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Bevölkerung in Deutschland – eine...

Date post: 10-Jul-2018
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12 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung Bevölkerung in Deutschland – eine Einführung Paul Gans und Franz-Josef Kemper setzung und räumliche Verteilung der Bevölkerung an einem bestimmten Stichtag festzustellen. Nach dem Zwei- ten Weltkrieg fanden Volkszählungen in der früheren Bundesrepublik 1950, 1961, 1970 und 1987 statt, in der DDR in den Jahren 1950, 1964, 1971 und 1981. Rückblickende Vergleiche der Be- völkerungsverteilung, einschließlich struktureller Merkmale, sind aufgrund der abweichenden Stichtage nur mit Einschränkungen möglich. Erschwerend zur unregelmäßigen Durchführung kom- men noch die differierenden Merkmals- definitionen sowie häufige Gebietsrefor- men (AA Beitrag Laux, S. 32) hinzu, die nach 1990 auch in den neuen Ländern wiederholt realisiert wurden. Längs- schnittanalysen sind – wenn überhaupt – nur mit erheblichem Aufwand durch- führbar. Am Beispiel des Großraumes Berlin ist beispielsweise 1992 ein klares Kern- Rand-Gefälle der Bevölkerungsdichte zu erkennen 3 . Die kleinräumige Abgren- zung der Kreise und ihre ringförmige Anordnung um Berlin geben die sied- lungsstrukturelle Gliederung des Um- landes gut wieder. Fünf Jahre später ist diese Distanzabhängigkeit der Bevölke- rungsdichte stark abgeschwächt. Es ent- steht der Eindruck, dass sich in unmit- telbarer Nachbarschaft von Berlin länd- liche Gebiete mit sehr niedriger Bevöl- kerungsdichte anschließen. Hintergrund ist die Neugestaltung der Kreise entlang von Sektoren, die sich an Berlin als re- gionalen Wachstumsmotor anhängen, und die Zusammenlegung städtischer und ländlicher Kreise, so dass siedlungs- strukturelle Unterschiede, die spezifi- sche Maßnahmen zur Raumentwicklung erfordern (AA Beitrag Priebs, S. 28), ver- deckt werden. Volkszählungen sind zeitaufwendig und kostenintensiv. Um den relativ gro- ßen zeitlichen Abstand zwischen zwei Erhebungen zu überbrücken, wendet die amtliche Statistik in Deutschland das Verfahren der Fortschreibung an, das auf der polizeilichen Meldepflicht ba- siert. Als Quelle dienen die Registrie- rungen von Standes- und Einwohner- meldeämtern. Ausgehend von der Be- völkerung zum Stichtag der letzten Volkszählung kann die Einwohnerzahl durch Addition von Geburten und Zu- zügen sowie Subtraktion von Sterbefäl- len und Wegzügen zu späteren Zeit- punkten berechnet werden. Fehlerquel- len resultieren im Wesentlichen aus dem Unterlassen von An- oder Abmel- dungen bei einem Wohnungswechsel, wie der letzte Zensus am 25.5.1987 klar vor Augen führte. So ergaben die Fort- schreibungsergebnisse auf der Basis der Volkszählung vom 27.5.1970 für Schles- wig-Holstein eine Einwohnerzahl von Lichtflecken durchaus Bezüge zur Punktstreuungskarte (AA Beitrag Laux, S. 32) oder zur Bevölkerungsdichtekarte (AA Beitrag „Deutschland auf einen Blick“, S. 11). „Deutschland bei Nacht” drückt die bestehende Spanne zwischen den Verdichtungsräumen mit ihren ho- hen Einwohnerzahlen auf relativ klei- ner Fläche und den günstigen Möglich- keiten zur Kommunikation (AA Beitrag Breßler, S. 40) auf der einen sowie den weniger dicht besiedelten, ländlich ge- prägten Gebieten auf der anderen Seite aus. Bei den Bevölkerungskonzentratio- nen sind die monozentrischen Agglo- merationen wie Berlin, Hamburg oder München von den polyzentrischen Strukturen in den Ballungsgebieten Rhein-Ruhr oder Rhein-Main gut zu unterscheiden. Dort sind die einzelnen Städte nicht voneinander abzugrenzen, ein Hinweis auf das Zerfließen und Ineinandergreifen der Siedlungsent- wicklung in den Verdichtungsräumen, die z.T. sogar in angrenzende ländliche Gebiete überspringt und durchaus uner- wünschte Auswirkungen auf eine nach- haltige Nutzung des Raumes hat. Woh- nungswechsel aus ganz unterschiedli- chen Motiven können hier als Gründe angeführt werden (AA Beiträge Bucher/ Heins, S. 108 f; Herfert, S. 116; Fried- rich, S. 124). Den Agglomerationen stehen die ländlich geprägten Gebiete mit ihrer relativ großen Streuung der Bevölkerungsverteilung in Siedlungen mit geringer Größe wie z.B. in Meck- lenburg-Vorpommern gegenüber. Das Spannungsgefälle in der Bevölke- rungsverteilung von einer Konzentration der Menschen in Verdichtungsräumen zur Dispersion in weniger dicht besiedelten ländlichen Gebieten wird von strukturie- renden Leitlinien überlagert. Stärker ver- dichtet ist das Siedlungsband entlang der Mittelgebirgsschwelle vom Ruhrgebiet im Westen bis nach Sachsen im Osten. Eine zweite von Nord nach Süd gerichtete Achse ist entlang des Rheins zu erken- nen. Zudem gewinnt man den Eindruck, dass nördlich der Mittelgebirgsschwelle die Bevölkerungsverteilung relativ gleich- mäßig ist, während südlich davon Becken und Täler Gunsträume für die Siedlungen darstellen. Bevölkerung und Statistik Ein Erfassen der Bevölkerungsverteilung im Raum erfordert je nach Fragestellung für einen festgelegten Zeitpunkt kon- krete Angaben zur Einwohnerzahl in räumlichen Einheiten der verschiede- nen Maßstabsebenen, d.h. von Deutsch- land insgesamt über Bundesländer, Re- gierungsbezirke, Raumordnungsregionen und Kreise bis zu Baublockseiten in Städten. Volkszählungen sind die ge- naueste Methode, um Zahl, Zusammen- N O R D S E E O S T S E E I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I M o s e l l e Maas Vltava (Moldau) La b e Rhein Inn Fulda Oder Main W er r a Elb e L a us i t z e r S a a le M o s e l S a a l e W e s e r Inn N e i e D o n a u D o n a u R h e i n R h e in E l be Bodensee Berlin Berlin Berlin Halle/Leipzig Halle/Leipzig Halle/Leipzig Dresden Dresden Dresden Nürnberg/ Nürnberg/ Nürnberg/ Fürth/ Fürth/ Fürth/ Erlangen Erlangen Erlangen München München München Stuttgart Stuttgart Stuttgart Rhein-Neckar Rhein-Neckar Rhein-Neckar Rhein-Main Rhein-Main Rhein-Main Saar Saar Saar Rhein-Ruhr Rhein-Ruhr Rhein-Ruhr Bielefeld Bielefeld Bielefeld Hannover Hannover Hannover Bremen Bremen Bremen Hamburg Hamburg Hamburg Entzerrung und Bildbearbeitung: U. Hein, S. Specht ' Institut für Lnderkunde, Leipzig 2001 Deutschland bei Nacht Mastab 1: 5000000 0 50 100 km 25 75 Bevölkerung im Raum: Deutschland bei Nacht Die Satellitenaufnahme „Deutschland bei Nacht“ vermittelt einen schemen- haften Überblick über die Bevölke- rungsverteilung 1 . Die Größe heller Flächen dient zur Orientierung, um Lage und Einwohnerzahl der Siedlungs- gebiete einzuordnen. Da Licht jedoch auch von Industriearealen ohne Wohn- bevölkerung ausstrahlt, wie z.B. im Raum Halle/Leipzig, ist die Interpretati- on der Helligkeit im Hinblick auf die Bevölkerung im Raum nicht eindeutig. Trotz dieser Probleme und der geringen Auflösung zeigt die Verteilung der Das DMSP-Satellitenprogramm steht für ein Programm des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums: Defense Meteorological Satellite Program. Die DMSP-Satelliten be- finden sich in etwa 830 km Höhe über der Erde und fliegen in einer sonnensynchronen polaren Umlaufbahn. Mit Sicht- und Infrarotsensoren werden Tag- und Nacht-Ansichten von einem ca. 3000 km breiten Streifen aufgenommen und zur Erde gesendet, so dass jedes Gebiet der Erde bis zu zweimal täglich erfasst wird. Den Daten werde Informatio- nen zur Wolkenbedeckung, zu meteorologischen und zu ozeanographischen Bedingungen entnommen. Außerdem ist es möglich, den mit dem Operational Linescan System gewonnenen und verarbeiteten Daten natürliche und an- thropogene Lichtquellen zu entnehmen. Näheres ist zu finden unter: http://spidr.ngdc.noaa.gov/bio- mass/night.html bzw. biomass/references.html A
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12Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung

Bevölkerung in Deutschland – eine EinführungPaul Gans und Franz-Josef Kemper

setzung und räumliche Verteilung derBevölkerung an einem bestimmtenStichtag festzustellen. Nach dem Zwei-ten Weltkrieg fanden Volkszählungen inder früheren Bundesrepublik 1950,1961, 1970 und 1987 statt, in der DDRin den Jahren 1950, 1964, 1971 und1981. Rückblickende Vergleiche der Be-völkerungsverteilung, einschließlichstruktureller Merkmale, sind aufgrundder abweichenden Stichtage nur mitEinschränkungen möglich. Erschwerendzur unregelmäßigen Durchführung kom-men noch die differierenden Merkmals-definitionen sowie häufige Gebietsrefor-men (AA Beitrag Laux, S. 32) hinzu, dienach 1990 auch in den neuen Ländernwiederholt realisiert wurden. Längs-schnittanalysen sind – wenn überhaupt– nur mit erheblichem Aufwand durch-führbar.

Am Beispiel des Großraumes Berlinist beispielsweise 1992 ein klares Kern-Rand-Gefälle der Bevölkerungsdichte zuerkennen 3 . Die kleinräumige Abgren-zung der Kreise und ihre ringförmigeAnordnung um Berlin geben die sied-lungsstrukturelle Gliederung des Um-landes gut wieder. Fünf Jahre später istdiese Distanzabhängigkeit der Bevölke-rungsdichte stark abgeschwächt. Es ent-steht der Eindruck, dass sich in unmit-telbarer Nachbarschaft von Berlin länd-liche Gebiete mit sehr niedriger Bevöl-kerungsdichte anschließen. Hintergrundist die Neugestaltung der Kreise entlangvon Sektoren, die sich an Berlin als re-gionalen Wachstumsmotor anhängen,und die Zusammenlegung städtischerund ländlicher Kreise, so dass siedlungs-strukturelle Unterschiede, die spezifi-sche Maßnahmen zur Raumentwicklungerfordern (AA Beitrag Priebs, S. 28), ver-deckt werden.

Volkszählungen sind zeitaufwendigund kostenintensiv. Um den relativ gro-ßen zeitlichen Abstand zwischen zweiErhebungen zu überbrücken, wendet dieamtliche Statistik in Deutschland dasVerfahren der Fortschreibung an, dasauf der polizeilichen Meldepflicht ba-siert. Als Quelle dienen die Registrie-rungen von Standes- und Einwohner-meldeämtern. Ausgehend von der Be-völkerung zum Stichtag der letztenVolkszählung kann die Einwohnerzahldurch Addition von Geburten und Zu-zügen sowie Subtraktion von Sterbefäl-len und Wegzügen zu späteren Zeit-punkten berechnet werden. Fehlerquel-len resultieren im Wesentlichen ausdem Unterlassen von An- oder Abmel-dungen bei einem Wohnungswechsel,wie der letzte Zensus am 25.5.1987 klarvor Augen führte. So ergaben die Fort-schreibungsergebnisse auf der Basis derVolkszählung vom 27.5.1970 für Schles-wig-Holstein eine Einwohnerzahl von

Lichtflecken durchaus Bezüge zurPunktstreuungskarte (AABeitrag Laux,S. 32) oder zur Bevölkerungsdichtekarte(AA Beitrag „Deutschland auf einenBlick“, S. 11). „Deutschland bei Nacht”drückt die bestehende Spanne zwischenden Verdichtungsräumen mit ihren ho-hen Einwohnerzahlen auf relativ klei-ner Fläche und den günstigen Möglich-keiten zur Kommunikation (AA BeitragBreßler, S. 40) auf der einen sowie denweniger dicht besiedelten, ländlich ge-prägten Gebieten auf der anderen Seiteaus. Bei den Bevölkerungskonzentratio-nen sind die monozentrischen Agglo-merationen wie Berlin, Hamburg oderMünchen von den polyzentrischenStrukturen in den BallungsgebietenRhein-Ruhr oder Rhein-Main gut zuunterscheiden. Dort sind die einzelnenStädte nicht voneinander abzugrenzen,ein Hinweis auf das Zerfließen undIneinandergreifen der Siedlungsent-wicklung in den Verdichtungsräumen,die z.T. sogar in angrenzende ländlicheGebiete überspringt und durchaus uner-wünschte Auswirkungen auf eine nach-haltige Nutzung des Raumes hat. Woh-nungswechsel aus ganz unterschiedli-chen Motiven können hier als Gründeangeführt werden (AA Beiträge Bucher/Heins, S. 108 f; Herfert, S. 116; Fried-rich, S. 124). Den Agglomerationenstehen die ländlich geprägten Gebietemit ihrer relativ großen Streuung derBevölkerungsverteilung in Siedlungenmit geringer Größe wie z.B. in Meck-lenburg-Vorpommern gegenüber.

