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Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften 2013 01... · Schuster Besteuerung...

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StudZR 79 1 / 2013 Marcel Schuster* Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften Die steuerliche Behandlung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften insb. im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, § 15a EStG sowie § 4 Abs. 4a EStG StudZR 1 / 2013 StudZR 1 / 2013 Schuster Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften Abstract Der Beitrag behandelt die gesellschaftsrechtliche Konstruktion der doppel- bzw. mehrstöckigen Personengesellschaften aus steuerrechtlicher Perspek- tive. Zunächst wird im Allgemeinen der Aufbau dargestellt, d. h. die Qua- lifikationsvoraussetzungen werden im Einzelnen erläutert. Ferner werden die Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung von Personengesell- schaftern unter Berücksichtigung der bilanziellen Besonderheiten von Mit- unternehmeranteilen und Ergänzungsbilanzen eruiert. Die daraus gewon- nenen Erkenntnisse werden daraufhin im Rahmen der Arbeit auf die steuerrechtliche Einkünfteermittlung jedes einzelnen Glieds der Mitunter- nehmerkette übertragen. Dabei spielt der Sonderbereich eine herausragende Rolle. Abschließend werden die sich in diesem Zusammenhang aus den Vor- schriften zum beschränkt haftenden Gesellschafter und zum beschränkten Schuldzinsenabzug ergebenden Besonderheiten dargestellt und untersucht. Unzählige – bilanzsteuerrechtlich interessante – Konstellationen sind in diesem Zusammenhang denkbar. Durch Anwendung der steuerrechtlichen Grundsätze sollen im Spannungsverhältnis von Transparenzprinzip und Einheitsbetrachtung sachgerechte Lösungen ermittelt und anschaulich dar- gestellt werden. * Der Verfasser studiert im Sommersemester 2012 im 7ten Fachsemester Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Der Beitrag entstand als Studienarbeit im Unternehmensteuerrecht bei Herrn Dr. Bernd Heuermann. 83
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StudZR 791 / 2013

Marcel Schuster*

Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

Die steuerliche Behandlung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften insb. im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, § 15a EStG sowie § 4 Abs. 4a EStG StudZR1 / 2013StudZR1 / 2013SchusterBesteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

Abstract

Der Beitrag behandelt die gesellschaftsrechtliche Konstruktion der doppel- bzw. mehrstöckigen Personengesellschaften aus steuerrechtlicher Perspek-tive. Zunächst wird im Allgemeinen der Aufbau dargestellt, d. h. die Qua-lifi kationsvoraussetzungen werden im Einzelnen erläutert. Ferner werden die Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung von Personengesell-schaftern unter Berücksichtigung der bilanziellen Besonderheiten von Mit-unternehmeranteilen und Ergänzungsbilanzen eruiert. Die daraus gewon-nenen Erkenntnisse werden daraufhin im Rahmen der Arbeit auf die steuerrechtliche Einkünfteermittlung jedes einzelnen Glieds der Mitunter-nehmerkette übertragen. Dabei spielt der Sonderbereich eine herausragende Rolle. Abschließend werden die sich in diesem Zusammenhang aus den Vor-schriften zum beschränkt haftenden Gesellschafter und zum beschränkten Schuldzinsenabzug ergebenden Besonderheiten dargestellt und untersucht.

Unzählige – bilanzsteuerrechtlich interessante – Konstellationen sind in diesem Zusammenhang denkbar. Durch Anwendung der steuerrechtlichen Grundsätze sollen im Spannungsverhältnis von Transparenzprinzip und Einheitsbetrachtung sachgerechte Lösungen ermittelt und anschaulich dar-gestellt werden.

* Der Verfasser studiert im Sommersemester 2012 im 7ten Fachsemester Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Der Beitrag entstand als Studienarbeit im Unternehmensteuerrecht bei Herrn Dr. Bernd Heuermann.

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I. Einleitung

Der gesellschaftliche Dualismus von Personengesellschaft einerseits und Körper-schaft andererseits spiegelt sich im geltenden Recht der Unternehmensbesteuerung in einer Zweiteilung zwischen Einkommens- und Körperschaftsteuer wieder.1 Während die Körperschaften getrennt von den Anteilseignern behandelt und be-steuert werden, sind die Personengesellschaften transparent, sodass der Gewinn ausschüttungsunabhängig den Gesellschaftern zufl ießt.2 Das Transparenzprinzip hat zur Folge, dass die Gewinne erst auf Gesellschafterebene zur Besteuerung her-angezogen werden, und die Personengesellschaft, zumindest für die Einkommen-steuer, unbeachtlich ist.3 Entsprechend den Entwicklungen im Gesellschaftsrecht spricht auch das Steuerrecht der Personengesellschaft eine gewisse Rechtsfähigkeit zu.4 Im Hinblick auf das zweigeteilte Verständnis spricht Groh von einer „unio mystica von Gesellschaft und Gesellschaftern“.5

Der Dualismus beruht auf dem Gedanken, dass nicht allein der unternehmerische Gewinn Indikator für die Besteuerung ist, sondern auch die aus der Rechtsform resultierenden rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgaben Einfl uss auf die Leistungs-fähigkeit des Gesellschafters haben können.6 Rechtsformabhängige steuerliche Belas-tungsdifferenzen wurden durch die Rechtsprechung des BVerfG legitimiert.7 In der Literatur stößt diese Durchbrechung des Prinzips der Besteuerung nach der wirt-schaftlichen Leistungsfähigkeit auf Kritik.8 Das Steuerrecht orientiere sich gerade nicht an der zivilrechtlichen Gestaltung, sondern bewerte den wirtschaftlichen Ge-halt. Kirchhof schlägt in diesem Sinne vor Personen- und Kapitalgesellschaften als steuerjuristische Personen gleichzustellen und beruft sich dabei insb. auf das Gebot der rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung, abgeleitet aus dem Gleichheits-satz und der Vereinigungsfreiheit.9

De lege lata ist der Dualismus kodifi ziert und durch das BVerfG legitimiert, sodass sich die Bearbeitung am geltenden Recht orientiert, freilich unter Berücksichtigung der dem Steuerrecht immanenten Prinzipien.

Das Gesetz regelt das Hintereinanderschalten von Personengesellschaften nicht ausdrücklich, setzt die Existenz solcher Gesellschaftsstrukturen allerdings in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG voraus. Aus dieser besonderen Konstellation ergeben sich

1 Wacker, Aktuelles zum Einfl uss des Gesellschafts- und Zivilrechts auf die ertragsteuer-liche Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften, in: FS für Goette, 2011, 561.

2 Hey, in Tipke / Lang, 20. Aufl ., § 11 Rn. 3.3 Etwas anderes gilt gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG und § 2 Abs. 1 UStG.4 BFHE 163, 1 (14 ff.).5 Groh, Die Bilanzen der Mitunternehmerschaft, StuW 1995, 383 (383).6 Mössner, Beschränkungen des Verlustausgleichs und Verlustabzugs, DStJG 17 (1994), 231

(236).7 BVerfGE 116, 164 (180 ff.).8 Hennrichs, Besteuerung von Personengesellschaften, FR 2010, 721.9 § 12 Abs. 1 S. 1 BStGB (Reformvorschlag 2011).

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Schuster 81Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

im Rahmen der Besteuerung mannigfaltige Probleme, auf die in der Bearbeitung eingegangen wird.

II. Doppel- und mehrstöckige Personengesellschaften

1. Aufbau

Eine doppelstöckige Personengesellschaft liegt vor, wenn eine Personengesellschaft, sog. Obergesellschaft, an einer anderen Personengesellschaft, sog. Untergesellschaft, beteiligt ist.10 Überdies kann die Obergesellschaft selbst eine doppelstöckige Perso-nengesellschaft sein. Eine solche Verkettung wird dann als mehrstöckige Personenge-sellschaft bezeichnet.11 Das ergibt sich aus der Pluralformulierung in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG: „… über eine oder mehrere Personengesellschaften…“. Folge daraus ist, dass der unmittelbar an der Obergesellschaft II beteiligte Gesellschafter, sowohl an der Untergesellschaft als auch an der Obergesellschaft I nur mittelbar beteiligt ist.12

Die Konstruktion der doppelstöckigen Personengesellschaft ist Konsequenz der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH, der annimmt, dass ausschließlich der unmittelbar beteiligte Gesellschafter gleichzeitig Mitunternehmer sein kann.13 Durch die Neufassung von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG wird der mittelbar beteiligte Gesellschafter dem unmittelbar Beteiligten gleichgestellt, ohne gleichzeitig die Rechtsposition eines Mitunternehmers einzunehmen. Die Gleichstellung des Ober-gesellschafters wird also ausschließlich im Hinblick auf das Sonderbetriebsver-mögen fi ngiert.14 Daraus folgt die Bezeichnung des mittelbar beteiligten Gesell-schafters als Sondermitunternehmer.15 Die uneingeschränkte Gleichstellung von mittelbar und unmittelbar beteiligten Gesellschaftern hätte die Konsequenz, dass das Ergebnis doppelt oder sogar mehrfach anzurechnen wäre.16

2. Tatbestand

a) Gesellschafter

Der Gesellschafter i. S. von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG muss unmittelbar an der Obergesellschaft beteiligt sein. Das entspricht der gesellschaftsrechtlichen Stellung gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG.

10 Stegemann, Bilanzierungskonkurrenzen bei doppelstöckigen Personengesellschaften in Sonderfällen, DB 2012, 372 (373).

11 Rätke, in: Herrmann / Heuer / Raupach, Stand: 2011, § 15 Rn. 600.12 Die Bearbeitung beschränkt sich im Folgenden auf die doppelstöckige Personengesell-

schaft mit Hinweis darauf, dass sich für die Besteuerung keine Unterschiede ergeben. Sind Besonderheiten von Bedeutung, werden diese explizit genannt.

13 BFHE 163, 1 (12 f.).14 Rätke (Fn. 11), § 15 Rn. 628 f.; a.A. Bodden, Einkünftequalifi kation bei Mitunterneh-

mern, FR 2002, 559 insb. „These 1“.15 Reiß, in: Kirchhof, 10. Aufl ., § 15 Rn. 347.16 Rätke (Fn. 11), § 15 Rn. 629.

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Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei der Mitunternehmerschaft um einen Typusbegriff, der keiner abschließenden Defi nition zugänglich ist.17 Der Begriff sei vielmehr in seiner Gesamtschau, unter Berücksichtigung einer unbe-stimmten Anzahl an Kriterien, zu beurteilen. Primär zeichnet sich die Mitunter-nehmerschaft jedenfalls durch das Entfalten von (Mit)unternehmerinitiative und das Tragen von (Mit)unternehmerrisiko aus.18 Beide Merkmale müssen zwingend vorliegen, wobei eine wechselseitige Kompensation möglich ist.19

b) Obergesellschaft

Die Obergesellschaft, als Mitunternehmer der Untergesellschaft, muss alle Voraus-setzungen, die § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG an die Mitunternehmerschaft stellt, erfül-len.

