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Beiträge zur Oö. Landeskunde I 61. Jahrgang I …...6 rige Sommeraufenthalt in Bad Aussee blieb...

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2007 HEFT 1/2 KULTUR OÖ. HEIMATBLÄTTER Beiträge zur Oö. Landeskunde I 61. Jahrgang I www.land-oberoesterreich.gv.at
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2007 HEFT 1/2

KULTUR

OÖ. HEIMATBLÄTTERBeiträge zur Oö. Landeskunde I 61. Jahrgang I www.land-oberoesterreich.gv.at

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200761. Jahrgang Heft 1/2

Herausgegeben von der Landeskulturdirektion

OÖ. KÜNSTLERJUBILÄEN. ANALYSE – DOKUMENTATION – REFLEXION

Franz Zamazal: Wilhelm Kienzl und Oberösterreich (Teil I) 3

Ingrid Radauer-Helm: Hebert Ploberger (1902–1977)Eine Spurensuche an Österreichs Bühnen 35

Josef Demmelbauer: Geistesverwandt über Zeiten und RäumeGertrud Fussenegger zum Geburtstag 99

ZEITGESCHICHTE

Ernst Kollros: Objekt rechtspolitischer Willkür –Der einmalige Fall des Luxushotels Weinzinger 106

THEMEN AUS DER LANDESKUNDE

Klaus Petermayr: Kinderspruch und KinderliedZur Überlieferung in Oberösterreich und Salzburg 113

Franz Gillesberger: Eine alte Liederhandschrift im Ebenseer Heimatmuseum 124

Josef Moser: Das Gnadenbild in der Pfarrkirche Ohlsdorf –und Varianten eines Grundmotivs 128

Walter Rieder: Produkt mit einst „tragender Rolle“:Zur Erinnerung an den letzten Holzschuhmacher des Salzkammerguts 133

BUCHBESPRECHUNGEN 139

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Medieninhaber: Land Oberösterreich

Herausgeber: Landeskulturdirektion

Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem-plare) und Bestellungen sind zu richten an denSchriftleiter der OÖ. Heimatblätter:

Camillo Gamnitzer, Landeskulturdirektion, Pro-menade 37, 4021 Linz, Tel. 0 73 2 / 77 20-1 54 77

Jahresabonnement (2 Doppelnummern) E 12,–(inkl. 10 % MwSt.)

Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner GesmbH &Co KG, Köglstraße 14, 4021 Linz

Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger,Steingasse 23 a, 4020 Linz

Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet derjeweilige Verfasser verantwortlich

Alle Rechte vorbehalten

Für unverlangt eingesandte Manuskripte über-nimmt die Schriftleitung keine Haftung

ISBN 3-85393-003-4

Titelbilder:

Dr. Wilhelm Kienzl um 1903 (Beitrag Zamazal)

Herbert Ploberger bei der Arbeit an Kostüm-studien 1940 (Beitrag Radauer-Helm)

Mitarbeiter:

Dr. Franz ZamazalKnabenseminarstraße 33, 4040 Linz

Mag. Ingrid Radauer-HelmUhlplatz 5/33, 1080 Wien

HR Dr. Josef DemmelbauerParkgasse 1, 4910 Ried i. I.

HR Dr. Ernst KollrosUnterer Markt 5, 4292 Kefermarkt

Mag. Dr. Klaus PetermayrOö. VolksliedwerkLandeskulturzentrum UrsulinenhofLandstraße 31, 4020 Linz

Dr. Franz GillesbergerBahnhofstraße 41, 4802 Ebensee

Prof. Dr. Josef MoserTraunsteinstraße 155, 4810 Gmunden

OStR Prof. Dr. Walter RiederMendelssohnstraße 14, 4802 Ebensee

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Wilhelm Kienzl und OberösterreichBiographische Streiflichter – Aufführungen am Linzer Landestheater –Beziehungen zu Linz und Oberösterreich

Von Franz Zamazal

Inhaltsverzeichnis zum ersten Teil

1. Biographisches zu Wilhelm Kienzl2. Das musikalische Schaffen3. Kienzls Opern am Linzer

Landestheater3.1. Einige Vorbemerkungen3.2. Urvasi3.3. Der Evangelimann3.4. Heilmar der Narr3.5. In Knecht Ruprechts Werkstatt3.6. Der Kuhreigen3.7. Das Testament

Die Frage „Wer war WilhelmKienzl“ stößt öfters auf Unkenntnis, da-her ist eine angemessene Antwort ange-bracht, um den nach Anton Brucknerbedeutendsten in Oberösterreich gebo-renen Komponisten vorzustellen.

Sein vielseitiges und umfangreichesmusikalisches Schaffen – das schriftstel-lerische soll nicht unterschlagen werden– ist jetzt weitgehend aus den Program-men von Konzerten und Theatern ver-schwunden, wenn man von gelegentli-chen Aufführungen bei „runden“ Anläs-sen absieht. Eine rühmliche Ausnahmebildet in der Saison 2006/07 das LinzerLandestheater mit der recht erfolgrei-chen Erstaufführung (!) seiner musikali-schen Komödie „Das Testament“. Aberunbeeindruckt vom Lauf der Zeiten undmit unvermindertem Engagement hältder Geburtsort Waizenkirchen die

Erinnerung an den einst europaweit Ge-feierten wach.

Die folgenden Ausführungen verste-hen sich als Streiflichter über biographi-sche Momente, Aufführungen am LinzerLandestheater und Besuche des Kompo-nisten in Linz und Orten Oberöster-reichs. Da hierbei meist Vergessenes her-vorgeholt wird, darf man bei den Faktennicht immer Vollständigkeit erwarten.Denn in erster Linie geht es darum, ei-nen Rahmen abzustecken, der wohl neueInformationen, aber auch einige weißeFlecken enthält.

Dr. Wilhelm Kienzl um 1903.Photogravur Bruckmann, München

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Personalausweis.

1. Biographisches zu Wilhelm Kienzl

Der Komponist wurde am 17. Jänner1857 in Waizenkirchen geboren. Sein Va-ter Dr. Wilhelm Kienzl sen. war Rechts-anwalt, erhielt diesen Ort von der Be-hörde als Dienstsitz zugewiesen und be-gann dort Mitte November 1855 die Be-rufslaufbahn; im nächsten Jahr ver-mählte er sich mit der jungen WienerinAnna Kafka. In der musikalisch aufge-schlossenen Familie erlebte der Erstge-borene Wilhelm glückliche Zeiten, ge-

nug, um in späteren Jahren gelegentlichhierher auf Besuch zurückzukehren. ImNovember 1860 übersiedelte die Familienach Gmunden, da der Vater seine Kanz-lei dorthin verlegt hatte. Bereits nach ei-nem halben Jahr, im Mai 1861, verzogdie wachsende Familie endgültig nachGraz. Dort wirkte der Vater als Rechtsan-walt, Bürgermeister und auch als Land-tagsmitglied, war angesehen und als Eh-renbürger geehrt.1 Die regen geistigenund kulturellen Interessen der Elternschufen die Basis für das Entfalten der

1 Franz Fruhwirth, Wilhelm Kienzl, in: Unterhal-tungsbeilage der Linzer Tages-Post 1904, Nr. 9,S. 1. – Wilhelm Kienzl, Meine Lebenswande-rung. Erlebtes und Erschautes, Stuttgart 1926, S.11–28. Im Folgenden zitiert als Lebenswande-rung.

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künstlerischen Anlagen des Buben. Ererhielt neben dem Besuch des Gymnasi-ums (1866–1874) Klavierunterricht, undseine kompositorische Ader regte sichnachhaltig. Parallel zu den philosophi-schen Universitätsstudien kam die Un-terweisung in musikalischen Fächerndurch ausgezeichnete Lehrer nicht zukurz, zuerst in Graz, dann in Prag undLeipzig. Dazwischen war Freiraum fürReisen, für den Besuch der BayreutherFestspiele, insbesondere der Urauffüh-rung von „Der Ring des Nibelungen“(1876) mit nachhaltigen Eindrücken, undfür Begegnungen mit Richard Wagner.In Graz schrieb Kienzl seine Dissertation„Die musikalische Deklamation“ undwurde 1879 in Wien bei Eduard Hanslickzum Dr. phil. promoviert.2

Von nun an wirkte er als freischaffen-der Komponist, Interpret, Dirigent undVortragender, war viel auf Reisen, auchum seine Kammermusik, Lieder undKlavierstücke, später vor allem die ers-ten Opern, durch eigenen Vortrag be-kannt zu machen.3 Graz bzw. das Eltern-haus blieben auch weiterhin durch Jahr-zehnte der bald lose, bald mehr feste Be-zugspunkt. Zu längeren Aufenthaltenkam es in Amsterdam, Hamburg, Berlin,München (Dirigent am Hoftheater);mehrere Jahre war Kienzl Direktor desSteiermärkischen Musikvereins in Grazmit den Aufgaben, die Musikschule unddie Abonnement-Symphoniekonzertezu leiten.4

Erst im Alter von 40 Jahren (1897),ermöglicht durch die finanziellen Erfolgeder Opern, insbesondere des „Evangeli-manns“, fand das Wanderleben ein Ende,und das eigene Heim in Graz wurdezum Lebensmittelpunkt. Als liebenswür-diger, charaktervoller und fleißiger

Mann führte er an der Seite seiner ausLinz stammenden Gattin Lili, geb.Hocke, ein erfülltes und glückliches Le-ben. Während der Spielzeit der Theaterim In- und Ausland war er viel auf Rei-sen, um bei Aufführungen seiner Opernletzte Proben zu überwachen, selbst zudirigieren und damit für möglichst guteAufführungen zu sorgen, die über denAlltagsbetrieb hinausgingen. Innerhalbverhältnismäßig kurzer Zeit dirigierte erden „Evangelimann“ in Budapest, Mann-heim, Weimar, Gotha und Stuttgart.5

Im Oktober 1917 übersiedelten Herrund Frau Kienzl nach Wien, der langjäh-

2 Lebenswanderung, S. 29–78.3 Lebenswanderung, S. 106.4 Lebenswanderung, S. 79–144.5 Tages-Post, 28. November 1900, S. 6 [Anonym],

Der Evangelimann.

Lili Kienzl, geb. Hocke, erste Ehefrau des Kompo-nisten.

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rige Sommeraufenthalt in Bad Ausseeblieb davon unberührt. Er wollte lieberin der Großstadt der Letzte als in derProvinzstadt der Erste sein.6 Nach LilisTod (1919) heiratete Kienzl 1921 dieSchriftstellerin Helene Bauer, geb. Leh-ner, die ihm mehrere Textbücher lieferteund die Wohnung zu einem der bekann-testen gesellschaftlichen MittelpunkteWiens mit regelmäßigen Sonntagsmati-neen werden ließ.

Bald nach 1925 war Kienzls kompo-sitorisches Schaffen im Wesentlichen ab-geschlossen. Eine Tagebucheintragungdokumentiert seine damalige künstleri-sche Verfassung: „Mich macht die Mo-derne ganz irre. Ich kann und will nichtatonal sein, aber ebenso wenig banaloder veraltert.“7

Sein Leben ging bei geselligem Ver-kehr und regem Gedankenaustausch mitfreundschaftlich verbundenen Leutenzum Teil mit zahllosen Briefen weiter.Die runden Geburtstage 1927 (Siebziger)und 1937 (Achtziger) waren mit vielenGlückwunschschreiben, großen Feiernund Festaufführungen verbunden. DieJahre nach 1938 brachten Aufregungenund Sorgen; 1940 stellten sich gesund-heitliche Störungen ein. Am 3. Oktober1941 ist in Wien der Tod fast unmerklichund schmerzlos eingetreten. Die Ge-meinde Wien widmete ihm am Zentral-friedhof ein Ehrengrab.8

2. Das musikalische Schaffen

Als Komponist ging Kienzl seinen ei-genen Weg. Wie viele seiner Generationwar er in jungen Jahren vom Schaffen Ri-chard Wagners beeindruckt, verstand esaber, sich aus dessen Schatten zu lösen.Mit der leicht fasslichen Sprache seinerMusik hat er sich als „Hüter des klas-sisch-romantischen Erbes“ mit hohemKönnen, sprechender Musik und Sinnfür dramatisch wirksame Stoffe das Pu-blikum erobert. Auf diese Weise wurdeer einer der bedeutendsten Repräsentan-ten einer spezifisch österreichischenVolksoper. Für sie ist eine eigenartigeMischung aus heimatlichen, romanti-schen und veristischen Elementen cha-

6 Lebenswanderung, S. 217.7 Hans Sittner, Kienzl – Rosegger, Wien 1953, S.

263.8 Hans Sittner, Wilhelm Kienzl (1857–1941),

in: Große Österreicher (Neue ÖsterreichischeBiographie ab 1815), Bd. 10, Wien 1957,S. 114 f.

Portraitfoto im Postkartenformat. Wilhelm Kienzl.Oö. Landesmuseum

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rakteristisch.9 Das Werkverzeichnis um-fasst 123 Opuszahlen, darunter zehnBühnenwerke.10

Urvasi, Oper nach dem Indischen desKalidasa in drei Aufzügen (Text von Al-fred Gödel), 1884Uraufführung: 20. Februar 1886, Dres-denNeufassung:Uraufführung: 11. Dezember 1887, Graz

Heilmar der Narr, Oper in drei Aufzügenund einem Vorspiel (Dichtung von Dr.W. Kienzl sen.), 1891Uraufführung: 8. März 1892, MünchenNeufassung: HeilmarUraufführung: 28. Jänner 1902, Berlin,Königliche Oper

Der Evangelimann, ein musikalischesSchauspiel in zwei Aufzügen (Dichtungvon Dr. Wilhelm Kienzl nach Dr. Leo-pold Florian Meißners Erzählung), 1894Uraufführung: 4. Mai 1895, Berlin

Don Quixote, eine musikalische Tragiko-mödie in drei Aufzügen (Dichtung vonDr. Wilh. Kienzl), 1897Uraufführung: 18. November 1898, Ber-lin

In Knecht Ruprechts Werkstatt, ein Weih-nachtsmärchenspiel in einem Akt (Dich-tung von Hildegard Voigt), 1907Uraufführung: 25. Dezember 1907, Graz

Der Kuhreigen, ein musikalisches Schau-spiel in drei Aufzügen (Dichtung von R.Batka nach R. Hans Bartsch’ Novelle„Die kleine Blanchefleur“), 1911Uraufführung: 23. November 1911,Wien, Volksoper

Das Testament, eine musikalische Komö-die in zwei Aufzügen (Dichtung von Dr.Wilh. Kienzl), 1916

Uraufführung: 6. Dezember 1916, Wien,Volksoper

Hassan der Schwärmer, Oper in drei Aufzü-gen (Dichtung von Henny Bauer), 1921Uraufführung: 27. Februar 1925, Chem-nitz

Sanctissimum, eine melodramatische Alle-gorie in einem Akt (Dichtung vonHenny Bauer), 1922Uraufführung: 14. Februar 1925, Wien

Hans Kipfel, Singspiel in einem Aufzug(Dichtung von Henny Bauer), 1926Uraufführung: 1926, Wien

Dazu kommen noch zehn Chor-werke mit Orchester, fast 100 A-cappel-la-Chöre, über 200 Sololieder, mehrereDuette, Orchesterlieder, Stücke für Kla-vier zwei- und vierhändig, für Harmo-nium und Orgel, einige Melodramen;mehrere Kammermusikwerke (darunterdrei Streichquartette), Orchesterwerke(darunter „Symphonische Variationenüber das Straßburglied“) und zahlreicheKlavierauszüge nach Opern und Orato-rien.11

3. Kienzls Opern am LinzerLandestheater

3.1. Einige Vorbemerkungen

Das Linzer Landestheater hat imLaufe seiner wechselvollen Geschichte

9 Vgl. Anm. 8, S. 114. – Hans Sittner, Am GrabeWilhelm Kienzls, in: Tages-Post, 31. Oktober1941, S. 4. – Derselbe, Artikel Kienzl, in: DieMusik in Geschichte und Gegenwart, Kassel1958, Bd. 7, Sp. 891 (zitiert als MGG).

10 Vgl. Anm. 7, S. 273 f. – MGG, Bd. 7, Sp. 888.11 Vgl. Anm. 8, S. 115 f.

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und künstlerischen Entwicklung meh-rere Bühnenwerke Kienzls herausge-bracht, und zwar erstmals:

Urvasi: 11. Dezember 1886Der Evangelimann: 31. Jänner 1896Heilmar (der Narr): 2. November 1902In Knecht Ruprechts Werkstatt:22. Dezember 1908Der Kuhreigen: 2. März 191212

Dass diese Liste seinerzeit nicht län-ger wurde und auch das spätere Schaf-fen nicht erfasste, hat mehrere Ursachen.Diese brachte der Theaterhistoriker undGermanist Dr. Heinrich Wimmer aufden Punkt.13 Von April 1914 an verfügtedas Theater fünfeinhalb Jahre (bis zurSpielzeit 1919/20) über kein eigenesOpernensemble. Als Folge der allgemeinschlechten wirtschaftlichen Lage nachdem Ersten Weltkrieg begann anfangsder Zwanzigerjahre für das Linzer Thea-ter wieder eine Zeit des künstlerischenAbstiegs, der mit wenigen Unterbre-chungen bis 1932 anhielt. Die in diesemJahr drohende endgültige Sperre desTheaters hat Direktor Ignaz Brantner mitviel Tatkraft überwunden, und er wagte1937 die Wiedereinführung der ständi-gen Oper.

Einen späten Nachzügler bei denErstaufführungen bildet „Das Testa-ment“ mit der Premiere am 3. Dezember2006 (!) aus Anlass der Feier des 150. Ge-burtstages Kienzls.

Die vorstehende Titelaufzählung bil-det wohl ein Gerüst mit interessantenDetails, doch Informationen über leben-diges Theater bleiben ausgespart.Darum sind einige grundsätzliche, frei-lich nur oberflächliche Fakten und Über-legungen angebracht, welche einige Ei-gentümlichkeiten und Sachzwänge aus

dem seinerzeitigen Alltag des „Betriebes“Theater enthalten.

Das Landestheater war ein Privat-unternehmen, geführt von einem Direk-tor mit vollem finanziellen Risiko, frei-lich oft mit letztlich unzureichendenSubventionen. Er musste mit Wasser ko-chen, denn erst der Erfolg eines vielleichtwertlosen, aber wirksamen Stückes er-möglichte ihm, ausgezeichnete, aber we-niger gängige Werke zu bringen.

Die Spielzeit reichte meistens vonEnde September bis in die Monate Apriloder Mai, die Oper endete oft früher.Der sehr abwechslungsreiche Spielplanumfasste die ganze breite Angebotspa-lette mit den Titeln aus Posse bis zurgroßen Oper. Daher waren in der Regelkeine hohen Aufführungszahlen bei deneinzelnen Werken zu erreichen.

Das Publikum verlangte nach Ab-wechslung, und so waren beliebte underfolgreiche Stücke durch Jahre hin-durch im Laufe einer Saison ein- oderzweimal zu sehen.

Der Personalstand umfasste mit ei-ner gewissen Schwankungsbreite im 19.Jahrhundert und auch noch darüber hin-aus neben den Darstellern für Oper,Operette und Schauspiel etwa 20 Chor-mitglieder und um die 30 Orchestermu-siker, die bei großen Werken mit Kräftender jeweils in Linz stationierten Regi-mentskapellen verstärkt wurden.

Das Schicksal der Linzer Bühneheißt auch heute noch wie in der Vergan-genheit: Anfänger finden eine Startbasis,prächtige Stimmen lassen sich nur eine

12 Heinrich Wimmer, Das Linzer Landestheater1803–1958, Linz 1958, S. 125 (zitiert als Wim-mer 1958).

13 Wimmer 1958, S. 77–82.

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begrenzte Zeit halten, den Ensemblekernbilden verlässliche, langjährige Mitglie-der, die oft bis zur Pensionierung blei-ben.

Mit all dem waren Wilhelm Kienzlund seine Werke von Anfang an kon-frontiert.

Bei der Besprechung der einzelnenAufführungen und ihrer Charakteristikageht es in erster Linie um das Vermittelneines Gesamteindrucks. Dazu dienenAusschnitte aus seinerzeitigen Zeitungs-berichten, welche der weit verbreitetenTages-Post entnommen sind und in un-terschiedlichem Umfang auf das We-sentliche gekürzt wurden.14 Von dieserVorgangsweise sind meist die Leistun-gen der Sänger betroffen – Ausnahmenbestätigen die Regel –, denn immer wie-der ist von einigen guten und einigenweniger zufriedenstellenden die Rede.So weit wie möglich und überliefert wer-den die übrigen Leistungen des Theatersvorgestellt. Dabei ist immer wieder zuberücksichtigen, dass aus den alten Tex-ten die seinerzeitigen Wert- und Bewer-tungsmaßstäbe sprechen, die mit heuti-gen Vorstellungen nicht unbedingt im-mer zu vergleichen sind.

3.2. Urvasi15

Der Opernerstling nach einem indi-schen Stoff bringt ein poetisches Mär-chen, umkreist „die irdische und himmli-sche Liebe“ und enthält viel orientali-schen Zauber. Die Musik verwendetdurchwegs das System der Leitmotive,macht aber auch von der periodisch ge-bauten Kantilene in reichstem Maße Ge-brauch. Die Uraufführung in Dresdenam 20. Februar 1886 war „unvergeßlich

würdevoll“ in der reichhaltigen Aus-stattung mit Dekorationen und Kostü-men.16

Bereits damals rührte die Linzer Zei-tung Tages-Post kräftig die Werbetrom-mel für diese Oper mit der Wiedergabeeiner telegraphischen Meldung ausDresden über einen „kolossalen Erfolg“.Es folgten der Abdruck des ausführli-chen Berichts in der „Frankfurter Zei-tung“ und schließlich Auszüge aus Be-sprechungen in verschiedenen deut-schen Zeitungen.17

Linzer Erstaufführung am 11. Dezember1886Direktion: Julius Laska

Bereits die nächste Bühne war Linzund vermittelte somit die österreichischeErstaufführung. Damals leitete JuliusLaska sehr verdienstvoll das Theater,schenkte der Oper großes Augenmerkund brachte eine Reihe von Wagner-Werken heraus, darunter erstmals „DieMeistersinger“. Der Komponist Kienzlwar damals in der Stadt durch mehrereKonzerte nicht mehr ganz unbekanntund wurde schon 1884 als „der genialeLandsmann“ genannt.18 Der Premieregingen in der Tages-Post mehrere infor-mative Kurzmeldungen und eine ausge-

14 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit der fol-genden Zeitungsberichte sind die durch Kür-zung entfallenen Passagen und kleine Wortum-stellungen nicht extra angezeigt.

15 Berichte Kienzls über das Werk in „Lebenswan-derung“, S. 279–285.

16 Lebenswanderung, S. 280 ff.17 Tages-Post, 23. Februar 1886, S. 4; 25. Februar

1886, S. 4; 23. März 1886, S. 1 f.18 Wimmer 1958, S. 53–56. – Franz Pfeffer, Wil-

helm Kienzl 70 Jahre. Wilhelm Kienzl auf derLinzer Bühne, in: Linzer Volksblatt, 16. Jänner1927, S. 7.

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Linzer Landestheater: Plakat zu „Urvasi“. Oö. Landesmuseum

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wachsene „kurze Inhaltsangabe“ vor-aus.19 Die Aufführung motivierte denBerichterstatter Dr. Emil Kränzl20 zu ei-nem sehr langen Artikel, in welchem erauf das Werk einging, interessante kom-positorische Einzelheiten hervorhob,den Komponisten und sein bisherigesSchaffen vorstellte. Damit hat er nach ei-genen Worten den Rahmen einer Tages-kritik (Tages-Post 14. Dezember 1886,S. 4 f.) weit überschritten.

Sein Urteil über die Aufführungleicht gekürzt:

„Was nun die Aufführung derKienzl’schen Oper auf unserer Bühneanbelangt, so muß man gerechter Weiseanerkennen, daß alles, was in den Kräf-ten einer Provinzbühne steht, geschehenist, um dieselbe zu einer möglichst wür-digen zu machen. Daß bei einem so au-ßerordentlich schwierigen Werke dasKönnen mit dem Wollen nicht immergleichen Schritt gehalten hat, ist begreif-lich. Vor allem muß Herr Bandrowsky21

hervorgehoben werden, welcher die äu-ßerst anstrengende und schwierige Rie-senpartie des Königs mit großer Aus-dauer bewältigte und seine prächtigeStimme und sein dramatisches Talentneuerdings in bestem Lichte erscheinenließ. Wieder ganz in ihrem eigentlichenElemente war Fräulein Schindler alsAusinari; sie gab das liebeglühende, ver-schmähte Weib in jeder Hinsicht sehr er-greifend und sah auch sehr vortheilhaftaus. Daß Fräulein Imlauer als Urvasinicht genügen würde, war vorauszuse-hen und ist dies auch von einer Anfänge-rin in einer Oper, die geübten SängernSchwierigkeiten bereitet, nicht zu ver-wundern. Auch sollte sie darauf achten,nie vom Publikum abgewandt und auchim Pianissimo immer noch verständlich

und hörbar zu singen; ihre schauspiele-rische Unbehilflichkeit wurde ebenfallsmanchmal empfindlich fühlbar. Zu er-wähnen sind noch Herr Ganzemüller,der zum Manava die nöthige Stimm-kraft mitbringt und Frl. König, welchenur in letzter Zeit öfters zu distonierenpflegt. Daß man sich von der Wirkungder Chöre nach der hiesigen Aufführungnicht die richtige Vorstellung macht, istklar. Das Orchester bewältigte unter Lei-tung des Herrn Floderer seine schwierigeAufgabe, zu der es numerisch zu geringist, nach besten Kräften und sehr aner-kennenswert.

Besondere lobende Erwähnung ver-dient die Regie. Die Ausstattung war füreine Provinzbühne thatsächlich prächtig.

Die Oper erfreute sich einer äußerstgünstigen, ja geradezu stürmischen Auf-nahme, und wurden Darsteller, Kapell-meister, Regisseur, Director und nament-lich der Componist, der einen Lorbeer-kranz erhielt, unzähligemale gerufen.“

Die Einstudierung stand unter derLeitung des (damals) bekannten Diri-genten und Komponisten Wilhelm Flo-

19 Tages-Post, 10. Dezember 1886, S. 3; 11. De-zember 1886, S. 3 f.

20 Biographisches zu Dr. Emil Kränzl: geb. 1863 inRied/Innkreis, Beamter bei der Post- und Tele-graphendirektion Linz, zuletzt Vizepräsidentund Hofrat, langjähriger Musikkritiker der Ta-ges-Post; verheiratet mit der Schriftstellerin Su-sanne (Susi) Wallner; gest. 1943 in Linz (Quelle:Archiv der Stadt Linz).

21 Biographisches zu Alexander von Bandrowski:geb. 1860 in Galizien, gest. 1913 in Krakau, Te-nor. Beginn der Bühnenkarriere 1882 in Prag,Engagements u. a. 1886/87 in Linz, 1888/89 inGraz, an vielen großen und internationalenHäusern, Leitung der Oper in Krakau 1905/08,übte auf das Musikleben seiner Heimat großenEinfluss aus (vgl. Kutsch/Riemens Großes Sän-gerlexikon).

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derer. Sie erreichte bis Saisonende sie-ben Aufführungen, eine damals unge-wöhnlich hohe Zahl angesichts von 48Opernabenden mit 23 verschiedenen Ti-teln in der Spielzeit 1886/87. Es ist nichtverwunderlich, dass Kienzl bei einemsolchen Fließbandbetrieb vorsorglich zuden Proben nach Linz gekommen ist. –Weitere Details über diese Saison verdie-nen vermerkt zu werden: Der Chor um-fasste 14 Herren und 15 Damen, das Or-chester 30 Mann. Die Ausstattungsko-sten verschlangen für die Kienzl-Operviel Geld, denn die neuen Dekorationenim 3. Akt (Urwald mit Wasserfall, Rosen-dekoration und himmlische Chöre) so-wie den Wolkenwagen im 1. Akt liefertedas Atelier der k. k. HoftheatermalerKautzky und Brioschi.22 Zusammen mitden Erfordernissen für die Novität „Fern-ando“ vom Linzer Wilhelm Flodererwurden hiefür in Summe 1740 Guldenbezahlt.23

Das weitere Bühnenschicksal der Operin Linz

Saison 1887/88Diese Kienzl-Oper war vom Publi-

kum geschätzt und stand daher auch inder nächsten Saison wieder auf demSpielplan (Premiere 25. Jänner 1888), wo-bei die beliebte Altistin Frl. König, ausder letzten Saison bekannt und dann amStadttheater Nürnberg, ein einmaligesGastspiel gab. Dem Bericht in der Tages-Post von Dr. Emil Kränzl (27. Jänner1888, S. 4) ist gekürzt zu entnehmen: Diesängerischen Leistungen des Ensembleswaren gut, einzelne sogar herausragend.„Im allgemeinen ging die Aufführungdieser äußerst schwierigen Oper rechtgut vonstatten. Ausstattung und Be-leuchtung waren wohl gelungen. Wasdie Tempi anbelangt, hätte – namentlich

im ersten Akt – eine größere Zurückhal-tung der Klarheit oft wesentlich genützt.“

Bei dieser Aufführung lieferte einZwischenfall Gesprächsstoff. Bei einerspannenden Szene kamen plötzlichmehrere Aufschreie von der 3. Galerieund wurden von einer erschrockenenChoristin auf der Bühne wiederholt. Dieübrigen Sänger ließen sich aber nicht be-irren. Die Ursache: Ein Mädchen schiensich den dargestellten Liebesschmerz sozu Herzen genommen zu haben, dass esHerzkrämpfe bekam und zu schreien be-gann. Nach ärztlicher Hilfe hat es sichbald wieder erholt.

Saison 1888/89Die Oper war auch am 6. April 1889

bei einem Gastspiel Grazer Kräfte unterder Leitung des Komponisten zu hören.Es sangen dessen Gattin in der Titelrolle,weiters die Primadonna Kraemer-Widlund der Heldentenor Alexander vonBandrowsky, beide von der GrazerOper. Wieder berichtete Dr. Kränzl inder Tages-Post (10. April 1889, S. 5) rechtausführlich, hier stark gekürzt wiederge-geben:

„Dennoch geschah in der neuerli-chen Aufführung der Oper ,Urvasi‘ dasMöglichste, um die Aufführung zu einer,soweit es die Verhältnisse gestatten,möglichst würdigen zu machen, wofürnamentlich auch die persönliche Leitungdes Componisten Bürgschaft leistete.Die Titelrolle gab Frau Kienzl mit besterWirkung und war in allen Einzelheitendie sorgfältige Durcharbeitung und Aus-feilung angenehm bemerkbar. Eine in je-

22 Aus dem großformatigen Plakat für die Pre-miere.

23 Dr. A. E., Landes-Theater in Linz I, in: LinzerVolksblatt, 12. Mai 1887, S. 3.

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Titelblatt des Klavierauszuges zu „Urvasi“. Oö. Landesmuseum

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der Richtung vorzügliche Interpretinfand die Partie der Ausinari in Frau Krae-mer-Widl, welche von ihrem ehemaligenEngagement an unserem Theater nochin freundlichster Erinnerung steht. Alseinen guten Bekannten begrüßte das Pu-blicum auch Herrn Bandrowsky. Seineweiche Gesangsweise und die schöne,höchst wohlklingende Stimme erwarbenschon damals allgemein die größte An-erkennung.

Das Orchester sieht sich in dieserOper einer besonders schwierigen Auf-gabe gegenüber. Die Anforderungensind in dieser Richtung so groß, daßthatsächlich nicht viele Orchester den-selben vollauf genügen werden. Weich-heit, Schmiegsamkeit und Schmelz,feine Abtönung und Vermittlung derKlangfarben usw. sind die nothwendi-gen Voraussetzungen, dem unser Orche-ster trotz der Tüchtigkeit einzelner Mit-glieder in seiner Gesammtheit durchausnicht nachkommen kann.

Der Componist dirigierte mit Feuerund Energie, doch müssen wir rückhalt-los bekennen, daß uns die Wahl der Zeit-maße häufig überraschte. Es schien unsdurch die gewählten raschen Zeitmaßenicht selten der Eindruck des Maleri-schen, Schwärmerischen – der Hauptreizdes Werkes – gestört. Dem Musiker ist jabekannt, daß man über manche Klippeleichter hinwegkommt, wenn man sie inraschem Zuge nimmt, während ein brei-teres Zeitmaß die Schäden der Tonent-wicklung und Durcharbeitung weitmehr ans Tageslicht bringt.“

Auch die Aufführungen in Graz,Wien, Pressburg usw. konnten demWerk keinen dauernden Platz im Reper-toire sichern, schrieb Kienzl selbst.24

Allzu empfindliche Breiten haben den

Komponisten bewogen, Neubearbeitun-gen und Kürzungen vorzunehmen. Den-noch ist die Partitur auch in der Neufas-sung eine in Musik gesetzte erzählendeDichtung geblieben.25 In dieser „konzise-ren Gestalt“ kam es zu Aufführungenerstmals in Graz 1910 und dann 1912 inLinz. Somit war diesem Erstling nur einekurze Wiederauferstehung beschieden.26

Saison 1912/13Die Linzer Premiere in der Neufas-

sung am 10. Dezember 1912 erfolgte imRahmen des dreiteiligen „Wilhelm-Kienzl-Zyklus“ als 1. Abend. Über sie be-richtete Aemilian Posch27 (Tages-Post,13. Dezember 1912, S. 9 f.), auszugsweisewiedergegeben:

„Die Aufführung des ,Urvasi‘ warkeine unwürdige und wurde vom Publi-kum mit großer Zustimmung aufge-nommen. So bekamen wir in dem be-sonders malerisch wirkenden Schlusseerfreuende Bilder zu sehen. Die Chorlei-stung der Frauen war überraschend si-cher, gerundet und klangschön, demmännlichen Gefolge des Königs pas-sierte auch kein Uebel, der gemischteGesamtchor steigerte den Opernschlußzu einem voll- und wohltönenden Zu-sammenklange. Das Orchester wußteseine harmonisch stützende und male-risch-schildernde selbständige Aufgabebestens in das Licht zu stellen und da-durch dem Werke einen bleibenden Ein-druck zu sichern.“

24 Lebenswanderung, S. 283.25 Tages-Post, 7. Dezember 1912, S. 11 f.26 Lebenswanderung, S. 283.27 Biographisches zu Aemilian Posch: geb. 1834 in

Braunau, gest. 1925 in Linz. Oberlehrer, Musik-schriftsteller, langjähriger Mitarbeiter der Ta-ges-Post für Opern- und Konzert-Berichte.

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Dem Bericht ist weiters zu entneh-men: Die Leistungen des Sängerensem-bles waren uneinheitlich. Es gab hiefürrauschende Zustimmung, prächtigeStimmmittel und innig schlichten Aus-druck, eine blühende Stimme und natür-liches Spiel, aber auch vollkommen un-zureichendes Spiel. Insgesamt wurdefestgestellt: „In ,Urvasi‘ sind bleibendeWerte geborgen, sie sollten nicht wiederso lange ungehört bleiben.“

Linzer Aufführungsstatistik (Wim-mer-Statistik)28 von 1886 bis einschließ-lich 1912: zwölf Vorstellungen.

Wenn man von der Wiedergabe inRadio Wien (Ravag) am 15. Jänner 1932unter dem Dirigenten Dr. Ludwig Kaisermit dem Volksopernorchester und demStaatsopernchor absieht, ist die Oper inder Versenkung verschwunden.29 Sie istdem Bewusstsein des Publikums entglit-ten, genauere Ausführungen in Nach-schlagewerken fehlen.

3.3. Der Evangelimann30

Bereits die dritte Oper mit dem Titel„Der Evangelimann“ begründete den in-ternationalen Ruf des Komponisten undwar jahrzehntelang ein fixer Bestandteildes Theaterrepertoirs.

Die Oper basiert auf einer Erzählungder Sammlung „Aus den Papieren einesPolizeicommissärs“ von Dr. Leopold Flo-rian Meißner – k. k. Regierungsrat, frü-her Polizeikommissär, dann Rechtsan-walt – und handelt, scheinbar aus demLeben gegriffen, von schwer geprüftenMenschen; Mathias Freudhofer, Amts-schreiber im Kloster St. Othmar, liebtMartha, die Nichte und Mündel desPflegers im Kloster. Auch sein Bruder Jo-

hannes, Lehrer im Kloster, ist in Marthaverliebt und missgönnt jenem das Mäd-chen. Er steckt in rasender Eifersucht dieTenne des Klosterhofs in Brand undlenkt den Verdacht auf den Unschuldi-gen, der mit 20 Jahren Kerkerhaft be-straft wird. Martha begeht Selbstmord,Mathias zieht, aus der Haft entlassen,umher, liest den Leuten gegen Almosenaus der Bibel vor und trifft auf Umwe-gen seinen inzwischen schwer krankenBruder Johannes. Dieser bittet um Verge-bung, erhält sie schweren Herzens, undbei seinem Sterben erklingt das zumVolkslied gewordene „Selig sind die Ver-folgung leiden“.

Lange Jahre wurde angenommen,der Autor der Erzählung habe als Poli-zeibeamter aus den Tatsachen geschöpftund die seinerzeitigen Ereignisse veröf-fentlicht. Und diese verwendete Kienzl,wenn auch mit einigen Änderungen undErweiterungen der Handlung, für seinLibretto. Erst die Veröffentlichung„(K)ein Evangelimann. Die historischeBrandlegung“ aus 1990 von Dr. ViktorRedtenbacher zeigte auf Grund langwie-riger Detailforschungen den tatsächli-chen Ablauf der Ereignisse: Der Schuld-lose hieß Leopold Schwerdtfeger ausPaudorf (Niederösterreich), wurde nichteingekerkert, fand Zuflucht im StiftGöttweig und wurde dort als Pater En-gelbert 1846 zum Abt gewählt. Zu einerVersöhnung mit dem Bruder ist es niegekommen. – Aus diesen Tatsachen er-gibt sich, dass in der literarisch umge-

28 Im Besitz des Verfassers.29 Vgl. Anm. 7, S. 204. – Tages-Post, 15. Jänner

1932, S. 4.30 Bericht Kienzls über das Werk in „Lebenswan-

derung“, S. 291–304.

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Linzer Landestheater: Plakat zu „Der Evangelimann“. Oö. Landesmuseum

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Handschriftliche Widmung des Klavierauszuges zu „Der Evangelimann“. Oö. Landesmuseum

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formten Geschichte der Ort, die Namenund Jahreszahl mit Rücksicht auf seiner-zeit noch lebende Verwandte verändertwurden. Das Auseinanderklaffen vonDichtung und Wahrheit tut in diesemFall nichts zur Sache: Die dramatischeKonstellation ist gerade recht für dieBühne und lag beim Dichter-Komponi-sten Kienzl in guten Händen.

Der Komponist stieß durch Zufall ineinem Reclam-Heft auf diese Geschichte.Während eines Sommerurlaubs in Lofer(Salzburg) 1893 wurden Skizzen erstellt,die Niederschrift des Librettos und derPartitur erfolgte dann in Vöcklabruck,Linz, Graz und Bad Aussee. Mitte Jänner1894 war die Komposition vollendet.31

Die Uraufführung am 4. Mai 1895am Königlichen Opernhaus Berlin unterdem Dirigenten Dr. Karl Muck führte zu„tiefer Ergriffenheit und einmütiger Zu-stimmung“ beim Publikum.32 Auch dieTages-Post meldete den Linzern „einenbedeutenden Erfolg“.33 Erwähnenswertüber Linzer Lokalgeschichte hinaus ist,dass Schwiegervater Dr. EmmerichHocke sen. die Figurinen zur Oper er-gänzte, da echt österreichische Trachtenaus der Zeit von Andreas Hofer ge-wünscht wurden.34

Der Siegeszug dieser Oper ließ sichnicht mehr aufhalten. „Im zweiten Jahrfiel bereits im Durchschnitt auf jedenTag des Jahres eine Aufführung.“ Vorstel-lungen leiteten große Dirigenten wieMahler, Mottl, Muck, Schalk, Schuch,Richard Strauss, Weingartner. Kienzlhieß – nicht zuletzt wegen seines altehr-würdigen Erscheinungsbildes mit lan-gem Bart – von nun an „Evangelimann“und sollte immer wieder nur „einenEvangelimann“ schreiben. Das nannte erselbst „die Tragik des Erfolges“.35

Es gab Aufführungen an großen undkleineren Bühnen, auch in Übersee, na-türlich auch glanzvoll am 11. Jänner1896 an der Wiener Staatsoper (früher:Hofoper), bei der es die Zensurbehördefür notwendig erachtete, einige Textstel-len aus Rücksicht auf die kirchlich aus-gerichteten Gemüter der Habsburger-dynastie zu ändern. Anstoß erregte daslandesübliche „Gelobt sei Jesus Chris-tus“, ersetzt durch „Gelobt sei Gott imHimmel“.36

Linzer Erstaufführung am 31. Jänner1896Direktion: Heinrich Skriwanek

Die Oper „Der Evangelimann“ hattein Linz keinen leichten Start, wie die Ta-ges-Post noch einige Jahre später berich-tete:37 „Der gute Direktor hatte sichlange gesträubt, dieses volkstümlicheTonwerk zu geben; er meinte in seinerBonhomie,38 der ,Müllimann‘39 werdeauch nichts Besonderes sein. Schon derChoral bei geschlossenem Vorhange warihm zu lang und viele Einwürfe machteauch der damalige Kapellmeister.40 Und

31 Lebenswanderung, S. 291–295.32 Ebenda, S. 295–298.33 Tages-Post, 7. Mai 1895, S. 6.34 Der Verbleib der Originale konnte noch nicht

ermittelt werden.35 Lebenswanderung, S. 298, 304.36 Lebenswanderung, S. 300 f.37 [Anonym], Der Evangelimann, in: Tages-Post,

28. November 1900, S. 6. – An diese Einstellungdes „unmusikalischen Direktors“ und seinenAusspruch „Den Müllimann gebe ich nicht“ er-innerte sich noch Aemilian Posch in hohem Al-ter (vgl. Aus Kunst und Leben. Erinnerungenvon Aemilian Posch, in: Tages-Post, 1. Jänner1925, S. 21).

38 Bonhomie bedeutet Gutmütigkeit, Biederkeit.39 Bedeutet Milchmann und ist als Abwertung zu

verstehen.40 Kapellmeister war Josef Trummer.

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dann brachte die neue Oper volle Häu-ser und Skriwanek saß schmunzelndund breit in seiner Parterreloge undschaute wohlwollend in den dichtbesetz-ten Zuschauerraum.“

Der weit ausholende Bericht überdie Linzer Premiere von Dr. Kränzl (Ta-ges-Post, 2. Februar 1896, S. 6 f.) bringtInformationen über das Künstlertum desKomponisten, den Stoff und die Hand-lung des Werkes sowie über die Qualitä-ten der Musik. Über die Aufführungselbst schreibt er:

„Was nun die Aufführung auf derLinzer Bühne anbelangt, so waren na-mentlich im Orchester noch mancherleiSchwankungen und Unebenheiten zuverspüren. Die Vorbereitungszeit wareine zu kurze. Inszeniert war das Stückübrigens recht gut. Es war ein Glück fürunsere Aufführung, daß der Componistanwesend war und die Generalprobe lei-ten konnte. Von den Darstellern ragtenFräulein Cardis (Martha) und Herr Vic-tor (Johannes) hervor, die ihr Bestes bo-ten. Herr Hanschild (Mathias) hätteseine Rolle recht gut aufgefaßt, mußteaber mit seinem Stimmübel kämpfenund war auch musikalisch noch nichtvollkommen seiner Partie sicher. Letzte-res trifft auch bei Herrn Borkovsky (Ju-stiziär) zu, während Fräulein Mira (Mag-dalena) annähernd entsprach. Die Operleitete Herr Trummer.

Das Werk wurde wie überall auch inLinz mit stürmischem Beifalle aufge-nommen. Die Zuhörerschaft ehrte denanwesenden Componisten, unserenLandsmann, mit ungezählten Hervorru-fen und einem Lorbeerkranze.“

Diese Oper erzielte bis zum Ende derSpielzeit 1895/96 insgesamt elf Vorstel-lungen, daher durchschnittlich jede Wo-che etwa eine Wiedergabe; im Kalender-

jahr waren es 17 Aufführungen, die aufdie große Zugkraft dieses Titels hinwei-sen.

In den Jahren nach der Linzer Erst-aufführung stand „Der Evangelimann“oftmals im Abstand von ein oder zweiJahren, manchmal in längeren Serien,auf dem Programm.

Als besondere Aufführungen sind fest-zuhalten:

Saison 1900/01 – 25. AufführungDer Komponist dirigierte gerne Jubi-

läumsvorstellungen, so die 25. Auffüh-rung in Linz am 30. November 1900,41

und war bei den Proben anwesend. Inder Tages-Post vom 2. Dezember 1900,S. 7, erschien ein ausführlicher Bericht,dessen erster, namentlich nicht gezeich-neter Abschnitt auch einen kleinen Fest-abend im Hotel „Zum roten Krebsen“ er-wähnt. Daraus haben wir gekürzt ent-nommen:

„Eine feierliche Festesstimmunggieng [sic!] durch das ganze, in allen sei-nen Räumen dicht besetzte Haus. DasDirigentenpult schmückte ein Lorbeer-kranz mit rother Schleife. Dr. Kienzl diri-gierte elegant und ruhig, aber man sieht,wie er Orchester und Sänger vollständigin seinen Bann zwingt. Er hatte mancheStriche wieder aufgemacht, mancheSchönheit wieder hergestellt, die imLaufe der vielen Vorstellungen verlorengegangen waren. Die Vorstellung wirkteso frisch und so tief.“

Im zweiten Abschnitt des Berichtesliefert Aemilian Posch, der Opernrefe-rent der Zeitung, aufschlussreiche Infor-mationen. Die wesentlichsten sind in

41 Das in der Literatur genannte Datum 28. No-vember 1900 ist demnach falsch.

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den folgenden auszugsweise wiederge-gebenen Passagen zusammengefasst.

„Das übervolle Haus nahm das Mu-sik-Schauspiel mit tiefgehender Rüh-rung hin. Dr. Wilhelm Kienzl, der sichzum erstenmale als Gastdirigent vor-stellte, zeigt sich mehrfach unserm Diri-genten-Ideal Hans Richter verwandt. Dievortreffliche Haltung des Orchesters wareine Frucht der Wiederherstellung derursprünglich vom Componisten gegebe-nen Zeitmaße. Viele Partien des Werkeserschienen dabei in edlerer Fassung,wozu auch die reiche Farbenabstufung,die sich namentlich im Piano oft zu einerkammermusikmäßigen Rundung zu-sammenschloß, wesentlich beitrug.

Der als Gast herbeigerufene Opern-sänger Herr Charles Victor sang den Jo-hannes Freudenhofer [sic!]. Es ist nichtalltäglich, daß die Auffassung des Künst-lers und des Zuhörers in eine Einheitzusammenfallen und eine uneinge-schränkte Zustimmung zulässt. Die Fest-vorstellung des ,Evangelimann‘ war einEhrenabend für die Linzer Bühne, fürden Componisten und Gastdirigenten,für den Gastsänger, für die übrigen Soli-sten, dann für das Orchester und ein ho-her Genuß für die Zuhörer.“

Saison 1908/09Einige Jahre später – Premiere 23.

Oktober 1908 – ist wieder der Alltag ein-gekehrt. Das Publikum besuchte zahl-reich die Vorstellung und „auch an Bei-fall fehlte es nicht nach den einzelnenAktschlüssen, wenngleich die Auffüh-rung als solche nicht immer die allge-meine Zustimmung gefunden habendürfte“. Der Berichterstatter Posch gingauf die einzelnen Sängerleistungen imDetail ein und fand dabei einiges auszu-setzen. Er zog den Schluss, „Herr Regis-

seur Chlumetzky und KapellmeisterMaterna bemühten sich redlich um einewürdige Vorstellung des rührenden Wer-kes“.42 – Innerhalb der nächsten dreiWochen folgten noch zwei Vorstellun-gen.

Saison 1912/13 – 50. AufführungWie aus den vorliegenden Ausfüh-

rungen zu entnehmen ist, ließ sich dasLinzer Theater die Pflege von Kienzl-Opern angelegen sein und brachte beieinem dreiteiligen „Wilhelm-Kienzl-Zyklus“ den „Evangelimann“ als zweitenfestlichen Abend und gleichzeitig als 50.Linzer Vorstellung am 12. Dezember1912 heraus. Einen weiteren Anlass fürdieses Ereignis bildete die „vierzigjährigeKomponistentätigkeit“ Kienzls; dem-nach trat er bereits mit 15 Jahren schöp-ferisch an die Öffentlichkeit.