Das Spannungsgefälle in der Bevölke-rungsverteilung von einer Konzentrationder Menschen in Verdichtungsräumen zurDispersion in weniger dicht besiedeltenländlichen Gebieten wird von strukturie-renden Leitlinien überlagert. Stärker ver-dichtet ist das Siedlungsband entlang derMittelgebirgsschwelle vom Ruhrgebiet imWesten bis nach Sachsen im Osten. Einezweite von Nord nach Süd gerichteteAchse ist entlang des Rheins zu erken-nen. Zudem gewinnt man den Eindruck,dass nördlich der Mittelgebirgsschwelledie Bevölkerungsverteilung relativ gleich-mäßig ist, während südlich davon Beckenund Täler Gunsträume für die Siedlungendarstellen.

Bevölkerung und StatistikEin Erfassen der Bevölkerungsverteilungim Raum erfordert je nach Fragestellungfür einen festgelegten Zeitpunkt kon-krete Angaben zur Einwohnerzahl inräumlichen Einheiten der verschiede-nen Maßstabsebenen, d.h. von Deutsch-land insgesamt über Bundesländer, Re-gierungsbezirke, Raumordnungsregionenund Kreise bis zu Baublockseiten inStädten. Volkszählungen sind die ge-naueste Methode, um Zahl, Zusammen-

N O R D SE

E O S T S E E

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Rhein-NeckarRhein-NeckarRhein-Neckar

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SaarSaarSaar

Rhein-RuhrRhein-RuhrRhein-Ruhr

BielefeldBielefeldBielefeld

HannoverHannoverHannover

BremenBremenBremen

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Entzerrung und Bildbearbeitung: U.Hein, S.Specht

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Deutschland bei Nacht

Maßstab 1: 5000000

0 50 100 km25 75

Bevölkerung im Raum:Deutschland bei NachtDie Satellitenaufnahme „Deutschlandbei Nacht“ vermittelt einen schemen-haften Überblick über die Bevölke-rungsverteilung 1 . Die Größe hellerFlächen dient zur Orientierung, umLage und Einwohnerzahl der Siedlungs-gebiete einzuordnen. Da Licht jedochauch von Industriearealen ohne Wohn-bevölkerung ausstrahlt, wie z.B. imRaum Halle/Leipzig, ist die Interpretati-on der Helligkeit im Hinblick auf dieBevölkerung im Raum nicht eindeutig.Trotz dieser Probleme und der geringenAuflösung zeigt die Verteilung der

Das DMSP-Satellitenprogramm steht für ein Programm desUS-amerikanischen Verteidigungsministeriums: DefenseMeteorological Satellite Program. Die DMSP-Satelliten be-finden sich in etwa 830 km Höhe über der Erde und fliegenin einer sonnensynchronen polaren Umlaufbahn. Mit Sicht-und Infrarotsensoren werden Tag- und Nacht-Ansichten voneinem ca. 3000 km breiten Streifen aufgenommen und zurErde gesendet, so dass jedes Gebiet der Erde bis zuzweimal täglich erfasst wird. Den Daten werde Informatio-nen zur Wolkenbedeckung, zu meteorologischen und zuozeanographischen Bedingungen entnommen. Außerdemist es möglich, den mit dem Operational Linescan Systemgewonnenen und verarbeiteten Daten natürliche und an-thropogene Lichtquellen zu entnehmen.Näheres ist zu finden unter: http://spidr.ngdc.noaa.gov/bio-mass/night.html bzw. biomass/references.html

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13Bevölkerung in Deutschland – eine Einführung

2,612 Mio. am 30.6.1987 (StBA 1988,S. 52), die Volkszählung am 25.5.1987registrierte jedoch nur 2,554 Mio. Men-schen (StBA 1989, S. 43). Weiterhinunterbleiben bei Fortschreibungen Er-hebungen zu wichtigen Strukturmerk-malen einer Bevölkerung wie z.B. zuAusbildung oder Beruf.

Dieses Defizit versucht man seit 1957,mit dem Mikrozensus zu beheben, derauf einer Ageklumpten Flächenstich-probe von 1% zahlreiche bevölkerungs-statistisch relevante Merkmale einerPerson nachfragt. Seine Ergebnisse er-lauben zwar, Angaben für die Bevölke-rung und ihre Zusammensetzung nachgrößeren Verwaltungseinheiten einesStaates zu schätzen und somit Ungenau-igkeiten der Bevölkerungsfortschrei-bung zu verringern. Zur Analyse klein-räumiger Strukturen und ihrer Dynamikist der Mikrozensus allerdings nur sehrbegrenzt von Nutzen, da er auf einerStichprobe basiert.

Weiterhin sind die Angaben zur Ein-wohnerzahl von Gemeinden innerhalbvon Deutschland unterschiedlich: Soberücksichtigt das Statistische Landes-amt Baden-Württemberg nur Personenmit Hauptwohnung und gibt zum31.12.1997 für Mannheim eine Einwoh-nerzahl von 310.475 an (StLABW1999, S. 20), die Stadt selber weist je-doch alle Wohnberechtigten aus, auchjene Personen mit Nebenwohnung, undkommt zum selben Stichtag auf 320.698Einwohner (MaSt1998).

BevölkerungsstrukturenWenn man sich mit der Bevölkerung imRaum beschäftigt, sind nicht nur Vertei-lung und Dichte (AABeitrag Laux, S. 32)von Interesse, sondern auch Angabenüber die Zusammensetzung der Bevölke-rung nach einzelnen Merkmalen, alsoüber die Bevölkerungsstruktur. Hierbeiunterscheidet man nach demographi-schen (Alter, Geschlecht, Familienstandund Hauhaltsgröße), nach sozioökono-mischen (Erwerbstätigkeit, Ausbildung,Einkommen) und ethnisch-kulturellenMerkmalen (z.B. Staatsangehörigkeit,Religion). Aktuelle Bestandserhebungendazu sind im Kapitel „Bevölkerungsstruk-turen“ zusammengestellt. Viele dieserMerkmale werden nicht allein von jün-geren Prozessen bestimmt, sondern sindErgebnis längerfristiger Entwicklungen.So spiegelt sich in der Altersgliederungzu einem gegebenem Zeitpunkt aufgrundder unterschiedlichen Besetzung von Al-tersjahrgängen die Bevölkerungsge-

schichte der vorangegangenen 80 bis 100Jahre. Insofern reagiert die Bevölke-rungsstruktur relativ träge auf Verände-rungen. Daraus ergeben sich zwei Folge-rungen: Zum einen können Prognosender Bevölkerung und ihres Altersaufbausüber einen mittelfristigen Zeitraum von20 bis 30 Jahren mit relativ hoher Zuver-lässigkeit erstellt werden (AABeiträgeBörsch-Supan, S. 26; Bucher, S. 142);zum anderen sind zur Erklärung gegen-wärtiger Bevölkerungsstrukturen häufighistorische Entwicklungen und länger-fristige demographische Tendenzen her-anzuziehen. Solche säkularen Trends be-völkerungsstruktureller Merkmale sindals Hintergrund-Information für die ein-zelnen Teilabschnitte dieses Atlasses zubetrachten.

Säkulare TrendsViele demographische Trends und damitdie Bevölkerungsentwicklung sind engmit anderen gesellschaftlichen Wand-lungen und Prozessen verbunden, mitIndustrialisierung, Urbanisierung, Mo-dernisierung, Säkularisierung und Indi-vidualisierung. So fallen die Hochin-

dustrialisierung und das rapide Städte-wachstum – in Deutschland etwa zwi-schen der Reichsgründung 1871 unddem Ersten Weltkrieg 1914 – mit einemstarken Bevölkerungswachstum auf-grund sinkender AMortalität undgleichbleibend hoher AGeburtenratenzusammen. Im Deutschen Reich ist dieBevölkerung zwischen 1871 und 1910von 42,61 Mio. auf 64,57 Mio. ange-wachsen, hat sich also um 52% vergrö-ßert. Die höchsten Wachstumsratenwurden in der ersten Dekade des 20.Jhs. mit etwa 15‰ pro Jahr erreicht 2 .Ähnlich hohe Bevölkerungszunahmegab es aber schon im späten 18. Jh. undin der ersten Hälfte des 19. Jhs. (MAR-SCHALCK 1984). Zwischen 1817 und1850 war die Bevölkerungszahl auf demGebiet des späteren Deutschen Reichsvon 25,01 Mio. um 41% auf 35,31 Mio.angestiegen.

Trends im HeiratsverhaltenVor der Hochindustrialisierung erfolgtedas Wachstum im Rahmen der vorin-dustriellen Bevölkerungsweise, bei derdie Zahl der Familiengründungen, regu-liert über Heiratsalter und -häufigkeit,in Abhängigkeit vom Nahrungsspiel-raum die Entwicklung der Einwohner-zahlen steuerte (LIVI-BACCI 2000). FürDeutschland wie für andere europäischeLänder war über Jahrhunderte das „Eu-

ropäische Heiratsmuster” (HAJNAL

1982) mit später Eheschließung charak-teristisch. Heiratserlaubnisse wie auchNiederlassungsrechte waren grundsätz-lich an ein gesichertes Einkommen oderan Grundbesitz geknüpft, so dass jenach Beschäftigungslage in einem Ge-biet oder zu einer Zeitperiode ein mehroder weniger großer Anteil der heirats-fähigen Bevölkerung eine Ehe eingehendurfte. Im Laufe des 19. Jhs. wurdendiese Einschränkungen gelockert, waszum genannten Bevölkerungswachstumführte. Dadurch kam es aber in Zeitenwirtschaftlicher Krisen, vor allem inden 1830er und 40er Jahren, zu Massen-armut und Elend (Pauperismus), waseine Auswanderungswelle nach Überseeauslöste (AA Beitrag Swiaczny, S. 128)und erst durch den Ausbau der Industrieund der neuen Beschäftigungsmöglich-keiten in den Städten gemildert bzw.beseitigt werden konnte. RRRRR

1820-1870 ohne Elsass-Lothringen1871-1930 jeweiliger Gebietsstand

1940 Gebietsstand von 1937

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1820 1940Jahr

in Mio.

01840 1860 1900 1920

1871 1930

1880

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Bevölkerungsentwicklung1820-1940

BERLIN

Brandenburg

Cottbus

Frankfurt /OderPotsdam

Eberswalde

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1997

Bevölkerungsdichte Einwohner je km²

> 397

100 bis 181

< 4040 bis 6060 bis 8080 bis 100

Sachsen-Anhalt

Mecklenburg-Vorpommern

Sachsen

BERLIN

Brandenburg

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1992

Staatsgrenze

Raumordnungs-regionsgrenze

Kreisgrenze 1992/97

HauptstadtBERLIN

Kreisstadt (1997)Lübben

Sachsen-Anhalt

Mecklenburg-Vorpommern

Sachsen

Berlin und BrandenburgBevölkerungsdichte 1992 und 1997nach Kreisen zum jeweiligen Gebietsstand

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001 Autoren: P.Gans, F.-J.Kemper Maßstab 1: 2750000

0 50 100 km7525

C

B100 Jahre gesetzliche Rentenversicherung

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14Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung

Im Gefolge der Industrialisierung wurdees für immer mehr Menschen möglich,eine Ehe zu schließen. Dennoch bliebdas Erstheiratsalter bis in die Zwischen-kriegszeit hoch, und erst nach demZweiten Weltkrieg sanken die Werte inder Bundesrepublik auf 25,3 Jahre fürMänner und 22,7 Jahre für Frauen(jeweils 1975) 4 . Danach ist als Folgevon Individualisierungsprozessen undveränderten Bewertungen eine deutli-che Trendwende zu späterer Eheschlie-ßung und abnehmender Heiratshäufig-keit festzustellen, gefördert durch ver-längerte Ausbildungszeiten, vermehrteBerufstätigkeit von Frauen sowie die zu-nehmende gesellschaftliche Akzeptanzalternativer Formen des Zusammenle-bens. In der DDR hatte sich das indus-

triegesellschaftliche Muster von früherund universaler Heirat noch weit stär-ker als in Westdeutschland durchge-setzt, wie man an den niedrigen Wertendes Erstheiratsalters erkennt. Zwar istauch dort ein leichter Anstieg der Wer-te in den 1980er Jahren zu konstatieren,doch vollzog sich ein schneller Wandelin Richtung eines postindustriellenHeiratsmusters erst nach der Wende(AA Beitrag Gans, S. 96).

