+ All Categories
Home > Documents > Belletristik_12-Leseprobe

Belletristik_12-Leseprobe

Date post: 13-Mar-2016
Category:
Upload: verlagshaus-berlin
View: 215 times
Download: 2 times
Share this document with a friend
Description:
http://www.belletristik-berlin.de/fileadmin/templates/images/Belletristik/B12/Belletristik_12-Leseprobe.pdf
28
Transcript
Page 1: Belletristik_12-Leseprobe

12 Belletristik

Page 2: Belletristik_12-Leseprobe

Sie beginnt mit einem Gedicht. Sie beginnt mit einer Illustration. Die Ausgabe 12 der Belletristik ist ein Kettenbrief, ist die Dokumentation zweier Ketten-briefe: Sie beginnt mit einer Illustration. Sie beginnt mit einem Gedicht. Auf Text folgt Illustration. Es wird ge-flüstert, still geschieht dies nicht. Eine Antwort wird zum Kommentieren angeboten, eine Stellungnahme ab-gegeben. Sprachen werden gewechselt, Dialog heißt es zwischendurch, er beginnt mit einem Gedicht, er beginnt mit einer Illustration. Äußerungen werden zurückgezogen. Fortsetzung lässt auf sich warten, ge-drängte Abgaben geleistet. Antworten nach Begegnung, zur Auseinandersetzung des Nächsten. Sie gehören zueinander: nach der Abstoßung: Annäherung. In der Mitte treffen sich zwei Ketten als gemeinsame Glieder.

Viel Vergnügen beim Lesen!

Page 3: Belletristik_12-Leseprobe

02

03

04

05

07

08

10

12

13

14

16

17

19

20

21

22

25

26

27

28

29

30

32

33

34

35

36

3702

04

06

09

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

28

29

33

35

36

37

38André GottschAlk

sAndrA TrojAn

PATricio PumArino

romAn isrAel

sAndrA lubAhn

birGiT kreiPe

Therese schulTe

FloriAn Voss

TAnjA kischel

richArd durAj

FloriAn hAuer

kAThArinA schulTens

ludmillA bArTschT

silke PeTers

mAriA sTerki

dominik AnGeloch

mAGdA kArczewskA

luTz sTeinbrück

mAriA eisenächer

swAnTje lichTensTein

dieTer jüdT

linus wesTheuser

sinA möhrinG

sAschA kokoT

rosemArie schöninGh

leA schneider

corinnA chAumeny

jAn skudlArek Ron WinkleR

Stefan Bachmann

chaRlotte WaRSen

faBian knöBl

anke BaStRop

JUcoSa

toBiaS Roth

Jana DöRfelt

Johanna melzoW

BenSWeRk

mikael Vogel

pètRUS ÅkkoRDéon

max czollek

claUDia pomoWSki

tRiStan maRqUaRDt

oliVeR hUmmel

oDile kennel

katJa SpitzeR

Stephan Reich

annemaRie otten

RicaRDo Domeneck

aSUka gRün

Shane anDeRSon

maRtina lieBig

alexanDeR gRaeff

SUSanna klein

niklaS l. niSkate

maRina fRieDRich

Page 4: Belletristik_12-Leseprobe
Page 5: Belletristik_12-Leseprobe

7205

patRicio pUmaRino — Roman iSRael

Dritte GanGart

I

nach Jahren verkrampfen

sich Muskeln, Gedanken /

Teile des Körpers / die

Nieren, der Kropf

aufblähen sich, zusammen

fallen / Fettfraß und Schmelze

im Zyklus des Einen

bis dass die Ratio einen

in die Esse greift / weil montags

früh um sechs die Schicht

beginnt / mit Tee und angebrannter

Milch fürs Kleine

jeden Tag / mehrmals oft /

häufig wieder / ewig

gleich

bis dass die Rente eure

Fressen bleicht / und Poröses

dazu, Maden dazu, Flecke,

Würmer

Page 6: Belletristik_12-Leseprobe
Page 7: Belletristik_12-Leseprobe

6017

floRian haUeR — kathaRina SchUltenS

loGik: Wesen Zu beGriff

denn teile sind einander schließlich

nicht bloß freundlich gesinnt. erstens

reichte das kaum. zweitens sind sie abhängig.

wie will man sich sonst diese gesten erklären?

pirouetten im abstand eines kontinents — perfekt

synchron.

teile schließlich sind — den anderen gegenüber —

leidenschaftslos. oder? nimms erst einmal an.

ihre abhängigkeit gründet nicht im körper. sie haben

ja nichts. gar keine relevanten glieder. nur trieblose

bewegungen. wellen. da ist nicht einmal humor.