Der Aufführung, welche der Kom-ponist selbst dirigierte, gingen zwei „nor-male“ voraus, um den Darstellern einGefühl der Sicherheit zu geben. DieseVorstellungen dirigierte KapellmeisterAlfred Wolf aus dem eigenen Haus.

Dem namentlich nicht gezeichnetenBericht in der Tages-Post, 14. Dezember1912, S. 9, ist auszugsweise zu entneh-men:

„Das in allen Räumen dichtgefüllteHaus empfing den Tondichter, als er denDirigentensitz bestieg, mit lautem Bei-fallsjubel. Unter der befeuernden Lei-tung des Komponisten, der aus demWerke natürlich die verborgenstenSchönheiten herausholte, nahm die Vor-stellung einen außerordentlich glänzen-den Verlauf. Da der ,Evangelimann‘heuer bereits einige Mal aufgeführt unddie Aufführung als sehr gut anerkannt

42 Tages-Post, 27. Oktober 1908, S. 8.

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wurde, können wir uns daher auf ein Ge-samtlob beschränken und nur hervorhe-ben, daß Herr Dub den ,Evangelimann‘zu seinen besten Partien sowohl gesang-lich als auch schauspielerisch zählt.Auch die Träger der übrigen Hauptrol-len liehen ihren Aufgaben ihre schönenStimmittel und ihren ganzen Eifer. Derzweite Akt zeigte mit dem Hofe des Wie-ner Hauses eine neue Dekoration. Dr.Kienzl mußte immer wieder an der Seiteder Sänger auf der Bühne erscheinen,wo ihm nach dem ersten Akte ein mäch-tiger Lorbeerkranz überreicht wurde.

Der Aufführung wohnten die greiseMutter des Komponisten, dessenSchwester sowie dessen Bruder, der be-kannte Schriftsteller Hermann Kienzlaus Berlin, in der Direktionsloge bei.“

Im Jahr 1916 (während des Ersten Weltkrieges)Aemilian Posch, der langjährige

Opernberichterstatter der Tages-Post,überliefert in seinen Erinnerungen eineFestvorstellung vom „Evangelimann“,welche das Rote Kreuz 1916 veranlassthat. Sie wurde „unter tüchtiger Führungvon der Musikkapelle der Sappeurewürdig gespielt. Die Sänger dazu warenmit glücklicher Hand gefunden“ wor-den.43 – Weitere Informationen über dieAufführung konnten nicht ermittelt wer-den. Überdies ist ungewiss, ob sie imLandestheater stattfand.

Saison 1926/27Während der Direktionszeit von Al-

bert Hugelmann (1925–1930) gab es beider Oper nur Gastvorstellungen, die ge-gen Ende dieser Ära fast ganz aufhör-ten;44 daher verständlich, dass bei dieserSparte von „schmaler Kost“ für das Pu-blikum geschrieben wurde. Trotzdemwurde fast alle Jahre „Der Evangelimann“

gespielt. Eine bemerkenswerte Auffüh-rung brachte am 7. Oktober 1926 dasGastspiel des Tenors Anton Maria To-pitz, eines gebürtigen Oberösterreichersund damals in Berlin, in der Rolle desMathias. In weiteren Rollen waren alsGäste zu hören: Emmerich Schreiner(langjähriger Bariton der Grazer Oper)als Johannes; Vally Fiori (Wien) als Mar-tha und Fritz Baschata (Wiener Volks-oper) als Justitiär, beide ehemalige LinzerKräfte, die eine schöne Karriere gemachthaben; weiters Hedda Grab (Wien) alsMagdalena. Den Rest stellten Mitgliederdes Linzer Theaters.45

Dem Bericht von Franz Gräflinger46

(Tages-Post, 9. Oktober 1926, S. 8) ist inKurzfassung zu entnehmen:

„Die Nebenpartien waren ungleichbesetzt, es haperte dort und da. DerChor begnügte sich, im zweiten Aktesich mit ,Schwimmtempi‘ über Wasserzu halten. Das verstärkte Orchester warambitioniert bei der Sache, nur die Stim-mung war manchmal nicht rein und dastiefe Blech zu wenig ,ausgeputzt‘. Kapell-meister Häfner leistete respektable Ar-beit, nur konnte er hin und wieder diesich lockernden Fäden des Ensemblesnicht straffen. Der Regie war wohl zukurze Gelegenheit zur Probung gegeben.Die Kinderszenen schienen ungeprobt.

43 Aus Kunst und Leben. Erinnerungen von Aemi-lian Posch, in: Tages-Post, 1. Jänner 1925, S. 20.

44 Wimmer 1958, S. 78 f.45 Tages-Post, 7. Oktober 1926, S. 10.46 Biographisches zu Franz Gräflinger: geb. 1876

in Linz, gest. 1962 in Bad Ischl, Beamter des Lin-zer Magistrats. Er war einer der wichtigstenBruckner-Forscher, sehr fleißiger Publizist, an-gesehener Musikkritiker der Tages-Post seit1919, lebte bis 1937 in Linz, 1937–1944 in Wien,ab 1944 in Bad Ischl (vgl. Ein Bruckner-Hand-buch, Hg. Uwe Harten, Salzburg 1996, S. 180 f.).

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Gleichviel, die Direktion bemüht sich,die Oper in Linz zu pflegen.“

Saison 1937/38Eine passende Aufführung zum 80.

Geburtstag Kienzls konnte 1937 zumrichtigen Termin wegen der sehr missli-chen Lage des Theaters nicht stattfin-den.47 Direktor Ignaz Brantner program-mierte „Evangelimann“ für den Beginnder Opernspielzeit mit der Premiere am8. Oktober 1937, denn Linz hatte erst indiesem Herbst nach langer Pause wiederein eigenes Opernensemble. Die nächsteAufführung am 10. Oktober besuchteder Jubilar.48 Diese Einstudierungbrachte es auf sechs Vorstellungen, da-von je eine als Gastspiel im StadttheaterWels und in der Nibelungenhalle in Pas-sau. Dem Premierenbericht von PaulGünzel49 (Tages-Post/Abendblatt,11. Oktober 1937, S. 2) ist gekürzt zu ent-nehmen:

„Das durchwegs gute, ja vorzüglicheStimmaterial der Solisten zeichnete sichdurch gute Deklamation und Phrasie-rung aus und wurde durch diskrete Be-gleitung des Opernleiters unterstützt.Ebenso ist von der Regie nur Gutes zuberichten. In erster Linie ist der TenorLaslo v. Szemere als ,Evangelimann‘ mitseinen vorzüglichen Leistungen zu nen-nen. Seine Stimme ist weich und dochim Forte von jugendlich-heldischerLeuchtkraft. Das Orchester hielt sich imzweiten Akte sehr gut, ein besonderesLob verdient der Solocellist. Vielleichtkonnte wegen der sehr kurzen Zeit mitOrchester und Chor nicht so intensivprobiert werden. Auch die chorische Lei-stung war – bis auf den ersten Chor hin-ter der Szene – befriedigend. Der Beifalldes Hauses steigerte sich von Akt zuAkt. Am Schluß rief das Publikum alle

Mitwirkenden wiederholt an dieRampe.

Der Vorstellung am Sonntag abendswohnte auch Altmeister Dr. WilhelmKienzl bei. Der Komponist sprach sichlobend über die Aufführung und vor al-lem über die Sänger der Hauptpartienaus und daß die Kinderszene im zweitenAkt tatsächlich von Kindern besetztwar.“

NS-Zeit (1938–1945)Direktion: Ignaz Brantner

Zu Aufführungen in dieser Periodekönnen keine Informationen geliefertwerden, da die Spielplanvorschauen undSaisonabschlussberichte, soweit ebenzugänglich, darüber nichts aussagen.Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde„Der Evangelimann“ in Linz nicht ge-spielt, denn die Thematik dürfte denMachthabern nicht in das Konzept ge-passt haben. Der Komponist beklagtesich selbst über die Vernachlässigungseiner Werke.50 Deutlich kann zu diesemProblem später im Abschnitt „Der Kuh-reigen“ Stellung genommen werden.

Saison 1947/48Direktion: Viktor Pruscha

Über diese Einstudierung (Premiere10. Jänner 1948) mit 19 Vorstellungen be-richtet Dr. Heinrich Wimmer als gewis-senhafter Chronist im „OÖ. Kulturbe-

47 Wimmer 1958, S. 79.48 Wimmer 1958, S. 82 f.49 Biographisches zu Paul Günzel: geb. 1876 in

Breslau, Konzertmeister und Kapellmeister beideutschen Militär- und Polizei-Einheiten, in derersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Linz alsChormeister und Dirigent, ab 1930 Musikrefe-rent bei der Tages-Post, gest. 1940 in Bad Ischl(Quelle: eigene Nachforschungen).

50 Hans Sittner, Kienzl – Rosegger, Wien 1953,S. 270.

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richt“ vom 6. Februar 1948: Mit einjähri-ger Verspätung feierte das Landestheaterden 90. Geburtstag Wilhelm Kienzls mit„Evangelimann“. Das Werk „fand, wennman von der etwas altmodischen Regieabsieht, durch das leistungsfähige LinzerOpernensemble eine gute Wiedergabe,die durch außergewöhnlichen Beifall be-lohnt wurde“.

Saison 1956/57Direktion: Kurt Fischer-Colbrie

Die zweite Nachkriegsproduktion(Premiere 15. Dezember 1956) passtezeitlich zum 100. Geburtstag des Kom-ponisten und fand mit 30 (!) Vorstellun-gen beim Publikum regen Zuspruch. DerBericht von Dr. Heinrich Wimmer im„OÖ. Kulturbericht“ (1957, Folge 2) lautetgekürzt:

„Die von Stefan Zadejan mit großemregielichen Können (siehe Kegelszene!)einstudierte Aufführung, für deren ein-wandfreie musikalische Leitung MichaelHutterstrasser Lob verdient, ist als guteDurchschnittsleistung unseres Opern-ensembles zu qualifizieren. Das Erfreu-lichste und künstlerisch Vollendetste amganzen Theaterabend war die Magda-lena Gertrude Burgsthalers. Von den ori-ginellen Bühnenbildern Wolfgang Voll-hards stimmte das dritte am ehesten mitden Vorstellungen überein, die man sichvon den Schauplätzen dieser Volksopermacht. Der Premiere wohnte Frau HennyKienzl bei.

Am 25. und 26. Dezember gastierteals Mathias Kammersänger Julius Patzakmit großem Erfolg.“

Saison 1977/78Direktion: Alfred Stögmüller

Der „Evangelimann“ gilt als „eineechte Volksoper aus der Zeit des Natura-lismus“ (Kurt Pahlen), und nach diesem

Kriterium richtete sich die bisher letzteProduktion (Premiere 8. Dezember1977), womit auch der Erinnerungshori-zont vieler heimischer Theaterfreundeerreicht ist; sie brachte es immerhin auf25 Vorstellungen. Dem „OÖ. Kulturbe-richt“ (1977, Folge 26) ist u. a. zu entneh-men:

„Der ,Evangelimann‘ wurde nicht alseine typisch österreichische Volksopermit betont lokalbezogenem Kolorit an-gelegt, sondern als ein bühnenwirksa-mes, naturalistisches Schauspiel, beidem die Musik eine wesentliche drama-turgische Funktion zu erfüllen hat unddas rein Menschliche der Handlung zuungeschmälerter, doch nicht ungestümerWirkung kommt. Der Regisseur AlfredSchönolt hielt sein Konzept konsequentin der Führung der Solisten durch, beimChor jedoch nur zum Teil. Das Bühnen-bild von Heinz Köttl zielt auf das Allge-meine und bringt nur das unbedingtNotwendige an Aufbauten auf dieBühne, meistens in dunklen erdenen Far-ben. Der Dirigent Wolfgang Rot er-brachte eine gute Leistung, sorgte fürgrößtmögliche Nuancierung in den Or-chester- und Vokalstimmen. Auch er ver-mied es, in Sentimentalität abzugleiten.Aus den Leistungen der Solisten ist anerster Stelle die ausdrucksstarke und in-tensive sängerische wie darstellerischeGestaltung der Rolle des Johannes (Lo-renz Myers) zu nennen.“

Linzer Aufführungsstatistikpro in

Saison Summe1896 (Kalenderjahrder Erstaufführung) 17 17

25. Vorstellungam 30. November 1900 25

50. Vorstellungam 12. Dezember 1912 50

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pro inSaison Summe

bis 1937(Wimmer-Statistik) 68

Saison 1947/48,Premiere 10. Jänner 1948 19

bis 1956 (laut„OÖ. Kulturbericht“ 1957/2) 88

Saison 1956/57,Premiere 15. Dezember 1956 30

bis 1958(Wimmer 1958, S. 57) 118

Saison 1977/78,Premiere 8. Dezember 1977 25 143

Mit 143 Vorstellungen nimmt der„Evangelimann“, der bis in die Siebziger-jahre des 20. Jahrhunderts eines der po-pulärsten Stücke der Opernliteratur war,in Linz eine Spitzenposition ein. DieZahlen nach 1945 zeigen eine abneh-mende Bühnenpräsenz auf. Maßgeblichsind u. a. geänderte Spielplangestaltung,welche Neuproduktionen erst wiedernach längerem zeitlichen Abstand anbie-tet. Von der ersten bis zur zweiten Pro-duktion vergingen zehn Jahre, von derzweiten bis zur dritten 20 Jahre.

3.4. Heilmar der Narr51

Die zweite Kienzl-Oper mit dem Ti-tel „Heilmar der Narr“ basiert auf einervom Komponisten gänzlich frei erfunde-nen Handlung und erzählt von einemberühmten Wunderarzt, der durch Ge-bet und Handauflegen Heilung bringt,auch dem armen kranken MädchenMaja. Und dabei erfasst beide Liebes-glut. Er offenbart ihr das Geheimnis sei-ner Wunderheilkraft, die auf dem Ver-zicht auf Liebesglück basiert, und stößtdas Mädchen von sich, das ihm dasWort „Narr“ entgegenschleudert. Mit sei-nen nun fluchbeladenen Händen kann er

die sterbende Mutter des Mädchensnicht mehr retten. Maja erkennt ihr Ver-gehen, heiratet den ungeliebten BruderHeilmars. Nach der Hochzeitsfeier trifftsie den Verzweifelten, beschließt für ihnin den Tod zu gehen und stürzt sich inseine todbringenden Arme. Er ist erlöst,hört Hilferufe von einem Schiff mit Pest-kranken, besteigt es mit wiedererweckterHeilkraft und fährt mit ihnen der aufge-henden Sonne entgegen. – Nach demszenischen Entwurf schrieb Kienzls Vaterdas Textbuch.

Die Musik steht im Banne Wagners,und die leitmotivische Arbeit überwiegtweit den Erstling „Urvasi“. Die Urauffüh-rung in München am Hof- undNationaltheater unter der Leitung desKomponisten am 8. März 1892 verliefausgezeichnet, erlebte eine Reihe vonWiederholungen und brachte Kienzl dieBerufung als Dirigent an diese Bühne.

Die großen musikalischen Schwie-rigkeiten, so die Doppelchörigkeit derletzten Szene, waren der Verbreitunghinderlich. Daher entschloss sich Kienzl1902 zu einer Umarbeitung, die an derKöniglichen Oper in Berlin, nun mitdem Titel „Heilmar“ versehen, am28. Jänner 1902 herauskam.

Linzer Erstaufführung am 2. November1902Direktion: Alfred Cavar

Die Oper fand schnell – noch vor derGrazer Premiere am 24. März 190352 –ihren Weg nach Linz, denn die SparteOper hatte hier um die Jahrhundert-

51 Berichte Kienzls über das Werk in „Lebenswan-derung“, S. 285–290.

52 Laut freundlicher Mitteilung von Herrn ErnstScherzer, Graz. Besten Dank hiefür.

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wende eine Glanzzeit. Die Tages-Postbrachte mehrere Vorausberichte, derKomponist war bei den Proben anwe-send, und auf die Premiere folgte ein lan-ger ausführlicher Artikel von AemilianPosch. Er lieferte eine detailreiche In-haltsangabe, musikalische Erklärungenund Anmerkungen über die Wiedergabe„in der Berliner Bearbeitung“. Der Be-richt (Tages-Post, 6. November 1902,S. 1 f.) führt an:

„Mit Kienzls ,Heilmar‘ erlebten wireinen genußfrohen Theaterabend, derausverkaufte Zuschauerraum voll mit-empfindender Menschen, auf der Bühneeine Reihe sorgfältig vorgebildeter Sän-ger, das Ganze eine Vorstellung von er-frischender Sicherheit und stets wech-selndem Reiz.

Die musikalische Führung war HerrnKapellmeister Arnold Winternitz über-geben, der das schwierige Werk mit dergrößten Gewissenhaftigkeit und Treuevorbereitet hatte. Man bedenke nur, wiesicher der gemischte Chor zusammen-stimmte und nicht minder gut sich auchbei den vielen belebten Stellen im Spielerwies. Geraten war es, alle verfügbarenSänger für das Ensemble zu verwendenund den Rekrutenchor zu streichen. Dasverstärkte Orchester war ebenfalls, na-mentlich in einigen Streichsätzen, vonerfreulichem Wohllaut. Alles Lob ge-bührt insbesondere der Bläsergruppe,die, obwohl zu ungewöhnlichen Höhen-lagen gezwungen, sich dennoch befließ[sic!], den Sängern mit ihrem schwerenGeschütz keine zu große Gewalt anzu-tun. Das alles war wohlerwogen undtrefflich durchgeführt. Herr RegisseurRichard Schmidtler hielt auf der Bühneseine zahlreiche Sippe genau so, wie sieder Komponist in zahlreichen und aus-giebigen Proben festgestellt wünschte,

fein säuberlich in Ordnung. Darumrechtfertigte sich schließlich das warmeLob, das wir aus dem eigenen Mundedes Tondichters schon während der Pro-bezeit vernahmen.

Einen Extraapplaus holte sich dasTänzerkorps unter der Führung des Bal-lettmeisters Herrn Schober, der zwei an-muthige Tanzeinlagen für die Walzer,Ländler und Hochzeitsmusik geschaffenhat. Die Darsteller und der Kapellmei-ster wurden vielemale gerufen. Den gro-ßen Erfolg der Oper und die reiche Eh-rung des anwesenden Dichter-Kompo-nisten Herrn Dr. Wilhelm Kienzl durchLorbeer und ungezählte Hervorrufe hatschon die gestrige Vornotiz festgestellt.“

Linzer Aufführungsstatistik(Wimmer-Statistik)

Nur 1902 fünf Vorstellungen; vierdavon in rascher Folge bis 14. Novem-ber, die fünfte am 17. Dezember 1902.

3.5. In Knecht Ruprechts Werkstatt53

Dieses einaktige Weihnachtsmär-chenspiel mit dem Text von HildegardVoigt aus Stettin handelt von den Sor-gen und Nöten des alten Knechts Ru-precht, daher des Weihnachtsmannes,der über die an ihn gestellten Ansprücheder Kinder ärgerlich ist, bis ihn derWeihnachtsengel besänftigt, die ge-wohnte Gebefreudigkeit auch in diesemJahr wieder walten zu lassen. Die Über-redung gelingt durch die Vorführungvieler heiterer bezaubernder Gestalten,darunter jener aus deutschen Märchen.Schließlich ist er dem Weihnachtsengel

53 Berichte Kienzls über das Werk in „Lebenswan-derung“, S. 312–313.

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Linzer Landestheater: Plakat zu „Heilmar“. Oö. Landesmuseum

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in gewohnter Güte behilflich. DenSchluss des Stücks bildet die Anbetungder Krippe unter den Klängen des Weih-nachtschorals. Dieses hübsche Stückenthält ein religiöses Orchestervorspiel,Dialoge, Melodramen, Chöre, Liederund Tänze. Die Partitur entstand 1907(August bis November). Die Urauffüh-rung erfolgte am 25. Dezember 1907 inGraz. Es folgten Vorstellungen in Wien(Volksoper), an Bühnen in Deutschland,Österreich und Schweden.

Linzer Erstaufführung am 22. Dezember1908Direktion: Hans Claar

Franz Gräflinger schreibt (Tages-Post, 24. Dezember 1908, S. 7) ausführ-lich über die Handlung, die musikali-schen Belange und die Einstudierung:Sie hat „bei einer guten Aufführung undeiner sehr netten Ausstattung Gefallengefunden und wird besonders bei derKinderwelt den größten Anklang fin-den“. An den Leistungen der Darstellergibt es nichts auszusetzen. „Der starkenInanspruchnahme in den letzten Tagendürfte es zuzuschreiben sein, daß dasOrchester die sonst gewohnte Frischevermissen ließ. Es klang stellenweisemanches so farblos grau. – Die Novitätfand reichen Beifall. Den musikalischenTeil leitete Herr Materna, die Inszenie-rung besorgte Herr Schmidt-Renner.“

Um das Theater halbwegs zu füllen,wurden bei der Premiere dem Weih-nachtsstück zwei publikumswirksameWerke vorangestellt: die Operette„Hochzeit bei Laternenschein“ von Jac-ques Offenbach – hier seit 1899 nichtmehr gespielt – und das neue Lustspiel„Blau“ von Max Bernstein; diese Titel-kombination gab es bei zwei Vorstellun-

gen. Drei Aufführungen begannen mitder lustigen Gesangsposse „Die schlim-men Buben in der Schule“ von JohannNestroy und dann folgte das Kienzl-Werk.

Statistik54

Fünf Vorstellungen vom 22. Dezem-ber 1908 bis 10. Jänner 1909, wobei dieletzte ungeplant am Nachmittag als Kin-dervorstellung angeboten wurde. Seit-her war dieses Werk nicht mehr zu hö-ren.

3.6. Der Kuhreigen55

Dieses musikalische Schauspiel warnach dem „Evangelimann“ für Kienzl derzweite herausragende Bühnenerfolg mitinternationalem Echo. Die Handlung,sehr vereinfacht dargestellt, spielt zurZeit der Französischen Revolution undschöpft ihre Spannung aus dem Gegen-satz in der Gestalt des Schweizer Solda-ten Primus Thaller und der adeligenBlanchefleur. Als Witwe hat sie den Hei-ratsantrag des Schweizers und die Fluchtaus dem Kerker abgelehnt und gingstolz in den Tod.

Die Uraufführung an der WienerVolksoper – die Staatsoper (damals Hof-oper) hatte abgelehnt – am 23. Novem-ber 1911 unter dem Dirigenten RobertHeger und mit Maria Jeritza als Blan-chefleur wurde auch in der Linzer Tages-Post von Max Auer ausführlich bespro-chen (28. November 1911, S. 1 f.). Ersparte für den „durchschlagenden Er-folg“ nicht mit lobenden Worten, denn

54 Nicht bei Wimmer 1958, S. 125, verzeichnet.55 Berichte Kienzls über das Werk in „Lebenswan-

derung“, S. 313–318.

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Linzer Landestheater: Plakat zu „Der Kuhreigen“. Oö. Landesmuseum

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es gelang „ein Treffer wie der ,Evangeli-mann‘“. Kienzl und die Darsteller muss-ten nicht weniger als 40 (!) Mal auf derBühne erscheinen. Auers kurze Charak-terisierung der Musik enthält auch einensanften Seitenhieb auf die damalige,aber anders tönende Moderne: „DasWerk, welches von echter reiner Musikstrotzt, ist in der Zeit der Sensations-werke a la Richard Strauss eine wahreErquickung, ein reiner Quell.“

Linzer Erstaufführung am 2. März 1912Direktion: Hans Claar

Rasch folgten weitere Inszenierun-gen, im nächsten Jahr war die Oper auchschon in Linz zu sehen, denn Kienzl warhier schon gut bekannt. Mehrere Vorbe-richte setzten die Premiere ins rechteLicht mit griffigen Informationen: „diemusikalische Sensation dieser Saison“,„eine selten schöne, ergreifende und me-lodienreiche Tonschöpfung“.56 LinzerVerhältnisse sprechen aus folgenden Zei-len: „In kleineren Partien und zur Chor-verstärkung hinter der Szene ist das ge-samte Solopersonal der Oper und Ope-rette beschäftigt. Zur Komparserie ha-ben sich sämtliche Damen und Herrendes Schauspiels in liebenswürdigerWeise zur Verfügung gestellt, so daß dasganze Personal beschäftigt erscheint.“57

Kienzl war einige Tage vor der Premiereschon in Linz, um bei den letzten Probenfür die Berücksichtigung seiner Absich-ten zu sorgen.

Über die Premiere schreibt AemilianPosch (Tages-Post, 5. März 1912, S. 11 f.)stark gekürzt wiedergegeben:

„Das neueste Bühnenwerk Kienzls istmit großem, bis zur Sensation gesteiger-tem Erfolge in Szene gegangen. Dr.Kienzl, der auch in den letzten zwei Pro-ben zum ,Kuhreigen‘ mit Rat und Tat

eingriff, wurde mit lautem Jubel ausge-zeichnet und im Verlaufe des Abends anfünfundzwanzigmal gerufen. Mit ihmdurfte Herr Kapellmeister Auderieth er-scheinen, ein Dirigierkünstler, der dasWerk im Sinne und Geiste des Kompo-nisten leitete, den Solisten stilistisch unddynamisch richtige Pfade wies, die Auf-ruhrchöre bei aller gebotenen Erregtheitfest im Zaume hielt und dem Orchesterdie schönsten Wirkungen abzugewin-nen vermochte. Herr Direktor Claarhatte die Regie übernommen. Seine un-endliche Bemühung wurde mit einervortrefflichen Aufführung belohnt, zuder er auch seine ersten weiblichen undmännlichen Schauspielkräfte als Mitwir-kende heranzog.

Mehrere Szenenbilder waren vomHerrn Theatermaler Hadrigan ganzneu geschaffen. Von den Solisten desStückes ist die Mehrzahl ohne nament-liche Anführung lobend zu erwähnen.Einigen war freilich versagt, zum Kernihrer Aufgabe vorzudringen. FräuleinWolden, die Marquise Blanchefleur,sang musterhaft, mit erlesenem Ge-schmack und Stilgefühl. Sie empfingvom Komponisten auf offener Bühneeinen dankend ehrenden Handkuß. DiePremiere war eine Ehrentat unserer Lan-desbühne und ihrer Direktion.“

In der Rückschau wurde diese LinzerErstaufführung als „sensationell“ be-zeichnet und erreichte innerhalb vonetwa vier Wochen zehn Vorstellungen.

Saison 1912/13Es ist verständlich, dass auch die

nächste Saison 1912/13 diesen Erfolgausnützte und mit der Wiederaufnahme

56 Tages-Post, 25. Februar 1912, S. 11.57 Tages-Post, 28. Februar 1912, S. 10.

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am 5. Dezember 1912 den Spielplan be-reicherte.58 Darüber konnte AemilianPosch (Tages-Post, 8. Dezember 1912,S. 11) wieder Gutes berichten, von demeinige Passagen hier herausgegriffenwurden:

„Trotz wichtiger und einschneiden-der Umbesetzungen war auch der dies-maligen Aufführung des ,Kuhreigens‘ein großer Erfolg beschieden, denn derBeifall, den die Hauptakteure für ihre ge-diegenen Leistungen fanden, stand demEnthusiasmus von früher nicht nach. DieHerren Walluch als Regisseur und Ka-pellmeister Wolf haben sich ein großesVerdienst erworben. So gewannen wirüber die Gesamtführung der genanntenHerren, dann über die Haltung der Soli-sten, des Chores, des trefflich funktionie-renden Orchesters, der Tänzer und Büh-nenmusiker eine bedingungslos zustim-mende Meinung.“

Eine Aufführung aus dieser Wieder-aufnahme bildete für das Linzer Theateram 14. Dezember 1912 den dritten undletzten Abend des Wilhelm-Kienzl-Zyklus. Der Komponist weilte aus die-sem Anlass wieder einmal einige Tage inLinz und wurde auch mit einem Sym-phoniekonzert des „Linzer Musikver-eins“ geehrt. Über die „Kuhreigen“-Auf-führung war (Tages-Post, 17. Dezember1912, S. 10 f.) – gekürzt wiedergegeben –zu lesen:

„Sie gestaltete sich für unser Theaterzu einer ehrenvollen Unternehmungund kann zu den besten Opernvorstel-lungen unserer Bühne gerechnet wer-den. Die Solisten, die Chöre, Kapellmei-ster Wolf und Regisseur Walluch tatenalle ihr Bestes. Der zweite Akt bot in-folge Mitwirkung fast des ganzenSchauspielpersonals ein buntes und

prächtiges Bild. Das Haus war in allenseinen Räumen ausverkauft.“

Saison 1924/25In der Zwischenkriegszeit hatte die

Oper in Linz, wie bereits früher erwähnt,einen schweren Stand. Zeitweise war sieeingestellt, ab Herbst 1924 war sie wie-der präsent, doch es dauerte sehr lange,bis sie wieder in Schwung kam. In dieserSaison 1924/25, die hauptsächlich ältereWerke brachte,59 kam es zu einer Neu-inszenierung des „Kuhreigens“, der bisAnfang Mai gespielt wurde. Dieser Zeit-punkt bedeutete für Direktor HeinrichHagin wegen Krankheit auch das Endeseiner Ära. Unter seinem Nachfolger Al-bert Hugelmann gab es nur noch Gast-vorstellungen.

Über die Premiere am 4. April 1925schrieb Franz Gräflinger u. a. (Tages-Post, 7. April 1925, S. 7):

„Das Werk bietet dem erfahrenenBühnenfachmann mannigfache Gele-genheit zur Entfaltung stimmungsvollerSzenenbilder. Das hat Direktor Haginmit Glück und Geschick auch genützt.Es wurde auch auf die solistische, chori-sche und orchestrale Vorbereitung au-ßergewöhnliche Sorgfalt verwendet. Sokam eine Aufführung zuwege, welcheals die beste in der bisherigen Saison be-zeichnet werden kann. Kapellmeister Zil-zer gebührt das Hauptverdienst an dergerundeten Wiedergabe. Er dirigiertemit verläßlicher Einsatzgebung, nurmanchmal etwas nervös breitgestig. Eineerstaunliche Kraftleistung hatte das Or-chester zu bewältigen: Vormittags dreiStunden Generalprobe für die Oper,

58 Tages-Post, 8. Dezember 1912, S. 11.59 Wimmer 1958, S. 78.

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nachmittags drei Stunden Generalprobefür ,Fausts Verdammung‘ und abendsdie Oper. Das ausverkaufte Haus zeigtegehobene Beifallsstimmung.“

Saison 1926/27Trotz der allgegenwärtigen schwieri-

gen Umstände ließ sich Direktor Hugel-mann den 70. Geburtstag Kienzls unddamit einen entsprechenden Publikums-zuspruch für eine Festvorstellung von„Kuhreigen“ am 17. Jänner 1927 nichtentgehen. Bei ihrer Beurteilung gilt es zubedenken: Linz verfügte damals nurüber ein Ensemble für Operette undSchauspiel – darunter Kräfte mit einernachfolgenden schönen Karriere. Zug-kräftige Titel erreichten eine größere An-zahl an Vorstellungen. Theodor Peyrlwirkte sehr verdienstvoll als Operetten-kapellmeister.60 Der „Kuhreigen“ ist, wieschon bei Aufführungen in der Vergan-genheit erwähnt, ein personenreichesStück mit starker Dramatik und großenmusikalischen Ansprüchen. WichtigeRollen wurden daher mit Gästen besetzt.Heldentenor Igo Guttmann (früher Gra-zer Oper) verkörperte den SchweizerPrimus Thaller, der Bariton Josef Groß(Stadttheater Aussig) den UnteroffizierFavart. Alle übrigen Partien waren mitheimischen Künstlern besetzt. Das Or-chester wurde verstärkt. Franz Gräflingerschrieb u. a. (Tages-Post, 20. Jänner 1927,S. 16) über die Premiere:

„In stilvoller, vorgeprobter Aufma-chung stand die jetzige Aufführung. Di-rektor Hugelmann hat auf die Inszenie-rung ungemein viel Sorgfalt und Ge-schmack verwendet. Die Bilder warenfarbenprächtig, in der Gruppierung undHaltung lag Stimmung. Zur Mitwirkungwurde das Operettenpersonal und sogarein Teil des Schauspielensembles heran-

gezogen. Lobenswert war auch die musi-kalische Gesamtleistung. Man spürte,daß auf der Bühne und im Orchestereine tat- und willensfreudige Stimmungherrschte. Kapellmeister Peyrl ist seinemVorsatz, nur Operetten zu dirigieren, un-treu geworden. Von seiner langjährigenBerufstätigkeit brachte er Routine, Ruheund Sicherheit mit. Er hat gesunden Mu-siksinn, eine feste Hand für ein Opern-ensemble gezeigt.

Für die gesanglichen Leistungenbangte ich, denn nur zwei Gäste warenzur Mitwirkung herangezogen. Wurdevon den einheimischen Kräften auchnichts Außergewöhnliches geboten, sofügten sich doch alle mit Geschick inihre Partien. J. Groß stellte sich als ge-wiegter Sänger vor, so recht zu erwär-men vermochte sein Favart aber nicht.Das stärkste Interesse erweckte der Te-nor Igo Guttmann.

Lob verdient noch die zumeist deli-kate (besonders in den Streichern) Spiel-weise des instrumental vollbesetzten Or-chesters und die Wiedergabe der Chöre(angenehm machte sich die Verstärkungdurch Herren des christlich-deutschenGesangvereines bemerkbar). Zusam-menfassend kann festgestellt werden,daß redlicher Eifer alle Mitwirkendenbeseelte.“

NS-Zeit (1938–1945)Bei der Wiedereinführung der stän-

digen Oper am Linzer Theater im Jahr1937 bildete, wie schon erwähnt, der„Evangelimann“ die erste Premiere. Dielogische Konsequenz wäre gewesen,dass darauf in Kürze der „Kuhreigen“folgen würde. Dem war aber nicht so.

60 Wimmer 1958, S. 78 f.

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Die Programmvorschau (Werbeheft) fürdie Spielzeiten 1939/40 und 1940/41nennt unter den geplanten Titeln zwarjeweils die Oper „Der Kuhreigen“, imstatistischen Rückblick am Ende der je-weiligen Spielzeit fehlt aber der Hinweisauf solche Aufführungen. Diese Ver-nachlässigung, aus welchen Gründenauch immer, ist schwer verständlich,denn z. B. 1940/41 wurden „Rosenkava-lier“ zehnmal und „Meistersinger“ vier-zehnmal (beides aufwändige Partituren)aufgeführt.

Über die wahren Gründe für dieseVorgangsweise kann man nur spekulie-ren: Die Spielplanerstellung kann ohneVorwissen der NS-Landesbehördennicht erfolgt sein und war von dieserSeite akzeptiert. Die Aufführung ist ebenaus theaterinternen Gründen gescheitert– wegen Personalmangel als Folge vonEinberufungen und wegen Besetzungs-schwierigkeiten bei Gästen; wegen Geld-mangels, da große Produktionen bedeu-tendere Mittel beansprucht haben; we-gen fehlender Zeit, da zugkräftigeStücke infolge reger Nachfrage öfters alsgeplant auf dem Spielplan standen. Un-ter undenkbar ist einzustufen, dass Di-rektor Brantner, ein hervorragenderFachmann, die hiefür notwendigen Ar-beiten, den finanziellen, materiellen undpersonellen Aufwand nicht richtig einge-schätzt hätte. – Wie auch immer. DiesesProblem passt zu der resignierendenEinstellung von Wilhelm Kienzl, der eine„auffallende Vernachlässigung seinerOpern in der Ostmark (dem einstigenlieben Österreich)“ feststellte.61

Saison 1950/51Direktor Brantner konnte sich in sei-

ner Nachkriegsära (1948–1953) bald „ei-ner planvollen und interessanten Spiel-

plangestaltung widmen“62 und brachteneben großen Titeln auch eine repräsen-tative Neueinstudierung des „Kuhrei-gens“ (Premiere 18. November 1950) imRahmen der „Österreichischen Kultur-woche“ heraus. Damit gelang dem Thea-ter „ein glänzender und unbestreitbarerBeweis seiner künstlerischen Leistungs-fähigkeit“.

Über die Aufführung schriebDr. Heinrich Wimmer im „OÖ. Kultur-bericht“ 1950, Folge 48, auszugsweisewiedergegeben:

„Die Wiederaufführung, die vor ei-nem vollbesetzten, festlich gestimmtenHaus vor sich ging, war einer der großenAbende der Linzer Oper. Die zwei wich-tigsten Vorbedingungen für den Erfolgwaren in geradezu idealer Weise gege-ben: eine über jedes Lob erhabene, pak-kendste Wirkung der Massenszenenherausarbeitende Regie (Oskar Walleck)und eine in jeder Beziehung vorbildlicheStabführung (Ludwig Leschetitzky), dieaus dem Orchester und aus den SängernHöchstleistungen herausholte. Mankann sich auch kaum eine passendereBesetzung für die beiden Hauptrollendenken als die liebreizend-gefühlvolleund zugleich geistvoll-überlegene Elisa-beth Ranic (Blanchefleur) und den treu-herzigen Naturburschen Willi Schmidt(Primus Thaller), dessen gesanglichesKönnen sich wieder einmal hervorra-gend erwies.“

Linzer Aufführungsstatistik(Wimmer-Statistik)1912–1927: 28 VorstellungenSaison 1950/51 (Premiere: 18. 11. 1950):9 Vorstellungen

61 Hans Sittner, Kienzl – Rosegger, Wien 1953,S. 270.

62 Wimmer 1958, S. 90.

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Seit über fünfzig Jahren ist dieser er-folgreiche Titel dem Linzer Repertoireentschwunden und nimmt deutlich ab-gesetzt unter den Kienzl-Opern denRang zwei ein.

3.7. Das Testament63

Unbestrittenes Verdienst des LinzerTheaterdirektors ist es, dass dieser überJahrzehnte vergessene Titel wieder ein-mal zum Leben erweckt wurde. Wierecht hatte Kienzl in seinem Rückblick:„Hoffentlich wird es nicht erst – wie üb-lich – nach meinem Tode eröffnet.“ Diesemusikalische Komödie, besser mit demZusatz tragikomisch versehen, enthälteine gut erfundene Geschichte nach Mo-tiven von Peter Rosegger in einem volks-tümlichen und heimatverbundenen Rah-men.

Die Partitur entstand in Bad Ausseeund Graz ab Oktober 1914 und war am1. September 1916 vollendet. Die Urauf-führung am 6. Dezember 1916 an derWiener Volksoper, also mitten im ErstenWeltkrieg, wurde von der Presse sehrwohlwollend aufgenommen, doch bliebes dem Komponisten nicht verborgen,„daß ein völliges Mitgehen des großenPublikums nicht in allen Teilen des Wer-kes zu beobachten war“.64

Nach einer Reihe von Aufführungenin Wien folgten Berlin mit einem unge-wöhnlich starken Publikumserfolg, dannnoch Graz (27. Jänner 1917), Nürnbergund noch eine Stadt in Deutschland ausAnlass des 70. Geburtstages Kienzls(1927). – Das war alles.

Bei der Handlung geht es um dieLäuterung des reichen und egoistischenGastwirtes und Bürgermeisters Holzer

aus Fopphausen, dem zwei Schlaumeierim Anschluss an den Faschingdienstags-rummel drastisch vor Augen führen,dass die ihm von seinen vielen Freundenentgegengebrachte Anhänglichkeit nurseinem im Testament versprochenenGeld gilt. Schließlich siegt nach theater-wirksamen Szenen das „Gute“: SeinMündel Vroni bekommt ihren Müllers-burschen Florian und dazu Haus undHof.

Zu dieser Handlung gehörenGstanzlsingen, gewaltige Chorszenen,ein Terzett, ein herrliches Quintett, dank-bare Aufgaben für die Solisten usw. undfür das Orchester allein wirkungsvollesymphonische Aufgaben (zwei Vor- undein Zwischenspiel). Die qualitativ hoch-wertige Musik stützt und begleitet dieSzenen recht eigenständig im volkstüm-lichen Tonfall, aber mit WagnerischerKompositionstechnik im Hintergrund.Sie schmeichelt den Ohren und wirkt sowie ein Gruß aus der Vergangenheit. Siecharakterisiert Situationen, Personen,verdeutlicht dramaturgische Zusam-menhänge und überrascht durch vieleMelodien und deren Abwandlungen;was man aus einem Walzer alles machenkann!

Linzer Erstaufführung am 3. Dezember2006Direktion: Rainer Mennicken.Produktionsteam:Musikalische Leitung: Ingo IngensandInszenierung: Andreas BaeslerBühne: Harald B. ThorKostüme: Caroline Dohmen

63 Berichte Kienzls über das Werk in „Lebenswan-derung“, S. 318–323.

64 Lebenswanderung, S. 322 f.

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Die Aufführung steht im Zeichendes 150. Geburtstages Kienzls und fügtealle dramaturgischen Elemente zu einemsinn- und werkgerechten Ganzen, beidem das Produktionsteam und dashauseigene Ensemble langanhaltendenBeifall ernteten.

Die Inszenierung geriet ganz zumNutzen des Werkes, so dass sich dieHandlung wie von selbst weitertreibtdurch lebensechte Personenführung mitunaufdringlicher Detailfreude und ge-lungenen Massenszenen. Bühnenbildund Kostüme entsprechen derErinnerung an ein Landwirtshaus unddessen Gäste. Dank sorgfältiger Einstu-dierung und umsichtiger Leitung durchden Dirigenten bleibt kein musikalischerWunsch im Gleichklang von Bühne, Or-chester und Stück offen. Das Bruckner-Orchester hat die eigentümliche Ton-sprache einer theatralisch und sympho-nisch überhöhten Folklore sauber ver-mittelt, die Bühnenmusik stellte gekonntder Musikverein Waizenkirchen.

Die vielen Gesangssolisten über-ragte Klaus-Dieter Lerche (Holzer) durchüberzeugende Lebensechtheit undWandlungsfähigkeit. Zu lebendigem,packendem und auch dramatischemBühnenleben haben deutlich gezeichneteCharakterpartien beigetragen. Die Chor-mitglieder (Einstudierung Georg Leo-pold) waren als hochwertiges Ensembleund in vielen Einzelfiguren präsent.

Am Geburtstag selbst, dem 17. Jän-ner 2007, folgte eine Festaufführung derOper, begleitet von einem umfangrei-chen Rahmenprogramm. Vor der Vor-stellung brachten der „Kienzl-Chor Wai-zenkirchen“ und Ensemble-Mitgliederdes Theaters in einer Soiree einige Liederund Chöre des Meisters. Anschließendspielte die Kapelle des MusikvereinsWaizenkirchen vor dem Theatereingang.In der Pause der Vorstellung sorgte die„Tanzl-Musi“ aus Waizenkirchen fürStimmung. Nach der Oper folgtenGrußworte von Intendant Rainer Men-nicken, Bürgermeister Ing. Josef Doplerund Landeshauptmann Dr. Josef Pührin-ger, und dann hatte Frau FriederikeMayrhuber, Firmpatenkind Kienzls, ih-ren Auftritt: Sie trug das Gedicht vor,welches sie schon vor 80 Jahren zum 70.Geburtstag des Meisters (1927) aufge-sagt hatte, und hob mit dem Kienzl-Tört-chen eine süße Neukreation aus derTaufe. – In heiterer Ausgelassenheit en-dete das Fest.

AnmerkungDer zweite Teil dieses Beitrages erscheint im Heft3/4-2007 und enthält Ausführungen über KienzlsBeziehungen zu Linz und Oberösterreich, undzwar persönliche und künstlerische Kontakte zuLinz außerhalb des Theaters, persönliche Verbin-dungen mit Waizenkirchen und Vöcklabruck, wei-ters Erwähnungen von Losenstein und Michel-dorf. Soweit wie möglich werden bei den einzel-nen Stationen auch Ereignisse nach dem Tod desKomponisten erwähnt.

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Herbert Ploberger (1902–1977)Eine Spurensuche an Österreichs Bühnen

Von Ingrid Radauer-Helm

Herbert Ploberger, 1902 in Wels geboren, hat ein Œuvre hinterlassen, das ihn alsden bedeutendsten österreichischen Maler und Grafiker der Neuen Sachlichkeitauszeichnet. Diese Bilder entstanden innerhalb einer Zeitspanne von etwa fünfJahren, zwischen 1925 und 1929. Soweit der Krieg sie nicht zerstört hat, sind sie teilsin Privatbesitz, teils in Museen und Galerien in Wien, Linz, München oder Berlinaufbewahrt.

Ploberger verbrachte den Großteil seines Lebens jedoch nicht als bildender,sondern als angewandter Künstler. (Abb. 01) 1927 übersiedelte er nach Berlin, wo er

Abb. 01: Herbert Ploberger bei der Arbeit an Kostümstudien 1940

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sich auch für das darstellende Metier interessierte; nach anfänglicher Assistenzzeitarbeitete er bald freiberuflich als Kostüm- und Bühnenbildner für Theater und Film.Seine Kostüme für Max Reinhardts Faust bei den Salzburger Festspielen 1933 sicher-ten ihm einen Platz in der Theatergeschichte, Filme der dreißiger Jahre wie etwa Derverlorene Sohn mit Luis Trenker, Königswalzer mit Willi Forst und Paul Hörbiger, SavoyHotel 217 mit Hans Albers, Frühlingsluft mit Magda Schneider und Wolf Albach-Retty, Opernball mit Paul Hörbiger und Hans Moser oder Es war eine rauschende Ball-nacht mit Zarah Leander sind Teil der Filmgeschichte geworden. Unmittelbar nachdem zweiten Weltkrieg war Ploberger am Landestheater in Linz und anschließendam Theater in der Josefstadt in Wien tätig, bevor er nach Hamburg ging und 1950seinen ständigen Wohnsitz in München nahm. In den fünfziger Jahren lag derSchwerpunkt seiner Tätigkeit wieder beim deutschen Kinofilm, er entwarf u. a.Kostüme für Will Quadflieg, Curd Jürgens, O. W. Fischer, Karlheinz Böhm, AlmaSeidler, Hildegard Knef, Lilli Palmer oder Liselotte Pulver. Anfang der sechzigerJahre schuf er sich bei dem damals neuen Medium Fernsehen ein drittes beruflichesStandbein. Im Lauf der Zeit wurde es langsam stiller um ihn, und die späte Anerken-nung, die ihm zu seinem 75. Geburtstag durch eine umfassende Ausstellung in Linzzuteil werden sollte, erlebte Ploberger nicht mehr. Im Jänner 1977 erlag er in Mün-chen einem Krebsleiden, das er mit großer Würde ertragen hatte. Nur wenige Jahrespäter begann eine Phase, in der die Kunst der Zwischenkriegszeit neu bewertetwurde, und seither nimmt Ploberger im internationalen Kontext einen unanfechtba-ren Platz in der Kunstgeschichte ein.

Im Gegensatz zu der Beachtung, die seine Ölbilder und Grafiken im Stil der NeuenSachlichkeit finden, ist über Plobergers Theater-, Film- und Fernseharbeit nur wenigbekannt. Dieses Defizit auszugleichen, war das Ziel einer theaterwissenschaftlichenForschungsarbeit der Verfasserin. Die Materialfülle, die sich bei den Recherchenergab, machte eine thematische Einschränkung erforderlich, weshalb sich die Unter-suchung neben der Ergänzung biografischer Fakten auf die Erfassung und Doku-mentation seiner Tätigkeit für österreichische Bühnen konzentrierte. Durch das Aus-werten verschiedener Quellen wie Archiv- und Nachlaßmaterialien, Zeitungskriti-ken, Aufführungsfotos und Originalentwürfen auf Papier konnten neununddreißigInszenierungen in Österreich dokumentiert werden, an denen Ploberger gestaltendmitgewirkt hat. Diese Aufträge waren über einen Zeitraum von knapp dreißig Jah-ren verteilt und konzentrierten sich auf Wien, Linz und Salzburg.1 Davon betrafenvierundzwanzig das Bühnenbild, neun die Kostüme und in sechs Fällen war er fürdie Gesamtausstattung verantwortlich. Der Bogen der Regisseure, mit denen erdabei zusammenarbeitete, spannte sich von Max Reinhardt bis zu Leopold Lindt-berg, jener der Bühnenbildner von Clemens Holzmeister bis zu Teo Otto. Unter denSchauspielern und Schauspielerinnen, für die er Kostüme entwarf, sind u. a. EwaldBalser, Achim Benning, Annemarie Düringer, Adrienne Gessner, Boy Gobert, Judith

1 1933/1934: Wien und Salzburg; 1945/1946: Linz; 1946–1949: Wien; 1954–1962: Wien und Salzburg.