Ein weiteres Merkmal des Heirats-musters ist die Häufigkeit von Ehe-scheidungen. Als Indikator wird dieAzusammengefasste Scheidungszifferbenutzt, die als Prozentanteil der durchScheidung aufgelösten Ehen zu inter-pretieren ist, wenn die Verhältnisse ei-nes Beobachtungsjahres konstant gehal-ten werden. Diese Ziffer lag in der Bun-desrepublik 1965 noch bei 12, stieg inden 1970er und 80er Jahren deutlich anund erreichte einen Wert von 30 Endeder 1980er Jahre. Im selben Zeitraumerhöhten sich auch in der DDR die Zif-fern. Sie übertrafen stets beträchtlichdie Raten Westdeutschlands (1987: 45).Nach der Wende sind in den neuenLändern die Ehescheidungen zeitweisestark zurückgegangen, als das bundesre-publikanische Scheidungsrecht über-nommen wurde.

Trends der HaushaltsgrößeEheschließungen und -lösungen gehö-ren zu den Prozessen der Familienbil-dung, die eng mit der Haushaltsbildungverknüpft ist. Allerdings können zuHaushalten als Einheiten des Zusam-menlebens auch Nicht-Verwandte zäh-len. Letzteres war in der agrarischenGesellschaft mit Dienstboten und Ge-hilfen weit verbreitet. Die mittlereHaushaltsgröße betrug im vorindustriel-len Europa etwa 5 Personen. Entgegengängiger Vorstellungen waren Dreigene-rationen-Haushalte und Großfamiliendie Ausnahme. Während der Hochin-dustrialisierung lag die Haushaltsgröße1871 im Deutschen Reich bei 4,6 Perso-nen und fiel bis 1910 nur leicht auf 4,4(KEMPER 1997). Als Folge des Geburten-

rückgangs und einer „Familisierung“ derHaushalte durch Auszug von Dienstper-sonal sank der Wert bis 1933 auf 3,3 ab5 . Diese säkulare Reduzierung derHaushaltsgröße setzte sich in der Nach-kriegszeit fort, wobei der Anteil derEinpersonenhaushalte ständig anstieg(AA Beitrag Kemper, S. 58); 1998 entfie-len auf einen Privathaushalt inDeutschland 2,2 Personen (AA BeitragBucher/Kemper, S. 54).

Neben der zeitlichen Variation derHaushaltsgröße spielen auch räumlicheUnterschiede eine Rolle. 1890, zu Be-ginn der Hochindustrialisierung,schwankte die Amittlere Haushaltsgrö-ße zwischen 4 Personen im schlesischenRegierungsbezirk Liegnitz und 5,4 imwestfälischen Regierungsbezirk Münster6 . Große Haushalte waren nicht nurim Nordosten des Reichs, sondern auchin den Städten im Ruhrgebiet zu finden.Unterdurchschnittliche Haushaltsgrößenwaren für die Großstädte Berlin undHamburg, die gewerblichen RegionenSachsens, Schlesiens und Thüringens,aber auch für eine Reihe ländlicher Ge-biete Ostelbiens kennzeichnend.

AltersstrukturEines der wichtigsten demographischenMerkmale der Bevölkerungszusammen-setzung ist die Altersstruktur (AA Bei-trag Maretzke, S. 46). Wenn man zu-sätzlich noch eine Aufteilung der Al-tersgruppen nach Geschlecht vor-nimmt, gelangt man zur bekannten Dar-stellungsform der Bevölkerungspyrami-de 9 . Für das Deutsche Reich des Jah-res 1910 weist die Darstellung noch

eine regelmäßige Pyramidenform mitbreiter Basis auf, die einen hohen Kin-deranteil und eine geringere Besetzungder älteren Altersgruppen vor allem derMänner anzeigt. Vierzig Jahre später hatsich der Grundtyp des Altersaufbaus zueiner Bienenkorbform gewandelt, diejedoch durch deutliche Einschnitte ver-zerrt wird. Letztere sind bedingt durchdie wechselhafte Geschichte, die Krisenund Katastrophen im Deutschland derersten Hälfte des 20. Jhs. Zu erkennensind die Geburtenausfälle am Ende derbeiden Weltkriege, in geringerem Aus-maß auch während der Weltwirtschafts-krise, der durch die Bevölkerungspolitikder Nationalsozialisten unterstützte Ge-burtenanstieg in den späten 1930er Jah-ren sowie die hohen Kriegsverluste derMänner. Auch nach weiteren 50 Jahrenlassen sich diese ASingularitäten in derAltersverteilung noch erkennen. DerGrundtyp hat sich abermals verändert,nun in Richtung einer Urnenform mitgeringer werdender Besetzung der jün-geren AAlterskohorten und Tendenzenzur Überalterung. Deutlich werden derals Pillenknick bezeichnete Geburten-rückgang seit Ende der 1960er Jahreund der Geburtenrückgang in den neu-en Ländern im Gefolge der Wende.

Aus den Alterspyramiden lässt sichdie fortschreitende Überalterung derBevölkerung ablesen. Der Kinderanteil,der 1871 im Deutschen Reich 34,3%gegenüber einem Altenanteil von 4,6%betrug, verringerte sich spürbar nachdem Ersten Weltkrieg infolge des Ge-burtenrückgangs, so dass 1925 der An-teil der unter 15-Jährigen nur noch

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1871Jahr

Personen je Haushalt

1900 1925 1950 1975 1999

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Mittlere Haushaltsgröße1871-1999

Deutsches Reich /alte Länder neue Länder

MännerFrauen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

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1900 20 30 40 1999Jahr

Alter

1950 60 70 80 9010

Mittleres Erstheiratsalter 1900-1999

Danzig

PotsdamFrankfurt/

Oder

BreslauLiegnitz

Oppeln

Magdeburg

Erfurt

HannoverLüneburg

StadeAurich

Münster

Arnsberg

KasselKöln

Trier

Oberbayern

Niederbayern

PfalzOberpfalz

Leipzig

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i g 1 2

3

4

67

11

1413

18

E l s a s s

-L

ot h

ring

en

Fre

ibu

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Düsseldorf

Wie

sbad

en

8

9 10

Mannheim

17

16

15

19

12

5

1 F. Lübeck2 Lübeck3 Hamburg4 Bremen5 Berlin6 Schaumburg -

Lippe7 Braunschweig8 Lippe9 Minden

10 Hildesheim11 Anhalt12 Oberhessen13 Birkenfeld14 Rheinhessen15 Starkenburg16 Neckarkreis17 Schwarzwald18 Sigmaringen19 Konstanz

Mittlere Haushaltsgröße 1890räumliche Bezugseinheiten nach KNODEL

Mittlere Personenzahlje Haushalt

Maßstab 1: 11000000

0 100 200 km

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

< 4,4304,430 - 4,5654,566 - 4,7014,702 - 4,8374,838 - 4,973

keine Daten

> 4,974_

Autoren: P.Gans, F.-J.Kemper

4

E

F

Familie um 1914

Page 4: Bevölkerung in Deutschland – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band4_12-25_archiv.pdf · Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung 4-12

15Bevölkerung in Deutschland – eine Einführung

25,7% ausmachte und 1950 in der Bun-desrepublik 23,2% (Altenquote 9,3%).Der Pillenknick führte dann zu einer er-neuten Reduktion auf 17,8% im Jahr1980. Im vereinten Deutschland desJahres 1999 ist der Kinderanteil(15,7%) bereits niedriger als der der Äl-teren ab 65 Jahre (16,2%). Damit hatsich die demo-ökonomische Belastung(AA Beitrag Maretzke, S. 46) innerhalbeines Jahrhunderts stark gewandelt, voneinem hohen Übergewicht der Kinder-anteile hat sich heute etwa ein Gleich-stand von Kindern und Älteren ergeben7 , der in Zukunft zu einem Überge-wicht der Älteren mit gravierenden Fol-

gen für viele Lebensbereiche führenwird (AA Beitrag Börsch-Supan, S. 26).

Erwerbsstruktur nach Wirt-schaftsbereichenDie demographischen Trends waren vontiefgreifenden Änderungen in der Er-werbsstruktur begleitet, die sich nachdem Schema von Jean FOURASTIÉ durcheine Gewichtsverlagerung der Bedeu-tung der drei Wirtschaftssektoren Land-wirtschaft, Industrie und Handwerk so-wie Dienstleistungen beschreiben lassenH . Im Gefolge der Industrialisierungkam es zu einem relativen Beschäfti-gungsrückgang in der Landwirtschaftund einem deutlichen Anstieg der Ar-beitnehmerzahlen im sekundären Sek-tor, der Anfang der 1970er Jahre mit49% seinen höchsten Wert in der Bun-desrepublik erreichte. Aufgrund derProduktivitätsfortschritte sowie der Ver-lagerung von Produktionsstätten insAusland verlor in der Folgezeit die Er-werbstätigkeit in der Industrie an Be-deutung, und der tertiäre Sektor legtezu, so dass wir uns heute in der postin-dustriellen Phase befinden, in der dergrößte Anteil der Erwerbstätigen imDienstleistungssektor beschäftigt ist.Mit der Hinwendung zur Dienstleis-tungsgesellschaft stieg auch der Anteilder erwerbstätigen Frauen, der jedoch inder DDR traditionell immer sehr hochwar (AA Beitrag Stegmann, S. 62). Der

verbunden sind. Dieses Problem ge-winnt zeitverschoben Ende der 1990erJahre auch in den Industrieregionen derneuen Länder ständig an Bedeutung(AA Beiträge Gans/Thieme, S. 80 undS. 82).

Ethnische MinoritätenHinsichtlich der ethnisch-kulturellenBevölkerungsstruktur lässt sich nachMerkmalen wie Religion, Sprache, Her-kunft oder Staatsangehörigkeit differen-zieren. Traditionell sind für Deutsch-land regionale Unterschiede von Religi-on bzw. Konfession bedeutsam(AA Beitrag Henkel, S. 68). EthnischeMinderheiten sind Gruppen, die auf-grund von Gemeinsamkeiten wie Kulturoder Sprache und der Vorstellung einergemeinsamen Herkunft ein Zusammen-gehörigkeitsbewusstsein entwickelt ha-ben. Dabei unterscheidet man zwischenAautochthonen, schon lange im Landelebenden Minoritäten und Aalloch-thonen, zugewanderten Gruppen. Zuletzteren zählen die in der Nachkriegs-zeit nach Deutschland gekommenenArbeitsmigranten und ihre Nachkom-men (AA Beiträge Glebe/Thieme, S. 72und S. 76). Zu den ersteren werden dienationalen Minderheiten gerechnet, dieschon vor der Staatsgründung im Landin einem relativ geschlossenen Territo-rium wohnten und die einen rechtli-chen Minderheitenstatus genießen: z.B.die in Schleswig-Holstein lebenden Dä-nen und Friesen sowie die Sorben in derLausitz. Sie sind in aller Regel zweispra-chig und erhalten staatliche Unterstüt-zung zur Förderung ihrer Sprache undKultur.

Juden in DeutschlandZu den ältesten Minoritäten inDeutschland mit einer wechselvollenGeschichte zählen die Juden sowie dieSinti und Roma. Beide Gruppen umfas-sen heute sowohl Aautochthone wie zu-gewanderte Personen. Die jüdischeMinderheit, auf die hier etwas genauereingegangen wird, ist zwar keine natio-nale Minorität im rechtlichen Sinne,erhält aber eine institutionelle Förde-rung, nicht zuletzt aufgrund der Verfol-gung und Ermordung vieler RRRRR

Ältere über 64 Jahre

Kinder unter 15 Jahre

0

5

10

15

20

25

30

35

40

in Prozent

Jahr

1999

1990

1871

1880

1890

1900

1910

1920

1930

1940

1950

1970

1960

1980

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Anteil der Kinder und derÄlteren 1871-1999

aL nL nL aL

Männer FrauenMänner FrauenMänner Frauen

800 600 400 200 0 200 400 600 800

Personen in Tsd.

Lebensjahr

0

1998Alte und neue Länder

Personen in Tsd.

800 600 400 200 0 200 400 600 800 1000

Lebensjahr

01000

1910Deutsches Reich

Personen in Tsd.

800 600 400 200 0 200 400 600 8000

1950Bundesgebiet

1.5.

