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Bestimmtheit einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung; Vorgabe von Sanierungszielwerten;...

Date post: 23-Dec-2016
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konnte, was vorgehen sollte, hätte sie mithin spätestens in der mündlichen Verhandlung auf diesen Umstand hinwei- sen und das Gericht auf entsprechende Maßnahmen hin- weisen müssen. Dass die Beklagte die Klage insgesamt für unbegründet hielt und deshalb nicht weiter vorgetragen hat, ist in die- sem Zusammenhang unerheblich. Wenn die Beklagte die Einholung von weiteren Auskünften Dritter oder gar eine Beweisaufnahme für geboten hielt, hätte sie einen dahin- gehenden Beweisantrag stellen müssen. Eine Rüge der ge- richtlichen Aufklärungspflicht kann im Berufungszulas- sungsverfahren insoweit nicht mehr erhoben werden, als ein Beteiligter von einem Beweisantrag abgesehen hat (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 18. 2. 2012 – 2 A 1856/12.Z, NVwZ- RR 2013, 561; Beschl. v. 7. 2. 2001 – 6 UZ 695/99.A, ES- VGH 51, 138; BVerwG, Beschl. v. 19. 8. 1997 – 7 B 261.97, NJW 1997, 3328; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 VwGO, Rdnr. 13 m. w. N.). Zuletzt begründet auch die unterlassene Beiladung von Betroffenen keinen Verfahrensverstoß, der zur Zulassung der Berufung führen würde. Die Beklagte macht insoweit geltend, das Verwaltungs- gericht hätte die Universität Freiburg zum Verfahren bei- laden müssen, da deren rechtliche Interessen berührt seien. Es kann offen bleiben, ob es sich im Fall der Beiladung der Universität um eine einfache (§ 65 Abs. 1 VwGO) oder notwendige (§ 65 Abs. 2 VwGO) Beiladung handeln würde. Denn in beiden Fällen wäre die Beklagte durch das Unterlassen nicht beschwert. Das Unterbleiben einer ein- fachen Beiladung, die in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist, wäre kein Verfahrensfehler, auf dem eine Entscheidung beruhen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 5. 7. 1974 – IV C 50.72, BVerwGE 45, 309). Das Unterblei- ben einer notwendigen Beiladung wäre zwar ein beacht- licher Verfahrensfehler, begründete aber keine materielle Beschwer der Beklagten, weil es sie nicht in eigenen Rech- ten berühren würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16. 9. 2009 – 8 B 75.09, NVwZ-RR 2010, 37; VGH München, Beschl. v. 15. 8. 2011 – 21 ZB 10.1314, juris). Denn die notwen- dige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO bezweckt nicht, die Verfahrensposition des einen oder anderen Prozessbe- teiligten zu stärken und in dessen Interesse die Möglich- keiten der Sachaufklärung zu erweitern. Sie soll vielmehr die Rechte des notwendig Beizuladenden schützen und dient darüber hinaus der Prozessökonomie, indem sie die Rechtskraft des Urteils auf alle am streitigen Rechtsver- hältnis Beteiligten erstreckt. Das schließt kein subjektives Recht der Prozessbeteiligten auf fehlerfreie Anwendung des § 65 Abs. 2 VwGO ein (vgl. BVerwG vom 16. 9. 2009 a. a. O.). 3. Eine Zulassung der Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf der Grund- lage von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfolgen. DOI: 10.1007/s10357-013-2575-2 Bestimmtheit einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung; Vorgabe von Sanierungs- zielwerten; Berücksichtigung eruierbarer Tatsachen bei der Überprüfung einer Sanierungsanordnung GG Art. 14 Abs. 1; BBodSchG § 2 Abs. 5, § 4 Abs. 3 und 4, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1; VwVfG § 37 Abs. 1 1. Eine bodenschutzrechtliche Sanierungsanord- nung ist nicht hinreichend bestimmt, soweit dem Sa- nierungspflichtigen allenfalls langfristig erreichbare Sanierungszielwerte vorgegeben werden, ohne dass zugleich die dazu einzusetzenden, diesen Erfolg ver- sprechenden Sanierungsverfahren festgelegt werden. 2. Die verbindliche Vorgabe von Sanierungszielwer- ten setzt eine einzelfallbezogene Abwägung nach Maß- gabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus. 3. Von der Heranziehung eines offensichtlich illi- quiden Sanierungspflichtigen zur Vorlage eines Sanie- rungsplans kann abgesehen werden. 4. Zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Widerspruchsbescheids erkennbare, aber erst später ge- nauer eruierte entscheidungserhebliche Tatsachen sind bei der rechtlichen Überprüfung einer Sanierungsan- ordnung zu berücksichtigen. 5. Wird ein altlastbehaftetes Grundstück nur teilsa- niert und ist ungewiss, ob noch weitere Sanierungs- maßnahmen ergriffen werden, so bemisst sich die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze des Zustands- störers nach dem Verkehrswert des lediglich teilsanier- ten, nicht des fiktiv völlig unbelasteten Grundstücks. VGH Mannheim, Urteil vom 8. 3. 2013 – 10 S 1190/09 – Die Klägerin wendet sich gegen eine bodenschutzrechtliche Sanie- rungsanordnung. Die Klägerin ist seit 1977 Eigentümerin eines ca. 42 000 qm großen, aus mehreren Buchgrundstücken bestehenden Areals, auf dem von 1820 bis 1995 durch verschiedene Firmen, zuletzt die Klä- gerin, die Verarbeitung und Veredelung von Fellen und Kunstle- dern betrieben wurde. Nachdem ein Antrag der Klägerin auf Eröff- nung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts … mangels Masse abgelehnt worden war, wurde die Klägerin durch Beschluss ihrer Gesellschafter vom 18. 5. 2005 aufge- löst und befindet sich seither in Liquidation. Im Rahmen von Erkundungsuntersuchungen stellte der Beklagte 1999 fest, dass der Boden und insbesondere der obere Grundwas- serleiter im Bereich des ehemaligen Betriebsgrundstücks durch leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe (LHKW), insbesondere Trichlorethen und die Abbauprodukte 1,2 cis-Dichlorethen und Vi- nylchlorid (VC) in zwei Hauptschadensbereichen (I. und II.) in sehr hohen Konzentrationen kontaminiert war. Daraufhin ordnete das Landratsamt durch Bescheid gegenüber der Klägerin die Aufstellung und Durchführung eines Untersuchungsprogramms zur weiteren Detailerkundung der Altlast und eine Sanierungsuntersuchung an. Im Zuge einer verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzung über diese Anordnung schlossen die Beteiligten am 10. 7. 2002 vor dem VG Stuttgart einen die Anordnung vom 25. 7. 2001 modifizierenden gerichtlichen Vergleich. Die darin festgelegten Maßnahmen ergriff die Klägerin in der Folgezeit nur teilweise, weshalb das Landrats- amt die noch nicht durchgeführten Detailuntersuchungen und eine Sanierungsuntersuchung im Wege der Ersatzvornahme veranlasste. In einem Gutachten vom 27. 1. 2006 kam die im Rahmen der Er- satzvornahme beauftragte Ingenieurgesellschaft Dr. E. zu dem Er- gebnis, dass auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück ein massiver LHKW-Schadstoffeintrag, zum Teil in Phase, in den Untergrund er- folgt sei. Der Schadensschwerpunkt liege im ersten (oberen) Grund- wasserleiter (Quartär) im Hauptschadensbereich (HS) I a. Hier seien Prüfwertüberschreitungen bis zum Faktor 30 000 (290 000 µ/l) fest- gestellt worden. Daneben sei ein zweiter kleinerer Schadensherd im Bereich HS II ausgebildet. In der ungesättigten Zone (Feststoff und Bodenluft) herrschten dagegen vergleichsweise niedrige Gehalte vor. Auch der zweite (untere) Grundwasserleiter (Eisensandstein) sei bereits von dem LHKW-Schaden erfasst, wobei die Konzentrati- onen um etwa zwei Größenordnungen niedriger lägen. Ursache des Grundwasserschadens seien überwiegend Schadstoffquellen, welche innerhalb der wassergesättigten Bodenzone lägen. Der überwiegende Schadstoffaustrag erfolge über das Kontaktgrundwasser im Quartär. Das eigentliche Schadstoffreservoir liege in Form eines LHKW-Pools vor, der an der Kontaktfläche vom überströmenden Grundwasser ge- löst werde und so die anhaltend hohen Konzentrationen und abströ- menden Frachten verursache. Insgesamt überschritten die Emissio- nen im Grundwasserabstrom die zulässigen Werte um mindestens das Vierfache. Im Zuge der Sanierungsuntersuchung seien verschiedene Sanierungsverfahren in Betracht gezogen, deren Kosten, Wirksam- keit und nicht monetäre Faktoren abgeschätzt und bewertet worden seien. Hierbei habe sich die Variante hydraulische Sicherung unge- achtet einer möglicherweise langen Sanierungsdauer von schätzungs- weise 25 Jahren als empfehlenswert durchgesetzt, wobei ein damit verbundener Teilaushub die Wirksamkeit erhöhen, die jährlichen Betriebskosten senken und die Sanierungszeit verkürzen könne. Die Sanierungskosten würden sich dabei allerdings nahezu verdoppeln. Rechtsprechung 123 54 NuR (2014) 36: 54–61
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konnte, was vorgehen sollte, hätte sie mithin spätestens in der mündlichen Verhandlung auf diesen Umstand hinwei-sen und das Gericht auf entsprechende Maßnahmen hin-weisen müssen.

Dass die Beklagte die Klage insgesamt für unbegründet hielt und deshalb nicht weiter vorgetragen hat, ist in die-sem Zusammenhang unerheblich. Wenn die Beklagte die Einholung von weiteren Auskünften Dritter oder gar eine Beweisaufnahme für geboten hielt, hätte sie einen dahin-gehenden Beweisantrag stellen müssen. Eine Rüge der ge-richtlichen Aufklärungspflicht kann im Berufungszulas-sungsverfahren insoweit nicht mehr erhoben werden, als ein Beteiligter von einem Beweisantrag abgesehen hat (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 18. 2. 2012 – 2 A 1856/12.Z, NVwZ-RR 2013, 561; Beschl. v. 7. 2. 2001 – 6 UZ 695/99.A, ES-VGH 51, 138; BVerwG, Beschl. v. 19. 8. 1997 – 7 B 261.97, NJW 1997, 3328; Kopp/Schenke, VwGO, 19.  Aufl. 2013, § 124 VwGO, Rdnr. 13 m. w. N.).

