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Bewerbungstext Deutscher Schulpreis - uni-bielefeld.de · 2009-10-03 · schreiben, dass es meine...

Date post: 30-Jun-2020
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Unsere Bewerbung
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Unsere

Bewerbung

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Sehr geehrte Jury des Deutschen Schulpreises,

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hiermit möchte ich Sie einladen, mich bei einem Besuch des Oberstufen-Kollegs in Bielefeld zu begleiten. Ich hoffe, dass mein Bericht gee gnet ist, Ihnen ein lebendiges Bild von der Vielgestaltigkeit und dem Wert unserer pädagog schen Arbeit zu vermitteln.

Mit herzlichen Grüßen „Der gute Geist des Oberstufen-Kollegs“

Mein Weg zum Oberstufen-Kolleg (OS) führt vom Bahnhof in Bielefeld über die Stadtbahn der Linie 4 zur Haltestelle Universität. Eine Wendung nach links. Da liegt das Oberstufen-Kolleg. Schwarze Buchstaben auf hellem Beton vor einem orangeroten Gebäude. Ein neben der gigantischen Universität bescheiden wirkendes Schulhaus, das auf seiner anderen Seite auch die Laborschule beherbergt. Die Zacken des Scheddachs setzen dem Ganzen die Krone auf.

Information

Die Schulprojekte an der Universität Bielefeld Das Oberstufen-Kolleg ist eine Versuchsschule der Sekun-darstufe II und insofern eine gymnasiale Oberstufe, die Laborschule eine Versuchsschule der Sekundarstufe I. Beide Versuchsschulen sind als „Schulprojekte an der Universität Bielefeld“ Gründungen des bekannten Pädagogen Hartmut von Hentig. Er war bis 1986 ihr Wissenschaftlicher Leiter. Beide Schulen haben 1974 ihre ersten Schülerinnen und Schüler bzw. Kollegiatinnen und Kollegiaten aufgenommen. Sie berufen sich auf eine gemeinsame pädagogische Tradition und kooperieren z.B. bei gemeinsamen Tagungen. Sie unterscheiden sich aber schon wegen der unterschiedlichen Schulstufen sowie voneinan-der unabhängiger Entwicklungen erheblich in ihren Strukturen und ihrer schulischen Arbeit. Hartmut von Hentig war mit der Gründung der Schulprojekte da-von ausgegangen, dass die Schulpädagogik genauso Schulen als praktisch-empirisches Versuchsfeld benötigt, wie die medizi-nische Wissenschaft medizinische Kliniken. Bis heute und in letzter Zeit verstärkt arbeiten in dieser Tradition die Lehrenden des OS in ihrer Eigenschaft als Lehrerforscher mit den Wissen-schaftlern im Team der Wissenschaftlichen Leitung zusammen. Diese Zusammenarbeit ermöglicht die Anschlussfähigkeit an die wissenschaftlichen Debatten vor allem der Schulpädagogik und der Bildungspolitik und lässt die umfangreiche reflexive pädago-gische Erfahrung der Lehrenden als „Praxisforschung“ produktiv werden. Viele von ihnen sind zusätzlich in ihren Fachgebieten wissenschaftlich und publizistisch tätig.

An der Eingangspforte ein Schild: UNESCO-Projektschule. Hinter dem Haupteingang öff-net sich ein mindestens 100 m langer Flur, die Schulstraße. An runden Tischen sitzen einige

Jugendliche herum, reden, warten. Worauf? Ein Bewerber-Info hängt hinter einem der Tische an einer Stellwand: Wer am Oberstufen-Kolleg aufgenommen werden will, muss zuvor ein Bewerbungsverfahren durchlaufen und an einem Bewerbungsgespräch teilnehmen. Dafür muss sie oder er ein eigenes Produkt mitbringen, das etwas über ihre bzw. seine Interessen und Leistungsfähigkeit mitteilt.

Information

Bewerben können Sie sich am OS, • wenn Sie die Qualifikation für die gym-

nasiale Oberstufe (Q-Vermerk) bzw. die Fachoberschulreife (FOS) haben, also keinen Q-Vermerk vorweisen können

• wenn Sie einen Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung ha-ben oder mindestens 3 Jahre berufstätig waren. Aus: Die Ausbildung am Oberstufen-Kolleg.

Informationen für Bewerberinnen u. Bewerber

Das Ergebnis des Gesprächs, an dem auch ältere Schülerinnen oder Schüler des OS teil-nehmen, ist eine Empfehlung für das OS. Oder es wird von einer Ausbildung am OS abgeraten. Zurzeit und in den letzten Jahren bewerben sich ungefähr 400 Jugendliche pro Jahr für die 200 Ausbildungsplätze.

Rechts von mir sind Postfächer in die Wand eingelassen. Daneben die Liste der KollegiatIn-nen. Ich schätze: 600 Namen und lese die ersten Nachnamen: Ahmadzai, Aini, Akemeier, Akman, Apenbrink, Appelt, Atangana, Augstein. Ist diese Internationalität typisch für das OS oder eher Zufall? Ungefähr 30% der Mütter und/oder Väter unserer Schülerinnen und Schüler stammen aus einer anderen Kultur. Die Schülerinnen und Schüler des Oberstufen-Kollegs heißen Kollegiatinnen und Kollegiaten. Sie sind nicht nur kulturell, sondern auch „al-tersgemischt“ (Bewerbungsalter 16 – 25); fast die Hälfte bringt keinen Qualifikationsver-

(Fortsetzung auf Seite 5)

2 Bewerbung um den Deutschen Schulpreis 2006

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Kriterium

Umgang mit Vielfalt „Ich finde das OS gerade in dieser Hinsicht hervorstechend. Ich habe von keiner anderen Schule gehört, in der es so viele verschiedene Leute gibt, die trotzdem gleich behandelt werden.“ Veronika Gramlich „Da ich meinen Q-Vermerk auf einer Gesamtschule nicht erworben habe ist das OS in der Hinsicht der verschiedenen Bildungshintergründe gut ausge-legt!“ Florin Judt „Da wir im OS viel in Kleingruppen arbeiten, konnte ich mich (besonders) im Studienfach Musik mit anderen SchülerInnen mit unterschiedlichen Fähigkei-ten und Voraussetzungen austauschen und ergänzen. Man trifft sich gegen-seitig gerne.“ Matthias Riedinger „Durch die Projektphase am Ende des Semesters kommen die unterschied-lichen Leute zusammen und konzentrieren sich auf ein Thema, bei dem jeder einzelne etwas beitragen, seine Stärken zum Ausdruck und seine Schwä-chen beseitigen kann.“ Mario Schürmann (Alle befragten KollegiatInnen gehören zum Studienfach Pädagogik des Jahrgangs 2005)

Der „Umgang mit Vielfalt“ gehört am Oberstufen-Kolleg zum Schulalltag: KollegiatInnen mit unter-schiedlichen schulischen und sozialen Voraussetzungen (knapp 50% KollegiatInnen ohneQualifikationsvermerk für die gymnasiale Oberstufe; Altersmischung durch ein Aufnahmealter biszu 25 Jahre) und vielfältigen kulturellen, sprachlichen, weltanschaulichen und religiösenErfahrungen besuchen die Versuchsschule. Der konstruktive Umgang mit Heterogenität wirdauch in den kommenden Jahren den Schwerpunkt der Schulentwicklungsarbeit undForschungsaktivitäten am Oberstufen-Kolleg darstellen: • Bei der Entwicklung und Erprobung von Unterrichtskonzepten und Lernarrangements spielt

die Berücksichtigung des sozialen und kulturellen Erfahrungshintergrundes sowie der Inte-ressen und Neigungen der KollegiatInnen eine besondere Rolle.

• Unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen und Leistungsmöglichkeiten werden im Rahmenverschiedener Förderansätze aufgegriffen: Auf der Grundlage individueller Eingangsdiag-nosen in den Bereichen Deutsch, Mathematik und fortgesetzter Fremdsprachen besuchenKollegiatInnen zum Ausgleich partieller Defizite entsprechende Förderkurse (Brückenkurse).

• Gleichzeitig besteht für QuereinsteigerInnen bei entsprechenden schulischen Vorleistungenund Diagnoseergebnissen die Möglichkeit, direkt in die 11.2 oder 12 einzutreten und so ihreAusbildungszeit bis zum Abitur individuell zu verkürzen.

• Eine besondere Förderung der für die allgemeine Studierfähigkeit erforderlichen grundlegen-den Fähigkeiten bieten Basiskurse in den Fächern Deutsch, Mathematik, fortgeführterFremdsprache und Computer Literacy.