10.

15.

25.

30.

40.

45.

55.

60.

70.

75.

85.

90.

100.

20.

35.

50.

65.

80.

95.

1.5.

10.

15.

25.

30.

40.

45.

55.

60.

70.

75.

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90.

100.

20.

35.

50.

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80.

95.

Lebensjahr

1.5.

10.

15.

25.

30.

40.

45.

55.

60.

70.

75.

85.

90.

100.

20.

35.

50.

65.

80.

95.

Erfassungsgrenzeder Statistik

Erfassungsgrenzeder Statistik Erfassungsgrenze

der Statistik

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Bevölkerungspyramiden 1910, 1950, 1998

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Erwerbspersonenanteilin Prozent

Zeit

100

50

0präindustriell industriell postindustriell

primärer Sektor

tertiärer Sektor

sekundärer Sektor

Modell von FOURASTIÉEntwicklung des Erwerbspersonenanteils in dendrei Wirtschaftssektoren beim Übergang vonder Agrar- zur Dienstleistungsgesellschaft

Rückgang des industriellen Sektorsbrachte in Westdeutschland seit den1980er Jahren steigende Arbeitslosen-zahlen mit sich, die in einigen Regio-nen mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit

allochthon – fremden Ursprungs

Alterskohorte – alle Mitglieder einer Al-tersgruppe

autochthon – lokalen Ursprungs

Emigration/emigrieren – Auswande-rung/auswandern über Staatsgrenzenhinweg

geklumpte Flächenstichprobe – mehr-stufige Zufallsauswahl, bei der die Unter-suchungseinheiten aufgrund ihrer räum-lichen Lage zu Gruppen („Klumpen“) zu-sammengefasst werden

intraurban/interurban – innerhalb vonStädten/zwischen Städten

intraregional/interregional – innerhalbvon Regionen/zwischen Regionen

Migranten/migrieren – Wohnungs-wechsel über Gemeindegrenzen hinweg

Migrationsbilanz/Migrationssaldo –Wanderungssaldo

pronatalistisch – Maßnahmen oder Po-litik, die eine höhere Geburtenzahl för-dern soll

Segregation – Ungleichverteilung vonsozialen, ethnischen oder anders defi-nierten Bevölkerungsgruppen über einBetrachtungsgebiet; oft als Ausdruck fürdie Konzentration von höheren und nied-rigeren Einkommensgruppen in Stadt-vierteln verwendet

Singularitäten – historisch einmalige Er-eignisse, die allgemeine Muster überla-gern

Wanderungssaldo – Differenz zwischenZuzügen und Fortzügen

G

H

I

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16Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung

Millionen Menschen jüdischer Her-kunft zur Zeit des Nationalsozialismus.Im Gebiet des späteren Deutschlandslebten Juden schon seit den ersten Jahr-hunderten nach Christus. Im Mittelal-ter waren sie zwar eine unter mehrerenethnischen Minoritäten, mussten aberwegen ihrer Religion zahlreiche Diskri-minierungen erdulden und konnten nurin bestimmten Berufen tätig werden.Die Judenemanzipation seit der Aufklä-rung führte zur bürgerrechtlichen

Gleichstellung bei der Gründung desDeutschen Reiches im Jahr 1871, auchwenn bestimmte Berufe im staatlichenBereich (Beamte, Offiziere) ihnen nurschwer zugänglich waren. Im Kaiser-reich wuchs die Zahl der Juden, d.h. derPersonen der jüdischen Religionsge-meinschaft, von 512.000 (1871) auf615.000 (1910) an, ihr prozentualerAnteil an der Gesamtbevölkerung sankaber von 1,25% auf 0,95%. Dies war vorallem auf eine unterdurchschnittlicheFruchtbarkeit zurückzuführen, denn derGeburtenrückgang setzte bei ihnenschon relativ früh ein. Die deutschenJuden zeichneten sich durch demogra-phische Modernität aus.

Auf dem Lande konnten Juden langeZeit nur im Handel (z.B. Vieh- oderProduktenhandel) oder als Hausierer tä-tig werden, wohingegen sich ihnen inden Städten neue berufliche Positioneneröffneten. Im Jahre 1885 lebte einknappes Drittel der jüdischen Bevölke-rung Deutschlands in Großstädten,während es 1910 schon fast 60% waren.Besonders groß war die Anziehungskraftvon Berlin, wo 1871 knapp 10% der Ju-den wohnten, 1925 aber bereits 32%.Die Verstädterung war eng verknüpftmit einem ausgeprägten Bildungsstre-ben, einer Akademisierung und Verbür-gerlichung. Diese Aussagen geltenallerdings nur für die autochthone jüdi-sche Bevölkerung und nicht für die ausden russisch-polnischen Gebieten undaus Galizien zugewanderten Ost-Juden,von denen viele in die USA weiter mig-rierten.

Alle Emanzipations- und Integrati-onserfolge der jüdischen Minorität wur-den schließlich durch den Holocaustzunichte gemacht, den nur wenige Ju-

den in Deutschland überlebten. Anfang1989 gab es in der Bundesrepublikknapp 30.000 Mitglieder von jüdischenGemeinden. Diese Zahl hat sich bis1999 durch die geförderte Zuwanderungaus Russland und anderen GUS-Staatenauf 82.000 erhöht.

Verstädterung und Bevölke-rungskonzentrationDer bevölkerungsstrukturelle Wandelim 19. und 20. Jh. spielte sich vor demHintergrund einer zunehmenden Ver-städterung ab, deren Hochphase mit derPeriode der Hochindustrialisierung zu-sammenfiel. Für das Deutsche Reich be-trug der Bevölkerungsanteil in Groß-städten ab 100.000 Einwohnern im Jahr1871 nur 4,8%, 1910 schon 21,3%. ImJahr 1939 wurden 31,6% errechnet1980, für die Bundesrepublik 34,0%. Pa-rallel dazu sank der Anteil der ländli-chen Bevölkerung in Gemeinden unter2000 Einwohnern K . Aus diesenTrends wird ersichtlich, dass der räumli-che Konzentrationsprozess der Bevölke-

rung während der Hochindustrialisie-rung am stärksten ausgeprägt war. Heu-te dominiert dagegen eine kleinräumigeDekonzentration, weil das Umland stär-ker wächst als die Kernstädte (AA Bei-träge Laux, S. 36; Herfert, S. 116).

Niedrigere Geburtenhäufigkeitund steigende Lebenserwar-tungDie natürliche Bevölkerungsentwick-lung ist in Deutschland seit den 1970erJahren negativ M . Ähnlich wie in denübrigen europäischen Staaten ist dieserTrend Folge eines Geburtenrückganges(AA Beitrag Gans/Ott, S. 92). Die Ab-bildung veranschaulicht, dass die heuti-gen ASterbeüberschüsse offenbar dasErgebnis eines tiefgreifenden Wandelsder Fruchtbarkeits- und Sterblichkeits-bedingungen in den letzten 200 Jahrensind. Lag die AGeburtenziffer vor 1900zumeist über 35‰, so hat sie sich heuteum 10‰ stabilisiert. In diesem Zeit-raum verringerte sich auch die ASterbe-rate von über 25‰ auf ebenfalls etwa

JungenMädchen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

0

1020

3040

5060

7080

90

Jahre

Jahr

-10

-505

101520

1740

1775

1800

1825

1850

1875

1900

1925

1950

1975

1995

1840

-185

0

1895

-190

5

1915

-192

5

1935

-195

5

1985

-199

5

Zeitraum

Jahre

1740

-175

0

1790

-180

0

Lebenserwartung von Neugeborenen1740-1995

Veränderung der Lebenserwartung beiderGeschlechter im Alter von 0 Jahren

1939

1950

1961

1970

1980

1985

1991

1995

1997

1871

1890

1910

1925

1933

1939

< 2000 Einwohner >= 100000 Einwohner

0

10

20

30

40

50

60

70in Prozent

Reichsgebiet Bundesgebiet(ab 1991 alte und neue Länder)

Bevölkerung nach ausgewählten Gemeindegrößenklassen1871-1997

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Geburtenrate

Sterberate

natürliche Zuwachsrate

prä- früh- mittel- spät- post-transformative Phase

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Modell des demographischen Übergangs

Deutsches Reich / BRD /

alte LänderDDR /

neue Länder

-20

-10

0

10

20

30

40

50

1990

1990

1990

je 1000 Einwohner

1820

1830

1840

1850

1860

1870

1880

1890

1900

1910

1920

1920

1920

1930

1940

1950

1960

1970

1980

1980

1980

Geburtenziffer

Sterbeziffer

natürliche Zuwachsrate

1946

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Geburten-, Sterbeziffern und natürliche Zuwachsrate 1817-1998

J

K

L

M

Page 6: Bevölkerung in Deutschland – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band4_12-25_archiv.pdf · Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung 4-12

17Bevölkerung in Deutschland – eine Einführung

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

1862

-187

0

1871

-187

5

1876

-187

7

1878

-188

2

1883

-188

7

1888

-189

2

1893

-189

7

1898

-190

2

1903

-190

7

1908

-191

2

1923

-192

7

1928

-193

2

1933

-193

7

Zeitraum

in Promille

Preußen und BayernStadt-Land-Unterschiede der Säuglings-sterblichkeit 1862-1937

BerlinStädteLand

PreußenMünchenStädteLand

Bayern

Autoren: P.Gans, F.-J.Kemper

Eheliche Fruchtbarkeit 1866/68 und Säuglingssterblichkeit 1862/66

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001 Maßstab 1: 9000000

0 100 200 km

räumliche Bezugseinheiten nach KNODEL

Eheliche Fruchtbar-keitsziffer 1866/68

keine Angaben

>0,85--0,80-0,850,75-0,800,70-0,750,65-0,70

< 0,65

Säuglingssterblichkeit

keine Angaben

>350--300-350250-300200-250150-200

<150

PromilleIndex = 1

10‰. Zugleich verzeichnete die Bevöl-kerung in Deutschland während dieserTransformation ein erhöhtes natürlichesWachstum. Diesen mehr oder minderregelhaften Wandel der natürlichen Be-völkerungsbewegungen von hohen, va-riierenden AGeburten- und ASterbe-ziffern zu deutlich niedrigeren, wenigschwankenden Werten bezeichnet manals Ademographischen Übergang.Gleichzeitig entstanden neue Struktu-ren in Gesellschaft und Wirtschaft, diesich z.B. in den Änderungen von derAgrar- über die Industrie- zur Dienst-leistungsgesellschaft äußern (s.o.). Derdemographische Wandel hat sich in al-len Industrieländern nach einemgleichartigen Muster vollzogen, das sichnach dem Modell des demographischenÜbergangs in fünf Phasen untergliedernlässt L .

Generative Strukturen in derprätransformativen Phase (bis1870)Von 1815 bis 1870 verlaufen die Gebur-ten- und Sterbeziffern bei relativ star-ken, unregelmäßigen Schwankungenetwa parallel auf konstant hohem Ni-veau. Der kurzfristigen Zunahme derMortalität nach Hungerkrisen wie1816/17 oder bei Epidemien wie 1831/32 folgt verzögert eine Steigerung derGeburtenrate. Sterbeüberschüsse sindjedoch nicht zu beobachten, da bereitsim 18. Jh. mit dem Verschwinden derPest eine erste Besserung bei der ALe-benserwartung eintrat (MARSCHALCK

1984, S. 26) J . Daher ist in allen Jah-ren von 1815 bis 1870 ein vorindustriel-les natürliches Bevölkerungswachstumzu beobachten, das zwischen 10 und

16‰ pendelte und sich vor allem aufdem Lande vollzog.

Das hohe Niveau und die wiederhol-ten kurzfristigen Ausschläge beider Ra-ten sind Ausdruck der vorindustriellenBevölkerungsweise. Die Familie hatteaufgrund religiöser Normen und Wertesowie rechtlicher Vorgaben einen gesi-cherten Platz in der Gesellschaft. Die au-ßereheliche Fruchtbarkeit spielte keineRolle. Die Eltern hatten von einer gro-ßen Kinderzahl durchaus Vorteile. DieNachkommen konnten schon früh in derdurch die Landwirtschaft geprägten Öko-nomie bestimmte Arbeiten erledigen, siewaren für die Eltern eine Absicherungim Alter und bei Krankheit. RRRRR

Die Bevölkerungsentwicklung wirddurch die natürliche Bevölkerungsent-wicklung sowie das Wanderungsgesche-hen bestimmt.

Geburten- bzw. Sterbeüberschüssesind Ausdruck für den momentanen Zu-stand der natürlichen Bevölkerungs-entwicklung, die je nachdem, ob dieSterbefälle oder die Geburten (jeweilsabsolut) überwiegen, durch Wachstumoder Schrumpfung gekennzeichnet ist.Die Begriffe Geburtenhäufigkeit,Fruchtbarkeit oder Fertilität werdensynonym verwendet.