Page 8: Belletristik_12-Leseprobe

5126

lUtz SteinBRück — maRia eiSenächeR

freischWeben

im Muschelkleid

aus Wolkensaum

Werd’ eins mit der Luft

Werd’ eins

Deine Formen sind

anders geartete

Fließgewässer

nach oben hin

ohne Sitzplätze

im Rücken der Anderen

ohne starres Weiß

in halben Augen

Du ein Leichtes in der Luft, Cumulus

bis deine Muscheln tropfen

Page 9: Belletristik_12-Leseprobe
Page 10: Belletristik_12-Leseprobe

4928

SWantJe lichtenStein — DieteR JüDt

Wohin mit dem Sprudel?

Aus dem Grillquell

mit den fünf Fontänen

aus dem Wasserlabyrinth

aus dem Schenkelbrunnen

aus dem Öltanker

aus dem Erdbeerfeld

aus dem Überfluss

aus dem Tröpfcheninfekt

den Tiefausläufern

den Wetterlagen

den Wirbelstürmen

den drei Damen

die Rosensuppe löffeln

unter dem Näpfchen

liegt der Hund begraben

die Pipelinebegrenzung

die Ichauflösung

die Zentralperspektive

die Kausalität

die Westlogik

die Zigarettenverpackung

mit dem Kinderwagenkind

mit der Gasmaske

die auf die Goldwaage

sich legt.

Page 11: Belletristik_12-Leseprobe
Page 12: Belletristik_12-Leseprobe
Page 13: Belletristik_12-Leseprobe

4037

coRinna chaUmeny — Jan SkUDlaRek

grund genug

word öffnet sich, knochenweiß noch

der himmel überm schreibtisch auch

aus angst vor der fläche, flächendeckende

angst, horror vacui

in echtzeit plus : meine geteerten augen

untergründiges grau, ja, mein gesicht als palimpsest

— schaben Sie nur gründlich genug,

erscheint die mimik von gestern, der vorwoche,

kindheit gar —

jedenfalls : cirren, ein zirpen

schnäbeln am baumstamm

krächzen am körper, flirren der sprache

jedenfalls — ein wort öffnet sich (s.o.) —

habe ich humus im mund

& mein körper wird abwärts gescrollt

wird kompost im schloßgarten Ihres vertrauens

Page 14: Belletristik_12-Leseprobe

maRina fRieDRich

Page 15: Belletristik_12-Leseprobe
Page 16: Belletristik_12-Leseprobe

maRtina lieBig — alexanDeR gRaeff

Das becken

Attack Zwei kirschrote Kreise

links und rechts seiner Lippen.

Er lachte sein Erdmännchenlachen und

bestellte seinen achten Ingwertee.

Wohin das Zeug nur fließt?

dachte ich.

Delay An einem Pfingstsonntag

wurde ihm ein kleines Bolzenschloss vor die Lippen geklemmt.

Es soll verhindern, dass auf Fragen

Antworten gegeben werden.

War es die linke oder die rechte Hand (Gottes)?

dachte ich.

Sustain Er fragte mich,

was das Wort »Weltausschuss« bedeute.

Dabei schob er eine Augenbraue, seine rechte,

also meine linke, nach oben.

Wann küsst er mich endlich?

dachte ich.

Release Am Ausklingvorgang von Becken, oder Glocken,

mit strapazierter Hüllkurve im ADSR-Ideal,

hörte der gelbe Scientist

ein raumfüllendes Glucksen.

Wie lange ein menschliches Gehirn ausklingt?

erwachte ich.

3542

Page 17: Belletristik_12-Leseprobe
Page 18: Belletristik_12-Leseprobe
Page 19: Belletristik_12-Leseprobe

2453

Stephan Reich — annemaRie otten

in den ecken des schlafs

sträubt sich die geometrie

fast als tropften die wände zu boden

in schlieren

wachsen die gliedmaßen

aus dem gebäude, dem traum

heraus hört man

das schweigen, schwere atmen

in unruhigen schlägen gegen die uhr

(nur die wenigsten schlafen sich selbst)

& auf dem dach ist ein grünliches

zittern die schindeln

entwachsen bereits ihrer form

wird das karo zu eng

ums genick

& zu wirklich,

wahrhaftig

ein haus, eine haut

aus vier graden, zehn ecken, ein zweites gesicht.

