VorlesungGrundlagen der Anatomie
& Embryologie
Vesalius, De humani corporis fabrica (1543)
Bewegungsapparat
Muskeln und Sehnen
Martina SchmitzSoSe 2020
Institut für Anatomie und vaskuläre Biologie, Direktor Prof. H. Schnittler
….kennen die drei prinzipiellen Typen von Muskulatur und diewesentlichen Unterscheidungskriterien.
….können den prinzipiellen Aufbau eines Skelettmuskels erklären.
….können die Begriffe Ursprung/Ansatz, Punctum fixum/Punctum mobilesowie Agonist/Antagonist (Synergist) definieren und die Funktionerklären.
….kennen die prinzipiellen Muskelformen und können prinzipielle,funktionelle Aspekte für die jeweilige Lokalisation nennen.
….können den BegriffMotorische Einheit funktionell erklären.
….kennen die prinzipiellen Bauelemente eines monosynaptischenEigenreflexes und können dessen Funktion erklären.
Bewegungsapparat – Muskeln und Sehnen
Die Studierenden ……..
Drei Muskelarten
Herzmuskulatur ‐ quergesteift,unwillkürlich, spezialisiert
Glatte bzw. „Eingeweide“‐Muskulatur ‐ langsameKontraktionen, wird durchautonomes Nervensystemreguliert
Skelettmuskulatur – quergestreift,schnelle, phasische Kontraktionen,Willkürmotorik
Entstehung der Muskulatur
Die Muskulatur entwickelt sichpraktisch ausschließlich aus demMesoderm.
Vorläuferzellen (Progenitorzellen)entstammen dem Myotom.
Skelettmuskelfasern entstehendurch Fusion vieler Myoblasten (M)(→ Synzy um).
Somatopleura (S) liefert„ortsständiges“ Bindegewebe(Endo‐, Peri‐ und Epimysium,Faszien).
Aufbau des Skelettmuskels
(Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Thieme)
Die Muselfaser istdas Zellindividuumder Skelettmuskulatur.
Muskelfaser = Muskelzelle
Primärbündel
Sekundärbündel
Muskel
Aufbau des Skelettmuskels
(Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Thieme)
Auch das Hüllbindegewebeder Skelettmuskulatur isthierarchisch gegliedert:
Epimysium(an der Muskel‐Oberfläche, unter derMuskelfaszie gelegen)
Perimysium(umgibtMuskelfaserbündel)
Endomysium(umgibt einzelneMuskelfaser, liegtaußen demSarkolemm an)
Aufbau des Skelettmuskels
Ein Skelettmuskel besteht aus zahlreichen Muskelfasern.Jede Muskelfaser entspricht einer langen, vielkernigenRiesenzelle. Die Kerne liegen direkt unter der Plasmamembran(Sarkolemm). Charakteristisch ist die Querstreifung.
Eine Muskelfaser kann bis zu 0,1 mm dick sein. Die Längevariiert: von wenigen Millimetern (z.B. beim M. stapedius)bis zu 10‐15 cm bei langen parallelfaserigen Muskeln(z.B. beim M. biceps brachii).
Bei solch langen Muskeln durchmessen die Skelettmuskelfasernnicht die gesamte Muskellänge, sondern überlappen imMuskelbauch.
Sehr große Muskeln bestehen aus hintereinander geschaltetenEinzelfasern (Faserketten), deren Verbindung durch kleineZwischensehnen innerhalb des Endomysiums oder durch direktemyomyale Kontakte, die End‐zu‐End, Seit‐zu‐Seit oder End‐zu‐Seit angeordnet sein können
Prototypische Skelettmuskeln
(Benninghoff/Drenckhahn, Anatomie, Elsevier)
Aufbau und Gliederung eines Muskels
(Sobotta, Atlas der Anatomie, Elsevier)
Abb.: Rechter M. brachialis in der Ansicht von medial;+ = Drehachse des Gelenks
Ursprung (Origo) ‐ ist in der RegelPunctum fixum (unbeweglicher Teil)
Faszie (Fascia) – bindegewebige Hülle
Muskelbauch (Venter)
Sehne (Tendo), hier: Ansatzsehne
Ansatz (Insertio) ‐ ist in der RegelPunctum mobile (beweglicher Teil)
Ursprung und Ansatz eines Muskels
Bei den Extremitätenmuskeln liegt der Ursprung stets proximal.Beispiel: M. brachialisUrsprung: Humerus (distales Corpus humeri)Ansatz: Ulna (Tuberositas ulnae)
Die Rückenmuskeln und alle Muskeln, die den Kopf bewegen,besitzen ihre Ursprünge kaudal von den Ansätzen.Beispiel: M. latissimus dorsiUrsprung: mittlere und untere Dornfortsätzen der BWS,Fascia thoracolumbalis, Crista iliaca und untere RippenAnsatz: Humerus (Crista tuberculi minoris)
Bei den ventralen Rumpfmuskeln liegen die Ursprünge kranialvon den Ansätzen.Beispiel: M. rectus abdominisUrsprung: 5.‐7. Rippenknorpel und Proc. xiphoideus des SternumsAnsatz: Os pubis (Crista pubica) und Symphyse
Klimmzug: M. latissimus dorsi
Manchmal kann sich die Konstellation von Punctum fixumund Ursprung situationsbezogen umkehren, z.B. beim Klimmzug
(Benninghoff/Drenckhahn, Anatomie, Elsevier)
