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Bestimmung der 3D-Struktur an der Laborbank

Date post: 03-Dec-2016
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Analytik Bestimmung der 3D-Struktur an der Laborbank Martin Adam Ein Einkristall-Röntgendiffraktometer bestimmt die Struktur von Substanzen direkt im Syntheselabor. Die Strukturaufklärung neu her- gestellter Substanzen ist in der syn- thetischen Chemie, aber auch in der Pharmazie, mitunter zeitaufwendi- ger als der eigentliche Synthese- schritt. Häufig sind die Ergebnisse spektroskopischer Methoden nicht alle zur gleichen Zeit verfügbar, oder diese sind bei einigen Verbindungs- klassen, etwa bei Makrocyclen wie Catenanen und Rotaxanen, nicht immer eindeutig. An dieser Stelle hilft die Einkristallstrukturbestim- mung weiter. Sie liefert neben Kon- stitution, Konfiguration und Konfor- mation in vielen Fällen – gegebenen- falls nach Einbau eines Schweratoms in das Molekül oder Kristallgitter – die absolute Struktur. In jedem Fall erhält man Informationen über die Anordnung der Moleküle in der Ele- mentarzelle. Von diesem Wissen profitieren einige Arbeitsgebiete: Besser vorhersagen und verstehen lassen sich mit der Kenntnis der 3D-Struktur beispielsweise nicht- lineare optische Effekte oder inter- molekulare Wechselwirkungen zum Beispiel durch den Einfluss von Wasserstoffbrückenbindungen, aber auch die Koordination von Metallen in Katalysatoren. Bisher war der Zugang zur Ein- kristallstrukturanalyse für den prä- parativen Chemiker häufig nicht einfach. Entsprechende Messgeräte waren, wenn überhaupt verfügbar, in anderen Instituten und Abteilun- gen räumlich und organisatorisch vom Arbeitsplatz des Synthetikers getrennt. Darüber hinaus mussten Experten die Messungen durchfüh- ren und auswerten. Das Röntgendiffraktometer Smart X2S von Bruker (Abbildung 1) lie- fert die 3D-Struktur niedermoleku- larer Verbindungen nun auto- matisch und ist so kompakt, dass es auf die Laborbank passt. Zur Bedie- nung des Geräts ist kein kristallogra- phisches Fachwissen erforderlich. Das Diffraktometer verfügt über eine luftgekühlte Mikrofokusröntgen- quelle sowie einen großformatigen, ebenfalls luftgekühlten CCD-Detek- tor und hat eine Leistungsaufnahme von weniger als 500 W (Abbil- dung 2). Automatischer Messablauf Für die Probenpräparation posi- tioniert der Anwender einen Ein- kristall, im Idealfall mit einer Kan- tenlänge von 300 bis 500 μm, auf ei- nem Probenhalter und fixiert ihn mit einem UV-härtenden Klebstoff (Abbildung 3). Anschließend kommt der Probenhalter in die Probenauf- nahme des Geräts. Nachdem der An- wender Informationen zur Probe wie den Projektnamen, eine unge- fähre Summenformel – zur Not die addierten Summenformeln der Edukte – sowie eine Beschreibung der Größe und Farbe des Kristalls eingegeben hat, überführt das Gerät die Probe automatisch auf das Go- niometer, positioniert den Kristall im Zentrum des Röntgenstrahls und startet die Messung. Die Automatisierungsroutine ent- hält die klassischen Schritte der Ein- kristallstrukturanalyse: Während ei- ner ersten Prüfung der Kristallquali- tät bestimmt das Gerät die Elemen- tarzelle. Falls diese Prüfung fehl- schlägt, kann der Anwender die Messung abbrechen oder die Daten, die in einem gängigen Datenformat auf CD-ROM abgelegt werden, den- noch sammeln. Damit können Kris- tallographen dann weiter arbeiten und etwa bei verzwillingten oder verwachsenen Kristallen oder bei modulierten Phasen das korrekte Strukturmodell ermitteln. In den meisten Fällen verläuft die anfängliche Prüfung jedoch erfolg- reich, und aus den dabei gewonnen Daten ergeben sich die weiteren Messparameter – einschließlich der Messdauer. Abhängig von der Streu- kraft des Kristalls sammelt das Dif- fraktometer die Daten in weniger als drei Stunden. Zur nachfolgenden Analyse der Daten verknüpft das Ge- rät bewährte Programme zur Daten- Abb. 1. Vollautomatisiertes Tischgerät für die 3D-Struktur- bestimmung von Kristallen. 356 Nachrichten aus der Chemie | 59 | März 2011 | www.gdch.de/nachrichten
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�Analytik�

Bestimmung der 3D-Struktur an der Laborbank

Martin Adam

Ein Einkristall-Röntgendiffraktometer bestimmt die Struktur von Substanzen direkt im Syntheselabor.