Zuletzt begründet auch die unterlassene Beiladung von Betroffenen keinen Verfahrensverstoß, der zur Zulassung der Berufung führen würde.

Die Beklagte macht insoweit geltend, das Verwaltungs-gericht hätte die Universität Freiburg zum Verfahren bei-laden müssen, da deren rechtliche Interessen berührt seien.

Es kann offen bleiben, ob es sich im Fall der Beiladung der Universität um eine einfache (§ 65 Abs.  1 VwGO) oder notwendige (§ 65 Abs. 2 VwGO) Beiladung handeln würde. Denn in beiden Fällen wäre die Beklagte durch das Unterlassen nicht beschwert. Das Unterbleiben einer ein-fachen Beiladung, die in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist, wäre kein Verfahrensfehler, auf dem eine Entscheidung beruhen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 5. 7. 1974 – IV C 50.72, BVerw GE 45, 309). Das Unterblei-ben einer notwendigen Beiladung wäre zwar ein beacht-licher Verfahrensfehler, begründete aber keine materielle Beschwer der Beklagten, weil es sie nicht in eigenen Rech-ten berühren würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16. 9. 2009 – 8 B 75.09, NVwZ-RR 2010, 37; VGH München, Beschl. v. 15. 8. 2011 – 21 ZB 10.1314, juris). Denn die notwen-dige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO bezweckt nicht, die Verfahrensposition des einen oder anderen Prozessbe-teiligten zu stärken und in dessen Interesse die Möglich-keiten der Sachaufklärung zu erweitern. Sie soll vielmehr die Rechte des notwendig Beizuladenden schützen und dient darüber hinaus der Prozessökonomie, indem sie die Rechtskraft des Urteils auf alle am streitigen Rechtsver-hältnis Beteiligten erstreckt. Das schließt kein subjektives Recht der Prozessbeteiligten auf fehlerfreie Anwendung des § 65 Abs. 2 VwGO ein (vgl. BVerwG vom 16. 9. 2009 a. a. O.).

3. Eine Zulassung der Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf der Grund-lage von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfolgen.

DOI: 10.1007/s10357-013-2575-2

Bestimmtheit einer bodenschutzrechtlichen Sanierungs anordnung; Vorgabe von Sanierungs­zielwerten; Berücksichtigung eruierbarer Tatsachen bei der Überprüfung einer Sanierungsanordnung

GG Art. 14 Abs. 1; BBodSchG § 2 Abs. 5, § 4 Abs. 3 und 4, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1; VwVfG § 37 Abs. 1

1. Eine bodenschutzrechtliche Sanierungsanord-nung ist nicht hinreichend bestimmt, soweit dem Sa-nierungspflichtigen allenfalls langfristig erreichbare Sanierungszielwerte vorgegeben werden, ohne dass zugleich die dazu einzusetzenden, diesen Erfolg ver-sprechenden Sanierungsverfahren festgelegt werden.

2. Die verbindliche Vorgabe von Sanierungszielwer-ten setzt eine einzelfallbezogene Abwägung nach Maß-gabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus.

3. Von der Heranziehung eines offensichtlich illi-quiden Sanierungspflichtigen zur Vorlage eines Sanie-rungsplans kann abgesehen werden.

4. Zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Widerspruchsbescheids erkennbare, aber erst später ge-nauer eruierte entscheidungserhebliche Tatsachen sind bei der rechtlichen Überprüfung einer Sanierungsan-ordnung zu berücksichtigen.

5. Wird ein altlastbehaftetes Grundstück nur teilsa-niert und ist ungewiss, ob noch weitere Sanierungs-maßnahmen ergriffen werden, so bemisst sich die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze des Zustands-störers nach dem Verkehrswert des lediglich teilsanier-ten, nicht des fiktiv völlig unbelasteten Grundstücks.VGH Mannheim, Urteil vom 8. 3. 2013 – 10 S 1190/09 –

Die Klägerin wendet sich gegen eine bodenschutzrechtliche Sanie-rungsanordnung.

Die Klägerin ist seit 1977 Eigentümerin eines ca. 42 000 qm großen, aus mehreren Buchgrundstücken bestehenden Areals, auf dem von 1820 bis 1995 durch verschiedene Firmen, zuletzt die Klä-gerin, die Verarbeitung und Veredelung von Fellen und Kunstle-dern betrieben wurde. Nachdem ein Antrag der Klägerin auf Eröff-nung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts … mangels Masse abgelehnt worden war, wurde die Klägerin durch Beschluss ihrer Gesellschafter vom 18. 5. 2005 aufge-löst und befindet sich seither in Liquidation.

Im Rahmen von Erkundungsuntersuchungen stellte der Beklagte 1999 fest, dass der Boden und insbesondere der obere Grundwas-serleiter im Bereich des ehemaligen Betriebsgrundstücks durch leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe (LHKW), insbesondere Trichlorethen und die Abbauprodukte 1,2 cis-Dichlorethen und Vi-nylchlorid (VC) in zwei Hauptschadensbereichen (I. und II.) in sehr hohen Konzentrationen kontaminiert war. Daraufhin ordnete das Landratsamt durch Bescheid gegenüber der Klägerin die Aufstellung und Durchführung eines Untersuchungsprogramms zur weiteren Detailerkundung der Altlast und eine Sanierungsuntersuchung an. Im Zuge einer verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzung über diese Anordnung schlossen die Beteiligten am 10. 7. 2002 vor dem VG Stuttgart einen die Anordnung vom 25. 7. 2001 modifizierenden gerichtlichen Vergleich. Die darin festgelegten Maßnahmen ergriff die Klägerin in der Folgezeit nur teilweise, weshalb das Landrats-amt die noch nicht durchgeführten Detailuntersuchungen und eine Sanierungsuntersuchung im Wege der Ersatzvornahme veranlasste. In einem Gutachten vom 27. 1. 2006 kam die im Rahmen der Er-satzvornahme beauftragte Ingenieurgesellschaft Dr. E. zu dem Er-gebnis, dass auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück ein massiver LHKW-Schadstoffeintrag, zum Teil in Phase, in den Untergrund er-folgt sei. Der Schadensschwerpunkt liege im ersten (oberen) Grund-wasserleiter (Quartär) im Hauptschadensbereich (HS) I a. Hier seien Prüfwertüberschreitungen bis zum Faktor 30 000 (290 000 µ/l) fest-gestellt worden. Daneben sei ein zweiter kleinerer Schadensherd im Bereich HS II ausgebildet. In der ungesättigten Zone (Feststoff und Bodenluft) herrschten dagegen vergleichsweise niedrige Gehalte vor. Auch der zweite (untere) Grundwasserleiter (Eisensandstein) sei bereits von dem LHKW-Schaden erfasst, wobei die Konzentrati-onen um etwa zwei Größenordnungen niedriger lägen. Ursache des Grundwasserschadens seien überwiegend Schadstoffquellen, welche innerhalb der wassergesättigten Bodenzone lägen. Der überwiegende Schadstoffaustrag erfolge über das Kontaktgrundwasser im Quartär. Das eigentliche Schadstoffreservoir liege in Form eines LHKW-Pools vor, der an der Kontaktfläche vom überströmenden Grundwasser ge-löst werde und so die anhaltend hohen Konzentrationen und abströ-menden Frachten verursache. Insgesamt überschritten die Emissio-nen im Grundwasserabstrom die zulässigen Werte um mindestens das Vierfache. Im Zuge der Sanierungsuntersuchung seien verschiedene Sanierungsverfahren in Betracht gezogen, deren Kosten, Wirksam-keit und nicht monetäre Faktoren abgeschätzt und bewertet worden seien. Hierbei habe sich die Variante hydraulische Sicherung unge-achtet einer möglicherweise langen Sanierungsdauer von schätzungs-weise 25  Jahren als empfehlenswert durchgesetzt, wobei ein damit verbundener Teilaushub die Wirksamkeit erhöhen, die jährlichen Betriebskosten senken und die Sanierungszeit verkürzen könne. Die Sanierungskosten würden sich dabei allerdings nahezu verdoppeln.

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Für die Variante hydraulische Sicherung sei von Sanierungskosten von ca. 1 Million EUR brutto für einen Zeitraum von 25 Jahren aus-zugehen bzw. in Verbindung mit einem Teilaushub von ca. 1,8 Mio. EUR. Nach Beratungen einer Bewertungskommission mit Vertre-tern der Landesanstalt für Umweltschutz, Messungen und Natur-schutz Baden-Württemberg, des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau des Regierungspräsidiums Stuttgart und der Ingenie-urgesellschaft Dr. E. ordnete das Landratsamt Ostalbkreis durch Be-scheid vom 20. 6. 2006 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung unter anderem Folgendes an:

– als erste Sanierungsmaßnahme Teilaushub im Hauptschadens-bereich I a auf einer Fläche von ca. 1700 qm, wobei im Nord-osten ein Abstand von ca. 2 m zum Uferbereich des Egerkanals die Grenze sei. Im Kernbereich umfasse der Aushub den Be-reich, in dem quartäre Grundwasserbelastungen über 1000 µg/ l CKW ermittelt worden seien. Im nordwestlichen und im süd-westlichen Bereich ergebe sich die Aushubgrenze aus den Be-lastungsgrenzen des quartären Grundwassers (1000 µg/ l CKW) und aus den bisher bekannten Bodenluftkonzentrationen, wo-bei der Bereich mit CKW-Belastungen über 3 mg pro Kubik-meter heranzuziehen sei. Der weiteren Planung sei der sich aus der Kostenkalkulation des Büros Dr. E. im Rahmen der Sanie-rungsuntersuchung ergebende vorgeschlagene Aushubbereich nach Anlage 2 zugrunde zu legen (Nr. I. 1.1);

– Umschließung des zu sanierenden Bereichs mittels Dichtwand im quartären Grundwasserleiter (Nr. I. 1.2);

– Abpumpen des quartären Grundwassers innerhalb des dicht-wandumschlossenen Bereichs bis zum Abschluss der Wieder-verfüllung durch kontinuierliche Grundwasserhaltung inner-halb der Dichtwand (Nr. I.1.3);

– Anpassung des Grundwassers im Eisensandstein an die Erforder-nisse der Statik und Hydrogeologie durch Absenkung des Sog-niveaus unter dem Aushubbereich, um ein Durchbrechen des gespannten Grundwassers aus dem Kluftsystem in die Baugrube bzw. den Aushubbereich zu verhindern (Nr. I. 1.4);