Gliederungsmöglichkeiten der Skelettmuskeln
1. Nach der Muskelform
2. Nach dem Faserverlauf
3. Nach der Gelenkbeteiligung
4. Nach funktionellen Muskelgruppen
5. Nach genetischen Muskelgruppen
Muskelformen ‐ 1
M. fusiformis(spindelförmig)z.B. M. tibialis ant.
M. biceps(zweiköpfig)z.B. M. biceps brachii
M. biventer(zweibäuchig)z.B. M. omohyoideus
Tendointermedius(Zwischensehne)
(Sobotta, Atlas der Anatomie, Elsevier)
Muskelformen ‐ 2
(Sobotta, Atlas der Anatomie, Elsevier)
M. rectus mitIntersectiones tendineaez.B. M. rectus abdominis
M. unipennatus =M. semipennatus(einfach gefiedert)z.B. M. ext. hallucis lg.
M. bipennatus =M. pennatus(doppelt gefiedert)z.B. M. flexor h. lg.
Muskelformen ‐ 3
(Sobotta, Atlas der Anatomie & Benninghoff/Drenckhahn, TB Anatomie, beide Elsevier)
Aponeurosis(Aponeurose =flächige Sehne)
M. planus(flach, platt)z.B. M. obliquus ext. abd.
M. orbicularis(kreis‐,ringförmig)z.B. M. orbicularis oculi
M. sphincter(Schließmuskel)z.B. M. sphincter ani ext.
Einteilung der Muskeln nach Faserverlauf
Je nach Faserverlauf lassen sich Muskeln zusammenfassen in
Parallelfasrige Muskeln (z.B. M. fusiformis, M. rectus, M. planus),bei denen die Muskelfasern parallel zur Zugrichtung von Ursprungs‐ undAnsatzsehne verlaufen, und
Gefiederte Muskeln (z.B. M. unipennatus, M. bipennatus),bei denen die Muskelfasern unter spitzen Winkeln unterschiedlicherGröße (Fiederungswinkel) in die Ansatzsehne übergehen. Durchden schrägen Ansatz an der Sehne setzen mehr Muskelfaserngleichzeitig an der Sehne an als bei parallelfasrigen Muskeln.
Anatomischer und physiologischer Querschnitt
verläuft senkrechtzu den Muskelfasern
verläuft senkrecht zur Hauptachse im dicksten Teil des Muskelbauches
Der physiologische Querschnitt korreliert direkt mit der absolutenKontraktionskraft (Hubkraft). Bei gefiederten Muskeln ist der physiologische Querschnitt größer als der anatomische Querschnitt. Bei parallelfaserigen Muskeln sind beide gleich.
(Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Thieme)
Bewegung durch Muskelgruppen
Muskel können dabei ein oder mehrere Gelenke überziehen,als eingelenkige, zweigelenkige oder mehrgelenkigeMuskeln
Funktionelle Muskelgruppen sind:
Agonisten oder Synergisten (gleichsinnig wirkende Muskeln) undAntagonisten (entgegengesetzt wirkende Muskeln)
z.B. Flexoren und Extensoren oderAbduktoren und Adduktoren oderInnenrotatoren und Außenrotatoren eines Gelenkes
Eine genetische Muskelgruppe ist eine Gruppe von Muskeln gleicherHerkunft. Sie wird in der Regel vom gleichen Nerven innerviert,z.B. autochtone Rückenmuskulatur ‐ Rr. dorsales der Nn. spinales
Biomechanik
Drei Beugemuskeln desOberarms (rot)
Ein Streckmuskel(schwarz)
(zweigelenkig)
(z.T. eingelenkig,z.T. zweigelenkig)
(eingelenkig) (eingelenkig)
(Benninghoff/Drenckhahn, Anatomie, Elsevier)
Muskeln mit Wirkung auf das Ellenbogengelenk
Flexoren im Ellbogengelenk:
M. biceps brachii:Caput longum: Ursprung am Tuberculum supraglenoidaleCaput breve: Ursprung am Processus coracoideusGemeinsamer Ansatz an der Tuberositas radii (und an der Unterarmfaszie)
M. brachialis:Ursprung am distalen Corpus humeriAnsatz an der Tuberositas ulnae
M. brachioradialis:Ursprung: distaler lateraler HumerusAnsatz: distaler Radius
Extensor im Ellbogengelenk:
M. triceps brachii:Caput longum: Ursprung am Tuberculum infraglenoidaleCaput laterale: Ursprung am lateralen Corpus humeriCaput mediale: Ursprung am medialen Corpus humeriGemeinsamer Ansatz am Olecranon
Hebelgesetz
(Faller/Schünke, Der Körper des Menschen, Thieme)
Kraft x Kraftarm = Last x Lastarm
Hebelwirkung
Bei der Beugung im Ellbogengelenk wirken Muskeln mit sehr kurzemHebelarm (M. brachialis) und Muskeln mit längeren Hebelarmen(M. biceps brachii, M. brachioradialis) zusammen.