• Weitere Bestandteile des Förderkonzepts zur Orientierung und Unterstützung der Kolle-giatInnen bei der Ausgestaltung ihrer individuellen Lernwege sind das TutorInnensystem, dieLaufbahnberatung, die Schulsozialarbeit und die psychosoziale Beratung. Nicht zuletztwirken sich auch das offene Lernklima, die besonderen Formen der Leistungsbewertung undRückmeldekultur des Hauses förderlich aus.

Elke Rosowski, Wiss. Mitarbeiterin im Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt Heterogenität

„Ich hatte ein Bild von mir als Sonderling, und das war ich auf dem Gymnasium, das ich bis zum10. Schuljahr besucht hatte, vermutlich auch. Dann kam ich am ersten Morgen in das Kolleg, steifwie ein Stock und den inneren Mantelkragen hochgeschlagen bis zum Haaransatz, und alles warvoll von Sonderlingen. Es gab keinerlei Homogenität: Alter, Sprachen, Haarfarbe, Kleidungsstil,Auftreten, Staatsangehörigkeit, Religion, Herkunft, Geschichte, alles war gemischt, unter-schiedlich, und mit wem man auch redete, man bekam einen komplexen und mehr oder minderverwickelten Bericht darüber zu hören, wie und weshalb es diese Person hierher verschlagenhatte. … Zum Teil waren die Pläne, die mit der Entscheidung zusammenhingen, von bezau-bernder Weltfremdheit, zum Teil waren sie entschieden pragmatisch motiviert, und in manchenFällen beides zugleich.“

Judith Berges, ehemalige Kollegiatin(Aus einem 2003 in einer Berliner Literaturzeitschrift veröffentlichten Beitrag über Bielefeld)

Oberstufen-Kolleg Bielefeld 3

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Kriterium

Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner „Durch die Arbeit auf den Lernfeldern habe ich gelernt, die Ablenkungen zu ignorieren und mich ganz auf mich und mein Lernen zu konzentrieren.“

Nina M., Kollegiatin, Jg. 2004 „Der Großraum befreit das Denken“ Kollegiatin, Jg. 2002

„Durch die offenen Unterrichtsräume / Sitzgelegenheiten und die Blumen kann sich keiner verschanzen. Alles wirkt offen und willkommen. Zu einer Schule, die jeden willkommen heißt, gehe ich gerne.“

Sarah Jauernig, Kollegiatin, Jg. 2005 „Ich gehe gerne zum OS, weil man hier in freien Räumen lernt und sich nicht eingeengt fühlt“ Béatrice Herrmann, Jg. 2005 „Es gibt hier eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung, und weil die Lehrer weniger autoritär als auf anderen Schulen sind, gibt es auch weniger Kon-flikte.“ Ümit Tüzen, Kollegiat, Jg. 2005 „Das Lehrer-Schüler-Verhältnis finde ich sehr gut, weil sich die Lehrer nicht über die Schüler stellen. Außerdem finde ich die Atmosphäre in der Schule im allgemeinen als sehr angenehm.“ Joke Czapla, Jg. 2005 „Am OS herrscht eine supernette, freundliche Atmosphäre, aufgeschlossene Mitkollis, gute Lehrer, die guten Unterricht machen und die für einen da sind, wenn wir Fragen, Kritik und Anregungen haben.“

Sophie S., Kollegiatin, Jg. 2003 „Ich arbeite gerne als Sekretärin am OS, weil - meine Arbeit und mein Engagement anerkannt werden - das Arbeitsklima untereinander, auch zu den Lehrenden und

Vorgesetzten, gut ist - ich größtenteils selbständig arbeiten kann - die Raum- und Geräteausstattung verbessert wurde - es Möglichkeiten zur Fortbildung gibt - seit Einführung der Gleitzeit die Arbeitszeiten etwas flexibler gehandhabt

werden können Ulla Laplace, Sekretärin

„Ich arbeite gerne am OS, weil ich hier mehr lerne als lehre.“ Georg Rox, Lehrender für das Studienfach Musik

Warum bin ich gerne am OS Lehrender? Ich bin seit 32 Jahren am Oberstufen-Kolleg Studienfachlehrer für Psychologie. Ich kann ehrlich schreiben, dass es meine beste Entscheidung in meinem Leben war, hier Lehrender zu werden. Auf der einen Seite konnte ich mein Studienfach etablieren, auf der anderen Seite mich auf verschiedenen Gebieten weiterentwickeln bzw. meine Interessen auch verwirklichen, z.B. Theater, Musical. Gerade die Möglichkeit nicht nur sein Fachgebiet immer besser darzubieten, sondern auch die verschiedenen Seiten der eigenen Persönlichkeit weiterzuqualifizieren, war mir am OS gegeben. Auch das Modell des Lehrens und Forschens regte immer wieder zur Verbesserung des eigenen Unterrichts an, zeigte auf, wie notwendig die Reflexion des eigenen Unterrichtsverhaltens ist und konnte dazu beitragen, meine Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Die oft anstrengenden Auseinandersetzungen um die oft bedrohte Weiterexistenz des OS haben mir eine Möglichkeit geboten, darüber zu reflektieren, warum ich an dieser Schule bin und bleiben möchte. Hans Hermsen, Lehrender für das Studienfach Psychologie

und außerschulische Partner

Südamerika: Afrika: Europa:

• Deutsche Humboldt-

Schule und ESPOL Guayaquil / Ecuador

• Universidad de Lima / Peru

• Universidad deVina del Mar / Chile

• Schulen in der Provinz KwaZulu/Natal bei Pietermaritzburg / Südafrika

• Makini-Academy u. St.Mary´s School in Nairobi / Kenia

• Schulpartnerschaft mit Wyszsa Szkola Zarzadzania w Rzeszowie / Polen

• Fakultät für Pädagogik an der Universität Nowgorod / Russl.

Bewerbung um den Deutschen Schulpreis 2006

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merk für die Oberstufe mit (stattdessen die Fachoberschulreife oder den Hauptschulab-schluss mit Berufserfahrung); auch deshalb sind die Leistungsunterschiede, zumindest am An-fang, sehr groß. Also: ein ungewöhnlich „hete-rogener“ Haufen. „Heterogenität“ – ich mag das Wort nicht, aber die Schulpädagogik hat kein schöneres gefunden. Und so hat das OS in seinem vor kurzem verabschiedeten Schul-entwicklungsplan hier zu Recht einen deut-lichen Entwicklungsschwerpunkt gesetzt unter dem Stichwort: „Vielfalt nutzen“.

Diese Buntheit und Vielfalt der Kollegiat-Innen ist das, was mir in meiner Besucherrolle als erstes in die Augen fällt. Noch nicht einmal die für Jugendliche typische Kleiderordnung scheint es hier zu geben; oder ist gerade das Fehlen üblicher Normen hier die Norm ? (vgl. Kriterium „Umgang mit Vielfalt“, S. 3) Die Lehrerinnen und Lehrer nennen sich Leh-rende. Und die Leistungskurse Studienfächer. Hier gibt es eine Welt eigener Worte und eine Liste mit 55 OS-spezifischen Abkürzungen. Ob sich hinter dieser Vielfalt der eigensinnigen Wörter am OS auch immer etwas Außerge-wöhnliches verbirgt?

Noch habe ich Zeit bis zu meinem Termin mit dem Kollegleiter. Ich flaniere die Schulstraße entlang. Links eine Wand, mit Spots beleuchtet: Projektunterricht steht darüber, in sorgfältig ausgeschnittenen und aufgeklebten Papierbuch-staben. Darunter Projektankündigungen mit einem einheitlichen Logo: Eine Maus wühlt sich in die Erde, den Schwanz wie eine Anten-ne emporgereckt. Sie wühlt wohl nach Projekt-ideen - aber die sind doch reichlich vorhanden, sortiert nach grundkursbezogenen, studien-fachbezogenen und freien Projekten: Düfte, Erfinderclub, Daular: ein Kooperationsprojekt mit einer Schule in Ecuador, 2.Weltkrieg in Bielefeld – Konzipierung eines historischen Stadtgangs, Linie 1, ein Musiktheater, Auf-führung nächstes Wochenende … . Auch die Projektinitiativen müssen sich bewerben und dafür bestimmte Kriterien erfüllen. Ein Pro-jekthearing dient der Beratung und der Ge-nehmigung. Aufwändig, aber notwendig und erfolgreich. (Projekte: siehe Kriterium Verantwortung, S. 12)

Hinter der Projektwand taucht auf einer ver-glasten Fläche ein eleganter Schriftzug auf: Li-teraturcafé. Waffelduft strömt in meine Nase, etwas tiefer meldet sich der Hunger. Ich folge dem Duft. Eine Treppe führt nach unten, in einen Raum, der sich weit nach oben öffnet und auch von der Schulstraße aus eingesehen

werden kann. Die Waffel wird mir von einer Jahrespraktikantin der Sozialpädagogik überreicht und auf Wunsch mit Puderzucker bestäubt. 50 Cent bitte. Danke.