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Holzmeister, Fred Liewehr, Helmuth Lohner, Peter Lorre, Erna Mangold, Josef Mein-rad, Erika Pluhar, Veit Relin, Maximilian Schell, Albin Skoda, Sonja Sutter, Her-mann Thimig, Oskar Werner oder Paula Wessely zu nennen.

Die österreichischen Theaterkritiker äußerten sich während jener dreißigJahre fast ausschließlich positiv über seine Arbeit; unter den Rezensenten, die mitdifferenzierterem Sachverständnis schrieben, hatte er einige große Bewunderer, wiez. B. die beiden weltanschaulich so gegensätzlichen Literaten Hugo Huppert undHans Weigel.

Im folgenden Beitrag fließen diese neununddreißig Inszenierungen in den zeitlichenKontext von Plobergers Biografie ein. Die genaueren Angaben zu den Aufführun-gen befinden sich in chronologischer Reihenfolge im Anhang.

1902–1932

Herbert Wilhelm Otto Ploberger kommt aus einer alten Welser Familie, die sichangeblich auf Christoph Zeller, den Schwager des Bauernführers Stefan Fadinger,zurückleitet.2 Er wurde am 6. April 1902 als erstes von vier Kindern des Lederindu-striellen Wilhelm Anton Ploberger und seiner Frau Marie Adler, die ebenfalls vonLederfabrikanten abstammte, in Wels geboren. Herbert besuchte ab 1912 das Staats-gymnasium in Wels, die Oberstufe absolvierte er ab 1916 in Linz. Im selben Jahrbegann der Neubau der elterlichen Villa in der Welser Vorstadt, die der BerlinerArchitekt und Mitbegründer des Deutschen Werkbundes Hermann Muthesius ent-worfen hatte. (Das Haus gilt heute als das einzige authentische Vermächtnis desArchitekten in Österreich; seit dem Jahr 2000 ist dort das private Lebensspuren-Museum der Siegel und Stempel untergebracht, in dem 2002 auch eine Ausstellungzu Plobergers hundertstem Geburtstag gezeigt wurde.) Muthesius hatte bei seinerPlanung im ersten Stock des Hauses zwei südseitige Kinderzimmer vorgesehen,aber Herbert, der wegen einer Augenerkrankung das Sonnenlicht meiden mußte,zog anscheinend eine Dachkammer vor oder benützte diese als Atelier, wie einerPostkarte zu entnehmen ist, die er als siebzehnjähriger Gymnasiast aus Linz an seinekleine Schwester nach Hause schrieb und deren Text auf das luxuriöse Milieu hin-weist, in dem die Kinder aufwuchsen.3

Nachdem Ploberger im Juli 1920 am Linzer Staatsgymnasium maturierthatte, ging er zum Studium nach Wien. Vier Semester lang hörte er Vorlesungen inPhilosophie, Geschichte und Kunstgeschichte und besuchte neben einem vollen

2 Justus Schmidt, Herbert Ploberger, in: Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1962 (Schroll: Wien – München1962), S. 118.

3 „Liebes Hedlein! Bitte sei so gut und sage dem Kutscher Josef, er möge mir um 4 Uhr beim Zug war-ten. Anna laß ich bitten meinen schwarzen Anzug auszubügeln und Rosa möchte in meiner Dach-kammer am Boden auskehren und alles was am Boden liegt wegwerfen.“ (10. 01. oder 10. 04. 1919,Nachlaß H. Ploberger.)

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Stundenplan an der Universität auch die renommierte Kunstgewerbeschule, die ernach vier Jahren abschloß. Dort war er im ersten Jahr als Hospitant bei Viktor Schu-finsky eingeschrieben; im zweiten wechselte er zu Adolf Böhm, trat aber im Februar1922 aus der Klasse aus. Ab dem dritten Jahr wurde er als ordentlicher Schülergeführt und war auch in Franz Cizeks Ornament-Kurs eingetragen. In seinemAbschlußjahr 1923/24 besuchte er insgesamt vier Kurse, drei davon in wechselnderFolge. Ein paar Monate saß er dadurch zusammen mit Erika Giovanna Klien, dieheute als Hauptvertreterin des Wiener Kinetismus gilt, in Cizeks Klasse. In diesem Jahrschuf Ploberger eine konstruktivistische Raumplastik, deren Nachbildung im Jahr2006 im Rahmen der Ausstellung Kinetismus im Wien-Museum zu sehen war.

Auf den Stammblättern, die von den Studenten der Kunstgewerbeschule all-jährlich ausgefüllt wurden, gab er in den ersten drei Jahren jedesmal einen anderenBerufwunsch an, nämlich „Graphiker“, „Plakatzeichner, Illustrator“ bzw. „Ausübungd. dekor. Malerei“, ganz im Gegensatz zu Klien, die durchgehend „Malerin“ werdenwollte.4 Alle diese Wünsche erfüllte er sich später; aber auch das Doppelstudiumund die häufigen Klassenwechsel verraten seine vielseitigen Interessen und Bega-bungen und weisen auf die Flexibilität und Offenheit hin, die seine gesamte berufli-che Lebensgestaltung prägen sollten. Seinen eigenen Worten zufolge hatte dieKunstgewerbeschule keinen besonderen Einfluß auf seinen neusachlichen Stil, „son-dern war mehr eine rein akademische Ausbildung.“5

Während Ploberger in Wien studierte, wurde die Ehe seiner Eltern in Welsgeschieden. Sein Vater heiratete daraufhin im Juni 1923 die Witwe Karoline Röthel,deren Tochter Margarethe mit Isabella Hartl, die später Plobergers Frau werdensollte, befreundet war. In den folgenden Jahren verlor der Vater die Fabrik, wofür dieUrsachen möglicherweise nicht nur im friedensbedingten Verlust militärischerGroßaufträge, sondern auch in hohen Mitgiftrückzahlungen zu suchen sind.

Im Frühjahr 1925 ging Ploberger für vier Monate nach Paris, wo er „Bildermalt[e], und um sich das Leben zu finanzieren Pavillons für die damalige Weltaus-stellung ausmalt[e].“6 Für diese Exposition Internationale des Arts Decoratifs et Industrielsmodernes, nach welcher später der Art Deco-Stil benannt wurde, hatten Josef Hoff-mann, Peter Behrens, Josef Frank und Oskar Strnad den österreichischen Pavillonentworfen. Über die Eindrücke und Anregungen, die der knapp Dreiundzwanzig-jährige in der Weltstadt Paris aufnahm, wissen wir leider nichts, außer daß er „demKreis von Pasquin“ angehörte.7 In diesem ereignisreichen Jahr, in dem sein StillebenAuf dem Tisch, unter dem Tisch und das Selbstporträt als Clown Scherben bringen Glück

4 Die Angaben stammen aus den Klassenkatalogen und Nationalen der Kunstgewerbeschule.5 Lebenslauf Herbert Ploberger (Typoskript), von ihm selbst kurz vor seinem Tod in der dritten Person

verfaßt (Nordico-Museum der Stadt Linz).6 Ebd.7 Neue Zeit, 15. Jänner 1946. Vermutlich ist der in Bulgarien geborene Maler und Grafiker Jules Pascin

(1885-1930) gemeint, der (nach einem längeren Aufenthalt in den U. S. A.) in den zwanziger Jahrenwieder in Paris lebte; er hatte in seiner Jugend in Wien und München studiert und u. a. für den Sim-plicissimus gearbeitet.

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entstanden, hatte er in der Wiener Galerie Würthle auch seine erste Ausstellung.8 ImNovember kam sein Halbbruder Ulrich zur Welt, mit dem er sich trotz des erhebli-chen Altersunterschiedes später sehr gut verstehen sollte.

1926 bezog er sein erstes Atelier in Wien; in diesem Jahr entstanden seineberühmten Ölbilder Der Toilettentisch und Stilleben mit Ananas. Ein undatierter Zei-tungsausschnitt läßt darauf schließen, daß einige seiner Bilder in Max Oppenhei-mers Atelier nahe dem Schwarzenbergpark ausgestellt waren. Eigenen Angabenzufolge war er „während seiner Entwicklungsjahre als Maler und Kostümbildner“auch mit Alfred Kubin und Carl Anton Reichel, „bei denen er häufig zu Gast war“,bekannt.9

1927 übersiedelte Ploberger nach Berlin; er assistierte Ernst Stern bei Film-bauten und beteiligte sich an der Ausstellung Die neue Sachlichkeit in der GalerieNeumann-Nierendorf und an der Herbstausstellung der Akademie der Künste.10 Fürden Kritiker Stephan Poglayen-Neuwall war er „der einzige in diesem gemütlich-keitsduseligen Land, der sich mit Leib und Seele der Neuen Sachlichkeit verschrie-ben hat.“11 In der Zeitschrift Der Kunstwart vom März 1928 war neben Bildern vonDix, Grosz, Kanoldt, Grossberg, Scholz und Schrimpf auch Plobergers Toilettentischabgedruckt, über den Alexander Berrsche schrieb: „Das Stilleben von Ploberger übteinen seltsamen Bann aus. Man denke sich diese Gegenstände photographiert undwird sofort den Unterschied empfinden: die stärkere Präzision und Klarheit der For-men gibt ihnen [...] eine eigentümliche Spannung.“12 In der Darstellung metallischerOberflächen ist das Bild stilistisch mit Christian Schads Operation vergleichbar, dasdieser allerdings erst im Jahr 1929 malte. Der Kritiker Justus Bier schrieb in seinenBetrachtungen über die neueste Malerei über Plobergers Clownbild Scherben bringen Glück:„Plobergers extravagantes Selbstbildnis inmitten eines Kistenstillebens erklärt sichaus einer [...] inneren Beunruhigung über Zweck und Sinn der Kunst, die sich hinterartistischen Seltsamkeiten zu verbergen sucht.“13 Aus heutiger Sicht sind PlobergersStilleben „international“ und rücken ihn in die Nähe des amerikanischen Präzisioni-sten Charles Sheeler.

Ende 1929 nahm Ploberger in Linz zusammen mit Paul Ikrath und FranzSedlacek an der Weihnachtsausstellung Neuromantik und neue Sachlichkeit in Oberöster-reich teil; die Kritik begeisterte sich besonders für seine Zeichnungen: „Der Vertreterder Neuen Sachlichkeit ist Herbert Plohberger [!] aus Wels. [...] Das künstlerischVollendetste leistet er zweifellos in den Bleistift- und Tuschfederzeichnungen [...], sie

8 Diese Jahresangabe ist Plobergers selbstverfaßten Lebenslauf entnommen. Andere Quellen gebendie Jahre 1926 bzw. 1927 an.

9 Lebenslauf Herbert Ploberger.10 Der Maler, Kostüm- und Bühnenbildner Ernst Stern (1876–1954) ist vor allem für seine Arbeit mit

Max Reinhardt, Ernst Lubitsch und Eric Charell bekannt. 1934 emigrierte er nach London.11 Zit. nach: Klaus Schröder, Neue Sachlichkeit. Österreich 1918–1938 (Kunstforum BA: Wien, 1995),

S. 69.12 Der Kunstwart. Deutscher Dienst am Geiste. Oktober 1927 bis März 1928 (Callwey: München),

S. 413.13 Ebd., S. 363.

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erinnern an die meisterhaften Zeichnungen italienischer Renaissancekünstler. DieseZeichnungen Plohbergers [!] gehören sicher zu dem Besten, das die so hochstehendeAusstellung bietet.“14 Sie kosteten je 100 Schilling, fünf der Ölbilder waren um 600,eines um 400 Schilling zu kaufen.15 Ein Teil dieser Werke gilt heute als vermißt.16

Im Jahr 1930 schrieb der Direktor des oberösterreichischen Landesmuseumsin Linz, Hermann Ubell, in einem monografischen Aufsatz über Ploberger: „Die,Neue Sachlichkeit‘ hat in Österreich noch wenig [!] Vertreter gefunden; der bedeu-tendste unter ihnen ist Herbert Ploberger, ein Oberösterreicher, der seit Jahren inBerlin lebt und zu den hervorragendsten Künstlern des Salons Nierendorf zählt –bekanntlich das Hauptquartier für Berlin und damit für ganz Deutschland.“17

In den erhaltenen Werken dieser Berliner Jahre ist für Ploberger das Theater vonAnfang an ein Thema, wie die Bilder Der Souffleur, um 1927 und Selbstbildnis als Statist,um 1928, verraten. Ubell, der von Plobergers Zeichenkunst in Superlativenschwärmte18, machte für dessen Hinwendung zur darstellenden Kunst finanzielleGründe geltend: „Seit Jänner 1927 ist er in Berlin, wo er sich rasch einen Namenmacht, wenngleich er fürs erste gezwungen ist, sein tägliches Brot als MitarbeiterErnst Sterns, des Ausstattungschefs Max Reinhardts, bei der künstlerischen Insze-nierung theatralischer Neuaufführungen und großer Filmwerke zu verdienen. Sogelingt es ihm, seine Kunst ganz rein zu bewahren und vor jeder Konzession an denTagesbedarf zu behüten.“19 Ploberger war allerdings elitäres Denken fremd, er ergriffjede Gelegenheit, sein Talent anzuwenden; daher arbeitete er nicht nur als SternsAssistent bei Film- und Theaterproduktionen mit, sondern betätigte sich auch alsGebrauchsgrafiker. 1928 illustrierte er beispielsweise den Katalog des schwedischenRestaurants „Roberts“ und stellte Werbegrafiken für Ullstein-Kleiderschnitte her.Manche seiner dabei entstandenen Figuren evozieren in ihrer dynamisch überzeich-neten Beweglichkeit amerikanische comic strips, andere sind wie seine Damenporträts

14 Linzer Volksblatt, 28. November 1929. Der Rezensent erwähnte auch das „,Ananas-Stilleben‘, das sei-nerzeit für die Landesgalerie angekauft worden ist.“

15 Zum Vergleich: Ein Facharbeiter im Wiener Baugewerbe verdiente im Dezember 1929 kollektivver-traglich 79,72 Schilling pro Woche; 1 kg Schwarzbrot kostete 63 Groschen, ein Herrenanzug 142Schilling. (Siehe: Beiträge zur österreichischen Statistik, 1240. Heft, Die Entwicklung der Verbrau-cherpreise v. 1900–1996 [Wien 1997].)

16 Plobergers Stilleben Auf dem Tisch, unter dem Tisch aus 1925 erzielte im Mai 2001 bei einer Versteige-rung 1.000.000 Schilling. Sedlaceks Ölbilder kosteten 1929 zwischen 500 und 1200 Schilling, seinÖlbild Landschaft mit Funkturm/Stadt am Meer erzielte nach der Euro-Umstellung 199.640 Euro. (Diebeiden Bilder hingen nicht in der Ausstellung von 1929.)

17 Bühne, Welt und Mode, 12. Jänner 1930, S. 14.18 „Einen neuen Klassizismus auch scheinen die ganz wunderbaren Umrißzeichnungen zu inaugurie-

ren. Die Art, wie hier der Künstler das Wesen der Form und der Bewegung in klangvollen Umriß-linien von einer nachtwandlerischen Sicherheit und Bestimmtheit ausdrückt, hat in der künstleri-schen Mitwelt keine Analogie. Man muß bis zu Bonaventura Genelli und noch weiter bis zu JohnFlaxman zurückgehen, um auf Liniengebilde von ähnlichem Adel und ähnlich süßer Reife in derWeltgeschichte der Kunst zu geraten.“ (Ubell in Bühne, Welt und Mode, 12. Jänner 1930, S. 17.)

19 Ebd., S. 15.

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vom eleganten Art Deco-Stil geprägt. Aus dem Jahr 1928 ist auch Plobergers Por-trätzeichnung der Schauspielerin Fritzi Massary als Titelblatt des Textbuches fürLehars Die lustige Witwe im Berliner Metropol-Theater erhalten. Der Regisseur dieserInszenierung war Eric Charell20, für den Ploberger 1930 an der Ausstattung derUraufführung von Ralph Benatzkys Operette Im weißen Rößl in Berlin bzw. Londonund 1932 an Die Drei Musketiere in London arbeitete.21 Daß Ploberger auch dortnebenbei nicht untätig war, beweisen die erhaltenen Originalentwürfe für Theater-programme aus dem Jahr 1930 und Bühnenbilder für eine Pantomime aus 1931, diealle für London bestimmt waren.

Ploberger hätte, das zeigen die Abbildungen seiner verschollenen bzw. imKrieg verbrannten Porträts, auch eine glänzende Karriere als Porträtmaler der Berli-ner Gesellschaft machen und sich damit eine Existenz als bildender Künstler sichernkönnen, wovon ihn aber möglicherweise seine Abneigung gegen gesellschaftlicheVerpflichtungen abhielt. In seiner bescheidenen Art schrieb er über diesen Lebensab-schnitt: „Veröffentlichungen von Zeichnungen und Bildern in vielen Zeitschriftenund Illustrierten wie z. B. die ,Jugend‘, ,Querschnitt‘. Er hat kein besonderes Vorbild,sondern sieht sich mehr von einer Zeitströmung gepackt. Seine Beziehungen zu denKünstlern seiner Stilrichtung sind nur sehr oberflächlich. Bekanntschaft mit Prof.Ernst Stern.“22

Wien und Salzburg 1933–1934

Ploberger hatte als Sterns Assistent schon mehrere Jahre lang Erfahrungen gesam-melt, als er von dem Architekten Clemens Holzmeister 1933 zu seiner ersten selb-ständigen Kostümarbeit an das Wiener Burgtheater geholt wurde. Es ist zwar nichtbekannt, wo die beiden einander kennengelernt hatten, doch die Tatsache, daß Holz-meister ihn für fünf Produktionen als Kostümbildner engagierte, läßt den Schluß zu,daß er große Stücke auf ihn hielt, zumal er sich 1937/38 – letztlich aus politischenGründen vergeblich – auch für eine feste Anstellung Plobergers an der WienerStaatsoper einsetzen sollte.23

Ploberger, dessen erste selbständige Kostümarbeit somit in Österreich statt-fand, hatte für Gerhart Hauptmanns Florian Geyer allerdings keinen eigenen Vertragmit dem Burgtheater. Holzmeister, der Professor an der Akademie der bildendenKünste war, hatte die Ausstattung für ein Honorar von 1500 Schilling übernommen

20 Der Tänzer und Choreograf Eric (auch: Erik) Charell (1894–1973 oder 1974) machte sich in denzwanziger Jahren in Berlin mit Revue- und Operettenproduktionen einen Namen. Er emigrierte nach1933 in die U. S. A.

21 Siehe: Katharina Weinberger, Herbert Ploberger. Malerei–Graphik (Wels – Linz, 2002) S. 40, undErnst Stern, Bühnenbildner bei Max Reinhardt (Henschel: Berlin 1983), Vorwort.

22 Aus dem selbstverfaßten Lebenslauf Herbert Plobergers.23 Clemens Holzmeister (1886–1983) emigrierte 1938 in die Türkei. Zum seinem Lebenslauf siehe: Ger-

trude Enderle-Burcel, Christlich–Ständisch–Autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–1938 (DÖW:Wien, 1991).

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und wollte für seinen Mitarbeiter zusätzlich 300 Schilling herausschlagen, wie ausseinem Brief an Hermann Röbbeling, den Direktor des Burgtheaters, hervorgeht:„Im Verfolg der Ihrerseits so guten Aufnahme meiner Vorschläge der Bühnengestal-tung für ,Florian Geyer‘ und der Figurinen des Herrn Bloberger [!], darf ich mir erlau-ben, um die Flüssigmachung der ersten Honorarrate im Betrage von S 500.– zu ersu-chen. Desweiteren darf ich ergebenst mitteilen, daß Herr Bloberger [!] für seineArbeiten, die sich selbstverständlich bis zur Vollendung der Kostüme erstreckenwerden, den Betrag von S 300.– in Vorschlag bringt und darf ich annehmen, daßdiese bescheidene Forderung Sie veranlassen wird, Herrn Bloberger [!], diesen jun-gen und hochbegabten Menschen, auch fürderhin möglichst oft für Figurinenent-würfe ja vielleicht auch für kleinere Bühnenausstattungen heranzuziehen.“24 Röbbe-lings Antwort fiel allerdings negativ aus: „Gänzlich ausgeschlossen ist es, ein weite-res Honorar von 300 S an den von Prof. Holzmeister erst jetzt namhaft gemachtenMitarbeiter zu bewilligen. Diese Ausgabe kann einzig und allein nur aus dem Hono-rar für Prof. Holzmeister gedeckt werden.“25 Aus den Akten geht nicht hervor, obHolzmeister tatsächlich ein Fünftel seiner Gage an Ploberger abtrat.26

Das Stück, das die Niederschlagung des Bauernaufstandes in Franken undSchwaben im Jahr 1525 thematisiert, wurde von den Kritikern unterschiedlich aufge-nommen. Die Beobachtung „So viel Blech hat man auf der Bühne des Burgtheatersschon lange nicht beisammen gesehen. Die Ritter laufen mit Vorliebe in ihren schwe-ren Platten- oder Kettelrüstungen herum – die übrigens teilweise verschiedenenZeitaltern angehören“27 läßt darauf schließen, daß man teilweise auf den Kostümfun-dus zurückgriff, weil die Budgetmittel knapp waren. Vollkommen konträr urteiltedagegen der Brucknerschüler und Musikkritiker Ernst Decsey, der die Rüstungen indiesem „urdeutschen Stück“ „prachtvoll“ fand.28 Ploberger wurde auch namentlicherwähnt, das Neue Wiener Extrablatt beschrieb „glänzend gekleidete Ritter undBischöfe, hell und sauber beschiente und gerüstete Bauern, Trabanten und Volk,kostümiert von dem Hamburger Herbert Proberger [!]“29, und in den Wiener NeuestenNachrichten stand: „Die Kostüme stammen von Herbert Ploberger. Er schuf sie freivon Meiningerei, mit Phantasie und doch erfüllt vom Geiste der Reformations-epoche.“30

Plobergers Entwürfe zu diesem Stück sind kostümgeschichtlich in derRenaissance verankert; sie wirken in ihrer malerischen Qualität wie Buchillustratio-nen, durch überzeichnete Details und gelängte Körperteile entsteht ein fast karika-

24 Holzmeister an Röbbeling, 06. Dezember 1932 (AdR-03/BMfU-ÖBThV-GZ 3337/1932).25 Aktenvermerk vom Dezember 1932 (AdR-03/BMfU-ÖBThV-GZ 3337/1932).26 Für Holzmeister bedeutete das Honorar neben seinem Professorengehalt und seinen Aufträgen als

Architekt ein zusätzliches Einkommen. Zum Vergleich: 1 kg Schwarzbrot kostete damals 59 Gro-schen, ein Herrenanzug 125 Schilling.

27 Dätz (?), 17. Februar 1933 (Archiv des Burgtheaters).28 Neues Wiener Tagblatt, 17. Februar 1933.29 Neues Wiener Extrablatt, 17. Februar 1933.30 Wiener Neueste Nachrichten, 17. Februar 1933. Die Inszenierungen des Meininger Hoftheaters (1867–

1890) waren für ihre bemüht akribische historische Authentizität bekannt.

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Abb. 02: Herbert Ploberger, Fünf Figurinen zu Florian Geyer 1933, Zeichnung mit Deckfarben(Lentos Kunstmuseum Linz)

turhafter Eindruck. In den beschwingten, teilweise sogar fröhlichen Gruppenbildernnehmen die Figurinen in ihren Körperhaltungen spielerisch aufeinander Bezug,sodaß jedes Blatt eine kompositorische Einheit darstellt. Füße und Beinkleidung sindauffallend abwechslungsreich gestaltet, die Männer haben ausgeprägte O-Beine.Die Augen der meisten Figurinen sind geschlossen, manche sind als diffuse Fleckenoder mit Brillen dargestellt.31 (Abb. 02)

Wenige Monate später, am Karsamstag 1933, fand im Zirkus Renz die Uraufführungdes Passionsspieles Golgotha statt, das als Massenspektakel inszeniert war.32 Autordieses biblischen Bilderbogens war der Klosterneuburger Chorherr V. O. Ludwig,der seine Priesterweihe zusammen mit dem späteren christlich-sozialen PolitikerIgnaz Seipel erhalten hatte. Einem Kritiker, der gegen die Darstellung Jesu auf der

31 Lentos Kunstmuseum Linz, Fig. „Florian Geyer. Musikant–Mutter und Sohn–Blinder Mönch“ (ploberger-1811) und „Florian Geyer. Schwarze Marei–Kratzer, Wirt–Feistle–Kellnerin–Hausierer“ (ploberger-1812);ÖThM, Fig. „Florian Geyer. Schäferhans/Siegert–Ozory–Steinböck“ (HÜ 54492) und „Florian Geyer. BewaffneteBauern“ (HÜ 54290).

32 Das 1881 vom Architekten Oskar Laske in Stein und Stahl errichtete Zirkusgebäude wurde gegenKriegsende durch Bomben teilweise zerstört und im März 1957 abgerissen (Arbeiterzeitung, 09. März1957, S. 06). Die heutige Zirkusgasse erinnert an den Standort.

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Bühne argumentiert hatte, hielt er entgegen, durch diese Produktion seien „nicht nurviele Menschen zu Arbeit und Brot gekommen, sondern in der Verworrenheit unse-rer Zeit würden viele Menschen hier erhabene, ja trostreiche Ablenkung vomgrauen Alltag finden.“33 Es war sicherlich ein beeindruckendes Schauspiel, das sichden Zuschauern bot. Holzmeister hatte die Decke „mit schwarzgoldenem Tüllstoffverkleidet, die Lampen an den Logenbrüstungen mit schwarzen Kreuzen abgeblen-det“34 und in einem Segment der Arena einen gewaltigen Bühnenaufbau gestaltet,der bis zum obersten Rang hochgezogen war; eine Freitreppe führte zu einer podest-artigen Vorbühne, von der die verschiedenen Schauplätze über Wege und Stiegenerreichbar waren.

Die Rezensionen lassen den Schluß zu, daß die Inszenierung den optischenund akustischen Visionen des Autors, die er in seinen Regieanweisungen detailge-nau formuliert hatte, entsprach. Die verwendeten Stilmittel zielten auf ein Gesamt-kunstwerk ab, das Sprechtheater wurde durch instrumentale Musik, Gesang, liturgi-sche Sprechriten, Tableaus und pantomimische Einlagen ergänzt und mit Lichteffek-ten wirkungsvoll verstärkt. Anschaulich beschrieb ein Kritiker, wie die „lebendenBilder“, stumm dargestellt und von Musik untermalt, nacheinander an verschiede-nen Stellen der Bühne plastisch aufleuchteten, denn die Simultanbühne, auf der alleSchauplätze gleichzeitig vorhanden waren, erlaubte mittels entsprechender Lichtre-gie rasche und eindrucksvolle Szenenwechsel. Auch die Massenszenen schieneneinen grandiosen Eindruck gemacht zu haben und die Kostüme wirkten „farben-prächtig, zeitecht-phantasievoll. Nur sie konnten der Bildwirkung letzte Vollendungsmöglichkeitgeben.“35

Für diese Produktion galt es, 58 Rollen und etwa 200 bis 300 Statisten (dieAngaben differieren) einzukleiden. Einige in Zeitungen publizierte Rollenfotos evo-zieren die gängige Ikonografie einer im 19. Jahrhundert verankerten Romantik.36

Plobergers Entwürfe, soweit sie im Theatermuseum erhalten sind, bergen daherkeine Überraschungen. Die zwölf Apostel tragen einfache, in den Taillen gebundeneTunikas mit Kreuzverschnürungen an der Brust. Offene Reisemäntel, Sandalen undKrummstäbe ergänzen ihre Kostüme, die sich nur in Farbe und Länge unterschei-den. Während sie eher unbewegt nebeneinander stehen, scheinen die Römer fast zutänzeln. Claudia hat zu ihrem hellen Ärmelchiton rosa Pantoffeln an; sie ist von Quin-tus und Pilatus flankiert, die kurze Tunikas, gefibelte Übermäntel und Schnürsanda-len tragen. Den beiden Hauptfiguren Jesus und Maria ist je ein Blatt mit vier Kostüm-variationen gewidmet, wobei der expressiv gemusterte, orangerote Verspottungs-mantel Jesu aus dem ansonsten gedämpften Farbrahmen fällt. Maria trägt verschie-denfarbige Hemdgewänder, die jeweils in der Taille mit Tüchern fixiert sind, und far-

33 Wiener Neueste Nachrichten, 13. April 1933.34 Emanuel Häußler in Neues Wiener Tagblatt, 18. April 1933.35 Wiener Neueste Nachrichten, 19. April 1933.36 Foto o. A., „Passionsspiele im Zirkus Renz. Schweikart als Christus. Ebba Johannsen als Maria“, in

Neues Wiener Tagblatt, 19. April 1933; „Szenenbild aus ,Golgotha‘: Jesus (Schweikart) mit den Jesus-kindern“, in Die Stunde, 19. April 1933 = Foto Gersdorff, „Jesus und die Kinder“ (ÖThM, PSA 181817).

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big passende Kopftücher. Im Gegensatz dazu sind das Judenmädchen, die Ehebrecherinund Magdalena detailreich und kostbar gekleidet. Sie tragen Hals-, Ohren- undKopfschmuck, bunt gemusterte Oberkleider, knöchellange Unterkleider, verschie-denfärbige Tücher und hauchdünne, durchsichtige Schleier, wobei es Plobergermühelos gelingt, das Material sichtbar zu machen. Die Gesichter der Figurinenhaben keine Augen, fallweise sind Nasen, Bärte oder rote Wangen angedeutet. DieEntwürfe machen deutlich, daß Ploberger sich intensiv mit kostümkundlichen Quel-len auseinandergesetzt und diese dann in künstlerischer Freiheit abgewandelt hat.37

Im Zusammenhang mit dieser Produktion ist erwähnenswert, daß PeterLorre den Judas spielte. Lorre, der 1931 mit seiner Hauptrolle in Fritz Langs Film M –Eine Stadt sucht einen Mörder Berühmtheit erlangt hatte, war erst im Februar aus Berlinnach Österreich zurückgekehrt bzw. vor den Nationalsozialisten geflohen. Er legtedie Rolle des Judas auf ungewohnte Weise an, wie im Abend zu lesen war: „Judas, vonPeter Lorre erschütternd dargestellt, ist nicht der Erzschelm, die Verkörperung desBösen an sich, wie man ihn meist sehen will, sondern ein armer, ratloser, kleinerSünder. [...] Die wirklich Schuldigen sind die Herrschenden. [...] So wird dieses [...]Christusdrama fast zu einer vernehmlichen Anklage gegen den Obrigkeitsstaat.“38

Der Rezensent nahm hier nicht von ungefähr auf das aktuelle politische GeschehenBezug, denn in den Wiener Neuesten Nachrichten war auf derselben Seite wie die Kritiküber Golgotha ein wohlwollender Bericht über eine Inszenierung ganz anderer Art zulesen: „Wiener NSDAP feiert Hitler. Große Kundgebung im Konzerthaus. [...] Über5000 Menschen wohnten der eindrucksvollen Feier bei. [...] Auf dem Podium hattender Braunhemdenchor und das verstärkte Symphonieorchester des Gaues Aufstel-lung genommen. Um die Orgel gruppierten sich die Fahnen und Standarten derSturmabteilungen, der Hintergrund war mit Palmen und einem mächtigen goldenenHakenkreuz mit darüber aufgespannter Hakenkreuzflagge geschmückt. SS-Mann-schaften standen vor dem Podium Spalier.“39 Als zwei Monate später die NSDAP inÖsterreich verboten wurde, war Peter Lorre nicht mehr in Wien. Für ihn sollte Judas,neben einer Filmrolle in Unsichtbare Gegner, seine einzige Bühnenrolle bleiben, bevorer über Znaim und Paris in die U. S. A. emigrierte.

Auch Max Reinhardt, der durch Hitlers Machtergreifung sein Theaterimperium inBerlin verloren hatte, war mittlerweile nach Österreich zurückgekehrt. Dieser Schrittwar, im nachhinein gesehen, sein erster ins Exil, welches ebenfalls in Amerika endensollte. Reinhardt griff nun seine alte Idee wieder auf, Faust I in Salzburg zu inszenie-ren. Ihm war bei früheren Diskussionen über den Aufführungsort allerdings immerder Hof von St. Peter vorgeschwebt, während Anton Faistauer, Hugo von Hof-

37 ÖThM, Fig. „Passion. Johannes–Petrus–Jakobus mj–Jakobus mi“ (HÜ 54252), „Passion. Simon–Thaddäus–Judas–Mathäus“ (HÜ 54253), „Passion. Thomas–Andreas–Bartholomäus–Philippus“ (HÜ 54254), „Passion. Pi-latus–Claudia–Quintus“ (HÜ 54404), „Passion. Emmaus–Einzug–Erscheinung–Verspottung“ (HÜ 54255), „Ver-kündigung–Bethlehem–Bethanien–Ölberg“ (HÜ 54256), „Passion. Magdalena–Grieche–1. Judenmädchen“ (HÜ54402) und „Passion. Zweites Judenmädchen/Dorsay–Drittes Judenmädchen/Sigrist–Ehebrecherin“ (HÜ 54403).

38 Der Abend, 18. April 1933.39 Wiener Neueste Nachrichten, 19. April 1933.

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Abb. 03: Kostümprobe zu Faust I 1933, v. l.: Max Pallenberg im Kostüm des Mephisto,Herbert Ploberger, Max Reinhardt, Fritzi Massary, Helene Thimig (Foto: Setzer)

mannsthal und Clemens Holzmeister die Felsenreitschule favorisiert hatten. DieseIdee setzte sich letztlich durch.40 Clemens Holzmeister mußte für Reinhardt eine ver-kleinerte mittelalterliche Stadtarchitektur in die Felsenreitschule bauen, und Plober-ger, der für die Kostüme zuständig war, assistierte ihm dabei.41

40 Siehe: Clemens Holzmeister, Architekt in der Zeitenwende (Bergland: Salzburg, 1976), S. 67.41 Die Kosten, Plobergers Kostüme eingeschlossen, beliefen sich laut Holzmeister auf 60.000 Schilling

(Salzburger Volksblatt, 04. August 1937). Zum Vergleich: 1933 kosteten die teuersten Plätze in der Fel-senreitschule 50, die billigsten 12 Schilling, während man für das tägliche Orgelkonzert im Dom 80Groschen, für die Besichtigung von Festspielhaus und Fauststadt 1 Schilling zahlte; 1 kg Brot kostete59 Groschen.

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Das Material dieser als „Fauststadt“ in die Theatergeschichte eingegangenenSzenerie war auf Dauer angelegt und bis in Details wie Butzenscheiben und Dach-rinnen durchgearbeitet.42 Man hatte sogar einen großen Ahornbaum, der als Lindediente, gepflanzt und einen blühenden Garten angelegt. Die „Echtheit“ von Szenerieund Darstellung kam bei den Zuschauern besonders gut an. Paula Wessely bei-spielsweise spielte die Rolle der Margarete43 anscheinend so natürlich, daß sie „ganzzu dem unkomplizierten Kind aus dem Volke“44 wurde.

Es entsprach durchaus dem Zeitgeist, „die Dichtung im Stil eines alpenlän-disch-österreichischen, ja spezifisch altsalzburgischen Volksschauspiels zu inszenie-ren. [...] Und mittelalterlich-salzburgisch sind auch die vom jungen Maler Ploberger entworfenenKostüme“, erzählte der Komponist Bernhard Paumgartner in einem Interview.45 „Unddiese von Herbert Ploberger entworfenen Kostüme gehören mit zum Besten der ganzen Auffüh-rung.“46 (Abb. 03) Aber nicht nur Plobergers Kostüme, auch Wallmanns Tanzeinlagenund Paumgartners Musik nahmen auf Salzburg Bezug, und über dem Stadttor derFauststadt prangte das Wappen eines Erzbischofs. Dieser „Salzburger Note“47 unddem „bäurische[n] Mythos“48 konnten viele Schauspieler auch privat nicht widerste-hen. Max Pallenberg beispielsweise erschien zu einer Probe als „Mephisto im Salz-burger Janker“49 und Bergschuhen, „dazu kurze Hosen und Strümpfe, den Mephis-todegen umgehängt.“50 Die Verschmelzung von Illusion und Wirklichkeit, Vergan-genheit und Gegenwart beschränkte sich aber nicht auf die Bühne, denn ganz Salz-burg schien zur Theaterkulisse geworden zu sein: „Und bald ist man gar nicht mehrüberrascht, wenn sich ein strammer Salzburger mit dem Gamsbart auf dem Hut, einfesches Salzburger Dirnderl als ,getarnte’ Engländer oder Amerikaner entpuppen,denen die einheimische Tracht so besonders gut gefallen hat.“51

Die Berichte der Journalisten verrieten vor allem eines: große Erleichterungüber die Anwesenheit ausländischer Gäste. Denn die Festspiele, damals schon zueinem enormen Faktor für den Fremdenverkehr angewachsen, standen im Jahr derMachtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland unter keinem guten Stern.Ende Mai 1933 hatte Hitler nämlich angeordnet, daß jeder deutsche Staatsbürger

42 Die „große, dem Zuschauer zugewendete plastische Stadtrevue“ bestand „aus Drahtwänden (soge-nannte Stauß-Ziegelgewebe), die mit gefärbtem Beton-Mörtelputz versehen sind. Außenseits. Nachinnen geniert sich das Drahtgerippe nicht im mindesten, bloß und nackt dazuliegen.“ (Otto Kunz,Hinter den Kulissen der Fauststadt, in: Die Bühne, Erstes Augustheft 1934, S. 20.)

43 „Um dieses Gretchens willen muß der Faust aufgeführt werden“ (Rudolf Holzer in Wiener Zeitung,10. August 1934).

44 Edda Leisler, Gisela Prossnitz, Max Reinhardts Faust-Inszenierung in Salzburg 1933–1937, in: Maske undKothurn 01/1970, S. 162.

45 Neues Wiener Journal, 17. August 1933.46 Jarosch in Wiener Neueste Nachrichten, 20. August 1933.47 Paumgartner in Neues Wiener Journal, 17. August 1933.48 Die Stunde, 03. August 1933.49 Neues Wiener Tagblatt, 13. August 1933.50 Neue Freie Presse, 17. August 1933, zit. nach: Leisler/Prossnitz, S. 156.51 Neues Wiener Abendblatt, 24. August 1933.

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beim Grenzübertritt nach Österreich 1000 Mark zu zahlen habe (die sogenannte„1000-Mark-Sperre“), was einen empfindlichen Verlust für die grenznahen Fremden-verkehrsgebiete und damit für die Region Salzburg befürchten ließ, da man mit demFernbleiben der deutschen Tagesgäste rechnen mußte. Die Stimmung in Salzburgwar daher äußerst angespannt, ein finanzieller Mißerfolg der Festspiele schien vor-programmiert. Am 13. April, zwei Tage vor der Premiere von Golgotha, hatten dieSchlagzeilen bereits „nationalsozialistische Boykottdrohungen in Österreich“ ange-kündigt, die sich „gegen alle jene österreichischen Kurorte und Sommerfrischenrichte[n], die heute bemüht sind, die sommerliche Erholung und den Urlaub derschwülen politischen Atmosphäre zu entrücken und den parteipolitischen Radikalis-mus in der Zeit der Sommersaison auszuschalten.“52 Nach dem Verbot der NSDAPin Österreich am 19. Juni 1933 sagten einige reichsdeutsche Künstler, auch der fürdie Rolle des Faust vorgesehene Eugen Klöpfer, ihre Teilnahme an den Festspielenkurzfristig ab; erst zehn Tage vor der Premiere konnte in Ewald Balser Ersatz fürKlöpfer gefunden werden.53

Zur Eröffnung der Festspiele warfen deutsche Flugzeuge „massenhaft natio-nalsozialistische Propagandaflugzettel ab“, deren Text „eine Hohn- und Schmäh-schrift gegen die österreichische Bundesregierung und ihre Mitglieder, gegen denösterreichischen Staat und Österreichs Bevölkerung“ war.54 Die Festspiele liefen abertrotz dieser Störaktionen relativ erfolgreich ab, obwohl fast ein Viertel wenigerGäste als im Vorjahr kamen.55 Die Medien interpretierten die Anwesenheit des inter-nationalen Publikums als politische Solidaritätserklärung für Österreich. Daß mitder Selbstinszenierung der Stadt Salzburg mittels ihrer Verdoppelung in der „Faust-stadt“ gleichzeitig eine „bessere“ Vergangenheit beschworen und ein ländlich-traditi-onsbezogenes kulturelles österreichisches Selbstverständnis zelebriert wurde, führtemöglicherweise dazu, daß die Inszenierung, die fünf Jahre lang ein Publikumsrennerwar, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1938 aus dem Spielplangenommen und die „Fauststadt“ abgerissen wurde. Andernfalls wäre Faust heutevielleicht ein ebenso fixer Bestandteil der Salzburger Festspiele wie Jedermann.Immerhin galt die Produktion, die im ersten Jahr wegen des Inszenierungsstils, eini-ger Streichungen und akustischer Mängel von der Kritik nicht nur positiv aufge-nommen wurde, in den Jahren bis zum Anschluß als „die Attraktion der SalzburgerFestspiele. Dies nicht zuletzt darum, weil Reinhardt die Tragödie Gretchens deminternationalen Publikum verständlich machte, indem er das Wort durch die Szene,den Sinn durch das Bild ersetzte.“56 Die Inszenierung wurde mit dem Ablauf eines

52 Die Stunde, 13. April 1933. Anscheinend verfolgte „Die nationalsozialistische Aktion [...] den Zweck,alle jene Sommerfrischen und Kurorte in Österreich zu registrieren, in denen politische Versamm-lungen, Demonstrationen und das Uniformtragen untersagt werden soll.“

53 Die Stunde, 08. August 1933.54 Salzburger Chronik, 31. Juli 1933.55 Es kamen 56.000 Besucher; 1932 waren es 72.000 gewesen (Salzburger Chronik, 27. November 1933).56 Leisler/Prossnitz, Max Reinhardts Faust-Inszenierung in Salzburg 1933–1937, a. a. O., S. 175.

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Films oder einer Revue verglichen, man warf Reinhardt sogar „Amerikanismus“ vor.Aber nicht nur in den U. S. A. paßten Theaterunternehmer ihre Produktionen zuneh-mend den neuen Sehgewohnheiten des Publikums an, sogar der Augustiner Chor-herr V. O. Ludwig war mit seinen Regieanweisungen für Golgotha durchaus am Pulsder Zeit gewesen; von den Tanzeinlagen abgesehen, hatte Regisseur Nowotny mitseinen Licht- und Toneffekten, der Massenstatisterie und der Simultanbühne imPrinzip die gleichen Stilmittel wie Reinhardt für Faust I eingesetzt, wenn auch in derDurchführung weniger virtuos. Allerdings waren die optischen und akustischenEffekte in Salzburg leider weitgehend wetterabhängig; sowohl die Premiere als auchweitere Vorstellungen in der offenen Felsenreitschule mußten wegen anhaltendenRegens abgebrochen und unter Weglassung der Walpurgisnacht-Szene in das wet-terfeste Festspielhaus verlegt werden. Mit dieser Variante mußte sich auch Bundes-kanzler Dollfuß zufrieden geben, als er in Begleitung von Minister Schuschnigg undLandeshauptmann Rehrl die Festspiele besuchte.57

Plobergers Kostümentwürfe zu Faust I, von denen (vor allem im Österreichi-schen Theatermuseum) eine erfreuliche Anzahl erhalten ist, können in drei Gruppeneingeteilt werden. Auf einigen Blättern sind die Hauptrollen in den Kostümen ihrerverschiedenen Auftritte zusammengefaßt, wobei auch hier wieder die Extremitätenund Hälse gelängt sind und die Gesichtszüge, mit Ausnahme mancher Münder,weitgehend fehlen. Die Konturen sind weich gehalten. In der Kleidung finden sichverschiedene Charakteristika des späten sechzehnten und des frühen siebzehntenJahrhunderts, wobei die abgesteiften Halskrausen und die breiten Schulterkrägendas auffälligste Element darstellen. Kopf- und Handhaltung verleihen jeder Figurineindividuellen Charakter. Vereinzelte Anmerkungen des Künstlers auf den Blättern –es sind u. a. die Maße von Schauspielern, Materialangaben oder auch Gedankenno-tizen – geben einen interessanten Einblick in Plobergers Arbeit und lassen erahnen,welche Vorarbeiten und Detailplanungen er jeweils mit Rücksicht auf die individuel-len körperlichen Eigenheiten der Schauspieler, aber auch in Akkordanz mit denWünschen des Regisseurs zu leisten hatte und welch ungeheure Organisationsarbeitnötig war, bis das Resultat allen Anforderungen entsprach. Eine Übereinstimmungder fertigen Kostüme mit den Entwürfen ist anhand zahlreicher Fotos unschwer fest-zustellen. (Abb. 04 und Abb. 05)

Für die Walpurgisnacht hat Ploberger Blatt für Blatt mit variantenreichen Mas-ken und Gestalten gefüllt, wobei er sich anscheinend einerseits von JosephineBakers Bananentanz, Amazonenmythen und zeitgenössischen afrikanischen Tanz-darstellungen, andererseits von Tiroler oder Schweizer Schemenmasken inspirierenließ. Einige dieser fantastischen Kreationen, die er mit „Hexen“, „Teufel“ oder „Erschei-nungen“ beschriftete, können als Schnabel-, andere als Saalfeldner oder StuhlfeldnerSchönperchten identifiziert werden, eine Gruppe von zehn Hexen wirkt hingegen wieein Ballett aus einem Pariser Nachtclub.58 (Abb. 06) Auf einem Szenenfoto sind die

57 Neues Wiener Journal, 22. August 1933.58 Fig. „Walpurgisnacht Hexen“ (Privatbesitz) und „Hexen. Walpurgisnacht“ (ÖThM, HÜ 54155).

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Abb. 04: Herbert Ploberger, Margarete, Figurinen zu Faust I 1933 (Österreichisches Theater-museum)

Abb. 05: Paula Wessely im Kostüm der Mar-garete, Faust I 1933 (Foto: Ellinger)

Abb. 05a: Bürgermädchen vor der Faust-stadt, Faust I 1933 (Foto: Ellinger)

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Abb. 06: Herbert Ploberger, Hexen der Walpurgisnacht, Figurinen zu Faust I 1933 (Privatbesitz)

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Hexen allerdings um einiges weniger nackt und erotisch; aus Plobergers flotten, ele-ganten Federkostümen scheinen zerfranste, hängende Fetzen geworden zu sein.59

Alle diese Masken und Figurinen für die Walpurgisnacht sind heitere Fantasiepro-dukte eines kreativen Schöpfers. Ein Blatt, auf dem ein Schwein und ein Paarhufer inSchlaghosen, beide mit Flügeln versehen und mit Vorhangteilen drapiert, zu tanzenscheinen, fällt nicht zuletzt wegen seiner leuchtendbunten Neonfarbigkeit aus demRahmen; es würde zeitmodisch in die siebziger Jahre passen.60 Für die Figurinen desOsterspazierganges hingegen ließ er sich teilweise von Trachten inspirieren, was beson-ders schön an zwei Bleistiftskizzen abzulesen ist, in denen er die Rockborten, Mie-derverschnürungen und Puffärmel variierte. In den farbigen Entwürfen füllen dieverschiedenen Standes- und Berufsgruppen schematisch in Reih und Glied überein-ander angeordnet die Blätter.61 Die Körper sind alle sehr schlank dargestellt, dieHälse langgezogen, die Gesichter leer.