Als Rechtsform der Obergesellschaft werden in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG die Per-sonenhandelsgesellschaften sozusagen als Leitbilder ausdrücklich genannt.20 Die-sen werden „andere Gesellschaften“ gleichgestellt. Der Große Senat des BFH hat u. a. die mitunternehmerisch tätige GbR als vergleichbar angesehen.21 Dabei ist auf den wirtschaftlichen Gehalt der Beteiligung abzustellen und nicht zwingend auf die zivilrechtliche Form.22

Die Anwendbarkeit von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG setzt zudem das Erzielen ge-werblicher Einkünfte voraus.23 Dafür ist nicht zwingend notwendig, dass die Ge-sellschaft selbst eine originäre gewerbliche Tätigkeit ausübt. Es genügt vielmehr die bloße Beteiligung an einer gewerblich tätigen Untergesellschaft, die gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG die Einkünfte der Obergesellschaft „infi ziert“.24 Durch das Jah-ressteuergesetz von 200725 ist die Rechtslage nunmehr klar und die Vorschrift gilt gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 EStG ausdrücklich auch für Bezüge aus einer Mitun-ternehmerschaft.26

c) Untergesellschaft

Bezüglich der zivilrechtlichen Form der Untergesellschaft gilt dasselbe wie für die Obergesellschaft.27

17 BFHE 141, 405 (440).18 Hey (Fn. 2), § 18 Rn. 19 ff.19 Reiß (Fn. 15), § 15 Rn. 213.20 Birk, Steuerrecht 14. Aufl . (2011), Rn. 1111.21 BFHE 163, 1 (22 f.); Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft: recht- und parteifähig, NJW

2001, 993.22 BFHE 163, 1 (23).23 Birk (Fn. 20), Rn. 1115.24 Reiß (Fn. 15), § 15 Rn. 144.25 BGBl. I 2007, S. 2878.26 Schmidt / Heinz / Jung, Steuerliche Ergebnisermittlung bei doppel- und mehrstöckigen

Personengesellschaften, GmbHG 2007, 628 (634).27 Siehe dazu oben Abschnitt I. 2. b).

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Schuster 83Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

Entsprechend den Ausführungen zur Obergesellschaft ist folgerichtig der Schluss zu ziehen, dass die Untergesellschaft entweder eine aktiv tätige oder jedenfalls gewerbliche geprägte Personengesellschaft sein muss.28 Die Gewerblichkeit der Personengesellschaft richtet sich nach § 15 Abs. 2 S. 1 EStG. Danach wird eine „selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht Gewinn zu erzielen, un-ternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt“ vorausgesetzt. Ferner dürfen die negativen Tatbestandsmerkmale in Halbs. 2 der Vorschrift nicht vorliegen und es darf die Grenze zur privaten Ver-mögensverwaltung nicht überschritten sein.29

Ausreichend ist, wenn die Untergesellschaft lediglich teilweise, also entsprechend dem Wortlaut von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG „auch“ eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.

d) Mitunternehmerkette

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG fi ngiert die Mitunternehmerstellung des Obergesell-schafters bei der Untergesellschaft. Erforderlich ist dafür, dass der an der Unter-gesellschaft mittelbar Beteiligte gleichzeitig Mitunternehmer der Obergesellschaft ist.30 Bei mehrstöckigen Personengesellschaften muss jede nachgelagerte Personen-gesellschaft ihrerseits die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllen.31

Strittig ist jedoch, ob eine sehr geringe Beteiligung ausreicht. Teilweise wird ange-nommen, dass § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG ausgeschlossen ist, wenn die mittel-bare Beteiligung nur sehr gering ist – gewissermaßen nur zufällig – und die Zwischengesellschaft selbst in beachtlichem Umfang eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.32 Dagegen werden Abgrenzungsschwierigkeiten angeführt.33 Insgesamt ist bislang ungeklärt, wann eine Beteiligung für die Mitunternehmerkette unbeacht-lich sein soll, sodass auf den Einzelfall abgestellt werden muss.

Ist die Mitunternehmerkette an einer Stelle durchbrochen, fi ndet § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG keine Anwendung. Hat dagegen zunächst eine mehrstöckige Perso-nengesellschaft bestanden, ist denkbar, dass zumindest noch eine verkürzte oder ggf. doppelstöckige Personengesellschaft vorliegt.34

3. Steuerliche Gewinnermittlung

Die Gesellschafter von doppelstöckigen Personengesellschaften erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zählen gewerbliche Einkünfte

28 Beekmann, Ertragssteuerliche Behandlung der doppelstöckigen Personengesellschaft, Diss. Düsseldorf 2006, S. 33 f.

29 Vgl. Birk (Fn. 20), Rn. 702 f.30 Beekmann (Fn. 28), S. 34; Heuermann, Entfärbung, DB 2004, 2548 (2552).31 Kricheldorf, Ertragsteuerliche Konsequenzen aus der Umstrukturierung doppelstöckiger

Personengesellschaften, Diss. Düsseldorf 2008, S. 20.32 Richter / Markl, in: Lademann, § 15 Rn. 689.33 Beekmann (Fn. 28), S. 36.34 Birk (Fn. 20), Rn. 801.

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zu den Gewinneinkünften, für deren Ermittlung auf die §§ 4–7k EStG verwiesen wird. In Betracht kommt der Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG und ggf. die Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG.35

Die Bearbeitung beschränkt sich im Folgenden auf buchführungspfl ichtige und freiwillig buchführende Gewerbetreibende, die ihren Gewinn nach Betriebsver-mögensvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG ermitteln.36

Der Gewerbetreibende kann entweder der originären Buchführungspfl icht aus § 141 AO unterliegen oder gemäß § 140 AO derivativ buchführungspfl ichtig sein. Handels-rechtlich ist nach § 238 Abs. 1 HGB jeder Kaufmann verpfl ichtet Bücher zu führen. Kaufmann ist gemäß § 1 Abs. 1 HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Die Vor-schrift fi ndet gemäß § 6 Abs. 1 HGB auch auf Handelsgesellschaften Anwendung.37 Die GbR ist dagegen erst buchführungspfl ichtig, wenn sie die Voraussetzungen von § 141 AO erfüllt.38 Eine Abfärbewirkung innerhalb der Mitunternehmerkette in Be-zug auf die Rechnungslegungspfl ichten oder die Kaufmannseigenschaft existiert indes nicht.39

Der Gewinn ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 EStG „der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen“. Durch Bilanzieren wird der Unterschiedsbetrag ermittelt. Die dafür aufgestellte Handelsbilanz ist nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG maßgeblich für die Steuerbilanz.40 Ob sich das Betriebsvermögen innerhalb des Wirtschaftsjahres verändert hat, ergibt sich aus dem Ansatz und der Bewertung von Bilanzpositionen.41

Von besonderer Bedeutung für die Besteuerung doppelstöckiger Personengesell-schaften sind zwei Problembereiche die unter a) und b) im Speziellen gewürdigt werden. Aus beiden Fragen ergeben sich materielle Konsequenzen für das nach § 15a EStG relevante Kapitalkonto und für die Berechnung der Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4a EStG.42

a) Bilanzierung von Mitunternehmeranteilen

Handelsrechtlich stellt die Beteiligung an einer Personengesellschaft einen Vermö-gensgegenstand dar, der i. S. von § 253 Abs. 1 S. 1 HGB mit den Anschaffungskosten

35 § 5a EStG und § 13a EStG sind für gewerbliche Einkünfte nicht einschlägig.36 Auf die Besonderheiten der Überschussrechnung kann im Rahmen der Bearbeitung nicht

eingegangen werden. Anzumerken ist allerdings, dass § 15a EStG und § 4 Abs. 4a EStG sinngemäß für die Einnahmen-Überschuss-Rechnung gelten.

37 Hopt, in: Baumbach / Hopt, 35. Aufl ., § 6 Rn. 2.38 Scheffl er, Besteuerung von Unternehmen II, 6. Aufl . (2010), S. 9.39 Schmidt / Heinz / Jung (Fn. 26), S. 628.40 Weber-Grellet, in: Schmidt, 30. Aufl ., § 5 Rn. 26 ff.41 Birk (Fn. 20), Rn. 807.42 Beekmann (Fn. 28), S. 154.

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Schuster 85Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

zu bilanzieren ist.43 Das ergibt sich daraus, dass die Handelsbilanz dem Gläubiger-schutz, insb. bzgl. der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens, Rechnung tragen soll.44 Die Anschaffungskosten richten sich nach § 255 Abs. 1 S. 1 HGB. Fällt der Wert der Beteiligung unter die Anschaffungskosten, kommt eine außerplanmäßige Abschrei-bung in Betracht. In der Handelsbilanz ist die Beteiligung an einer Personengesell-schaft also wie die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zu behandeln.45

Im Steuerrecht verhält es sich hingegen diametral anders. Weder die Frage nach dem ob noch nach dem wie ist abschließend geklärt und beide geben seit jeher Anlass zu kontroversen Diskussionen. Der Ansatz in der Steuerbilanz setzt voraus, dass es sich um ein Wirtschaftsgut handelt.

Nimmt man in einem ersten Schritt an, dass die Beteiligung als Wirtschaftsgut zu behandeln ist, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, mit welchem Wert die Beteiligung anzusetzen ist.

aa) Wirtschaftsguteigenschaft

Das Steuerrecht enthält keine allgemeine Defi nition des Wirtschaftsguts. Bedingt durch die in § 5 Abs. 1 S. 1 EStG konstituierte Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz orientiert sich der Begriff an dem des Vermögensgegenstands, ohne diesem allerdings identisch zu sein.46 Der Handelsbilanzwert ist unter Berücksich-tigung einkommensteuerrechtlicher Postulate gemäß § 60 Abs. 2 S. 1 EStDV für die Ermittlung der Steuerbilanz anzupassen. Die Begriffsbestimmung hat sich viel-mehr durch die ständige Rechtsprechung des BFH entwickelt und lautet demnach: Sachen, Rechte oder sonstige vermögenswerte Vorteile, deren Erlangung der Kauf-mann sich etwas kosten lässt, die einer Bewertung zugänglich sind und einzeln oder mit dem Betrieb übertragbar sind.47 Teilweise wird im Schrifttum angenom-men, dass die Beteiligung an einer Personengesellschaft den Tatbestand erfüllt und insofern ein Wirtschaftsgut darstellt.48 Angeführt wird hier die materielle Maß-geblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz und daraus resultierende Überein-stimmung der beiden Begriffe.49

Gewinne und Verluste der Personengesellschaft fl ießen allerdings unmittelbar den Gesellschaftern zu, sodass ein Posten „Beteiligung an einer Personengesellschaft“ in der Steuerbilanz keine eigenständige Bedeutung hätte.50 In diesem Sinne nimmt

43 Ley, Ausgewählte Fragen und Probleme der Besteuerung doppelstöckiger Personenge-sellschaften, KÖSDI 2010, 17 148 (17152); a.A. Heberle, Verlustanteile aus der Beteiligung an Personengesellschaften in den Bilanzen einer Kapitalgesellschaft, BB 1998, 206 (207).