– Vornahme des Bodenaushubs, wobei unterschiedlich belastete Aushubmengen entsprechend ihrer jeweiligen Kontamination unterschiedlich zu behandeln seien (Nr. I. 1.5);

– nach erfolgtem Aushub Wiederverfüllung der Baugrube mit unbelastetem Bodenaushub (Nr. I. 1.6) sowie Verdichtung und Anpassung der Einbauschichten in ihren bodenmechanischen Eigenschaften an das umgebende Material (Nr. I. 1.7);

– Behandlung und Entsorgung des belasteten Bodenaushubs sowie Reinigung des bei den Pumpmaßnahmen anfallenden Grund-wassers aus beiden Stockwerken nach dem aktuellen Stand der Technik auf Werte unterhalb von 10 µg/l für CKW bzw. 3 µg/l für Vinylchlorid (Nr. I. 1.8);

– Sanierung der Kontamination, bis im direkten Abstrom der zu sanierenden Flächen dauerhaft ein Wert für CKW von 10 µg/l und für Vinylchlorid von 3 µg/l eingehalten wird (Nr. I.1.9);

– Durchführung eines dreijährigen Grundwassermonitorings an 20 Grundwassermessstellen mit regelmäßiger Beprobung in zweimonatigem Rhythmus, wobei das Messprogramm neben den vorhandenen Messstellen im Quartär und im Eisensandstein auch neue Messstellen im Sanierungsbereich umfassen müsse (Nr. I. 2.);

– Durchführung der gesamten Sanierungsmaßnahmen inklusive der Ausführungsplanung und der baubegleitenden Betreuung durch Beauftragung eines geeigneten Gutachterbüros und Vor-lage einer entsprechenden Ausführungsplanung vor Beginn der Sanierungsmaßnahme an das Landratsamt Ostalbkreis zur Ge-nehmigung (Nr. I. 4).

Aus den Gründen:

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs.  1 Satz  1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als

unbegründet abgewiesen, denn die angefochtenen Be-scheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ih-ren Rechten.

1. Die Zulässigkeit der Klage unterliegt keinem Zweifel. Sie wird insbesondere nicht dadurch in Frage gestellt, dass der im angefoch-tenen Bescheid angeordnete Teilaushub des Hauptschadensbereichs I  a zwischenzeitlich im Wege der Ersatzvornahme vom Beklagten

durchgeführt worden ist. Eine Erledigung der Hauptsache ist dadurch nicht eingetreten. Auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführun-gen des Verwaltungsgerichts und die von ihm zitierte einschlägige Rechtsprechung nimmt der Senat Bezug (vgl. insbesondere BVerwG, Urt. v. 25. 9. 2008 – 7 C 5.08, juris; Senatsurteil vom 8. 1. 2008 – 10 S 2350/07, VBlBW 2008, 305). Im Übrigen ist die Sanierungsanord-nung mit Blick auf die in Nr. I.1.9 des Bescheidtenors vorgegebenen Sanierungszielwerte auch nicht vollständig vollzogen.

2. Die Klage ist auch begründet. Zwar ist die Sanie-rungsanordnung zutreffend auf Vorschriften des Bundes-bodenschutzgesetzes als Rechtsgrundlage gestützt (2.1). Die Sanierungsanordnung genügt jedoch hinsichtlich der festgelegten Sanierungszielwerte nicht dem Bestimmtheits-gebot und nimmt die Klägerin insoweit auch unverhältnis-mäßig in Anspruch (2.2). Die Anordnung des Teilaushubs begegnet jedenfalls deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil ohne Kostenvorbehalt die verfassungs-rechtliche Zumutbarkeitsgrenze für eine Inanspruchnahme der Klägerin als Zustandsverantwortliche überschritten ist (2.3).

2.1 Entgegen der im erstinstanzlichen Verfahren vertre-tenen Auffassung der Klägerin finden die Vorschriften des Bundesbodenschutzgesetzes, hier die §§ 10 Abs. 1, 4 Abs. 3 BBodSchG als Ermächtigungsgrundlage auf das mit einer Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 BBodSchG kontami-nierte ehemalige Betriebsgrundstück Anwendung. Dies hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil überzeu-gend dargelegt. Auf diese Ausführungen, denen die Kläge-rin im Berufungsverfahren nicht mehr argumentativ ent-gegengetreten ist, nimmt der Senat Bezug.

…2.2 Die in Nr.  I.1.9 der Sanierungsanordnung getrof-

fene Regelung zu den Sanierungszielwerten erweist sich als nicht hinreichend bestimmt (2.2.1) und wegen Unver-hältnismäßigkeit als ermessensfehlerhaft (2.2.2).

2.2.1 Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 LVwVfG verlangt, dass aus der getroffenen Regelung, d. h. aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkenn-baren Umständen, für den Adressaten der Inhalt der Rege-lung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach richten kann. Abzu-stellen ist dabei nicht auf die Vorstellungen oder den sub-jektiven wirklichen oder gegebenenfalls hypothetischen Willen der Behörde, sondern auf den objektiven Erklä-rungswert und Erklärungsinhalt des dem Betroffenen Mit-geteilten, so wie dieses nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss. Unklarheiten gehen hierbei zu Las-ten der Behörde. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass der befehlende Verwaltungsakt ohne weitere Erläuterungen als Grundlage für die Vollstreckung und die spätere Durchsetzung von Kostenersatzansprüchen geeig-net sein muss. Die Vollstreckung der Verfügung setzt ihre Bestimmtheit voraus (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 15. 2. 1990 – 4 C 41.87, BVerw GE 84, 335; Urt. v. 18. 4. 1997 – 8 C 43.95, BVerw GE 104, 301; Urt. v. 25. 4. 2001 – 6 C 6.00, BVerw GE 114, 160; Urt. v. 3. 12. 2003 – 6 C 20.02, BVerw GE 119, 282; Beschl. v. 13. 10. 2010 – 7  B 50.10, juris; OVG Münster, Urt. v. 11. 6. 1992 – 20 A 2485/98, juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 37 Rdnr.  5 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 37 Rdnr. 5 ff., 27 ff. jeweils m. w. N.; vgl. auch den im Erörterungstermin vom 13. 9. 2012 zitierten Beschluss des Senats vom 26. 10. 2010 – 10 S 2871/08).

Das notwendige Maß an Konkretisierung hängt von der Art des Verwaltungsakts ab und richtet sich nach den Be-sonderheiten des jeweils anzuwendenden, mit dem Ver-waltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts sowie nach den Umständen des Einzelfalles ( BVerwG, Urt. v. 15. 2. 1990, a. a. O.). Der Erlass einer bodenschutzrechtli-chen Sanierungsanordnung erfordert in der Regel sowohl die Bestimmung des mit ihr verfolgten Ziels als auch die

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Angabe des Mittels durch die Behörde (vgl. OVG Müns-ter, Urt. v. 11. 6. 1992, a. a. O.; Senatsbeschl. v. 26. 10. 2010, a. a. O.). Aus den vom Beklagten angeführten Entscheidun-gen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des erkennenden Senats ergibt sich nichts anderes. Das Bundesverwaltungs-gericht hat in dem zitierten Urt. v. 5. 11. 1968 (I C 29.67, BVerw GE 31, 15) die Frage, ob ein Verwaltungsakt ohne die Bezeichnung der Art der Ausführung unbestimmt ist, offen gelassen, da sie für den in jenem Verfahren angefoch-tenen Verwaltungsakt, durch den ein bestimmtes Verhal-ten verboten werde – im konkreten Fall die Verursachung von Lärmimmissionen nach 22.00 Uhr in einer bestimm-ten Stärke – nicht bedeutsam sei. Der Sache nach betraf auch das weiter zitierte Urteil des Senats vom 9. 4. 1981 (10 C 2129/80, VBlBW 1982, 97) ebenfalls ein Verbot der Verursachung von betrieblichen Lärmimmissionen ober-halb bestimmter Grenzwerte, wobei beispielhaft mögliche Maßnahmen zur Lärmminderung in der angefochtenen Verfügung angeführt waren.

Mit diesen Fallgestaltungen ist das im vorliegenden Fall streitgegenständliche bodenschutzrechtliche Gebot zur Herbeiführung eines den Sanierungszielwerten in Nr. I.1.9 des Bescheids entsprechenden dauerhaften Reinheitsgrades des Grundwassers im direkten Abstrom der zu sanierenden Flächen nicht zu vergleichen. Jedenfalls nach den konkre-ten Umständen des vorliegenden Falles, der durch einen heftigen Streit um die „richtigen“ Sanierungsmethoden gekennzeichnet ist, und mit Blick auf die gesetzliche Sys-tematik des Bundesbodenschutzgesetzes mit seinen gestuf-ten, auf die Herausarbeitung einzelner geeigneter Maß-nahmen angelegten Verfahrensschritten (orientierende Untersuchung, Detailuntersuchung, Sanierungsuntersu-chung, Sanierungsplan, Sanierungsanordnung, vgl. §§ 9 Abs. 1 und 2, 13, 14, 10 BBodSchG) durfte hier gerade we-gen des vom Beklagten nachvollziehbar eingeschlagenen Wegs des schrittweisen, zukunftsoffenen Vorgehens nicht bereits ein Sanierungsendziel verbindlich verfügt werden, das mit der angeordneten Teilaushubmaßnahme schlech-terdings nicht erreichbar war. Letzteres ist offensichtlich, weil die Teilaushubmaßnahme nur den Kontaminations-herd (CKW in Phase) im Hauptschadensbereich I a – und diesen auch nicht vollständig, so horizontal nicht in un-mittelbarer Nähe des Egerkanals und vertikal nur bis zu einer bestimmten Tiefe – erfassen konnte, nicht auch die Hauptschadensbereiche II und I b. Mithin hingen die von der Teilaushubmaßname allein nicht zu leistenden, weiter-gehend verfügten Sanierungszielwerte gewissermaßen in der Luft, was die zu ihrer Erreichung geeigneten, erfor-derlichen und im engeren Sinne verhältnismäßigen Mittel angeht. Es der Klägerin zu überlassen, mit welchen Mit-teln sie den mit dieser Zielvorgabe bezeichneten ange-strebten Sanierungserfolg bewerkstelligen sollte, lag nach dem gesamten Verfahrensgang überdies fern. Mit der ge-gen den erklärten Willen der Klägerin verfügten Teilaus-hubmaßnahme hatte der Beklagte deutlich gemacht, dass er im Rahmen des beabsichtigten gestuften Vorgehens sich die Anordnung der einzelnen einzusetzenden Mittel vor-behalten wollte.