Der „Salzburger Faust“ übersiedelte mit teilweise geänderter Rollenbeset-zung im September 1933 an das Theater in der Josefstadt in Wien.62 Die dortigen„Festvorstellungen“63 fanden im Rahmen des Katholikentages statt, als dessen Präsi-dent Clemens Holzmeister fungierte.64 Plobergers Name wurde auf dem Theaterzet-tel nicht angeführt, auf einem Foto ist aber deutlich zu erkennen, daß Paula Wesselydas Kostüm der Salzburger Inszenierung trägt.65

Herbert Ploberger wurde im Zusammenhang mit Faust I in Fachkreisen nach-haltig bekannt. Trotzdem bedauerte Museumsdirektor Ubell, daß er gewissermaßender bildenden Kunst abhanden gekommen war: „Ploberger hat im Programm der,Neuen Sachlichkeit’ Stilleben und figurale Kompositionen geschaffen, die, obgemalt oder gezeichnet, den Rang einer Klassizität beanspruchen dürfen; es ist ewigschade, daß der hochbegabte junge Künstler durch szenische Aufträge (Inszenie-rung des ,Weißen Rössls‘ in London und barocke Kostümierung des SalzburgerFaust im Paracelsus-Geschmack) von seiner eigentlichen, mit so glänzendem Erfolgbetretenen Laufbahn abgelenkt wurde.“66 Seine Arbeit am Faust gefiel jedenfalls Luis

59 Foto Ellinger, „Faust 1933“, Archiv der Salzburger Festspiele.60 Fig. zu Walpurgisnacht (ÖThM, HÜ 54144).61 Verschiedene Studien zu Osterspaziergang, ÖThM bzw. Privatbesitz.62 Die Direktion hatte kurz vorher der Schauspieler und Regisseur Otto Preminger übernommen. Er

sollte 1935 in die U. S. A. emigrieren.63 Theaterzettel im Inspizientenbuch (Archiv Theater in der Josefstadt).64 Siehe: Helmut Wohnout, Im Zeichen des Ständeideals. Bedingungen staatlicher Kulturpolitik im autoritären

Österreich 1933–1938, in: Jan Tabor, Kunst und Diktatur (Grasl: Baden, 1994), S. 139. Der Katholiken-tag, der von 07. bis 12. September 1933 dauerte, war, wie Elisabeth Klamper festhält, eines der dreimassenmobilisierenden Ereignisse der Anfangsjahre des Austrofaschismus, bei dem noch dazu „diekatholische Kirche [...] Bundeskanzler Dollfuss das Forum für dessen programmatische Rede überden künftigen Ständestaat bot.“ (Elisabeth Klamper, Die Mühen der Wiederverchristlichung. Die Sakral-kunst und die Rolle der Kirche während des Austrofaschismus, in: Jan Tabor, a. a. O., S. 151.)

65 Foto Skall, „P. Wessely (Gretchen) u. H. Rehmann (Faust)“, in Die Bühne, 02. Septemberheft 1933.66 Hermann Ubell, Bildende Kunst in Oberösterreich, in: Josef Rutter, Kunst in Österreich. Österreichischer

Almanach und Künstler-Adreßbuch 1934 (Kunst in Österreich: Leoben, 1933).

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Trenker, den Ploberger in Salzburg kennenlernte, so gut, daß er ihn als Kostümbild-ner für seinen Film Der verlorene Sohn engagierte.67

Auch Holzmeister hatte weitere Aufträge für ihn, und zwar zuerst im Dezember1933 für Verdis Oper Othello an der Wiener Staatsoper. Für diese Produktion existie-ren mehrere unterschiedliche Kostenvoranschläge, die deutlich machen, wie sehr beiden Kostümen und beim Bühnenbild der Sparstift angesetzt werden mußte. AlfredRoller, der Chef des Ausstattungswesens, veranschlagte die Kosten anfangs mit40.000 Schilling, ein immens hoher Betrag, wenn man bedenkt, daß die Staatsoperfür das kommende Jahr nur ein Gesamtbudget von 80.000 Schilling zur Verfügunghatte.68 Allerdings fügte er an, daß „gedacht ist das Bühnenbild weitgehend zu ver-einfachen und möglichst viele der alten Kostüme durch Umarbeitung und Ergän-zung brauchbar zu machen.“69 Man entschloß sich sogar, die Leinwand der altenOthello-Dekoration abzuwaschen und neu zu bemalen.70 Anscheinend war manaber trotzdem nicht sparsam genug, denn die Verwaltung verlangte „im Hinblickedarauf, daß sich bereits die Presse [...] der Angelegenheit bemächtigt hat“, von derDirektion Aufklärung über die Bestellung neuer Offiziersuniformen. Die Angestell-tenvertreter, die von einer Kürzung der Nebengebühren bedroht waren, hatten näm-lich vorgebracht, daß man im Zuge der Sparmaßnahmen auch die vorhandenenOffiziersuniformen aus Boccaccio verwenden hätte können.71 Aus den Akten gehtnicht hervor, ob man die neuen Uniformen daraufhin abbestellte. Erst einen Monatnach (!) der Premiere wurde der Kostenvoranschlag, der eigentlich eine Abrechnungwar, genehmigt. „Er beziffert sich ungefähr auf die Hälfte des ursprünglich veran-schlagten Betrages. Eine weitere Herabminderung ist deshalb ausgeschlossen, weilaus dem Betrag von insgesamt 19.325 S auch noch das Honorar für Ploberger (Mit-arbeiter des Prof. Holzmeister) im Betrage von 400 S, sowie das Honorar für Prof.Holzmeister für die Ausstattung im Betrage von 600 S zu decken ist.“72 Diese Zahlensind in zweierlei Hinsicht interessant; einerseits hatte sich gegenüber Florian Geyerdas Verhältnis geändert, Holzmeister erhielt diesmal nicht vier- oder fünfmal soviel,sondern nur um die Hälfte mehr als Ploberger; andererseits entsprach sein Honorar,das für ihn als Akademieprofessor ja nur ein Nebeneinkommen war, fast demMonatsgehalt Robert Kautskys, der den Malersaal der Staatsoper leitete.73

Othello wurde, wie vorher schon Faust I, von Joseph Gregor, dem Begründerder Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, publizistisch

67 Trenker und Holzmeister hatten ein gemeinsames Architekturbüro in Bozen betrieben.68 Aktenvermerk vom 16. Jänner 1934 (AdR-03/BMfU-Oper-Direktion-GZ 961/1934).69 Roller an Direktion, 29. Juni 1933 (AdR-03/BMfU-ÖBThV-Wiener Staatsoper-Dir.-GZ 663/1933).70 Direktion an BThV, 13. November 1933 (AdR-03/BMfU-Oper-Direktion-GZ 961/1933).71 BThV an Direktion, 16. Dezember 1933 (AdR-03/BMfU-Oper-Direktion-GZ 1093/1933).72 Aktenvermerk vom 16. Jänner 1934, a. a. O.73 Kautsky verdiente monatlich 694 Schilling. Weil eine Gehaltserhöhung nicht in Frage kam, hatte die

Direktion im Juni 1933 den Professorentitel für ihn beantragt, wofür er aber mit 38 Jahren noch zujung war; man entschloß sich daher zu einer „einmaligen Sonderentschädigung“ von 300 S (AdR-03/BMfU-ÖBThV-GZ 546/1933 und 600/1933).

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gewürdigt. Für ihn war Zypern, der Schauplatz der Oper, „letzte Berührung miteinem glutvollen, regellosen Osten, ungemildert durch das Griechen- oder Kreuzrit-tertum.“ (Das Symbol der Kreuzzüge, das Kruckenkreuz, sollte bald – als Gegen-stück zum Hakenkreuz – zum Symbol der Vaterländischen Front gemacht werden.)Und er stellte sich eine Frage, die damals noch nicht politisch unkorrekt klang: „Wiemacht man einen Neger zum angesehenen Befehlshaber vollendeter Renaissance-menschen, wie schreitet man von edlen Gesandtschaften und Zeremonien zumMorde durch Erdrosseln?“74 Regisseur Wallerstein hatte diesem Problem durch eineAbänderung des von Kalbeck übersetzten Librettos beikommen wollen, die abervom Dirigenten Clemens Krauß zum Teil wieder rückgängig gemacht wurde. DiePremierenberichte fielen hinsichtlich Text, Besetzung und Musik völlig unterschied-lich aus, und auch die Bühnenbilder wurden nicht nur positiv aufgenommen. Überdie Neugestaltung der Ausstattung freute sich jedenfalls der Rezensent der Stunde,„zumal der seit Jahrzehnten mitgeschleppte szenische Rahmen schleißig war.“75 Unddie Wiener Neuesten Nachrichten schrieben: „Die Kostüme hat Herbert Ploberger entworfen –sie gehören mit zum Besten der ganzen Neuinszenierung. Mit auffallend sicherem Blick für thea-tralisch-edle Wirkungen sind die Farben abgetönt, die Formen plastisch durchgearbeitet.“76 Plober-ger und Holzmeister war es anscheinend gelungen, trotz der Sparmaßnahmen eineeinheitliche, optisch überzeugende Wirkung zu erzielen.

Plobergers Figurinen sind frontal und mit leeren Gesichtern gezeichnet; einBlatt ist Jago, ein anderes Montano, Cassio und Rodrigo gewidmet. Das Volk von Cypernfüllt zwei Blätter, es sind zwölf Männer und zwölf Frauen, deren Kleidung nur ingroßzügigen Farbflecken angedeutet ist.77

Kostümentwürfe für Wolf-Ferraris musikalische Komödie Die vier Grobiane, von Plo-berger mit dem Hinweis „Staatsoper 1933, nicht ausgeführt“ versehen, stehen paradig-matisch für viele andere letztlich nicht verwirklichte Projekte, mit denen er sichmalerisch auseinandergesetzt hat. Othello sollte somit seine einzige Arbeit an derWiener Staatsoper bleiben. Wenige Monate später arbeitete er ein letztes Mal mitHolzmeister zusammen, und zwar nochmals für ein Passionsspiel, das im März 1934am Burgtheater aufgeführt werden sollte. Das große Interesse für Inszenierungenchristlich-religiösen Inhaltes hing mit der Rekatholisierungspolitik der Regierungzusammen, an der Holzmeister aktiv beteiligt war.78 Karl Schönherr, der Autor vonPassionsspiel, konnte daher sichergehen, daß sein Stück auf entsprechendes Interessevon offizieller Seite stoßen würde. Er umwarb schon im Vorfeld die Zeitungsleser:„Mein Passionsspiel ist durchaus nicht volkstümlich, ist nicht für Dialektaufführun-

74 Joseph Gregor, Othello, neu gestaltet in Die Bühne, Erstes Dezemberheft 1933, S. 14–17.75 Die Stunde, 17. Dezember 1933.76 Jarosch in Wiener Neueste Nachrichten, 17. Dezember 1933.77 ÖThM, Fig. „Othello. Jago“ (HÜ 54284), „Othello. Montano–Cassio–Rodrigo“ (HÜ 54285), „Othello“ ([12

Frauen aus dem Volk] HÜ 54287) und „Othello“ ([12 Männer aus dem Volk] HÜ 54288).78 Siehe: E. Klamper, a. a. O., S. 151.

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gen gedacht und soll so, ohne an bestimmte gebietsweise Wirkung gebunden zusein, zu allen Deutschen in gleicher Weise sprechen.“79 Direktor Röbbeling hatte diePremiere, die er „als ein Weihespiel zu symbolischem Termin bringen wollte“80, fürden Palmsonntag angesetzt. Sie trug „festlichen Charakter, das dichtbesetzte Hausfolgte in stiller Ergriffenheit den Vorgängen auf der Bühne. Unter den Anwesendenbemerkte man Kardinal Innitzer, Bundespräsident Miklas und Gattin, die Gemahlindes Bundeskanzlers, Frau Alwine Dollfuß, Bundesminister Schmitz, SektionschefPernter, Polizeipräsident Seydl, Frau Minister Schuschnigg u. v. a.“81 Ein eigens fürden Anlaß hergestellter Theatervorhang, der ein Kreuz mit den Leidenssymbolenzeigte, stimmte das Publikum, das auf den Programmzetteln gebeten wurde, vonBeifallskundgebungen Abstand zu nehmen, auf das Thema ein. „Dennoch war eininnerliches Mitgehen deutlich zu merken.“82 Der „starke [...] äußere [...] Erfolg“wurde „flüsternd mitgeteilt [...], da Applaus verboten war.“83

Für Regie, Darstellung, Bühnenbild, Kostüm und Musik fanden die Kritikerfast einhellig lobende Worte, aber Schönherrs Text wurde unterschiedlich aufge-nommen, man warf dem Autor sogar Verletzung religiösen Empfindens vor.84 Dasist nicht weiter verwunderlich, denn einige „weltliche“ Aspekte prädestinierten esgeradezu für Kritik; abgesehen von manchen Dialektausdrücken brachte der Autormit dem Motiv gekränkter männlicher Eitelkeit als Grund für den Judasverrat dasThema Sexualität ins Spiel. „Damit“, fand Oskar Maurus Fontana, „sind wir aus demLegendären in den Naturalismus, aus dem Mythischen ins Profane geraten.“85 Mitdiesem Vorwurf war Schönherrs Realismus gemeint, denn er ließ seine Nebenfigu-ren Arbeitslosen- und Behindertenprobleme ansprechen und machte damit aus demPassionsspiel auch ein Zeitstück. Er setzte seine dramaturgischen Mittel virtuos ein,und durch eingebaute Überraschungsmomente gelang ihm eine erstaunlich span-nende Variante der bekannten Geschichte. Mit einer neuen Figur, Rahel, erweiterte erden historischen Zeithorizont. Dieser Name ist übrigens neben der Figurine MariaKleopha bei Plobergers Entwürfen für die Golgotha-Inszenierung des Vorjahres ver-merkt; da für Schönherrs Passionsspiel keine Originalentwürfe erhalten sind, legtdiese Doppelbeschriftung den Schluß nahe, daß Ploberger seine Kostümideenzumindest teilweise nochmals verwendete, zumal auch bei dieser Produktion wiedergespart werden mußte.86 Im Kostenvoranschlag waren nur für ein paar Hauptfigu-ren neue Tuniken bzw. Mäntel und für den Chor „Ergänzungen, Schärpen, Perücken,Bärte und Kleinigkeiten“ vorgesehen, es ist daher anzunehmen, daß großteils der

79 Wiener Neueste Nachrichten, 20. März 1934.80 Volkszeitung, 02. März 1934.81 Morgen (?), 26. März 1934 (Archiv des Burgtheaters).82 Oskar Maurus Fontana in Der Tag, 27. März 1934.83 Neues Wiener Journal, 26. März 1934.84 Wiener Neueste Nachrichten, 27. März 1934.85 Der Tag, 27. März 1933.86 Fig. „Passion. Magdalena–Maria Kleopha/Rahel–Salome–Veronica“ (ÖThM, HÜ 54257).

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Fundus herangezogen wurde.87 Holzmeister erhielt für die Ausstattung nur 500Schilling; was Ploberger verdiente, ist nicht belegt.88

Die Kritiker taten sich diesmal schwer, ihre Gedanken mehr als nur phrasen-haft zu formulieren; die „stilvollen Kostüme“89 „brachten überaus interessante Zeitfarbe“90,„beton[t]en das Malerische“91 oder „kontrastier[t]en die römische und die jüdische Welt.“92

Kurz nach der Premiere von Passionsspiel, am 09. April 1934, unterschrieb Plobergerin Berlin seinen Beitritt zur „Reichsfachschaft Film“, wobei er auf dem Fragebogenangab, Kostümzeichner zu sein und keiner Partei anzugehören.93 Im selben Jahr liefder Ufa-Film Liebe, Tod und Teufel an, für den er die Kostüme entworfen hatte.

Die erste Phase der Bühnenarbeiten in Österreich endete im Dezember 1934 mit derUraufführung von Garbers Tiroler Weihnachtsspiel am Deutschen Volkstheater inWien, für die Ploberger das Bühnenbild erstellte. Marie Schell-Noe, welche inGolgotha die Rolle der Veronika gespielt hatte, verkörperte diesmal Maria. Das Stückund die Rezensionen der einzigen Aufführung, die – vermutlich der Kinder wegen –am Nachmittag stattfand, sind paradigmatisch für den herrschenden Zeitgeist. Soenthielt zum Beispiel die Kritik im Neuen Wiener Tagblatt folgende Analyse: „Stetshaben ja allzu reale Epochen im Hang nach Transzendentalem seelischen Ausgleichgesucht. Und es ist bezeichnend, daß man diesen Ausgleich nicht in Intellektualisie-rung, sondern in der Unverfälschtheit der Volksspiele zu finden trachtet.“94

Garbers Stück, in Verkündigung, Spiel vom Herbergsuchen, Hirten- und Dreikönigs-spiel eingeteilt, ist in einfachen Reimen verfaßt, wurde 1928 gedruckt und mit Holz-schnitten von Berta Schneider illustriert. Der Autor hat eine Teufelsfigur eingebaut,die auch eine Hanswurstrolle erfüllt, und das traditionelle Hirtentrio durch einBeziehungsmotiv aufgelockert; Moidl, eine sehr junge Hirtin, widersteht sogar einemfaustisch-teuflischen Verführungsversuch. Das Stück bietet nicht nur einige sprachli-che Derbheiten, es enthält auch politische Anspielungen; der Teufel reimt beispiels-weise in einem Monolog über die menschliche Freiheit: „Im Licht der letzten Aben-teuer scheint mir das Volk nicht mehr geheuer, und viel zu frei zu sein“, und dieAnbetung der Hirten endet mit einem Appell des Nährvaters Josef für Südtirol. Gera-dezu politisch unkorrekt wirkt aus heutiger Sicht, daß Balthasar, der Mohrenkönig alsdunkler Fremder dargestellt wird, dessen Körper abfärben könnte, wie der Hirte Jörgbefürchtet: „Als letzten, Moidl, so kommt mir vor, mußt trinken lassen du den

87 AdR-03/BMfU-ÖBThV-GZ 811/1934.88 Direktion Burgtheater an BThV, 06. Februar 1934 (AdR-03/BMfU-ÖBThV-GZ 394/1934).89 Wiener Neueste Nachrichten, 27. März 1934.90 Volkszeitung, 27. März 1934.91 Der Tag, 27. März 1934.92 Die Stunde, 27. März 1934.93 Er erhielt die Mitgliedsnummer 3876 und wurde in der „Sondergruppe 6“ geführt. Als Beruf des Va-

ters gab er „Industrieller“ an. (Fragebogen und Beitrittserklärung zur „Reichsfachschaft Film“,09. April 1934 [Bundesarchiv Berlin/Ploberger, Herbert/Best. Sign. 02/Aktenband Nr. 2600/0157/18].)

94 Neues Wiener Tagblatt, 16. Dezember 1934.

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Mohr, sonst wird die Milch nur schwarz.“95 Von den drei Königen bringt ausgerech-net Balthasar „Leid und Pein“, versinnbildlicht durch die Myrrhe, als Geschenk mit;der Teufel bereitet als sein Diener (und heimlicher Spion des Herodes) den Kinder-mord vor. Das störte damals niemanden, man war durch Kinderbücher wie Ginz-keys „Hatschi Bratschis Luftballon“ mit dem Klischee des aus fernen Ländern kom-menden Bösen von klein auf vertraut.

Obwohl zu dieser Aufführung, die vom Theater der Jugend veranstaltetwurde, außer dem Stücktext, dem Theaterzettel und ein paar Zeitungskritiken keinweiteres Material zur Verfügung steht, kann man sich ein ganz gutes Bild machen.Das Neue Wiener Journal berichtete, daß „das Publikum des dichtgefüllten Hauses, indem man sehr viele Kinder und geistliche Schwestern bemerkte, [...] diese Erstauf-führung mit Ergriffenheit und Beifall“ aufnahm.96 „Sie wird durch Bühnenbilder von Her-bert Ploberger unterstützt, die an alte Krippen gemahnen.“97 Die Anspielung an die Südtirol-frage dürfte nicht gestrichen worden sein, denn ein Kritiker erwähnte „Polemiken“.Es fällt auch auf, daß nun zunehmend oft der Begriff „deutsch“ verwendet wurde:„Daß dieses Spiel Josef Garbers doch einen sehr positiven Eindruck hinterläßt, ver-dankt der Dichter [...] dem großen Gewicht, das er [...] auf jenen Teil in derGeschichte Jesu legt, die sich der Deutsche ganz in sein Volkstum umgedeutet hat.[...] Voll befriedigten die Bühnenbilder Herbert Plobergers, der damit in manchen Szenen die opti-sche Wirkung zur eindrucksvollsten werden ließ.“98 „Akademischer Maler Herbert Ploberger stelltdie schlichten, stimmungsvollen, an die primitiven gemütinnigen deutschen Meister erinnerndenSzenenbilder und Bewegungsgruppen.“99

Berlin 1935–1945

Ploberger sollte erst nach dem Krieg wieder in Österreich arbeiten. Bis zum Endedes NS-Regimes war er freiberuflich für die deutschen Filmproduktionsfirmen Ufa,Terra, Tobis und Prag-Film tätig. An Theaterarbeiten ist aus diesen Jahren nur eineAusstattung von ihm bekannt, Shakespeare’s Das Wintermärchen am DeutschenTheater Berlin, an dessen Premiere im Dezember 1935 auch PropagandaministerGoebbels teilnahm, wie die Zeitungen berichteten. Max Reinhardts NachfolgerHeinz Hilpert führte Regie, Lil Dagover, Hedwig Bleibtreu und Paul Dahlke gehör-ten zur hochkarätigen Besetzung. 1935 kamen auch Hilperts Oscar Wilde-Verfil-mung Das Abenteuer der Lady Windermere sowie Königswalzer in der Regie von HerbertMaisch heraus, in dem Paul Hörbiger, Willi Forst und Curd Jürgens mitspielten. DasJahr 1936 brachte die Operettenverfilmung Der Bettelstudent mit Johannes Heestersund Marika Rökk, und die Kriminalgeschichte Savoy-Hotel 217 mit Hans Albers, Bri-

95 Dritter Akt, S. 69.96 Neues Wiener Journal, 15. Dezember 1934.97 Neues Wiener Tagblatt, 16. Dezember 1934.98 Wiener Neueste Nachrichten, 16. Dezember 1934.99 Wiener Zeitung, 18. Dezember 1934.

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gitte Horney, Käthe Dorsch und Gusti Huber. Die Dreharbeiten von Luis TrenkersCondottieri führten Ploberger für mehrere Monate nach Italien, wo er sehr schnell Ita-lienisch (nach Englisch und Französisch bereits seine dritte Fremdsprache) lernte. FürTrenkers Matterhorn-Film Der Berg ruft und die Verwechslungskomödie Frühlingsluftmachte er zusammen mit Erich Grave die Bauten. 1938 kamen zwei weitere Filmeheraus, für die er die Kostüme entworfen hatte, Sergeant Berry mit Hans Albers unterder Regie von Herbert Selpin100 und die Schikomödie Liebesbriefe aus dem Engadin101

mit Luis Trenker.Im Jahr 1938 wäre Ploberger beinahe zum Ausstattungschef der Wiener

Staatsoper bestellt worden. Bis zum Tag des Anschlusses standen seine Chancengut, in der Mittagsausgabe des Neuen Wiener Tagblattes vom 15. März 1938 war sogarschon zu lesen: „Wie wir erfahren, wurde als Ausstattungschef der Staatsoper Her-bert Plohberger [!] verpflichtet. Plohberger [!] war vor Jahren schon im Burgtheaterund auch bei den Salzburger Festspielen als Ausstattungskünstler tätig und wirktezuletzt an der Ufa in Berlin.“ Clemens Holzmeister, der im Ständestaat zum kulturel-len Multifunktionär avanciert war, hatte sich für seine Ernennung eingesetzt undnoch im Februar urgiert: „Sowohl von Seite des Herrn Ministers, als auch des HerrnSektionschef [!] Dr. Eckmann wurde mir mitgeteilt, daß einer Berufung Ploberger’s[!] an die Staatsoper nichts mehr im Wege stünde und an Sie die diesbezgl. Mittei-lung hinausgegangen wäre. Der Genannte hat aber noch immer keine Nachrichterhalten und möchte natürlich wissen, zu welchem Termine die Berufung erfolgensoll.“102 Ploberger erhielt daraufhin folgenden Brief: „Sehr verehrter lieber Herr Plo-berger! [...] Seitens unserer vorgesetzten Behörde bestünde kein Einwand, daß Sieab 1. September 1938 auf die Dauer eines Jahres in den Verband der Oper treten.Monatssold 600 Schilling. Eine Zusage, daß Ihnen im Laufe der Saison die Gesamt-neuausstattung von ein oder zwei Werken gegen gesonderte Vergütung übertragenwerden wird, könnte freilich meinerseits nicht erfolgen. [...] Bei dieser Sachlageweiss ich nicht, ob ich Ihnen guten Gewissens raten soll, nach Wien zu gehen.“103

Plobergers Anstellung fiel allerdings der Annexion Österreichs durch dasnationalsozialistische Deutsche Reich zum Opfer, denn ab dem 16. März 1938 ent-schied der „Reichsstatthalter“ persönlich über alle Personalveränderungen.104 EndeApril erging folgende Absage an Ploberger: „Soeben erhalte ich den dienstlichenAuftrag, Herrn Ulrich Roller für die Stelle eines Kostümchefs zu engagieren. Mein

100 Selpin, wie Ploberger 1902 geboren, wurde 1942 wegen wehrmachtskritischer Äußerungen verhaftetund starb unter ungeklärten Umständen in seiner Zelle.

101 Der Schauspieler Robert Dorsay (1904–1943), der in dem Film einen Kammerdiener spielte, wurde1943 wegen „Wehrkraftzersetzung“ hingerichtet.

102 Holzmeister an Kerber, 21. Februar 1938 (AdR-03/BMfU-Oper-GZ 296/1938).103 Brief ohne lesbare Unterschrift an Ploberger, 05. März 1938 (AdR-03/BMfU-Oper-GZ 296/1938).104 Der „Reichsstatthalter“ hatte am 16. März 1938 bestimmt: „Vom heutigen Tage an dürfen Neueinset-

zungen und sonstige personelle Veränderungen nur von mir [...] angenommen werden. Hievon wirdder Direktion der Staatsoper mit dem Ersuchen Mitteilung gemacht, alle bisher erfolgten Maßnah-men auf personellem Gebiet [...] zu berichten.“ (Staatstheaterverwaltung [Eckmann] an Direktion derStaatsoper, 17. März 1938 [AdR-03/BMfU-Oper-GZ 362/1938].)

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Hinweis, daß die Verhandlungen mit Ihnen doch schon sehr weit fortgeschrittensind und nach meinem Ermessen eigentlich schon rechtsverbindlichen Charakterhaben, wird ignoriert. Ich muß es Ihnen überlassen, wie Sie die Situation juristischansehen wollen [...].“105

Ploberger blieb also in Berlin, wo ihm am 20. Juni 1938 erneut ein Mitglieds-ausweis der „Reichsfilmkammer Fachschaft Film“ ausgestellt wurde, in dem seinBeruf diesmal als „Filmbildner“ angegeben war.106 Diese Mitgliedschaft war imDeutschen Reich die Grundvoraussetzung für eine Arbeitsmöglichkeit beim Film,wer sie nicht erhielt, war praktisch mit einem Arbeitsverbot belegt; auf diese Weisehatte man ab der Machtübernahme 1933 jüdische Kulturschaffende zur Emigrationgezwungen. Er arbeitete zwischen 1934 und 1945 an etwa 30 Filmen mit, unter denenauch Ohm Krüger (1941), Die Entlassung (1942) und Kolberg (1943–45) waren, die vonden nationalsozialistischen Instanzen mit dem Prädikat „staatspolitisch besonderswertvoll“ bzw. „Film der Nation“ ausgezeichnet und daher von den Alliierten nachdem Krieg mit Aufführungsverbot belegt wurden.107 Bei den Filmarbeiten verdientePloberger zwischen 300 und 500 Reichsmark wöchentlich, manchmal erhielt er fürVorarbeiten zusätzlich eine Pauschalzahlung.108 Im Mai 1941 bestätigte er nochmalsauf einem Fragebogen, kein Mitglied der NSDAP zu sein.109

Im März 1940 heiratete er in Berlin die um elf Jahre jüngere Welserin IsabellaHartl. Ihr Vater Johann war während des Ständestaates christlich-sozialer Bürger-meister von Wels gewesen, die Familie hatte eine Dienstvilla neben dem Anwesender Plobergers bewohnt. Unmittelbar nach dem Anschluß war Hartl einige Wocheninterniert gewesen110; außerdem hatten Nazis versucht, Isabella, die in Wien Archi-tektur studierte, an ihrem Diplomabschluß zu hindern, indem sie ihren Spind aus-räumten. Sie war daher bald nach ihrer bestandenen Abschlußprüfung im Juli 1938nach Berlin übersiedelt, wo sie die politische Atmosphäre in Herberts Kreisen alswesentlich freier empfand, und arbeitete als Innenarchitektin bei dem Behrens-Schü-ler Petersen. Dieser kannte Leni Riefenstahl von Filmarbeiten mit Arnold Fanck,möglicherweise erhielt Isabella deshalb den Auftrag, zusammen mit Erich Grave dieDekorationen für Riefenstahls Opernverfilmung Tiefland, für die Herbert einenKostümvertrag hatte, zu bauen. Die beiden wohnten in einer Villa in Berlin-Grune-wald, wo sie oft Gäste empfingen. Zum engeren Kreis des Ehepaares gehörten der

105 Brief ohne lesbare Unterschrift an Ploberger, 27. April 1938 (AdR-03/BMfU-Oper-GZ 538/1938). Ul-rich Roller, ein Sohn des Bühnenbildners und Malers Alfred Roller, fiel 1941 als Kriegsfreiwilliger.(Siehe: Manfred Wagner, Alfred Roller in seiner Zeit [Residenz: Salzburg – Wien, 1996].)

106 Bundesarchiv Berlin/Ploberger, Herbert/Bestandssignatur 02/Aktenband Nr. 2600/0157/18.107 Siehe: Klaus Kanzog, Staatspolitisch besonders wertvoll. Ein Handbuch zu 30 deutschen Spielfilmen

der Jahre 1934 bis 1945 (diskurs film Verlag: München, 1994).108 Zum Vergleich: 1 kg Schwarzbrot kostete in den Kriegsjahren im Durchschnitt etwa 0,35 Reichs-

mark.109 Bundesarchiv Berlin/Ploberger, Herbert/Bestandssignatur 02/Aktenband Nr. 2600/0157/18.110 Meldekartei Isabella Hartl (Magistrat Wels, Melde-, Paß- u. Wahlservice) bzw. Information durch

Herrn Günter Kalliauer, Stadtarchiv Wels. Nach dem Attentat auf Hitler wurde Hartl nochmals ver-haftet.

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Schauspieler Curd Jürgens, der Schriftsteller und Drehbuchautor Kurt Heuser undder Flieger Ernst Udet. Im Gegensatz zur elegant möblierten gemeinsamen Woh-nung hatte Ploberger unter dem Dach ein Atelier für sich eingerichtet, das mitBücherkisten, die als Regale dienten, und einem Feldbett sehr einfach ausgestattetwar.

Isabella machte als Filmarchitektin Karriere und wurde Mutter zweier Kin-der. Stephanie kam 1941 in Baden zur Welt und blieb bei ihrer mütterlichen Groß-mutter Antonia Hartl in Gallneukirchen im Mühlviertel; eine Übersiedlung des Kin-des nach Berlin wurde durch eine Brandbombe vereitelt, die das Haus in Berlin zer-störte und das Ehepaar Ploberger zwang, bei Freunden unterzukommen. Im Jänner1945 wurde Konstantin geboren, der ebenfalls bei der Großmutter aufwuchs. DieEhe wurde einige Jahre später geschieden, Isabella heiratete im März 1950 den MalerWerner Schlichting, mit dem sie die Bauten für zahlreiche Filme entwarf. Sie starb imAlter von 89 Jahren im November 2002.111

Herbert Ploberger hatte das Glück, keinen Kriegsdienst leisten zu müssen, er war als„Ersatzreserve I“ eingestuft worden, was bedeutete, daß er zwar wehrfähig, aberbeurlaubt war.112 Gegen Kriegsende rettete ihn anscheinend ein Trick davor, dochnoch eingezogen zu werden, wie ein Journalist berichtete: „Sieht man ihn in seinemAtelier [...], so fällt einem zunächst das eigenartige, fast starre Auge auf, das auch aufeinen fixierenden Blick nicht reagiert. [...] ,Diesem Auge‘, meint Ploberger, ,verdankeich vermutlich mein Leben. Nachdem ich lange dem Militär entgangen war, fingmich gegen Ende des Krieges die SS ein, um mich an die Front zu stellen. Ich wurdein einem Lastwagen zu irgendeiner Untersuchungsstelle transportiert, während die-ses Transportes rieb ich etwas an meinem Auge herum, und als ich aus dem Autotaumelte, machte der Ausdruck meiner Augen es jedermann glaubhaft, daß ichkeine drei Schritt weit sehen könne. Da schickte mich die SS wieder heim.‘“113

Linz 1945–1946

Zu Kriegsende war Ploberger mit einem Team des Regisseurs Hans Steinhoff inPrag, wo mit Hans Albers, Grethe Weiser, O. W. Fischer u. v. a. Shiva und die Galgen-blume gedreht wurde.114 Der Film wurde nie fertiggestellt, da durch den Vormarschder Roten Armee die Arbeiten vorzeitig abgebrochen wurden. Ploberger floh nach

111 Aus Gesprächen mit Frau Stephanie Wagner, der Tochter aus erster Ehe bzw. WSTLA, MA 8, Melde-referat, Meldeunterlagen; siehe auch: Leni Riefenstahl, Memoiren (Knaus: München, 1987).

112 Siehe: Rudolph Absalon, Die Wehrmacht im Dritten Reich, Bd. III (Boldt: Boppard, 1975), S. 83, 347und 350.

113 Neue Zeit, 15. Jänner 1946.114 Quelle: Neue Zeit, 15. Jänner 1946 bzw. Georg Wacha, Herbert Ploberger und das Bühnenbild, Son-

derdruck des Musealvereines Wels, S. 459–468, hier S. 462.

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Gallneukirchen, wo er zusammen mit seiner von ihm bereits getrennt lebenden Frauund dem gemeinsamen Freund Kurt Heuser bei seiner Schwiegermutter unterkam.Von dort ging er nach Linz, wo er anfangs mit Isabella Clubs, Bars und Wohnungenfür die Amerikaner einrichtete. Im Spätherbst begann er für das Landestheater zuarbeiten; im Lauf der ersten Nachkriegssaison schuf er für insgesamt dreizehn Pro-duktionen die Bühnenbilder.

Es ist erstaunlich, daß das Theater trotz der äußerst schwierigen Bedingun-gen – anfangs mangelte es sogar an Schauspielern und Musikern – betrieben wer-den konnte. Wegen der „Theatersperre“ war es ein Jahr lang geschlossen gewesen,die verbliebenen Ensemblemitglieder hatte man zum Kriegsdienst verpflichtet bzw.zur Waffen-SS als Bewacher – u. a. in den Lagern Mauthausen und Großraming –zwangsrekrutiert, sie kamen daher nach der Befreiung in Gefangenschaft.115 Am25. Juli 1945 hatte man das Haus, das zum Glück nicht bombardiert worden war,wiedereröffnet, aber Ignaz Brantner, der es seit 1932 durchgehend geführt hatte, ver-lor bald im Rahmen der Entnazifizierung seinen Posten. Nach einer Interimszeitübernahm Viktor Pruscha am 15. November 1945 die Intendanz unter kompliziertenVoraussetzungen. Das Theater gehörte dem Land Oberösterreich und war von Stadtund Land subventioniert. Pruscha war zwar Privatunternehmer, mußte aber dieSpielpläne sowohl von der Landesregierung als auch von der amerikanischen Besat-zungsbehörde genehmigen lassen. Letztere nahm in Form der Theatre & Music Sectiondes International Services Branch (ISB) Einfluß auf die Spielplangestaltung, da es zuihren Aufgaben gehörte, die Österreicher mit amerikanischen Theaterstückenbekanntzumachen, wofür aber anfangs die nötigen Übersetzungen bzw. Rechte fehl-ten.116 Dazu kam noch, daß Pruscha über sein Haus nur an drei Tagen pro Wocheverfügen konnte, weil die Amerikaner es während der restlichen Zeit für ihre eige-

115 Eine „Liste derjenigen Gefolgschaftsmitglieder des Reichsstatthalters und des Oberfinanzpräsidi-ums, die im Zuge der seinerzeitigen Gauleiter-Aktion zur Bewachung von KZ-Häftlingen notdienst-verpflichtet wurden“, enthält u. a. folgende Namen: „Draschtik-Döring Rudolf (Schauspieler), DunklWilhelm (Oberspielleiter), Hey Karl Peter (Schauspieler u. Sänger), Kral Alfons (Sänger, gefangen),Lexl Hans (Schauspieler), Maly Leopold (Schauspieler), Muster Hans (Chorsänger), Ortmayer Hein-rich (Schauspieler), Peyrl Theodor (Kapellmeister), Reimer Rudolf (Sänger), Skopp Karl (Chorsän-ger), Schantl Siegfried (Schauspieler), Wehner Wilhelm (Sänger), Zusanek Franz (Schauspieler).“([Unterschrift unleserlich] an Landeshauptmann Eigl, 23. Mai 1945; OÖLA, Landesregierung-Präsi-dium, MF 515/30.) Ein ehemaliger KZ-Häftling des Lagers Großraming schrieb in einem Leserbrief:„Anständige SS-Leute haben wir erst kennengelernt, als die Zwangsrekrutierungen unter den Mit-gliedern der Linzer Orchester- und Theatermitglieder begannen.“ (Tagblatt, 09. Februar 1946.)

116 Die drei wichtigsten Aufgaben der Theatre & Music Section des ISB bestanden darin, „1) To make theAustrians acquainted with representative American plays and music, spreading hereby in an unob-trusive way the meaning of democracy. 2) To rehabilitate theatrical and musical life in the U.S. Zoneof Austria. 3) To take part in the denazification of theatrical and musical activities in Austria.“ (ErnstLothar, Memo vom 24. April 1947 [Washington, National Archives, Record Group 260/35].) In derSaison 1945/46 kamen in Linz zwei amerikanische Dramen, Robert Ardrey’s Thunder Rock und FranzWerfels Jacobowsky und der Oberst, zur Aufführung. (Werfels Drama entstand in der Emigration in denU. S. A., wo er im August 1945 starb.)

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nen Aktivitäten beanspruchten.117 Ein möglicher Ausweg, nämlich die Suche nachzusätzlichen Spielorten, erwies sich aufgrund der Bombenschäden in der Stadt alsschwierig.118 Im Winter fehlte es außerdem an Heizmaterial, was den verzweifeltenTheaterleiter zu einem Hilferuf an die Landesregierung veranlaßte: „Ich erachte esals meine Pflicht darauf aufmerksam zu machen, daß das Landestheater [...] nochimmer kein Heizmaterial erhalten konnte [...], da angeblich laut einer Weisung vonWien, Theater und Kinos Heizmaterial nicht erhalten dürfen. Ich erlaube mir hierzuzu bemerken, daß logischerweise sich die Figuren auf der Leinwand natürlich nichterkälten können, wohl aber die Sänger auf der Bühne, die Schauspieler, der Chorund das Ballett.“119 Zusätzlich zur Kälte machte den Künstlern auch der Hunger zuschaffen, denn ein Ansuchen um Gleichstellung der Chor-, Ballett- und Orchester-mitglieder mit den Solisten und Garderobearbeitern, die Anspruch auf bessereLebensmittelkarten hatten, wurde vom Gewerbeinspektorat abschlägig be-schieden.120

Otto de Pasetti, der leitende Theatre & Music Officer des ISB, befürchtete fürden Winter 1945/46 allerdings nicht Hunger und Kälte, sondern das Aufflammennationalsozialistischer Aktivitäten.121 Aber das Linzer Publikum war dankbar fürjede Zerstreuung und Ablenkung, und im Lauf der Monate fanden sich auch baldwieder die Namen von altbekannten Publikumslieblingen auf dem Spielplan, fürderen Freilassung sich nicht nur ihre Verwandten, sondern auch offizielle und kirch-liche Stellen bemühten hatten.

117 Anfang 1946 schien sich die Lage bereits etwas entspannt zu haben. „Die Atmosphäre zwischenTheater und Amerikanern hat sich in den letzten Wochen wesentlich gebessert. Es kommen keinerleiBeschlagnahmungen von österreichischen Spieltagen vor, außer es wird Ersatz geboten. Die Ameri-kaner scheinen überhaupt etwas theatermüde geworden zu sein. Man hört, daß sie das Theater inabsehbarer Zeit überhaupt frei geben sollen.“ (Aktenvermerk Presse- und Theaterreferat der OÖ.Landeshauptmannschaft vom 16. Jänner 1946 [OÖLA, Archiv der Landesregierung, Schachtel 263-1946, K 448].)

118 Im Jänner 1946 wurde mit dem katholischen Gesellenverein über dessen Räumlichkeiten in derLanggasse verhandelt. Die Pläne sahen vor, daß das Landestheater „mit eigenen Mitteln und auf ei-gene Kosten den fliegerbeschädigten Kinosaal“ instandsetzen und täglich bespielen sollte. Mit demErlös wollte man für einen Wiederaufbau des gänzlich zerstörten Theatersaales sparen. Das Projektkam aber nicht zustande, weil eine alleinige Nutzung durch das Landestheater nicht möglich gewe-sen wäre. (Siehe: Aktenvermerk OÖ. Landeshauptmannschaft, Presse- und Theaterreferat, 31. Jän-ner 1946 [OÖLA, Archiv der Landesregierung, Schachtel 264-1946, K 635].)

119 Pruscha an Landesregierung, 04. Dez. 1945 (OÖLA, Archiv der Landesregierung, Schachtel 264-1946, K 514).

120 Siehe: Kulturreferat an Gewerbeinspektorat, 11. Mai 1946; Gewerbeinspektorat an Kulturreferat,15. Mai 1946 (OÖLA, Archiv der Landesregierung, Schachtel 263-1946, K 253 u. 244).

121 „[...] The winter especially will be hard. It is the most dangerous time for developing Nazi activities.According to the Austrian character and its critizising mind, the theatre and especially the littleshows (revues, cabarettes) will be the best place to put on sarcasm, critizism, derisions against theAustrian Government and even the occupying forces.“ (De Pasetti, Memo an Dr. Albert van Eerden,18. September 1945 [Washington, National Archives, Record Group 260/44/30].)

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Plobergers Arbeit am Landestheater begann mit Franz Pühringers Der gestiefelteKater.122 Obwohl es sich um eine Märchenaufführung für Kinder handelte, wurdedarüber in den wichtigsten Zeitungen berichtet, wobei keiner der Rezensenten ver-gaß, das Bühnenbild zu erwähnen: „Geschickt brachte Pühringer die abwechslungs-reiche Handlung in einem Bühnenbilde unter, das Architekt Ploberger in seinem Kunstsinn alsblumige Wiese darstellte.“123 „Von ungewöhnlicher Wirkung das Bühnenbild des Architekten Ploh-berger [!]; es ist selber eine Zauberei, auf der kleinen Bühne Wiese und Märchenstimmung wirk-lich aufblühen zu lassen.“124

Ploberger war damals auch als Bühnenbildner für die projektierten Städti-schen Kammerspiele im Rathaus vorgesehen.125 Dort wollte das Kulturamt der Stadt Linzin Zusammenarbeit mit Pruscha, der die Schauspieler des Landestheaters zur Verfü-gung stellen sollte, ein „Programm für Liebhaber selten zugänglich gemachter dra-matischer Kunst“ verwirklichen.126 Pühringer war als Kulturbeauftragter dafür ver-antwortlich und leitete die ehrgeizige Kammerspielreihe kurz vor Weihnachten mitBüchners Leonce und Lena ein.127 Zeitungsannoncen lockten mit dem Hinweis, daß derRathaussaal geheizt sei. Pühringers Bearbeitung, in der Veit Relin als Leonce reüs-sierte, wurde aber nur mit gedämpfter Begeisterung aufgenommen. „Doch selbstdieser Torso des Torsos Büchners wirkte noch stark; das machte die in unwahrscheinlicherWeise zugleich einfache wie romantische Dekoration Herbert Plobergers, [...], die hingegebeneRegie [...] und die schauspielerische Leistung des jugendlichen Ensembles.“128

Obwohl der Saal weiterhin für musikalische Veranstaltungen und Vorträge genütztwurde, scheint die Reihe der Städtischen Kammerspiele mit der Aufführung der Kam-meroper Mozart auf der Reise nach Prag, bei der Ploberger allerdings nicht mitarbeitete,im Februar 1946 ein baldiges Ende genommen zu haben.129

Möglicherweise scheiterte das Projekt an der organisatorischen Praxis, dennPruscha kämpfte mit Besetzungsschwierigkeiten. Er hatte zum Beispiel die Premiereder Zauberflöte zweimal verschieben müssen, weil Frieda Müller, die Sängerin derKönigin der Nacht, lange Zeit keine Reiseerlaubnis von Wien nach Linz erhalten hatte.

122 Der Lyriker und Dramatiker Franz Pühringer (1906–1977) hatte ebenso wie Ploberger in der Zeit-schrift Der Querschnitt veröffentlicht. 1934 gründete er die „Linzer Puppenspiele“, die mit Unterbre-chungen auch während des Krieges spielten und 1946 neu organisiert wurden. Wie Justus Schmidtzu Plobergers 60. Geburtstag schrieb, gehörte Pühringer zu dessen Freunden. Pühringers Dramenwurden am Wiener Burgtheater und an verschiedenen deutschen Bühnen uraufgeführt. (Siehe: Amt-liche Linzer Zeitung, 09. Februar 1951 und 08. Oktober 1954.)

123 Tagblatt, 06. Dezember 1945.124 Hubert Razinger in Oberösterreichische Nachrichten, 29. November 1945.125 „Die Inszenierung der genannten Werke wird der jeweils geeignetsten Spielleitung anvertraut wer-

den und für das Bühnenbild konnte Herbert Ploberger, ein Bühnenbildner von europäischem For-mat, der Ausstattungen für Max Reinhard [!], die Wiener Staatsoper, große Londoner Theater undeine Reihe bekannter Filme schuf, gewonnen werden.“ (Oberösterreichische Nachrichten, 19. September1945.)

126 Linzer Volksblatt, 18. Dezember 1945.127 Siehe auch: Christian Hanna, Das Linzer Landestheater 1945–1980, S. 09.128 Hubert Razinger in Oberösterreichische Nachrichten, 21. Dezember 1945.129 Die von Pühringer nach Mörike bearbeitete Oper hatte am 06. Februar 1946 Premiere.

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Daß das nicht das einzige Problem bei der Produktion dieser Oper war (man erin-nere sich an Pruschas verzweifelte Bitte um Kohle), ist aus den Rezensionen abzule-sen: „Die ,Zauberflöte‘ war ein Erfolg. [...] Einige widerspenstige Kleinigkeiten, wel-che die Premiere nicht im geringsten störten, haben ihren Grund in der Tatsache,daß infolge der schwierigen Theaterverhältnisse die Ausstattung nicht zur General-probe, sondern erst knapp zur Premiere fertiggeworden ist. Herbert Ploberger unterstütztmit seinen Bühnenbildern den Willen des Intendanten: Eine gesunde, ins 20. Jahrhundert über-setzte Romantik hat kalte Sachlichkeit überwunden.“130 „Wohltuend wirkte in ihrer Einheitlichkeitdes Stils die vornehme Bühnengestaltung Herbert Plobergers, obgleich einige Bühnenbilder einenungewohnten Anblick boten.“131 Plobergers Arbeiten, die möglicherweise in eisiger Kälteentstanden, was sich auch auf den Aggregatzustand der Farben und des sonstigenMaterials wie Kleber etc. auswirken mußte, fanden aber nicht nur Zustimmung: „DieBühnenbilder genügen augenblicklichen Ansprüchen, bedürften aber einer eingehenderen, phanta-sievolleren Beschäftigung mit dem Thema.“132 Ein einziger Entwurf, die Königin der Nacht, isterhalten. Sie steht in einem hellen, plissierten Empirekleid auf einer Mondsichel, vonihren ausgebreiteten Armen fällt ein durchsichtiger Sternenschleier bis zum Boden.Ein Sternendiadem schmückt ihren Kopf, und der tiefblaue Himmel ist ebenfalls mitSternen übersät. Der Boden besteht aus braunschwarzen, zackigen Felsen.133 Alleanderen Entwürfe für die verschiedenen Bilder, welche im Linzer Volksblatt anschau-lich beschrieben waren, sind leider verschollen.134 (Abb. 07)

Ploberger war in diesen Wochen sehr produktiv, denn die dritte Premiereinnerhalb weniger Tage war die Silvesteraufführung der musikalischen Komödie BeiKerzenlicht, die vom Publikum dankbar aufgenommen wurde. Über das Bühnenbildstand in den Zeitungen, daß es „freundlich“135 bzw. „ein Bühnenbild Linie Casanova“136

war, was immer das auch heißen mochte. Das anspruchslos-heitere Kabinettstückwurde mit 46 Aufführungen zur erfolgreichsten Produktion der Saison. Das DramaLeuchtfeuer des Amerikaners Robert Ardrey hingegen wurde, obwohl von den Kriti-kern begeistert akklamiert, nur zehnmal aufgeführt.137 Bereits am Premierentag, dem

130 Linzer Volksblatt, 24. Dezember 1945.131 Tagblatt, 03. Jänner 1946.132 Krist in Oberösterreichische Nachrichten, 24. Dezember 1945.133 BB/Fig. zu Die Zauberflöte (Nordico-Museum der Stadt Linz).134 „Es gab einen schönen Felsenhintergrund für den 1. Auftritt Taminos und Papagenos, eine funkelnde

Pracht für die sternflammende Königin, eine für unsere Theaterdimension richtige Tempel-Szenerie,einen feinen orientalischen Hintergrund für die skurrile Lüsternheit des Monostatos, eine eindrucks-volle Grotte für die Proben in Feuer und Wasser, einen märchenhaft duftigen Zauberwald und einglänzendes Schlußbild. Sehr glücklich die Lösung des stilisierten Gitters im zweiten Akt, das Taminound Papageno während ihrer Prüfungen von der Außenwelt abschließt und hinter dem die unglück-liche Pamina und die rachedurstige ,Königin der Nacht‘ samt ihrem Gefolge auftreten.“ (Linzer Volks-blatt, 24. Dezember 1945.)