44 Scheffl er (Fn. 38), S. 98.45 Bürkle / Knebel, Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften, DStR 1998,

1067 (1068 ff.).46 Wöhe / Mock, Die Handels- und Steuerbilanz, 6. Aufl ., S. 92.47 BFHE 147, 412 (413).48 Reiß, in Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, § 15 Rn. E 255.49 BFHE 151, 523 (532).50 Weber-Grellet (Fn. 40), § 5 Rn. 270.

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die Rechtsprechung des BFH51 und die Finanzverwaltung52 an, dass es sich bei der Beteiligung nicht um ein selbständiges Wirtschaftsgut handelt. Zum einen wird daraus folgend in Betracht gezogen, die Beteiligung nicht in der Steuerbilanz aus-zuweisen, und zum anderen wird vertreten, die Anteile an den einzelnen Wirt-schaftsgütern der Personengesellschaft in der Steuerbilanz zu erfassen.

Den Posten „Beteiligung an einer Personengesellschaft“ in der Steuerbilanz schlicht wegzulassen, bezeichnet Schön als die „logische Konsequenz“ der Rechtsprechung, die annimmt, dass die Bilanzierung kein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut sei.53 Der BFH kommt zu diesem Ergebnis mit Blick auf das für die Personengesellschaf-ten geltende Transparenzprinzip. Die Einkünfte auf Gesellschafterebene sind durch einheitliche und gesonderte Feststellung zu ermitteln. Ein Posten in der Bilanz hätte insofern keine selbständige Bedeutung.54 Die Auswirkungen auf das Verlust-verrechnungspotenzial nach § 15a EStG könnten indes erheblich sein und so bestä-tigt der BFH in seinem Urteil vom 30.4.200355 zwar, dass die Beteiligung an einer Personengesellschaft kein Wirtschaftsgut darstellt, zieht darüber hinaus aber den Schluss, dass die Beteiligung dennoch auszuweisen ist.56 Das entspricht einer Auf-fassung in der Literatur, die zwar die Verneinung der Wirtschaftsguteigenschaft akzeptiert, aber im Hinblick auf einen konkreten Vermögensausweis fordert, dass die Beteiligung auszuweisen ist.57 Denkbar ist danach die anteilige Bilanzierung der einzelnen Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft.58 Die Wirtschaftsgüter selbst sind bereits in der Steuerbilanz der Personengesellschaft aufgeführt, sodass in der Steuerbilanz lediglich „die ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern [stets variabel] erfasst werden“59 werden können. Die Gesamtheit der einzelnen anteilig zu erfassenden Wirtschaftsgüter könnte nach Beekmann aus Gründen der Prakti-kabilität als eine Bilanzposition „Beteiligung an Personengesellschaft“ zusammen-gefasst werden.60

51 BFHE 133, 510 (511).52 BMF v. 29. 4. 1994, BStBl. I 1994, S. 282 unter 3. a).53 Schön, Gewinnübertragung nach § 6b zwischen Kapital- und Personengesellschaften in

Handels- und Steuerbilanz, FR 1994, 658 (662) in Bezug auf BFHE 163, 1.54 BFHE 117, 30, das Urteil behandelt die Ausübung des Bewertungswahlrechts gemäß § 20

Abs. 2 UmwStG (1977) bei der Einbringung eines Mitunternehmeranteils (GmbH & Co. KG) in einer Kapitalgesellschaft (AG). Überdies ist dem Urteil eine allgemeine Bedeutung bzgl. der Bilanzierung von Beteiligungen beizumessen.

55 BFHE 202, 455 (458).56 Vgl. Nickel / Bodden, Verlustausgleich und Verlustverrechnung nach § 15a EStG bei dop-

pelstöckigen Personengesellschaften, FR 2003, 391 (395).57 Dietel, Bilanzierung von Anteilen an Personengesellschaften in Handels- und Steuer-

bilanz, DStR 2002, 2140 (2144).58 Ley, Die Anwendung von § 15a EStG auf doppelstöckige Personengesellschaften, DStR

2004, 1498 (1500); Nickel / Bodden (Fn. 56), 391 (395).59 Dietel (Fn. 57), 2140 (2144).60 Beekmann (Fn. 28), S. 181 f.

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Schuster 87Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

bb) Bewertung

Qualifi ziert man hingegen die „Beteiligung an einer Personengesellschaft“ als Wirtschaftsgut, ist zu klären, mit welchem Wert sie in der Bilanz auszuweisen ist. Denkbar ist, entsprechend den handelsrechtlichen Grundsätzen, der Ansatz mit den Anschaffungskosten oder mit dem ausgewiesenen Eigenkapital der steuer-lichen Gesamtbilanz der Untergesellschaft, also spiegelbildlich.

Für die Bilanzierung der Beteiligung könnte sich die Steuer- an der Handelsbilanz orientieren und insofern die allgemeinen Bewertungsvorschriften anzuwenden sein.61 Danach sind Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit den An-schaffungskosten oder ggf. einem niedrigeren Teilwert in der Steuerbilanz anzuset-zen. Die nach §§ 179 ff. AO einheitlich und gesondert festgestellten Gewinne oder Verluste wären dann außerbilanziell hinzuzurechnen oder abzuziehen.

Nach der Spiegelbildmethode ist dagegen die Beteiligung an einer Personenge-sellschaft, als selbständiges Wirtschaftsgut, mit dem Wert des in der Personenge-sellschaft ausgewiesenen Eigenkapitals zu bilanzieren.62 Dabei ist nicht auf das einheitliche und gesondert festgestellte Ergebnis, sondern auf den Anteil am Steu-erbilanzergebnis abzustellen. Der Beteiligungsausweis hat mit der Entwicklung des Kapitalkontos der Personengesellschaft zu korrespondieren. Danach erhöhen Steuerbilanzgewinne den Beteiligungsansatz, während anteilige Steuerbilanzver-luste den Ansatz verringern. Dieser spiegelbildliche und fortwährend variable Bi-lanzansatz soll dem Transparenzprinzip Rechnung tragen und der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung entsprechen.

cc) Würdigung und Stellungnahme

Weder das bilanzielle Außerachtlassen der Beteiligung, mit Blick auf das gemäß § 15a EStG korrekt auszuweisende Kapitalkonto, noch die Bilanzierung der Betei-ligung nach den Anschaffungskosten im Hinblick auf das Transparenzprinzip, führen zu sachlich zutreffenden Ergebnissen. In Bezug auf den Bilanzansatz ist also der alles entscheidende Dreh- und Angelpunkt die Wirtschaftsguteigenschaft der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Die originäre Spiegelbildmethode und die anteilige Bilanzierung der ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern führen zu vergleichbaren Ergebnissen und sind lediglich in ihrer Ermittlungstechnik zu un-terscheiden. Nimmt man mit der Rechtsprechung und Finanzverwaltung an, dass die Beteiligung kein Wirtschaftsgut ist, bleibt letztlich nur die anteilige Bilanzie-rung der einzelnen Wirtschaftsgüter als mögliche Lösung. Das bedeutet indes einen erheblichen Mehraufwand für den Bilanzierenden.63

61 Ley, Besteuerung bei „doppelstöckigen“ Personengesellschaften, KÖSDI 1996, 19 023 (19025); Schön (Fn. 53), 293 (300).

62 Kricheldorf (Fn. 31), S. 31 f.63 Dietel (Fn. 57), 2140 (2143).

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Die Bilanzposition umfasst dabei das steuerliche Kapital der Personengesellschaft, ergo das Ergebnis der Steuerbilanz zzgl. der Ergebnisse aus etwaigen Ergänzungs- und Sonderbilanzen.64

b) Ergänzungsbilanzen

Ergänzungsbilanzen sind zu bilden, wenn bei Erwerb eines Mitunternehmeran-teils ein Mehr- oder Minderaufwand entstanden ist.65 Dies beruht auf der Tatsa-che, dass die Anschaffungskosten für einen Mitunternehmeranteil regelmäßig über dem Buchwert liegen. Würde man diesen Vorgang nicht in einer Ergän-zungsbilanz erfassen, käme es durch die im Kaufpreis enthaltene Vergütung stil-ler Reserven zu Gewinnauswirkungen bei allen Gesellschaftern.66 Ein solcher Mehraufwand muss dementsprechend in einer positiven Ergänzungsbilanz fest-gehalten werden. Liegen die Anschaffungskosten dagegen unter dem Buchwert, ist für den Minderaufwand eine negative Ergänzungsbilanz zu bilden. Ergän-zungsbilanzen korrigieren also den Gewinnanteil auf der ersten Stufe und kön-nen sowohl auf Ebene der Ober- als auch auf Ebene der Untergesellschaft gebildet werden.67 Sind Ergänzungsbilanzen für Obergesellschafter bei der Obergesell-schaft zu führen oder für die Obergesellschaft bei der Untergesellschaft, ergeben sich keine speziellen Probleme.

Anders verhält es sich hingegen für die Frage, wie die dem Obergesellschafter zu-zurechnenden Mehr- und Minderwerte, die anteilig auch auf die Untergesellschaft entfallen, in Ergänzungsbilanzen darzustellen sind.68 Solche Mehr- oder Minder-werte können sich daraus ergeben, dass ein Gesellschafter einen Anteil an einer Obergesellschaft erworben hat.69 Beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils an der Obergesellschaft entfällt gleichzeitig ein Teil des Kaufpreises auf die mittelbare Beteiligung an den Wirtschaftsgütern der Untergesellschaft.70 Die rechnerische Differenz zum Buchwert der erworbenen Anteile ist in einer Ergänzungsbilanz darzustellen und fortzuführen. Im Wesentlichen werden diesbezüglich drei unter-schiedliche Auffassungen vertreten.