Der Senat hat deshalb auch erwogen, die Angabe der Sa-nierungszielwerte in Nr. I.1.9 des Bescheids noch nicht als verbindliche Bestimmung, sondern nur als perspektivische Ankündigung eines angestrebten Sanierungszustandes zu werten. Dem steht aber entgegen, dass Nr. I.1.9 zum ver-fügenden Teil des Bescheids gehört, auf den sich auch die Zwangsmittelandrohung und die Anordnung der soforti-gen Vollziehung erstreckt. Der Beklagte hat auch im wei-teren Verlauf des Verfahrens die verbindliche Festlegung dieses Zielwertes nicht relativiert, sondern mit eingehen-der Argumentation als rechtmäßig verteidigt. Zwar hat der Beklagte zuletzt, anknüpfend an eine entsprechende Ein-schätzung der Bewertungskommission des Landes vom 18. 5. 2011, von der Anordnung weiterer konkreter Sanie-

rungsmaßnahmen aus Verhältnismäßigkeitsgründen abge-sehen (…). Eine Änderung des angefochtenen Bescheids in Bezug auf die Sanierungszielwerte ist hingegen nicht er-folgt. Schließlich spricht auch das berechtigte Rechtssicher-heitsinteresse der Klägerin gegen eine interpretatorische Relativierung des Bedeutungsgehalts der Sanierungsziel-vorgabe. Die Klägerin hat ein anzuerkennendes rechts-schutzwürdiges Interesse daran, dass dieser verfügende Teil des Bescheids aufgehoben wird und nicht in Bestandskraft erwachsen kann.

2.2.2 Die Sanierungszielbestimmung in Nr. I.1.9 des Be-scheids begegnet aber nicht nur Bestimmtheitsbedenken im Hinblick auf das einzusetzende Mittel, sondern ist auch inhaltlich rechtlich zu beanstanden. Die Kritik der Kläge-rin trifft zu, dass die Sanierungszielwertbestimmung ei-ner hinreichenden einzelfallbezogenen Ableitung entbehrt und auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Zutreffend geht der Beklagte allerdings davon aus, dass die bei der Sanierung von Gewässern zu erfüllen-den Anforderungen sich nach dem Wasserrecht richten (§ 4 Abs. 4 Satz 3 BBodSchG, Anhang 2 Nr. 3.2 lit. e BBod-SchV), dem Wasserrecht sich aber für den vorliegenden Fall kein hinreichend bestimmtes Sanierungsziel entnehmen lässt, weil gesetzliche Grenzwerte für den Schadstoffgehalt im Grundwasser nicht existieren. Wenn der Beklagte sich sodann auf Empfehlungen der Bund-/Länderarbeitsge-meinschaft Wasser (LAWA) für grundwasserbezogene Ge-ringfügigkeitsschwellenwerte für CKW (Gesamt-LHKW: 20 µ/ l, Tri- und Tetrachlorethen: 10 µ/l) und in harmoni-sierender Rückbeziehung auf die für Sickerwasser gelten-den Prüfwerte der Bundesbodenschutzverordnung (An-hang 2 Nr. 3.1 : 10 µ/l) sowie für Vinylchlorid (VC) auf die in der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Ministeri-ums für Umwelt und Verkehr und des Sozialministeriums über Orientierungswerte für die Bearbeitung von Altlasten und Schadensfällen vom 16. 9. 1993 i. d. F. vom 1. 3. 1998 – VwV-Orientierungswerte (GABl. 1998, S. 295) stützt (An-lage 1 : 3 µ/l), so mag dies als Ausgangspunkt einer gebo-tenen einzelfallbezogenen Festlegung der Sanierungsziele taugen, diese einzelfallbezogene Festlegung selbst aber nicht zu ersetzen oder zu erübrigen (vgl. zu diesem Erfor-dernis Bundestagsdrucksache 13/6701, S. 34 ff.; Senatsbe-schl. v. 26. 10. 2010 – 10 S 2871/08; OVG Lüneburg, Urt. v. 19. 4. 2007 – 7 LC 67/05; juris; Versteyl/Sondermann, Bun-desbodenschutzgesetz, 2002, § 8 Rdnr. 15 f. m. w. N.). Dass die genannten Empfehlungen und Verwaltungsvorschrif-ten keine normative Bindungswirkung entfalten, sondern allenfalls, wie vom Beklagten angenommen, als vorweg-genommene Sachverständigengutachten in Betracht kom-men, verkennt der Beklagte selbst nicht. Abgesehen da-von hat auch nach der genannten Verwaltungsvorschrift über Orientierungswerte der Festlegung von Sanierungs-zielen eine Abwägung aller Umstände des jeweiligen Ein-zelfalles unter Berücksichtigung der Verhältnismäßig-keit vorauszugehen (vgl. Nr.  3 Abs.  2 und 3 und Nr.  6 VwV-Orientierungswerte; zur gebotenen Einzelfallablei-tung vgl. auch Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2002, § 13 Rdnr. 13 m. w. N.). Über diese letztlich verfassungsrecht-liche Anforderung hilft auch der an sich zutreffende Hin-weis des Beklagten auf ein prinzipiell aus den Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes sich ergebendes Erfordernis eines hohen Schutzniveaus für das Grundwasser nicht hin-weg. Jedenfalls rechtfertigt bzw. verlangt dieses grund-sätzlich gebotene Schutzniveau nicht in jedem Einzelfall ohne weiteres die Gleichsetzung von Prüfwerten bzw. Ge-ringfügigkeitsschwellenwerten mit festzulegenden Sanie-rungszielwerten, ohne Berücksichtigung eines gesteigerten oder geminderten öffentlichen Interesses an der Intensität der Sanierungsanstrengungen (etwa im Falle von Wasser-schutzgebieten oder Trinkwassereinzugsgebieten einerseits und anderen, weniger sensible Nutzungen aufweisenden Bereichen andererseits) und ohne Berücksichtigung indi-

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vidueller Zumutbarkeitsgesichtspunkte auf Seiten des Sa-nierungspflichtigen. Wegen des Fehlens einer diesbezügli-chen Abwägung ist die Festlegung des Sanierungsziels auf den jeweils niedrigsten Schwellenwert der LAWA-Emp-fehlungen bzw. der VwV-Orientierungswerte ermessens- und damit rechts fehler haft.

Dass die verfügten Sanierungszielwerte auch im Ergebnis rechtliche Zweifel aufwerfen und auch nach Einschätzung des Beklagten offenbar nicht zwingend sind, ergibt sich aus ihrem Vortrag im Berufungsverfahren sowie den Gründen des Teilabhilfebescheids vom 17. 1. 2012 im Wertausgleichs-verfahren. Danach könne die Gefahrenabwehrpflicht nach § 4 Abs. 3 BBodSchG trotz der nach dem Teilaushub ver-bleibenden Kontamination aus Verhältnismäßigkeitsgrün-den als erfüllt angesehen werden; eine Verbesserung der Schadenssituation durch weitere Sanierungsmaßnahmen sei in absehbarer Zeit und mit verhältnismäßigen Mitteln nicht zu erreichen, insbesondere führe auch eine anschlie-ßende hydraulische Sanierung nicht zu einer Erreichung der in der Bundesbodenschutzverordnung vorgegebenen Prüfwerte; aufgrund der räumlichen Verteilung der Belas-tung und der Lage des Schadens außerhalb einer Trink-wasserversorgung und außerhalb eines Wasserschutzgebie-tes sei aus Verhältnismäßigkeitsgründen eine Vollsanierung des Grundstücks nicht zu rechtfertigen. Vor diesem Hin-tergrund auch der eigenen Einschätzung des Beklagten, die im Wesentlichen auch schon zum Zeitpunkt des Er-lasses des Widerspruchsbescheids hätte angestellt werden können, sind die der Klägerin in Nr.  I.1.9 des Bescheids vorgegebenen Sanierungsziele mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Der Senat verkennt nicht, dass dem Be-klagten ein gestuftes schrittweises Vorgehen vorschwebte, das für sich genommen angesichts der nicht unkomplizier-ten Grundstücks- bzw. Schadenssituation sachgerecht er-scheint. Zur Realisierung des prioritär angeordneten ers-ten Sanierungsschritts eines Teilaushubs hätte es aber der Festlegung eines Endzielwerts für die Gesamtsanierung noch nicht bedurft. Es hätte vielmehr genügt, den Teilaus-hub selbst in einer den Bestimmtheitsanforderungen ge-nügenden Weise anzuordnen, weitere Sanierungsschritte mit entsprechenden (Teil-)Zielvorgaben erst anschließend zu verfügen und allenfalls in die Gründe der die Teilsanie-rungsschritte regelnden Bescheide rechtlich nicht verbind-liche Hinweise zu den letztlich angestrebten Sanierungs-zielen aufzunehmen.

2.3 Die Unbestimmtheit und Unverhältnismäßigkeit der verfügten Sanierungszielwerte begründet zunächst aller-dings nur deren Rechtswidrigkeit und schlägt nicht ohne weiteres auf die den Teilaushub betreffenden Regelun-gen des angefochtenen Bescheids durch. Nur wenn inso-weit von einem zwingenden inneren Zusammenhang aus-zugehen wäre, könnte anderes gelten. Diese Frage bedarf hier aber keiner Vertiefung. Die Anordnung des Teilaus-hubs ist auch einer eigenständigen Betrachtung und recht-lichen Würdigung zugänglich, insbesondere kann die Be-stimmtheit und Verhältnismäßigkeit der den Teilaushub betreffenden Regelungen auch unabhängig von den global festgelegten Sanierungszielwerten beurteilt werden. Die Anordnung des Teilaushubs ist aber wegen Überschreitung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze bei der Heranziehung der Klägerin als Zustandsstörerin rechts-widrig (2.3.2).