Information

Schulsozialarbeit In Einzelfallberatungen greift die Schulsozialarbeit die Lebens-welt der KollegiatInnen (Finanzprobleme, Ablösung vom Eltern-haus, Finanzierung der Ausbildung, Beziehungsprobleme etc.) auf, in dem sie unterstützend und beratend tätig wird. Präventiv wird die Schulsozialarbeit in aktuellen Zusammenhän-gen tätig (u. a. Gewaltprävention, Suchtmittelkonsum, Übergang Schule-Beruf, Schulden), indem sie z. B. Informationsveranstal-tungen für KollegiatInnen und Lehrende konzipiert und durch-führt. Ein weiteres Arbeitsfeld der Schulsozialarbeit ist die Freizeit-pädagogik am Oberstufen-Kolleg. Unter besonderer Berücksich-tigung der heterogenen Schülerschaft werden über niedrig-schwellige Angebote im Kulturcafé Kontakte zur Schulsozial-arbeit hergestellt. Darüber hinaus sollen innerhalb der Schule Freizeiterleben, Entspannung und kulturelle Aktivitäten ermög-licht werden. Die Angebote der Schulsozialarbeit sind freiwillig und bedürfnisorientiert. Eine enge Kooperation innerhalb der Schule und im sozialen Hilfenetz ist unerlässlich. Die verwaltungstechnische und beratende Zusammenarbeit mit dem Studentenwerk Bielefeld als Trägerin der 150 Wohnheim-plätze für KollegiatInnen ist fester Bestandteil der Schulsozial-arbeit. Seit 1998 ist der Bereich Schulsozialarbeit durch eine feste, un-befristete Stelle abgesichert. Personell ist sie durch eine Diplom-Sozialpädagogin besetzt. Zusätzlich wird jedes Jahr ein/e Jahrespraktikant/in aus dem Fachbereich Sozialwesen ausgebildet. Nicola Schultz, Schulsozialarbeiterin

An den Tischen lesen KollegiatInnen Zeitun-gen. Zwei spielen Schach, andere Karten. Einer hat hier seinen Laptop aufgebaut. Ungefragt schaut er hoch: „Ich schreib’ ein Hand-out für mein Referat über Sokrates. Es muss gut wer-den, weil ich es in mein Portfolio aufnehmen will.“ Sokrates / Platon – Rousseau – De-wey: Das sind die wichtigsten geistigen Ahnen von Hartmut von Hentig (ob der Kollegiat das weiß?!). HvH, wie er hier genannt wird und diese anderen Geistesgrößen sind hier noch gegenwärtig, nicht nur weil sie auf Feld II aus ihren Bilderrahmen gelassen in die Lernland-schaft schauen. An den Wänden des Kultur-cafés dagegen hängen Veranstaltungspläne: Morgen wird eine Kollegiatin aus Kenia über ihr Land berichten.

Ich mache mich auf den Weg zum Kollegleiter. Links zwei Computerräume, daneben Hin-weisschilder, die zu den Unterrichtsräumen und Labors der Naturwissenschaften führen. Dann geht’s weiter durch eine Art Tunnel, Treppen führen nach oben. Ich mache einen Umweg und stehe auf einem der Lernfelder,

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Kriterium

Leistung „Ich finde, dass das OS eine hervorragende Struktur hat, hier können Bewer-berinnen sogar ohne Q-Vermerk ihr Abitur machen. Dennoch gibt es in derSchule Brückenkurse in Deutsch, Englisch und Mathe, die uns Kollegiatenhelfen - bzw. mir in meinem Defizitfach Mathe.“ Katja Cakar (Kollegiatin)„Durch die Brückenkurse konnte ich mit meinen Mitschülern meineWissenslücken beseitigen.“ Alex Penner (Kollegiatin)

Leistungsbewertung und Portfolio Das alternative Leistungsbewertungssystem des Oberstufen-Kollegs gehört zu den grundlegen-den Merkmalen der Versuchsschule Oberstufen-Kolleg. Mit seinem Verzicht auf Zwischenzeug-nisse, dem pass-fail-System, unbenoteten Kursen, dem Nebeneinander von unbenoteten undbenoteten Leistungsnachweisen und den breiter gefächerten Möglichkeiten der Leistungser-bringung unterscheidet es sich konstitutiv von dem Leistungsbewertungssystem der gymnasialenOberstufen. Das Portfolio als eines seiner Bestandteile dient in diesem Kontext der Sammlungund Dokumentation der erbrachten Leistungen der KollegiatInnen. In ihrem Ausbildungsverlauf ist das Portfolio als Dokumentenmappe Zulassungsbedingung zuformalen Übergängen (Übergang von der Eingangsphase zur Hauptphase, Zulassung zur Abitur-prüfung), Grundlage für pädagogische Gespräche (Übergangskonferenzen) und inhaltlicheGrundlage für eine mündliche Abiturprüfung im Grundkursbereich. Mit dem Portfolio werden weitreichende pädagogische Ziele und konzeptionelle Vorstellungeneiner spezifischen Lern- und Leistungskultur am OS verbunden und kommuniziert. Das Portfoliosoll

• die Kommunikation über Leistung zwischen Lernenden und Lehrenden fördern, • die KollegiatInnen an der Leistungsbewertung beteiligen, • selbstreflexives und selbstgesteuertes, individuelles Lernen fördern, • unterstützen, individuelle Lernprozesse und Lernentwicklungen wahrzunehmen und

gestaltend zu steuern, • helfen, Leistungen zu bilanzieren, • diagnostisches Handeln ermöglichen, • neue Formen der Prüfung ermöglichen.

Das Konzept und die Praxis des Portfolios am OS müssen evaluiert und weiterentwickelt werden,um sein Reformpotential im Hinblick auf einen veränderten Umgang mit Lernprozessen,Leistungserbringung und Leistungsbewertung nach außen entfalten zu können.

Aus dem Forschungs- und Entwicklungsplan 2004 - 2006Brückenkurse Deutsch Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler kommt ohne Qualifikationsvermerk ans Kolleg. Da ist es vorhersehbar, dass viele von ihnen Probleme mit den sprachlichen Anforderungen haben. Einer gezielten Förderung muss eine differenzierte Diagnose vorangehen, die es erlaubt zu klären, in welchen Bereichen es Defizite gibt, die Risikofaktoren für einen erfolgreichen Ab-schluss der Sekundarstufe II sein könnten. … Bei etwa 30 – 40% eines Jahrgangs werden Defi-zite in der schriftsprachlichen Kompetenz diagnostiziert. In den Brückenkursen Deutsch erhalten sie, parallel zu den Basiskursen, in kleinen Gruppen mit Teilnehmern mit ähnlichen Schwierig-keiten, zusätzliche Förderung. Die Evaluation der ersten drei Jahrgänge, die nach diesem Konzept unterrichtet wurden, zeigt Erfolge. … Intendiert ist das Angebot einer individuellen Schreibberatung, die auf Empfehlung oder aus eigener Initiative wahrgenommen werden kann. Aus: Ida Hackenbroch-Krafft, Karin Volkwein: Erfahrungen aus dem Oberstufen-Kolleg Bielefeld

– Auch die Oberstufe muss über Förderkonzepte nachdenken; in: nds 12 – 2005, S.16 – 17)

Die Brückenkurse Mathematik Die nach einem Diagnosetest wöchentlich stattfindenden verbindlichen Brückenkurse Mathe-matik dienen der Aufarbeitung von Defiziten aus der Sekundarstufe I. Ablauf und Inhalt der ein-zelnen Sitzungen orientieren sich an den aktuellen Lernbedürfnissen der KollegiatInnen, die sie aus den Basiskursen mitbringen. Die Tutoriumsform, die Zusammensetzung der Brückenkurse quer zu den 10 Basiskursen sowie der Lehrendenwechsel fordern und fördern eine verstärkte Kommunikation über Mathematik bei der Formulierung von Fragen/Problemen und der verglei-chenden Diskussion von Lösungsstrategien. Neben der Anforderung, mathematische Sachver-halte eigenständig zu formulieren, haben betreute Einzel- und Gruppenübungen ein hohes Gewicht. Martina Möller, Lehrende für Mathematik

6 Bewerbung um den Deutschen Schulpreis 2006

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mitten in der berühmten „Drei-Felder-Wirt-schaft“, dem Großraum des OS. Ungefähr die Hälfte des Unterrichts findet hier vor aller Augen (und Ohren, was nicht immer ein Schmaus ist) statt. Die drei Felder sind ca. 450 qm groß, unterschiedlich gestaltete Flächen, die von höher gelegenen Wichen (ahd.: Wegen), eingerahmt werden. Pflanzen wachsen hier, da-runter Urwaldpflanzen, so dass man manchmal glaubt, dass man eine Machete benötigt, um vorwärts zu kommen. Auch jede Menge kleine-rer Gewächse begrünen die OS-Welt und ver-bessern das Binnenklima und vor allem das optische Erscheinungsbild.