Die Obergesellschaft könnte die Werte in einer eigenen Ergänzungsbilanz für die Obergesellschaft führen.71 Sowohl zwischen der Ober- und Untergesellschaft als auch zwischen dem Gesellschafter der Obergesellschaft und dieser könnten zwei

64 Ley (Fn. 43), 17 148 (17152).65 Hey (Fn. 2), § 18 Rn. 62; Schmidt, Steuerliche Gewinnermittlung und -zurechnung bei

doppelstöckigen Personengesellschaften, in: FS für Moxter, 1994, 1109 (1119).66 Hey (Fn. 2), § 18 Rn. 62.67 Beekmann (Fn. 28), S. 154.68 BFH / NV 2008, 729 (730).69 Ley (Fn. 58), 1498 (1501).70 Best, „Durchstockung“ bei Erwerb von Anteilen an doppelstöckigen Personengesell-

schaften, DStZ 1991, 418.71 Heuermann, in: Blümich, § 15a Rn. 25; Ley (Fn. 58), 1498 (1502); dies., Anwendbarkeit

von § 15a EStG auf doppelstöckige Personengesellschaften, KÖSDI 2005, 14 486 (14489).

92

Schuster 89Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

sich korrespondierende Ergänzungsbilanzen zu bilden sein.72 Außerdem ist durch die Einführung von Satz 2 in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG denkbar geworden, dass der Obergesellschafter eine Ergänzungsbilanz direkt bei der Untergesellschaft führt.73 Gegen die letzte Auffassung spricht, dass der Gesellschafter der Obergesellschaft lediglich als Sondermitunternehmer der Untergesellschaft beurteilt wird.74

Die beiden verbleibenden Auffassungen unterscheiden sich in ihrer Gewinnermitt-lungstechnik und entsprechen der von Ley und Mayer im Kölner Steuerdialog 2005 geführten Diskussion.75 Im Ergebnis führen beide Lösungen zu sachgerechten Er-gebnissen, die gerade im Hinblick auf die Ermittlung des Kapitalkontos gemäß § 15a EStG und für den Ausweis der relevanten Einlagen und Entnahmen für die Überentnahmeberechnung nach § 4 Abs. 4a EStG von herausragender Bedeutung sind. Ferner ist anzumerken, dass beide Auffassungen von technischen Besonder-heiten in der Bilanzierung ausgehen, damit entweder das Ergebnis auf Ebene der Obergesellschaft zutreffend ermittelt werden kann oder die personelle Zurechnung sachgerecht erfolgt.76

4. Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Im Steuerverfahren regelt § 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) AO die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für den typischen Fall der Mitunternehmerschaft.77 Nach § 179 Abs. 2 AO ist die gesonderte Feststellung gegenüber den Beteiligten vorzunehmen. Durch dieses Verfahren sollen, mit Blick auf Gleichmäßigkeit der Besteuerung, widersprüchliche Entscheidungen vermieden werden.

Wird allerdings eine Personengesellschaft zwischengeschaltet, ist nicht mehr der Gesellschafter selbst als Einkommensteuersubjekt an der (Unter)gesellschaft betei-ligt, sondern die Obergesellschaft. Der auf den Gesellschafter anfallende Gewinn-anteil wird diesem nicht mehr unmittelbar zugeteilt. Die Vorschrift kann folglich

72 Mayer, Steuerbilanzielle Behandlung von Mehrwerten bei Erwerb von Anteilen an einer doppelstöckigen Personengesellschaft, DB 2003, 2034 (2039); ders. Fortführung von Ergänzungsbilanzen nach Erwerb von Anteilen an einer Obergesellschaft einer doppel-stöckigen Mitunternehmerschaft, KÖSDI 2005, 14609; Stegemann, Ausgewählte Einzel-fragen zur doppel- und mehrstöckigen Personengesellschaft, INF 2003, 266 (267).

73 Seibold, Zur Anwendung des § 15a EStG bei doppelstöckigen Personengesellschaften, DStR 1998, 438 (441 f.).

74 Ley (Fn. 71), 14 486 (14488); BFHE 189, 525 (527 f.) unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der Regelung, der aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht (BT-Drs. 11 / 1108, S. 58).

75 Ley, (Fn. 71), 14486, dies., Fortführung von Ergänzungsbilanzen bei doppelstöckigen Mitunternehmerschaften, KÖSDI 2005, 14614; Mayer (Fn. 72), 14609.

76 Die Lösung von Mayer bedarf einer Korrektur bei der Gewinnermittlung der Oberge-sellschaft durch Außerachtlassen der Ergänzungsbilanzen der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft, was einen Verstoß gegen die Systematik der Gewinnermittlung bedeu-tet, vgl. Mayer (Fn. 72), 14 609 (14613). Die Auffassung von Ley bedarf einer Korrektur in Bezug auf die personelle Zurechnung. Dabei wird der handelsrechtliche Verteilungs-schlüssel durchbrochen, vgl. Ley (Fn. 71), 14 486 (14491).

77 Birk (Fn. 20), Rn. 539.

93

StudZR90 1 / 2013

nicht unmittelbar angewendet werden und es stellt sich die Frage, wie Doppelstock-konstruktionen verfahrensrechtlich gelöst werden können.

Der BFH geht für diesen Fall von einem zweistufi gen Feststellungsverfahren aus.78 Ein solches Verfahren ist zwar nicht ausdrücklich normiert, aber auch nicht durch den Wortlaut der Vorschrift ausgeschlossen.

Auf der ersten Stufe werden die Einkünfte nach Art und Höhe festgestellt und den beteiligten Personen zugerechnet. Die Obergesellschaft stellt dann selbst „eine Person“, als Zurechnungsadressatin, dar. Die zweite Stufe stellt für die Obergesellschaft Gewinne und Verluste fest, einschließlich des im Grundlagen-bescheid ermittelten Anteils, und rechnet sie den Obergesellschaftern quotal zu. Für mehrstöckige Personengesellschaften ergibt sich daraus ein mehrstufi ges Ver-fahren, bei dem für jede nachgelagerte Gesellschaft ein zusätzlicher Bescheid er-gehen muss und erst in der letzten Stufe die Einkünfte für die Einkommensteuer herangezogen werden.79

Ferner ist anzumerken, dass die gesonderte Feststellung gem. § 15a Abs. 4 S. 3 EStG nur die Höhe des verrechenbaren Verlusts aufführt und demnach in einem wechsel-seitigen Verhältnis zum Gewinnfeststellungsbescheid steht.80 Die Aufzeichnungs-pfl ichten gemäß § 4 Abs. 4a S. 6 Halbs. 2 EStG betreffen nur die Gewinnermittlung i. S. von § 4 Abs. 3 EStG. Im Rahmen der Gewinnermittlung nach Betriebsver-mögensvergleich bedarf es keiner gesonderten Aufzeichnung, da eine Überent-nahme mithilfe der aufgestellten Bilanzen errechnet werden kann.

III. Einkünfte aus gewerblicher Mitunternehmerschaft

Entgegen der Behandlung von Vermögensmehrungen von Körperschaften entfaltet die Personengesellschaft keine Abschirmwirkung.81 Das entspricht dem Gedanken der transparenten Besteuerung von Personengesellschaften.82

Im Einkommensteuerrecht regelt § 1 EStG die persönliche Steuerpfl icht und § 2 EStG die sachliche Steuerpfl icht, ergo das Einkommensteuerobjekt. Verknüpft werden beide Seiten des Einkommensteuertatbestands durch das Merkmal des „Er-zielens“ in § 2 Abs. 1 S. 1 a.E. EStG.83 Diese Vorschrift knüpft insofern an den Steu-erpfl ichtigen an, der eine Tätigkeit verwirklicht, die von einer der sieben Einkunfts-arten aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-7 EStG erfasst wird. Der Durchgriff – durch die Gesellschaft auf den Gesellschafter – beschreibt die transparente Besteuerung von Personengesellschaften. Diese Transparenz führt zu dem Ergebnis, dass der Ge-

78 BFHE 158, 109 (111).79 Von Wedelstädt, in: Kühn / von Wedelstädt, 20. Aufl ., § 180 Rn. 9a.80 Lüdemann, in: Herrmann / Heuer / Raupach, Stand: 2011, § 15a Rn. 171.81 Reiß (Fn. 15), § 15 Rn. 162 f.82 Ebd.83 Bodden, Tatbestandsverwirklichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, DStZ 2002, 391

(394).

94

Schuster 91Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

winn der Untergesellschaft, entsprechend den jeweiligen Beteiligungsverhältnis-sen, entlang der Mitunternehmerkette an die Gesellschafter der Obergesellschaft (II) „durchgestockt“ wird.84

Die Gesellschaft selbst hat einen unvollkommenen Status und dient vielmehr auf Ebene der Einkunftserzielung, Gewinnermittlung und der Einkünftequalifi kation als Zuordnungssubjekt.85 Man spricht, in Abkehr zur Bilanzbündeltheorie, von der partiellen Steuerrechtsfähigkeit von Personengesellschaften – eine Entwicklung von der Vielheit zur Einheit.86 Von diesem Grundsatz ist allerdings abzuweichen, „wenn andernfalls eine sachlich zutreffende Besteuerung des Gesellschafters nicht möglich wäre“87.

Im Folgenden beschränkt sich die Bearbeitung im Allgemeinen auf gewerbliche Einkünfte gemäß §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V. mit § 15 EStG und im Speziellen auf die Einkünfte aus mitunternehmerischer Tätigkeit, also Gewinnanteile und Sonder-vergütungen gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.

1. Regelungsgehalt – Einkünfteermittlung

Die Vorschrift erfasst neben Personenhandelsgesellschaften auch „andere Gesell-schaften“, bei denen der Gesellschafter als Unternehmer anzusehen ist. Erforderlich ist jedenfalls ein zugrunde liegender Gesellschaftsvertrag. Ein zivilrechtlich fehler-hafter Gesellschaftsvertrag ist im Hinblick auf § 41 Abs. 1 AO steuerrechtlich ausrei-chend.88 Denn es gilt: Nicht die zivilrechtliche Hülle, sondern der wirtschaftliche Kern ist für die Besteuerung von Bedeutung.