2.3.1 An der Bestimmtheit der Regelungen über den Teil aushub selbst bestehen allerdings keine Zweifel, solche hat auch die Klägerin nicht angemeldet. Ziel und Mittel des Aushubs sind im angefochtenen Bescheid klar geregelt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin leidet der Be-scheid auch nicht an einem von ihr rügbaren durchgreifen-den Verfahrens- oder Ermessensfehler, weil der Beklagte davon abgesehen hat, vor Erlass der Sanierungsanordnung von der Klägerin die Vorlage eines Sanierungsplans nach der Soll-Vorschrift des § 13 Abs. 1 BBodSchG zu verlan-

gen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Norm wegen ei-ner etwa anzunehmenden (belastenden und begünstigen-den) Doppelnatur des einen Sanierungsplan verlangenden Verwaltungsakts auch den Interessen des Sanierungspflich-tigen zu dienen bestimmt ist, weil dem Sanierungspflich-tigen bei einer von ihm durchgeführten Sanierungsun-tersuchung und der Erstellung eines Sanierungsplans eine seine Interessen akzentuierende Einflussnahme auf die be-hördliche Sanierungsentscheidung eröffnet ist (vgl. Versteyl/Sondermann, a. a. O., § 13 Rdnr. 18; ablehnend Schmitt, Der Sanierungsplan nach § 13 BBodSchG, 2007, S. 233 unter Hinweis auf die Möglichkeit freiwilliger Vorlage eines Sa-nierungsplans). Der Senat hält zwar angesichts der Betrof-fenheit zweier Umweltmedien (Boden und Grundwasser), der mehrfachen Befassung der Bewertungskommission des Landes, des Gutachterstreits über die geeigneten Sa-nierungsmaßnahmen sowie des vom Beklagten wegen der Komplexität der Sanierungsaufgabe selbst nur für möglich gehaltenen schrittweisen Vorgehens die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Annahme einer nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BBodSchG sogenannten qualifi-zierten Altlast für gegeben. Jedenfalls durfte der Beklagte hier aber im Ermessenswege von der Soll-Vorschrift ab-weichen, weil nach den Umständen des vorliegenden Fal-les eine dies rechtfertigende Ausnahmekonstellation gege-ben war. Dies ergibt sich aus der Verfahrensvorgeschichte und der schon im Jahr 2004 offenbar gewordenen Illiquidi-tät der Klägerin, deren einziger verbliebener Vermögens-gegenstand die fraglichen, im Übrigen mit Grundpfand-rechten belasteten und unsaniert keinen realen Wert mehr darstellenden ehemaligen Betriebsgrundstücke waren. Die Verfahrensvorgeschichte ist dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin Verpflichtungen zur Durchführung von De-tail- bzw. Sanierungsuntersuchungen, die sie in dem vor dem VG Stuttgart geschlossenen gerichtlichen Vergleich im Jahre 2002 eingegangen war, unstreitig nicht bzw. nur teil-weise erfüllt hat mit der Folge, dass der Beklagte sich zur Durchführung der Ersatzvornahme genötigt sah. Nach-dem ein Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Insolven-zverfahrens durch das Amtsgericht … im Dezember 2004 mangels Masse abgelehnt worden war, die Klägerin sich aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 18. 5. 2005 aufgelöst hatte und seither in Liquidation befindet, konnte und musste der Beklagte ohne weiteres davon ausgehen, dass eine wiederum erheblich kostenträchtige Heran-ziehung der Klägerin zur Vorlage eines Sanierungsplans schon aus finanziellen Gründen scheitern und die Notwen-digkeit einer erneuten Ersatzvornahme bzw. eines Vorge-hens nach § 14 Satz  1 Nr.  1 BBodSchG nach sich ziehen würde. Vor diesem Hintergrund ist es mit Blick auf § 14 Satz 1 Nr. 2 BBodSchG, der für den Fall einer Nichther-anziehbarkeit des Sanierungsverpflichteten einen behörd-lichen Sanierungsplan ohne vorgängige Grundverfügung ermöglicht, rechtlich nicht zu beanstanden, vielmehr aus Gründen der Verhältnismäßigkeit indiziert gewesen, dass der Beklagte im Anschluss an die im Wege der Ersatzvor-nahme durchgeführte Sanierungsuntersuchung des Inge-nieurbüros Dr. E. die Sanierungsplanung der Sache nach selbst durchgeführt hat. Das Vorliegen der Tatbestandsvo-raussetzungen des § 14 Satz 1 Nr. 2 BBodSchG belegt zu-gleich die Richtigkeit der Annahme eines Ausnahmefalles im Rahmen des § 13 Abs. 1 BBodSchG. Da die Massivität der Boden- und Grundwasserbelastungen auch eine rasche Entscheidungsfindung für die zu ergreifenden Sanierungs-maßnahmen erforderten, war das Ermessen des Beklagten hier zugunsten eines alsbaldigen Vorantreibens einer eige-nen Sanierungsplanung reduziert.

Die unter den Beteiligten umstrittene Frage, ob der vom Beklagten anstelle der von der Klägerin favorisierten hy-draulischen Sicherung angeordnete Teilaushub zur Sanie-rung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im enge-ren Sinne war, bedarf letztlich keiner Entscheidung. Nach

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Auffassung des Senats ist nicht zu bezweifeln, dass der Teil-aushub jedenfalls geeignet war, das Potential des CKW-Pools zur Kontaminierung des Grundwassers deutlich zu verringern und damit dessen Zustand zu verbessern. Ob die von der Klägerin bevorzugte hydraulische Sicherung als in jeder Hinsicht geeignetes milderes, andere ergänzende Ver-fahren wie etwa den Teilaushub ausschließendes Mittel zu betrachten ist, erscheint zumindest in Bezug auf den vom Beklagten nachvollziehbar einbezogenen Zeithorizont ei-ner Gesamtsanierung fraglich (zur grundsätzlichen Gleich-wertigkeit von Dekontaminations- und Sicherungsmaß-nahmen bei vor dem 1. 3. 1999 eingetretenen schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten s. § 4 Abs.  3 Satz  2 und Abs. 5 BBodSchG und dazu Dombert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BBodSchG § 4 Rdnr. 55 ff.). Jeden-falls wird auch von der Klägerin nicht bestritten, dass der Teilaushub zu einer Reduzierung des Schadstoffpotentials und in der Folge auch zu einer gewissen Verminderung der – wenn auch noch mit mehreren 1000 µg/ l CKW weit über den verfügten Sanierungszielwerten liegenden – Grund-wasserbelastungen geführt hat. Andererseits erscheint die vom Beklagten gegen eine hydraulische Sicherung ins Feld geführte Einschätzung zweifelhaft, dass eine hydrau-lische Sicherung keine sofortige Wirkung erzielen könne; denn die hydraulische Sicherung soll ja ab ihrer Installie-rung die Grundwasserreinigung ermöglichen, was freilich über Jahrzehnte notwendig sein kann, bis das Schadstoff-reservoir aufgebraucht ist. Diese Fragen wie auch die von der Klägerin mit der Titulierung „Luxussanierung“ pro-ble ma ti sierte Verhältnismäßigkeit der Anordnung des Teil-aushubs im engeren Sinne kann der Senat indessen dahin-gestellt sein lassen, weil die Teilaushubanordnung bereits aus anderen, nachfolgend dargelegten Gründen rechtswid-rig ist.

2.3.2 Die Teilaushubanordnung leidet rechtlich daran, dass die Klägerin unter Überschreitung ihrer verfassungs-rechtlich durch Art.  14 Abs.  1 GG begründeten Zumut-barkeitsgrenze als Zustandsstörerin in Anspruch genom-men worden ist (2.3.2.3) und eine Verantwortlichkeit der Klägerin als Verursacherin (2.3.2.1) oder als Gesamtrechts-nachfolgerin früherer Verursacher des Schadstoffeintrags (2.3.2.2) ausscheidet.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sind dem Grunde nach sanierungspflichtig der Verursacher einer schädlichen Bo-denveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechts-nachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück.

2.3.2.1 Einen die Pflichtenstellung als Handlungsstöre-rin begründenden hinreichenden Verursachungsbeitrag der Klägerin zur Entstehung der Altlast auf dem von 1820 bis 1995 von verschiedenen Firmen zur Verarbeitung und Veredelung von Fellen und Kunstledern genutzten Grund-stück haben das Landratsamt und das Regierungspräsi-dium ersichtlich selbst nicht ernstlich in Betracht gezo-gen. Auch das Verwaltungsgericht hat festgestellt, es gebe keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Verunreinigung durch ein der Klägerin zurechenba-res Verhalten verursacht worden sei. Dem ist der Beklagte im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten. Abwei-chende rechtlich relevante Erkenntnisse vermag auch der Senat dem Akteninhalt und dem Vortrag der Beteiligten nicht zu entnehmen. Angesichts der Gesamtnutzungsdauer des Altlastengrundstücks für den genannten Betriebszweck von 1820 bis 1995, d. h. in 175 Jahren, und einer Nutzung durch die Klägerin erst ab 1976/77 kann sich von vorn-herein nur die Frage stellen, ob dieser Nutzungsanteil der Klägerin rechtlich eine derart erhebliche Mitverursachung indizieren kann, dass eine Inanspruchnahme der Klägerin auf die vollständige Beseitigung der Störung gerechtfer-tigt wäre. Zwar kann bei sogenannten Summationsschä-den, die regelmäßig zur Folge haben, dass eine Isolierbar-keit der Teilbeiträge mehrerer Handlungsverantwortlicher

für die (Gesamt-)Störung nachträglich unmöglich ist, je-der Verursacher auf die vollständige Beseitigung der Stö-rung in Anspruch genommen werden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme setzt dies aber eine Erheblichkeit des Verursachungsbeitrags voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. 3. 2006 – 7 C 3.05, BVerw GE 125, 325 m. w. N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung; Se-natsbeschl. v. 3. 9. 2002 – 10 S 957/02, NVwZ-RR 2003, 103). Dagegen, dass die Klägerin sich einen solcherart er-heblichen Verursachungsbeitrag zurechnen lassen muss, sprechen einschlägige Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Bescheide. Im Ausgangsbescheid des Land-ratsamts heißt es hierzu, dass ein Verursacher des Grund-wasserschadens sich nicht mehr feststellen lasse, da ver-schiedene Firmen die Verarbeitung und Veredelung von Fellen und Kunstleder auf den genannten Grundstücken betrieben hätten; frühere Firmen, welche als Handlungs-störer in Betracht kämen, seien auch nicht mehr greifbar. Dies deutet darauf hin, dass das Landratsamt nicht von ei-nem nachweisbar relevanten, eine Handlungsstörerhaftung auslösenden Verursachungsbeitrag der Klägerin ausgegan-gen ist. Sodann heißt es im Widerspruchsbescheid des Re-gierungspräsidiums im Rahmen der fachtechnischen Be-gründung, weshalb der Schadstoffeintrag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht über das Abwasser-system verursacht worden sei, dass der Eintragszeitraum mindestens 30 Jahre zurückliege und so erklärlich sei, dass im wasserungesättigten Bodenhorizont nur noch geringe CKW-Belastungen festgestellt worden seien, die durch Niederschläge in den vergangenen 30 Jahren ausgewaschen worden seien; auch der hohe Anteil des Abbauprodukts Vi-nylchlorid lasse sich entsprechend durch einen viele Jahre zurückliegenden Eintragszeitraum im Verbindung mit an-aeroben Verhältnissen im Grundwasser erklären. Wenn aber aus fachtechnischer Sicht der wesentliche Schad stoff-eintrag auf einen so lange – mindestens 30 Jahre – vor dem Widerspruchsbescheid vom 18. 7. 2007 liegenden Zeitraum zu datieren ist, so ist dem Verwaltungsgericht beizupflich-ten, dass es an hinreichenden konkreten Anhaltspunkten für eine rechtlich relevante (Mit)-Verursachung der Alt-last durch die Klägerin fehlt. Es besteht hiernach auch kein Anlass, über die fachtechnisch gestützte behördliche Ein-schätzung hinausgehend weitere Ermittlungen zur Qua-lifizierung und Quantifizierung eines etwaigen Verursa-chungsbeitrags der Klägerin im Wege der Amtsermittlung anzustellen, zumal erfolgversprechende Aufklärungsmittel sich auch nicht aufdrängen.