Das einfachste Maß zur Charakterisie-rung der Geburtenhäufigkeit ist die all-gemeine oder rohe Geburtenzifferoder -rate, welche die Zahl der Lebend-geborenen eines Jahres auf 1000 Perso-nen der mittleren Bevölkerung, in derRegel die Zahl zur Jahresmitte, bezieht.Die Geburtenziffer ist jedoch für räumli-che und zeitliche Vergleiche ungeeignet,da sie sich auf die gesamte Bevölkerungstützt. Eine Erhöhung des Wertes kannallein aus altersstrukturellen Veränderun-gen und nicht aus einem Wandel des ge-nerativen Verhaltens resultieren.

Das generative Verhalten in einemZeitraum ergibt sich aus den Wechselwir-kungen zwischen gesellschaftlichen undökonomischen Merkmalen, welche Ge-burtenhäufigkeit oder Heiratsvorgängebeeinflussen. Ein geeignetes Maß ist diezusammengefasste Geburtenzifferoder Totale Fertilitäts-/Fruchtbarkeits-rate (TFR), welche die Zahl der gebore-nen Kinder von 1000 Frauen während ih-rer reproduktiven Lebensphase angibt,wenn sie den für einen bestimmten Zeit-punkt maßgeblichen Fruchtbarkeitsver-hältnissen unterworfen wären und dabeivon der Sterblichkeit abgesehen wird;dieses Maß liegt heute in Europa zwi-schen 800 und 1800. Die TFR wirdmanchmal auch als Wert je Frau angege-ben, der je nach historischer Situation inEuropa zwischen 0,8 und 1,8 streut. DieFruchtbarkeit kann als Gesamtziffer an-gegeben werden oder sich nur auf dieehelichen bzw. die außerehelichen Ge-burten beziehen (eheliche Fruchtbar-keitsziffer, außereheliche Fruchtbar-keitsziffer).

Eine alternative Ziffer der ehelichenFruchtbarkeit setzt die Zahl der eheli-chen Geburten in Beziehung zu einer er-warteten Zahl, die bei gegebener Alters-verteilung der verheirateten Frauen undmaximaler Fruchtbarkeit, wie sie bei derin Nordamerika lebenden religiösenGruppe der Hutterer beobachtet wurde,resultieren würde. Diese Ziffer wird alsProzentanteil am maximal zu erwarten-den Wert bzw. als Anteil am Index 1 an-gegeben.

Das einfachste Maß zur Charakterisie-rung der Sterblichkeit oder Mortalitätist die allgemeine oder rohe Sterbera-te/Mortalitätsrate bzw. -ziffer, welchedie Zahl der Todesfälle eines Jahres auf1000 Personen der mittleren Bevölke-rung bezieht. Die Sterbeziffer ist jedoch

für räumliche und zeitliche Vergleicheungeeignet, da sich Unterschiede in derMortalität aus der altersstrukturellen Zu-sammensetzung der Bevölkerung erge-ben können. Diesen Nachteil gleicht diemittlere Lebenserwartung aus. Siegibt die wahrscheinliche Zahl von Jahrenan, die eine Person zum Zeitpunkt derGeburt, aber auch in einem beliebigenAlter unter den in einer Zeitperiode ge-gebenen Sterblichkeitsverhältnissen ei-ner Bevölkerung zu leben erwartenkann. Berechnungen der Lebenserwar-tung gehen auf Sterbetafeln zurück. ImText wird die mittlere Lebenserwartungbei der Geburt immer abgekürzt als Le-benserwartung bezeichnet.

Untersuchungen zur Säuglingssterb-lichkeit basieren auf der Säuglings-sterblichkeitsrate oder -ziffer. Diese isteine altersspezifische Mortalitätsrate, diesich aus der Zahl der Sterbefälle von un-ter einjährigen Personen bezogen auf1000 Lebendgeborene in einem Kalen-derjahr berechnet.

Die generative Struktur einer Bevölke-rung prägt die Entwicklung der Bevölke-rung in einem Raum während einer be-stimmten Phase durch das spezifischeZusammenwirken von Heiratshäufigkeitund -alter, inner- und außerehelicherFruchtbarkeit sowie der altersspezifi-schen Sterblichkeit.

Unter Nettoreproduktionsrate wird dieZahl der Töchter verstanden, die von ei-ner Generation von Frauen im Laufe ih-rer reproduktionsfähigen Jahre geborenwerden und die unter den herrschendenSterblichkeitsverhältnissen ihrerseits dasreproduktionsfähige Alter erreichen wer-den. Bei Werten von über 1 ist eine Zu-,bei Werten niedriger als 1 eine Bevölke-rungsabnahme zu erwarten.

Die Häufigkeit von Ehescheidungen wirdals zusammengefasste Scheidungszif-fer ausgedrückt, die den Anteil derdurch Scheidung aufgelösten Ehen proJahr angibt, wenn die Verhältnisse einesBeobachtungsjahres konstant gehaltenwerden.

Die Haushaltsgröße wird in der Regelals mittlere Haushaltsgröße in Zahl derPersonen je Haushalt ausgedrückt, wo-bei meist nur Privathaushalte betrachtetwerden. Neben den Privathaushaltenwerden Anstaltshaushalte, z.B. Wohn-heime oder Internate, unterschieden.

altersspezifische Indizes – Fruchtbar-keit, Sterblichkeit oder andere Kenngrö-ßen können entweder für die Gesamtbe-völkerung oder für bestimmte Alters-gruppen ermittelt werden, wobei jeweilsdie Grundbevölkerung, auf die sich einerrechneter Wert bezieht, durch die Be-völkerungszahl der jeweiligen Gruppeausgewechselt wird.

Der demographische Übergang oderdie demographische Transformationist der mehr oder minder regelhafteWandel der Geburten- und Sterbeziffernvon relativ hohen zu vergleichsweiseniedrigen Werten.

Kennziffern der Bevölkerungsentwicklung

N

O

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18Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung

Die generative Struktur der prätransfor-mativen Phase weist erhebliche regio-nale Abweichungen auf, die sich in ei-nem Anstieg der ASäuglingssterb-lichkeit von Nord nach Süd und vonWest nach Ost dokumentiert O . Auf-fallend sind auch die erhöhten Wertevor allem in den großen Städten N . IM-HOF (1981b) bezeichnet die generativeStruktur in Süddeutschland als Systemder Verschwendung: hohe Geburten-häufigkeit, aber auch extreme Säug-lingssterblichkeit, kurze Stillzeiten, un-genügende Schonung von Schwangerenund jungen Müttern, geringer Abstandzwischen zwei Geburten, hohe und ra-sche Wiederverheiratung von Witwernund Witwen. Demgegenüber ist die ge-nerative Struktur in Nordwestdeutsch-land durch eine höhere Mitverantwor-tung der Eltern für das Überleben ihrerKinder gekennzeichnet, die sich in ei-

ner unterdurchschnittlichen Fruchtbar-keit und einer sehr niedrigen Säuglings-sterblichkeit ausdrückt O .

Der Sterblichkeitsrückgang inder frühtransformativen Phase(1870-1900)Aus Abbildung M kann man etwa ab1870 eine augenfällige Verringerung derSterbeziffer ablesen. Bei weiterhin ho-hen Geburtenraten öffnet sich die Be-völkerungsschere, der demographischeÜbergang beginnt: Das natürliche Be-völkerungswachstum erhöht sich vonetwa 10 auf fast 15‰ um 1900.

Der Rückgang der Sterberate war Fol-ge einer Zunahme der Überlebenschan-cen. In Abbildung J ist seit 1865/75bis heute ein Zuwachs der ALebens-erwartung von Männern und Frauen zuerkennen (AABeiträge Gans/Kiste-mann/Schweikart, S. 98; Ott, S. 100),

der sich bis in die 1920er Jahre be-schleunigte, dann aber abflachte. DerSterblichkeitsrückgang nach 1870 ba-sierte auf einer merklichen Verbesse-rung der Ernährungssituation. Moderni-sierung und Intensivierung der Land-wirtschaft sowie der expandierendeWelthandel sicherten zunehmend dieNahrungsmittelversorgung, mit demAusbau der Verkehrsinfrastruktur imZuge der Industrialisierung konnten re-gionale Defizite rasch ausgeglichen wer-den. Der Anstieg der Lebenserwartungin dieser frühen Phase resultierte ausder verringerten AMortalität von Kin-dern und Erwachsenen, weniger aus dervon Säuglingen. Deren ASterblichkeiterhöhte sich sogar noch, zum einen inGebieten mit eher unterdurchschnittli-cher Mortalität der unter 1-Jährigen P ,zum andern in den Städten, verstärkt inden damaligen Metropolen N . Hinter

diesem Stadt-Land-Gefälle verbargensich mangelnde Hygiene, sehr kurzeStillzeiten und Defizite im sanitären Be-reich. Erst mit dem Ausbau von Trink-und Abwassersystemen, mit der Regu-lierung von Frischmilchtransporten undMilchsterilisierung beschleunigte sichder Rückgang der Säuglingssterblichkeit(IMHOF 1981b).

Vermehrtes Überleben bedeutetenicht nur eine Verbesserung der Lebens-bedingungen breiter Bevölkerungs-schichten, sondern es hieß auch, dassmehr Jugendliche, insbesondere Frauen,das Erwachsenenalter erreichten. DieAGeburtenziffer bleibt jedoch konstantauf hohem Niveau M , wozu eine insge-samt leicht rückläufige Kinderzahl derFrauen beitrug Q . Seit den 1880er Jah-ren zeichnen sich erste Änderungen inder altersstrukturellen Fruchtbarkeit ab.Zum einen erhöht sich die Geburtenhäu-

Potsdam

Frankfurt/ Oder

L i e g n i t z

Magdeburg

Erfurt

Hannover

Hildes- heim

Lüneburg

StadeAurich

Münster

Minden

Arnsberg

Kassel

Wies-baden

Düssel-dorf

Köln

Trier

Oberbayern

Niederbayern

P f a l zOberpfalz

Leipzig

Neckar- kreis

Schwarzwald

Donau-

kreisKonstanz

Starken- burg

Mecklenburg

T h ü r i n g e n

H.Olden-burg

Lippe

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Mecklenburg

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Niederbayern

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Mecklenburg

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Elsass - Lothringen

Frei

burg

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Berlin

Autoren: P.Gans, F.-J. Kemper© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Maßstab ca. 1:10000000

0 100 200 km

Säuglingssterblichkeit 1875/80 bis 1932/34räumliche Bezugseinheiten nach KNODEL

Promille

Säuglingssterblichkeit

>300--250 bis 300200 bis 250150 bis 200

< 150

keine Angaben

Prozent

Veränderung derSäuglingssterblichkeit1875/80 bis 1896/1900

>10-- 0 bis 10-10 bis 0-20 bis -10

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keine Angaben

PromilleSäuglingssterblichkeit

250 bis 300200 bis 250150 bis 200

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keine Angaben

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Prozent

Veränderung derSäuglingssterblichkeit1896/1900 bis 1932/34

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Staatsgrenze nachdem VersaillerVertrag

50 bis 75

PromilleSäuglingssterblichkeit

75 bis 100

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keine Angaben

1875/18801 F. Lübeck2 Lübeck3 Hamburg4 Bremen5 Schaumburg - Lippe6 Braunschweig7 Anhalt8 Rheinhessen9 Birkenfeld

10 Sigmaringen

1896/19001 F. Lübeck2 Lübeck3 Hamburg4 Bremen5 Schaumburg - Lippe6 Braunschweig7 Anhalt8 Rheinhessen9 Birkenfeld

10 Sigmaringen

1932/19341 F. Lübeck2 Lübeck3 Hamburg4 Bremen5 Schaumburg - Lippe6 Braunschweig7 Anhalt8 Rheinhessen9 Birkenfeld

10 Sigmaringen

P

Familie Anfang 20. Jh.