135 Tagblatt, 03. Jänner 1946.136 Hubert Razinger in Oberösterreichische Nachrichten, 02. Jänner 1946.137 Siehe: Christian Hanna, Das Linzer Landestheater 1945–80, Bd. 2, und Heinrich Wimmer, Linzer

Theaterstatistik 1945/46–1967/68. Auch die folgenden Linzer Aufführungszahlen stammen aus die-sen Quellen.

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11. Jänner 1946, berichteten die Oberösterreichischen Nachrichten: „Die Darsteller habenin diesen Tagen ihr Aeußerstes geleistet. Stundenlang, ohne Unterbrechung, wurdeauf der eiskalten Bühne geprobt.“ Die drei Akte spielen im Innenraum eines Leucht-turms, den der Autor im Text detailliert beschreibt. Ob Ploberger sich daran gehal-ten hat, ist den eher metaphysischen Rezensionen nicht zu entnehmen: „H. Plobergergab das von den Schatten des Zweifels und der Vergangenheit wie von den Lichtern des Glaubensund der Zukunft gleich bewegte Bühnenbild: man wird diesen Leuchtturm von Thunder Rock, vondem das Blinkfeuer über die Zeiten und über die Erde streicht, nicht vergessen.“ „Spielleiter undBühnenbildner (Architekt Ploberger) bemühen sich hier, das nüchtern-kahle [!] der Denkungsarteiner sehr fortgeschrittenen Zivilisation zu mildern und unserem Geschmack anzupassen.“138

Leuchtfeuer wurde in den folgenden Monaten ebenso wie Die Zauberflöte auchin eigenen Schülervorstellungen gezeigt und in verschiedenen Unterrichtsfächernbesprochen, wie einem Dankesbrief zu entnehmen ist, den Hubert Razinger alsDirektor des Staatsgymnasiums an Pruscha richtete.139

138 Oberösterreichische Nachrichten, 11. bzw. 14. Jänner 1946.139 Staatsgymnasium an Intendanz des Landestheaters, 18. Mai 1946 (OÖLA, Archiv der Landesregie-

rung, Schachtel 263-1946, K 284).

Abb. 07: Herbert Ploberger, Szenenbildentwurf zu Die Zauberflöte 1945 (Nordico-Museumder Stadt Linz)

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Die nächste Premiere, Kalmans Operette Gräfin Mariza, für die Ploberger imLandestheater „einen von Rosen umkränzten Schloßhof und einen eleganten Schloßsaal geschaf-fen hat, Bühnenbilder, die sich sehen lassen können“140, fand bereits zwei Wochen späterstatt und war ein großer Erfolg. Plobergers Bilder wurden übereinstimmend als„prächtig“ bezeichnet.141 Ganz anders erging es der „ernsten Komödie“ Tanz im Ther-midor von Roland Marwitz, die wenige Tage später in den Kammerspielen aufge-führt wurde und die Erwartungen der Kritiker enttäuschte. Im Tagblatt wurde dasBühnenbild erwähnt, ein Sanatorium „zu Paris, in dessen mit dem Bilde Robespierresgeschmücktem Salon sich der Faden der Handlung durchgehend abspinnt.“ Diegedämpfte Begeisterung spiegelte sich auch in den zurückhaltenden Erwähnungendes „werkgerechten Bühnenbildes“, das „gut harmonierte“ und „einen schönen Rahmen“ gab.142

Rossinis komische Oper Der Barbier von Sevilla, die eine Woche später im Lan-destheater Premiere hatte, fand hingegen wieder große Zustimmung und blieb bis1949 auf dem Spielplan. „Intendant Viktor Pruscha hat [...] erneut bewiesen, daß erdas Landestheater Linz zu einem bedeutsamen Kulturträger im neuen Oesterreicherheben wird. [...] Die geschmackvollen und stilistisch wohltuenden Bühnenbilder schuf HerbertPloberger. Vor allem freuen wir uns, die schöne Idee des bleibenden Rahmens neu belebt zu sehen.“143

„Herbert Plobergers zwei Szenerien atmen eine durch leichtes Lachen geglättete Sinnlichkeit inunaufdringlich spanischer Zeichnung.“144 Nur in den Oberösterreichischen Nachrichten fandsich eine kritische Stimme: „Herbert Ploberger schuf ein schlichtes Bühnenbild, dessen spar-same Dekoration wohl mehr komödienhaft andeuten als aussagen sollte, doch hätten die Nuancendes Komponisten eine feinere Pointierung auch in dieser Hinsicht verlangt.“145 Dieses „schlichteBühnenbild“ ist auf dem vorliegenden Entwurf überwiegend in Rosa und Rot gehal-ten und wirkt wie ein aufgeklapptes, von einem voluminösen Baldachin überdachtesPuppenhaus. In diesem Raum, dessen Interieur aus formschlichten Möbeln besteht,hat Ploberger zwei marionettenartige Figurinen mit ausgebreiteten, angewinkeltenArmen, der typischen Hilflosigkeitsgeste seiner beiden Clowns, frontal zumBetrachter, d. h. zur Bühnenrampe, positioniert. Der Stil ihrer Bekleidung und diezierlich geschwungenen Karniesen über den Fenstern geben dem Ganzen einenHauch von Rokoko.146 (Abb. 08)

Das Theaterreferat beklagte in einem Tätigkeitsbericht an die amerikanischeMilitärregierung, daß die Oper nach ihrer Premiere nur zweimal innerhalb von dreiWochen aufgeführt werden konnte; der Grund dafür sei nicht nur im Ausfall vonSpieltagen, sondern auch „in den durch die schlechten Wohnungsverhältnissebedingten häufigen Erkrankungen der Darsteller“ zu suchen.147

140 Unfried in Linzer Volksblatt, 28. Jänner 1946.141 Tagblatt, 29. Jänner 1946 und Neue Zeit, 31. Jänner 1946.142 Oberösterreichische Nachrichten, Tagblatt, Linzer Volksblatt, alle: 04. Februar 1946.143 Neue Zeit, 11. Februar 1946.144 Unfried in Linzer Volksblatt, 11. Februar 1946.145 Krist in Oberösterreichische Nachrichten, 11. Februar 1946.146 BB/Fig. „Der Barbier von Sevilla, Linz 1946“ (Privatbesitz).147 OÖ. Landeshauptmannschaft, Theaterreferat an Militärregierung, 27. Februar 1946 (OÖLA, Archiv

der Landesregierung, Schachtel 263-1946, K 201, Mappe „K 207-1946“).

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Abb. 08: Herbert Ploberger, Szenenbildentwurf zu Der Barbier von Sevilla 1946 (Privatbesitz)

Auch von Martin Costas musikalischer Komödie Hofrat Geiger ist ein Büh-nenbildentwurf erhalten. Er zeigt einen hohen Innenraum, dessen Plafond mit einerKassettendecke abgeschlossenen ist. Tiefe gewölbte Mauernischen weisen ebensowie die Fenster- und Türleibungen auf die Dicke der Mauern und damit auf dasAlter des Hauses hin. Neben einem Kachelofen führt eine Holzstiege zu drei Türenim ersten Stock, in der Nische darunter stehen eine Eckbank und ein Tisch. Dieüberwiegenden Farben sind Orange, Türkisblau und Türkisgrün. Über dem Ein-gangsbereich ist eine großzügige Wandmalerei angebracht und alle Türen sind mitLüftlmalerei verziert.148 Direktor Razinger, der auch Rezensent der OberösterreichischenNachrichten war, schrieb dazu, daß Plobergers Bühnenbilder „immer wieder so eigenwüch-sige Phantasie wie werkgetreues Stilgefühl verraten; ein so gefälliges Szenarium wie hier etwa dieWirtsstube in der Wachau, hat die kleine Bühne schon lange nicht gesehen.“149 Aus den Kritikenwird deutlich, wie gerne sich das Publikum mit dem volkstümlichen Geschehen aufder Bühne identifizierte, es gar als „echt“ empfand, wie Arnolt Bronnen beobachtete:„Man war wirklich ,dahoam‘ und konnte sich auch seelisch die Schlapfen anziehen.

148 BB „Hofrat Geiger, Linz 1946“ (Privatbesitz).149 Razinger in Oberösterreichische Nachrichten, 02. März 1946.

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Dies war das Beste an der Regie Ludwig Blahas, diese Behaglichkeit der Atmo-sphäre zu erzeugen, so daß man gelegentlich den Eindruck hatte, auf der Bühnegehe es echter zu als unten im Zuschauerraum. [...] Das Publikum belohnte dasSpiel, das in einem niedlichen Rahmen von Herbert Ploberger [...] abrollte, mit lebhaftemApplaus.“150 Daß die Zuschauer eine Vorliebe für musikalische Lustspiele und Ope-retten hatten, beweist die Statistik, denn Bei Kerzenlicht, Hofrat Geiger und GräfinMariza wurden die drei erfolgreichsten Stücke der Saison.

Obwohl mit der nächsten Produktion, Grillparzers Lustspiel Weh dem, derlügt! „nicht nur einem langgehegten Wunsch des literarisch=schauspielhungrigenTeiles des Theaterpublikums entsprochen, sondern [...] darüber hinaus echt österrei-chischem Empfinden Rechnung getragen“ wurde151, reichte das Publikumsinteressetrotz hervorragender Kritiken nur für elf Aufführungen. Über Plobergers Bühnenbil-der hieß es: „Das einfache, klare Bühnenbild gibt den Schauspielern den ruhigen, diskreten Hin-tergrund, vor dem sie ihre Bewegungen und Gesten wirkungsvoll entfalten können. Schon dieProbe [...] zeigt klar und deutlich, daß hier unmittelbarer Kontakt mit der Dichtungund ihrem Schöpfer gewonnen wurde.“152 „Plobergers einfach-klare Bühnenbilder vorschwarzem Tuch boten dynamische Spielmöglichkeiten genug, dem zwar ernsten, aber keineswegsunlustigen Lustspiel an Komödiantischem zu geben, wessen es bedarf. Klar auseinandergehal-ten waren die zwei Welten: Kultur und Barbarei.“153 Zwei Entwürfe sind erhalten; aufdem in Blau, Grau und Grün gehaltenen Bild des ersten Aktes steht der Hausverwalterim kirchlichen Habitus vor dem Tor einer konkav gebogenen Mauer, die teilweisevon blühender Vegetation verdeckt ist. Rechts vorne sitzt Leon, der mit großemErfolg von Veit Relin dargestellt wurde, mit ausgebreiteten Armen auf einem Stein.Das zweite Bild stellt eine aus Quadern symmetrisch aufgebaute Burg mit Zinnendar, die sich in Grauschattierungen vom schwarzen Hintergrund abhebt.154

Am 12. April 1946 fand im Landestheater der erste Ballettabend nach demKrieg statt. Aufgeführt wurden Alfredo Casellas Der große Krug, Zoltan KodalysMaroszekertänze, Georges Bizets Arlesienne-Suite, Antonin Dvoraks Slawische Tänze,Werke von Johann Strauß und ein Walzer von Hans Hagen. „Den äußeren Rahmen hatteHerbert Ploberger in bekannter Meisterschaft gestaltet und mit seinen intimen, fast wie Seiten ausBilderbüchern wirkenden Bühnenbildern die Voraussetzung geschaffen, daß dieser Ballettabend zueinem ganz außerordentlichen Erfolg wurde.“155 Auf Plobergers Bühnenbildentwurf fürCasellas Der große Krug, dessen Handlungsgerüst, eine sizilianische Dorfgeschichte,aus einer Novelle von Pirandello stammt, tanzen vier Mädchen mit ausgebreitetenArmen parallel zur Rampe. Im Bühnenhintergrund ist eine überdimensional große,mit Blumen bemalte Vase aufgestellt. Ein Haus, blühende Bäume und rosa-weißeWolken auf blaugrün schattiertem Untergrund ergänzen die Szenerie. Im Gegensatz

150 Arnolt Bronnen in Neue Zeit, 04. März 1946.151 Haider in Linzer Volksblatt, 04. April 1946.152 Oberösterreichische Nachrichten, 02. April 1946.153 Razinger in Oberösterreichische Nachrichten, 04. April 1946.154 BB/Fig. „Weh dem, der lügt, Linz 1946“ (Privatbesitz) und BB „Weh dem, der lügt, Linz 1946“ (Nordico-

Museum der Stadt Linz).155 Neue Zeit, 18. April 1946.

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Abb. 09: Herbert Ploberger, Szenenbildentwurf zu Ballette 1946 (Nordico-Museum der StadtLinz)

zu dem statisch wirkenden grauen Bühnenvorhang sind nicht nur die Mädchen,sondern auch der Baum, die Wolken und sogar das Treppengeländer in scheinbarerBewegung. Auf dem Bild Zwei Ballette fällt der üppige Vorhang auf, dessen rechteHälfte aus dem Barbier von Sevilla zu stammen scheint. Auf der Bühne vollführen einePrinzessin und ein Bajazzo vor zwei turmartigen Häusern einen Bändertanz, im Hin-tergrund ist eine italienische Stadt in abgedunkeltem Magenta angedeutet. Der tief-blaue Himmelsprospekt ist mit unzähligen weißen Sternen und einer Mondsichelbemalt.156 (Abb. 09)

Mit einer gekürzten Version dieses Ballettabends wurde Ende Juli die neueFreilichtbühne auf dem Pöstlingberg eröffnet157, der sich in der russischen Zone

156 BB/Fig. „Der Krug 1946“ und BB/Fig. „Zwei Ballette 1946“, Nordico-Museum der Stadt Linz.157 Das genaue Datum war nicht feststellbar. Die Eröffnung war ursprünglich für den 25. Juni 1946 mit

dem Schäferspiel von Max Mell vor dem Portal der Pöstlingbergkirche geplant gewesen. Die eigentli-che Freilichtbühne errichtete man auf dem Autoparkplatz hinter der Kirche, vorgesehen waren fürdie beiden Sommermonate wöchentlich ein bis zwei Schauspiel- und Operettenaufführungen.(Siehe: undatierter Zeitungsausschnitt o. A., Bibliothek OÖLM, Sammlung Hengl.) Im Sommer1946 gab es in der amerikanischen Zone im Stadtzentrum eine zweite Freilichtbühne. Sie wurde nachlängeren Verhandlungen – als Standort war nämlich auch die „Hatschekanlage“ am Bauernberg inBetracht gezogen worden – auf dem Gelände des „Märzenkeller“ errichtet und vom Landestheaterbespielt.

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befand, was bedeutete, daß man sich, von der Stadt kommend, beim Überquerender Nibelungenbrücke über die Donau zuerst bei den Amerikanern, dann bei denRussen ausweisen mußte und bei der Rückkehr vom amerikanischen Posten mitdem Ungeziefergift DDT eingesprüht wurde. Diese Prozedur mußten viele Men-schen in Linz, auch Ploberger, der sein Atelier in Urfahr hatte, täglich über sich erge-hen lassen. Anscheinend waren zur Eröffnung aber nicht einmal die Urfahraner sehrzahlreich erschienen, außerdem konnte „von den ausgezeichneten für diesen Abend geschaf-fenen Bühnenbildern Herbert Plobergers nur eine Kulisse Verwendung finden“, da das Pro-gramm aus technischen Gründen gekürzt werden mußte, wie in der Neuen Zeit zulesen war.158 Das Tagblatt berichtete jedoch anderslautend: „In dem schönen, von Bir-ken-, Fichten- und Kirschbäumen umrahmten Freilichttheater beim Autopark desPöstlingberges tanzte das ganze Ensemble des Landestheaters, begleitet von demOrchester desselben vor einem dankbaren Publikum. In der Weite der Landschaft wirk-ten die Bühnenbilder besonders nach Eintritt der Dämmerung faszinierend. [...] ,Der große Krug‘,von Herbert Ploberger inszeniert, atmete prickelnde Heiterkeit.“159

Ploberger hatte innerhalb von drei Monaten neun Inszenierungen betreut.Im April waren es dann zwei gewesen, nun fand am ersten Mai die Premiere vonLeo Falls Operette Der fidele Bauer statt, die zwar beim Publikum gut ankam, aber vonder Kritik als zu derb und kitschig abgelehnt wurde. Plobergers Bühnenbilder wur-den einerseits als „geschickt gelöst“160 und „gemäßigt stilisiert“161 beschrieben, andererseitsfehlte ihnen „echte Volkstümlichkeit“162 bzw. waren sie „wohl bewußt etwas süßlich gehalten,um nicht aus dem Rahmen zu fallen.“163

Seine letzte Arbeit am Landestheater, Franz Werfels Jacobowsky und der Oberst,hatte Anfang Juni Premiere. Werfels Drama, das seit Anfang April erfolgreich in denWiener Kammerspielen lief und dort insgesamt 142 mal gespielt werden sollte,wurde in Linz nur achtmal aufgeführt. Die Kritiken fielen sehr unterschiedlich aus,nur zwei von ihnen erwähnten das Bühnenbild. Arnolt Bronnen fand die Bilder „ein-dringlich fahl“164 und sagte damit eigentlich das Gegenteil dessen aus, was im LinzerVolksblatt stand: „In den klaren und schönen Bühnenbildern, für die wir H. Ploberger danken,fand das Stück die passende und starke Stütze für das Auge.“165

Intendant Pruscha sah sich am Ende der Saison mit Vorwürfen konfrontiert, dennGymnasialdirektor Razinger, der nicht nur als Theaterkritiker, sondern auch als dra-maturgischer Mitarbeiter des Landestheaters fungierte, beschwerte sich beim Kul-

158 Neue Zeit, 31. Juli 1946.159 Tagblatt, 26. Juli 1946.160 Oberösterreichische Nachrichten, 03. Mai 1946.161 Unseld in Linzer Volksblatt, 03. Mai 1946.162 Tagblatt, 04. Mai 1946.163 Neue Zeit, 06. Mai 1946.164 Arnolt Bronnen in Neue Zeit, 11. Juni 1946.165 Angsüsser in Linzer Volksblatt, 11. Juni 1946.

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turreferat „über die künstlerische Leistung des Landestheaters.“166 Dort wurde „diescharfe Kritik [...] zwar als Mahnung an Pruscha für eine bessere Spielplangestaltungin der kommenden Spielzeit betrachtet, im übrigen nicht für so tragisch genom-men.“167 Razinger schwebte ein Theater auf hohem kulturellem Niveau vor, in demalle Künste gleichwertig zusammenwirken sollten, und er hielt viel von PlobergersArbeit am Landestheater. In der Zeitschrift Kunst und Aufbau schrieb er über dessenBühnenbilder zur Zauberflöte: „Wie hier [...] phantasievolle Romantik mit modernemRealismus zu einer werk- wie zeitgerechten höheren Einheit verschmolz, magbezeichnend für das bühnenbildnerische und bühnenarchitektonische Schaffen desneuen österreichischen Theaters sein, das aus den Kräften barocker Sinnenüppigkeitebenso zu leben hat wie aus der strengeren Kühle maßvoller Realistik.“168

Eine Frage, die sich zwangsläufig ergibt, nämlich, ob Ploberger eventuellauch bei den Kostümen mitwirkte, muß letztlich unbeantwortet bleiben, da wederdie Theaterzettel noch die Kritiken einen Hinweis darauf geben. Wegen der nach-kriegsbedingten Materialknappheit wäre anzunehmen, daß man auf den Funduszurückgriff; über dessen Bestand gibt es allerdings widersprüchliche Informationen.Im Jänner 1945 hatten nämlich alle Theater im Rahmen des „Deutschen Volksopfers“für die Ausrüstung des „Volkssturmes“ „ihren gesamten Bestand, ausgenommen [...]besonders wertvolle und nicht mehr ersetzbare Ausstattungsstücke, wie historischeKostüme, Führerausstattungen u. s. w.“169 hergeben müssen. Im Februar 1945 mel-dete die Presse folgerichtig, daß das Landestheater „unter Ausschluß der letztjähri-gen Festausstattungen [...] etwa 75 % seines gesamten Kostümbestandes“ abgelieferthabe. Anläßlich der Wiedereröffnung des Theaters Ende Juli erschienen aber Zei-tungsberichte, denen zufolge damals „dem Gauleiter ein Schnippchen geschlagen“und „der größte Teil dieser kostbaren Kostüme gerettet“ worden sei, indem manangeblich den jeweiligen Ortsgruppenleitern von Schlägl, Kremsmünster, Engel-hartszell und Ritzlhof, wohin die Kostüme wegen der Bombengefahr gebracht wor-den waren, mitgeteilt hatte, „daß die Spende in den jeweils anderen Orten schongeschehen sei.“170 Brantner wiederum klagte dem Landeshauptmann von der Zer-

166 Razinger wurde „freigestellt, einen sorgsam ausgearbeiteten Spielplanentwurf zur Diskussion zustellen, der dann irgendwie verbindlich für Pruscha gemacht werden könnte.“ (Amtsvermerk derOÖ. Landeshauptmannschaft, Kulturreferat, 17. Juni 1946 [OÖLA, Archiv der Landesregierung,Schachtel 263-1946, K 448].)

167 Amtsvermerk der OÖ. Landeshauptmannschaft, Kulturreferat, 08. Juni 1946 (OÖLA, Archiv derLandesregierung, Schachtel 263-1946, K 448). Pruschas Intendanz endete etwa zwei Monate vor Ver-tragsende bereits Anfang Mai 1948. Ob dabei auch eine Anzeige wegen Übertretung des Bedarfs-deckungsgesetzes (er hatte sich im Sommer 1946 von einem Mitarbeiter Zucker und Milchkonser-ven auf dem Schwarzmarkt besorgen lassen) mitspielte, ist unklar. (Vernehmungsprotokolle derKripo Linz, 04. Februar 1949 [Archiv der Stadt Linz, Kulturarchiv, Schuber 183, Mappe „Linzer Lan-destheater 1945–48“].) Nach ihm übernahm sein Vorgänger Brantner erneut die Führung; er baute inder Folge rücksichtslos Personal ab.

168 Hubert Razinger, Aufbaulinien des Theaters, in: Kunst und Aufbau, Februar 1946.169 Rundschreiben des „Gaukämmerers“, 04. Jänner 1945 (OÖLA, Landestheater, Schachtel 2, „Behör-

den 1944/45“).170 Undatierte Zeitungsberichte (Bibliothek OÖLM, Sammlung Hengl, Ordner 1944-45-46, Mappe

„Landestheater in Linz 1945/46“).

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störung der ausgelagerten Bestände durch die Besatzungstruppen: „Nach Angabendes nächsten Nachbarn [...] sind es hauptsächlich Russen und Serben gewesen dieunsere wertvollen Vorräte gestohlen und vernichtet haben. In Schlägl waren einGroßteil unserer wertvollsten Kostüme untergebracht, ferner alle noch vorhandenenStoffe [...], sowie die gesamten Perücken vom Wagner-Ring. [...] Mir ist inzwischenauch zur Kenntnis gelangt, daß das ehemalige Starhembergsche Glashaus im Auhof,das uns als Dekorationslager diente vom amerikanischen Militär als Garage einge-richtet wurde und unsere Dekorationen auf freiem Felde liegen.“171 In jedem Fall istanzunehmen, daß im Landestheater genauso improvisiert werden mußte wie überallsonst im Alltags- und Berufsleben; es ist daher durchaus möglich, daß Plobergersich auch um die Kostüme kümmerte.

Er war in diesen Monaten aber nicht nur am Landestheater präsent. Im Jän-ner 1946 erschien ein ausführlicher Artikel in der Neuen Zeit über seinen Werdegang,im Februar widmete Egon Hofmann seinen Impressionen aus dem zerbombten Ber-lin einen mehrseitigen Beitrag in der Monatsschrift Kunst und Aufbau, und er waranscheinend auch als Lehrer „an der Spitze einer Meisterklasse einer neu zu schaf-fenden Werkkunstschule“ im Gespräch.172 Im März nahm er an einer Sitzung in derLandesamtsdirektion teil, welche die Gründung eines Landesverbandes der Österrei-chischen Kulturvereinigung zum Thema hatte. Das Protokoll dieser Besprechung scheintdas einzige amtliche Linzer Schriftstück dieses Jahres zu sein, auf dem Plobergernamentlich erwähnt ist.173

Welchen Eindruck Herbert Ploberger auf ihn gemacht hatte, beschrieb derDirektor des OÖ. Landesmuseums Franz Lipp 1977 in seiner Eröffnungsrede zurAusstellung im damaligen Stadtmuseum Linz-Nordico: „Als wir im Herbst 1945und 1946 wieder begannen, uns im Landesmuseum [...] einzurichten, war ein häufi-ger Gast meines Kollegen [...] Dr. Justus Schmidt der Maler und Bühnenbildner Her-bert Ploberger. [...] Er kam in regelmäßigen Abständen [...], ein Gezeichneter desBombenkrieges von Berlin, ein Oberösterreicher, der noch so ungefähr unsere Spra-che redete, aber doch ein ganz anders Gewordener. Er war es, der stets einen HauchBerlin, Ufa, Theater, Kulissenwelt in unser Haus brachte [...]. Herbert Ploberger hattees auf seinen Kleidern, in seiner Aura, am meisten aber in den Augen, die den größ-ten Eindruck auf mich machten. Man konnte sich keinen größeren Gegensatz den-ken als die sanften [...] Augen von Justus Schmidt und das helle, jedenfalls in derWirkung blaue, flackernde, ja brennende, dynamische Auge von Herbert Plober-ger.174 [...] Hier der [...] behutsame [...] Justus Schmidt, da der lodernde, [...] nach

171 Brantner an Landeshauptmann, 07. Juni 1945 (OÖLA, Präsidium der Landesregierung, MF 516/41).172 Georg Wacha, Herbert Ploberger, in: Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1979 (Schroll: Wien – München),

S. 54.173 Anwesend waren „Nationalrat Kapsreiter, Baron v. Hammerstein, Dr. Schmidt, Dr. Pfeffer, Prof. Stei-

ner, Maler Steinbüchler, Maler Ploberger, Schriftsteller Fischer-Colbrie“ (OÖLA, Archiv der Landes-regierung, Schachtel 362/2-1946, K 131 bzw. K 1-188).

174 Seine Iris war laut Vera Ploberger von einer Aureole umgeben.

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neuem Anfang lechzende Tatmensch Ploberger, der ebenfalls den Eindruck eineshöchst differenzierten, feinsinnigen, mit vielen Antennen ausgerüsteten Intellektuel-len wachrief. [...] Immer erschien Ploberger mit irgendwelchen Kartons, Skizzenoder fertigen Blättern. Ich empfand seine Farbigkeit damals sehr kühn, seineUmrisse und Figurationen bereits meilenweit jenem Linz voraus [...]. So, wie er kam,entfernte sich Herbert Ploberger auch wieder [...]. Was er hinterließ, kommt mirrückblickend vor wie der Sternenregen einer Rakete, die mit einigem Donner in denHimmel zischt, aufstrahlt, glüht, brennt, leuchtet und wieder erlischt. Jedenfallsgehört Herbert Ploberger zu den Menschen, die man nicht vergißt.“175

Ploberger verließ Linz, um ab Herbst 1946 in Wien zu arbeiten. Sein Atelierin Urfahr übernahm der Grafiker und Bildhauer Rudolf Hoflehner.176

Wien 1946–1949

Im Oktober 1946 war Ploberger in Wien einerseits mit seinen apokalyptisch anmu-tenden Berliner Kriegsbildern in der Ausstellung Niemals vergessen! im Künstlerhausvertreten, in der u.a. auch Werke von Rudolf Schatz und Oskar Laske zu sehenwaren, andererseits markiert dieses Datum auch den Beginn seiner Tätigkeit amTheater in der Josefstadt. Kurz vor seinem Tod sollte er schreiben: „1944–1945 Ent-stehung der Bilder über das zerstörte Berlin. Er malt sie, fasziniert von dem Grotes-ken der zerbombten Stadt. Er fertigt sie aus dem Gedächtnis an, da es natürlich ver-boten war, solche Bilder, die nicht dem Ideal der Nazis entsprachen, zu malen. Siegeben Eindrücke nach den Bombenangriffen wieder und dokumentieren die tra-gisch-groteske Situation.“177 In der Zeitschrift Kunst und Aufbau wurden sie als Anti-kriegsbilder mit den Werken von Callot, Goya und Egger-Lienz auf eine Stufegestellt.178

Ploberger arbeitete zwischen Oktober 1946 und September 1949 an insgesamt drei-zehn Produktionen für die drei Häuser des Theaters in der Josefstadt mit.179 Gleichfür seine erste Arbeit, die Bühnenbilder für Beneschowas Pedro, Pablo und die Gerechtig-keit, in dem Erna Mangold eine von Mißbrauch bedrohte Zwölfjährige spielte,wurde er als „wertvoller Zuzügler in diesem Mangelberuf“ begrüßt.180 Die erhalte-nen Szenenfotos vermitteln einen Eindruck davon, wie einfach die Dekoration

175 Franz Lipp, Herbert Ploberger, in: Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1979, S. 56.176 Justus Schmidt, Herbert Ploberger, in: Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1962, S. 120.177 Aus dem selbstverfaßten Lebenslauf Herbert Plobergers. Wacha schreibt darüber: „In der Bomben-

nacht vom 23. November 1943 ging er nach Zerstörung und Bränden noch im Dunkeln durch diemit Trümmern bedeckten Straßen der Metropole. Er nahm Bilder in sich auf, wie sie kaum einer deroffiziellen Kriegsberichterstatter festgehalten hat. Für ihn war das, was er sah, wie ein grandiosesBühnenspiel.“ (Georg Wacha, Herbert Ploberger und das Bühnenbild, a. a. O., S. 462.)

178 „Diese Temperabilder, nicht groß im Ausmaß, wohl aber im Ausdruck, haben mit einer bestimmtenKunstrichtung, in die man sie einreihen könnte, nichts zu tun.“ (Egon Hofmann, Krieg und Zerstörungin der Kunst, in: Kunst und Aufbau, Februar 1946 [Brückenverlag: Linz, 1946].)

179 Außer dem Haupthaus und den Kammerspielen gab es noch das Kleine Haus („Studio“).180 Neues Österreich, 27. Oktober 1946.

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gestaltet war.181 Die nächste Produktion, Alexander Afinogenews Die ferne Station,brachte ihm von Hugo Huppert, der das Stück bereits in Rußland gesehen hatte,eine etwas verständnislose Reaktion in der Österreichischen Zeitung, der Tageszeitungder sowjetischen Besatzungsmacht, ein: „Man sieht an dem transsibirischen Eisenbahn-strang [...] keine kegelförmigen Baumstämme; die Sowjetunion ist ein irdisch Land, mit diesseitigerFauna und Flora, ohne die leisesten Anspielungen auf eine Marslandschaft.“ Leider ist nur dasBild des dritten Aktes erhalten (ein rot möblierter Salonwagen im Längsschnitt),sodaß diese Kritik nicht überprüfbar ist.182

Für Jean Anouilhs Eurydike erreichte er „mit Licht und raffinierten Kulissen eineüberraschende optische Wirkung“183, er schuf auf der Studiobühne „mit einfachen Mittelneine bezaubernde Atmosphäre“184, die aufgrund der vier erhaltenen Entwürfe gut nach-vollziehbar ist. Ploberger hat die beiden Schauplätze, ein Bahnhofsbüffet und einHotelzimmer, einmal farbig und einmal in schwarzer Tusche mit gelben Lichtakzen-ten ausgeführt und dadurch das Changieren der Handlungsorte zwischen Realitätund Traum überzeugend dargestellt.185

Von seiner nächsten Arbeit im Studio, Horvaths Figaro läßt sich scheiden mitMaria Andergast in der Hauptrolle, sind mehrere Szenenfotos erhalten. PlobergersHandschrift ist in den Versatzstücken und Hintergrundprospekten deutlich erkenn-bar, sei es im malerischen Duktus einer Winterlandschaft, in der gesichtlosen Eiformder Perückenständer oder in einem schief an der Wand hängenden Porträt ohneGesichtszüge. Typisch ist auch die Beschwingtheit unbelebter Gegenstände, wie hierder Perückenzöpfe und -maschen, Vorhänge und Konsolenbeine.186 Franz Tassieschrieb in der Weltpresse, der Tageszeitung der britischen Besatzungsmacht: „An ersterStelle seien diesmal die künstlerisch hervorragenden Bühnenbilder Herbert Plobergers genannt.Musterbeispiele, wie an einer Liliputbühne gearbeitet werden kann.“187

Auch für die Szenenbilder von Curt J. Brauns Die Stadt ist voller Geheimnisse,von Rudolf Steinböck im Studio inszeniert, bekam Ploberger anerkennende Kriti-ken, u. a. von Hans Weigel: „Hinter H. Plobergers großartig andeutenden Bühnenbildern sindin R. Steinböcks überlegen führender Regie das Büro, die Stadt viel intensiver spürbar, als wenn siekostspielig und höchst realistisch mit allen Details photographiert wären.“188 Eine andere standin der Intellektuellenzeitschrift Österreichisches Tagebuch: „Die Bühnenbilder Herbert Plober-gers sind in ihrer andeutungsweisen Sparsamkeit erfreulich. Die Materialnot ist beim modernenBühnenbild zu einer Tugend geworden. Man geht nicht ins Theater, um Bühnenbilder zu besichti-gen. Bühnenbilder haben den Schauspielern nur die notwendigsten Requisiten zur Verfügung zustellen. Ploberger hat diese Forderung erfüllt. Der Beifall war gerechtfertigt und herzlich.“189

181 Fotos Doliwa, Hertha Schulda-Müller und Völkel (Archiv Theater in der Josefstadt).182 BB zu Die ferne Station (ÖThM, HÜ 54405).183 Sport Tagblatt, 03. Februar 1947.184 Welt am Abend, 01. Februar 1947.185 4 BB zu Eurydike, ÖThM, HÜ 54216–54219.186 Fotos Doliwa, Völkel, Hertha Schulda-Müller (Archiv Theater in der Josefstadt).187 Franz Tassie in Weltpresse, 30. April 1947.188 Oberösterreichische Nachrichten, 23. Juni 1947.189 Österreichisches Tagebuch, o. D. (Nachlaß H. Ploberger).

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Plobergers letzte Bühnenbildarbeit dieser Saison an der Josefstadt, für die er„seine üblichen geschmackvollen und milieusicheren Bühnenbilder“ stellte190, war im Juli 1947Andre Birabeaus Salonkomödie Wie sag ich’s meinen Müttern. Anschließend war er imWiener Volkstheater tätig, wo im August die Premiere der Komödie Es gibt keineZufälle stattfand, bei der Magda Schneider die Hauptrolle spielte. Regie führte Pau-lus Manker, mit dem Ploberger 1959 nochmals bei den Salzburger Festspielenzusammenarbeiten sollte. Seine Bühnenbilder für das Stück, in dem es um einenicht konsumierte Hochzeitsnacht geht, fanden großen Anklang, wie die folgendeKritik beweist: „Was diesmal wohltuend auffällt, vornehmlich durch die ironische Mischung vonDrastik und Phantastik, ist die Kunst der Ausstattung, vor allem das Bühnenbildnerische, dieArbeit Herbert Plobergers. In vergnügten Andeutungen, drehbaren Kompositionen flächiger Ver-satzstücke, sehr fein luftig aufgebaut, unterstreicht die Dekoration jeweils unbefangen die holde Tor-heit, die ,Unmöglichkeit‘ des ganzen Geschehens, zuweilen grundiert von Lichtbildprojektionen aufProspeckt [!] und Soffitten.“191

Der Entwurf für das erste Bild ist erhalten, der Pinselstrich verrät bereits dentypischen skizzenartigen Stil der kommenden fünfziger Jahre. Eine Art Himmelbettsteht im Zentrum der Bühne, zwei rosarote Paravents ergänzen das Interieur vor

Abb. 10: Herbert Ploberger, Bühnenbildentwurf zu Es gibt keine Zufälle 1947 (ÖsterreichischesTheatermuseum)

190 Otto Basil in Neues Österreich, 17. Juli 1947.191 Hugo Huppert in Österreichische Zeitung, 15. August 1947.

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einem dunkelblauen Hintergrundprospekt, der wie ein riesiges Glasfenster den Blickauf einige nur in Strichen angedeutete architektonische Wahrzeichen von Paris frei-gibt.192 (Abb. 10)

Ploberger übersiedelte im Jahr 1948 nach Hamburg, im Februar hatte im Theater inder Josefstadt noch Der Kreidekreis von Klabund in der Regie von Alfred Ibach Pre-miere. Erstmals hatte er hier die Gelegenheit, die gesamte Ausstattung, also Bühnen-bild und Kostüm zu entwerfen, was seinem künstlerischen Gestaltungswillen entge-genkam. Entsprechend positiv waren auch die Reaktionen aller Kritiker, von denendie sachkundigste von Hugo Huppert stammte: „Ich kann mir nicht versagen, die fernöst-lich stilisierte Szenen-Einrichtung, die duftig-leichten, beweglichen Bühnenbauten von chinesischerManier, vor dem in kolorithafter Lichtbildprojektion angedeuteten landschaftlichen Hintergrund –Leistungen von Herbert Ploberger – als herrlich gelungene theatralische Raumkunst zu loben. DerBildner hat hier einmal mit einfachster Technik ein Maximum an kombinierter Wirkung erzielt.Das urteilende Publikum und Plobergers Fachkollegen sollten ernsthaft Notiz nehmen von dieserLösung, die manche, jählings in Vergessenheit geratene Uebung und Errungenschaft der Zwanzi-gerjahre wieder aufgreift.“193 Der Kreidekreis war (laut Justus Schmidt) Plobergers Lieb-lingsausstattung, und sie ist zufällig die einzige seiner Arbeiten, von der nicht nurfarbige Entwürfe, sondern auch Schwarzweißfotos der fertig eingerichteten Bühnen-bilder vorliegen. Auf ihnen erkennt man, daß die Architektur in leichten, durchbro-chenen Holzkonstruktionen ausgeführt ist, welche den Blick auf die Hintergrund-prospekte freigeben.194 Die Entwürfe zeigen eine stilistische Ähnlichkeit mit demvorigen Bühnenbild für das Volkstheater. Sie sind in leuchtenden Farben gehalten,die Architektur hebt sich durch kräftigen Farbauftrag vom landschaftlichen Hinter-grund ab, der nur in monochromen Umrissen angedeutet ist. (Abb. 11 und 12).Zahlreiche Theaterfotos vermitteln darüber hinaus eine Ahnung von der Dramatikder Aufführung und der unerwartet weiträumigen Wirkung mancher Szenen-bilder.195

Anfang Mai 1948 kam der Film Das andere Leben, den das Theater in der Josef-stadt unter der Regie ihres Direktors Rudolf Steinböck produziert und für den Plo-berger die Bauten gemacht hatte, in die Kinos. In Linz lief seit Ende April in derNeuen Galerie die Ausstellung Erlebnis und Deutung, in der Ploberger seine Bilder ausdem zerstörten Berlin zeigte. Im Katalogheft stand u. a.: „Sein derzeitiges Arbeitsge-biet ist das Theater in der Josefstadt zu Wien sowie der Film. Kein Wunder, daß sichsein bühnenbildnerisches Schaffen in den hier gezeigten Temperablättern in der Ten-denz zu ungeheuer klarer, packender Anschaulichkeit fühlbar macht. Und diesesdurchaus Faßbaren, Packenden bedarf es auch, um dem gestellten Themenkreis

192 BB „Es gibt keine Zufälle, I. Bild“ (ÖThM, HÜ 54406).193 Hugo Huppert in Oesterreichische Zeitung, 19. Februar 1948.194 Foto Schulda-Müller, Archiv Theater in der Josefstadt.195 4 BB zu Der Kreidekreis (ÖThM, HÜ 54213–54215 und 54258); Fotos o. A. (ÖThM, PSE 17817–17829);

Fotos o. A. in Die Wiener Bühne 03/1948; Fotos (Zeitungsausschnitte) o. A. (WSTLB, SammlungTreitl).

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Abb. 11: Herbert Ploberger, Bühnenbildentwurf zu Der Kreidekreis 1948 (ÖsterreichischesTheatermuseum)

Abb. 12: Herbert Ploberger, Bühnenbild zu Der Kreidekreis 1948 (Archiv Theater in der Josef-stadt, Foto: Schulda-Müller)

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gerecht zu werden.“196 Anfang 1949 waren die Bilder im Wiener Rathaus ausgestellt,aber die meisten Rezensenten reagierten verständnislos. Die Presse stellte Bezüge zuPlobergers Beruf her: „Herbert Ploberger, als Film- und Bühnenmaler bekannt, zeigteine Kollektion von Blättern, Deckfarbenmalereien, in denen er seine Vision vomWeltuntergang [...] künstlerisch realisiert. [...] Die Blätter wirken in ihrem theatrali-schen Pathos wie Szenenbilder oder wie eingefrorene Filmbilder, alles ist wie insRampen- oder Scheinwerferlicht gerückt.“197

Im Jahr 1949 kam der zweite und letzte Film, den die Josefstadt produzierte,die Gesellschaftskomödie Liebe Freundin, heraus. Ploberger war auch diesmal für dieBauten verantwortlich. Neben Vilma Degischer, Erna Mangold und anderen Mit-gliedern des Ensembles spielte Johannes Heesters mit, den er bereits 1936 bei denDreharbeiten zu der Operettenverfilmung Der Bettelstudent kennengelernt hatte. Fürden Beethovenfilm Eroica, der ebenfalls 1949 in die Kinos kam, war Ploberger alsKostümbildner engagiert. Ewald Balser, der Faust von 1933, spielte die Hauptrolle,Clemens Holzmeisters Tochter Judith stellte Beethovens Freundin Giulietta dar undOskar Werner hatte eine kleine Rolle als mißratener Neffe.

Zwischen März und September 1949 arbeitete Ploberger an sechs Inszenie-rungen in der Josefstadt mit: Für Maxim Gorkis Sühnedrama Der Alte in der Regievon Rudolf Steinböck machte er wieder die Gesamtausstattung, dann folgten dasBühnenbild für Paul Geraldys Salonkomödie Ihr Mann, die Ausstattung für EugeneScribes Lustspiel Was Damen gefällt, ferner die Bühnenbilder für Michel DuransSalonkrimi Ein Mann wird gesucht und für W. D. Home’s Politfarce Wer wählt wen. Mitder Gesamtausstattung für Bernard Shaw’s Drama Der Arzt am Scheideweg endetediese Phase. Von den genannten Produktionen liegen zwar Fotos, aber keine Ent-würfe vor. Seine Arbeiten fanden großen Anklang, der vom Kritiker der WienerTageszeitung auf den Punkt gebracht wurde: „Die Bühnenbilder Plobergers haben, wie immer,wo dieser ausgezeichnete Mann mitwirkt, Geschmack, Intensität und Atmosphäre.“198

Plobergers vorläufig letzte Arbeit in Wien war im Oktober 1949 die Ausstat-tung für Othello im Neuen Theater in der Scala, das in der sowjetischen Zone lag undals „Russentheater“ trotz hochkarätiger Schauspieler und niedriger Preise mit anti-kommunistischen Vorurteilen der Bevölkerung zu kämpfen hatte. Eine gewissereservierte Haltung spiegelte sich auch in manchen Kritiken zu dieser Produktion, inder Hortense Raky als Desdemona und ihr Mann Karl Paryla als Jago mitspielten.199

Die Bandbreite der Meinungen über Plobergers Bühnenbilder reichte von „sehr gück-

196 Ernst Köller, Herbert Ploberger, in: Erlebnis und Deutung. Alfons Ortner, Herbert Ploberger, Hans Wei-bold (Neue Galerie der Stadt Linz: Kleine Bücherei, April–Mai 1948).

197 Die Presse, 23. Jänner 1949.198 Wiener Tageszeitung, 14. Mai 1949.199 Das Theater, das von den Sowjets finanziell unterstützt wurde, überlebte nur acht Spielzeiten; 1956

wurde es geschlossen. Der spätere Abriß des historischen Gebäudes hinterließ für Jahre eine archi-tektonische Lücke im vierten Wiener Gemeindebezirk. (Siehe: Carmen-Renate Köper, Ein unheiligesExperiment. Das Neue Theater in der Scala 1948–1956 [Löcker: Wien, 1995].)

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lich“200 über „der Bühnenbildner hat mit wenigen Mitteln ansehnliche Dekorationen geschaf-fen“201 bis zu „Kostüme und Dekorationen waren noch unter dem Niveau der recht durchschnittli-chen Aufführung.“202

1950–1977

Ab 1950 lebte Ploberger in München; im März heiratete er Vera Kerschbaumer, einegelernte Buchhändlerin aus Linz. 1954 bekamen die beiden eine Tochter, deren Tauf-patin die Schauspielerin Melanie Horeschovsky wurde. Ploberger war damalsgerade an der Josefstadt in Wien mit der Ausstattung für Das Glas Wasser vonEugene Scribe beschäftigt, eine Arbeit, die ihm eine sehr schmeichelhafte KritikHans Weigels einbrachte: „Man sucht oft Stücke für bestimmte Schauspieler [...]. Alssich jedoch die Josefstädter zum ,Glas Wasser‘ entschlossen, da kann die Überlegung nur gewesensein: Wir haben den Ploberger, was sollen wir spielen? Denn Herbert Ploberger ist als einziger rich-tig besetzt, sein Bühnenbild ist dem Lustspiel durchaus auf den Leib entworfen, seine Kostüme sindhöchst liebevoll gearbeitet.“203

Steinböcks Inszenierung, in der Helmut Lohner den von drei Frauen begehr-ten Fähnrich Masham spielte, wurde unterschiedlich aufgenommen, die Kostümeaber fanden sehr großen Anklang: „Ein ganz besonderes Lob gebührt den reizenden undgeschmackvollen Kostümen, die schönsten, die wir seit Jahren auf einer Wiener Bühne zu sehenbekamen. Sie, wie auch das ein wenig zu schwere Bühnenbild, sind von Herbert Ploberger.“204 „Wieeine Gavotte tanzt das Lustspiel seine fünf schlanken Akte lang dahin. Stil, Melodie,beschwingte Leichtigkeit der Inszenierung, die durch ein reizvolles Bühnenbild Herbert Plo-bergers und seinen fast luxuriösen Aufwand von Kostümen glücklich unterstützt wird, setzensich sogar nach den Aktschlüssen, bei den ,Vorhängen‘, fort.“205 „Herbert Ploberger hatmit seinem wundervollen Bühnenbild gleichsam Variationen über ein Thema geschaffen: die Deko-ration deutet durch kleine ingeniöse Veränderungen den jeweiligen Schauplatz an. Faszinierendsind auch die von Ploberger entworfenen Kostüme.“206 Plobergers Notizbücher geben Auf-schluß über den Arbeitsaufwand, der hinter diesem Erfolg stand, wobei sich seinStilempfinden gelegentlich auch gegen den Regisseur behaupten mußte, wie eineRandbemerkung neben einer Sesselskizze verrät: „Steinboeck will die Lehnen nochtiefer haben, ich nicht, abwarten!!!“ Er erhielt sogar einen „Fanbrief“ der Schauspiele-rin Christl Mardayn, die ihm „von ganzem Herzen“ gratulierte, da der „Erfolg desAbends zum grossen Teil Dein Verdienst war. [...] Ach, was waren das für hinreis-sende Kostüme!!!!“

200 Die Presse, 08. Oktober 1949.201 Otto Basil in Neues Österreich, 09. Oktober 1949.202 Wiener Zeitung, 08. Oktober 1949.203 Hans Weigel in Bild-Telegraf, 26. Oktober 1954.204 Weltpresse, 25. Oktober 1954.205 Edwin Rollett in Wiener Zeitung, 26. Oktober 1954.206 Otto Basil in Neues Österreich, 26. Oktober 1954.