Page 20: Belletristik_12-Leseprobe
Page 21: Belletristik_12-Leseprobe

2057

tRiStan maRqUaRDt — oliVeR hUmmel

urbarer ruf / gespinst mit verdienst / kruderer unterton — das alles

kannten wir schon. das las sich wie sengung bei glut / blutig gestimmte

körperchen und traf im grunde die sache ganz gut. wer etwa andern

einen graben grub, müsse selbiges im schilde haben, führte zu wirk-

samkeitsverheiß und verlor sich mit der zeit. was blieb, war der HIEB.

noch jahre nach der ersten nennung, wandelte sich stift zu hand,

syntax zum gelenk. man tat dann eingedenk und harrte des spatens:

wohlweißlich stichfest bis gerinnung zur pose. wuchtsame prägung.

ortszeit: new york 55, bochum 09 — es konnte überall sein, wo ein

wort zum schaufelding mutierte. wenn man sie wähnte, die bagger,

v-männer der wirksamkeit, shrieked with delight ± hollow-eyed. das

saß. das besaß ausmaß. und hieß aber auch: die unerfahrenheit des

terminus urwald in sachen ursprünglichkeit war zwar eine unter vielen.

doch beim HIEB griff das nicht. der HIEB war ständig in begebung.

yacketakking screaming vomiting whispering facts: da schrak der hase,

beleibe geradestand / er vor — der offensive: als HIEB hatte er nicht

nur vier buchstaben, sondern auch eine richtung. und weil die im

grunde unklar blieb, saß der HIEB indeed in letztlich jeder begeben-

heit. i saw potato salads at ccny lectures on dadaism: da entsprang — aus

prinzip — der wunde punkt in sachen welt. london im frühjahr 2011.

mit allen ginsberg

für ulf stolterfoht

Page 22: Belletristik_12-Leseprobe
Page 23: Belletristik_12-Leseprobe

1859

max czollek — claUDia pomoWSki

looPhoWl

aufgedrehter himmel

powerchord der rushhour

im parabol der bäume

tonarme wie äste

bänke als repeat

funktion der grünanlage

wird eine letzte katze

durch das bild gejagt

ver s’hot fligl darüber

hoch eine schwalbe

flit aroiftzu der wind

frischt langsam auf

(die verwendeten Textsamples sind der Umschrift des

jiddischen Liedes »DonnaDonna« entnommen)

Page 24: Belletristik_12-Leseprobe
Page 25: Belletristik_12-Leseprobe

1661

mikael Vogel — pètRUS ÅkkoRDéon

maniaPhobisches abschWörunGsGeDicht

Noch immer verströmt deine

Erinnerung ihre Kadavergerüche, Abwärtsver-

Wachsene, deine damaligen Küsse gefüllt mit angelockten Fliegen.. in vorge-

Täuschten Fleischen, in geballter sich windender Schreckverknospung: Wir tranken Wespen, Gift-

Müll, aßen Stacheldraht, die uns gegenseitig ausge-

Schlagenen Zähne, ausgerissenen Körperhöhlen.. unsere Finger seltene Mutationen, tastende

Sterblichkeiten — in pulsierender Arterienbalz. Waren Schlangensex, süß und naß und tropfend von

Sümpfen, dein Bild verzerrt sich mir immer mehr ins

Infernale. Hinter jeder Flucht eine weitere Flucht vor den

Fluchten, oder riechen noch immer nach Verstümmelung und Angst wo immer wir jetzt

Sind und wer, mit wem — von deiner Liebe mich entwurmen, unsere ungeborenen Kinder