2.3.2.2 Eine Anknüpfung an die Verursachung der Altlast durch die früher auf dem Betriebsareal tätig gewesenen Fir-men dergestalt, dass die Klägerin als deren Gesamtrechts-nachfolgerin gemäß § 4 Abs.  3 Satz  1 2. Alt. BBodSchG sanierungspflichtig wäre, scheidet hier ebenfalls aus. Denn die Klägerin ist nicht im Wege einer Gesamtrechtsnach-folge, sondern durch auf entsprechenden Auflassungen be-ruhende Einzelübertragungsvorgänge Eigentümerin der Grundstücke geworden. Dies ergibt sich aus dem von ihr vorgelegten Grundbuchauszug. Die Klägerin hat auch im laufenden Verfahren unwidersprochen auf einen Grund-stückskaufvertrag Bezug genommen.

2.3.2.3 Dem Grunde nach zutreffend hat der Beklagte die Klägerin somit nur als zustandsverantwortliche Eigen-tümerin der Grundstücke in Anspruch genommen. Die damit verbundene Ermessensbetätigung, auf aufwendige, kaum erfolgversprechende Ermittlungen in Richtung auf frühere Verursacher zu verzichten und nicht zuletzt aus Ef-fektivitätsgründen die Klägerin als Sanierungspflichtige he-ranzuziehen, entspricht dem Zweck der Ermächtigung für ein Tätigwerden der Gefahrenabwehrbehörde auf der Pri-märebene und ist für sich genommen auch sonst rechtlich nicht zu beanstanden. Durchgreifenden rechtlichen Beden-ken begegnet hingegen, dass die Klägerin ohne einen Kos-tenbeschränkungsvorbehalt in den angefochtenen Beschei-

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den zur Sanierung des Grundstücks nach den Maßgaben des angefochtenen Bescheids verpflichtet worden ist. Der Beklagte hat dabei die in der Rechtsprechung des Bundes-verfassungsgerichts entwickelten Zumutbarkeitsgrenzen der Zustandsstörerhaftung nicht hinreichend beachtet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16. 2. 2000 – 1 BvR 242/91, – 1 BvR 315/99, BVerfGE 102, 1).

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer durch seine Heranziehung als Sanierungspflichtiger an Be-lastungen zugemutet werden dürfe, könne als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrs-wert nach Durchführung der Sanierung dienen. Eine diese Grenzen überschreitende Belastung könne insbesondere dann unzumutbar sein, wenn die Gefahr, die von einem Grundstück ausgeht, aus Naturereignissen, aus der Allge-meinheit zuzurechnenden Ursachen oder von nicht nut-zungsberechtigten Dritten herrührt. Anderenfalls würden ihm im Übermaß Risiken aufgebürdet, die auf Umstän-den beruhten, die losgelöst von der Sachherrschaft über das Grundstück sind und jenseits seiner Verantwortungssphäre lägen. Eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert des sa-nierten Grundstücks übersteige, könne allerdings zumut-bar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstande-nen Gefahr bewusst in Kauf genommen habe. Ein solcher Fall liege etwa dann vor, wenn der Eigentümer das Grund-stück in Kenntnis von Altlasten, die von früheren Eigentü-mern oder Nutzungsberechtigten verursacht worden seien, erworben habe. Denn das freiwillig übernommene Ri-siko mindere die Schutzwürdigkeit des Eigentümers. Auch dann, wenn und soweit Risikoumstände beim Erwerb ei-nes Grundstücks oder bei der Nutzungsänderung an Dritte zwar erkennbar gewesen seien, der Eigentümer aber in fahr-lässiger Weise die Augen davor geschlossen habe, könne dies dazu führen, dass eine Kostenbelastung über die Höhe des Verkehrswerts hinaus zumutbar sei. Für die Beurtei-lung der Zumutbarkeit könne der Grad der Fahrlässigkeit erheblich sein. Sei die Kostenbelastung aber wegen feh-lender Zumutbarkeit von Verfassungs wegen begrenzt, so müsse die Verwaltung auch über die Begrenzung der Kos-tenbelastung des Zustandsverantwortlichen entscheiden. Denn mit der Anordnung von Sanierungsmaßnahmen sei nach der einfachgesetzlichen Regelung die volle Tragung der Kosten durch den Pflichtigen verbunden. Ein Eigentü-mer, der eine ihn in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz  1 GG beeinträchtigende behördliche Sanierungsan-ordnung wegen der damit verbundenen Kostenbelastung für unverhältnismäßig halte, müsse sie im Verwaltungs-rechtsweg anfechten. Lasse er diesen Verwaltungsakt be-standskräftig werden, so könne er eine Begrenzung seiner Kostenbelastung oder eine (Teil-)Erstattung aufgewandter Sanierungskosten nicht mehr geltend machen. Der Eigen-tümer müsse also entscheiden, ob er die seine Zustandsver-antwortlichkeit aktualisierende Sanierungsanordnung hin-nehmen oder anfechten wolle. Diese Entscheidung könne er sinnvoll nur treffen, wenn er wisse, ob er unbegrenzt mit den Kosten belastet werde oder mit welcher Kosten-belastung er höchstens zu rechnen habe. Seien der Verwal-tung die Gründe der Unzumutbarkeit im Zeitpunkt der Sa-nierungsanordnung nicht oder nicht vollständig bekannt, so dass über die Kostentragung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend entscheiden werden könne, sei die Sa-nierungsverfügung mit dem Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung über die Kostentragung zu verbinden. Auch die Verwaltungsgerichte müssten wissen, ob und inwieweit der Eigentümer mit Sanierungskosten belastet werde, um die Rechtmäßigkeit eines in Eigentumspositionen eingrei-fenden Verwaltungsakts abschließend beurteilen zu können ( BVerfG, a. a. O.).

Nach diesen Grundsätzen hätte der Beklagte die Sanie-rungsanordnung mit einem entsprechenden Vorbehalt ei-ner gesonderten Entscheidung über die Kostentragung

verbinden müssen. Dass eine Unzumutbarkeit der Kosten-belastung des Zustandsverantwortlichen nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits auf der Primärebene, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der bodenschutzrechtlichen Grundverfügung, beachtlich ist, unterliegt keinem Zweifel. Davon ist zutreffend auch das Verwaltungsgericht ausgegangen bei seinem Hinweis an den Beklagten, bei künftigen gegen die Klägerin erge-henden weiteren Erkundungs- und Sanierungsanordnun-gen sorgfältig zu prüfen, ob hinsichtlich dieser weiteren Maßnahmen wegen des verfassungsrechtlich gebotenen Eigentumsschutzes der Klägerin ein entsprechender Kos-tenvorbehalt auszusprechen sein werde. Auch der Beklagte hat die Relevanz einer entsprechenden Kostenbegrenzung bzw. eines Vorbehalts bereits in einer bodenschutzrechtli-chen Grundverfügung nicht in Frage gestellt.

Die von ihm vorgetragenen Gründe, weshalb er von einem solchen Vorbehalt abgesehen hat, rechtfertigen diese Unterlassung nicht. So-weit der Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht auf in ei-nem früheren Verfahrensstadium angestellte Schätzungen des Ver-kehrswerts des Grundstücks in vollständig saniertem Zustand in Höhe von 2,3 bis 2,5 Mio. EUR abheben und diesen Betrag ins Verhältnis setzen zu den für den Teilaushub geschätzten Kosten in Höhe von 1,3 Mio. EUR (vgl. die Angabe der voraussichtlichen Kos-ten einer Ersatzvornahme in der Zwangsmittelandrohung) bzw. zu den tatsächlich entstandenen Kosten für alle vom Beklagten bisher ergriffenen Sanierungsmaßnahmen in Höhe von rund 1,282 Mio. EUR, davon 1,15 Mio. EUR für die Ersatzvornahme des Teilaus-hubs selbst, kann ihnen nicht gefolgt werden. Den früher angestellten bloßen Schätzungen des Verkehrswerts in saniertem Zustand lag er-sichtlich keine hinreichende konkret situationsbezogene fachkundige Bewertung zugrunde. Eine solche sachverständige Expertise, die dif-ferenziert insbesondere auch die Vorbelastung mit zu beseitigender Restbausubstanz, etwaige Erschließungskosten sowie die planungs-rechtliche Situation des Grundstücks berücksichtigt, ist erst mit dem vom Beklagten im Wertausgleichsverfahren eingeholten Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Be-wertung bebauter und unbebauter Grundstücke U. vom 7. 10. 2011 erstellt worden.