� Die Strukturaufklärung neu her-gestellter Substanzen ist in der syn-thetischen Chemie, aber auch in der Pharmazie, mitunter zeitaufwendi-ger als der eigentliche Synthese-schritt. Häufig sind die Ergebnisse spektroskopischer Methoden nicht alle zur gleichen Zeit verfügbar, oder diese sind bei einigen Verbindungs-klassen, etwa bei Makrocyclen wie Catenanen und Rotaxanen, nicht immer eindeutig. An dieser Stelle hilft die Einkristallstrukturbestim-mung weiter. Sie liefert neben Kon-stitution, Konfiguration und Konfor-mation in vielen Fällen – gegebenen-falls nach Einbau eines Schweratoms in das Molekül oder Kristallgitter – die absolute Struktur. In jedem Fall erhält man Informationen über die Anordnung der Moleküle in der Ele-mentarzelle. Von diesem Wissen profitieren einige Arbeitsgebiete: Besser vorhersagen und verstehen lassen sich mit der Kenntnis der 3D-Struktur beispielsweise nicht-

lineare optische Effekte oder inter-molekulare Wechselwirkungen zum Beispiel durch den Einfluss von Wasserstoffbrückenbindungen, aber auch die Koordination von Metallen in Katalysatoren.

Bisher war der Zugang zur Ein-kristallstrukturanalyse für den prä-parativen Chemiker häufig nicht einfach. Entsprechende Messgeräte waren, wenn überhaupt verfügbar, in anderen Instituten und Abteilun-gen räumlich und organisatorisch vom Arbeitsplatz des Synthetikers getrennt. Darüber hinaus mussten Experten die Messungen durchfüh-ren und auswerten.

Das Röntgendiffraktometer Smart X2S von Bruker (Abbildung 1) lie-fert die 3D-Struktur niedermoleku-larer Verbindungen nun auto-matisch und ist so kompakt, dass es auf die Laborbank passt. Zur Bedie-nung des Geräts ist kein kristallogra-phisches Fachwissen erforderlich. Das Diffraktometer verfügt über eine luftgekühlte Mikrofokusröntgen-quelle sowie einen großformatigen, ebenfalls luftgekühlten CCD-Detek-tor und hat eine Leistungsaufnahme von weniger als 500 W (Abbil-dung 2).

Automatischer Messablauf

� Für die Probenpräparation posi-tioniert der Anwender einen Ein-kristall, im Idealfall mit einer Kan-tenlänge von 300 bis 500 µm, auf ei-nem Probenhalter und fixiert ihn mit einem UV-härtenden Klebstoff

(Abbildung 3). Anschließend kommt der Probenhalter in die Probenauf-nahme des Geräts. Nachdem der An-wender Informationen zur Probe wie den Projektnamen, eine unge-fähre Summenformel – zur Not die addierten Summenformeln der Edukte – sowie eine Beschreibung der Größe und Farbe des Kristalls eingegeben hat, überführt das Gerät die Probe automatisch auf das Go-niometer, positioniert den Kristall im Zentrum des Röntgenstrahls und startet die Messung.

Die Automatisierungsroutine ent-hält die klassischen Schritte der Ein-kristallstrukturanalyse: Während ei-ner ersten Prüfung der Kristallquali-tät bestimmt das Gerät die Elemen-tarzelle. Falls diese Prüfung fehl-schlägt, kann der Anwender die Messung abbrechen oder die Daten, die in einem gängigen Datenformat auf CD-ROM abgelegt werden, den-noch sammeln. Damit können Kris-tallographen dann weiter arbeiten und etwa bei verzwillingten oder verwachsenen Kristallen oder bei modulierten Phasen das korrekte Strukturmodell ermitteln.

In den meisten Fällen verläuft die anfängliche Prüfung jedoch erfolg-reich, und aus den dabei gewonnen Daten ergeben sich die weiteren Messparameter – einschließlich der Messdauer. Abhängig von der Streu-kraft des Kristalls sammelt das Dif-fraktometer die Daten in weniger als drei Stunden. Zur nachfolgenden Analyse der Daten verknüpft das Ge-rät bewährte Programme zur Daten-

Abb. 1. Vollautomatisiertes Tischgerät für die 3D-Struktur -

bestimmung von Kristallen.