Page 26: Belletristik_12-Leseprobe

02

04

06

09

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

28

29

33

35

36

37

3802

03

04

05

07

08

10

12

13

14

16

17

19

20

21

22

25

26

27

28

29

30

32

33

34

35

36

37

anDRé gottSchalk

SanDRa tRoJan

patRicio pUmaRino

Roman iSRael

SanDRa lUBahn

BiRgit kReipe

theReSe SchUlte

floRian VoSS

tanJa kiSchel

RichaRD DURaJ

floRian haUeR

kathaRina SchUltenS

lUDmilla BaRtScht

Silke peteRS

maRia SteRki

Dominik angeloch

magDa kaRczeWSka

lUtz SteinBRück

maRia eiSenächeR

SWantJe lichtenStein

DieteR JüDt

linUS WeStheUSeR

Sina möhRing

SaScha kokot

RoSemaRie Schöningh

lea SchneiDeR

coRinna chaUmeny

Jan SkUDlaRek ron winkler

sTeFAn bAchmAnn

chArlotte wArsen

FAbiAn knöbl

Anke bAsTroP

jucosA

TobiAs roTh

jAnA dörFelT

johAnnA melzow

benswerk

mikAel VoGel

PèTrus Åkkordéon

mAx czollek

clAudiA Pomowski

TrisTAn mArquArdT

oliVer hummel

odile kennel

kATjA sPiTzer

sTePhAn reich

AnnemArie otten

ricArdo domeneck

AsukA Grün

shAne Anderson

mArTinA liebiG

AlexAnder GrAeFF

susAnnA klein

niklAs l. niskATe

mArinA Friedrich

Page 27: Belletristik_12-Leseprobe

lesen.Hören.BerüHren.

Belletristik. Zeitschrift für Literatur und Illustration Herausgegeben von Johannes CS Frank, Andrea Schmidt & Dominik Ziller

7. Jahrgang // Nummer Zwölf.August 2012

Verlagshaus J. Frank | BerlinFrank, Schmidt, Ziller GbRChodowieckistr. 2 // 10405 Berlintel +49 (0)30 6751 5500 // Fax 030 6751 5501www.belletristik-berlin.de // [email protected]

gestaltung andrea SchmidtCoVerillustration andré Gottschalk

issn 1861-9940isBn 13 978-3-940249-53-1

Preis 10,– euro

BankVerBindung Deutsche Bank // BlZ 100 700 24 // Konto-Nr. 747 2293 00

steuernummer 31/290/62620 // ust-idnr. De269466604

Die literaturzeitschrift ist über die Internetpräsenz zum Preis von 38 euro zu abonnieren. ein abonnement läuft über vier ausgaben und verlängert sich automatisch, wenn es nicht einen Monat vor erscheinen der letzten ausgabe im turnus gekündigt wird. Mit einem abonnement dieser Zeitschrift halten Sie eine geistige aktie in Händen, deren Dividende gegen ∞ geht.

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.

© 2012 // Verlagshaus J. Frank | Berlin.

Folgende Bücher von Autoren und Illustratoren dieser Ausgabe sind im Verlagshaus J. Frank | Berlin erschienen:

Q37 »das große rauschen«text: Verena Postweiler // Illustrationen: Dieter Jüdt

Q35 »druckkammern«Gedichte: Max Czollek // Illustrationen: Frederik Jurk

Q34 »schönheitsfarm«Gedichte: Birgit Kreipe // Illustrationen: elke ehninger

Q33 »horae«Gedichte: Swantje lichtenstein

Q28 »datenschatten datenströme staub«Gedichte: Florian Voß // Illustrationen: Nicole Riegert

Q27 »minkowskis Zitronen«erzählungen: alexander Graeff // Illustrationen: Nele Brönner

Q26 »Blickdicht«Gedichte: lutz Steinbrück // Illustrationen: Sina Möhring

Q24 »massenhaft tiere«Gedichte: Mikael Vogel // Illustrationen: Matthias Seifarth

Q23 »treibbojen«Gedichte: asmus trautsch // typogramme: Sandra lubahn

Q22 »torp«texte: Ron Winkler // Illustrationen: Pètrus Åkkordéon

Q21 »Bodenpersonal«erzählungen: Björn Kuhligk // Illustrationen: Oliver Hummel

Q19 »trawler«texte: Dominic angeloch // Illustrationen: Johannes Reinhart

Q16 »Flügellose morgen«Gedichte: Johanna Melzow // Illustrationen: Miryam Vilnerganz

Q06 »hermetisch offen«Poetiken: Ron Winkler (Hg.)

Q05 »Blinder Passagier«Roman: Dominic angeloch // Illustrationen: Johannes Reinhart

Q04 »gedanken aus schwerkraftland«erzählungen: alexander Graeff // Illustrationen: Guglielmo Manenti

Q02 »die aufgeblähten schatten des Birnbaums«Gedichte: Sebastian Himstedt // Illustrationen: Florian Hauer(vergriffen)

Diese und weitere Veröffentlichungen sind erhältlich unter:www.belletristik-berlin.de.