Dieses vom Beklagten vorgelegte Gutachten ist im vorliegenden Verfahren prozessual verwertbar und inhaltlich zu berücksichtigen. Das vom Beklagten ausdrücklich nicht beanstandete, vielmehr dem im Wertausgleichsverfahren ergangenen Teilabhilfebescheid vom 17. 1. 2012 mit ausführlicher Würdigung zugrunde gelegte Gutach-ten beziffert den fiktiven Verkehrswert des Grundstücks in vollstän-dig unbelastetem Zustand aber auf lediglich 1,32 Mio. EUR und den Verkehrswert unter Berücksichtigung der Teilsanierung durch den Teilaushub auf 1,02 Mio. EUR. Dass diese gutachtlich ermittelten Werte zu niedrig seien und das Gutachten insoweit von unvertret-baren Annahmen ausginge, hat der Beklagte auch nicht ansatzweise geltend gemacht. Deshalb und weil das Gutachten diesbezüglich auch keine augenfälligen Mängel aufweist, sieht der Senat keinen Anlass, insoweit von Amts wegen in eine detaillierte Prüfung des Gutachtens einzutreten. Eine solche Notwendigkeit besteht hier auch nicht in umgekehrter Richtung im Hinblick auf die Kritik der Klägerin, der vom Gutachter ermittelte Verkehrswert nach Teilsanierung von 1,02 Mio. EUR sei noch deutlich zu hoch, weil unter mehreren Gesichts-punkten weitere Abzüge von diesem Wert vorzunehmen seien. Da-rauf kommt es im vorliegenden Verfahren im Ergebnis nicht an (s. u.).

Der Berücksichtigungsfähigkeit des Gutachtens steht nicht ent-gegen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich derjenige der letzten Behördenent-scheidung, hier des Widerspruchsbescheids vom 18. 7. 2007, ist. Zwar ist dieses Gutachten erst im Berufungsverfahren eingeführt worden. Dies ändert aber nichts daran, dass der für die rechtliche Beurtei-lung relevante wahre Wert des Grundstücks bereits bei Erlass des Widerspruchsbescheids auch schon seinerzeit in gleicher Weise hätte ermittelt und erkannt werden können. Dies bedeutet, dass der Be-klagte sich das Versäumnis einer damaligen sachverständig gestütz-ten Wertermittlung zurechnen lassen muss und dass die später er-folgte Ermittlung nur auf der Ebene des Nachweises des damals schon feststellbaren wahren Grundstückswerts liegt. Dessen Berücksichti-gung lässt mithin den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt unbe-rührt. Eine frühzeitige sachverständig gestützte Wertermittlung war bereits mit Blick auf die objektivrechtlich, wie oben ausgeführt, ver-bindlich getroffene Festlegung der Sanierungszielwerte nahegelegt,

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weil die Erreichung dieser strengen Zielwerte allein mit dem Teil-aus hub keinesfalls erreichbar war, sondern zusätzliche, weitere hohe Kosten verursachende Maßnahmen voraussetzte (z. B. eine hydrauli-sche Sicherung in beiden Grundwasserstockwerken, die vom Beklag-ten für eine Laufzeit von 25 Jahren mit Kosten von 1,864 Mio. EUR veranschlagt wurde). Davon abgesehen hatte die Klägerin auch be-reits in ihrer Widerspruchsbegründung geltend gemacht, dass man-gels Grundstücksbewertung und Belegung der Werthaltigkeit des Grundstücks auf dessen Wert nicht abgestellt werden könne. Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg da-rauf berufen, dass alle Beteiligten zunächst von einem Grundstücks-wert von mindestens 2,3 Mio. EUR ausgegangen seien. Der hierzu vom Beklagten zitierten Äußerung der von der Klägerin beauftrag-ten Firma A. in deren ergänzender Widerspruchsbegründung vom 29. 1. 2007 liegt ersichtlich keine eigene Bewertung zu Grunde, son-dern nur die Referierung einer vom Bürgermeister der Stadt … als realistisch bezeichneten Wertannahme von 60 EUR/qm. Der Be-klagte hat auch dem Schreiben des Bürgermeisters vom 2. 7. 2007, das eine erkennbar grobe Wertvorstellung mit einer Bandbreite von 2,2 bis hin zu 2,5 Millionen EUR zum Ausdruck bringt, eine ihm nicht zukommende tragende Bedeutung beigemessen. Schon die Schwan-kung in der Wertangabe im Umfang von 300 000 EUR musste dem Beklagten Anlass zu einer exakteren Ermittlung geben. Welche Schwankungen in der Grundstücksbewertung darüber hinaus im Laufe des Verfahrens aufgetreten sind, illustriert die bei den Akten befindliche Übersicht des Beklagten vom 13. 4. 2011 (VAS/1697). So hat etwa der Gutachterausschuss der Gemeinde in seiner Festlegung vom 30. 3. 2007 zum Stichtag 31. 12. 2006 Bodenrichtwerte für den bebauten Bereich des ehemaligen Betriebsgeländes von 40 EUR pro Quadratmeter und für den unbebauten Bereich von 60 EUR pro Quadratmeter angesetzt, ohne Berücksichtigung etwaiger Erschlie-ßungskosten, was rechnerisch zu einem Wert von 1,92 Mio. EUR führte. Ferner ist in der genannten Übersicht ein Wert von lediglich 1,29 Mio. EUR aufgrund von Gesprächen bei der Stadt aufgeführt. Bei Wertschätzungsdifferenzen dieser Größenordnung (580 000 EUR allein zwischen der maximalen Angabe des Bürgermeisters und dem nach den Bodenrichtwerten des Gutachterausschusses er-mittelten Wert) musste sich eine verlässliche sachverständige Ermitt-lung aufdrängen, die naheliegende, jedoch in den vom Beklagten he-rangezogenen Schätzungen offenbar nicht beachtete Einflussfaktoren wie die oben beispielhaft genannten berücksichtigte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Amtsgericht Aalen be-reits im Rahmen des im Jahre 2004 abgeschlossenen Insolvenzan-tragsverfahrens ein Bewertungsgutachten in Auftrag gegeben hatte. Nach allem war für den Beklagten bereits zum maßgeblichen Zeit-punkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids der später mit gutacht-licher Expertise des Sachverständigen U. vom 7. 10. 2011 ermittelte realistische Wert erkennbar. Wenn der Beklagte gleichwohl bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids von einer sachverständigen Grund-stücksbewertung Abstand nahm und darauf verzichtete, die Sanie-rungsanordnung mit dem ohne weiteres möglichen Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung über die Kostentragung zu verbinden, so ging er damit das ihm zurechenbare Risiko ein, dass eine Überprü-fung des Verhältnisses von Grundstückswert und Sanierungskosten zu einem Kostenüberschuss führen würde.

Die Zuordnung der vom Sachverständigen U. erarbeiteten Wert-ergebnisse zu den der Klägerin zur Last fallenden Sanierungskosten ergibt Folgendes: Das Gutachten ist zwar zum Bewertungsstichtag 3. 6. 2008 erstattet worden, der ca. zehneinhalb Monate nach dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18. 7. 2007 liegt. Es ist jedoch auszuschließen, dass sich in diesem Zeitraum eine die Ermittlung des (Ausgangs-)Werts des fiktiv völlig unbelasteten Grundstücks beein-flussende Änderung ergeben haben könnte. Allerdings kann dieser vom Gutachter auf 1,32 Mio. EUR bezifferte Wert des fiktiv völ-lig unbelasteten Grundstücks systemgerecht nur mit den mutmaß-lichen Kosten einer der Klägerin dem Grunde nach aufgegebenen vollständigen Sanierung – bis zur Erreichung der verfügten Sanie-rungszielwerte – bilanziert werden. Dass dies zu einem eklatanten Ungleichgewicht in Gestalt des Überwiegens der Kosten gegenüber dem Grundstückswert führen würde, liegt auf der Hand und wurde vom Beklagten schließlich auch zum Anlass genommen, aus Verhält-nismäßigkeitsgründen von weiteren Sanierungsforderungen abzuse-hen. Wenn aber nur eine Teilsanierung durchgeführt wird und eine Ergänzung durch weitere Maßnahmen wie hier unwahrscheinlich, jedenfalls völlig ungewiss ist, so ist wiederum systemgerecht allein eine Bilanzierung des Verkehrswerts nach der Teilsanierung mit den dafür aufgewendeten Kosten vorzunehmen. Andernfalls würde dem Sanierungspflichtigen angesonnen, mit Kosten bis zum Maximal-wert des fiktiv unbelasteten Grundstücks belastet zu werden, obwohl

das auf Dauer nur teilsanierte Grundstück wegen der Restbelastung einen u. U. weit geringeren Verkehrswert hat. Ist aber erkennbar, dass schon die Kosten einer Teilsanierung den Verkehrswert nach die-ser Teilsanierung mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit überschrei-ten und ist wie hier ungewiss, ob und gegebenenfalls welche weite-ren Sanierungsmaßnahmen danach noch ergriffen werden, so ist eine kostenmäßige Begrenzung der Heranziehung des Sanierungspflichti-gen bereits in der die Teilsanierung anordnenden Verfügung vorzu-sehen oder zumindest ein entsprechender Kostenvorbehalt mit dieser Verfügung zu verbinden. Daran fehlt es hier.

Was die zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids an-zunehmende erkennbare Kostenbelastung der Klägerin allein schon durch die hier aufgegebene Teilaushubmaß-nahme angeht, so findet sich in der Zwangsmittelandro-hung die Angabe eines Betrages von 1,3 Mio. EUR für mutmaßliche Kosten einer Ersatzvornahme. Dieser Betrag war nicht zu Lasten der Klägerin zu niedrig gegriffen, wie die nach Abschluss der Maßnahme möglich gewordene konkrete Kostenberechnung mit 1,15 Mio. EUR zeigt. Ob für die gebotene Bilanzierung auf diese erst später erkenn-bar gewordenen tatsächlichen Kosten abzustellen ist oder auf die Kostenprognose des Beklagten im angefochtenen Bescheid, kann dahinstehen. Auch wenn auf den niedrige-ren tatsächlichen Kostenbetrag abgestellt wird, liegt bereits dieser deutlich – um 95 000 EUR – über dem vom Gutach-ter ermittelten Verkehrswert nach Teilsanierung in Höhe von 1,02 Mio. EUR, der vom Beklagten nicht als zu nied-rig in Frage gestellt worden ist, sondern nur von der Klä-gerin als noch zu hoch wegen nach ihrer Auffassung nicht berücksichtigter weiterer den Wert negativ beeinflussender Faktoren. Indes ist in die Bilanz unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit der Kostenbelastung der Klägerin nicht al-lein der für die Teilaushubmaßnahme selbst bzw. deren Er-satzvornahme anfallende Betrag in Rechnung zu stellen, sondern zusätzlich auch der weitere, für die bei den voraus-gegangenen Maßnahmen der Detail- und Sanierungsun-tersuchung angefallenen Kosten, soweit sie der Klägerin zur Last fallen. Dies ist jedenfalls bezüglich der Maßnahmen der Fall, welche Gegenstand der früheren Anordnung des Landratsamts vom 25. 7. 2001 und nach dem diese Anord-nung modifizierenden gerichtlichen Vergleich von der Klä-gerin zu erbringen waren, jedoch vom Beklagten im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt wurden. Danach sind die u. a. in der Anlage 3 zum Teilabhilfebescheid des Beklagten im Wertausgleichsverfahren aufgeführten Gesamtkosten in Höhe von rund 1,282 Mio. EUR dem Verkehrswert nach Teilsanierung in Höhe von 1,02 Mio. EUR gegenüber zu stellen. Die daraus resultierende Diskrepanz eines sechsstel-ligen Betrages, hier von über 260 000,– EUR, ist gewiss keine zu vernachlässigende Größenordnung.