(Sobotta, Atlas der Anatomie, Elsevier)
Motorische Einheit
(Lippert, Lehrbuch Anatomie, Elsevier)
Vom Nervenzellkörper (1) gehen mehrere Dendriten (2), aber nur ein Axon (3) aus.Dieses endet mit motorischen Endplatten (4)an den quer gestreiften Muskelfasern (5).
Eine motorische Nervenzelle und alle von ihr innervierten Muskelfasern bezeichnet manals motorische Einheit. Sie ist die kleinste funktionelle Einheit der Motorik.
Motorische Einheiten können klein (100‐300 Muskelfasern, z.B. Muskeln der Finger)oder groß (bis zu 2.000 Muskelfasern, z.B. M. quadriceps femoris) sein.Über die Größe kann die Kraftabstufung reguliert werden.
Monosynaptischer Eigenreflex
Ein Reflexbogenbesteht aus:
‐ einem Rezeptor(hier: Muskelspindel)
‐ einem afferenten Neuron
‐ einer Synapse in einem
Reflexzentrum im ZNS
‐ einem efferenten Neuron
‐ einem Effektor(hier: Muskel)
(Faller/Schünke, Der Körper des Menschen, Thieme)
Faszien
Querschnitt durch das mittlere Dritteldes linken Oberarms in der Ansichtvon proximal.
Muskeln sind im Regelfall von einer Faszie aus straffen Bindegewebe umgeben (Einzelfaszie), Muskelgruppen von einer Gruppenfaszie.Faszien sichern Form und Lage der Muskeln und bauen die Muskeln verschieblichin die Umgebung ein.
Muskelgruppen können durch ein derbes Septum intermusculare voneinander getrennt sein und so mit dem Periost benachbarterKnochen osteofibröse Logen bilden (z.B. Flexoren‐/Extensorenloge).
Eine allgemeine äußere Körperfaszie (Fascia superficialis, hier: Fascia brachii) grenzt die Skelettmuskulatur gegen die Subcutis ab.
(Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Thieme)
Glossar (erstellt von A. Schober)
sarko‐ (in Zusammensetzungen): Muskel‐, Fleisch‐ (gr. sarx, sarkos f: Fleisch)‐lemma (in Zusammensetzungen) n: ‐hülle, ‐umhüllung (gr. lemma n: Hülle, Haut)endomysium, i n: Bindgewebshülle der Muskelfaser (gr. mys, myosm: Maus, Muskel)origo, inis n: Ursprunginsertio, onis f: Ansatz, Ansatzstelle (lat. inserere: hineinfügen, hineinstecken)fusus, i m: Spindelfusiformis, e: spindelförmigtendo, inism (!): Sehne (lat. tendere: spannen, straff anziehen)omo‐ (in Zusammensetzungen): Schulter‐ (gr. omosm: Schulter)os hyoideum n: Zungenbeinhyoideus, a, um: zum Zungenbein gehörend; eigtl: dem Buchstaben ypsilon (υ)
ähnlich, hufeisenförmigrectus, a, um: gerade, geradlinigpenna, ae f: Feder
Glossar (erstellt von A. Schober)
hallux, icism: Großzeheobliquus, a, um: schräg, schief verlaufendhilum, i n: Stelle des Gefäßeintritts und –austritts, Stiel; eigtl. „kleines Ding“Neuron n: Nervenzelle mit all ihren Fortsätzen, anatomische und funktionelle
Grundeinheit des Nervensystem, Neuron (gr. neuron n: Nerv)afferens, entis: herbeitragend, zuführend (lat. affere: herbeitragen)efferens, entis: herausführend (lat. effere: heraustragen, herausführen)Dendrit m: baumartig verästelter Fortsatz einer Nervenzelle (gr. dendron n: Baum)Axon m: Achsenzylinder des peripheren Nerven (gr. axonm: Achse)retinaculum, i n: Halteband (lat. retinere: zurückhalten)