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Abb. 13: Herbert Ploberger, Szenenbildentwurf zu Das Glas Wasser 1954 (Privatbesitz)

Ein Blatt, mit „plo. 54“ signiert, zeigt in Form einer Guckkastenbühne, die vonüppig gestreiften Vorhängen umrahmt ist, einen Ballsaal, hinter dem sich eine zwei-stöckige Galerie von Logen hochzieht. Sieben Figurinen in bunt verspielten Rokoko-kostümen stehen nebeneinander an der Rampe. Durch rhythmische Wiederholun-gen verschiedener Formkomponenten und die Farbigkeit der bewegten Figuren ent-steht ein fast psychedelisch wirkendes Muster.207 (Abb. 13)

Ploberger entwarf 1954 auch die Kostüme für Hofmannsthals Der Schwierigein den Münchner Kammerspielen. Steinböck führte Regie, und neben einigenSchauspielern aus der Josefstadt spielten u. a. Axel von Ambesser, Peter Weck undRuth Drexel. Er arbeitete auch später noch fallweise an verschiedenen MünchnerTheatern, sein beruflicher Schwerpunkt lag aber in den fünfziger Jahren vorwiegendbeim deutschen Kinofilm (etwa 25 Filme) und in den sechziger Jahren beim deut-schen Fernsehen (ca. 40 Filme für ARD und ZDF), wobei er meistens für dieKostüme, in Ausnahmefällen für die Bauten zuständig war. In seinem Lebenslauferwähnte er nur einige der Kinotitel, nämlich Martin Luther, Buddenbrooks, KöniginLuise, Der tolle Bomberg (mit Hans Albers), Alraune (mit Hildegard Knef), Eine Liebesge-schichte (mit Hildegard Knef und O. W. Fischer) und Onkel Tom’s Hütte.

207 BB/Fig. „Das Glas Wasser“ (Privatbesitz).

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Seine erste Arbeit für das Fernsehen war O’Neill’s Fast ein Poet mit JudithHolzmeister, das im Mai 1958 in Bonn Premiere hatte. In das Jahr 1958 fällt aucheine Zusammenarbeit mit der Schauspieltruppe Berlin, die unter der Regie vonRobert Freitag mit Molieres Der Menschenfeind auf Tournee ging und auch in Bregenzauftrat. Will Quadflieg und Freitags Ehefrau Maria Becker spielten die Hauptrollen.„Schön, ja sehr schön waren die Kostüme Herbert Plobergers, der für den Wanderbetrieb auch einesehr gefällige Hängerdekoration geschaffen hatte.“208

Ende des Jahres 1958 wurde er eingeladen, die Kostüme für Hugo von Hofmanns-thals Der Turm in der Regie von Ernst Lothar bei den Salzburger Festspielen 1959 zuentwerfen. Intendant Puthon hatte bereits Gustav Manker für das Bühnenbild ver-pflichtet und fragte bei ihm an: „Hofrat Lothar hat uns für den Entwurf der KostümeHerrn Ploberger vorgeschlagen und wir möchten Ihnen dies gerne zur Kenntnisbringen und dabei fragen, ob Sie ihn kennen, bzw. mit ihm schon einmal gearbeitethaben. [...] Ploberger hat vor vielen Jahren die Faust-Kostüme noch unter Reinhardtfür Salzburg entworfen.“209 Manker, der Ploberger bereits von der gemeinsamenArbeit für Es gibt keine Zufälle am Wiener Volkstheater kannte, antwortete: „Den Vor-schlag Ploberger-Kostüme finde ich ausgezeichnet! Ich schätze ihn sehr und glaube,daß ihm gerade unser Stück sehr liegen muß.“210 Anfang März fand die erste Bespre-chung zwischen Ploberger, Lothar und Manker statt.

Die Neufassung des von Calderon inspirierten Dramas brachte dem Regis-seur keine Lorbeeren ein, denn die Kritik reagierte teilweise vernichtend auf dieInszenierung: „Was sich die Regie (Ernst Lothar) hier erlaubte, wirkte erschütternd.Die Felsenreitschule [...] wurde Schauplatz von ,Raumfüllung‘, die sich szenenweisebis zu purem Grottenbahn-Ulk erniedrigte.“211 Ebenso bissig ließ sich Hans Weigelaus, der aber die Kostüme „ansprechend“212 fand; für den Kritiker der Presse waren sie„auf Einprägsamkeit bedacht“213, während die Wiener Zeitung schrieb: „Herbert PlobergersKostüme sind ganz Ausdruck jenes sagenhaften, spanische Kulturbezüge nicht verleugnendenPolen, in dem das Trauerspiel ,in einem vergangenen Jahrhundert, in der Atmosphäre dem 17. ähn-lich‘, spielt.“214

Ploberger mußte für diese Produktion hauptsächlich Männerkostüme ent-werfen, denn es gab nur zwei Frauenrollen (eine davon spielte Lothars GattinAdrienne Gessner). Sein Honorar lag mit 15.000 Schilling an der Untergrenze des-

208 Walter Scheiner in Vorarlberger Volksblatt, 13. Oktober 1958.209 Puthon an Manker, 17. Dezember 1958 (Archiv der Salzburger Festspiele, Ordner „Festspiele 1959.

Regiepersonal, Ausstattungspersonal, Kammerspiele“). Lothar war von Juni 1946 bis Dezember 1947amerikanischer ISB Theatre & Music Officer gewesen und kannte Ploberger möglicherweise aus dessenZeit an der Wiener Josefstadt.

210 Manker an Puthon, 27. Dezember 1958 (a. a. O.).211 Die Bühne 09/1959.212 Illustrierte Kronen-Zeitung, 15. August 1959.213 Die Presse, 15. August 1959.214 Wiener Zeitung, 15. August 1959.

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sen, was in dieser Festspielsaison für vergleichbare Leistungen bezahlt wurde. SeineKollegin Erni Kniepert etwa erhielt für die Kostümentwürfe von Strauss’ Die Schweig-same Frau 20.000 Schilling. Auch bot man ihm – was in anderen Fällen durchaus vor-kam – weder ein Zugticket erster Klasse noch ähnliche Vergünstigungen an, wasdarauf schließen läßt, daß es keine festgelegten Richtlinien gab. Gustav Mankererhielt für das Bühnenbild 18.000, Ernst Lothar für die Inszenierung 35.000 Schil-ling.215 Das Festspielhaus wurde übrigens in diesem Sommer von Clemens Holzmei-ster umgebaut.

Zwei Entwurfzeichnungen Plobergers illustrierten das Programmbuch derSalzburger Festspiele 1959, sie stellen polnische Adelige bzw. Aufrührer dar. Es lie-gen aber auch zwei Originalentwürfe mit der Beschriftung „Volk“ vor. Sie sind über-wiegend in Grau- und Brauntönen gehalten, unter eine weibliche Figurine ist dasWort „dürftiger“ hingefügt, was als Resultat einer Besprechung mit dem Regisseurgedeutet werden kann.216 (Abb. 14)

Abb. 14: Herbert Ploberger, Volk, Figurinen zu Der Turm 1959 (Privatbesitz)

215 Verträge vom 19. Jänner 1959, 17. Dezember 1958 und 23. März 1959 (a. a. O.). Die Preise der Sitz-plätze in der Felsenreitschule lagen zwischen 50 und 220 Schilling. Zum Vergleich: 1 kg Brot kostete3,60, ein Anzug 1070 Schilling; der Mindeststundenlohn im Baugewerbe betrug 8,55 Schilling, dasmachte bei 45 Wochenstunden 384,75 Schilling.

216 Fig. „Der Turm. Volk“ (Privatbesitz).

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Seine letzten Theaterarbeiten in Österreich leistete Ploberger für Leopold Lindtbergsvielbeachteten Shakespeare-Königsdramenzyklus am Wiener Burgtheater in denJahren 1960, 1961 und 1962. Teo Otto war für das Bühnenbild, Ploberger für dieKostüme verantwortlich. Die Rollen waren hochkarätig besetzt, bei König Heinrich IV.,dessen Premiere im Februar 1960 stattfand, spielten u. a. Oskar Werner, AlbinSkoda, Achim Benning, Judith Holzmeister und Erika Pluhar mit. Die Inszenierungwurde als „überwältigender Erfolg“217 und „monumentales Standardwerk unver-gänglicher Theaterarbeit“218 von der Kritik begeistert aufgenommen und PlobergersKostüme fanden größten Anklang: „Lindtberg hat vortreffliche Bühnenbilder vonTeo Otto zur Verfügung. [...] Er hat (endlich!!) auch viel bessere Kostüme als sonst an dieserStelle zur Verfügung, keine Modenschau und keine kostümkundlichen Mannequins, sondern Klei-der, die von Menschen getragen werden können (Herbert Ploberger).“219 Bei den vorliegendenKostümentwürfen fallen stilistische Unterschiede auf. Ploberger hat Falstaff, den Her-mann Schomberg darstellte, nicht nur mit naturalistischen Körperformen, sondernauch mit untypisch detaillierten Gesichtszügen, allerdings mit geschlossenenAugen, gemalt. Die meisten anderen Figurinen präsentieren ihre Kleidung wieüblich ohne Gesichtszüge und vielfach mit Wespentaillen und ausgebreitetenArmen.220 Überraschend ausgelassen wirken hingegen zwei Kostümvariationen fürdas allegorische Gerücht, das ein schwarzes, mit vielen roten Zungen behängtes Capeträgt und die Zunge zeigt.221

Fast genau ein Jahr später, im Februar 1961, fand die Premiere von KönigHeinrich V. statt. Neben Oskar Werner und Albin Skoda standen diesmal u. a. JosefMeinrad, Hermann Thimig, Wolf Albach-Retty und Annemarie Düringer auf derBesetzungsliste. Die Reaktionen waren überwiegend positiv, Ploberger wurde als„Farbenschwelger“222 bezeichnet, dessen Kostüme „in ihren Farben und der geschmackvollenWahrung des Stils von besonderem Können“ zeigten223 und „den Glanz dieser wahrhaft festli-chen Aufführung [erhöhten].“224 Allerdings wurden auch kritische Stimmen laut, die sicheine optisch weniger detailreiche Ausstattung gewünscht hätten; Hans Weigelschrieb z. B.: „Herbert Plobergers Kostüme sind wieder hervorragend, obzwar die Neigung zumÜbermaß diesmal auch bei ihm unverkennbar ist.“225

In der Reihe der vorliegenden Entwürfe bilden Fluellen, Nym und der französi-sche Soldat eine Ausnahme, da sie nicht nur naturalistisch-karikaturhaft, sondern inSeitenansicht und starker Bewegung dargestellt sind. Die übrigen Figurinen haben

217 Heinz Kindermann in Österreichische Neue Tageszeitung, 20. Februar 1960.218 Paul Blaha in Express, 20. Februar 1960.219 Illustrierte Kronenzeitung, 20. Februar 1960.220 ÖThM, Fig. „Falstaff/Schomberg“ (HÜ 21268), „Bardolf/Gottschlich–Peto/Krastel“ (HS 54431), „Richard–

Heinrich IV/Albin Skoda“ (HS 54345), „Worcester/Janisch“ (HS 54353) und „Westmoreland Krönung“ (HS54354).

221 Fig. „Sonja Sutter. Gerücht“ (Privatbesitz).222 Kauer in Volksstimme, 09. Februar 1961.223 Neue Front, Salzburg, 25. Februar 1961.224 Heinz Kindermann in Österreichische Neue Tageszeitung, 09. Februar 1961.225 Hans Weigel in Illustrierte Kronen-Zeitung, 09. Februar 1961.

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Abb. 15: Herbert Ploberger, Isabelle, Figurinezu König Heinrich V. 1961 (ÖsterreichischesTheatermuseum)

Abb. 16: Herbert Ploberger, Lady Percy, Figu-rine zu König Heinrich IV. 1960 (Österreichi-sches Theatermuseum)

die typischen Merkmale, die schon bei den Entwürfen für Faust I aufgefallen sind.Erzbischof von Canterbury, Bischof von Ely und Königin Isabelle, alle drei in lila Roben, zei-gen jeweils ihre rechte Schuhspitze unter bodenlangen Kleidern. Isabelle ist ganz inlila-weißen Nuancen gehalten, ihr Oberkörper wird von einem lila Schattenumrahmt. (Abb. 15) Von fünf „Lords“ gibt es zwei Entwürfe; einmal sind sie in unter-schiedlich gestalteter Zivilkleidung, einmal in stilisierter Kriegsausrüstung darge-stellt, wobei ihre schematische Anordnung in Zweier- und Dreiergruppen wie einMuster wirkt.226 Zahlreiche Szenenfotos geben einen Eindruck von der Umsetzungder Entwürfe, die wegen der auffälligen Kostümdetails bei Fluellen und der Wirtinbesonders gut nachvollziehbar ist.227

Plobergers letzte Arbeit am Burgtheater, König Richard III. mit Achim Ben-ning, Judith Holzmeister, Fred Liewehr, Heinrich Schweiger, Sonja Sutter, Eva Zil-

226 ÖThM, Fig. „Fluellen“ (HG 21266), „Nym“ (HG 21265), „Gefangener franz. Soldat“ (HG 21267), „ErzbischofCanterbury“ (HS 54346), „Isabella Troyes“ (HS 54347), „Bischof Ely/Inger“ (HS 54348), „Lords. London“ (HS54349) und „Lords bewaffnet“ (HS 54351).

227 Fotos Dietrich, Hausmann, Rogner, Völkel (Archiv des Burgtheaters) und Hausmann (ÖThM).

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cher u. a., hatte im März 1962 Premiere. Die Kritiker waren von der Inszenierungnicht ganz überzeugt, auch das gleichbleibende Bühnenbild war ihnen zu „beschei-den“. „Was hier ein Nachteil, wird bei den dezenten, ernsten Kostümen Herbert Plobergers zumVorteil.“228 Plobergers Kostüme, diesmal eher dunkel gehalten, waren „von edler Ein-fachheit“229, „beste Burgtheaterqualität“230 und „voll Einfühlung in das Zeitkolorit.“231

Kurz nach der Premiere von König Richard III. wurde Ploberger sechzig Jahre alt.Justus Schmidt, der ihn als einen „schweigsamen, kritischen und selbstkritischenMenschen“ bezeichnete, „der viel liest und ein sicheres Urteil hat“, würdigte ihn zudiesem Anlaß mit einem Beitrag im Kunstjahrbuch der Stadt Linz. Darin schrieb eru. a.: „Plo, wie er sich auf seinen Bildern und Skizzen bezeichnet, ist heute wie vorvierzig Jahren Avantgardist, damals in der vordersten Reihe der Neuen Sachlichkeit[...]. Heute ist er einer der bedeutendsten Bühnenbildner, die Österreich hervor-brachte, und im besonderen ein international anerkannter Fachmann für dasKostüm.“232

Unter anderen beruflichen Umständen hätte Ploberger mit sechzig vielleichtschon in Pension gehen können, aber da er selbständig war, arbeitete er bis zumAlter von fast siebzig Jahren weiterhin für Theater, Film und Fernsehen. Nach demderzeitigen Stand der Recherchen waren seine jeweils letzten Arbeiten in diesen dreiSparten 1965 die Kostüme für die internationale Filmproduktion Onkel Tom’s Hüttemit O. W. Fischer und Juliette Greco, 1970 das Bühnenbild für das Schweizer Tour-nee-Theater Basel, ebenfalls mit O. W. Fischer, und 1971 die Kostüme für den Fern-sehfilm Das Geheimnis der Mary Celeste mit Hans-Joachim Kulenkampff.

1976, wenige Monate vor seinem Tod, kaufte die Österreichische Galerie imOberen Belvedere das Stilleben mit Ananas aus dem Jahr 1926, worüber die Oberöster-reichischen Nachrichten schrieben: „Längst ist Ploberger [...] eine der Schlüsselfigurender Neuen Sachlichkeit geworden. Was seine alte Heimat Oberösterreich bishersträflich vergaß, macht nun die Österreichische Galerie wieder gut: eine ganz beson-ders reizvolle Persönlichkeit der Malerei der zwanziger Jahre wiederzuentdeckenund neuzubewerten.“233 1977 sollte zu Plobergers 75. Geburtstag eine Ausstellungim damaligen Stadtmuseum Linz-Nordico stattfinden, er verstarb aber während derVorbereitungen bereits im Jänner des Jahres. Die Ausstellung Herbert Ploberger 1902–1977 wurde damit zu einer Gedächtnisausstellung, bei der u. a. auch einige seinerBühnenbildentwürfe gezeigt wurden. Im Jahr 1995 fand im Kunstforum BankAustria die Ausstellung Neue Sachlichkeit. Österreich 1918–1938 statt, in der „dem exzel-lenten aus Wels stammenden Herbert Ploberger ein besonders weiter Raum gewid-

228 Edwin Rollet in Wiener Zeitung, 10. März 1962.229 Süd-Ost-Tagespost, 14. März 1962.230 Salzburger Tagblatt, 10. März 1962 und Volksstimme, 16. März 1962.231 Neue Front, 24. März 1962.232 Der Beitrag ist mit Entwürfen zu Faust I, Der Turm und Der Kreidekreis illustriert.233 Oberösterreichische Nachrichten, 11. August 1976.

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met [wurde].“234 1996/97 zeigte die Museumsakademie Berlin seine Bilder aus derzerbombten Stadt. 2001 war Ploberger bei der in der Kunsthalle München stattfin-denden Ausstellung Der Kühle Blick. Realismus der Zwanziger Jahre der einzige österrei-chische Maler. 2002 zeigten das Lebensspuren-Museum der Siegel und Stempel inWels und das Nordico-Museum der Stadt Linz anläßlich seines hundertstenGeburtstages die Ausstellung Herbert Ploberger Malerei–Graphik. Im Frühjahr 2004fand in den Galeries nationales du Grand Palais in Paris die hervorragend kuratierteSchau La Grande Parade. Portrait de l’artiste en clown statt, bei der Ploberger mit seinemBild Scherben bringen Glück vertreten war. Etwa zeitgleich erschien in Wels GeorgWachas Aufsatz Herbert Ploberger und das Bühnenbild. Der ehemalige Direktor des Lin-zer Stadtmuseums Nordico, der Ploberger auch persönlich kannte, plädierte darin:„Es wäre an der Zeit, Ploberger als vielseitigen heimischen Künstler, als bedeutendenVertreter der ,Neuen Sachlichkeit’, als Bühnenbildner, als einfühlsamen, für das Sce-nario von Krieg und Zerstörung auf der Bühne der Geschichte empfänglichen [...]Maler zu schätzen.“235

Resümee

Zu achtzehn der neununddreißig recherchierten Inszenierungen konnten Skizzenund Entwürfe auf Papier in Museen und Privatbesitz eingesehen werden. Obwohlsich aufgrund der punktuellen Auswahl kein vollständiges Bild ergeben kann,ermöglicht ihre zeitliche Streuung einen kursorischen Überblick über den gesamtenUntersuchungszeitraum von 1933 bis 1962. Die Bilder, die entweder mit „ploberger“oder „plo.“ signiert sind, zeigen durchgehend unverkennbar seine künstlerischeHandschrift.

Bei den Kostümentwürfen der dreißiger Jahre zeichnet sich eine schrittweiseTendenz zur Vereinfachung, zur Reduktion auf Wesentliches, ab. Die Blätter für Flo-rian Geyer wirken lebendig-illustrativ, bei Golgotha hingegen stehen die gleichfalls zuGruppen zusammengefaßten Figurinen ruhiger nebeneinander. Bei den Entwürfenzu Faust gibt es daneben als dritte Lösungsvariante auch eine schematische Anord-nung in bis zu vier übereinander angeordneten Reihen. Die stets frontal gezeichne-ten Figuren sind auch hier vielfach durch ihre Aufstellung oder Armhaltung in Kon-takt. Vor allem die Frauen zeigen bereits eine Tendenz zu Wespentaillen. Bald fallendie anfangs noch geschlossenen Augen gänzlich weg, zur Andeutung von Gesichts-zügen bleibt mitunter noch ein kleiner roter Mund übrig. In die Länge gezogeneArme und Hälse, schlanke Körper und eiförmig wirkende Köpfe ohne Gesichtszügewerden zu typischen Merkmalen. (Parallelen dazu finden sich in Plobergers Bildernaus dem von Bomben zerstörten Berlin, in denen viele Menschen gesichtslos odermit geschlossenen Augen dargestellt sind.)

234 Oberösterreichische Nachrichten, 07. April 1995.235 Georg Wacha, Herbert Ploberger und das Bühnenbild, a. a. O., S. 468.

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In den späteren Entwürfen der fünfziger und sechziger Jahre sind die Haupt-figuren vielfach einzeln, die Nebenfiguren oft paarweise oder in Gruppen darge-stellt. (Manche Blattränder lassen allerdings darauf schließen, daß vermeintliche Ein-zeldarstellungen durch das Zerschneiden ursprünglich größerer Formate entstan-den.) Neben den zumeist elegant reduzierten Körperformen existieren wieder einigerealistischer gezeichnete Figuren, die durch übertriebene Bewegungen und über-lange Extremitäten karikaturhaft wirken; diese Facette seines Talentes bewog bereitsin den zwanziger Jahren einen Kritiker dazu, ihn mit Olaf Gulbransson zu ver-gleichen.

Plobergers Vorliebe für Punkt- und Streumuster ist sowohl bei den Kostü-men als auch bei den Bühnenbildern feststellbar, wo sie sich mitunter auch in Formvon Sternen oder Blüten ausdrückt. Den Gesichtern der Schauspielerinnen schmei-chelte er gerne mit hochstehenden oder besonders breiten Kragenvariationen, aberauch bei den Männerkostümen fallen vielfältig gestaltete Krägen und Halstücherauf. Ploberger war mit seinen Entwürfen gewissermaßen auch eine Art Modeschöp-fer. In einem Interview Ende der vierziger Jahre antwortete er allerdings auf dieFrage, ob er von der Mode komme und daher das rein Malerische für die Qualitätdes Entwurfs nicht so bestimmend sei:

„Im Gegenteil! Ich bin bewußt Maler. Alles, was ich innerlich sehe, muß ichzeichnen und zeigen können. Wenn ich die ganze Handlung, Anfang und Ende,Höhepunkte, den Wechsel von einfachem und reichem Kostüm je nach den Figuren,ihrer Entwicklung und dem Ablauf des Geschehens bedacht habe – dann formt sichin oft tagelanger Arbeit der Einfall auf dem weißen Papier. Die moderne Linie tritt alseine Art Korrektur hinzu. Wenn es Sie interessiert, so komme ich von der sogenann-ten hohen Kunst, habe also im sprichwörtlichen stillen Kämmerlein meine Bildergemalt und auf die Ausstellungen geschickt. Aber heute treibt es ja auch den Künst-ler ins praktischere Leben, es gilt, seine Begabung in den Dienst einer angewandtenKunst zu stellen.“236

Das Resultat seiner Arbeit waren Kostüme, die sowohl in den historischenRahmen der jeweiligen Stücke paßten als auch dem aktuellen zeitmodischen Stil-empfinden entsprachen und zusammen mit der übrigen Ausstattung diegewünschte optisch-ästhetische Gesamtwirkung ergaben. Die Voraussetzungendafür lagen einerseits in seinen künstlerischen und gestalterischen Talenten, anderer-seits in umfassenden kostümgeschichtlichen Recherchen und einem schnittechni-schen Fachwissen, das er sich nebenher angeeignet hatte. Es war für ihn wichtig,schon in einem möglichst frühen Vorbereitungsstadium zu erfahren, wer für diejeweilige Rolle vorgesehen war, denn so konnte er individuelle Besonderheiten inseine Überlegungen einbeziehen und bereits in den ersten Entwurfzeichnungenberücksichtigen. Vorteilhaftes galt es zu betonen, Silhouette- oder Größenprobleme

236 Artur Gläser, Plo. Gespräch mit dem Bühnen- und Filmmaler Herbert Ploberger, vermutlich in: Der Silberspie-gel 1939 oder 1940 (Nachlaß H. Ploberger).

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hingegen wußte er dezent auszugleichen. Plobergers Arbeit endete aber nicht mitdem malerischen Entwurf, denn er trug die Verantwortung für das Endprodukt undarbeitete daher eng mit den leitenden Garderobieren zusammen. Bei den Kostüm-proben war er stets anwesend; er überprüfte dabei nicht nur die Gesamtwirkung,sondern auch alle Details der Kostümstücke und achtete darauf, daß durch even-tuelle Abänderungswünsche sein künstlerisches Konzept nicht beeinträchtigtwurde.

Auch seine Bühnenbilder löste Ploberger mit Fantasie, praktischem Realitätssinnund erstaunlichem technischem Können. Vor der endgültigen Umsetzung seinerIdeen fertigte er manchmal dreidimensionale Modelle an. Die vorliegenden maleri-schen Entwürfe erfassen den gesamten, meist mit einer Rahmung versehenen Büh-nenraum zentralperspektivisch, wodurch der Betrachter die Idealposition desZuschauers im Theater einnimmt. Einige sind mit Figuren illustriert und daher keinebloßen Bühnen-, sondern auch Szenenbilder. Diese meist parallel zur vorderenRampe positionierten Figuren wirken teilweise wie Marionetten. Eine weitere Eigen-art ist ein gewisser Schwung, ja eine Bewegtheit, welche mitunter auch die darge-stellten Dekorationen und Versatzstücke erfaßt und dadurch lebendig wirken läßt.Hier zeigt sich eine Formensprache, die schon in seinem Stilleben Auf dem Tisch, unterdem Tisch von 1925 zu beobachten ist, wo er durch eine leichte perspektivische Ver-zerrung, einige schwungvolle Bordüren und Textilen, die sich in einem ansonstenleblosen Ambiente eigenwillig aufbiegen, partiell eine ähnliche Wirkung erzielt.Nicht umsonst wurde die neue Kunstströmung 1925 von Zeitgenossen auch als„Magischer Realismus“ bezeichnet.

Über die Aufgabe des Bühnenbildners schrieb Ploberger: „Ich glaube, dieKunst des Bühnenbildners hat optisch den Rahmen oder besser noch das Bild einereigenen Welt für den darstellerischen Menschen, den Schauspieler, Sänger, Tänzer,zu bieten. Sie ist eine angewandte Kunst, die den technischen Gesetzen der Bühne,ihren Möglichkeiten, etwa der Beleuchtung oder der Verwandlung, folgend, eineneigenen Kosmos, entweder der realen Welt nahe oder auch ihr weit entrückt, schaf-fen muß. Immer hat sie dem Werk des Autors und den Darstellern zu dienen, dieWirkung beider zu unterstützen und womöglich zu steigern und darf nie Selbst-zweck werden.“237

Mit dieser Einstellung folgte er einem Leitsatz seines Lehrers Cizek, welcherdie stete „Rücksichtnahme auf den dem Kunstganzen untergeordneten Zweck“postuliert hatte.238 Ploberger verhielt sich als sachbezogener „Teamspieler“, der sicham „Gegenstand“ orientierte, womit er ein Leben lang einem Grundprinzip derNeuen Sachlichkeit folgte. Konsequenterweise war ihm der Verbleib seiner Arbeitennicht wichtig, er führte auch kein Werkverzeichnis. Leider ist daher nur ein Bruchteilder Entwürfe erhalten, die Ploberger in vierzig Berufsjahren geschaffen hat (und

237 Justus Schmidt verwendete dieses Zitat in seinem bereits erwähnten Beitrag anläßlich Plobergerssechzigstem Geburtstag im Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1962.

238 Mission statement, um 1915, Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Handschriftensammlung.

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deren Zahl bereits 1956 in einer Bavaria-Presseaussendung auf 14.000 geschätztwurde). Die meisten sind verschollen, andere verschenkte er, manche konnte er viel-leicht verkaufen und nach seinem Tod ging ein kleiner verbliebener Rest an Museenund Galerien. Viele wurden vermutlich in lädiertem Zustand weggeworfen, siewaren ja nicht als Kunstwerke, sondern als Vorentwürfe für die Regisseure bzw. Vor-lagen für die Schneider- und Bühnenwerkstätten konzipiert und daher einer gewis-sen natürlichen Beanspruchung ausgesetzt.

Auch wenn sich in manchen seiner neusachlichen Bilder surrealistische Nuancenerkennen lassen, gehörte Ploberger als bildender Künstler keiner Avantgardeströ-mung an, und er blieb auch als angewandter Künstler seinem gemäßigt modernenStil auf der Basis seines herausragenden malerischen Könnens treu. Die verlorenenWerke aus seinem Berliner Atelier würden zwar helfen, das Spektrum der Ver-gleichsmöglichkeiten zu erweitern, aber eine zeitliche Zäsur zwischen dem neusach-lichen Künstler und dem Theatermaler ist nicht nachvollziehbar, vielmehr ist seinkontinuierliches Interesse für die darstellenden Künste bereits ab 1927 erwiesen. Plo-berger hätte als Porträtmaler, Zeichner, Illustrator oder Karikaturist gleichermaßenKarriere machen können, und er bewahrte sich bis zum Schluß seiner beruflichenLaufbahn die Flexibilität und Vielseitigkeit, die er schon während seiner Ausbildungbewiesen hatte. Die Bezeichnungen, die seine Profession beschreiben sollten, spre-chen für sich; er wurde u. a. als Maler, Theatermaler, akademischer Maler, Film- undBühnenmaler, Filmarchitekt, Filmszenograph, Filmbildner, Bühnenbildner, Kostüm-bildner, Kostümzeichner, Kostümberater, Kostümentwerfer, Künstler, Modekünst-ler, Ausstattungskünstler, Architekt, Meister und Professor bezeichnet.

„Plo“, wie ihn alle nannten, mochte keine offiziellen Premierenfeiern, waraber im privaten Rahmen als blendender Unterhalter beliebt. Mit einigen berühmtenRegisseuren und Schauspielern verband ihn eine lebenslange Freundschaft. BeiFilmarbeiten konnte er wegen seiner vielseitigen Sprachenkenntnisse oft als Dolmet-scher vermitteln, und sein Hotelzimmer wurde mitunter zum Treffpunkt internatio-naler Stars. Aber Plobergers Charakter ließ es nicht zu, daß er sich selbst in den Mit-telpunkt stellte. Seine Witwe weiß von seiner großzügigen Hilfsbereitschaft, die sichtrotz beschränkter Mittel auch auf finanzielle Zuwendungen für Freunde undBekannte erstreckte, zu erzählen. Der Kostümbildner Helmut Holger, welcher ihnbei der Fernseharbeit in den sechziger Jahren kennenlernte, spricht nicht nur mitgrößter Hochachtung über Plobergers künstlerische Qualitäten und seine Genauig-keit, mit der er auf die Umsetzung von Kostümdetails achtete, sondern betont auchseine absolute Verläßlichkeit und insbesondere seine „sympathische Menschlich-keit“, die ihn in den damaligen Fernsehstudios zu einer herausragenden Persönlich-keit machten.239

Der Künstler Herbert Ploberger gewinnt dadurch als Mensch Konturen.Auch die Frage seiner politischen Einstellung ist weitgehend beantwortet; er gehörte

239 Aus einem Gespräch mit Helmut Holger im Herbst 2006.

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als intellektueller Kosmopolit keiner Partei an, seine kritische Distanz zum National-sozialismus scheint gesichert.

Plobergers noch undokumentiertes filmbildnerisches Schaffen, das sich übervierzig Jahre vom Stumm- über den Ton- und Farb- bis zum Fernsehfilm erstreckte,wird derzeit von der Verfasserin im Rahmen einer Dissertation erforscht.

Anhang

Verwendete Abkürzungen

AdR (Archiv der Republik), BB (Bühnenbildentwurf), BmfU (Bundesministerium fürUnterricht und Kunst), BThV (Bundestheaterverwaltung), Fig. (Figurine, Kostüment-wurf), MA (Magistratsabteilung der Stadt Wien), MF (Mikrofilm), o. A. (ohneAngabe), o. D (ohne Datum), ÖBThV (Österreichische Bundestheaterverwaltung),OÖLA (Oberösterreichisches Landesarchiv), OÖLM (Oberösterreichisches Landes-museum), ÖThM (Österreichisches Theatermuseum), WSTLA (Wiener Stadt- undLandesarchiv), WSTLB (Wiener Stadt- und Landesbibliothek, jetzt Wien-Biblio-thek).

Anmerkung

Der Beitrag ist in der alten Rechtschreibung verfaßt, die Zitate wurden in diplomati-scher Umschrift transkribiert. Von Ploberger wörtlich übernommene Bezeichnun-gen seiner Entwürfe sind kursiv und in Anführungszeichen gesetzt.

Die Inszenierungen in chronologischer Reihenfolge

Wien und Salzburg 1933–1934

Florian Geyer. Die Tragödie des BauernkriegesSchauspiel von Gerhart HauptmannPremiere am 15. Februar 1933, Wien, Burgtheater; Regie: Hermann Röbbeling; Büh-nenbild: Clemens Holzmeister; Kostüm: Herbert Ploberger; mit Georg Reimers,Hans Siebert, Reinhold Siegert, Reinhold Häussermann, Karl Burgstaller, PhilippZeska, Karl Eidlitz, Hanns Hitzinger, Fritz Straßni, Paul Hartmann, Franz Herterich,Julius Karsten, Paul Pranger, Hans Baumann, Maria Eis, Franz Höbling, FerdinandOnno, Hans Marr, Viktor Braun, Otto Treßler, Eduard Volters, Wilhelm Heim,Armand Ozory, Walter Huber, Ferdinand Maierhofer, Emmerich Reimers, LudwigHetsey, Kaspar Bach, Hermann Wawra, Wilhelm Schmidt, Julia Janssen, RudolfKleiser, Fritz Blum, Richard Eybner, Karl Friedl, Fritz Müller, Maria Mayer, HelmuthKrauß, Hermann Wawra, Marie Trentin, Lili Karoly, Käthe Meißl.

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GolgothaPassionsspiel von Vinzenz Oskar LudwigPremiere am 15. April 1933, Wien, Renz-Gebäude; Regie: Aurel Nowotny; Bühnen-bild: Clemens Holzmeister; Kostüm: Herbert Ploberger; Musik: Franz Vajda; mitHans Schweikart, Ebba Johannsen, Dagny Servaes, Rudolf Teubler, Friedrich Pistoll,Niko Habel, Peter Lorre, Karl Schostal, Laurenz Corvinus, Erich Wolf, Konrad Stie-ber, Eugen Grünau, Walter Höfermayer, Hans Stilp, Eduard Sekler, Tonio Riedl,Gustav Zillinger, Karl Kyser, Friedrich Kühne, Hans Richter, Albert Paulmann,Robert Miksch, Hugo Riedl, Josef Zetenius, Alexander Marten, Edmund Lorbek,Wilhelm Schich, Eduard Spiess, Hans Winterberg, Franz Schafheitlin, Lilia Skalla,Hans Kurth, Walter Haack, Otto Walchshofer, Hans Danninger, Heinz Altringen,Leopold Iwald, Emil Pfeiffer, Gertrude Klastersky-Kolar, Vally Brenneis, MarieSchell-Noe, Elly Giegl, Hilde Malzer, Trude Wiener, Walter Blenke, Heinz Tauber,Ernst Schlott, Harry Just, Alexander Marten, Stany Marris, Dolf Lindner, ErnstSchlott, Erich Wolf, Laurenz Corvinius, Walter Höfermayer, Hans Weiss, Hans Stilp.

Faust. Der Tragödie 1. TeilSchauspiel von Johann Wolfgang von GoethePremiere am 17. August 1933, Salzburg, Salzburger Festspiele, Felsenreitschule;Regie: Max Reinhardt; Bühnenbild: Clemens Holzmeister; Kostüm: Herbert Plober-ger; Musik: Bernhard Paumgartner; Dirigent: Herbert von Karajan, Karl Hudez;Choreografie: Margarete Wallmann; Orgel: Franz Sauer; mit Luis Rainer, Fred Lie-wehr, Hedwig Pistorius, Raul Lange, Max Pallenberg, Ewald Balser, Franz Pfaudler,Richard Tomaselli, Paula Wessely, Lotte Medelsky, Nora Minor, Harry Horner,Richard Eybner, Karl Norbert, Franz Pfaudler, Frieda Richard, Gerty Klein, TrudePloy, Helene Thimig.

OthelloOper von Giuseppe Verdi (Libretto: Arrigo Boito, übersetzt von Max Kalbeck)Premiere am 15. Dezember 1933, Wien, Staatsoper; Regie: Lothar Wallerstein; Diri-gent: Clemens Krauß; Bühnenbild: Clemens Holzmeister, Robert Kautsky; Kostüm:Herbert Ploberger; mit Franz Völker, Josef Manowarda, Hermann Gallos, Erich Zim-mermann, Franz Markhoff, Viktor Madin, Josef Knapp, Viorica Ursuleac, Enid Szan-tho, Hans Scholtys.

PassionsspielSchauspiel von Karl SchönherrPremiere am 25. März 1934, Wien, Burgtheater; Regie: Hermann Röbbeling; Büh-nenbild: Clemens Holzmeister; Kostüm: Herbert Ploberger; Musik: Franz Salmho-fer; mit Paul Hartmann, Else Wohlgemuth, Hilde Wagener, Lily Karoly, Ewald Bal-ser, Fred Liewehr, Viktor Braun, Otto Hartmann, Erich Wolf, Hans Siebert, RaoulAslan, Eduard Volters, Wilhelm Schmidt, Hermann Wawra, Fred Hennings, JuliusKarsten, Hanns Hitzinger, Karl Friedl, Fritz Blum, Stany Morris, Maria Mayer, FritzStraßni, Helmuth Krauß, Reinhold Siegert, Walter Huber, Rudolf Kleiser, RichardEybner, Tassilo Holik, Armand Ozory, Lotte Medelsky, Käthe Dobbs, H. Czech-Rechtensee, Käthe Lisatz-Schwab, Marga Bernard, Rudolf Kleiser, Albert Paulmann.

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Tiroler WeihnachtsspielSchauspiel von Josef GarberPremiere am 14. Dezember 1934, Wien, Deutsches Volkstheater; Regie: RichardMetzl; Dirigent: Karl Hieß; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Chor: Leo Lehner; mitFritzi Eckener, Trude Pittioni, Maria Schell-Noe, Otto Admandt, Josef Bergauer, FritzBurgstaller, Paul Dättel, Josef Hübner, Charles Jirka, Friedrich Kühne, Emil Lind,Alfred Mahr, Leo Ortner, Georg Siegl, Rudolf Teubler.

Linz 1945–1946

Der gestiefelte KaterKindermärchen nach Tieck, bearbeitet von Franz PühringerPremiere am 28. November 1945, Linz, Kammerspiele des Landestheaters; Regie:Anton Lehmann; Bühnenbild: Herbert Ploberger; mit Arnold Bernauer, Herta Hot-ter, Hubert Mann, Edith Nimführ, Eva Petrus.

Leonce und LenaLustspiel von Georg Büchner, bearbeitet von Franz PühringerPremiere am 19. Dezember 1945, Linz, Städtische Kammerspiele im Rathaus; Regie:Franz Pühringer; Bühnenbild: Herbert Ploberger; mit Veit Relin, Fritz Bramböck,Hubert Mann, Liselotte Schmid(t).

Die ZauberflöteOper von Wolfgang Amadeus Mozart (Libretto: Emanuel Schikaneder)Premiere am 22. Dezember 1945, Linz, Landestheater; Regie: Viktor Pruscha; Diri-gent: Paul Walter; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Chor: Rudolf Schramek; mitPanos Skinas, Jörg Fekesa, Stefan Zajedan, Friedrich Rudolf, Gerhard Patzak, FriedaMüller, Irma Raunig, Mimi Markus, Paula Hagenbüchli, Albine Ehgarten, ElisabethRanic, Maria Moser, Sieglinde Wagner, Kurt Schramek, Herma Costa, Erich Klaus,Albrecht Kornhäusl, Robert Steininger.

Bei KerzenlichtMusikalische Komödie von Robert Katscher und Karl FarkasPremiere am 31. Dezember 1945, Linz, Kammerspiele des Landestheaters; Regie:Gustav Dieffenbacher; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Musikalische Leitung: HansHagen; Choreografie: Hella Nemetz; mit Arnold Bernauer, Herma Costa, RolfDöring, Hubert Mann, Maria Manz, Eveline Meisel, Veit Relin, Adi Wate und einemMännerterzett.

Leuchtfeuer (Thunder Rock)Schauspiel von Robert Ardrey, übersetzt von Frank C. RuddyPremiere am 11. Jänner 1946, Linz, Landestheater; Regie: Heinrich Ortmayr; Büh-nenbild: Herbert Ploberger; mit Heinrich Ortmayr, Ferdinand Lackner, Fritz Neu-mann, Michael Grahn, Hubert Mann, Ludwig Blaha, Anton Lehmann, Richard Feist,Lola Dieffenbacher, Traut Kutscha, Friedl Gollmann.

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Gräfin MarizaOperette von Emmerich Kalman (Libretto: J. Brammer, A. Grünwald)Premiere am 26. Jänner 1946, Linz, Landestheater; Regie: Adi Wate; Bühnenbild:Herbert Ploberger; Dirigent: Theodor Peyrl; Choreografie: Heli Nemetz; mitWanda von Kobierska, Fritz Neumann, Hans Starz, Albrecht Kornhäusl, Inge Stick,Michael Grahn, Lola Penninger, Adi Wate, Beate Doppler, Franz Regner, SieglindeWagner, Inge Wiesinger, Traudl Stick, Liselotte Schneller.

Tanz im ThermidorErnste Komödie von Roland MarwitzPremiere am 02. Februar 1946, Linz, Kammerspiele des Landestheaters; Regie:Gustav Dieffenbacher; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Musik: Hans Hagen; mitLudwig Blaha, Rita Gallos, Ernst Kapusta, Eva Sandor, Hubert Mann, Richard Feist,Anton Lehmann, Arnold Bernauer, Evelyne Meisel, Edith Nimführ.

Der Barbier von SevillaOpera buffa von Gioacchino Rossini (Libretto: Cesare Sterbini nach Beaumarchais)Premiere am 09. Februar 1946, Linz, Landestheater; Regie: Viktor Pruscha; Dirigent:Paul Walter; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Chor: Rudolf Schramek; mit JörgFekesa, Alfons Kral, Hans Schnepf, Frieda Müller, Panos Skinas, Albine Elgarden,Sieglinde Wagner, Ortwin Graber, Kurt Schramek, Robert Steininger, Rudolf Häu-ser, Friedrich Rudolf, Franz Regner.

Hofrat GeigerMusikalisches Lustspiel von Martin Costa (Musik: Hans Lang)Premiere am 28. Februar 1946, Linz, Kammerspiele des Landestheaters; Regie: Lud-wig Blaha; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Musik: Hans Hagen; Choreografie: HeliNemetz; mit Fritz Neumann, Gustav Dieffenbacher, Eva Sandor, Lola Penninger,Eva Petrus, Roswitha Posselt, Trude Fukar, Charlie König, Ludwig Blaha, Helli Lich-ten, Marie Schantl, Käthe Faussek, Elisabeth Sparchala.

Weh dem, der lügt!Lustspiel von Franz GrillparzerPremiere am 02. April 1946, Linz, Landestheater; Regie: Heinrich Ortmay(e)r; Büh-nenbild: Herbert Ploberger; mit Ludwig Blaha, Michael Grahn, Veit(h) Relin, AlfonsKral, Eva Petrus, Ferdinand Lackner, Robert Steininger, Hubert Mann, Gustav Dief-fenbacher, Arnold Bernauer, Rudolf Häuser.

BallettabendPremiere am 12. April 1946, Linz, Landestheater; Choreografie: Hella (Heli) Nemetz;Dirigent: Paul Walter; Bühnenbild: Herbert Ploberger; mit Elfi Beer, Hans Drastyl,Irene Hofferichter, Trude Jakober, Traudl Jerzö, Ursel Kehl, Erich Klaus, CharlieKönig, Bärbel Lorel, Hella Nemetz, Elvira Podgorski, Hans Starz.

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Der fidele BauerOperette von Leo Fall (Libretto: Victor Leon)Premiere am 01. Mai 1946, Linz, Landestheater; Regie: Adi Wate; Dirigent: TheodorPeyrl; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Choreografie: Hella Nemetz; mit FritzNeumann, Erich Klaus, Adi Wate, Albrecht Kornhäusl, Inge Stick, Alois Indra, HansLehnfeld, Hans Lexl, Hilde Novacek, Erika Lexl, Robert Steininger, Toni Apel-Reit-ner, Michael Grahn, Edith Nimführ, Franz Regner, Maria Stahrmühlner.

Jacobowsky und der OberstSchauspiel von Franz WerfelPremiere am 08. Juni 1946, Linz, Landestheater; Regie: Ludwig Blaha; Bühnenbild:Herbert Ploberger; mit Anton Lehmann, Hans Stöckl, Maria Manz, Karl Pammer,Richard Feist, Robert Steininger, Helli Lichten, Isolde Kaspar, Charlie König, LolaPenninger, Elisabeth Sparchala, Edith Nimführ, Eveline Meisel, Ernst Kapusta,Michael Grahn, Fritz Neumann, Arnold Bernauer, Ferdinand Lackner, Hans Lexl,Hans Schnepf, Hermann Schindler, Veit Relin, Ilse Wecke.

Wien 1946–1949

Pedro, Pablo und die GerechtigkeitSchauspiel von E. F. Burian, nach dem Roman von B. Beneschowa, übersetzt von H.Hofrichter und L. OrelPremiere am 25. Oktober 1946, Wien, Kleines Haus des Theaters in der Josefstadt(Studio); Regie: Josef Zechell; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Musik: E. F. Burian;mit Erna Mangold, Gerhard Riedmann, Eva Simmell, Gisa Wurm, Hans Ziegler.

Die ferne Station (Stanzija Dalnaja)Schauspiel von Alexander Afinogenew, übersetzt von Freimut Schwarz und IwanMelkichPremiere am 10. Dezember 1946, Wien, Theater in der Josefstadt; Regie: RudolfSteinböck; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Musik: Peter Wehle; mit Attila Hörbi-ger, Vilma Degischer, Carl Günther, Elisabeth Markus, Aglaja Schmid, GandolfBuschbeck, Karl Kyser, Christian Moeller, Evi Servaes, Josef Zechell, Rudolf Krisma-nek.

EurydikeSchauspiel von Jean Anouilh, übersetzt von Helma FlessaPremiere am 31. Jänner 1947, Wien, Kleines Haus des Theaters in der Josefstadt (Stu-dio); Regie: Franz Pfaudler; Bühnenbild: Herbert Ploberger; mit Leopold Rudolph,Julius Brandt, Grete Zimmer, Dagny Servaes, Fritz Gehlen, Heinz Altmann, HeinrichOrtmayr, Heribert Aichinger, Gertrud Ramlo, Erik Frey, Hans Ziegler, Karl Böhm,Kurt Sowinetz, Peter Sturm, Herta Kravina.

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Figaro lässt sich scheidenKomödie von Ödön von HorvathPremiere am 29. April 1947, Wien, Kleines Haus des Theaters in der Josefstadt (Stu-dio); Regie: Alfred Ibach; Musik: Ludwig Zenk; Bühnenbild: Herbert Ploberger;mit Heribert Aichinger, Maria Andergast, Franz Böheim, Karl Böhm, Julius Brandt,Max Brebeck, Peter Diry, Curt Eilers, Harry Fuß, Fritz Gehlen, Carl Günther, HarryHalm, Klaus Löwitsch, Paul Olmühl, Dagni Servaes, Helly Servi, Fritz Strobl, GisaWurm.

Die Stadt ist voller GeheimnisseSchauspiel von Curt Johannes BraunPremiere am 20. Juni 1947, Wien, Kleines Haus des Theaters in der Josefstadt (Stu-dio); Regie: Rudolf Steinböck; Bühnenbild: Herbert Ploberger; mit Karl Kyser,Hans Ziegler, Heribert Aichinger, Ernst Stankovsky, Harry Fuss, Gertrud Ramlo,Christl Räntz, Aglaja Schmid, Melanie Horeschovsky, Inge Egger, Ludmilla Hell,Erik Frey, Heinrich Ortmayr, Hermann Glaser, Fritz Gehlen, Leopold Rudolf, SusiWitt.