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG bestehen die Einkünfte einer Mitunternehmer-schaft aus dem Gewinnanteil einerseits und etwaigen „Vergütungen, die der Gesell-schafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft […] be-zogen hat“ andererseits. Die zweistufi ge Gewinnermittlung wird auch als additives Verfahren bezeichnet.89 Für beide Stufen sind korrespondierende Bilanzen zu er-stellen.90 Eine strenge Annahme der Rechtssubjektivität hätte das Trennungsprin-zip zur Folge, wohingegen die von Döllerer entwickelte konsolidierende Bilanz Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter nicht ausreichend er-fassen würde.91

84 Ley (Fn. 43), 17 148 (17149 f.).85 BFHE 163, 1 (16 f.).86 Gschwendtner, Die Personengesellschaft als Steuerrechtssubjekt im Einkommensteuer-

recht nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH, in: FS für Klein, 1994, 751.87 BFHE 178, 86 (97).88 BFH / NV 2010, 2056 (2059).89 Wacker, in: Schmidt, 30. Aufl ., § 15 Rn. 400 ff.; das zweistufi ge Verfahren wird durch die

formalen Vorschriften bzgl. der gesonderten und einheitlichen Feststellung bestätigt.90 Hey (Fn. 2), § 18 Rn. 57; Wacker (Fn. 89), § 15 Rn. 404 m. w. N.91 Döllerer, Neue Entwicklungen im Steuerrecht der Personengesellschaften, DStZ A 1976,

435 (437).

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StudZR92 1 / 2013

a) Gewinnanteil

Auf der ersten Stufe ist zunächst der Gewinnanteil des Gesellschafters zu ermitteln. Der Gewinnanteil ist der quotenmäßige Anteil der zivilrechtlichen Gesellschafter am Gesamtgewinn der Obergesellschaft, der sich nach dem handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel bestimmt. Ggf. ist dieser Gewinnanteil durch Er-gänzungsbilanzen zu korrigieren.92

Aus der Addition beider Werte resultiert der dem Gesellschafter zuzurechnende Gewinnanteil i. S. von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Halbs. 1 EStG.

b) Sonderbereich

Dem ermittelten Gewinnanteil ist der Gewinn oder Verlust aus der Sonderbilanz hinzuzurechnen.

Erfasst werden gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Halbs. 2 EStG „Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesell-schaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirt-schaftsgütern bezogen hat.“ Durch die Vorschriften werden folglich Vergütungen aus dem Geschäftsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter in gewerb-liche Einkünfte (um)qualifi ziert. Die Folge ist, dass solche Vergütungen den Ge-werbeertrag der Personengesellschaft gemäß § 7 GewStG erhöhen und somit der Gewerbesteuer unterliegen. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift Mitunternehmer und Einzelunternehmer gleichzustellen.93

Ihrem Wortlaut nach erfasst die Vorschrift ausschließlich Vergütungen der Gesell-schaft an einen Gesellschafter. Dennoch ist der Tatbestand auf Wirtschaftsgüter zu erweitern, die der Gesellschaft oder der Beteiligung an der Gesellschaft dienen.94 Die Sonderbilanz umfasst folglich Sonderbetriebseinnahmen bzw. -ausgaben und das Sonderbetriebsvermögen.95 Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben sind alle Bezüge bzw. Aufwendungen, die in einem Veranlassungszusammenhang zur Betei-ligung des Gesellschafters stehen.96 Wirtschaftsgüter müssen in die Sonderbilanz aufgenommen werden, wenn sie erstens der Vermögenssphäre des Gesellschafters zuzuordnen sind und zweitens dem Betrieb der Personengesellschaft dienen, sog. Sonderbetriebsvermögen I. Ist das Wirtschaftsgut objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt, der Beteiligung des Gesellschafters zu diesen, handelt es sich um Sonderbetriebsvermögen II.97

92 Siehe dazu oben Abschnitt II. 3. b).93 Hey (Fn. 2), § 18 Rn. 73 „weil der Einzelunternehmer keine Verträge mit sich selbst schlie-

ßen kann“; vgl. auch Schön, Der Große Senat des Bundesfi nanzhofs und die Personenge-sellschaft, StuW 1996, 275 (284) zur Gleichstellungsthese.

94 Zur Verfassungsmäßigkeit vgl. BVerfGE 26, 327 (333).95 Stegemann (Fn. 72), 372 (373).96 Hey (Fn. 2), § 18 Rn. 72.97 Schultze zur Wiesche, Die Doppelstöckige Personengesellschaft, StBp 2010, 37.

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Schuster 93Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

2. Besonderheiten bei doppelstöckigen Personengesellschaften

Für doppelstöckige Personengesellschaften ist auf jeder Gesellschaftsebene der Gesamtgewinn zu ermitteln. Der quotenmäßige Anteil am Gesamtgewinn der Untergesellschaft ist dann der Obergesellschaft zuzurechnen.98 Besonderheiten für die steuerliche Behandlung ergeben sich für die Sondervergütungen der Un-tergesellschaft an Gesellschafter der Obergesellschaft und im Verhältnis der Obergesellschaft zur Untergesellschaft.

Bedeutend war insofern die Entscheidung des Großen Senats des BFH99 zu Tätig-keitsvergütungen einer Untergesellschaft an einen Gesellschafter der Obergesell-schaft. Der VIII. Senat100 hatte zuvor am 12.11.1985 die Anwendbarkeit von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG101 auf solche Vergütungen abgelehnt und insofern einen „Durchgriff“ durch die Zwischengesellschaft, unter Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der Personenhandelsgesellschaft, verneint. Der IV. Senat102, der von der Entscheidung am 12.10.1989 abweichen wollte und einen Durchgriff für zuläs-sig erachtete, legte dem Großen Senat die Rechtslage gemäß § 11 Abs. 2 FGO vor. Dieser folgte der Auffassung des VIII. Senats und urteilte, dass ein Durchgriff durch eine Personengesellschaft nicht zulässig sei. Er begründete dies mit der Rechtssubjektivität von Personen(handels)gesellschaften im Zivil- und Steuerrecht und betrachtete § 2 Abs. 1 S. 1 EStG im Zusammenhang mit § 15 EStG, wodurch er zu der Feststellung gelangte, dass die Gesellschaft zwar nicht selbst Steuersubjekt der Einkommensteuer, aber zumindest Subjekt der Einkünfteermittlung sei. Diese Entscheidung bekräftigte die Einheitstheorie in Abkehr von der Bilanzbündetheo-rie. Ferner führt der Große Senat den Beitragsgedanken nach Döllerer ins Feld, demzufolge Sondervergütungen Beiträge des Gesellschafters an die Gesellschaft seien.103 Eine Gleichstellung von mittelbaren und unmittelbaren Gesellschaftern würde in diesem Sinne „zu kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führen“104. Die Entscheidung war bedeutend und hätte weitreichende Folgen gehabt, wäre der Gesetzgeber dem nicht mit Satz 2 in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG begegnet.105 Die Folge aus dem Urteil wäre gewesen, dass Obergesellschafter im Verhältnis zur Un-tergesellschaft – trotz mittelbarer Beteiligung – wie Dritte zu behandeln gewesen wären. Die Rechtsverhältnisse wären demnach nicht zwingend gewerblich, sodass sie sich gewinnmindernd als Betriebsausgaben ausgewirkt hätten.

Die negativen Folgen von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG hätten durch Zwischenschalten einer Personengesellschaft verhindert werden können, für viele Unternehmen also freilich Anlass zur steueroptimierenden Gestaltung; ergo vom einstöckigen Unter-

98 Ley (Fn. 43), 17 148 (17150). 99 BFHE 163, 1.100 BFHE 145, 61.101 In der Fassung vor dem StÄndG 1992 (BGBl. I 1992, S. 297).102 BFHE 158, 64.103 Döllerer, Vergütungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bei mittelbarer Beteiligung, DStR

1990, 323 (326).104 BFHE 163, 1 (21).105 Binger, Steueränderungsgesetz 1992, DB 1992, 855.

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StudZR94 1 / 2013

nehmen zur Doppelstockkonstruktion.106 Allein durch das Zwischenschalten einer Gesellschaft wären viele Unternehmer in den Genuss verschiedener Vorteile ge-kommen.107 Aus der Eigenschaft als Personengesellschaft entstehen Publizitätsvor-teile und es können u. a. Wirtschaftsgüter steuerneutral zwischen Gesellschafter und Gesellschaft übertragen werden. Aus der Abschirmwirkung der zwischen-geschalteten Gesellschaft würde der Nachteil der Hinzurechnung von Sonderver-gütungen wegfallen.

Rein steueroptimierende Gestaltungen könne – nach Auffassung des Großen Senats – erfolgreich mit der Missbrauchsklausel gemäß § 42 AO begegnet werden, zumin-dest immer dann, „wenn eine Obergesellschaft nur zwischengeschaltet wird, um den Rechtsfolgen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG zu entgehen“108. Zurecht hatte Binger § 42 AO die Effektivität im Hinblick auf doppelstöckige Personengesell-schaften abgesprochen und ausgeführt, dass durch gestalterisches Geschick, also z. B. die Zwischenschaltung einer Obergesellschaft mit einem ausreichenden Um-fang an eigenen Geschäftsvorfällen, der Anwendungsbereich der Missbrauchsklau-sel umgangen werden könnte.109

Die noch vom Großen Senat vertretene Auffassung, „mittelbare Beteiligungen unmittelbaren nicht gleichzustellen“110, wurde, durch die Einführung von Satz 2 in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG mit dem Steueränderungsgesetz von 1992111, hinfällig. Dieser normierte genau das von der Rechtsprechung zuvor Negierte: „Der mittel-bar […] beteiligte Gesellschafter steht dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich“. Der Gesetzgeber ist der Forderung des BFH nach „einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift“ somit gefolgt.

Konsequenz aus der Gleichstellung von mittelbaren und unmittelbaren Gesell-schaftern ist nunmehr die Qualifi zierung von Leistungen der Untergesellschaft an Gesellschafter der Obergesellschaft als gewerbliche Einkünfte. Das betrifft im Spe-ziellen Tätigkeitsvergütungen, die ansonsten als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG und Nutzungsüberlassungen, die ggf. als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG zu qualifi zieren wären. Außerdem war die Gesetzesänderung für Pensionszusagen gemäß § 6a EStG der Untergesell-schaft an Gesellschafter der Obergesellschaft von Bedeutung.112

Ferner ergibt sich eine Besonderheit für Wirtschaftsgüter, die der Untergesellschaft von der Obergesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Hier stellt sich die Frage, ob die Wirtschaftsgüter als Betriebsvermögen der Obergesellschaft oder als Son-derbetriebsvermögen der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft zu bilanzieren

106 Meyer-Scharenberg, Die doppelstöckige Personengesellschaft als Rechtsformalternative, DStR 1991, 919 (921).

107 Beekmann (Fn. 28), S. 20 f.108 BFHE 163, 1 (22).109 Binger (Fn. 105), 855 (856); a.A. Söffi ng, Kein Durchgriff bei einer doppelstöckigen Perso-

nengesellschaft, FR 1991, 253 (258).110 BFHE 163, 1 (18).111 BGBl. I 1992, S. 297.112 Dazu: Ebenroth / Willburger, Mehrstöckige Personengesellschaften, BB 1992, 1043.