Page 8: Bevölkerung in Deutschland – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band4_12-25_archiv.pdf · Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung 4-12

19Bevölkerung in Deutschland – eine Einführung

Deutsches Reich/ab 1946 Bundesrepublik Deutschland bzw.alte Länder

ab 1950 DDR bzw. neue Länder

Daten ab 1901 für Jahrfünfte

Geburten je 1000 Frauen

Jahr

Geburtsjahrgang der Frauen

Geburten je 1000 Frauen

0

1000

2000

3000

4000

5000

0

1000

2000

3000

4000

5000

1871/801901/10

1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 1998

1865 75 85 90 95 1900 10 20 30 40 50 60

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Totale Fertilitätsrate TFR 1871/80 bis 1998

Absolute Kinderzahl 1865 bis 1959/60nach dem Geburtsjahrgang der Frauen

Index = 1

Berlin

Kleinstädte

ländliche Gebieteandere Großstädte

alle Städte

Staat

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0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

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1867-1868 1880-1881 1885-1886 1895-1896 1900-1901 1905-1906 1910-1911Jahrgang

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

PreußenEheliche Fruchtbarkeitsziffer 1867-1911

Frankfurt/ Oder

Potsdam

Magdeburg

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Hannover

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Münster

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Kassel

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Leipzig

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Mecklenburg

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7

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Breslau

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Autoren: P.Gans, F.-J. Kemper

Eheliche Fruchtbarkeit 1869/73 bis 1931/35

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Maßstab ca. 1:10000000

0 100 200 km

1869/1873

1898/1902

1931/1935

räumliche Bezugseinheiten nach KNODEL

Prozent

Veränderung 1898/1902bis 1931/35

Veränderung 1896/73bis 1898/1902

Prozent

Eheliche Fruchtbar-keitsziffer

1 F. Lübeck2 Lübeck3 Hamburg4 Bremen5 Schaumburg - Lippe6 Braunschweig7 Anhalt8 Rheinhessen9 Birkenfeld

10 Sigmaringen

1 F. Lübeck2 Lübeck3 Hamburg4 Bremen5 Schaumburg - Lippe6 Braunschweig7 Anhalt8 Rheinhessen9 Birkenfeld

10 Sigmaringen

1 F. Lübeck2 Lübeck3 Hamburg4 Bremen5 Schaumburg - Lippe6 Braunschweig7 Anhalt8 Rheinhessen9 Birkenfeld

10 Sigmaringen

Staatsgrenze nachdem Versailler Vertrag

keine Angaben

0 bis 12-5 bis 0

-10 bis -5-15 bis -10-20 bis -15

< -20

keine Angaben

keine Angaben

-50 bis -40 -60 bis -50

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keine Angaben

keine Angaben

Index = 1

Eheliche Fruchtbar-keitsziffer

Index = 1

Eheliche Fruchtbar-keitsziffer

Index = 1

> 0,85

0,80 - 0,85

0,75 - 0,80

0,70 - 0,75

0,65 - 0,70

< 0,65

_

> 0,75

0,70 - 0,75

0,65 - 0,70

0,60 - 0,65

0,55 - 0,60

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> 0,35

0,30 - 0,35

0,25 - 0,30

0,20 - 0,25

< 0,20

_

figkeit der unter 25-Jährigen, was für einBeibehalten traditioneller Normen undGewohnheiten in Bezug auf Familien-gründung und für eine Verringerung desHeiratsalters spricht. Zum andern sankdie Fruchtbarkeit der mindestens 35-Jäh-rigen, was auf eine Anpassung der Fami-liengröße an die neuen, zunehmend städ-tisch geprägten Sozialstrukturen schlie-ßen lässt R . Der Fruchtbarkeitsrückgang

setzte vornehmlich in den großen Städ-ten ein und war dort stärker ausgeprägtals in kleineren Zentren und in ländli-chen Gebieten S . Der Geburtenüber-schuss hat sich in dieser Phase nicht vollauf das Bevölkerungswachstum ausge-wirkt, da bis zur Jahrhundertwende2,4 Mio. Menschen Deutschland inRichtung Übersee den Rücken kehrten(AABeitrag Swiaczny, S. 126). RRRRR

Q

R

S

Page 9: Bevölkerung in Deutschland – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band4_12-25_archiv.pdf · Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung 4-12

20Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung

1- 10- 20- 30- 40- 50-Altersgruppe

60

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in %

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0- 60- 70- 80- 90-

40

60

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in %

1- 10- 20- 30- 40- 50-0

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Altersgruppe0- 60- 70- 80- 90-

1- 10- 20- 30- 40- 50-0

20

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80

100

in %

Altersgruppe0- 60- 70- 80- 90-

Krankheiten desGastrointestinaltraktes

sonstige Todes-ursachen

Krankheiten derAtmungsorgane

bösartige Neubildungen

Krankheiten desHerz-Kreislaufsystems

Säuglingskrankheiten

Infektionskrankheiten

Tuberkulose

Unfälle

Pneumonie

1906

1934

1985

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Todesursachenstruktur der Sterbefälle 1906, 1934 und 1985

rechtlichen Änderungen wie der allge-meinen Schulpflicht und dem Verbotder Kinderarbeit sowie in sozialpoliti-schen Maßnahmen wie der Einführungder Krankenversicherung. Kinder stan-den immer weniger für billige Arbeits-kräfte und soziale Absicherung, ihr„ökonomischer Wert” für die Elternsank. Ein sozialer Aufstieg hing in stei-gendem Maße von der individuellenLeistung bzw. der Ausbildung einer Per-son ab. Um diese qualitativen Ziele fürihre Kinder zu erreichen, begrenzten El-tern aufgrund der damit verbundenenAufwendungen die Zahl ihrer Nach-kommen. In diesem Zusammenhangkann der Fruchtbarkeitsrückgang alsAnpassung an den sozialen und ökono-mischen Wandel interpretiert werden.

Diese Veränderungen begannen inden großen Städten und setzen sich dortverstärkt fort R S . Hier konzentrier-ten sich aufstiegswillige Gruppen, dieim Sinne einer Wohlstandssteigerung –ebenso wie die Angehörigen untererEinkommensschichten aus Armutsgrün-den – die Kinderzahl beschränkten. Kir-che und Religion verloren an Einfluss.Die Säkularisierung breitete sich inevangelischen schneller als in katholi-schen Gebieten aus. In diesem Zusam-menhang kann der Fruchtbarkeitsrück-gang als Neuerung generativer Struktu-ren verstanden werden, die sich durch

die Ausbreitung geänderter Normenund Wertvorstellungen entlang vonKommunikationslinien entfalten.

Nach 1900 erreichte der Anstieg derLebenserwartung maximale Werte J .Der entscheidende Faktor war derRückgang der Säuglingssterblichkeit umdurchschnittlich 63% bis 1932/34 P .Dabei wirkten sich medizinische Fort-schritte, der Ausbau des Gesundheits-wesens (Infrastruktur wie verstärkteAusbildung von Fachpersonal) sowiedie Hebung des Lebensstandards starkaus. In Abbildung T erkennt manzudem eine Änderung der Todesursa-chenstruktur, die sog. epidemiologischeTransformation, die einen langfristigenWandel im Krankheits- und Sterbege-schehen beschreibt: Infektionskrankhei-ten, Tbc und Todesursachen, die aufdem Verdauungssystem beruhen, wei-chen zurück, während degenerative undindividuell-selbstverschuldete sowie zi-vilisatorische Krankheiten an Bedeu-tung gewinnen (AA Beiträge Dangen-dorf/Fuchs/Kistemann, S. 102; Kiste-mann/Uhlenkamp, S. 104; Schweikart,

S. 106). Die heutige Lebenserwartungist bei einer Säuglingssterblichkeit vonetwa 5‰ (GÄRTNER 1996) von der Mor-talität in den höheren Altersgruppenabhängig, und ein weiterer Anstieg derÜberlebenschancen ist vor allem durchFortschritte bei der Gesundheitsversor-gung der älteren Menschen zu erzielen.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg ka-men mit dem Geburtenrückgang Über-legungen zu einer ApronatalistischenBevölkerungspolitik auf. Doch erst wäh-rend des Nationalsozialismus wurdenMaßnahmen eingeführt, die eine Ge-burtenkontrolle erschwerten und gebur-tenfördernd wirken sollten. Zwar erhöh-te sich die ATotale Fruchtbarkeitsrate(TFR) in den 1930er Jahren, doch istdie Zahl der Kinder für aufeinanderfol-gende Geburtsjahrgänge der Frauenweiterhin leicht rückläufig Q , so dassdie Entwicklung auf ein Nachholenbzw. ein Vorziehen der Geburten zu-rückgeht. In den Folgejahren hinterlie-ßen der Holocaust, die Tötung von für„lebensunwert” erachteten Menschensowie die Auslösung des Zweiten Welt-

Der Fruchtbarkeitsrückgang inder mittel- und spättransforma-tiven Phase (1900-1945)Die mittel- und die spättransformativePhase des demographischen Übergangsgehen in Deutschland ineinander über,da der Erste Weltkrieg und die wirt-schaftlichen Probleme in der Zwischen-kriegszeit den Verlauf von Fruchtbarkeitund Mortalität erheblich beeinflusstenM . Anfang des 20. Jhs. lag das natürli-che Bevölkerungswachstum bis zumAusbruch des Ersten Weltkriegsweiterhin deutlich über 10‰, obwohldie Geburtenrate bis zu diesem Zeit-punkt um 25% gesunken war, die Ster-beziffer jedoch fast um ein Drittel ab-sank und weiter stark rückläufig war.Von 1920 bis 1938 verringerte sich dieZahl der Geborenen auf 1000 Einwoh-ner sogar um 31%, die der Sterbefälleum 25%, so dass sich etwa ab 1920 dieBevölkerungsschere zu schließen be-ginnt und das natürliche Wachstumrückläufig ist M .

Der Fruchtbarkeitsrückgang beruhteauf dem Zusammenwirken mehrererFaktoren. Die Modernisierung der Ge-sellschaft, die sich in der Verstädterungsowie im Wandel von der agraren zurindustriellen Erwerbsstruktur äußert,fand ihren Niederschlag auch in der be-ginnenden Emanzipation der Frau, ineiner Hebung des Lebensstandards, in

T

Page 10: Bevölkerung in Deutschland – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band4_12-25_archiv.pdf · Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung 4-12

21Bevölkerung in Deutschland – eine Einführung

krieges große Einschnitte in der Bevöl-kerungspyramide und rissen tiefe Wun-den in das Zusammenleben der Völker.

Ausklingen des demographi-schen Übergangs sowie erneu-ter Fruchtbarkeitsrückgang inder posttransformativen Phase(seit 1946)Nach 1945 haben Geburten- und Ster-beziffern in der Bundesrepublik sowie inder DDR auf niedrigem Niveau einenähnlichen Verlauf wie in anderen euro-päischen Ländern (AA Beitrag GANS/OTT, S. 92). Das natürliche Bevölke-rungswachstum war zunächst leicht po-sitiv, seit Anfang der 1970er Jahre ehernegativ. Die Sterberaten verzeichnetennur noch sehr geringfügige Schwankun-gen. Bis Mitte der 1970er Jahre erhöhtesich die Lebenserwartung in beidendeutschen Teilstaaten kontinuierlich,erst danach ist eine Divergenz zu beob-achten (AABeitrag Gans/Kistemann/Schweikart , S. 98). Bei der Geburten-rate waren bis Mitte der 1970er Jahredie Unterschiede ähnlich wie bei derTotalen Fruchtbarkeitsrate (TFR) ge-ringfügig Q . Nach ihrem Anstieg aufWerte um 2500 im Jahre 1965 ging dieTFR in beiden Teilstaaten zehn Jahrespäter auf ein Niveau von ca. 60% zu-rück. Ab 1975 reduzierte sich die TFRim Bundesgebiet bis 1985 auf ein Mini-mum von 1280, während sie sich in derDDR bis 1980 aufgrund einer AA prona-talistischen Bevölkerungspolitik um25% auf 1942 erhöhte (GANS 1996).Anschließend glichen sich die Ziffernwieder an. In der DDR verringerten sichdie Raten bis 1988 kontinuierlich auf1670, während sie im Bundesgebiet ei-nen leichten Anstieg auf 1350 bis 1450registrierten. Nach der Wende fiel dieTFR in den neuen Ländern auf ein wohlweltweit und historisch einmaliges Ni-veau von 772 im Jahre 1994 (ZAPF u.MAU 1993). Danach setzte auch hierwieder eine leichte Zunahme ein(AA Beiträge Gans, S. 94 und S. 96).

Zur regionalen Differenzierung vonGeburtenhäufigkeit und Lebenserwar-tung gibt es mangels Datengrundlagennur wenige Untersuchungen. SCHWARZ

(1983) nennt drei Gründe, die denzweiten demographischen Übergang(AA Beitrag Gans/Ott, S. 92) mit sei-nem markanten FruchtbarkeitsrückgangM Q bedingen: eine Zunahme des An-spruchsniveaus, die Erweiterung der

Wahlmöglichkeiten zur Lebensgestal-tung sowie das sich ändernde Rollenver-ständnis der Frauen. In den 1960er Jah-ren begann diese Verringerung der Ge-burtenhäufigkeit in den Großstädten,wo sich offensichtlich zuerst ein neuesLeitbild der Familie mit einem Kind,höchstens jedoch zwei Kindern durch-setzte. Räume mit hoher Geburtenhäu-figkeit und einer ANettore-produktionsrate von über eins zeichne-ten sich durch eine geringe Bevölke-rungsdichte aus, einen hohen Anteilvon Erwerbstätigen in der Landwirt-schaft sowie einen relativ niedrigenStand der Schulbildung von Frauen. DieReligionszugehörigkeit hatte dagegenkeinen Einfluss (SCHWARZ 1983, S. 28).Dieses Land-Stadt-Gefälle der Frucht-barkeit hat sich bis heute verringert(AA Beitrag Gans, S. 94).