Wie sag ich’s meinen Müttern?Komödie von Andre Birabeau, übersetzt von Ulrich KeynPremiere am 15. Juli 1947, Wien, Theater in der Josefstadt; Regie: Rudolf Steinböck;Bühnenbild: Herbert Ploberger; Kostüme: F. Hedayat; mit Gandolf Buschbeck, CarlGünther, Peter Preses, Michael Grahn, Dagny Servaes, Vilma Degischer, Lotte Lang,Hannelore Schroth, Gertrud Bachmann, Olga Traeger-Matscheko.

Es gibt keine ZufälleLustspiel von Andreas Solt und Stefan BekeffiPremiere am 12. August 1947, Wien, Volkstheater; Regie: Gustav Manker; Bühnen-bild: Herbert Ploberger; Kostüme: Erika Thomasberger; mit Magda Schneider,Benno Smytt, Fritz Schmiedel, Erika Ziha, Alfred Huttig, Ilde Overhoff, Andre Mat-toni, Franz Pokorny, Helene Lauterböck, Susanne Engelhart, Friedrich Links, LucieBittrich, Beatrix Kadla, Laczi Hillinger, Viktor Gschmeidler, Luise Wilmers, HansRadvany, Helene Grof, Wolfgang Gilbert, Fritz Linn, Ursula Lingen, Traudl Thuma,Oscar Willner, Josef Hajny, Walter Kohut, Hella Ferstl, Lina Frank, Hubert Fischl.

Der KreidekreisSpiel nach einer chinesischen Fabel von KlabundPremiere am 17. Februar 1948, Wien, Theater in der Josefstadt; Regie: Alfred Ibach;Musik: Ludwig Zenk; Bühnenbild und Kostüm: Herbert Ploberger; mit AngelikaSalloker, Ludmilla Hell, Leopold Rudolf, Peter Preses, Paul Hubschmid, Hans Zieg-ler, Elisabeth Markus, Josef Zechell, Gustav Waldau, Melanie Horeschovsky, MaxBrebeck, Peter Sturm, Eduard Sekler, Ludwig Blaha, Hermann Glaser, Herbert Alda,Gerhard Riedmann, Walter Winkler.

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Der Alte (Starik)Schauspiel von Maxim Gorki, übersetzt von Xaver SchaffgotschPremiere am 11. März 1949, Wien, Theater in der Josefstadt; Regie: Rudolf Stein-böck; Bühnenbild und Kostüm: Herbert Ploberger; mit Erich Nikowitz, GandolfBuschbeck, Evi Servaes, Gertrud Bechmann, Max Brebeck, Vilma Degischer, PeterPreses, Ernst Stankovski, Alexander Fischer-Marich, Franz Pfaudler, Aglaja Schmid.

Ihr Mann (Son mari)Lustspiel von Paul Geraldy, übersetzt von Berta ZuckerkandlPremiere am 01. April 1949, Wien, Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt;Regie: Franz Pfaudler; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Kostüm: Hill Reihs-Gromes;mit Vilma Degischer, Elisabeth Markus, Helly Servi, Inge Egger, Peter Preses, RobertLindner, Hermann Glaser.

Was Damen gefällt (Bataille de Dames)Lustspiel von Augustin-Eugene Scribe, bearbeitet von Egon Friedell und Hans Sass-mannPremiere am 12. Mai 1949, Wien, Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt;Regie: Peter Preses; Bühnenbild und Kostüm: Herbert Ploberger; mit Christl Räntz,Carl Günther, Aglaja Schmid, Robert Lindner, Peter Gerhard, Oscar Karlweis, JosefZechell, Camillo Koschut, Peter Janisch.

Ein Mann wird gesucht (Liberte provisoire)Komödie von Michel Duran, übersetzt von F. GeigerPremiere am 02. August 1949, Wien, Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt;Regie: Christian Möller; Bühnenbild: Herbert Ploberger; Kostüm: Hill Reihs-Gro-mes und Grete Brenneis; mit Susanne Almassy, Erna Mangold, Gisa Wurm, RobertLindner, Heinrich Ortmayr, Hugo Gottschlich, Ernst Waldbrunn, Peter Gerhard,Hermann Glaser, Heribert Aichinger.

Wer wählt wen? (The Chiltern Hundreds)Komödie von William Douglas Home, übersetzt von Helmut QualtingerPremiere am 05. August 1949, Wien, Theater in der Josefstadt; Regie: Peter Preses;Bühnenbild: Herbert Ploberger; mit Carl Günther, Elisabeth Markus, Kurt Heintel,Susanne Engelhart, Hilde Harvan, Inge Egger, Raoul Alster, Max Brebeck.

Der Arzt am Scheideweg (The Doctor’s Dilemma)Komödie von Bernhard Shaw, übersetzt von Siegfried TrebitschPremiere am 22. September 1949, Wien, Kammerspiele des Theaters in der Josef-stadt; Regie: Leopold Rudolf; Bühnenbild und Kostüm: Herbert Ploberger; mitErnst Deutsch, Hans Ziegler, Carl Günther, Peter Preses, Heribert Aichinger, Chri-stian Möller, Hans Holt, Grete Zimmer, Wolfgang Weiser, Gisa Wurm, Inge Egger,Gerhard Riedmann, Peter Sturm, Rudolf Weitlaner.

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Othello, Der Mohr von VenedigTragödie von William ShakespearePremiere am 06. Oktober 1949, Wien, Neues Theater in der Scala; Regie: FriedrichNeubauer/Günther Haenel; Bühnenbild und Kostüm: Herbert Ploberger; mit JosefKrastel, Hans Jungbauer, Ludwig Blaha, Friedrich Links, Wolfgang Heinz, EmilStöhr, Karl Paryla, Anton Duschek, Erwin Faber, Hortense Raky, Hella Ferstl, UrsulaLingen, Franz Zellhausen, Toni Kramreither, Hans Weniger, Otto Tausig, RudolfRhomberg, Max Straßberg.

Wien und Salzburg 1954–1962

Das Glas Wasser (Le verre d’eau, ou Les effets et les causes)Lustspiel von Augustin-Eugene Scribe, bearbeitet vom Rudolf SteinböckPremiere am 24. Oktober 1954, Wien, Theater in der Josefstadt; Regie: Rudolf Stein-böck; Bühnenbild und Kostüm: Herbert Ploberger; mit Aglaja Schmid, SusanneAlmassy, Erik Frey, Helmuth Lohner, Nicole Heesters, Hermann Glaser, Robert Val-berg.

Der TurmTrauerspiel von Hugo von HofmannsthalPremiere am 13. August 1959, Salzburg, Salzburger Festspiele, Felsenreitschule;Regie: Ernst Lothar; Bühnenbild: Gustav Manker; Kostüm: Herbert Ploberger;Musik: Bernhard Paumgartner; mit Maximilian Schell, Ernst Ginsberg, UllrichHaupt, Ludwig Linkmann, Rudolf Therkatz, Hanns Ernst Jäger, Peter Brogle,Mathias Wieman, Peter Morgenstern, Erich Auer, Eduard Cossovel, HelmutJanatsch, Horst Fitzthum, Karl Blühm, August Herbst, Kurt Sowinetz, Kurt Prade,Johannes Obonya, Wolfgang Hebenstreit, Mario Haindorff, Viktor Braun, HansChristian, Ernst Meister, Richard Tomaselli, Ingo Koblitz, Adrienne Gessner, MarthaWallner.

König Heinrich IV.Schauspiel von William Shakespeare, übersetzt von A. W. von SchlegelPremiere am 18. Februar 1960, Wien, Burgtheater; Regie: Leopold Lindtberg; Büh-nenbild: Teo Otto; Kostüm: Herbert Ploberger; Musik: Hans Totzauer; mit AlbinSkoda, Oskar Werner, Peter Kreuziger, Peter Reimer, Stefan Skodler, Andreas Wolf,Michael Janisch, Heinz Moog, Fred Liewehr, Hanns Obonya, Erich Auer, HeinzWoester, Josef Wichart, Achim Benning, Hannes Schiel, Hermann Schomberg,Alexander Trojan, Josef Krastel, Hugo Gottschlich, Robert Lindner, Peter P. Jost,Günther Haenel, Franz Böheim, Michael Tellering, Otto Kerry, Erich Dörner, PeterNeußer, Wolfgang Reinbacher, Andreas Adams, Wolfgang Gasser, Viktor Braun,Hannes Schiel, Erich Dörner, Herwig Seeböck, Max Willimsky, Gandolf Buschbeck,Friedrich Neubauer, Johannes Schauer, Judith Holzmeister, Erika Pluhar, DagnyServaes, Inge Konradi, Sonja Sutter.

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König Heinrich V.Schauspiel von William Shakespeare, übersetzt von A. W. von SchlegelPremiere am 07. Februar 1961, Wien, Burgtheater; Regie: Leopold Lindtberg; Büh-nenbild: Teo Otto; Kostüm: Herbert Ploberger; Musik: Hans Totzauer; mit AlbinSkoda, Oskar Werner, Veit Relin, Peter Kreuziger, Heinz Woester, Stefan Skodler,Heinz Moog, Manfred Inger, Hannes Schiel, Otto Kerry, Ernst Gegenbauer, JosefKrastel, Hanns Obonya, Josef Meinrad, Peter P. Jost, Kaspar Fischer, Reinhold Sie-gert, Wolfgang Gasser, Hermann Thimig, Hugo Gottschlich, Robert Lindner, PeterBrogle, Max Pfeiler, Wolf Albach-Retty, Alexander Trojan, Wolfgang Stendar, FritzLehmann, Helmuth Janatsch, Karl Blühm, Hintz Fabricius, Franz Zellhausen, Gün-ther Haenel, Rudolf Bary, Herwig Seeböck, Elisabeth Höbarth, Annemarie Düringer,Eva Zilcher, Lily Stepanek.

König Richard III.Schauspiel von William Shakespeare, übersetzt von A. W. von SchlegelPremiere am 08. März 1962, Wien, Burgtheater; Regie: Leopold Lindtberg; Bühnen-bild: Teo Otto; Kostüm: Herbert Ploberger; Musik: Hans Totzauer; mit Fred Lie-wehr, Heinz Ehrenfreund, Manfred Konecny, Kurt Müller-Graf, Heinrich Schweiger,Peter Brogle, Wolfgang Stendar, Josef Krastel, Helmut Janatsch, Hannes Schiel, Ste-fan Skodler, Karl Mittner, Peter Kreuziger, Erich Auer, Heinz Woester, Wolfgang Lit-schauer, Gandolf Buschbeck, Peter P. Jost, Michael Tellering, Otto Kerry, OttoSchmöle, Rudolf Paczak, Franz Zellhausen, Hans Thimig, Günther Haenel, ManfredInger, Erich Dörner, Ernst Gegenbauer, Ernst Princz, Gerald Waldegg, Josef Wichart,Eva Zilcher, Judith Holzmeister, Lieselotte Schreiner, Sonja Sutter, Achim Benning.

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Geistesverwandt über Zeiten und RäumeGertrud Fussenegger zum GeburtstagVon Josef Demmelbauer

Im Herbst 2006 ist ein schmalerBand mit dem seltsamen Titel „WarumDenken traurig macht“ und von zehn(möglichen) Gründen hiefür erschienen.

Sein Verfasser ist der 1929 in Parisgeborene und an der Universität Oxfordlehrende Geisteswissenschaftler GeorgeSteiner. Der Band nimmt seinen Aus-gang von einer Passage aus „Philosophi-sche Untersuchungen über das Wesender menschlichen Freiheit“, die der ro-mantische Naturphilosoph FriedrichWilhelm Schelling (1775–1854) im Jahre1809 veröffentlicht hatte. Mit diesemWerk bewegt sich Schelling erstmals indie mystisch-religiöse Richtung, dieseine späteren Werke kennzeichnet.1 Mitdem Schelling-Zitat von der „allem end-lichen Leben anklebenden Traurig-keit . . ., dem Schleier der Schwermut,der über die ganze Natur ausgebreitetist, der tiefen unzerstörlichen Melancho-lie allen Lebens“ gelangen wir mittenhinein in das Rätsel der menschlichenExistenz, „ihrer Natur und ihres Zweckes– wenn es ihn überhaupt gibt . . . Wirsind einer Antwort auf die Frage, ob derTod endgültig ist oder nicht, ob es Gottgibt oder nicht, keinen Zoll näher ge-kommen als Parmenides oder Platon.Vielleicht sind wir weiter davon entferntals sie.“2

Was ist unser Leben? Ist es ein mittel-alterliches Jammertal, wie es vor allemdie religiöse Dichtung noch Jahrhun-derte nach dieser Epoche beklagt, oder

hat es seinen Eigenwert, freilich einenvon ungewisser kurzer Dauer? Hängt esmit Gott zusammen, wenn es schonnicht von ihm kommt, oder gibt es daüberhaupt keinen Zusammenhang, ent-weder weil es Gott nicht gibt oder, wennes ihn gibt, weil ihn das Gewimmel derunzähligen Menschen im Lauf der Jahr-tausende nicht kümmern kann?

Ein zwingender Beweis lässt sich we-der nach der einen noch nach der ande-ren Richtung führen, eine „allem endli-chen Leben anklebende Traurigkeit“.

Und wie wirkt sich das auf unsereLebensanschauung aus?

Am fasslichsten vermögen diesDichter, prosaischer gesagt, Schriftstel-ler, zum Ausdruck zu bringen, die erzäh-len können. Bei ihnen wird Leben, wirdExistenz anschaulich, während dies den„Sinnvermittlern“, den Philosophen undden Theologen nur selten gelingt.

Lassen wir daher je zwei Dichter zuWort kommen, die teils verwandte, teilsunterschiedliche Sichtweisen vom Lebenhaben.

1 Zu Schelling, der im Tübinger Stift mit seinenLandsleuten Hölderlin und Hegel Freundschaftgeschlossen hatte: Störig, Kleine Weltge-schichte der Philosophie, Bd. 2, S. 117 ff. (Fi-scher-Taschenbuch 6136).

2 George Steiner, Warum Denken traurig macht,S. 74. Dem bei Suhrkamp erschienenen Bandist ein Nachwort von Durs Grünbein beigege-ben.

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„Stoiker“ und „Tragiker“

2006 erschien in New York als der-zeit letztes einer langen Reihe erfolgrei-cher Bücher von Philip Roth (darunteretwa „Der menschliche Makel“) derBand „Everyman“. Der Autor, Jahrgang1933, Amerikaner jüdischer Herkunft,wird ob des Ranges seiner Werke jedesJahr als Favorit für den Nobelpreis fürLiteratur gehandelt. Noch im selben Jahrist der Band in deutscher Übersetzungbei Hanser als „Jedermann“ herausge-kommen. Geht es im Hofmannsthal-schen „Jedermann“ um das Sterben desreichen Mannes mitten aus dem vollenLeben heraus, so geht es bei Roth um diezunehmenden körperlichen Gebrechenim – für heutige Verhältnisse – frühenAlter. „Das Alter ist kein Kampf; das Al-ter ist ein Massaker.“ So springt es ausihm heraus (S. 148), nachdem er mit ei-nem gleichaltrigen krebskranken Freundtelefoniert hat und sich die Banalität undVergeblichkeit seiner aufmunterndenWorte vergegenwärtigt. Die Religion istihm kein Trost, auch seine jüdische nicht.„. . . er nahm Anstoß an allen Religionen,ihr abergläubisches Getue schien ihmsinnlos und kindisch; was er nicht aus-stehen konnte, war ihre komplette Uner-wachsenheit – die Babysprache, dieRechtschaffenheit und die Schafe, dieeifrigen Gläubigen. Mit Hokuspokusüber Tod und Gott und obsoleten Him-melsphantasien hatte er nichts zu schaf-fen. Es gab nur unsere Körper, geboren,um zu leben und zu sterben nach Bedin-gungen, geschaffen von Körpern, die voruns gelebt hatten und gestorbenwaren . . . An dem Tag jedoch, da seinVater neben seiner Mutter auf dem her-untergekommenen Friedhof . . . begra-ben wurde, zählte das, was er glaubte

oder nicht glaubte, gar nichts mehr.“(S. 54)

Da stand er dann am Grab unter sei-nen Verwandten, mit Tochter und ge-schiedener Frau, mit zwei völlig entfrem-deten erwachsenen Söhnen. Sein Vaterhatte beim Rabbiner das traditionelle jü-dische Begräbnisritual bestellt, bei demdie Verwandten selbst das Grab zu-schaufeln müssen. Das dauerte fast eineStunde, bis die Erde die Höhe des Grab-deckels erreichte und ihn dann allmäh-lich bedeckte. „Sein Vater würde nichtnur in einem Sarg liegen, sondern auchunter der Last dieser Erde, und plötzlichsah er den Mund seines Vaters, als sei dagar kein Sarg, als falle die Erde, die sie indas Grab warfen, direkt auf ihn und ver-stopfe ihm Mund, Augen, Nase und Oh-ren . . .“ (S. 61).

Von hier, von der Ostküste der USA,führt der Weg weit weg nach Paris, woHeinrich Heine vor über 150 Jahren,1856, wenig älter als 58 Jahre, gestorbenist. Der große Spötter und „ewige Ruhe-störer“ (M. Reich-Ranicki), von demschon zu seinen Lebzeiten gesagt wurde,er habe keinen Glauben – das war da-mals nicht ungefährlich! –, überhauptkeine durchgängige und verlässlicheÜberzeugung, liegt in seiner „Matrat-zengruft“, sein Ende, ausgelöst von einervenerischen Erkrankung, vor Augen. Inseinem Heine-Essay3 schildert Fritz J.Raddatz den Zustand Heines in den achtJahren der Matratzengruft, während de-rer er nicht einen Schritt gehen konnte,

3 Fischer-Taschenbuch 2216, November 1979,S. 92/93; Original bei Hoffmann und CampeVerlag, Hamburg 1977. Zum 150. Todestag vonHeine ist eine Fülle von Heine-Literatur erschie-nen. Einen Überblick darüber gibt etwa die Wo-chenendbeilage der „Salzburger Nachrichten“vom 11. Februar 2006.

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„wie ein Kind abgemagert, von Pflege-personal getragen und versorgt, diegrauenhaften Schmerzen manchmal we-nigstens zur Erträglichkeit gedämpftdurch Morphium, das in eine am Halsständig offen gehaltene Wunde gestreutwurde“. Dieses Martyrium hätte geeig-net sein können, so fährt Raddatz fort,„zur Einkehr in die Obhut irgendeiner al-leinseligmachenden Kirche. Eben das tatHeine nicht.“ Das belegt Raddatz mitdem folgenden Heine-Zitat:

„Ausdrücklich widersprechen mussich jedoch dem Gerüchte, als hättenmich meine Rückschritte bis zurSchwelle irgendeiner Kirche oder gar inihren Schoß geführt. Nein, meine reli-giösen Überzeugungen und Ansichtensind frei geblieben von jeder Kirchlich-keit; kein Glockenklang hat mich ver-lockt, keine Altarkerze hat mich geblen-det. Ich habe mit keiner Symbolik ge-spielt und meiner Vernunft nicht ganzentsagt.“

Heine mochte jedoch nicht als Athe-ist gelten. Er hatte mit dem „Gott unsererVäter“, den er nicht in seine antikirch-lichen Polemiken einbezogen sehenwollte, Frieden geschlossen. Hier kommtRaddatz in die Nähe von Dolf Sternber-gers Heine-Buch,4 das, so schreibt dieserim Vorwort dazu, zeigen soll, dass dieMeinung, Heine habe keine Glauben ge-habt, irrig sei. Gegen Ende des Buchesgibt Sternberger „die härteste, des Psal-misten würdige Zweifels- und Empö-rungsfrage“ wieder, die Heine in seinemberühmten Lazarus-Gedicht5 ausgesto-ßen hat:

„Warum schleppt sich blutend, elendUnter Kreuzlast der Gerechte,Während glücklich als ein SiegerTrabt auf hohem Roß der Schlechte?“

Ludwig Gumplowicz (1838–1909),6so wie Heine Jude und zwecks besserenFortkommens zum Protestantismus kon-vertiert, Soziologe und Professor fürStaatsrecht in Graz, hielt dazu fest, dass„wir diese Frage des Dichters nur damitbeantworten können, dass die Natur, dieAllschöpferin, sich um solche Lappaliennicht kümmert“.

„Also fragen wir beständig,Bis man uns mit einer HandvollErde endlich stopft die Mäuler –Aber ist das eine Antwort?“

Bei diesen letzten Zeilen ist man zu-nächst an das jüdische Begräbnisritualerinnert. Aber was bei Philip Roth grau-siges Entsetzen des areligiösen Sohneshervorruft: „Ich schaue in dieses Gesicht,seit ich geboren wurde – hört auf, dasGesicht meines Vaters zu begraben!“, dasist bei Heine radikale Glaubensverzweif-lung, angesiedelt im allgemein menschli-chen Bereich: Das Buch Hiob des Alten

4 Heinrich Heine und die Abschaffung derSünde, Claassen Verlag 1972, 408 Seiten. Stern-berger, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre,war Professor für Politische Wissenschaft inHeidelberg, Publizist und Schriftsteller, Autorvielbeachteter Texte, z. B. „Panorama“ oder An-sichten vom 19. Jahrhundert oder der Untersu-chung über Augustinus oder die Eschatologik.

5 Sternberger, 316 f.6 Zum „Sozialdarwinisten“ Gumplowicz: Wil-

liam M. Johnston, Österreichische Kultur- undGeistesgeschichte 1972, deutsch 1974, S. 324 ff.,das Werk ist 2006 bereits in 4., erweiterter Auf-lage erschienen. Gumplowicz, „privat ein hoch-gesinnter Idealist, stets heiter und stets derSorge um seine kranke Frau hingegeben“, be-ging 71-jährig gemeinsam mit seiner invalidenFrau Selbstmord; er wollte dadurch seiner eige-nen Hilflosigkeit und dem zu erwartenden Todwegen Zungenkrebs vorgreifen (Johnston, 323).Zum „Diskurs über den Freitod“ sh. JeanAmery, „Hand an sich legen“ (1976).

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Testaments wird auf vier Zeilen kompri-miert, das Warten auf Antwort in alleEwigkeit ausgedehnt.7 Philip Roths Je-dermann würde, sollte er jemals eineAutobiographie schreiben, sie als „Lebenund Tod eines männlichen Körpers“ beti-teln, Jenseitsbezüge hat er ad acta gelegt,seine Betrachtungsweise zum Leben unddem Zeitpunkt seines unausweichlichenEndes ist – so scheint es – stoische Ge-fasstheit, Heine ist bei allem Spott fürReligion und Kirche offenbar ein ver-zweifelter – tragischer – Gottsucher ge-blieben.

Wir kommen nun in freundlichere,hellere Gefilde.

Lebenspflichten und Lebens-Sinn

In den vergangenen Wochen hatman der Dichterin Gertrud Fusseneggeranlässlich ihres hohen Geburtstageshohe – verdiente – Ehre erwiesen. Auchdiese Zeilen wollen ein Zeichen derHochachtung von Person und Werk derJubilarin sein. Von ihren zahlreichenWerken ist „Zeit des Raben, Zeit derTaube“, eine Romanbiographie über Ma-rie Curie und Leon Bloy,8 wohl am be-deutendsten. Allein die Aneignung undBeherrschung des naturwissenschaftli-chen Stoffes ist schon eine bewunderns-werte Leistung. In ihrem Gesprächsbuchüber ihr Leben und Werk9 kommt sie beider Erklärung ihres Erfasstwerdens vomStoff – der Dichter Bloy steht für eine ra-dikale christliche Mystik, das EhepaarCurie für atheistische Naturwissenschaft– auf Gott als Abgrund zu sprechen, wieihn Bloy in seiner Radikalität verstand:„Dieser Gedanke sprach mich an, er hatmich“ – wie früher so viele, möchte man

ergänzen – „in meiner Jugend geradezuverfolgt, Gott als ,das Unerträgliche‘.Denken Sie an Luther! Das (vielleichtfragwürdige) Verdienst der katholischenKirche ist, ,Gott‘ erträglich gemacht zuhaben und die arme, von metaphysi-schen Qualen gemarterte Seele mitSymbolen und Ritualen zu beruhigen.Das ist das Mediterrane am Katholizis-mus. Die sanfte, aber wohltätige, geseg-nete Korruption. Und ein großes StückWeisheit dazu.“ (S. 117)

Was nun Gertrud Fusseneggers Ein-stellung zur Kirche betrifft, „so habe ich“,schreibt sie auf S. 91/92 des Gesprächs-buches, „ihre Vertreter und Institutionenin meinen Büchern nicht so kritisiert,dass ich ihnen nicht letztendlich rechtgegeben hätte. Sie sind Menschen undmenschlich, das heißt bedingt, aber eher,in der Wahrheit als die, die sich nebenihnen oder gegen sie bewegen . . .“

Ernst Jünger (1895–1998) schrieb sei-nem Bruder Friedrich Georg zu dessen70. Geburtstag, dass anders als für dieWelt des Handelns, der Geschäfte, derPolitik dort, „wo das Denken und dieSprache selbst Objekte werden, also inder geistigen und musischen Welt“, Par-teinahme nichts zu suchen habe. Ausdieser Sicht wird verständlich, dass Ger-trud Fussenegger von sich sagen konnte:„Den Konservativen, den Katholiken warich nicht konservativ und katholisch ge-

7 Sh. dazu die Anm. 68 auf S. 397 bei Sternber-ger.

8 Vgl. Fussenegger, Über das Sinnbildliche imWerk Leon Bloys. In: Echolot, herausgegebenvom Adalbert-Stifter-Institut des Landes Ober-österreich, S. 19 ff.

9 Sh. meine Besprechung in Oö. Hbl., 2005,H. 3/4, S. 268.

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nug; den Nazis nicht nationalsoziali-stisch genug, den Sozialisten nicht sozia-listisch genug.“ (S. 94 des Gesprächsbu-ches)

In einem äußerst bemerkenswertenVortrag zum Thema Lebensentscheidun-gen bekennt sich die Dichterin „zumAufwärts, zur Heilsmöglichkeit, zurHoffnung . . . Lebensglück gedeiht . . . aufdie Dauer nicht abseits von Lebens-Sinn“. Den müssen sich die meisten abererarbeiten.

„Ein heiterer Mensch ist an sich er-freulich – ein Wohltäter par existence.Ich spürte das gestern beim Besuch vonGertrud Fussenegger, fühlte mich gleichwohler danach.“ Das notierte der damals90-jährige Ernst Jünger 1985 in sein Ta-gebuch.10 Diese Heiterkeit ist eine Fruchternster Sinnsuche.

In dem 1983 erschienenen Brief- undTagebuchroman „Sie waren Zeitgenos-sen“, einem ebenso fesselnden wie nach-denklich stimmenden Buch, einem vor-dergründig historischen Roman11 überdie Zeitgenossen Jesu Christi, die vonihm keine Notiz nehmen, schreibt Elja-kim, der Bruder des Hohepriesters Kai-phas, als Gutsbesitzer und Priester derjüdischen Oberschicht zugehörig, skep-tisch und an seiner zur Gewalttätigkeitentartenden Zeit leidend, an den Grie-chen Antisthenes, „Arzt, Privatgelehrterund Dichter, derzeit zu Caesarea“ – die-ser hat auch Zugang zu Pontius Pilatus –in einem Brief:

„Bring mir . . . wieder einige philoso-phische Schriften mit! Auch Gedichte,auch Komödien sind willkommen, alles,was mich bilden, woran ich mich erhei-tern kann, was mich versichert, dass derMensch nicht zum Unglück und für einfinsteres Verhängnis, sondern für dieFreude geboren ist.“ (S. 8/9)

Der Mensch ist nicht zum Unglück,sondern für die Freude geboren, freilichnicht für die „Spaßgesellschaft“!

Das ist die frohe Botschaft, die einstLudwig Hölty (1748–1776) vorgetragenhat. Der so früh verstorbene Dichter,den Älteren wenigstens mit „Üb immerTreu und Redlichkeit“, dem Rat des altenLandmannes an seinen Sohn, bekannt,den Jungen kaum noch, hat sie in denfolgenden vier Zeilen aus seinem Ge-dicht „Lebenspflichten“, wissend um dieEndlichkeit des Lebens, so zum Aus-druck gebracht:

„Ungewisser, kurzer Dau’rIst dies Erdeleben;

Und zur Freude, nicht zur Trau’rUns von Gott gegeben.“

Die „Lebenspflichten“ beginnen so:

„Rosen auf den Weg gestreut,Und des Harms vergessen!

Eine kleine Spanne ZeitWard uns zugemessen.

Heute hüpft im FrühlingstanzNoch der frohe Knabe;

Morgen weht der TotenkranzSchon auf seinem Grabe.

10 Siebzig verweht III, S. 493.11 Im Gesprächsbuch betont die Dichterin, das

Buch „sollte einen paradigmatischen Charakterhaben“. Der Gesprächspartner Rainer Hackelvermeint in ihm einen Bezug auf das DritteReich sehen zu können, „eine erschreckendeFrage“. Nahe liegender scheint mir, in einerHauptfigur, in dem jungen Aristobul, demSohn Eljakims, der dem jüdischen Volk durchrevolutionäre Gewalt – er schließt sich Barab-bas an – eine bessere Zukunft weisen will, einenBezug zu dem RAF-Terror in Deutschland zusehen, der 1977 – einige Jahre vor dem Erschei-nen des Buches – auf seinem Höhepunkt ange-langt war.

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Wonne führt die junge BrautHeute zum Altare;

Eh die Abendwolke taut,Ruht sie auf der Bahre.“

Das Erstaunliche aus Sicht unsererZeit, in der nur von Menschenrechten –freilich meist zu Recht – die Rede ist, istder Titel des Gedichts: Hölty mahnt mitAnmut und einer auch aus anderen Ge-dichten hervorleuchtenden zarten Naivi-tät, das Leben „ungewisser kurzer Dau’r“nicht sich und den Mitmenschen durchHarm und Grillenfang“ zu vergällen;12

für gewisse Bereiche der heutigen Litera-tur hat Gertrud Fussenegger von „mo-disch geschwärztem Elend“, von der„Zerstampfung des Daseins“ gespro-chen.

Ludwig Heinrich Christoph Hölty,ein Jahr vor Goethe in Hannover gebo-ren und dort 1776 gestorben, studierteTheologie in Göttingen, wo er sich mitGottfried August Bürger, dem Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voß undden beiden Grafen Stolberg im Göttin-ger Hainbund zusammenfand. Für seineprofunde Bildung legt die Übersetzungder Werke des englischen Dichters, Poli-tikers und Essayisten Shaftesbury (geb.1671 in London, gest. 1713 in Neapel)Zeugnis ab. Höltys Gedichte erschieneneinige Jahre nach seinem Tod in einerzweibändigen Gesamtausgabe. In die1982 im Insel-Verlag erschienene zwei-bändige Auswahl „Deutsche Gedichte“hat Karl Krolow, selbst ein Lyriker vonRang, sechs Hölty-Gedichte aufgenom-men, Brahms und Schubert haben einigeseiner Gedichte vertont.13

Ernst Jünger hat seine Ansprache an-lässlich des ihm zu seinem 90. Geburts-tag ausgerichteten Festes im NeuenSchloss zu Stuttgart mit der Wiedergabe

der letzten Strophe des Gedichtes „Auf-munterung zur Freude“14 seines „engerenLandsmannes Hölty“ geschlossen:

„O wunderschön ist Gottes Erde,Und wert darauf vergnügt zu sein;

Drum will ich, bis ich Asche werde,Mich dieser schönen Erde freun!“15

Diese Zeilen lassen sich heute auchals Mahnung zu einem verantwortungs-vollen Umgang mit der Natur verstehen.Die eben ins allgemeine Bewusstsein ge-hobene Klimakrise lässt in Europa dieAlarmglocken schrillen, und es findensich Anzeichen, dass auch die USA denErnst der Lage erkennen. Sogar Chinamit seinem schier unstillbaren Energie-bedarf soll bereits ein Gesetz zur Förde-rung alternativer Energie erlassen haben.Der jüngste EU-Gipfel, auf dem die Kli-mafrage im Mittelpunkt stand, lässt hof-fen.

In ihrer Rede anlässlich der Feier ih-res 80. Geburtstages hat Gertrud Fussen-egger, damals wie noch heute unterwegszu neuen Selbsterfahrungen, unsere Ein-

12 Natürlich ist nur undisziplinierte Übellaunig-keit gemeint, nicht die Depression, die alsKrankheit ärzlicher Hilfe bedarf.

13 Sh. Dietrich Fischer-Dieskau, Texte deutscherLieder, dtv 3091, unter Ludwig Heinrich Chri-stoph Hölty, S. 454.

14 Der Gedanke dieser Verse findet sich auch imBuch Kohelet 3, 22: „So sah ich ein, dass es fürden Menschen nichts Besseres gibt, als sich beiseinem Tun zu freuen; denn dies ist seinLohn . . .“

15 Das Wort „vergnügt“ hatte damals die Bedeu-tung „Freude haben“. Barthold Hinrich Brockes,geboren 1680 in Hamburg, dort 1747, also einJahr vor Höltys, zwei Jahre vor Goethes Geburt,gestorben, hatte seinem Werk den Titel „Irdi-sches Vergnügen in Gott“ gegeben. Zu Brockessh. auch Demmelbauer, Die Zeit, die ist ein son-derbares Ding, Oö. Hbl. 2002, H. 3/4, S. 238 ff.(241/242).

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stellung zur Umwelt als „eine Probe all-gemeiner Lernfähigkeit“ bezeichnet:

„Jahrtausendelang hat der Menschdie Natur sorglos vernutzt; binnen zwei,drei Jahrzehnten hat ein Umdenken ein-gesetzt. Noch ist es zu schwach, noch ge-nügt es nicht. Noch muss es in Praxisumgesetzt werden. Dennoch: zwei kurzeJahrzehnte haben schon allerlei verän-dert und einen allgemeinen Grundkon-sens hervorgerufen.“16

Der Dichterin ist die Bewahrung derNatur auch ein persönliches Anliegen.Ihr Mittel, sich dafür einzusetzen, ist dasWort,17 im Fall des Schutzes eines Grün-gürtels in Leonding das Gedicht „Hütetihn wohl!“:„. . .. . .Denn nicht nur der Vogel bedarf desRaumes,seine Schwingen zu regen, Kreise zu zie-hen im Grenzenlosen . . .Auch unser, des Menschen Auge ver-langt es nach HorizontenMorgen- und Abendröten, nie veral-tende Botschaftaus dem Reich der Natur.

Hütet den grünen Gürtel, diesen dürfti-gen Zoll,den wir dem Leben rückzuerstatten ver-sprachen.Hütet ihn wohl!“

Gertrud Fussenegger gehört nicht zuden Befürwortern dessen, was seiner Ra-dikalität wegen mit dem abwertendenBegriff „Öko-Diktatur“ belegt wurde, sieweiß um die Unverzichtbarkeit einervorausberechenbaren Rechtsordnung,„denn die Qualität des Lebens wird nichtnur durch eine lebenswerte Umwelt,sondern auch durch ein humanes politi-sches System bestimmt“.18

„O wunderschön ist Gottes Erde.“

Wir wünschen Gertrud Fusseneggerin ihrer bewundernswerten geistigenKlarheit und Wachheit, sie möge sichnoch lange „dieser schönen Erde freun“,auf der Altersspur des von ihr hochge-schätzten Ernst Jünger, damit wir ihrzum „Hunderter“ neuerlich gratulierenund für ihr großartiges Werk dankenkönnen.

16 In: Facetten ’92, S. 7 ff. (11).17 So bereits: „Mensch und Landschaft und etli-

che Sorgen“, ein Vortrag aus dem Jahre 1977, in:Echolot (FN 8), S. 19 ff.

18 Kloepfer, Vom Umweltrecht zum Umweltstaat?In: Steger (Hg.), Handbuch des Umwelt-managements (1992), S. 44 ff. (63).

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Objekt rechtspolitischer Willkür –Der einmalige Fall des Luxushotels WeinzingerVon Ernst Kollros

Das Hotel Weinzinger kennen heutenur noch ältere Linzer. Der einstige Lu-xusbetrieb an der Donau fiel schon inden Sechzigerjahren des vergangenenJahrhunderts der Spitzhacke zum Opfer.Anstelle des Linzer Vorzeigehotels ragtjetzt der Verwaltungsturm der Generali-Versicherung in den Himmel – städte-baulich nicht unbedingt ein Plus für dieDonaustadt, wenn man die alten Ansich-ten des Brückenkopfbereichs betrachtet.Für Schlagzeilen hatte das Hotel vor al-lem nach dem Zweiten Weltkrieg freilichaus einem ganz anderen Grund gesorgt,doch der Reihe nach . . .

Die Ursprünge des Weinzinger liegenschon in den Vierzigerjahren des 19. Jh.s.Die ruhige Provinzstadt benötigte zudieser Zeit dringend eine angemesseneHerberge für die zahlreichen Reisenden,die mit den damals boomenden Dampf-schiffen in der oberösterreichischen Lan-deshauptstadt Zwischenstation mach-ten. Der umsichtige und wohl auch gutsituierte Linzer Fischhändler Bartholo-mäus Kogler erkannte und nutzte dieseChance. Der schlaue Geschäftsmann er-warb zweckmäßigerweise gleich nebender Schiffsanlegestelle Baugrund undließ den dreistöckigen Gasthof ErzherzogKarl mit 48 feudal ausgestatteten Zim-mern errichten. Die Idee schlug durch,das Tourismusgeschäft entwickelte sichbestens, betuchte Reisende aus allerWelt, unter ihnen Kaiserin Eugenie vonFrankreich, Kaiser Pedro von Brasilienund natürlich auch Mitglieder des öster-

reichischen Kaiserhauses, nächtigten indem immer größer werdenden Hotel ander Donau.

1902 erwarb der Wiener Josef Wein-zinger gemeinsam mit seinem Schwagerdas Haus, das er vollkommen umbauteund 1914, kurz vor Ausbruch des Welt-krieges, eröffnete. Einen derartigen Lu-xus hatte es in der Linzer Hotellerie bisdahin nicht einmal annähernd gegeben.114 Zimmer, alle mit elektrischem Lichtund Zentralheizung ausgestattet, zweiSpeisesäle, ein Lesezimmer und eineüberdachte Terrasse boten den verwöhn-ten Gästen internationalen Standard.Der Zeitpunkt für den Umbau war aller-dings schlecht gewählt, der Erste Welt-krieg dem Geschäft nicht gerade förder-lich.

Nach dem Krieg ging es trotz Plün-derungen und ungünstiger wirtschaftli-cher Rahmenbedingungen erstaunlicher-weise relativ rasch wieder aufwärts. DieNächtigungszahlen entwickelten sich of-fenbar ganz gut, weitere beträchtliche In-vestitionen wurden in der Zwischen-kriegszeit getätigt.

Die Enteignung

Mit der Besetzung Österreichsdurch deutsche Truppen änderte sich fürdie nunmehrigen Eigentümer, die fünfBrüder Weinzinger, alles, jedoch nichtschlagartig von heute auf morgen. An-fangs schienen die Sterne für das Hotel

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Farbansichtskarte des um 1850 errichteten Hotel-Gasthofs „Erzherzog Karl“. Auf der Rückseite fehlennähere Herstellerangaben.

und seine Betreiber im Gegenteil sogargünstig zu stehen.

Adolf Hitler hatte nach dem Ein-marsch am 12. und 13. März 1938 mitungefähr 130 Begleitpersonen im Wein-zinger Quartier genommen und bei die-ser Gelegenheit die Absichtserklärungder Besitzer, das Haus neuerlich entspre-chend umzubauen, nicht nur ausdrück-lich gebilligt, sondern lebhaft befürwor-tet. Im Hotel wurde damals Weltge-schichte geschrieben; der Diktator voll-zog dort den formellen „Anschluss“Österreichs an das „Deutsche Reich“,sprach beim Mittagessen am 13. Märzüber seine weiteren Pläne hinsichtlichder Reichsautobahn und der Ausgestal-tung von Linz u. a. zum Industriezen-trum sowie seinen Wunsch, anstelle der1872 geschaffenen Donaubrücke einebreitere und repräsentativere Brücke, die

Nibelungenbrücke, zu errichten. Wenigspäter interviewte ihn der bekannte briti-sche Journalist Ward Price für die Welt-öffentlichkeit – wirtschaftlich eigentlichsehr positive Auspizien für die Zukunftdes Hotels, in dem Hitler auch bei allenseinen späteren Linz-Aufenthalten ab-stieg und dabei nach dem Bericht einesZeitzeugen1 im zweiten Stock jeweilseine ständige Zimmerflucht für sich be-anspruchte. Nur bei offiziellen Besuchenwar vor dem Hoteleingang die „Leib-standarte“ aufgezogen, denn nicht alleAufenthalte des Diktators sollten offizi-ell bekannt werden – ein Umstand, derim Zusammenhang mit der Hotelge-schichte noch von Bedeutung sein wird.

1 Zerlik, Hitlers Aufenthalt in Linz im März 1938und der „Anschluss“, Hist. Jahrbuch der StadtLinz 1975.

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Schwarz-Weiß-Karte Hotel „Weinzinger“, abgestempelt 1939, ohne nähere Herstellerangaben.

(In unmittelbarer Nähe des Weinzin-ger, im damals neuen FinanzgebäudeOst, hatte sich übrigens der sogenannte„Führerbunker“ befunden, den Hitler beiLuftangriffen aufsuchte, abgesondertvon der übrigen Bevölkerung, zumal dieBewohner der umliegenden Häuser die-sen Bunker desgleichen benützen durf-ten.2 Auch wurde Hitler, der verhinderteArchitekt, während seiner Linz-Aufent-halte des Jahres 1938 manchmal in denfrühen Morgenstunden beim Brücken-kopf der alten Donaubrücke, Pläne fürden Neubau des Tragwerks prüfend undzeichnend, gesehen – teilweise in Beglei-tung von Fachleuten, jedoch ohne Leib-wache.)

Die geschäftlichen Hoffnungen derHoteleigentümer sollten jedenfalls nichtlange währen. Bald nach dem „An-schluss“ erschien im Auftrag von Reichs-leiter Martin Bormann ein gewisser Herr

Färber, seines Zeichens Generaldirektorder „Führer-Hotels“, mit dem herrischvorgetragenen Ansinnen, er wolle dasObjekt kaufen. Als Otto, einer der fünfBesitzerbrüder, dies kategorisch ab-lehnte, reagierte Färber mit der drohen-den Bemerkung, die Weinzingers wür-den diese ihre Haltung „noch be-reuen“. . .

Warum der jähe Sinneswandel desDiktators, weshalb waren die Eigner beiihm so offensichtlich in Ungnade gefal-len?

Antwort auf diese Fragen gibt einSchreiben der Kanzlei Görings vom 13.Februar 1939 an eine Frau Keller in Graz.In dem Papier ist unverblümt davon die

2 Interview mit Zeitzeugen: Mitteilung v. Reg.-Rat Johann Obermeir, der während der Dreißi-ger- bzw. Vierzigerjahre in der Linzer Adler-gasse und damit in unmittelbarer Nachbar-schaft des Hotels Weinzinger gewohnt hatte.

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Rede, dass das Hotel für die kommendeBedeutung der Stadt Linz nicht ausrei-che und daher entfernt werden müsse.Das wahre Motiv versteckt sich aberganz auffällig zwischen den Zeilen: Eswird nämlich auf eine Indiskretion ver-wiesen, durch die sich einer der Weinzin-ger-Brüder Hitlers Zorn zugezogenhatte; er hatte einen inoffiziellen Be-suchstermin des Diktators nicht geheimgehalten. Zwar wird in dem Schreibenausdrücklich betont, dass der beabsich-tigte Abbruch keine Strafmaßnahmedarstelle, doch der tatsächliche Grundfür die Enteignung, zu der es in Kürzekommen sollte, dürfte damit auf derHand liegen. Gegen die HotelbesitzerStimmung gemacht wurde zusätzlich ineinem Brief des Wirtschaftsbeauftragtenfür den Kreis Linz-Stadt an AlbertSpeer; die Brüder Weinzinger werdendarin als notorische „Streithansln“ hin-gestellt, die darüber hinaus in der Bevöl-kerung kein Ansehen genössen, weswe-gen es die NSDAP für unmöglich halte,dass sie das Hotel im Falle seines Aus-baus als „Führer-Hotel“ selbst betreiben.(Ursprünglich war also sehr wohl darangedacht gewesen, das Haus auszu-bauen.)

In der Folge wurden die Weinzingersimmer mehr unter Druck gesetzt. Gau-leiter August Eigruber ließ ausrichten,sie wären „verrückt“, wenn sie die ange-botene Kaufpreissumme von 650.000Reichsmark nicht akzeptierten, und ver-wies in erpresserischer Manier darauf,dass es bei einer Enteignung noch um100.000 RM weniger gäbe. Im Kampf„David gegen Goliath“ hatten die Brüdertrotz hartnäckigen Widerstands mit allden bescheidenen Mitteln, die ihnennoch geblieben waren, vorerst über-haupt keine Chance. Nach fruchtlosen

behördlichen Verhandlungsversuchen,wozu man sogar eine eigene Hotelgesell-schaft m. b. H. gegründet hatte, wurdebei der Landeshauptmannschaft Ober-donau das Enteignungsverfahren einge-leitet und bis 19. Oktober 1939, in einemZeitraum von nur zwei Monaten, durch-gepeitscht. Man verpflichtete die Wein-zingers, die Liegenschaft samt allem Zu-behör der Stadtgemeinde Linz zu über-tragen, als Entschädigung wurden548.592 Reichsmark bestimmt.

Von der weiteren Drohung Eigru-bers, dass sie im Fall eines Gerichtsrekur-ses nochmals um 100.000 RM wenigerbekommen würden, ließen sich die Brü-der nun jedoch erneut nicht einschüch-tern und riefen mutig die letzte Instanz,das Oberlandesgericht Wien an, dasüberraschenderweise die Erhöhung desEntschädigungsbetrags auf 700.000 RMverfügte. Zumindest ein kleiner Erfolgfür die Weinzingers, die mit ihrer De-marche allerhand riskiert hatten; heuteist bekannt, dass z. B. im Zuge von Ent-eignungsverfahren am Obersalzberg wi-derspenstigen Grundbesitzern durchausdas Konzentrationslager Dachau in Aus-sicht gestellt wurde . . .

Natürlich war die Entschädigungs-summe nicht im Wege einer ordentli-chen, regulären Schätzung, sondern un-ter stärkstem Druck auf den Sachver-ständigen, Dipl.-Ing. Josef Prikl ausLinz3, festgesetzt worden und trotz derKorrektur nach oben unverändert viel zugering. So kam der internationale Hotel-

3 Prikl war im Zuge des Entschädigungsverfah-rens an die Gebrüder Weinzinger mit der – un-erfüllbaren – Bitte herangetreten, ihn als Sach-verständigen abzulehnen, da er von der Enteig-nungsbehörde de facto gezwungen werde, einGutachten „wider seinen Eid und gegen seinGewissen“ abzugeben.

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besitzerverband Köln, der als einschlä-gig kompetente Institution zur damali-gen Zeit für mehr als vierzig verschie-dene Länder Gutachten erstellte, in einerdetaillierten Schätzung zu einem Ge-samtwert von sage und schreibe3,580.563 Reichsmark. (Gegen die Be-stellung des von der Stadt Linz beauf-tragten zweiten Sachverständigen, derdas Inventar und die Gesamteinrichtungdes Hotels horrend unter dem Istwertveranschlagte, hatten die Brüder eben-falls, umsonst, Einspruch erhoben.)

Das bekämpfte Enteignungs- bzw.Entschädigungsverfahren (Bescheid desLandeshauptmanns von Oberdonauvom 19. Oktober 1939) wurde vomOberlandesgericht Wien erst am 16. Juni1943 abgeschlossen, das Weinzinger zudiesem Zeitpunkt aber schon längst vomneuen Eigentümer, der Stadt Linz, alsHotel Linzerhof mit beachtlichen Reinge-winnen weitergeführt.