Hiernach braucht den einzelnen Gesichtspunkten, wel-che die Klägerin als den Verkehrswert des teilsanier-ten Grundstücks weiter mindernd und vom Gutachter nicht berücksichtigt anführt, im vorliegenden Verfahren nicht nachgegangen zu werden. Anderes könnte nur gel-ten, wenn die Klägerin sich von Rechts wegen nicht auf die festgestellte Diskrepanz zwischen Kosten der Teilsa-nierung und dem Verkehrswert des teilsanierten Grund-stücks berufen könnte, etwa weil ihre Schutzwürdigkeit entsprechend gemindert wäre wegen Vorkenntnis der Alt-last und eines damit freiwillig übernommenen Risikos, oder deswegen, weil die Klägerin beim Grundstückser-werb fahrlässig die Augen vor der fraglichen Umweltbe-lastung des Grundstücks verschlossen hätte. Dies vermag der Senat jedoch eben so wenig wie das Verwaltungsge-richt zu erkennen. Dem Verwaltungsgericht ist beizu-pflichten, dass die Schutzwürdigkeit der Klägerin nicht entsprechend reduziert ist. Denn wie die Klägerin unter Berufung auf einschlägige Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs dargelegt hat und wie dem Senat auch aus ande-ren bodenschutzrechtlichen Verfahren aufgrund entspre-chender behördlicher Stellungnahmen bekannt ist, ist ein

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Problembewusstsein für Altlasten und deren Bewältigung, namentlich auch für die Belastung von Boden und Grund-wasser durch leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe und deren Abbauprodukte (wie hier CKW und VC), erst ab Mitte der 1980er Jahre entstanden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 2. 4. 2004 – ZR 267/03, NVwZ 2004, 1267; vgl. auch Senatsurt. v. 18. 12. 2012 – 10 S 744/12, juris). Hiernach scheidet eine Relativierung der Zumutbarkeitsschranke für die Kläge-rin, deren einziger verbliebener Vermögensgegenstand das fragliche Grundstück ist, aus.

Der Berufung ist nach allem stattzugeben.…

Vorzeitige Besitzeinweisung für eine Hochspannungsfreileitung

EnWG § 44 b, VwGO § 80 Abs. 5, § 80 a Abs. 3

1. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer vor-zeitigen Besitzeinweisung nach § 44 b EnWG kommt es nicht darauf an, wie die Erfolgsaussichten von Rechts-mitteln gegen den das Vorhaben zulassenden Planfest-stellungsbeschluss zu beurteilen sind.

2. Wenn die vorzeitige Besitzeinweisung nach § 44 b EnWG voraussichtlich als rechtmäßig zu beurteilen sein wird, ist für die Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO in der Regel ohne besondere Bedeutung, dass das Vorhaben vor Eintritt der Bestandskraft des Plan-feststellungsbeschlusses verwirklicht werden würde.VGH München, Beschluss vom 13. 5. 2013 – 22 AS 13.40009 –

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 5. 4. 2011 stellte die Regierung von Schwaben den Plan für die Erneuerung der 220/380-kV-Hoch-spannungsfreileitung von D. nach N., … zuzüglich der damit ver-bundenen notwendigen Folgemaßnahmen fest. Mit der Maßnahme ist u. a. der Abbau der derzeit bestehenden 220/380-kV-Freileitung zwischen Mast Nr. 27 A und Mast Nr. 32 A auf einer Gesamtlänge von 1700 m verbunden. Außerdem sollen die Masten Nrn. 33 bis 36 abgebaut und neu errichtet werden. Die Planfeststellung sieht die Er-richtung der neuen Leitung teilweise nicht auf der bisherigen Lei-tungstrasse vor, sondern 200 m weiter nördlich, in einem entspre-chenden Abstand zum Ortsbereich von S.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke FlNrn. 118 und 119 … Die bisher bestehende Leitung überspannt das Grund-stück FlNr. 119 … in halber Länge (ca. 100 m). Künftig soll an der Westgrenze des Grundstücks FlNr. 118 der Maststandort Nr. 31 B platziert werden. Das Grundstück FlNr. 118 soll … in voller Länge überspannt werden (ca. 200 m).

Die Antragstellerin hat den Planfeststellungsbeschluss vom 5. 4. 2011 beim VGH angefochten. Der VGH wies die Klage ab (Urt. v. 19. 6. 2012 – 22  A 11.40019). Die Antragstellerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil Beschwerde eingelegt, über die das Bundesverwaltungsgericht noch nicht entschieden hat.

Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 17. 12. 2012 beim Landratsamt Neu Ulm, ein Enteignungsverfahren durchzuführen mit dem Ziel der Eintragung von beschränkten persönlichen Dienst-barkeiten an den genannten Grundstücken. Außerdem beantragte die Beigeladene die vorzeitige Besitzeinweisung.

Aus den Gründen:1. Gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage (§ 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO) bestehen keine Bedenken. …

2. Der Antrag nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet. Das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit und der Beigeladenen überwiegt das Aufschubinteresse der An-tragstellerin; dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Anfechtungsklage gegen die vorzeitige Besitzeinwei-sung unbegründet sein dürfte. Die vorzeitige Besitzein-weisung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Das Landratsamt hat das Besitzeinweisungsverfahren – soweit ersichtlich – ohne rechtserhebliche Fehler durchge-führt. Das Landratsamt hat die gemäß § 44 b Abs. 2 Satz 4 EnWG dreiwöchige Ladungsfrist zur mündlichen Verhand-lung eingehalten und die Beteiligten ordnungsgemäß gela-den. Der Antragstellerin wurde die Ladung am 22. 12. 2012 zugestellt; die mündliche Verhandlung fand am 21. 1. 2013 statt. Dies genügt (§ 44 b Abs. 2 Sätze 2 bis 4 EnWG, Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

b) Die materiellen Voraussetzungen für die Anwendung des § 44 b Abs. 1 EnWG liegen ebenfalls vor.

aa) Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 44 b Abs.  1 EnWG ist ein vollziehbarer Planfeststellungsbe-schluss; § 44 b Abs. 1 Satz 2 EnWG hebt dies ausdrücklich hervor. Er bedarf keiner Bestandskraft, jedoch darf die Voll-ziehbarkeit nicht gehemmt sein. Im vorliegenden Fall liegt ein Planfeststellungsbeschluss vom 5. 4. 2011 vor, der kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs.  2 Nr.  3 VwGO i. V. m. § 43 e Abs. 1 Satz 1 EnWG). Von der Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Planfeststel-lungsbeschluss vom 5. 4. 2011 hat die Antragstellerin keinen Gebrauch gemacht; die diesbezüglich geltende Monatsfrist (§ 43 e Abs. 1 Satz 2 EnWG) ist längst abgelaufen. Richtig ist zwar, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss noch nicht bestandskräftig ist, weil die Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 19. 6. 2012 – 22  A 11.40019 Beschwerde eingelegt hat, über die noch nicht entschieden ist. Hierauf kommt es aber nicht an. Es kommt auch nicht darauf an, wie die Erfolgsaussichten die-ser Beschwerde zu beurteilen sind.

Der Planfeststellungsbeschluss erstreckt sich unstreitig auch auf die hier vorgesehenen Maßnahmen; dies gilt auch für die Belegung mit einer Viererbündelbeseilung A/St 265/35 sowie einem Erdseilluftkabel mit Lichtwellenlei-tern. Damit ist vorerst davon auszugehen, dass die plan-festgestellten Maßnahmen an den Betriebsanlagen der Bei-geladenen durchgeführt werden dürfen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG). Damit ist auch davon auszugehen, dass die privaten Belange der Antragstellerin in Bezug auf die von ihr landwirtschaftlich genutzten Grundstücke, die von dem Vorhaben der Beigeladenen berührt sind, im Rah-men der Abwägung berücksichtigt und fehlerfrei hintan-gestellt worden sind (§ 43 Abs. 1 Satz 2 EnWG). Für die Inanspruchnahme der verfahrensgegenständlichen Grund-stücke der Antragstellerin gilt, dass der festgestellte Plan auch dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 EnWG).

bb) Voraussetzung für die Anwendung des § 44 b Abs. 1 EnWG ist weiter, dass der sofortige Beginn von Bauarbei-ten geboten ist (§ 44 b Abs. 1 Satz 1 EnWG). Dies ist vom Antragsgegner und von der Beigeladenen substantiiert, d. h. plausibel und nachvollziehbar, dargelegt worden. Die Antragstellerin bestreitet nicht, dass die streitgegenständ-liche Hochspannungsfreileitung saniert und gestärkt wer-den muss und dass die zweite 380-kV-Leitungsverbindung aus Gründen der Versorgungssicherheit (§ 1 EnWG) jeden-falls bis Anfang 2014 in Betrieb genommen werden sollte, um weiter eine zuverlässige und sichere Versorgung von Ost-Württemberg mit elektrischer Energie gewährleisten zu können. Die Versorgungssituation in Ost-Württemberg ist unstreitig durch den Wegfall von 220-kV-Erzeugungs-einheiten und -Einspeisungen (auch infolge des Atomaus-stiegs) kritisch und eine lastdeckende Versorgung ist nur durch den Ausbau des 380-kV-Netzes möglich, wobei die Versorgung nicht von der Funktionsfähigkeit einer einzi-gen 380-kV-Leitung abhängig sein sollte. Die Antragstelle-rin wendet sich schließlich auch nicht gegen die Erwägung, dass aufgrund des Durchschnittsalters des Bestandsnetzes von über 40  Jahren Instandhaltungs- und Erneuerungs-maßnahmen notwendig seien. Auch wenn man die not-

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