Bei regionalen Unterschieden in denÜberlebenschancen kommt indirektauch der Wirtschaftsstruktur eine gewis-se Bedeutung zu. So zeichnen sichstrukturschwache Regionen eher durcheine unterdurchschnittliche, prosperie-rende Gebiete durch eine überproporti-onale Lebenserwartung aus (GATZWEILER

u. STIENS 1982; KEMPER u. THIEME 1992;GANS 1996). Da sich in Westdeutsch-land der Zusammenhang zwischen Sied-lungsstruktur und wirtschaftlicher Ent-wicklung zunehmend aufgelöst hat, ver-ringerte sich der Stadt-Land-Gegensatzin der Sterblichkeit, während er in denneuen Ländern nach wie vor zu beob-achten ist.

Konsequenzen des demogra-phischen ÜbergangsWelche Konsequenzen hat der demogra-phische Übergang für die heutige Ge-sellschaft im Vergleich zu der vor 200Jahren (SCHWARZ 1999)? Die Lebenser-wartung bei Geburt hat sich verdoppelt.Dabei haben Frauen ein wesentlich län-geres Leben vor sich als Männer(AA Beitrag Stegmann, S. 60). AlsGründe könnten genetische Vorteile,eine geringere Unfallgefährdung undein größeres Gesundheitsbewusstseineine Rolle spielen. Das Bild von den„armen Witwen und Waisen“ trifft heu-te jedoch nicht mehr zu. Ledige, Ge-schiedene und/oder Alleinerziehendekennzeichnen immer mehr gesellschaft-liche Werthaltungen. Eine weitere Er-höhung der Lebenserwartung kann – ab-gesehen von einer Reduzierung der Zahl

der Unfalltoten (AABeitrag Schweikart,S. 106) – nur durch ein Zurückdrängender Todesursachen im Alter geschehen.Hierzu sind vor allem Fortschritte inder Bekämpfung von Herz- und Kreis-lauferkrankungen notwendig (AABeitragGans/Kistemann/Schweikart, S. 98).

Der Fruchtbarkeitsrückgang hat dazugeführt, dass Deutschland heute als Er-wachsenengesellschaft bezeichnet wer-den muss, und dieser Trend verstärktsich noch (AA Beiträge Börsch-Supan,S. 26; Kemper, S. 140). 1910 wurden imDeutschen Reich 2 Mio. Kinder gebo-ren, im vereinten Deutschland sind esheute rund 770.000 pro Jahr – bei einerfast 30% höheren Einwohnerzahl! Kin-der „hat“ man heute nicht mehr, vom„Kindersegen“ ganz zu schweigen. Sogardie Kirchen sprechen von der „verant-wortlichen Elternschaft” (SCHWARZ

1999) und beziehen sich damit auf Pro-bleme von erwerbstätigen und von al-lein erziehenden Frauen (AA BeiträgeStegmann, S. 62 und 66). Für die heuti-ge Gesellschaft ist Kinderlosigkeit derzutreffende Begriff (AA Beitrag Gans, S.96). Kinder stehen für zeitliche und mo-netäre Aufwendungen, sie werden alsFaktoren gesehen, welche Wahlmög-lichkeiten begrenzen und damit indivi-duelle Lebensgestaltungen einengen.

WanderungenNeben der natürlichen Bevölkerungsbe-wegung sind die Wanderungen die zwei-te Komponente der Bevölkerungsverän-derung. Wanderung als eine Form derräumlichen Mobilität bezieht sich aufden Wechsel eines Wohnsitzes. Dabeiwerden von der amtlichen Statistik nurdiejenigen Wohnungswechsel erfasst,die eine Gemeindegrenze überschreiten;ist dies nicht der Fall, spricht man von„Umzügen”. Sofern es sich bei den Ge-meinden um Städte handelt, spielenderartige innerstädtische Umzüge einebedeutsame Rolle für die Veränderun-gen der Bevölkerungsstruktur derWohnviertel, d.h. für ASegregation, so-ziale Auf- oder Abwertungsprozesse. Beiden Wanderungen, die Gemeindegren-

zen überschreiten, kann man Nahwan-derungen zwischen benachbarten odernahe gelegenen Orten (AA BeitragBucher/Heins, S. 114) und Fernwande-rungen über größere Distanzen(AA Beiträge Bucher/Heins, S. 108 und112) unterscheiden. Sofern sich derWohnungswechsel dabei innerhalb ei-nes Staates abspielt, spricht man vonBinnenwanderungen, anderenfalls vonAußenwanderungen (AABeiträge Swi-aczny, S. 126, S. 128 und S. 130).

Modell des Mobilitätsüber-gangsFormen und Ausmaß von Wanderungenhaben sich von der vor- zur postindus-triellen Zeit in regelhafter Weise verän-dert. Der amerikanische Geograph Wil-bur ZELINSKY (1971) hat daher versucht,in Anlehnung an den demographischenÜbergang ein Modell des „Mobilitäts-übergangs” zu entwickeln, das sich zurBeschreibung der Entwicklungen inDeutschland gut eignet 21. In der vor-industriell-agrarischen Zeit herrschtnach ZELINSKY Immobilität vor; ein gro-ßer Teil der Bevölkerung bleibtzeitlebens im Heimatort oder in derHeimatregion. In Phase 2 entstehtdurch Bevölkerungswachstum aufgrundsinkender Mortalität vor allem in agra-rischen Regionen ein Bevölkerungs-druck, der Abwanderung induziert. Aufder Suche nach Erwerbsmöglichkeitenwird die Land-Stadt-Wanderung inten-siviert, vor allem aber kommt es zurAuswanderung in Länder, die Immig-ranten suchen. In der dritten Phase istdann die Industrialisierung so weit fort-geschritten, dass die Städte den Groß-teil der weiterhin hohen Bevölkerungs-überschüsse des Landes aufnehmen kön-nen; die Außenwanderung geht entspre-chend zurück. Bei abklingenden Bevöl-kerungsgewinnen sind in Phase 4 dieLand-Stadt-Wanderungen rückläufig,statt dessen wachsen die Zahlen derBinnenwanderungen zwischen denStädten und der A intraurbanen Umzü-ge. Schließlich dominieren in der post-industriellen Phase 5 in einer stark RRRRR

2121212121

Page 11: Bevölkerung in Deutschland – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band4_12-25_archiv.pdf · Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung 4-12

22Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung

urbanisierten Gesellschaft die zuletztgenannten Wanderungsarten zusammenmit anderen Formen räumlicher Mobili-tät wie der Pendelwanderung, die denWohnortwechsel zunehmend substitu-iert.

AuswanderungWenn man dieses Modell für Deutsch-land anwendet, so wird die Aufmerk-samkeit zunächst den Auswanderungengelten müssen. Emigrationen gab eszwar schon im 18. Jh., wobei religiöseGruppen und Minoritäten einen be-achtlichen Anteil einnahmen. IhrenHöhepunkt erreichte die Auswanderungnach Übersee aber in der zweiten Hälftedes 19. Jhs. aufgrund von Bevölkerungs-wachstum, Agrarkrisen und Übervölke-rung. Im Einzelnen können drei Aus-wanderungswellen unterschieden wer-den (MARSCHALCK 1984) 22. Die erstezwischen 1845 und 1858 betraf mehr als1,3 Mio. Menschen, die wie auch späterzu etwa 90% in die USA auswanderten.Überwiegend handelte es sich um eineFamilienwanderung selbständiger Klein-landwirte und Kleingewerbetreibender,von denen viele den Realteilungsgebie-ten Südwestdeutschlands entstammten.Bei der zweiten Auswanderungswellezwischen 1864 und 1873 mit 1 Mio. Mi-granten kam es zu einer Ausweitung derHerkunftsgebiete in die preußischenOstprovinzen, die schließlich in derdritten Welle zwischen 1880 und 1893,als insgesamt 1,8 Mio. emigrierten, do-minant wurden. Gemäß den agrarsozia-len Verhältnissen der ostelbischen Ge-biete waren jetzt Tagelöhner, unterbäu-erliche Schichten und Handwerkerüberproportional beteiligt. Zwar war dieAuswanderung im Familienverbundnoch vorherrschend, doch gab es immermehr jüngere Einzelwanderer(AA Beitrag Swiaczny, S. 126).

Binnenwanderungen währendder HochindustrialisierungIn der Zeit der wilhelminischen Hoch-konjunktur zwischen 1885 und 1913war die Auswanderung stark zurückge-gangen und wurde nun von der Binnen-wanderung in industrielle Zentren undGroßstädte, die schon vorher eingesetzthatte, vollständig überlagert. Diese Bin-nenwanderung während der Hochindus-trialisierung wird als „die größte Mas-senbewegung der deutschen Geschich-te” (KÖLLMANN 1976) bezeichnet, und

sie hat ganz wesentlich das Bild derräumlichen Siedlungsstruktur in derFolgezeit bestimmt. Bis in die 1880erJahre waren Nahwanderungen aus ei-nem mehr oder weniger ausgedehntenländlichen Umland in die Städte kenn-zeichnend, zu denen in der Folgezeitimmer mehr Fernwanderungen traten.Dabei gewannen die Ost-West-Wande-rungen aus den agrarischen Ostprovin-zen in die Großstädte und Industriere-viere, vor allem ins Ruhrgebiet, eineherausragende Bedeutung. So kamenvon den Migranten in die ProvinzWestfalen 1907 fast 45% aus Ost-deutschland, während es 1880 erst 15%gewesen waren. Eine Karte derAWanderungssalden 1905-10, die zudieser Zeit weitgehend durch Binnen-wanderungen geprägt waren, zeigt diegrößten Wanderungsverluste im Nord-osten, besonders in Ost- und Westpreu-ßen sowie in Hinterpommern 23.Daneben hatten die meisten ländlichenRegionen Deutschlands Abwanderun-gen zu verzeichnen. Zuwanderungsge-biete waren Großstädte wie Hamburgund Bremen oder Regionen mit Indus-trie- und Städtewachstum, wie Hanno-ver, Münster, Düsseldorf, Wiesbadenund ausgewählte Gebiete in Oberbay-ern. Mit Ausnahme des Raumes Berlinwaren alle Regionen mit positivenWanderungssalden in der westlichenReichshälfte lokalisiert. Die Bevölke-rungsgewinne im Raum Berlin konzent-rierten sich auf die damals noch nichteingemeindeten großen Vorstädte, sodass die Provinz Potsdam die relativhöchsten Migrationsgewinne inDeutschland auf sich vereinigte, wäh-rend Berlin selber trotz noch steigenderBevölkerungszahlen Wanderungsverlus-

te hatte. Das Königreich Sachsen, dasin einer früheren Industrialisierungspe-riode positive AMigrationssalden ver-zeichnet hatte, wies zu diesem Zeit-punkt leichte Verluste auf.

Eines der Kennzeichen der Binnen-wanderung während der Hochindustria-lisierung ist die außerordentlich hoheWohnmobilität in den Städten. Selbstwenn man die Umzüge außer Achtlässt, kamen in vielen Städten pro Jahr30 und mehr Zu- und Fortzüge auf 100Einwohner – Mobilitätsziffern, die weitüber den gegenwärtig beobachteten lie-gen. Neben den Zuzügen gab es zahlrei-che Fortzüge in andere Städte oder zu-rück in die ländlichen Herkunftsregio-nen, verursacht durch kurzfristige Ar-beitsverhältnisse, Suche nach besserenArbeitsbedingungen usw. Zu dieserhochmobilen Bevölkerungsgruppe zähl-ten viele ledige Arbeiter, Handwerker,Arbeiterinnen und Dienstmädchen un-ter 30 Jahren. Mit fortschreitender Ur-banisierung wurden die Land-Stadt-Wanderungen im Sinne des Modells desMobilitätsübergangs durch Stadt-Stadt-Wanderungen ergänzt, wobei auch hierdie Suche nach besseren Arbeitsmög-lichkeiten im Vordergrund stand.