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Schuster 95Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

sind. Die Bilanzierungskonkurrenz entscheidet sich in der Frage, ob § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG lediglich eine Qualifi kationsnorm darstellt oder als Zurechnungs-norm für Mitunternehmerschaften im Allgemeinen gilt. Mit der neueren Recht-sprechung ist die Subsidiarität des Sondervermögens gegenüber dem Betriebs-vermögen abzulehnen.113 Vorrang wird demnach dem Sonderbetriebsvermögen zugesprochen und die in Rede stehenden Wirtschaftsgüter werden demnach der Sphäre der Untergesellschaft zugeordnet.114

3. Zwischenergebnis

Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich für die Gewinnermittlung und -zurechnung ein komplexes Gebilde. Der Gesamtgewinn der Obergesellschaft stellt sich aus dem auf sie entfallenden Anteil am Steuerbilanzergebnis der Unterge-sellschaft, etwaigen Ergänzungsbilanzen und dem Ergebnis aus dem Sonderbereich zusammen. Nach dem Ergebnisverteilungsschlüssel sind den Gesellschaftern der Obergesellschaft ihre Anteile quotal zuzurechnen. Ferner können Ergänzungsbi-lanzen sowohl in Bezug auf die Obergesellschaft gebildet werden als auch in Bezug auf Mehr- und Minderwerte, die die Untergesellschaft betreffen. Sonderbilanzen können sowohl bei der Ober- als auch bei der Untergesellschaft gebildet werden.

IV. Verluste bei beschränkter Haftung, § 15a EStG

§ 15a EStG regelt die Behandlung von Verlusten bei beschränkter Haftung und ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf sog. Verlustzuweisungsgesellschaften.115 Nach-dem der Gesetzgeber zunächst versuchte dieser Rechtslage durch Verlustklauseln116 zu begegnen, wurde durch Gesetz vom 20. 8. 1980117 dem negativen Kapitalkonto durch § 15a EStG die steuerliche Anerkennung für das laufende Wirtschaftsjahr abgesprochen. Die Neukonzeption sollte dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung tragen: „ denn Verluste, die über den Haftungsbetrag hinausgehen, belasten den Steuerpfl ichtigen im Jahr der Entste-hung des Verlusts […] weder rechtlich noch wirtschaftlich“118. Erst wenn und soweit in folgenden Wirtschaftsjahren Gewinne entstehen, kommt es gemäß § 15a Abs. 2 EStG zu einer Belastung des Steuerpfl ichtigen. Es entspricht dem objektiven Nettoprinzip als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips, dass Verluste die Bemessungsgrundlage reduzieren.119 Der intertemporale Verlustausgleich beruht

113 BFHE 198, 480 (482), in Abkehr zu Subsidiarität, die noch vom BMF v. 20.12.1977 (BStBl. I 1978, S. 8) angenommen wurde.

114 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 4. Aufl ., 2009, S. 265; Reiß (Fn. 48), § 15 Rn. E 340 ff.

115 BT-Drs. 8 / 3648, S. 15 ff.; v. Beckrath, in: Kirchhof, 10. Aufl ., § 15a Rn. 3 sieht den Grund vielmehr in der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

116 U.a. § 7a Abs. 6 EStG (BR-Drs. 694 / 1 / 76).117 BGBl. I 1980, S. 1545 (1546).118 BT-Drs. 8 / 3648, S. 16.119 Lang, in: Tipke / Lang, 20. Aufl ., § 9 Rn. 60 ff.

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StudZR96 1 / 2013

auf dem Gedanken, dass sich die fi nanzielle Leistungsfähigkeit auf die Totalperiode bezieht.120

1. Regelungsgehalt

Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift knüpft an Gesellschafter mit beschränkter Haftung an – primär an Kommanditisten.121 Gleichzeitig muss der Kommanditist Mitunternehmer der Gesellschaft sein.122

Sachlich schreibt § 15a EStG einen beschränkten Verlustabzug vor. Begriffl ich ori-entiert sich die Norm am Gesellschaftsrecht. Die Kommanditgesellschaft bestimmt sich nach § 161 Abs. 1 HGB, wobei die Gesellschafter in persönlich haftende Kom-plementäre (§§ 128 ff. HGB) und beschränkt haftende Kommanditisten unterteilt sind.123 Die Haftung des Kommanditisten im Außenverhältnis ist nach § 171 Abs. 1 HGB auf die Höhe der Pfl ichteinlage beschränkt, die gemäß § 172 Abs. 1 HGB im Handelsregister eingetragen ist. Im Innenverhältnis regelt ein Gesellschaftsvertrag die Höhe der Einlage i. S. von § 167 Abs. 2 HGB. Verluste des Gesellschafters aus Beteiligungen dürfen gemäß § 15a Abs. 1 EStG „weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht“. Ferner ist der intertemporale Verlustabzug i. S. von § 10b EStG ausgeschlossen. Stattdessen wer-den die dem Kommanditisten zuzurechnenden Verluste am Bilanzstichtag in aus-gleichsfähige und verrechenbare Verluste aufgeteilt.124 Während die zuerst genann-ten im Jahr der Entstehung ausgeglichen werden können, sind die nachstehend aufgeführten Verluste erst in künftigen Jahren – sofern Gewinne entstehen – verre-chenbar.125 Die Umqualifi zierung der Verluste ergibt sich aus § 15a Abs. 2 EStG und bezweckt, dass Verluste in ihrer Substanz steuerlich nicht verloren gehen, sondern in kommende Wirtschaftsjahre getragen werden. De facto normiert § 15a EStG eine Streckung der Verlustverrechnung.126 Auf die Besonderheiten gemäß § 15a Abs. 1a, Abs. 2 und Abs. 3 EStG soll im Rahmen der Bearbeitung nicht eingegangen werden, da sich hieraus keine weiterführenden Erkenntnisse für die steuerliche Behandlung doppelstöckiger Personengesellschaften ergeben.

Nach § 15a Abs. 4 EStG ist der verrechenbare Verlust des Kommanditisten jährlich festzustellen und fortzuentwickeln bis der verrechenbare Verlust aufgebraucht ist.127 Ausgangspunkt ist der verrechenbare Verlust des vorangegangenen Wirt-schaftsjahres.

120 BVerfG v. 22.7.1991 – 1 BvR 313 / 88, abgedruckt in DStR 1991, 1278.121 § 15a Abs. 5 EStG erstreckt den Anwendungsbereich sinngemäß auf andere vergleichbar

haftende Unternehmer.122 Siehe dazu unter II. 2. a).123 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 8. Aufl ., S. 138.124 Sureth / Kopplin, Die praktische Relevanz von § 15a EStG, SteuerStud 2010, 497 (501 f.).125 Gunsenheimer, Verlustverrechnung nach § 15a, SteuerStud 2010, 305 (306).126 BFHE 199, 271 (276).127 Helmreich, Verluste bei beschränkter Haftung und § 15a EStG, 1998, S. 305.

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Schuster 97Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

Die Vorschrift kommt gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 EStG erst zum Tragen, „so-weit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht“. Kern der Regelung ist also das Kapitalkonto des beschränkt haftenden Gesellschafters, nachdem sich das Verlustausgleichsvolumen bestimmt.

Das Kapitalkonto des Kommanditisten setzt sich aus einem Gewinnanteil zzgl. etwaiger Ergänzungsbilanzen zusammen.128 Das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters ist für die Ermittlung des Kapitalkontos unbeachtlich, denn § 15a EStG knüpft an den gesetzlichen Haftungsumfang des Kommanditisten an.129 Gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft haftet der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1 HGB nur bis zur Höhe der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage. Nicht erfasst sind folglich Wirtschaftsgüter aus dem Privatvermögen des Gesell-schafters, die der Gesellschaft zur Nutzung überlassen wurden.

2. Anwendbarkeit auf doppelstöckige Personengesellschaften

Ob § 15a EStG auf doppelstöckige Personengesellschaften Anwendung fi ndet, wird jedenfalls teilweise bestritten. Gegen die Anwendbarkeit spricht sicherlich die Tatsache, dass die gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Obergesellschaft nur einen einzigen Gewerbebetrieb hat und insofern weder andere Einkünfte aus Gewerbebetrieb, noch aus anderen Einkunftsarten haben kann.130 Überdies kommt für Personengesellschaften der Verlustabzug gemäß § 10d EStG nicht in Betracht. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass der Wortlaut die An-wendbarkeit bei Doppelstockkonstellationen ausschließt.

Die Anwendbarkeit von § 15a EStG auf doppelstöckige Personengesellschaften wird allerdings von der h.L.131 und der Finanzverwaltung132 angenommen. Am 18.12.2003 urteilte der IV. Senat des BFH in diesem Sinne, dass die Anwendbarkeit von § 15a EStG aus Doppelstockkonstruktionen „nicht ernstlich zweifelhaft“133 sei.

Unstreitig kann eine Obergesellschaft Kommanditistin einer Untergesellschaft sein.134 Ferner kann aus den aufgeführten Gegenargumenten nicht zwingend gefol-gert werden, dass die Anwendbarkeit von § 15a EStG ausgeschlossen sei. Vielmehr wirkt die Verlustausgleichsbeschränkung mittelbar über die Obergesellschaft. § 15a EStG nicht auf Ebene der Untergesellschaft anzuwenden, würde dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen. Überdies weist Beekmann zutreffend auf die

128 Gunsenheimer (Fn. 125), 305 (307).129 BFHE 221, 162 (166); a.A. noch BMF v. 8.5.1981 (BStBl. I 1981, S. 308); vgl. auch van Lis-

haut, § 15a EStG nach der Ausgliederung des Sonderbetriebsvermögens, FR 1994, 273 (284).

130 Nickel / Bodden (Fn. 56), 391 (392 f.).131 Ley (Fn. 61), 10 923 (10931); dies. (Fn. 75), 14486; Wacker, in: Schmidt, 30. Aufl ., 2011, § 15a

Rn. 61.132 OFD Bremen Vfg. v. 19.10.1995 – S 2241 a – St 201, abgedruckt in: BB 1996, 990.133 BFHE 204, 268, Leitsatz 1.134 Siehe dazu unter II. 2. b).

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Eröffnung sachwidriger Gestaltungsmöglichkeiten hin.135 Der h. L. ist insb. im Hinblick auf den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungs-fähigkeit zu folgen.