Information

Grünzeug am Oberstufen-Kolleg Seit ungefähr 20 Jahren kommt 1 oder 2 Tage pro Woche eine freundliche Gärtnerin ins OS und sorgt für den Pflanzenwuchs, pflegt und umhegt ihre Schützlinge. Ihre Arbeit wird vom Förderverein (d.h. vor allem die Lehrenden) des Oberstufen-Kollegs finanziert. Zuvor war al-les grau (Betonwände) und orange (Farbe der Versorgungsleitungen).

Die Wiche dienen der Kleingruppen- und Ein-zelarbeit und werden auch für die Freizeit ge-nutzt. Es gibt bestimmte Ecken und Tischgrup-pen, an denen man in den Pausen die oft glei-chen Freundeskreise in angeregten Gesprächen antrifft. Hier, auf Feld III, trennen gläserne Wände die 6 Kursarbeitsplätze voneinander. 15 bis 25 KollegiatInnen sitzen an Tischen im Carré; neugierig schaue ich durch eine Lücke. Aha, vorne steht die Lehrerin, redet, an der Wandtafel mathematische Formeln, die Jugend-lichen aufmerksam ihren Ausführungen fol-gend. Beruhigende Normalität in einer so frem-den und den meisten Besucherinnen und Besu-chern doch schnell vertrauten Schulwelt.

Ein Kollegiat schleppt ein großes Brett über das Feld. Wo geht’s denn hin? Zur Holzwerkstatt. Es lohnt sich ihm zu folgen. Das Brett gehörte zum PISA-Turm, einem drei Meter hohen Aus-stellungsobjekt, auf dessen Außen- und Innen-flächen drei Jahre lang auf Feld II Informationen über die PISA-Studie präsentiert worden waren, u.a. die guten PISA-Ergebnisse der Laborschule. Außen auf dem Turm hatten sich andere Biele-felder Schulen und das OS mit ihren jeweiligen Stärken vorgestellt. Der PISA-Turm war 2001 von einem Projektkurs in der Holzwerkstatt ge-zimmert worden. Jetzt wird er abgebaut und schafft dadurch Raum für Neues. Und das Holz

wandert zurück in die Werkstatt. (vgl. „Das päd. Konzept der Werkstätten“, S. 8)

Ich befinde mich im Flur der Verwaltung. Schilder an den Türen weisen mir den Weg: Beratungsraum, Konferenzraum, Kopierraum, Sekretariat, Wissenschaftlicher Leiter, noch ein Sekretariat, Organisationsleiter, schließlich Kollegleiter.

Der Kollegleiter Hans Kroeger hat noch Be-such, lässt mich aber, mit Tarnkappe, trotzdem eintreten. Ein Kollegiat beschwert sich bei ihm über seinen Stundenplan. Er sieht dadurch seine Zulassung zum Abitur gefährdet. Der Kollegiat aufgeregt, dennoch bleibt der Leiter ruhig und freundlich. Ein Rat, der Kollegiat ist einigermaßen zufrieden, geht. „Danke, Hans.“ „Tschüss, Arno.“ Ich nehme die Tarnkappe ab: „Ich weiß, von Anfang an wurde hier allseitig geduzt und das gehört zum OS wie der Großraum. Aber manchmal frage ich mich, ob das noch zur heutigen Jugend passt – und zu den Lehrenden, die ja zunehmend Lehrende mit 2. Staatsexamen für die Sekundarstufe II sind?“

Information

Die Studienfächer des Oberstufen-Kollegs Deutsch, Englisch, Spanisch, Künste, Musik, Frauenstudien, Geschichte, Gesundheitswissenschaften, Pädagogik, Psycho-logie, Philosophie, Rechtswissenschaft, Soziologie, Wirtschafts-wissenschaften, Biologie, Chemie, Geologie, Informatik, Mathe-matik, Physik, Technik, Umweltwissenschaften, Evangelische Theologie, Sport

Hans Kroeger: „Es stimmt, wir könnten darü-ber diskutieren, ob die Kultur des Duzens noch in die Zeit und ins OS passt. Aber nicht nur die Gewohnheit spricht dafür, sondern auch die KollegiatInnen, die das fast durchweg

Oberstufen-Kolleg Bielefeld 7

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Kriterium

Unterrichtsqualität Das pädagogische Konzept der Werkstätten am OS (Holz-, Metall- und Elektrowerkstatt) „Ein Gramm Erfahrung ist besser als eine Tonne Theorie“ (John Dewey, 1916 ) Ein viel versprechender Ansatz zur zeitgemäßen Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität ist derkompetenzorientierte Ansatz auch durch praktische Werkstattarbeit in den Werkstätten des Ober-stufen-Kollegs. Dem Begriff geht das Begreifen voraus, der Einsicht das Einsehen. Aktivität ent-wickelt sich in der Tätigkeit, Lernen geschieht besser im Zusammenhang mit konkreten Projekten.Die Fähigkeit zum Selbstlösen von Problemen der Umwelt entwickelt sich am ehesten dort, wo das„Tun dürfen“ vorherrscht. Zu den pädagogischen Grundsätzen des kompetenzorientierten Werkstatt-Unterrichts am Oberstu-fen-Kolleg gehört, dass er: interessenorientiert und zielgerichtet, selbst- und mitbestimmend, ganz-heitlich und fächerübergreifend, handlungsorientiert–anschaulich, problemorientiert und forschend-kreativ, innovativ sowie schülerorientiert und umfeldbezogen ist. Dabei werden verschiedeneMethoden des Lehrens/Lernens eingesetzt. Siegfried Berger, Leiter der Metallwerkstatt

Integrierter Förderkurs Englisch In Abweichung von den Rahmenrichtlinien wird in der Englischausbildung am OS der Umgang mitschriftlichen Texten besonders hervorgehoben. Dieses Konzept begründet sich zum einen durchdie Besonderheit unserer heterogenen Klientel, die einen Schwerpunkt auf Spracherwerb/ Gram-matik/ Critical Language Awareness nötig macht, zum anderen auf das besondere Augenmerk, dasauf die Entwicklung von Studierfähigkeit gelegt wird. Die Entwicklung von Leseverstehen und Lese-strategien in der Fremdsprache Englisch und die Fähigkeit mit verschiedenen Textsorten und Me-dien umzugehen sind dabei wesentliche Elemente einer wissenschaftspropädeutischen Ausbildung.Diejenigen SchülerInnen, bei denen anhand der Ergebnisse eines Einstufungstests zusätzlicherFörderbedarf festgestellt wurde, nehmen an einem sechsstündigen integrierten Förderkurs teil: Siebefinden sich im Basis- und im Förderkurs in einer konstanten Lerngruppe mit der gleichenLehrperson. In den Förderkursen wird die Gruppengröße reduziert, die Leistungsheterogenität inden übrigen vierstündigen Basiskursen wird gesenkt. Dadurch werden Gefühle der Unter- bzw.Überforderung bei den TeilnehmerInnen an den Basiskursen vermieden und eine konsekutiveNiveausteigerung bei den förderbedürftigen Schülern ermöglicht.

aus: “Curriculum für die Pflichtausbildung Englisch am Oberstufen-Kolleg“ (2003) und„Basiskompetenzen in Englisch: Förderkonzepte und ihre Optimierung“ (2006). (Beispiel aus dem

Basiskonzept siehe Anlagen)

