Nachweise vereinfachen. Der bisherige Weg, auch noch die Ausführungsqualität immer engmaschiger vorzuschreiben und zu kontrollieren, führt zu allerlei Kuriosi-täten und Kritik. Denn hierfür gibt es in Deutschland bereits die Normen und Handwerkerrichtlinien.

Besonders schmerzhaft ist das Her-ausfallen des Handwerks aus der Effi-zienz-Expertenliste. Ihm wird mit 210 Stunden nun die höchste Weiterbil-dungsstundenzahl als Eingangsvoraus-setzung abverlangt. Diese lange Abwe-senheit aus dem Betrieb führt schon seit Jahren zu geringen Teilnehmerzahlen auf den Handwerksbundesschulen, die 210-Stundenlehrgänge zum „Gebäude-energieberater“ anbieten. Handwerk bildet sich in seiner eigenen Art weiter, produktbezogen oder mit Hilfe von kür-zeren Lehrgängen der Landesinnungen, aber dafür häufiger. Seine Ausgrenzung durch sachlich nicht gerechtfertigte ho-he Weiterbildungsstundenzahlen ist fa-tal, weil gerade das Handwerk täglich zehntausende von Kundenkontakten hat, die zur Energieberatung genutzt

werden können. Die Energieberatung in den beiden staatlichen Programmen zählt demgegenüber keine großen Fall-zahlen. In der Vor-Ort-Beratung sind es gerade noch 600 Beratungen pro Jahr und Bundesland.

Die KfW-Programme im Gebäudebe-stand erreichen nur 0,4 Prozent des Hausbestandes pro Jahr, bei einer po-litisch angestrebten Sanierungsquote von 2-3 Prozent. Überdies erreicht die Vor-Ort-Beratung meist bereits ohnehin zu Energiesparmaßnahmen entschlos-sene Hauseigentümer. In den KfW-Pro-grammen dient Beratung mehr dem Zurechtfinden im Förderdschungel. Nö-tig ist ein Relaunch der Beratungs- und Förderpolitik der Bundesregierung für den Gebäudesektor hin zu einer Ver-einfachung, die alle Berufsgruppen einschließt. Die Beratung der Verbrau-cherzentralen und die lebendigen Be-ratungsstrukturen in einzelnen Bundes-ländern können hier als Vorbild dienen. Vergessen werden sollte nicht: Energie-beratung soll Hauseigentümer motivie-ren. Dazu ist das wichtigste, das Men-schen mit Menschen sprechen.

(veröffentlicht am 24. Juli 2014)

Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig leitet seit 2001 die „Hessische Energiespar-Aktion“ des Hessischen Wirtschaftsministeriums. Er ist Autor zahlreicher Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen zum Thema Energieeinsparung.

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