3. Steuerliche Behandlung doppelstöckiger Personengesellschaften

Im Rahmen der steuerlichen Behandlung doppelstöckiger Personengesellschaften ist auf jeder Ebene der Gewinn zu ermitteln. Das Ergebnis der Steuerbilanz der Untergesellschaft wird quotal ihren Gesellschaftern zugerechnet, also auch der Obergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Mitunternehmer. Das steuerbilanzielle Ergebnis der Untergesellschaft fl ießt also den Gesellschaftern der Obergesellschaft nur über ihre Beteiligung an der Obergesellschaft mittelbar zu. Das für § 15a EStG relevante, steuerliche Kapital setzt sich auf jeder Gesellschaftsebene aus dem steuer-bilanziellen Ergebnis und den Ergebnissen aus etwaigen Ergänzungsbilanzen zu-sammen.

In Bezug auf den Einfl uss von Ergänzungsbilanzen und die Bilanzierung von Per-sonengesellschaftsanteilen auf das relevante Kapitalkonto sei auf die Ausführungen unter II. 3. a) und b) verwiesen.

Insgesamt sind im Zusammenhang mit der Anwendung von § 15a EStG auf doppel-stöckige Personengesellschaften eine Vielzahl verschiedener Szenarien denkbar. Entscheidend ist, welche der beteiligten Gesellschaften Kommanditgesellschaften sind und auf welcher Ebene Verluste erzielt werden.

Problematisch ist hier, dass sich durch den spiegelbildlichen Ansatz der Beteiligung an der Personengesellschaft in der Steuerbilanz nicht nur der ausgleichsfähige, son-dern auch der verrechenbare Verlust der Untergesellschaft bei der Obergesellschaft kapitalmindern auswirkt. Der Obergesellschaft allerdings nur den ausgleichsfähi-gen Verlust zuzurechnen, verkennt den spiegelbildlichen Ansatz und die Tatsache, dass § 15 EStG und nicht § 15a EStG die Zurechnung der Einkünfte vorschreibt, und ist folglich nicht zulässig. Zwei verschiedene Konstellationen sollen diesbezüg-lich aufgeführt und analysiert werden.

Haftet lediglich die Obergesellschaft beschränkt und die Gesellschafter der Ober-gesellschaft unbeschränkt, z. B. wenn die Obergesellschaft eine OHG ist, wird der verrechenbare Verlust aus der Untergesellschaft gemäß § 15a Abs. 4 EStG bei der Obergesellschaft gesondert festgestellt. Spiegelbildlich wirkt sich das Ergeb-nis auch bei dem Gesellschafter der Obergesellschaft aus, ohne dass sich der als verrechenbar festgestellte Verlust in einen ausgleichsfähigen Verlust verwandelt. Dabei ist unerheblich, ob die Obergesellschaft einen Gewinn erzielt und die Gesellschafter der Obergesellschaft ein positives Kapitalkonto führen. Um dem Telos der Vorschrift im Rahmen der steuerlichen Behandlung doppelstöckiger Personengesellschaften gerecht zu werden, ist der verrechenbare Verlust in künf-tigen Jahren ausschließlich mit Gewinnanteilen aus der Beteiligung an der Unter-

135 Beekmann (Fn. 28), S. 175.

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Schuster 99Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

gesellschaft zu saldieren.136 Zu diesem Ergebnis gelangt man, wenn man den gemäß § 15a Abs. 4 EStG gesondert festgestellten verrechenbaren Verlust, der auf Ebene der Untergesellschaft entstanden ist, an die Gesellschafter der Obergesell-schaft gewissermaßen durchreicht.137

Haften sowohl die Obergesellschaft als auch die Gesellschafter der Obergesell-schaft nur beschränkt und erzielen sowohl die Unter- als auch die Obergesellschaft Verluste, die der Ausgleichsbeschränkung gemäß § 15a EStG unterliegen, besteht die Gefahr, dass der verrechenbare Verlust der Untergesellschaft doppelt berück-sichtigt wird. Dieser kumulierende Effekt kann behoben werden, indem die verre-chenbaren Verluste aus der Beteiligung an der Untergesellschaft nicht in die Er-mittlung der verrechenbaren Verluste auf Ebene der Obergesellschaft eingehen. Ermittlungstechnisch ist ein außerbilanzieller Merkposten zu bilden, der die verre-chenbaren Verluste aus der Beteiligung an der Untergesellschaft aus den Kapital-konten der Gesellschafter bei der Obergesellschaft herausrechnet.138

V. Beschränkter Schuldzinsenabzug; § 4 Abs. 4a EStG

Als Reaktion auf die – aus fi skalpolitischen Gründen unerwünschte – Rechtspre-chung des BFH139 zu Zweikontenmodellen wurde § 4 Abs. 4a EStG durch das Steu-erentlastungsgesetz 1999 / 2000 / 2002 vom 24.3.1999 eingeführt.140 Die Vorschrift war zugleich massiver Kritik ausgesetzt141, sodass die Neufassung der Vorschrift durch das Steuerbereinigungsgesetz vom 22.12.1999 unausweichlich war.142 Die Neukonzeption entspricht grundsätzlich dem Konzept des IV. Senats des BFH143, der nicht abziehbare Schuldzinsen dann annimmt, wenn eine Überentnahme vor-liegt; sog. kapitalorientierte Betrachtungsweise. Dies entspricht dem Gedanken, dass ein Gesellschafter „über das Kontokorrentkonto eine Vielzahl von betriebli-chen und privaten Vorgängen abwickelt“144, sodass sich die ausgewiesene Schuld weder dem betrieblichen noch dem privaten Bereich eindeutig zuordnen lässt. Eine klare Zuordnung ist aber gerade im Hinblick auf die Abziehbarkeit von Aufwen-dungen bedeutend. Es bedurfte folglich einer anderen Ermittlungsart.145 Die neue Konzeption beschränkte sich auf das Erfassen sog. Überentnahmen, bei denen

136 Helmreich (Fn. 127), S. 303.137 Ebd., S. 300.138 Beekmann (Fn. 28), S. 195; Ley (Fn. 75), 14 486 (14487); a.A. Sundermeier, Die mehr-

stöckige Personengesellschaft im Licht des § 15a EStG, DStR 1994, 1477 (1480).139 BFHE 161, 290.140 BStBl. I 1999, S. 304.141 Vgl. Hergarten, Zur geplanten Abschaffung des Zwei- / Drei-Konten-Modells, DStR

1999, 54.142 BGBl. I 1999, S. 2602, seitdem nur noch eine Änderung durch das Steueränderungsgesetz

2001 (BGBl. I 1999, S. 3794).143 BFHE 154, 337 (342).144 Ebd. 337 (347).145 Ebd. 337.

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angenommen wird, dass sie zur Finanzierung privater Aufwendungen getätigt werden.146

1. Regelungsgehalt

Die Vorschrift beschränkt die Abzugsfähigkeit betrieblicher Schuldzinsen, gemäß Satz 5 unter Ausschluss sog. Investitionsdarlehen. Nach Satz 1 sind Schuldzinsen nicht abziehbar, „wenn Überentnahmen getätigt worden sind“. Insofern wird auf die Sätze 2 bis 4 verwiesen. Die Überentnahme wird in Satz 2 defi niert, als „der Betrag, um den die Entnahme die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjah-res übersteigt“. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme – zzgl. Überentnahmen und abzüglich Unterentnahmen der vor-angegangenen Wirtschaftsjahre – ermittelt.147 Während Überentnahmen bei einem negativen Saldo von Gewinn und Einlage abzüglich Entnahmen vorliegen, verhält es sich bei Unterentnahmen genau umgekehrt. Die periodenübergreifende Ermittlung von Über- und Unterentnahmen verlangt eine gesonderte Aufzeichnung, die aus Satz 6 ergeht. Nach Satz 4 ist eine Vergleichsberechnung anzustellen und der gerin-gere Betrag ist dann dem Gewinn hinzuzurechnen. Dabei sind die aus der Überent-nahmeberechnung typisiert ermittelten Schuldzinsen mit den tatsächlich gezahlten Schuldzinsen, vermindert um den Sockelbetrag in Höhe von 2050 A, gegenüber zu stellen.

Die Vorschrift gilt ausschließlich für betrieblich veranlasste Aufwendungen, sodass der Überentnahmeberechnung eine Veranlassungsprüfung in Bezug auf die tat-sächliche Mittelverwendung vorgelagert ist.148 Die Vorschrift baut demnach auf dem Veranlassungsprinzip gemäß § 4 Abs. 4 EStG auf und steht zu diesem nicht als lex specialis.149 Überentnahmen sind dann auf einer zweiten Stufe nach § 4 Abs. 4a S. 2 EStG zu ermitteln. Die in § 4 Abs. 4a EStG genannten Begriffe orientieren sich an den zu § 4 Abs. 1 EStG entwickelten Grundsätzen.150

Besonderheiten ergeben sich allerdings für Verlustjahre. Die uneingeschränkte Ein-beziehung von Verlusten könnte ggf. zu Überentnahmen führen, ohne, dass tat-sächlich Entnahmen getätigt worden sind. Diese rechnerisch folgerichtige Konse-quenz steht im klaren Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift, weshalb im Ergebnis Verluste nur eingeschränkt in die Überentnahmeberechnung einfl ießen.151

146 FG Düsseldorf v. 8.4.2010 – 11 K 3720 / 08 F, Rn. 33.147 Kritisch: Schallmoser, Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Schuldzinsenabzugsre-

gelung des § 4 Abs. 4a EStG, FR 2001, 509 (516).148 Frotscher in Frotscher, Stand: 2011, § 4 Rn. 629; BFHE 186, 57 (60); BMF v. 17.11.2005

(BStBl. I 2005, S. 1019).149 Ley, Die Beschränkungen des Schuldzinsenabzugs bei Mitunternehmerschaften gemäß

§ 4 Abs. 4a EStG, KÖSDI 2006, 15 277 (15278); BFHE 217, 514 (519 f.); a.A. Groh, Der missverstandene Schuldzinsenabzug, DStR 2001, 105 (107).