Lernbüro Mathematik gegründet Seit Anfang März 2006 besteht ein „Lernbüro Mathematik“ im Oberstufen-Kolleg. Es findet dienstags und freitags 12.15 bis 14.15 Uhr auf der Öko-Galerie statt, wird immer von zweiLehrenden begleitet und dient als Anlauf- und Lernstation für alle Kollegiatinnen und Kollegiaten,die Gespräche mit anderen Kollegiatinnen und Kollegiaten über aktuelle Lernschwierigkeiten,notwendige Stützung (auch bei Übungsblättern aus Kursen) über Buch- oder Internet-Tipps zumSelbstlernen führen möchten oder eine Lerngruppe zu Mathematik gründen wollen. Kollegiatinnen und Kollegiaten mit guten Kenntnissen in Mathematik, die insgesamt 60 h „Unter-richt“ im Lernbüro geben, deren Unterricht dort von einem der begleitenden Lehrenden angeleitetwird und die über ihre Lehrerfahrungen einen Bericht schreiben, können dafür einen Praktikums-schein (über ein 2-wöchiges Praktikum) bekommen. Bis jetzt kommen ca. 10 Kollegiatinnen und Kollegiaten regelmäßig; die Gesprächsthemen reichenvon der Potenzrechnung bis zu Differentialgleichungen, von formaler Logik bis zur Testtheorie, vonÖkonometrie bis zur Vektoranalysis. Stephan Holz, Lehrender für Mathematik

Theater am Oberstufen-Kolleg. Theater am Oberstufen-Kolleg ist mehr als eine Arbeitsgemeinschaft, es ist ein wesentlicherBestandteil im Kurssystem der ästhetischen Bildung. In drei aufeinander folgenden Kursen werdendie Grundlagen der Schauspielkunst und der Dramaturgie erarbeitet. Die Arbeitsweise folgt der Methode des Theaterpädagogen Stanislawski, der durch zahlreicheÜbungen die produktive Einfühlung in die Rolle gezeigt hat. Besonders wichtig erscheint dabei die Gestaltung der Sprache im Zusammenhang mit anderenAusdrucksmitteln wie Pantomime, dem Tanz, dem Gesang und der Musik. In regelmäßigenAbständen werden die Arbeiten der Öffentlichkeit vorgestellt. 1992 Die Dreigroschenoper, 1996 Pygmalion, 1998 Ich, Schubert, 2002 Der kleine Horrorladen,2004 Die Rocky-Horror-Show, 2006 Linie I. Albrecht Stoll, Lehrender für Musik

8 Bewerbung um den Deutschen Schulpreis 2006

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als angenehm empfinden und als ein wichtiges Merkmal unserer Schulkultur wahrnehmen. Aus meiner Sicht hilft das Duzen vor allem denjeni-gen KollegiatInnen, die mit schwierigen Schul-karrieren und schlechten Erfahrungen mit früheren LehrerInnen zu uns kommen. Das Du erleichtert den persönlichen Kontakt zu den Lehrenden als 'niedrig schwelliges Angebot'. Es gibt auch Kollegen, die siezen. Das ist also auch möglich. Da muss man kein Dogma draus machen.“

Positive Erfahrungen haben alle MitarbeiterIn-nen des OS mit der „Leitung auf Zeit“ ge-macht. Alle 4 Jahre werden die 4 Mitglieder der Kollegleiter vom Kollegium gewählt und dann erst ernannt. Dadurch bilden sich im Ver-hältnis Leitung - KollegInnen keine dauerhaf-ten Abhängigkeiten aus, unter denen ja viele Schulkollegien leiden. Genereller Tenor zu diesem Thema: Wir haben insgesamt sehr gute Erfahrungen mit der Rotation der Leitungen gemacht. Der Rollenwechsel – über 30 Lehrende waren inzwischen in einer oder mehreren Funktionen der Schulleitung tätig – führt auch zu einem erheblichen Weiter-bildungseffekt, wenn man überlegt, wie viel Leitungserfahrung sich im OS inzwischen ange-sammelt hat. Dazu kommt noch die turnusge-mäße verpflichtende Teilnahme aller Lehren-den in den zahlreichen Selbstverwaltungsgre-mien des OS, auch wenn einige davon nicht so begeistert sind: Das ist sehr zeitaufwändig und sie möchten sich lieber dem Unterricht oder der Forschung oder beidem widmen. Auch hier eröffnen sich nicht nur vielfältige Mit-bestimmungsmöglichkeiten in der Selbst-verwaltung. Und so wird auch notwendige Arbeit verrichtet und geteilt. Gerade neue KollegInnen berichten oft davon, dass es keinen besseren Weg gibt, sich in die kom-plizierten Vorgänge und Verfahren des OS einzuarbeiten als durch die Mitarbeit in einem seiner Gremien. Bevor ich mich von Hans Kroeger verabschie-de, berichtet er mir von den neuesten Entwick-lungen im politischen Raum, die das OS direkt betreffen. „Wir sollen noch in diesem Jahr aus dem Bereich des Wissenschaftsministeriums in den Bereich des Schulministeriums überführt werden. In diesem Zusammenhang muss ich jede Menge Gespräche führen, verhandeln, im OS informieren und die Interessen unserer MitarbeiterInnen vertreten, die im Augenblick teilweise zu Recht um ihre Stellen fürchten. Schon oft hieß es bei uns: S OS – Rettet das OS!“

Aufgewühlt verlasse ich das Büro des Kolleg-leiters und wende mich im Flur nach links.

Während ich so dahinschwebe, muss ich mich angesichts der aktuellen Herausforderungen unseres Bildungswesens fragen, ob es aufgrund finanzieller Engpässe vertretbar sein kann, einer Einrichtung wie dem OS die Ressourcen zu beschneiden statt sie zu nutzen, um gemeinsam mit anderen Schulen Lösungen zu erarbeiten – zum Beispiel im Umgang mit Heterogenität.

Information

Mitbestimmung: Die Selbstverwaltung der KollegiatInnen An unserer Schule gibt es einen KollegiatInnen-Rat, kurz Krat, der sich hauptsächlich für die Bedürfnisse und Interessen der KollegiatInnen am Oberstufen-Kolleg einsetzt. In diesem Krat kann jede/r Kollegiat/in vom OS mitarbeiten. Zusätzlich dürfen sechs, von den KollegiatInnen, gewählte Kollegiat/Innen an der Hauptkonferenz (HK) teilnehmen. Das heißt, diese sechs Kollegiat/Innen sitzen in den sechs Gremien beziehungsweise Ausschüssen unserer Schule und dürfen in der HK ihre Stimme für oder gegen bestimmte Anträge abgeben. Das Verhältnis in der HK besteht aus sechs Kollegiat/Innen zu acht Lehrenden zu einem Elternteil und zu einer Person der technischen und administrativen Mitarbeiter. Um ein konkretes Beispiel zu geben, erzählen wir jetzt kurz etwas über ein aktuelles Problem: Wir haben, gemeinsam mit den Lehrenden am OS, einen so-genannten „Schulentwicklungsplan“ (SE-Plan) entwickelt und diskutiert. Dieser Prozess war schwierig und langwierig, denn hier ging es darum, einen Plan zu erarbeiten, der erklärt, wie das OS in den nächsten Jahren funktionieren soll. Zum Beispiel wird dort sehr viel Wert auf den Erhalt der Heterogenität unter den Kollegiatinnen und Kollegiaten am OS, gelegt. Das Wichtigste hierbei ist, dass wir nicht nur aktiv an diesem Plan mitwirkten und ihn verändern konnten, so dass wirklich die Interessen der KollegiatInnen berücksichtigt wurden, sondern, dass wir diesen Plan auch mit verabschieden durften. Wir haben also mitent-schieden, ob dieser Plan bald „Gesetz“ für die Mitarbeiter und Strukturen am OS sein wird. Natürlich soll der Plan dafür sorgen, dass Stärken des OS beibehalten und dass die Schwächen ausgebessert werden.