Wanderungen nach dem Zwei-ten WeltkriegDie weitere Entwicklung des Wande-rungsgeschehens in der ersten Hälftedes 20. Jahrhunderts ist stark durchASingularitäten gekennzeichnet, wobeidie Folgen der Weltkriege im Vorder-grund stehen. Vor allem nach demZweiten Weltkrieg kam es zu großenFlüchtlingsbewegungen und zur zwangs-weisen Umsiedlung von Deutschen ausden ehemaligen Ostgebieten jenseits

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

0

2

4

6

8

10

12

Jahr

Auswandererje 1000 Einwohner

30 40 1850 60 70 80 90 1900 19131821

Auswanderungsziffern 1821-1913

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Modell des Mobilitätsübergangsnach ZELINSKY

Wanderungsintensität

PhaseI II III IV V

sonstigeräumlicheBewegungStadt-Stadt-Wanderung undinnerstädtischeWanderung

Land-Stadt-Wanderung

Auswanderung

21

22

300. Jahrestag der Einwanderung der ersten Deutschen inAmerika – Einwanderer-Segelschiff “Concord” 1683

Auswanderung – Hamburger Hafen

2222222222

2323232323

Page 12: Bevölkerung in Deutschland – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band4_12-25_archiv.pdf · Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung 4-12

23Bevölkerung in Deutschland – eine Einführung

Danzig

PotsdamFrankfurt/

Oder

BreslauLiegnitz

Oppeln

Magdeburg

Erfurt

HannoverLüneburg

StadeAurich

Münster

Arnsberg

KasselKöln

Trier

Oberbayern

Niederbayern

PfalzOberpfalz

Leipzig

Donau-

kreis

Mecklenburg

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H.Olden- burg

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8

9 10

Mannheim

17

16

15

19

12

5

1 F. Lübeck2 Lübeck3 Hamburg4 Bremen5 Berlin6 Schaumburg -

Lippe7 Braunschweig8 Lippe9 Minden

10 Hildesheim11 Anhalt12 Oberhessen13 Birkenfeld14 Rheinhessen15 Starkenburg16 Neckarkreis17 Schwarzwald18 Sigmaringen19 Konstanz

Wanderung 1905-1910räumliche Bezugseinheiten nach KNODEL

Maßstab 1: 11000000

0 100 200 km

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001 Autoren: P.Gans, F.-J.Kemper

-9 bis -6-6 bis -3-3 bis 00 bis 33 bis 8

< -9

> 8_

Wanderungssaldoje 1000 Einwohner

keine Angaben

von Oder und Neiße, aus der Tschecho-slowakei, aus Polen und aus anderenLändern. Insgesamt gelangten zwischen1945 und 1950 etwa 11 Mio. Umsiedlerin das Gebiet der beiden deutschenStaaten. Im Jahr 1950 lebten 7,9 Mio.Vertriebene in Westdeutschland, ent-sprechend einem Bevölkerungsanteilvon 15,9%, und 4,4 Mio. in der DDR,wo der Anteil sogar 23,9% ausmachte.Dazu kamen in der Bundesrepublik 1,6Mio. Flüchtlinge aus der damaligen So-wjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw.nach 1949 aus der DDR, so dass zusam-men etwa 20% der Bevölkerung Mig-ranten dieser neuen Ost-West-Wande-rung waren. Die Zuwanderer wurdenzunächst mehr in ländlichen Räumenangesiedelt, weil in den Städten auf-grund der Kriegszerstörungen Woh-nungsmangel herrschte 25. Der Wieder-aufbau der 1950er Jahre war begleitetvon einer Wanderung vom Land in dieGroßstädte, an der auch viele Flüchtlin-ge, Vertriebene und Umsiedler beteiligtwaren.

Seit den 1950er Jahren hat sich dieIntensität der Binnenwanderungen inWest- und Ostdeutschland ganz unter-schiedlich entwickelt 24. Nach der

durch hohe Mobilität gekennzeichnetenSituation um 1950 erfolgte in der DDReine stetige Reduktion der Wanderun-gen, die staatlich reglementiert warenund besonders durch den Wohnungsbaugesteuert wurden. Für Zuzüge vor allemin größere Städte waren entsprechendeGenehmigungen erforderlich. In derBundesrepublik blieb das Wanderungs-volumen bis Anfang der 1970er Jahre

relativ hoch und sank dann im Gefolgevon wirtschaftlichen Rezessionen ab(AA Beitrag Bucher/Heins, S. 108). Inden 1980er Jahren herrschte in derDDR die Land-Stadt-Wanderung vor,und die Wanderungsgewinne erreichtendie höchsten Werte in den Großstäd-ten, wo der Wohnungsneubau konzent-riert war. Dagegen waren für die Bun-desrepublik Wanderungsgewinne desländlichen Raums und vor allem einekleinräumige Umverteilung von denGroßstädten in das Umland charakte-ristisch 26 27. Ab 1990 stieg die Mobi-lität durch zusätzliche Binnenwande-rungen von Über-, Aussiedlern undAsylbewerbern wieder an.

Diese neuen Migrationen haben sichaber vor allem in den Außenwande-rungsgewinnen zu Beginn der 1990erJahre dokumentiert (AABeiträge Mam-mey/Swiaczny, S. 132; Wendt, S. 136).Zuströme von Aussiedlern, Asylbewer-bern, Flüchtlingen, Arbeitsmigrantenaus Ost- und Mitteleuropa, hochqualifi-zierten Migranten u.a. haben die Gast-arbeiterwanderung der 1960er und frü-hen 70er Jahre (AA Beitrag Glebe/Thie-me, S. 72) ersetzt und konstituieren diegroße Vielfalt der heutigen Zuwande-rung nach Deutschland.

In der zweiten Hälfte der 1990er Jah-re werden die AMigrationsbilanzen derRegionen und Teilgebiete weniger vonAußen- als von Binnenwanderungengeprägt. In Abbildung 28, die beideKomponenten der Salden auf der Basisvon Kreisen zeigt, fällt die hohe Bedeu-tung der Binnenwanderungen in denneuen Ländern besonders ins Auge. Zubeobachten ist eine Polarisierung derGebiete. Kreisen mit hohen Gewinnen

durch die Binnenwanderungen tretenTeilräume mit starken Verlusten gegen-über. Letztere konzentrieren sich in pe-ripher gelegenen Teilen Brandenburgsund Mecklenburg-Vorpommerns, inNordthüringen und in den altindustria-lisierten Gebieten Sachsen-Anhalts.Daneben sind hohe Fortzugsraten fürdie Städte charakteristisch. Die Abwan-derer ziehen zum einen in Umlandkrei-se, die in erster Linie die Gewinner derBinnenwanderung in Ostdeutschlanddarstellen, aber auch in weiter entfernteGebiete in den alten Ländern. Die Au-ßenmigranten können diese Muster RRRRR

Schleswig-Holstein

Mecklenburg-Vorpommern

Branden-

Berlin

Sachsen-Anhalt

Bremen

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Hessen

Rheinland-Pfalz

Saarland

Baden-Württemberg

ThüringenSachsen

Bayern

Hamburg

burg

West Ost

Autoren: P.Gans, F.-J.Kemper© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

BRD, DDRVertriebene 1950

nach Ländern

Stand derLändergrenzen1952

Anteil der Vertriebenenan der Bevölkerung

Prozent

23 - 3416 - 2210 - 165 - 10

Saarland, ab 1957zur Bundesrepublik

DDR: Personen, die am 1.9.1939in den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Grenze oder im Auslandlebten

BRD und DDRBinnenwanderungsvolumen1952-1989

BRD

DDR

60

50

40

30

20

101960 1970 1980 19891952

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Wanderung zwischen den Kreisen

je 1000 Einwohner

Jahr

23

24

25

Asylbewerber in Bonn

2525252525

2424242424

27272727272626262626

2828282828

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24Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung

nicht wesentlich verändern, auffallendsind aber Abwanderungen im Nordenund Zuwanderungen im Süden und inöstlichen Grenzregionen.

Außen- und Binnenwanderungensind u.a. dadurch verbunden, dass Aus-siedler und Asylbewerber bei ihrer An-kunft in Erstaufnahmelagern als Außen-zuzüge und bei der weiteren Zuweisungin andere Kreise des Bundesgebietes alsBinnenfortzüge registriert werden(AABeiträge Mammey/Swiaczny, S. 132;Wendt, S. 136). In den Kreisen mit gro-ßen Aufnahmelagern sind diese Migra-tionen so hoch, dass sie auf der Karte28 nur durch Sondersymbole ausge-drückt werden können. Weitere kleine-re Aufnahmelager ergeben ein Mustervon starken Außengewinnen und Bin-nenverlusten einzelner Landkreise.

In den alten Ländern spielt die durchBinnenwanderungsgewinne der Um-landkreise gekennzeichnete Suburbani-sierung ebenfalls eine große Rolle, dochsind die Migrationssalden deutlich ge-ringer als in den neuen Ländern(AA Beitrag Herfert, S. 116). In Nord-deutschland und Südbayern gehen dieMigrationsgewinne weit über die Gren-zen des jeweiligen Umlands von Ham-burg, Bremen und München hinaus(AA Beitrag Bucher/Heins, S. 144).Daneben gibt es weitere Gebiete mitgeringer Mobilität und nur leichtenWanderungsgewinnen oder, in derMehrzahl der Fälle, Verlusten; dazu zäh-len Nordhessen und umliegende Gebie-te, das Saarland und Teile Württem-bergs. Bei den Außenwanderungen fälltauf, dass viele Kreise in SüddeutschlandFortzüge aufweisen. Verantwortlichhierfür dürfte u.a. die Rückkehr vonBürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehe-maligen Jugoslawien sein.

Für die weitere Entwicklung desräumlichen Wanderungsgeschehens inDeutschland ist die Situation der neuenLänder von großer Bedeutung(AA Beitrag Münz, S. 30). Die allgemei-

ne Beschäftigungslage (AABeitrag Gans/Thieme, S. 80), die sinkenden Möglich-keiten für Frauenerwerbstätigkeit(AA Beitrag Stegmann, S. 62), das An-steigen der Langzeitarbeitslosigkeit unddie teilweise erschreckend hohe Jugend-arbeitslosigkeit (AABeitrag Bode/Bur-dack, S. 84) führen dazu, dass immermehr junge Menschen aus Ostdeutsch-land Ausbildungs- und Arbeitsplätze inWest- und besonders in Süddeutschlandaufsuchen. Die gleichzeitig ablaufendenUmverteilungen mit hoher Abwande-rung aus den meisten Kernstädten undaus peripheren Räumen Ostdeutsch-lands, verbunden mit hohen Zuzügen insuburbane Kreise sind mit den Zieleneiner nachhaltigen und ausgeglichenenRaumentwicklung nicht kompatibel(AA Beitrag Priebs, S. 28). Denn zuneh-mend sind damit eine soziale Segregati-on und eine Konzentration von Armutund Problemfällen in den Kernstädtenverknüpft (AABeitrag Horn/Lentz,S. 88).

Neben den inter- und den intraregio-nalen Wanderungen hängt die Bevölke-rungsentwicklung Deutschlands wesent-lich vom zukünftigen Verlauf der Ein-wanderung ab und damit von der Frage,in welcher Form und in welchem Aus-maß sich Deutschland als Einwande-rungsland verstehen will.?

1980

1989

Saldo je 1000 Einwohner

Einwohnerzahl der Klassen in Tsd.-10

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

20 bis50

100undmehr

50 bis100

10 bis20

5 bis10

2 bis 5

unter 2

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

DDRBinnenwanderungssaldo 1980 und 1989nach Gemeindegrößenklassen

1983-85

1988-89

Saldo je 1000 Einwohner

-10

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

10

großeKernstädte

hochver-dichtetesUmland

ländlichesUmland

mittlereKernstädte

ländlichesUmland

ländlicherRaum

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Alte LänderBinnenwanderungssaldo in den 1980er Jahrennach siedlungsstrukturellen Raumkategorien

26

27

2828282828

Page 14: Bevölkerung in Deutschland – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band4_12-25_archiv.pdf · Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Bevölkerung 4-12

25Bevölkerung in Deutschland – eine Einführung

1 mm = 2 Einw./1000 Einw.

Bodensee

Gesamtsaldoje 1000 Einwohner

40 bis 54

20 bis 40

10 bis 20

2 bis 10

0 bis 2

-2 bis 0

-10 bis -2

-20 bis -10

-36 bis -20

Erstaufnahmeeinrichtungdes Bundes

Aufnahmeeinrichtungenfür Spätaussiedler

zentrale Landesaufnahmestelle

In Friedland (Kreis Göttingen) gibt es beideEinrichtungen für die Aufnahme von Spätaussiedlern.

Schlagbrügge

Dranse

Bramsche

Hamm

Peitz

Unna-Massen

Friedland

Eisenberg- Saasa

Bären- stein

Lebach

Empfingen

Rastatt

Tübingen

Nürnberg

Neumünster

Hamburg

Bremen

Berlin

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2001

Außen- und Binnenwanderung 1997nach Kreisen

Autoren: P.Gans, F.-J.Kemper

Maßstab 1: 2750000

0 50 100 km7525

Wanderungssaldoje 1000 Einwohner

-100

-75

-50

-25

0

25

50

75

102 linke Säule:Außenwanderungs-saldo

rechte Säule:Binnen-wanderungs-saldo

Saldo < 2 Einw./1000 Einw.

28


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