150 Ley (Fn. 150), 15 277 (15278).151 Ebd., 15 277 (15279).

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Schuster 101Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

2. Mitunternehmerschaften

§ 4 Abs. 4a EStG fi ndet primär Anwendung auf das der Vorschrift zugrundeliegende Leitbild des Einzelunternehmers, erstreckt sich aber in seinem Regelungsgehalt auch auf Mitunternehmerschaften.152 Nach einhelliger Auffassung muss die Berechnung der Überentnahmen dann neben dem sich aus der steuerlichen Gesellschaftsbilanz ergebenden Gewinn, abzüglich Einlagen und zzgl. Entnahmen, überdies den Ge-winn, die Einlagen und die Entnahmen etwaiger Ergänzungs- und Sonderbilanzen der Gesellschafter umfassen.153

Strittig ist hingegen, ob die Ermittlung der Überentnahmen gesellschafts- oder gesellschafterbezogen ist. Von Bedeutung ist diese Frage in erster Linie für die Verteilung der nicht abziehbaren Schuldzinsen, die auf die einzelnen Gesellschaf-ter entfallen. Bei der gesellschaftsbezogenen Ermittlung ist der Gesamtgewinn unter Einbeziehung von Ergänzungs- und Sonderbilanzen nach dem Gewinnver-teilungsschlüssel jedem Gesellschafter zuzurechnen, während bei einer gesell-schafterbezogenen Ermittlung der Gesamtgewinn den Gesellschaftern quotal zu-zurechnen ist und in einem zweiten Schritt für jeden Gesellschafter die von ihm getätigten Einlagen und Entnahmen in Bezug auf seine Ergänzungs- und Sonder-bilanz berücksichtigt werden. Dennoch fi ndet das Problem überwiegend in Bezug auf den Freibetrag Beachtung, bzw. ob dieser einmal anteilig oder vervielfältigt jedem Gesellschafter zuzurechnen ist.154 Der Streit ergibt sich aus dem zweigeteil-ten Grundverständnis „nach dem der Gesellschafter einerseits dem mitunterneh-merischen Verbund angehört, andererseits aber in eigener Person als Subjekt der Gewinnerzielung anzusehen ist“155.

Für die gesellschaftsbezogene Ermittlung spricht jedenfalls der Status der Perso-nengesellschaft als Gewinnermittlungssubjekt und die Zuordnung der Norm zu den Gewinnermittlungsvorschriften gemäß §§ 4-7k EStG.156 Dagegen spricht aller-dings die Möglichkeit fremdbestimmter Steuerwirkungen.157 Diese können entste-hen, wenn ein Gesellschafter wesentlich mehr entnimmt als anteilig auf ihn Ge-winne entfallen. Hat ein anderer Gesellschafter keine oder nur sehr geringe Entnahmen getätigt, trägt er den nicht abzugsfähigen Schuldzinsenabzug in seiner Gesamtheit zumindest teilweise mit. Offensichtlich liegt dann kein sachgerechtes – die individuelle Leistungsfähigkeit widerspiegelndes – Ergebnis vor. Die Frage nach der Verteilung der Überentnahmen unter den Gesellschaftern fi ndet wenig Aufmerksamkeit, vermutlich weil die Gesellschafter selbst, durch zivilrechtliche Vereinbarungen, unerwünschten Ergebnissen begegnen können.158 Komplizierter und mit nicht unerheblichen Folgen sind die Konsequenzen bei doppel- und insb.

152 Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, Stand: 2012, § 4 Rn. Ea 34 f.153 Beekmann (Fn. 28), S. 212 f.; BFHE 217, 514 (523 f.).154 BFHE 217, 514.155 Ebd. 514 (521 f.).156 Seiler (Fn. 152), § 4 Rn. Ea 36; BMF v. 17.11.2005 (BStBl. I 2005, S. 1019).157 Frotscher (Fn. 148), § 4 Rn. 645.158 Wacker, Anmerkung zu BFH 29.3.2007 – IV R 72 / 02, BB 2007, 1936 (1937).

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bei mehrstöckigen Personengesellschaften. Schwer vorstellbar sind solche Klauseln für vielstöckige Konstruktionen, die gleichwohl gewährleisten, dass jeder Gesell-schafter, auf jeder Ebene, nur durch die Steuerwirkungen belastet wird, die auf sein steuerlich relevantes Verhalten zurückzuführen sind. Das steuerliche Ergebnis würde unmittelbar an das zivilrechtliche Geschick der Gesellschafter anknüpfen. Im Hinblick auf das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungs-fähigkeit ist das sicherlich kein wünschenswertes Resultat.

In diesem Sinne hat die Ermittlung von Überentnahmen individuell, also gesell-schafterbezogen zu erfolgen.159 Hier ist die Durchbrechung des Grundsatzes der Einheit der Gesellschaft, durch das Erfordernis einer sachlich zutreffenden Besteu-erung, gerechtfertigt.160

Als Konsequenz daraus folgt die Frage nach der Zuteilung bzw. einer möglichen Aufteilung des Freibetrags aus § 4 Abs. 4a S. 4 EStG. Nach h. M. wird der Sockel-betrag betriebsbezogen behandelt und nach der Schuldzinsenquote den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet.161 Das entspricht dem Gedanken, dass jeder Mitun-ternehmer den Gesamtfi nanzierungsaufwand anteilig und nur bis zur Höhe der auf ihn anfallenden Schuldzinsen zu tragen hat.162 Eine Vervielfältigung des Sockel-betrags auf jeden Gesellschafter in voller Höhe würde diesem Gedanken nicht ge-recht.

Daraus folgt eine uneinheitliche Lösung im Spannungsverhältnis von Einheits- und Vielheitsgedanken.

3. Steuerliche Behandlung doppelstöckiger Personengesellschaften

Als problematisch erweist sich hingegen die Anwendung der Vorschrift auf doppel-stöckige Personengesellschaften. Zweifelhaft ist, ob die auf Ebene der Untergesell-schaft ermittelten nicht abziehbaren Schuldzinsen nachgelagerten Gesellschaften i. S. einer betriebsbezogenen Überentnahmeberechnung zuzurechnen sind. Die oben dargestellte zweistufi ge Prüfung müsste dann auf jeder Gesellschaftsebene erfolgen. Personengesellschaften selbst verfügen allerdings nicht über eine außerbe-triebliche Sphäre, wodurch niemals privat veranlasste Schuldzinsen zwischen zwei Personengesellschaften entstehen können.163 Diese Vorgehensweise steht demnach im klaren Widerspruch zu Sinn und Zweck, die privat veranlasste Schuldzinsen rechnerisch, typisierend zu ermitteln sucht.164 Eine Konsequenz aus dieser Auffas-sung könnte überdies sein, dass auf Ebene der Untergesellschaft ermittelte, nicht

159 Wacker (Fn. 1), 561 (572).160 Ley (Fn. 149), 15 277 (15283).161 Frotscher (Fn. 148), § 4 Rn. 645; Heuermann, Schuldzinsenabzug bei Mitunternehmer-

schaften nach § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StBereinG 1999, StBp 2007, 313 (316); BFHE 217, 514; BMF v. 7.5.2008 (BStBl. I 2008, S. 588).

162 BFHE 217, 514 (523 f.).163 Ley (Fn. 150), 15 277 (15291).164 Ebd.

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Schuster 103Besteuerung doppel- und mehrstöckiger Personengesellschaften

abziehbare Schuldzinsen – mangels Privatsphäre – auf Ebene der Obergesellschaft zu abziehbaren Betriebsausgaben qualifi ziert werden.165

Daraus könnte der Schluss gezogen werden, § 4 Abs. 4a EStG insoweit nur dann auf Untergesellschaften anzuwenden, wenn an dieser, neben der Obergesellschaft, na-türliche Personen beteiligt sind. Anteilig würde dieses Ergebnis auch für den gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG mittelbar beteiligten Gesellschafter gelten, zumin-dest mit dem Ergebnis der Einlagen und Entnahmen im Rahmen seiner Sonder-bilanz.166

Durch Zwischenschalten einer Personengesellschaft könnte der beschränkte Schuldzinsenabzug umgangen werden. Beekmann sieht insofern eine „Lücke im Gesetz“167. Im Hinblick auf das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaft-lichen Leistungsfähigkeit und das Erfordernis, Gestaltungsmissbrauch zu begeg-nen, führt die Einbeziehung jeder Gesellschaftsebene zu den treffenden Ergebnis-sen.168 Die Ausführungen unter II. 3. a) und b) in Bezug auf die Bilanzierung von Personengesellschaften und die Bildung einer Ergänzungsbilanz über die Ober-gesellschaft für einen ihrer Gesellschafter bei der Untergesellschaft sind genauso wie die Ausführungen zum Sonderbilanzergebnis unter III. 1. b) und 2. selbstver-ständlich zu beachten.

VI. Resümee

Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die steuerliche Behand-lung doppel- und insb. mehrstöckiger Personengesellschaften einen komplexen Ge-winnermittlungsprozess erfordert. Die transparente Besteuerung von Personenge-sellschaften, die nur den Gesellschafter auf der letzten Stufe zur Besteuerung heranzieht, und der im Zivil- und Steuerrecht mittlerweile vorherrschende Ein-heitsgedanke stehen sich konkurrierend gegenüber.

Der Einheitsgedanke, der auf der partiellen Steuerrechtsfähigkeit der Personenge-sellschaften aufbaut, ist allerdings teilweise, im Hinblick auf die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Vielheit der Gesellschafter unterzu-ordnen. Legitimiert werden diese Abweichungen von der grundsätzlich geltenden Einheit der Gesellschaft mit dem Bedürfnis einer sachgerechten Besteuerung unter Beachtung der dem Steuerrecht zugrunde liegenden Prinzipien. Die daraus resultie-rende Rechtsunsicherheit ist de lege lata hinzunehmen und auch künftig durch das höchste Finanzgericht i. S. der „Fortbildung des Rechts [sowie der] Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“169 weiter zu entwickeln. Insb. am Prinzip der Be-

165 Ebd.166 Behrens / Renner, Überentnahmen bei Personengesellschaften im „kapitalistischen Kon-

zern“?, AG 2010, 745 (747).167 Beekmann (Fn. 28), S. 217 f.168 Wältermann, Zur Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG bei der mehrstöckigen Mitunterneh-

merschaft, FR 2004, 553 (559 f.).169 § 11 Abs. 4 FGO.

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steuerung nach der wirtschaftlichen bzw. fi nanziellen Leistungsfähigkeit hat sich die Rechtsauslegung zu orientieren. Unter dieser Prämisse sind die §§ 15a und 4 Abs. 4a in das Einkommensteuergesetz gelangt. Auch wenn ihre Anwendung ge-rade bei mehrstöckigen Personengesellschaften aufwendig ist, können sachgerechte Ergebnisse erreicht werden.

Besondere Probleme mit erheblichen Konsequenzen ergeben sich ferner aus der Bilanzierung von Personengesellschaftsbeteiligungen und den unterschiedlichen Konstellationen bzgl. Ergänzungs- und Sonderbilanzen im Rahmen der steuer-lichen Behandlung doppelstöckiger Personengesellschaften, die in der Praxis vor allem bei Kleinstbeteiligungen von Bedeutung sind. Zutreffende Ergebnisse kön-nen hier nur mithilfe aufwendiger Bilanzierungsverfahren erzielt werden.

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