Sarah Jauernig, Naira Mulone Estevez, Johannes Riecke, Matthias Riedinger (Mitglieder des Krat)

Vor dem übernächsten Raum sitzen 3 Kolle-giatInnen, neben einander auf einer Bank. Ich setze mich neben sie. Sie rutschen auf die Seite. „Worauf wartet ihr?“ „Wir haben einen Termin beim Pädagogischen Leiter“. Wie ich. Im Ge-spräch mit dem Pädagogischen Leiter wird seine Philosophie im Umgang mit den „schwie-rigen Fällen“ deutlich. (vgl. Kriterium Verant-wortung. Interview mit dem Pädagogischen Leiter Stephan Holz, S. 10)

Der Kopf schwirrt mir etwas von dieser Nach-denklichkeit und diesen hohen Ansprüchen. Ich suche das Weite, und das ist in diesem Ge-bäude nicht schwer: Nach oben geht es über

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10 Bewerbung um den Deutschen Schulpreis 2006

Kriterium

Verantwortung „Im Vergleich zu „normalen“ Schulen bietet das OS viele Möglichkeiten aktiv,gerade in de Schulpolitik, mitzuwirken. Auf meiner alten Schule ( …) war diesnicht annähernd so vorhanden. Malte Bedler, Kollegiat

„ … Die Grundlage aller Konflikte, die KollegiatInnen haben, sind Konflikte mit sich selbst. Alsomit der eigenen Persönlichkeitsbildung, mit der eigenen Identitätsfindung. … Das OS ist aber eine Umgebung, wo man sich komplettieren darf. Und dann gibt es von denKollegiatInnen aus Versuchskontakte mit dem System, die dann auch mal als Konfliktedaherkommen, mit einem Lehrenden, Mitkollegiaten oder auch mal mit der Leitung. Was ich alseinen unglaublichen Vorteil des Oberstufen-Kollegs empfinde, als eine ganz hohe Qualität, dasswir überhaupt nicht pathologisieren, sondern wir nehmen erst mal jeden so, wie er ist. Undgucken uns das an, und hören ihm oder ihr zu. Das habe ich hier gelernt … . Ich finde, wir haben ziemlich viel Kontur den Kollis gegenüber und die können sich an dieserKontur abarbeiten, sich reiben. Die können ihre eigene Identität als Persönlichkeitvervollständigen, weil wir eine Kontur haben, die annehmend ist, aber nicht permissiv. Das findeich eine sehr gute Wachstumsumgebung.“

Stephan Holz, Lehrender für Mathematik und Pädagogischer Leiter am OS

Projektunterricht Projektarbeit ist ein fester Bestandteil der Ausbildung am Oberstufenkolleg (3 Pflichtprojekte). DieProjekte als Orte handlungsorientierten, anwendungsbezogenen und selbstständigen Lernenseröffnen regelmäßig Chancen, besondere Leistungen in Wettbewerben und Kooperationen mitverschiedenen Partnern zu erbringen. So haben KollegiatInnen im Rahmen einer mehrjährigenKooperation mit Ecuador einen Preis im Rahmen des Wettbewerbs „Demokratisch handeln“ undeinen Preis der UNESCO erhalten. Im Rahmen eines regionalen Geschichtswettbewerbs „Natio-nalsozialismus“ haben KollegiatInnen mit einem „Stadtrundgang 2.Weltkrieg“ einen dritten Preiserrungen. In einem anderen Wettbewerb ist das Engagement der Projektgruppe „Rechts-Rock –Hass und Rassismus aufs Ohr“ mehrfach ausgezeichnet worden. Die entsprechende Ausstellungist, genauso wie andere Ausstellung einer Projektgruppe zum Thema Zwangsarbeiter, nochimmer in deutschen Städten unterwegs. Einen besonderen Beitrag zur Versöhnung und zumWiederaufbau leistete eine Projektgruppe in Weißrussland durch die Mithilfe beim Bau vonUmsiedlungshäusern für Familien aus Tschernobyl. Dies sind einige Beispiele für besondereLeistungen in der Projektarbeit des OS aus den letzten Jahren, eine Liste, die sich nocherweitern ließe. Einige der Projekte sind in den Anlagen dokumentiert.

Wolfgang Emer, Lehrender für Geschichte und Koordinator für Projektarbeit

Umgang mit Gewalt – ein Gespräch „Ich habe heute mit den Kollegiaten in meinem Pädagogikkurs über Schulklima, Toleranzund den Umgang mit Gewalt gesprochen. Und die 22 KollegiatInnen haben übereinstim-mend gesagt, dass sie – immerhin innerhalb von fast einem Jahr – am OS noch kein Bei-spiel für physische oder psychische Gewalt und keine Diskriminierung von irgendeinem Kol-legiaten durch andere Kollegiaten oder durch Lehrende erlebt haben. Das finde ich ganz un-gewöhnlich und das hat mich in dieser Zuspitzung selbst überrascht, weil das Erfahrungensind, die normalerweise mit Schule in Verbindung gebracht werden. Das wäre, auch wennes sicher nicht für alle KollegiatInnen verallgemeinert werden kann, schon eine ganzbesondere Leistung“. Hans Frieder Dietz, Lehrender für Pädagogik „Ich finde, das ist eine unglaubliche Leistung. Nur das weiß ja fast keiner. Das ist eine nichtmessbare Qualität. Und wir nehmen ja eine Menge Leute auf, die nicht standardisiert sindals Persönlichkeiten, die eine Menge pädagogische Arbeit erfordern. Viele fangen sich hiererst wieder. Die sind Jahre lang getrudelt durch mehrere Schulen, mehrere Ausbildungen.Und die dürfen hier überhaupt mal irgendwo ankommen. Was du da gesagt hast, dass dieLeute hier keine Gewalt erleben, das sind richtige Kostenersparnisse. Wenn es das gibt, hatman nämlich ganz viel Renovierungskosten, ganz viel Vandalismus. Dauernd muss maneinen zum Arzt bringen, muss man Verletzungsberichte schreiben. Das kostet auch was.…. Das Problem haben wir hier nicht. …" Stephan Holz, Pädagogischer Leiter

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eine Treppe: Ich stehe wieder auf einem Lern-feld, diesmal ist es Feld I. Hier werden die Kursplätze nicht durch „Glaskästen“ wie auf Feld III, sondern durch Stellwände getrennt, die ihrerseits als Ausstellungsflächen und Do-kumentationsflächen der aktuellen Kursarbeit dienen. Auch hier sind viele Kursplätze fest vergeben: Feld I,1: Psychologie, Feld I,3: Frauenstudien, Feld I,4: Geschichte. Die Fä-cher haben ihre Markierungen hinterlassen (zu den 3 R von Hartmut von Hentig gehören ja neben dem Regeln vereinbaren, Rituale ent-wickeln auch das Reviere bilden): Das Studien-fach Geschichte z.B. zeigt eine bilderbewehrte Dokumentation der letztjährigen Exkursion ins italienische Mittelalter, einem Pflichtteil des Curriculums. Die „piazza“ und die „torres“ von Arezzo ziehen meine Blicke an; Texte beschreiben das Bildmaterial und ordnen es historisch ein. Und dass die Besucher aus Bielefeld lebendige Menschen sind, die sich auch mal einen vino gönnten, wird ebenfalls demonstriert. Alles ist schön gestaltet, unter-haltsam und lehrreich.

Ich wage mich zwischen die hohen Mauern der Festung des Fachs Geschichte. Es ist Pause. Ar beitsspuren der Historiker finden sich an den Wänden, aber auch ein Schaubild zur Biogra-phie von Jean-Jacques Rousseau. Ein Grund-kurs in der Hauptphase Philosophie, Thema Rousseau. Ein Schaubild zu seiner Biographie: Leben und Werk. Die Kursplätze beherbergen also auch Gäste. Und einige KollegiatInnen, die hier ein Gruppenreferat vorbereiten, klären uns mal so nebenbei über die „Konfiguration der Unterrichtsarten am OS“ auf :

Die nächste Treppe: Hier geht es nur noch aufwärts, zur Sonne, die im Augenblick ihre Strahlen durch das Scheddach schickt und das

Gebäude mit Licht überflutet. Von oben ge-sehen bilden sich auf den Feldern Sonnen-flecken, die sich in einem Fall auf einen

Information

Die Unterrichtsarten des OS • Die Studienfächer (Liste siehe S. 7): Zwei Fächer müssen

gewählt werden und sind frei kombinierbar • Die Basiskurse Deutsch, Mathematik, Informatische Bildung,

Englisch oder eine andere Fremdsprache; je nach Vorbildung eine zweite beginnende Fremdsprache

• Die Brückenkurse Deutsch, Mathematik und Englisch. Je nach den Ergebnissen der Eingangsdiagnose verpflichtend oder freiwillig.

• Grundkurse in der Hauptphase: themenbezogene, Fächer übergreifende bzw. verbindende Kurse, mit denen u.a. die 3 Aufgabenfelder abgedeckt werden müssen.

• Projekte (siehe S. 10), Praktika (studienfachbezogen) und Sportkurse (mindestens 4)

Kursarbeitsplatz konzentrieren – und reichlich Schatten. Wie sagte doch Konfuzius: „Wo viel Schatten ist, ist auch viel Licht“ („Die Konver-sion des Konfuzius“). Sicher gibt es auch im OS viel Schatten, wie in jeder menschlichen Einrichtung und in jeder Schule. Aber wahr-scheinlich bedarf es eines zweiten Blicks – oder weiterer Gespräche, um diese zu entdecken.