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Nachrichten aus der Chemie | 59 | März 2011 | www.gdch.de/nachrichten

integration und Strukturlösung. An allen Verknüpfungspunkten werden die Ergebnisse vorangegangener Rou-tine automatisch evaluiert. Die Para-meter des jeweils folgenden Schrittes werden entsprechend angepasst.

So entsteht ein Automatisie-rungspaket, das sicherstellt, dass elementare Schritte wie die Raum-gruppenbestimmung, die Lösung des Phasenproblems, aber auch die Analyse auf eine mögliche Verzwil-ligung der Probe oder auf andere kristallographische Sonderfälle, zuverlässig ablaufen. Die Struktur-modelle werden anhand von Infor-mationen aus einer neu entwickel-ten Datenbank funktioneller Grup-pen auf chemischen Sinn über-prüft. Für diese Datenbank wurden typische Bindungsgeometrien und thermische Auslenkungen von 3000 Strukturen aus metallorgani-scher und organischer Chemie analysiert.

Kristallographen legen traditio-nell großen Wert darauf, dass fehler-freie Strukturen aus Einkristallana-lysen veröffentlicht werden. Um Strukturen jederzeit überprüfen zu können, hinterlegen Kristallogra-phen ihre Ergebnisse in Datenban-ken und machen diese öffentlich zu-gänglich. Praktisch alle wissen-schaftlichen Fachzeitschriften ver-langen inzwischen eine solche Hin-terlegung, bevor sie Einkristallstruk-turen veröffentlichen. In den vergan-genen Jahren sind daher Programme

entwickelt worden, die Struktur-datensätze auf Konsistenz und Sinn prüfen und auf Schwachstellen in der Strukturanalyse hinweisen. Die-se Programme zur Strukturverifika-tion wendet das Smart X2S-Diffrak-tometer an. Dabei zeigt sich, dass es bei weit über 80 Prozent aller mess-baren organischen und metallorga-nischen Proben die Struktur korrekt und vollständig löst.

Ist das Strukturmodell korrekt, zeigt der im Gerät integrierte Bild-schirm am Ende der Analyse die fer-tige dreidimensionale Struktur. Die-ses Strukturmodell lässt sich per Touch-Screen orientieren. Die unter-schiedlichen Orientierungen und Darstellungen wie Kugel-Stabmo-delle, Modelle unter Verwendung

Abb. 2. Arbeitsprinzip des Einkristalldiffraktometers.

CCD-Röntgendetektor (luftgekühlt)

Mikrofokus Röntgenquelle (luftgekühlt)

Kristall

Goniometer mit automatischer Probenjustage

Abb. 3. Präparation der Probe auf dem

Probenhalter.

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Analytik �Blickpunkt� 357

Kurz notiert

Neues NMR-Labor in Dresden

� Das Leibniz-Institut für Polymer-forschung in Dresden hat ein neues Labor für magnetische Resonanz-spektroskopie (NMR) eingerichtet. Elektrophorese-NMR ermittelt die Bindung von Liganden an Makro-moleküle und die elektrische La-dung von Molekülen. Eine Nieder-feld-NMR-Apparatur zeigt bei gerin-gem magnetischen Feld Auswirkun-gen von mechanischer Belastung auf

der Van-der-Waals-Radien oder der Ladungsverteilung im Molekül las-sen sich beispielsweise für Publika-tionen direkt speichern. Darüber hi-naus wird die gesamte Strukturinfor-mation auch in ein HTML-Doku-ment überführt. Das in diesem Do-kument eingebettete Programm zur Molekülbetrachtung erlaubt es, Bin-dungsgeometrie oder Torsionswin-kel zu vermessen, mit einem gängi-gen Webbrowser die Elementarzelle darzustellen oder in den Kristall ent-lang beliebiger Raumrichtungen zu blicken.

Martin Adam ist promovierter Chemiker und

Produktmanager für die Einkristall-Röntgen-

diffraktometrie bei Bruker AXS in Karlsruhe.

[email protected]

die Struktur eines Kunststoffs. Zu-dem modernisierte das Institut die vorhandenen Geräte und baute La-boratorien und Technikräume aus.

Das Institut entwickelt Polymer-materialien und Verbundwerkstoffe mit speziellen Eigenschaften. Dazu klären die Wissenschaftler den Auf-bau innerer Grenzflächen der Mate-rialien mit der NMR und verknüpfen Elektronenspinresonanz und NMR. www.ipfdd.de

Wilhelm Adam


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