Die Herausgeber empfehlen: Weltraumschrott in Großstadtparks

Page 28: Belletristik_12-Leseprobe

Gedanken einer nutzfarnvertilGerin // Die Wiese duftet nach meinem Ge-ruchssinn. Das erklärt auch die Blumen. Ich ernähre mich über sie / hinweg. Es gibt noch andere Pflanzen. Winzige mit orkanartigen Farben, aber auch seltsam geform-te / Stammwesen groß wie zehn Ichs — solche jedenfalls ohne Fell. // Ich glaube er-achten zu können, dass Erde aus ihnen wächst. Sie bildet einen planetoiden Huf. Das erlaubt / mir, mich von Moll zu Moll fortzubewegen, ohne mich dabei immer gleich hören zu müssen. // Wobei: Klang steht mir gut. Ich angle mit ihm nach Verwandtem bis Ähnlichem, so es der Fortpflanzung / zuträglich ist. Oder scheint: wie die Silber-rücken einer von mir als höchst fern erachteten Tierart. // Mit einem Bereich meines von dir als Stimme identifizierten Ausdruckvermögens umfasse ich auch einen / Teil von dir. Du verstehst: die Lautstärke liegt (bereits) in der Betrachtung (bereit). // Mir gemäßer jedoch ist die Tarnung. Fast werde ich, wenn ich mich in die Atome schmie-ge, die mich / umgeben, so was wie selbstverständlich. Fast werde ich werdend. // Ansonsten ist es ja so: begegnest du dir, bist du ein anderes Tier. Du häutest dich an-ders, vollführst ganz / andere Konsonanten. Dein Geschlecht ist ein fremdes — eines von denen, die man nicht frei wählen kann. / Die Chromosomik, mühsam erlernt, hilft nicht mehr weiter. Manchmal rettet dich dann ein Blick ins Gras, / das Wogen seiner fremdleibigen Halme. // Bin ich verunsichert wie eben beschrieben, verspüre ich Regen. Der nicht selten in seiner zu einem Fließen / gebündelten Form meinem Magen ein sanftes Plätschern ist. // Es gibt der Bäche viele: kleine längliche Aquito-rien. Medien mit jünglingshaftem Charakter. Ganz ähnlich / dem Schaum, der mich besetzt als Schlaf. //Ich stehe, wenn man so will, fest in meiner Weichheit. Die wie-derum eine Wiese ist. Deren zwischen / herabgefallenen Schmetterlingen aufragen-den Farne ich liebevoll grase. Ich umgehe die Schmetterlinge, / berühre mich nicht mit ihrem einstigen Fliegen. Überhaupt vermeide ich Kontakt zu Tieren, die meinem / Kasus widersprechen. Tiere für große Distanzen. Tiere, denen eine zu große Wim-meligkeit eignet. Tiere / eben aus Eile und Blut. // Es ist kalt heute, somit erscheinen die Jäger nackt. Für sie bin ich nur Biotop. Also das, was sie von mir / sehen. Ein mit mir selbst gestreiftes Muster, in dem manchmal das Nichts innehält. Tausende zu einem / Gefühl zusammengeballte Schafe. Lebendiger Schnee. // Ich akzeptiere die Koppel als nicht vorhanden. An den Staketen scheuere ich meine zum Schein von mir / gedachten Wahrnehmungen ab. Zurück bleiben Knospen, innen und außen. Wie (die) Grundfarben der / Mehrdimensionalität. // Von der Luft ist zu sagen: Ja. Stickstoffsauerstoffströme und ozonige Dellen. Sie ist ein guter Transponder / dafür, dass ich lebe. Schwarz wie ich bin, kein Glied zu wenig, keines zu viel. // Die Bewe-gungen könnten circensischer sein, aber mein Leib tentakelt mich gut durch die Zeit

— und die / Schallgliedmaßen sind prächtig. // Ich erschalle als etwas Stetes, geheim-nisvoll Gewisses. Ein Ritardando der Evolution für die, die es hören / können. Dafür danke ich diesen Gedanken. //Belletristik. Zeitschrift für Literatur und Illustration // 7. Jahrgang // Nummer Zwölf

August 2012 // ISSN 1861-9940 // ISBN 13 978-3-940249-53-1 // PreIS 10,– Euro

12


Recommended