Und hinter den Schatten verbergen sich ja die Herausforderungen, die Notwendigkeiten zur Veränderung und Verbesserung. „Ohne Fragen gibt es keine Antworten“ (Ernst Bloch). Der sonnenbeschienene Kursarbeitsplatz zeigt einige müde, gelangweilte Gesichter. Nur der dozierende Lehrende sprüht vor Energie, einer Energie, die offensichtlich nur ihn selbst aktiviert. … Na ja. Diese Art des Frontalun-terrichts gibt es hier auch.

Information

Das Tutorensystem Alle KollegiatInnen wählen unter den Lehrenden eine Tutorin / einen Tutor, die oder der für ihre Ausbildungsberatung und, wenn dies gewünscht und wechselseitig akzeptiert wird, für persönliche Probleme AnsprechpartnerIn ist.

Genug der Weisheiten und Selbsterkenntnisse. Wo sind die Leute, die man fragen könnte? Schon finde ich, nach einem kurzen Schwenk von Wich 1 nach links, auf Wich 2, ein ganzes Nest von ihnen: Jede Menge Lehrerarbeits-plätze, Schreibtische, an der Fensterfront aufgereiht, aber auch dem Innenraum, den Fel-dern zugewandt. Ich habe Glück: In diesem Carre zähle ich 12 Schreibtische. 5 davon sind „aktiviert“ bzw. besetzt. Also befinden sich

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Kriterium

Schule als lernende Institution Das Beispiel Grundkurse in der Hauptphase Wir arbeiten an einem Kompetenz-Konzept im fächerübergreifenden Unterricht. Um die Qualität des Unterrichts der Lehrkräfte und der unterschiedlichen Unterrichtskonzeptekontinuierlich weiterzuentwickeln, werden von einer Lehrer/innen-Gruppe in unregelmäßigenAbständen Workshops zur Konzeption, Durchführung und Evaluation fächerübergreifendenUnterrichts durchgeführt. Zentrales Ziel dieser Workshops ist es, ein Forum für Diskussion,Praxisaustausch und Reflexion zu schaffen, in dem Fragen der Unterrichtsgestaltung bearbeitetund konkrete Hinweise und Anregungen zur Unterrichtsentwicklung gegeben werden können.Hierzu wurden in der Vergangenheit etwa Best-Practice-Modelle fächerübergreifenden Unter-richts sowie aktuelle Evaluations- und Forschungsergebnisse vorgestellt und diskutiert. Die curri-culare Entwicklungsarbeit im Bereich des fächerübergreifenden Unterrichts hat im Oberstufen-Kolleg eine lange Tradition und strahlt - ganz im Sinne des Versuchsauftrags der Einrichtung –auf andere Schulen aus. Transfer nach „draußen“: Die Schulaufsicht und Vertreter des Schulministeriums signalisierengroßes Interesse an dieser Arbeit des OS, auch in Bezug auf die Formulierung von Abitur-prüfungsaufgaben im fächerübergreifenden Unterricht, und beauftragen das OS, hier kreativeund theoretisch gut begründete Modelle fächerübergreifender Kompetenzen und daraus abzu-leitender Bildungsstandards zu erarbeiten, die von den Schulbehörden und anderen Schulenadaptiert werden können. Sebastian Boller, Wiss.Mitarbeiter

Entwicklungsgruppe fächerübergreifende KompetenzenKollegiale Hospitation Am Oberstufen-Kolleg gibt es traditionell eine Offenheit für Unterrichtsbesuche, vor allem um dieSchule und ihre Arbeitsweise Besuchern vorzustellen. Darüber hinaus bearbeiten Lehrende imRahmen „Kollegialer Beratung“ Fälle und Problemstellungen aus ihrer Unterrichtspraxis, umarbeitsbezogene Schwierigkeiten oder Probleme zu lösen und ihre Fähigkeiten zur Gestaltungvon Unterricht weiterzuentwickeln. Um den eigenen Unterricht, die eigene Arbeit „vor Ort“ zu reflektieren bzw. zu entwickeln trifftsich eine Gruppe von Lehrenden, die aus sogenannten Tandems besteht. Bei den Tandemshandelt es sich um zwei Lehrende, die sich gegenseitig in den Unterricht einladen und umRückmeldung zu Beobachtungsfragen bitten. In der Gruppe tauschen die Lehrenden Beobach-tungsergebnisse aus und klären Beobachtungsschwerpunkte, konkrete Indikatoren für dieBeobachtung und die Aufzeichnung der Beobachtungen.

Bernd Fiege, Lehrender für PsychologiePeer-Review Vom Sommer 2004 bis zum März 2005 ließ sich das Oberstufen-Kolleg von einer Kommission„kritischer Freunde“ (Peers) aus den Bereichen Wissenschaft, Schule und Bildungspolitikbegutachten: Prof. Dr. Wilfried Bos (Hamburg), Dr. h. c. Hermann Lange (Hamburg), Dr. ClaudiaLanger (Bünde), Christel Menzel-Prachner (Hamburg), Prof. Dr. Jürgen Oelkers (Zürich) und Dr.Erika Risse (Oberhausen). In einer Rede vor dem Kollegium formulierte Jürgen Oelkers nach dem Besuch stellvertretend fürdie Kommission eine insgesamt positive bildungspolitische Bilanz des Oberstufen-Kollegs: „Ichdenke, Sie haben ein im deutschen Sprachraum völlig einmaliges Potenzial. So etwas gibt esnicht ein zweites Mal (…). Es ist etwas, was völlig einmalig ist. Wir denken, dass dieses Potenzialneu, etwas anders, aber genutzt werden sollte, ohne dass da irgendwelche großen Abstrichepassieren“ (Jürgen Oelkers am 16.11.2004 in einer Rede im Oberstufen-Kolleg). Das Kollegium hat die kritische Begutachtung zum Anlass genommen, in die Planung einerlangfristigen Schulentwicklung einzutreten.

Josef Keuffer, Wissenschaftlicher Leiter des OS

Schulentwicklungsplan 2006-2012 Das Oberstufen-Kolleg reagierte auf die sieben Empfehlungen der Peers. Unter Beratung vonProf. Dr. Hans-Günther Rolff erarbeitete es von Sommer 2005 bis Februar 2006 den „Schulent-wicklungsplan“. In sieben thematischen Arbeitsgruppen griffen insgesamt 35 Personen aus allenGruppen des Hause (Lehrende, KollegiatInnen etc.) die Empfehlungen der Peers auf und erar-beiteten sieben Schwerpunkte der Schulentwicklung. Im Zentrum stand dabei der „Umgang mitHeterogenität“. Darüber hinaus war das gesamte Haus an drei Schulentwicklungstagen sowie inDiskussionen verschiedener Gremien an der inhaltlichen Ausgestaltung des Schulentwicklungs-plans beteiligt. Am 22. Februar 2006 wurde der Schulentwicklungsplan 2006-2012 einstimmigvon der Hauptkonferenz verabschiedet. Angela Kemper, Sprecherin der Steuerungsgruppe

1 2 Bewerbung um den Deutschen Schulpreis 2006

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auch die Lehrerarbeitsplätze in der offenen Lernlandschaft und sind für jedermann und jede Frau frei zugänglich.

Ich sehe an zwei Schreibtischen KollegiatInnen, eine im Gespräch mit einer Lehrenden, der andere wartend – auf einen Lehrenden. „Ist das nicht lästig, dauernd ansprechbar zu sein?“, fällt mir eine nahe liegende Frage ein. „Schon, aber man muss sich eben auch abgrenzen können“, ist die Antwort. „Aber die Vorteile überwiegen. Unsere Tutandinnen und Tutanden wissen, wann wir sicher hier und ansprechbar sind – oder sie schauen einfach mal vorbei. Und wenn unsere KursteilnehmerInnen etwas mit uns zu verhandeln haben, können auch sie uns hier finden. Außerdem: Da die KollegInnen einer Fachkonferenz oft im selben Bereich sitzen, kann hier vieles an relevanten Informationen informell und auf dem 'kleinen Dienstweg' ausgetauscht werden.“ Sie schaut mich zögernd an: „Und manchmal sprechen wir auch über die derzeitige Form von Arminia Bielefeld und die wichtige Frage, ob 'der Club der Ostwestfalen' in diesem Jahr die Liga halten kann oder wie-der den Fahrstuhl nach unten benutzt.“

Dieses Arbeiten auf dem Marktplatz klingt an-regend, aber auch anstrengend und zeitaufwän-dig, denke ich mal wieder und komme zu einer Frage, die sich langsam in mir aufgestaut hat: „Wie steht es am OS eigentlich mit der Lei-stung?“ Von Arminia Bielefeld zum Leistungs-problem – der Sprung war wohl etwas zu groß, aber die Lehrende hat sich schnell gefangen. „Ja, mit dieser Frage können Sie hier im Kolle-gium viele verschiedene Antworten einsam-meln. Nicht nur die Lehrenden und die Kolle-giatInnen, auch die einzelnen Fächer äußern da manchmal kontroverse Positionen. Wir haben in unserer über dreißigjährigen Geschichte auf diesem Gebiet viel ausprobiert – und 1999, bei der Aushandlung der AUPO, der Ausbildungs- und Prüfungsordnung mit dem Ministerium einen Mix aus ganz verschiedenen Formen der Leistungsbewertung vereinbart. (vgl. Kriterium Leistung, S. 6)

Wir müssen hier noch viel Entwicklungsarbeit leisten und die verschiedenen Instrumente noch besser entwickeln und alle noch besser aufeinan-der abstimmen. Die Brückenkurse bilden eine Brücke zu einer gemeinsamen Arbeitsfähigkeit in den Kulturtech-niken. Wich 7, mit der Ausstellung von Selbst-portraits der KollegiatInnen des Studienfachs Künste geschmückt (brave Jungs und wilde Mädchen) bildet meine Brücke, die mich diesmal in die untere Welt des OS führt. Hier werden die

eher banalen und doch lebensnotwendigen Bedürfnisse der OS-Bewohner befriedigt: Essen, Trinken, Klönen, Ratschen, Tratschen,

Abhängen, Dampf ablassen, sich produzieren und über die „unbarmherzigen Lehrenden“ lamen-tieren.

Information

Personalentwicklung Die Personalentwicklung am Oberstufen-Kolleg ist orientiert an den Aufgaben einer Versuchsschule und muss unterschiedlichen Aspekten genügen. Entsprechend verfügt es über drei Status-Gruppen: Lehrende, die als LehrerInnen und ForscherInnen Bildungswege der Sekun-darstufe II entwickeln und beforschen, MitarbeiterInnen im Bereich der wissenschaftlichen Leitung, die ausschließlich im Be-reich der Forschung tätig sind, und Technisch-Administrative Mit-arbeiterInnen, die als SekretärInnen, Werk- und HausmeisterIn-nen die Versuchsschule an unterschiedlichen Stellen begleiten. Das Oberstufen-Kolleg ist als Versuchsschule mit sich beständig wandelnden Anforderungen und Aufgaben konfrontiert. Für die Personalentwicklung bedeutet dieses in erster Linie, dass sie im Sinne eines stimmigen Handeln mit differenzierten Aktivitäten auf die Einheit aller Statusgruppen hinwirken und zugleich auf status-gruppenspezifische Maßnahmen ausgerichtet sein muss. Beispielhaft für die Gruppe der Lehrenden soll im kommenden Jahr eine Potential- und Interessenanalyse durchgeführt werden. Sie trägt dazu bei, die Ausbildungsbedingungen von KollegiatIn-nen immer wieder zu verbessern, die Zufriedenheit der einzelnen Lehrenden hinsichtlich eines guten, interessanten Arbeitsplatzes zu steigern und die Bedarfe der Versuchsschule zu optimieren.

Thea Stroot, Lehrende für das Studienfach Pädagogik

„Ich gehe gerne ins OS, weil Gisela in der Cafe-teria arbeitet“, hat mir vor kurzem ein Kollegiat erzählt. Lucio gehört nicht zu denjenigen, die hier wie die Fische im Wasser frisch-fröhlich-frei durch´s OS schwimmen, mit diesem gewissen Glanz in den Augen. Er gehört eher zu denjeni-gen, die sich den ganzen Trubel am OS aus der Distanz betrachten. Lucio will am OS das Abitur machen. Punkt. Das fordert seine ganze Energie

Oberstufen-Kolleg Bielefeld 13

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und lässt wenig Platz für innere Freudenfeste darüber, dass er diese tolle Schule besuchen darf.

Information

Erfinderclub In den Jahren 2001 und 2003 beteiligte sich das Oberstufen-Kol-leg zweimal mit KollegiatInnengruppen an der vom BMWF aus-geschriebenen und unterstützten Tour d’innovation. Diese diente dazu, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft den Innovations-gedanken zu stärken. Aus unserer Beteiligung ging eine Gründung eines INSTI.Er-finderclubs hervor. INSTI ist das INovationsSTImuslationspro-gramm der Bundesregierung. Aus ihm werden Erfinderclubs finanziell und durch Beratung unterstützt. Das ermöglichte den Oberstufen-Kolleg-Erfinderclubmitgliedern die Erfindung und den Bau der weltweit ersten Badmintonwurf-maschine, der herzfrequenzgesteuerten Lumographie, der Honigkugeln und des tiefschlafschonenden Weckers. Mit einem energiesparenden Kochtopf fanden wir Beachtung in der Presse. Ein energiesparender Kühlschrank und eine stromlose stand-by-Schaltung gelten als vielversprechende Erfindung, von denen letztere inzwischen zum Patent angemeldet worden ist und deren Vermarktungschancen geprüft werden. Zurzeit arbeiten Kollegiaten an einer computergestützten Lösung zur besseren klimaabhängigen Kontrolle des Heizenergie-verbrauchs von Privathaushalten und an sparsameren Wasser-boilern. Ziel ist wieder die Teilnahme am Wettbewerb „Start-ups für Zukunftsenergien“.

Jochen Kupsch, Lehrender für Physik

Ich stelle mich, wie es sich für einen Geist gehört, hinten an der Schlange an: Kinder aus der Labor-schule, Jugendliche aus dem OS, Lehrende aus Laborschule und OS, Sekretärinnen aus beiden Schulen: Hier wird das Getrennte der Schulpro-jekte und der „Statusgruppen“ endlich harmo-nisch vereint. „Ach, da kommt der gute Geist des OS!“, begrüßt mich Gisela mit aufgeräumter Miene unter rotgefärbtem Haar. Ich halte den Finger auf die Lippen. Gisela lacht: „Hast du schon wieder ein Geheimnis?“

Impressum

Redaktion und Text: Hans Frieder Dietz Gestaltung: Peter Schulze Fotos: Martin Larius (alle außer S. 13: Maria Arndt) Beratung: Silke Roether, Jupp Asdonk und Hans Kroeger

Während ich an einem der Stehtische meinen Capuccino schlürfe (italienische Qualität!) beobachte ich mit vergleichbarem Genuss die Weißgeschürzte hinter der Kasse. Sie spricht fast jedes Kind aus der Laborschule, jeden Kollegiaten oder jede Kollegiatin mit Namen an, erkundigt

sich nach dem Erfolg oder Misserfolg bei der letzten Klausur (deren Termin sie natürlich kennt), tröstet wegen der Freundin, die einen anderen erwählt hat, ermutigt , wenn die Mundwinkel auf Halbmast hängen, tadelt auch mal, wenn an ihrem Arbeitsplatz zu sehr herumgeblödelt und -getrudelt wird und ihre Ordnung in Gefahr gerät.

Den Schulpreis des OS für Gisela, den Deutschen Schulpreis für das Oberstufen-Kolleg: Das wäre mein bescheidener Vorschlag. Der Unterschied zwischen beiden Gepriesenen wäre dann allerdings, dass am OS noch eine Menge zu verbessern ist, während Gisela da kaum noch Handlungsbedarf hat. - Eigentlich auch schade für sie!

Jetzt muss ich meine nur für diesen Zweck geschaffene Existenz leider aufgeben. Ich hoffe, dass ich Sie, die verschiedenen Mitglieder der Jury des Deutschen Schulpreises, gut durch unsere besondere, in Aspekten ungewöhnliche Schule geleitet und begleitet habe – die eben auch eine ganz gewöhnliche Schule ist. Nur deshalb und unter diesem Gesichtspunkt haben wir es uns erlaubt, uns dem Vergleich und dem Wettbewerb mit anderen Schulen zu stellen. Es geschieht im Interesse der eigenen Weiterentwicklung und im Interes-se der Schulen, von denen wir lernen können und die – hoffentlich noch mehr als bisher – auch von unserer Arbeit profitieren. Dieses Bedürfnis und dieses Angebot bezieht sich insbesondere auf das in der öffentlichen Reformdebatte vernachlässigte Segment der Oberstufen-pädagogik, dem wir angehören. In diesem Sinne grüßt Sie ganz herzlich:

Der gute Geist des Oberstufen-Kollegs

14 Bewerbung um den Deutschen Schulpreis 2006


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