Der Rückstellungsprozess*

Nach Kriegsende traten die BrüderWeinzinger vor die Schranken des Lin-zer Landesgerichts, um von der Stadtge-meinde, die auf der Legitimität der Ent-eignung („aus Gründen städtebaulicherVeränderung“) beharrte, in einem mehr-jährigen Prozess die Rückstellung desHotels zu erkämpfen. Zur Verhandlunggelangte der wohl österreichweit einma-lige, von einem Bundesministerium still-schweigend geduldete Fall, dass ein 1939unter Missbrauch der Gesetze entzoge-nes Vermögen auch 1947 noch von einerauf „Befehl des Führers“ gegründetenGesellschaft verwaltet wurde und dass indiesem Unternehmen nach wie vor jenerDirektor amtierte, der 1940 durchReichsleiter Bormann bzw. Gauleiter Ei-gruber eingesetzt worden war.

Der von den Brüdern schließlich be-auftragte Wiener Rechtsanwalt Dr. Mi-chael Stern spielte in dem Prozess sou-verän und wirksam seine Trumpfkartenaus, obwohl sich die Stadt mit allen juri-dischen Mitteln gegen die Rückstellungdes lukrativen Hotelbetriebs zur Wehrsetzte und dabei auch vor persönlichenUntergriffen nicht zurückscheute. Zu gu-ter Letzt, in der Verhandlung vom 8. Juli1948, gab die Rückstellungskommissiondem Antrag der Weinzingers statt, er-klärte das Enteignungserkenntnis desGauleiters von Oberdonau für nichtigund die Stadt Linz für schuldig, den An-tragstellern das Hotel gegen Bezahlungvon 700.000 Schilling (dem Äquivalentder seinerzeitigen Entschädigungs-summe) sofort zurückzugeben Die An-waltskosten waren beträchtlich. Dr.Stern stellte den für die damalige Zeitriesigen Betrag von 32.550 S in Rech-nung – allerdings bei einem Streit-wert von immerhin fast 3,8 MillionenSchilling.

Der erstinstanzliche Entscheidwurde von der Obersten Rückstellungs-kommission beim Obersten Gerichtshofam 26. März 1949 bestätigt, womit dasinsgesamt vierjährige Verfahren endgül-tig abgeschlossen war und die BrüderWeinzinger ihr Eigentumsrecht, nachinsgesamt neun Jahren, wieder im vollenUmfang ausüben konnten.

Nachdem das Hotel zehn Jahre hin-durch den US-Besatzungstruppen alsHauptquartier gedient hatte, stand es seitderen Abzug leer, bis der mächtige Bauan der Unteren Donaulände dann in denSechzigern für immer aus dem LinzerStadtbild verschwand.

* Quelle: Rückstellungsakte Hotel Weinzinger,Oö. Landesarchiv, Linz.

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Rückstellungsantrag Dr. Michael Sterns, 19. Februar 1948.

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Das Erkenntnis der Rückstellungskommission (Landesgericht Linz) vom Juli 1948.

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Kinderspruch und KinderliedZur Überlieferung in Oberösterreich und Salzburg*

Von Klaus Petermayr

Um Überlieferung zu dokumentie-ren, bedarf es ihrer Aufzeichnung. Übereinen bestimmten Zeitraum hinweg undauf eine bestimmte Region bezogen,können Aufzeichnungen aber nie voll-ständig sein. Sie werden und wurden le-diglich punktuell durchgeführt. Das da-bei entstehende Bild gibt nur annähernddie tatsächliche Situation wieder, und soliegt es beim Auswerter, diese Informa-tionen zu relativieren und brauchbareSchlüsse daraus zu ziehen.

Schon der Zusatz zum Titel „ZurÜberlieferung in Oberösterreich undSalzburg“ enthält eine geografisch einge-schränkte Komponente. Ziel nachfolgen-der Überlegungen soll und kann es abernicht sein, einen lokalen Typus der Lie-der festzulegen, denn dies ist ganz undgar unmöglich – vor allem aus musikali-scher und rhythmischer Sicht. Kinderlie-der, die allen Völkern und Kulturen ei-gen sind, lassen auch in den unterschied-lichsten geografischen Räumen ähnlicheStrukturen erkennen, die einzig mentali-täts- und sprachbedingt besondere Cha-rakteristika hervorbringen, wie schonWolfgang Suppan feststellte.1 So sind esauch in Österreich primär Dialekt undregionales Umfeld, welche, wie nochdarzulegen sein wird, die Eigenheitender Lieder prägen. Folgender Text sollvielmehr anhand von Sammlungen undeinzelnen Beispielen daraus zeigen, wiesich Erwachsene im Laufe der Zeit mitden musikalischen Ausdrucksformender Kinder auseinandergesetzt haben

und wie sich der aktuelle Stand präsen-tiert. Freilich kann hier nur ein ersterÜberblick geboten werden.

Die Beschäftigung von Wissen-schaftlern und Sammlern mit den Lie-dern der Kinder ist noch relativ jung. Siedürfte ihren Ausgang bei Achim von Ar-nims und Clemens Brentanos Werk „DesKnaben Wunderhorn“ 1806 genommenhaben,2 in dessen Anhang derartige Ge-sänge wiedergegeben sind. Schon dortkönnen zwei grundlegende Erschei-nungsformen unterschieden werden:

1. Das Kinderlied. Dieses wurde in derRegel von Erwachsenen erdacht. Dasheißt: Es wurde von ihnen „kindge-recht“ vorgetragen bzw. zum Vortragdurch Kinder bestimmt. Als Beispielmöge etwa das Wiegenlied gelten.

2. Der Kinderspruch oder -reim. Dieserist meist eine Schöpfung der Kinderselbst und entstand oft durch Impro-visation. So etwa diverse Auszähl-reime.

* Erweiterte Fassung eines beim Symposium derAGACH „Forschung und Praxis des Kinderlie-des im Alpenraum“ im November 2004 in Tri-ent gehaltenen Vortrags.

1 Suppan, Wolfgang: Volkslied. Seine Sammlungund Erforschung. (Sammlung Metzler. Realienzur Literatur, Band 52), Stuttgart2 1978, S. 32 ff.

2 Achim, Arnim von/Brentano, Clemens: DesKnaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder,3 Bde., Heidelberg und Frankfurt 1806 f.. DerAnhang mit den Kinderliedern erschien 1808 inHeidelberg.

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„Schüler ’s ist Frühling“ aus Zell am Pettenfirst (Sonnleithner-Sammlung der Gesellschaft der MusikfreundeWien).

Vor dem 19. Jahrhundert lassen sich inÖsterreich kaum Hinweise zu Kinderlie-dern finden. Einzige Ausnahmen bildendie Wiegenlieder. Freilich sind darunterkeineswegs so populäre Kunstlieder zuverstehen, wie sie später durch WolfgangAmadeus Mozart, Franz Schubert, Jo-hannes Brahms u. a. auf uns gekommensind. Vielmehr sind es Kleinformen, an-gewandt im häuslichen Bereich, um Kin-der durch sich ständig wiederholendePhrasen zum Schlafen zu animieren.3

Erste bewusste Aufzeichnungen fin-den sich bei Ziska und Schottky in derenBand „Österreichische Volkslieder“ von1819.4 In der sogenannten Sonnleithner-

Sammlung der Gesellschaft der Musik-freunde in Wien, im selben Jahr durch-geführt, sind lediglich fünf Belege nach-weisbar. Sie stammen aus Zell am Pet-tenfirst und Frankenmarkt im Hausruck-viertel:

– Schüler ‘s ist Frühling (Zell a. P.; FaszikelOberösterreich, XI. Heft/9 l).

3 Vgl. dazu auch das Kapitel „Kinderlied – Kin-derreim“ in: Deutsch, Walter/Haid, Gerlinde/Zeman, Herbert: Das Volkslied in Österreich.Ein gattungsgeschichtliches Handbuch, Wien1993, S. 145 ff.

4 Ziska, Franz/Schottky, Julius Max: Österreichi-sche Volkslieder mit ihren Singweisen, Pesth1819.

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Titelbild der „Salzburger Volkslieder“ von V. M. Süß (1865).

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– Reitzend ist der Lenz und schön (Zell a. P.;Faszikel Oberösterreich, XI. Heft/9 m).

– Wenn das Herz voll Angst und Leid (Fran-kenmarkt; Faszikel Oberösterreich,XI. Heft/8, 13).

– Freut euch der Schule (Frankenmarkt; Fas-zikel Oberösterreich, XI. Heft/8, 14).

– So oft sich fängt die Schule an (Franken-markt; Faszikel Oberösterreich, XI.Heft/8, 15).

Hierbei handelt es sich um Schullie-der, die zwar kindgerechten Charakterhaben, aber ausschließlich pädagogischeZwecke erfüllten. Auch ihre Begleitung –eine vom Lehrer auszuführende Klavier-stimme – deutet auf diesen Zweck hin.Die genannten Gesänge stellen – mitAusnahme von „Wenn das Herz voll Angstund Leid“ – Abschriften aus von GeorgKrämer (1771–1835) zumeist in Salzburgpublizierten Schriften dar, zu denen Phi-lipp Schmelz (1770–1804) die Melodienlieferte.5

Einer der frühesten Sammler vonKinderliedern und Kindersprüchenwar der Salzburger Vinzenz Maria Süß.In seinem Band „Salzburger Volkslieder“von 1865 bringt er hundert Nummernzum Thema, jedoch ohne Melodien bzw.Noten.6 In der nahezu zeitgleichfür Oberösterreich entstandenen Kol-lektion des Anton Ritter von Spaunblieben solche Lieder jedoch unberück-sichtigt.7

Eindeutiges Vorbild der SüßschenKinderliedersammlung dürfte einerseitsder Anhang des „Knaben Wunderhorn“,vor allem aber die Publikation „Österrei-chische Volkslieder“ von Ziska undSchottky gewesen sein. Seine Beweg-gründe, eine derartige Sammlung zu er-stellen, hielt der Autor im Vorwort fest.

In damals üblicher blumiger Wortwahlschreibt er:

Unsere Überlieferungen eröffnen wir mitden der zarten Jugend, der Kindlichkeit geweih-ten Liedern, mit den sogenannten Wiegen- oderKlein-Kinder-Liedern, denn gerade diese erwe-cken oft bei den Kleinen schon Liebe und Sinnfür Lied und Gesang. Was Großmütterchenund die liebende Mutter an der Wiege und inder Kinderstube sprach und sang, wird nichtvergessen. Jetzt ist es vielleicht auch hierin an-ders geworden – Sammeln wir daher diese kind-lichen unschuldigen Lieder, die oft manchesThränchen der Kleinen trockneten, sie ein-schlummerten oder sie sonst vergnügten, in soweit es noch möglich ist, als Beleg gemüthlicherErziehung und Kinderpflege in der Vergangen-heit.8

Süß sah demnach primär den päda-gogischen Aspekt der Lieder. Auf Reimeund Sprüche – die ebenfalls Aufnahmein die Sammlung fanden – kommt er

5 Krämer, Georg: Neues Schulgesangbuch fürdie niederen Stadt-, Land- und Feyertagsschu-len, Salzburg 1800; Schmelz, Philipp: Melodienzu Herrn Georg Krämers neuen Schulgesängen,Salzburg 1800; Krämer Georg: Schul undChristen Lehr Gesänge über alle wichtigenDinge und Umstände, die man für die Schul-und Christen Lehr Gesang benützt wünschenmag, München 1810; vgl. dazu: Petermayr,Klaus: Lieder und Tänze um 1800 im Hausruck-viertel aus der Sonnleithner-Sammlung der Ge-sellschaft der Musikfreunde in Wien (CorpusMusicae Popularis Austriacae 18), Wien 2006,S. 159 ff., 190 ff.

6 Süß, Vinzent Maria: Salzburger Volkslieder mitihren Singweisen, Salzburg 1865. Obwohl imTitel angekündigt, werden nur zu einem Bruch-teil der Lieder Melodien mitgeteilt.

7 Spaun, Anton Ritter von: OesterreichischeVolksweisen in einer Auswahl von Liedern, Al-pen-Melodien und Tänzen, Wien 1845.

8 Süß, Anm. 4, S. VII–VIII.

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nicht zu sprechen. Gerade diese sind esaber, die als selbstständige Produkte derKinder ungleich größeres Interesse er-wecken. Drei Beispiele mögen die unter-schiedlichen Formen innerhalb der Süß-schen Sammlung verdeutlichen. Zuerstein sicherlich durch Improvisation ent-standener Kinderspruch:

Ringa ringa reia,D’ Fischerl sand en Weia;Steig’n auf an Åpflbamm,Måchan då an Burzlbamm.(Süß Nr. 2)

Der nächste Spruch wurde dem Textzufolge von einem Elternteil improvisiertund sollte dem Kind als „Wiegenlied“dienen:

Heia popeia mein Kloans,Auf’s Jåhr kriag’n mar a wiedar oans.Hei popeia und schlåf nu kråd zua,Schlåf nu kråd furt bis auf moring a da Fruah!(Süß Nr. 8)

Letztlich sei ein Reim oder Lied – Ge-naueres ist nicht mehr feststellbar – an-geführt, worin besondere regionale Ei-genarten, in Form von angedeutetenÖrtlichkeiten, hervortreten. KindlicheZüge sind hier nur bedingt erkennbar,was auf eine Autorschaft von Erwachse-nen oder zumindest Jugendlichen schlie-ßen ließe. Denkbar ist auch eine vorgese-hene Wiedergabe in Dialogform, wobeidie Antwort auf die jeweils zuvor ge-stellte Frage dem Kind zugedacht wäre:

Es fuhren drei Doggen durchs Thor,Die erste Wilhelmine,Die zweite Karoline,Die dritte Klementine.Wer will sie taufen?Der Pfarrer von Laufen.

Wer will sie heben?Die Wirthin in der Eben.Wer will die Windel waschen?Der Bauer in der Pumpertaschen.(Süß Nr. 38)

Süß’ Sammlung bildete lange Zeiteine singuläre Erscheinung. Kinderliederund -sprüche wurden in den nächstenJahrzehnten kaum beachtet und in denHintergrund gedrängt. Es fehlte aberauch die richtige Plattform für deren Pu-blikation. Erst das Erscheinen von JosefPommers Zeitschrift „Das deutscheVolkslied“ (1899) ermöglichte eine sol-che.9 Diese bot nun auch Raum für deneinzelnen Abdruck solcher musikali-schen Klein- und Kleinstformen. Geradeaus Oberösterreich findet sich hierineine flächendeckende Menge an Einsen-dungen. Vergleicht man dabei diejenigenaus dem Salzkammergut mit denen desMühl- oder Traunviertels, muss einmalmehr festgestellt werden, dass es sich imGrunde um stets dieselben Formen undMuster handelt, einzig die Färbung desDialekts lässt regionale Unterschiede er-kennen. Parallelen in Reim und Spruchfinden sich etwa zwischen den Aufzeich-nungen Hans Friedels aus Putzleinsdorfim Mühlviertel und jenen der schon ge-nannten Salzburger Sammlung vonSüß. Auch hierzu zwei Beispiele:Oans, zwoa, drei,Pika, poka nei,Pika, poka Pfånnenstiel,Steht a Mandl auf da Mühl,Håt a ströbers [strohernes] Hüatl af,Steht a 32er draf.(Putzleinsdorf, Mühlviertel)

9 „Das deutsche Volkslied. Zeitschrift für seineKenntnis und Pflege“, Wien 1899 ff. Bis 1945 er-schienen 47 Jahrgänge.

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„Russenreim“, aufgezeichnet von O. Eberhard. Aus dem „Deutschen Volkslied“ 17 (1915).

Oans, zwoa, drei,Pigga, pågga beiPigga, pågga Bes’nstülSitzt a Mandl auf da Mühl,Håt a staubögs Hiatl auf,Um ad um voll Fedan drauf.(Süß Nr. 1)

Hot, mei Schimmerl, hot, mei Braun,Moring wird ’s zum Håbernbau’n.Wånn mei’n Schimmel nimmer will,Nehma mar in Peitschenstiel.(Putzleinsdorf, Mühlviertel,„Das deutsche Volkslied“ 14/1912, S. 49)

Hott, mein Braun, hott, mein Braun,Moring theama Håban baun,Moring theama Heu einfüåhrn,Daß dö Roß wås z’ ess’n kriag’n.(Süß Nr. 29)

Leider blieben die meisten der Ein-sendungen in Pommers Zeitschrift un-kommentiert, d. h., sie haben rein be-wahrenden Charakter und verzichtenauf eine Auswertung des Gesammelten.So auch jene des einzigen SalzburgerEinsenders dieser Zeit: Otto Eberhard.10

Interessant ist ein von ihm in der StadtSalzburg aufgezeichneter „Russen-Reim“, ein historisch-politischer Kinder-spruch.11

Emily Gerstner-Hirzel spricht in die-sem Zusammenhang vom Kinderreim inder Volksüberlieferung Erwachsener.12

Das Besondere dabei ist, dass Reime mithistorischem Bezug eine ungefähre Da-tierung erlauben. In diesem Fall dürftenwohl die napoleonischen Kriege (frühes19. Jahrhundert) bzw. unmittelbar darananknüpfende Erinnerungen zur Entste-hung geführt haben.13

Doch nicht nur im „DeutschenVolkslied“ fanden in dieser Zeit der in-tensiven Sammlung Kinderlieder Auf-nahme. Vor allem in Oberösterreich er-möglichte die große Breite an heimat-und regionalkundlichen Medien ein-schlägige Publikationen. So veröffent-lichten etwa Albert Binna und Hans Ze-hetner Kinderlieder und -reime aus

10 Vgl. auch: Petermayr, Klaus: Otto Eberhard – einbedeutender Salzburger Volksliedsammler. Zur hundert-fünfundzwanzigsten Wiederkehr seines Geburtstages,in: Salzburger Volkskultur 24 (2000), Heft 2,S. 129–132.

11 Vgl.: Das Deutsche Volkslied 17 (1915), S. 98.12 Gerstner-Hirzel, Emily: Das Kinderlied, in: Hand-

buch des Volksliedes. Band I: Die Gattungendes Volksliedes, hg. von Rolf Wilhelm Bred-nich, Lutz Röhrich und Wolfgang Suppan,München 1973, S. 923–968.

13 Nach dem Scheitern Napoleons in Russland(1812) war Danzig von der russischen Armeebis 1814 besetzt.

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Burgkirchen bzw. Ranshofen in der„Braunauer Heimatkunde“.14

Für Oberösterreich und Salzburggleichermaßen von Bedeutung war ErnstJungwirth, der an der Grenze von Flach-gau und Innviertel seine Erhebungendurchführte und als Erster auch Kinder-spiele mit aufnahm. Seine handschriftli-chen Sammlungen befinden sich heuteim Oberösterreichischen Volkslied-archiv.15 Eine größere Anzahl an Kinder-und Auszählreimen veröffentlichte Jung-wirth in Pommers Zeitschrift.16

Als wichtigster Kollektor der Zeitgalt aber Hans Commenda, der Mitbe-gründer des OberösterreichischenVolksliedwerkes.17 Er war einer der Ers-ten, die auch die Melodien zu den Lie-dern und Sprüchen aufzeichneten. So istes ihm zu verdanken, dass aus seinemimmensen Sammelmaterial vollständigeGesänge erhalten sind, die auch überOberösterreich hinaus Bedeutung besit-zen. Eine Gegenüberstellung mit derSammlung von Süß scheint hier wiederangebracht:

Rupfas Gårn, hawas Gårn,D’ Wewa san narrisch wordn,Sand über Dana gfåhrn,Håmt an Strähn Gårn verlorn.D’ Schiffer håmt nåchi gfischt,Håmt an Strähn Gårn dawischt,Des is a Gschicht, [Zusatz]Wann ma ’s Hefal bricht,Wånn ma ’s nimma måchn kånn,Rennt ma da davon.(Aufgezeichnet nach der Überlieferungvon Töpfer Michl in Julbach durch HansCommenda)

Im Vergleich dazu, wieder regionalabgeändert, ein Lied aus der Sammlungvon Süß:

Rupfas Gårn, harbas Gårn,D’ Wöba sand narösch worn,Sand auf da Sålza g’fåhrn,Håbmt an Strehn Gårn valorn;D’ Fischa håmd nåchö g’fischt,Håbmt an S an Strehn Gårn dawischt.(Süß Nr. 86)

Erst dank Commendas Aufzeich-nung ist erkennbar, dass es sich bei die-sem altbekannten Gesang um ein Wie-gen- bzw. Kinderlied handelt. Zugleicherhellt, dass nicht nur Text- und Melo-dieform gattungsbestimmende Auswir-kungen erlangen, sondern auch solcheGesänge als „Kinderlieder“ zu bezeich-nen sind, die von ebendiesen vorgetra-gen werden.

Für die Zeit des beginnenden 20.Jahrhunderts kann zusammenfassendfestgestellt werden, dass das primäre In-teresse von Forschern und Sammlernbeim Kinderspruch und nicht wie davorbeim Kinderlied lag. Das heißt, den ei-gentlichen Schöpfungen der Kinder gabman zunehmend den Vorzug.

14 Binna, Albert: Kinderlieder und Reime aus Burgkir-chen, in: Braunauer Heimatkunde 13 (1920),S. 111–112; Zehetner, Hans: Kinderlieder undReime aus Ranshofen, in: Braunauer Heimatkunde12 (1919), S. 53–55.

15 Vgl.: Petermayr, Klaus: Ernst Jungwirth (1886–1955). Leben und volksmusikalische Sammlungen, in:Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes49 (2000), S. 131–138.

16 Das deutsche Volkslied 13 (1911), S. 176; 16(1914), S. 73 ff., 216; 19 (1917), S. 11; 22 (1920),S. 65 ff.; 23 (1921), S. 1 ff.

17 Zu Commenda gibt es eine ganze Reihe an bio-grafischen Darstellungen. Die brauchbarste vonallen sei hier stellvertretend angeführt: Fochler,Rudolf: Hans Commenda (1889–1971). „Mich inter-essieren mehr die Menschen“, in: Oberösterreicher 7(1991), S. 63-86.

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Commendas Aufzeichnung des Liedes „Rupfas Gårn“. OÖVLW XI/1, Nr. 21.

Zur Zeit des Nationalsozialismuskam die Beschäftigung mit dem Themabeinahe gänzlich zum Erliegen. In denVordergrund rückte nun vor allem dieAuseinandersetzung mit Liedern für Ju-gendliche, die aber in erster Linie Partei-und Propagandazwecken dienten. In die-sem Zusammenhang sei etwa auf denBand „Wir sind ja die lustigen Pfeiferl-buam“ von Cesar Bresgen verwiesen.18

Auch in Oberösterreich erschienen Lied-und Instrumentalmusikhefte für natio-nalsozialistische Zwecke – jedoch allge-mein und nicht explizit für Kinder bzw.Jugendliche ausgerichtet.19

Neben einzelnen Aufzeichnungendurch Commenda und Kampmüller20 –auf den weiter unten noch näher einge-gangen wird – tat sich in der Kinderlied-und -spruchforschung nach 1950 nichtübermäßig viel. Erst 1980 führten Wis-senschaftler im Auftrag des Salzburger

18 Bresgen, Cesar: „Wir sind ja die lustigen Pfei-ferlbuam“. Musikblätter der Hitlerjugend, Nr.105/106, Berlin – Wolfenbüttel o. J.; Zu Bres-gens Verhältnis zum Nationalsozialismus vgl.:Nußbaumer, Thomas: Cesar Bresgen: Komponistim Dritten Reich, in: Hochradner, Thomas/Nuß-baumer, Thomas (Hg.): Cesar Bresgen. Kompo-nist und Musikpädagoge im Spannungsfelddes 20. Jahrhunderts. (Wort und Musik. Salz-burger Akademische Beiträge 59), Salzburg2005.

19 Zur Volkskultur in Oberösterreich während derNS-Zeit vgl.: Gaigg, Gerhard/Jalkotzy, Alexan-der: Volkskultur und Festkultur in Oberdonau, in:Reichsgau Oberdonau – Aspekte 1. (Oberöster-reich in der Zeit des Nationalsozialismus 2) ,hg. vom Oberösterreichischen Landesarchiv,Linz 2004, S. 253–324.

20 Kampmüller, Otto: Oberösterreichische Wiegenlie-der, in: Oberösterreichische Heimatblätter 30(1976), S. 173–190; Pflanzen und Tiere in oberöster-reichischen Kinderreimen, -liedern und -spielen, in:Oberösterreichische Heimatblätter 31 (1977),S. 111–143; Spott in oberösterreichischen Kinderrei-men und -liedern, in: Oberösterreichische Heimat-blätter 33 (1979), S. 63–93.

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Kikerikiki“ – eine der vielen Publikationen mit Kinderliedern des Oberösterreichischen Volksliedwerkes.

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Volksliedwerkes eine groß angelegteFeldforschung im Flachgau durch, in de-ren Rahmen auch der aktuelle Stand vonKinderliedern und Kindersprüchen do-kumentiert wurde. Als Gewährsperso-nen dienten sowohl ältere Menschen alsauch Schulkinder. Die Ergebnisse fielenunterschiedlich aus, doch konnte allge-mein festgestellt werden, dass bei denÄlteren noch ein reicher Erinnerungs-schatz an Liedern und Sprüchen vorhan-den war, bei den Kindern hingegen vieleGattungen ganz verschwunden bzw. nurwenig fantasievolle Formen in Gebrauchwaren.21 Die zeitlose Verwendung man-cher Sprüche wird im Vergleich mit denvon Jungwirth gesammelten Materialiendeutlich.22

Mit dem Kinderlied bzw. dem Kin-derspruch verwandt ist das Kinderspiel,in dessen Ausübung diese oft integriertwaren. In Oberösterreich setzte sichschon 1914 Richard Heller mit Kinderlie-dern und Spielen aus Hallstatt auseinan-der,23 dem später Hans Commenda miteiner Abhandlung über das Spielgut derLinzer Kinder folgte.24 Aber erst OttoKampmüller gelang es in seinen Arbei-ten, die Kinderspiele wieder einigerma-ßen ins Bewusstsein der Allgemeinheitzurückzurufen. Sein 1965 in Linz er-schienener Band „OberösterreichischeKinderspiele“ gibt Zeugnis von des Au-tors intensiver Beschäftigung mit demThema.25 Das Werk ist schon deshalbvon Bedeutung, weil Kampmüller mitden Schulen aller Bezirke kooperierte.So gelang ihm, neben umfangreichenEingängen, auch eine flächendeckendeErfassung des Materials, das er erstmalsin seiner ganzen Breite klassifizierenkonnte. Der im Jahr 2000 verstorbeneAutor beschäftigte sich bis an sein Le-

bensende mit den unterschiedlichstenErscheinungsformen von Kinderliedern,seine Erfahrungen wurden vorwiegendin den Oberösterreichischen Heimat-blättern publiziert.26

Einen ebenso wichtigen Stellenwertnimmt die Gattung der Kindertänze ein,da auch sie großteils auf dem Einsatzvon Liedern beruhen. Darauf kann indiesem Rahmen nicht näher eingegan-gen werden. Verwiesen sei allerdings aufeine aktuelle Diplomarbeit, die diesemThema breiten Raum beimisst.27

Eine „Renaissance“?

Auch wenn Kinderlieder ihre ur-sprüngliche Bestimmung fast gänzlichverloren haben, sind sie gegenwärtigwieder im Kommen – vor allem bei denPädagogen in Kindergärten und Volks-

21 Vgl.: Schimpfößl-Ager, Theresia/Haid, Ger-linde: Sprüche, Spiele und Lieder der Kinder,in: Volksmusik im Flachgau. Forschungsergeb-nisse und Berichte aus dem nördlichen Salz-burg, hg. von der Salzburger Heimatpflege unddem Salzburger Volksliedwerk, Salzburg 1980,S. 133-148.

22 Vgl. Anm. 16.23 Heller, Richard: Kinderlieder und Spiele aus Hall-

statt, in: Zeitschrift für Österreichische Volks-kunde 20 (1914), S. 49–50.

24 Commenda, Hans: Das Spielgut der LinzerKinder, in: Jahrbuch der Stadt Linz (1949),S. 341–362.

25 Kampmüller, Otto: Oberösterreichische Kin-derspiele (Schriftenreihe des Institutes für Lan-deskunde von Oberösterreich 19), Linz 1965.

26 Vgl. Anm. 20.27 Kepplinger, Gudrun: Traditionelle Tanzspiele

im Oberen Mühlviertel, Diplomarbeit an derUniversität für Musik und darstellende KunstWien, Wien 2003, bes. S. 30–34.

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schulen, aber auch in der elementarenmusikalischen Früherziehung. Die einfa-chen Rhythmen und einprägsamenReime, die eingängig-leichten Melodiendienen als perfektes Medium, Heran-wachsende vorzubilden und ein musika-lisches Grundverständnis zu schaffen,auf das weiter aufgebaut werden kann.28

Die Volksliedwerke von Salzburg undOberösterreich sowie das Landesmusik-schulwerk tragen diesem Trend nicht nurRechnung, sondern waren an seiner Ent-

wicklung maßgeblich beteiligt. Einerseitsdurch die „Mit-allen-Sinnen“-Projektedes Bundesministeriums, andererseitsdurch ehrenamtliches Engagement inter-essierter Einzelpersonen. In eigenen,pädagogisch fundierten Publikationenwird die anhaltende Tendenz gefördertund gestützt. Doch nicht nur die Kindergilt es aufs Neue zu begeistern, auch denPädagogen muss der Umgang mit jenenelementaren Gesängen vielfach erst wie-der nahegebracht werden.

28 Vgl.: Kroboth, Martina: Faszination „MusikalischeFrüherziehung“, in: Vierteltakt 2005, Nr. 3, S. 2.3–2.4.

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Eine alte Liederhandschrift im EbenseerHeimatmuseumVon Franz Gillesberger

Eine kleine volkskundliche Besonderheit auf musikalischem Sektor birgtdas Ebenseer Heimatmuseum: Weinachtslieder (für – wurde später hinzugefügt; F. G.)Anton Pfifferling in Unterlangbadh Haus Nr. 1?1 1836. Der handgeschriebene Band misst23,5 x 20 cm und besteht aus 164 vergilbten Seiten, die unpaginiert, aber von Handeingerahmt sind. 134 Seiten sind beschrieben, wobei nach einem Gebeth ab Seite 126von anderer Handschrift zwei weitere Lieder angeführt werden: Spögseiten Zöga (10Strophen) bzw. Weinachtslied (4 Strophen).

Bei der Bindung des Buches in einen steifen, überzogenen Karton wurde(wie durchaus üblich) ein gebrauchter Lederbuchrücken verwendet, dessen ver-blasste Goldprägung noch gut erkennbar ist: Allgemeine Musikalische Zeitung 1817.Viele Liedanfänge (21) werden durch eingeklebte bunte Papierlaschen in Form einesRegisters gekennzeichnet. Die Melodien wurden von den Schreibern als bekanntvorausgesetzt, da sie im Gegensatz zu der in den meisten Ebenseer Familiengebräuchlichen Sammlung Hirten-Lieder zur Zeit der Geburt Jesu Christi – Im Tonsatze nachden Aufzeichnungen des Lehrers Ferdinand Schaller, Ebensee (Erstveröffentlg. verm. vor 1921– Todesjahr Schallers) fehlen.

Der Inhalt der im Ebenseer Heimatmuseum vorliegenden Handschriftbesteht aus zweiundvierzig Liedern, zwei Gebeten sowie zwei weiteren Gebeten (Vorden Segen; Nach den Segen) auf einem beigelegten grünen Blatt. Fünf Lieder kommenzweimal vor mit geringen Abweichungen, die anhand des im gesamten Salzkam-mergut bekannten und beliebten Liedes O Bruader lieber Bruader mein demonstriertwerden (Zeilensprung nach dem Original):

Lied Nr. 14 (Zählung von F. G.):

Weinachts Lied

Bruder lieba Bruder mein, was i daneus muß sang, und was sich heunt umMitternacht hat neues zuagetrang,sah i a hüdal stehn, von fehrn a Lich=tel gehn, so geh na dan so wöhl magehn wöhln gleima zuwi stähn.

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Vo freuden I kam Reden kann, wan I dieMusick her, es kinad da bey a schöne frauund a schänner Herr, das Kind liegtauf den Heu Ochs und Esel a dabey,es wehnt die äuglein hin und herI glaub es früstz so sehr.

Was muß das für a Kindl sein wasmeinst han Kammarath, es mußja gar von Himmel sein, weilsso viel Lichter hat, den Glanzgibz gar heraus, so ge na danso wohlma gehn wöhlns weiderBrauden aus.

Lied Nr. 24 (s.o.):

Lied

Bruder lieber Bruder mein was i daneus muß sang, und was sich heund

um Mitternacht hat neues zugetrangsah i a Hutel stehn von fehrn aLichtel gähn so geh na dan so wöhlmagehn wohln gleima zuwö stähn.

Vo freuden i kam Reden kann wan idie mußi hör ös kniet dabey eineschöne frau und a schöner HerrDas Kind ligt auf den Heu Ochs und Essela dabey Es wenth die Äugeleinhin und her i glaub es früst so sehr.

Was muß das für a Kindel sein dasmeinst han Kammerad ös muß jagar von Himmel sein weils so vielLichter hat, Es Brind das ganzeHaus ihn glanz giebst gar her=aus so geh na dan so wohlmagehn wollns weiter breittenaus.

Die Liedanfänge in alphabetischer Reihenfolge:

Auf auf es ist schon TagAuf auf ihr Hirten nit schlaffet so lang (zweimal)Auf ihr Buema von dem SchlafAuff ihr Hirten von dem Schlaff, bey so schönen zeitenBruder lieber(a) Bruder mein (zweimal)Botz Tausend lieba Bue, loß mir a wengel zuBuem machts en hurtig aufDas sind uns nun selige TageDer Thomal geht losen, was wird a neus hörn?Ein Kind gebohrn zu BethlahemErfreuet euch Menschen auf ErdenEs wolt ein Sünder gehen, wolt Reisen zu der Rom=StadtGegrüßt seist du Maria, du himlische ZirtGott wollen mir loben und ehrnGrünne Felder Grünne WissenHa Nachba bleib steh, laß da sagnHa neiling bei unsern MarkrichterHeh Buem da is daß haißt gschlafaHerr gschwind, kom eitles Welt Kind (zweimal)

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Ich kom her zu deiner KrippenIch lag in einer Nacht und schliefIhr liem meine Singer stehts zam auf an ScheinJu hei sa heint gab I. kein halb bazzen (zweimal)Mein aichl Buem stets gschwind aufNun merket auf zu dieser FristO Edle Liebereichist und ehrwünschte NachtO. Nachbaur loß was ie da sagÖs Gaisböcklein und Widdan lost Lamplein mit RuhO. Stöffl steh auf, und dur dich umsehaO Wunda über WunnaSchau mein lieber Kammarad (zweimal)Schau, schau was ist dann das schon mehrSey gelobt Herr Jesu Christ, der du bistStets auf meine Buema werds muntaUnd wer nun die Göttliche Almacht betrachtWas dust den mein Thomel zwö stehst den nit aufWas Wunda jetzunda was hani dablickt

Die zwei Gebete (es handelt sich dabei eher um Anleitungen) beginnen jeweils:

Die 12. Freytag wie man sie das ganze Jahr hindurch fasten sol bey Wasser und Brod.Wie man die 9. Rosenkranze in den Marther Wochen Bethen soll, am Grünen Donners-

tag der erste Rosenkranz in Betrachtung zu bethen stehend.

Insgesamt dokumentiert das vorliegende Handschriftenbuch über diebarocke Volksfrömmigkeit hinaus die Beliebtheit der alten Ebenseer Weihnachts-und Krippenlieder.

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Das Gnadenbild in der Pfarrkirche Ohlsdorf –und Varianten eines GrundmotivsVon Josef Moser

Historischer Abriss

Der Fund einer neolithischen Loch-axt aus grauem Serpentin (6000 bis 2000v. Chr.) während Umbauarbeiten imHause Peiskam Nr. 4 („Langgangl“) beiOhlsdorf im Jahre 1962* belegt den altenSiedlungsboden der heutigen Gemeindeim Alpenvorland, die seit 1298 als eigenePfarre aufscheint. Ohlsdorfs erste ur-kundliche Erwähnung erfolgte bereits748 in der Schenkungsurkunde eineslandwirtschaftlichen Besitzes einschließ-lich der darauf lebenden Personen inOllesdorf anlässlich der Gründung desKlosters Mondsee. Trotz oder wegen desungewöhnlich hohen Anteils an Prote-stanten (Schlacht von Pinsdorf 1626 –„Bauernhügel“) im Ohlsdorfer Gemein-degebiet wurde die zweischiffige goti-sche Hallenkirche, 1501 von Hannes vonAichlham auf romanischer Bausubstanzerrichtet, Mitte des 17. Jahrhunderts imZuge der Gegenreformation barockisiertund zu einem Zentrum der Marienver-ehrung.

Das Ohlsdorfer Gnadenbild

Das Hochaltarbild, „Maria gravida“= „Maria zur guten Hoffnung“, Öl aufLeinwand, stammt von Meister Chris-tian Degenhart (geb. um 1611, gest.1675/76), dem Klostermaler des StiftesGarsten. Das 180 cm hohe, 112 cm breiteGemälde trägt die Datierung 1657 undist signiert mit „C. M. Doognhart“

(= Christian Degenhardt). Seinen ur-sprünglichen Platz hatte es im rechtenSeitenaltar. Erst 1718 wurde es in denum 1680/90 geschaffenen, der Gmund-ner Schwanthaler-Gruppe zugeschriebe-nen barocken Hochaltar eingefügt.

Obwohl der Pilgerzulauf im 18. undauch noch im 19. Jahrhundert allgemein

* Der Autor initiierte die wissenschaftlich-histori-sche Aufarbeitung.

Abb. 1: Das Ohlsdorfer Original aus dem Jahre1657.

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sehr rege war, ist über die Kirche alsWallfahrtsort – hauptsächliches Pilger-motiv: Kindesnöte bzw. der Wunschnach Kindersegen – wenig überliefert.Dem Wandel des Zeitgeistes entspre-chend ist die Wallfahrt von ihrer vorma-ligen regionalen Bedeutung auch bis hierzur „beinahe lokalen“ Bedeutungslosig-keit herabgesunken.

Das Gnadenbild gehört in dieGruppe barocker Mariendarstellungen,auf denen die Schwangerschaft der Got-tesmutter durch das IHS-Monogrammauf dem Schoß der Jungfrau symboli-siert wird. Zur Geltung kommt auch dasMotiv der „Unbefleckten Empfängnis“(„Immaculata“), da Maria auf einermächtigen Erdkugel stehend mit demlinken Fuß den Kopf der Paradies-schlange zertritt (Abb. 1). Marias Hauptwird von einem Sternenkranz umstrahlt,darüber wölbt sich ein regenbogenähnli-ches Spruchband mit dem Text „Und dasWort ist Fleisch Worden“. Überhöht wirddas Bildnis durch die Geistestaube unddas trinitarische Dreieck mit dem einge-schriebenen hebräischen Gottesnamen„Jahwe“. In den umgebenden Wolkenschweben sieben Engel. Mariens blauerMantel ist über und über mit goldenenRosenblüten bedeckt, das rote Kleidwird von einem schmalen Band zusam-mengehalten, das mit den Handstellun-gen und dem IHS-Monogramm dievertikale Komponente des Gemäldesergibt.

Diese künstlerisch beachtliche, aus-drucksvolle Madonnendarstellung er-fuhr im Laufe der Zeit viele variierteNachbildungen. Eine davon hatte bis1970 das Obergeschoß des Hauses Lei-tenstraße Nr. 8 in Lambach/OÖ. alsWandmalerei geschmückt.

Andachtsbilder

Sie stammen vorwiegend aus dem18. und 19. Jahrhundert und verteilensich auf Privatbesitz, Sammlungen undMuseen im Raum zwischen Salzburgund Wien.

Da Nachbildungen aus dieser Kate-gorie kaum greifbar sind und sich inmeist schlechtem Zustand befinden, seihier auf die einschlägige Fachliteraturverwiesen.

Traunkirchen am Traunsee

Im ehemaligen Traunkirchner Jesui-tenkonvent befindet sich an der Mauerüber dem Kredenztisch des Ignatius-Sei-tenaltars im südlichen Seitenschiff einenahezu getreue Kopie des OhlsdorferGnadenbildes (Öl auf Leinwand, Höhe124 cm, Breite 52 cm) in einem abgerun-deten Rokokorahmen. Der einzige Un-terschied zum Original besteht in der la-teinischen Übersetzung des Spruch-bandtextes („Et verbum caro factum est“)sowie in der Erweiterung der Engelsan-zahl auf neun (Abb. 2).

Wartstein bei Mattsee

Auf einem bewaldeten Felsvor-sprung, der in malerischer Lage alsHalbinsel in den Obertrumer See hinein-ragt, wurde 1780 unter Dechant Wisin-ger die Wartsteinkapelle bei Mattsee/Salzburg errichtet. Das dortige Marien-gemälde, seit 1977 als Dauerleihgabe derMarktgemeinde Wartstein im neu ge-gründeten Stiftsmuseum Mattsee zu be-sichtigen, ruft Assoziationen mit derOhlsdorfer Madonna wach. IHS-Mono-

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Abb. 2: Kopie im ehemaligen Traunkirchner Jesui-tenkonvent.

gramm, Kleid- und Mantelfarbe, Strah-lenkranz etc. scheinen jedenfalls engereBezüge herzustellen. Eine romantisie-rend-modifizierte Abwandlung desOhlsdofer Gnadenbildes? Die Fach-literatur, welche das in Öl auf Leinwand(50«70 cm) gemalte Werk dem ausge-henden 18. Jahrhundert zuordnet, ver-neint dies meines Erachtens seltsamer-weise. So wird im NiederbayrischenKunstführer, Reclam-Verlag, Nr. 8055,S. 127, der Ursprung des Wartsteiner Ge-mäldes in der „Steinernen Madonna“(um 1400) des Wallfahrtsortes Bogen-berg (Diözese Passau) gesehen.

Kopie einer Kopie

Diesen Stich (Abb. 3) – vielleicht ei-nes der oben erwähnten Andachtsbilder,

Höhe 13 cm, Breite 9 cm, unsigniert undundatiert – erhielt der Autor im August2004 vom damaligen Ohlsdorfer PfarrerDr. Johann Grausgruber. Abweichendvom Original wird der Sternenkranzund das Textband über dem Haupte Ma-riens von zwei Engeln gehalten. Im Ba-sis-Passepartout liest man den Text: „Un-ser Lieben Frauen Bildnis wie solche in derUhralten Pfarr Kirchen zu Olstorff unweit derStatt Gmunden mit grosser andacht Verehretwird.“ Im linken unteren Eck findet sichdie Darstellung der Ohlsdorfer Pfarr-kirche mit Turm (Satteldach!). Da-neben lugt ein großes Gebäude hervor,bei dem es sich um das „Benefizium“(= Höraksche Stiftung und heutigesPfarrhaus) handeln könnte. Die Kirchewird von einer Steinmauer mit Torbogeneingefasst. Als optisches Pendant füllteine Laubbaumgruppe das rechte untereEck.

Eine Entdeckung

Ausgesprochenem Zufall ist es zuverdanken, dass der Autor während derArbeit an diesem Aufsatz in einem Haus„Unterm Stein“ (Traunstein) – zwischendem Stadtzentrum von Gmunden unddem Gasthof „Hois’n“ – eine weitereexakte Kopie der Ohlsdorfer Madonnazu Gesicht bekam (Höhe 24 cm, Breite17 cm).

Das stark reparaturbedürftige, unda-tierte sowie unsignierte Gemälde ist inÖl auf Leinwand gehalten, in einengrauen, wurmstichigen, vier Zentimeterbreiten Holzrahmen gespannt und ander Rückseite mit einer Holzplatte abge-deckt. Es dürfte schon seit Generationenzum Hausbestand gehören (die Eigentü-mer wollen ungenannt bleiben) und

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hing zuletzt über dem Eingang zum Kel-ler im Freien.

Eine Überraschung

Gleichfalls undatiert und unsigniertist der in den Farben Blau, Rosa, Grün,Braun, Orange gehaltene Stich, der demAutor im Jahre 2004 von einem seinerehemaligen Schüler zum Geschenk ge-macht wurde. Die Herkunft des Bildes(Abb. 4) ist unbekannt, der Geschenkge-ber wollte anonym bleiben.

Nach dem Passepartout rahmt denStich ein Bandmuster ein, das an denvier Ecken von Rosetten in konzentri-schen Kreisen und in der Mitte jeweilsvon kolorierten Rosen mit Blättern un-terbrochen wird. Stilistisch wäre dieseornamentale Gestaltung der Josefini-schen Zeit (Josef II., 1780–1790) zuzu-ordnen. Die Schriftleiste – unten – lautet:„Gnadenbild unserer Lieben Frau so sollhe inder Pfarr Kirchen zu Olstorff unweit der StadtGmunden verehrt wird.“

Die Schreibweise „Olstorff“ war üb-lich in den Jahren 1699 bis ca. 1800. Aufder Höhe der Erdkugel und der sich imTodeskampf windenden Schlange siehtman im unteren linken Eck neben einergeborstenen Säule die überaus freie Dar-stellung der von einer Mauer umgebe-nen Kirche, deren Firsthöhe stets die-selbe bleibt und deren Turm ein Sattel-dach aufweist (realiter vorhanden bis1876/77). Seit ihrem spätgotischen Bauist die Apsis jedoch abgesetzt und nied-riger als das Kirchenschiff. Aus Gründender Symmetrie wird das rechte untereEck von zwei ungleich hohen Hügelnund einem Säulentorso ausgefüllt.

Nun aber kommen wir zum hoch-gradig Bemerkenswerten an dieser Dar-stellung: Die Madonna hat zwar das„IHS“ auf ihrem Schoß, doch fehlt dergesamten Gestalt das typisch Barocke.Das Kleid fällt gerade in strengem Fal-tenwurf zu Boden und der schmuckloseMantel seinerseits erscheint geradlinigvom Winde bewegt. Vor allem aber ge-mahnt das Antlitz der Jungfrau in seinerEinfach- und Schlichtheit unwillkürlichan eine gotische Madonna. Die sechs En-gel, davon vier figürlich und zwei nur alsgeflügelte Köpfe ausgeführt, zeigen imGegensatz zum barocken Original bäu-

Abb. 3: Undatierter und unsignierter Stich (An-dachtsbild?). Im linken unteren Eck die OhlsdorferPfarrkirche.

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Abb. 4: Version (18. Jahrhundert) in „gotischer Ma-nier“, ebenfalls undatiert und unsigniert.

erliche Züge: hagere Gesichter mit trau-rig gesenktem Blick, dem keine frommeAndacht, kein jubelndes „Hosanna“ ab-lesbar ist. Die beiden oberen „Pseudo“-Engel halten über dem vom Sternen-kranz gesäumten Haupte Mariens einemehrfach gezackte ziselierte Krone, daseinzeilige, leicht gewölbte Spruchbandträgt die Inschrift: „Und das Wort istFleisch geworden.“ Den oberen Ab-

schluss bilden Taube und trinitarischesDreieck ohne eingeschriebenen Text. DieKolorierung ist durchwegs äußerst un-genau und reicht stets über die Begren-zungen hinaus.

Trotz des eher ländlichen Eindrucks,der auf wenig künstlerische Routineschließen lässt, fasziniert jene seltsame,der Gotik an- bzw. nachempfundeneVersion durch ihre Einheitlichkeit, Ge-schlossenheit, Gefühlstiefe und Über-zeugungskraft.

In ihrer exemplifizierenden Knapp-heit konnte diese Aufarbeitung dasThema natürlich nur berühren. Wie aberinsbesondere die beiden letztgenanntenBeispiele verdeutlichen, birgt die Be-schäftigung mit der „Ohlsdorfer Ma-donna“ und deren Niederschlag in derbildenden Kunst nicht nur unseres Bun-deslandes selbst im 21. Jahrhundert nochdie eine oder andere Novität und sogarÜberraschung.

Literatur

Heimatbuch der Gemeinde Ohlsdorf, Salzkam-mergut-Druckerei Gmunden.

Lechner, Gregor OSB, Göttweig, „Maria Gravida“– Zum Schwangerschaftsmotiv in der Bild. Kunst;Schell und Steiner, München 1981.

Pillwein, Benedikt: Geschichte, Geographie undStatistik des Herzogtums Österreich ob der Enns,Linz 1839.

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Produkt mit einst „tragender Rolle“: Zur Erinnerungan den letzten Holzschuhmacher des SalzkammergutsVon Walter Rieder

Am 10. Februar vergangenen Jahresist Johann Steinkogler („da Kål HanslHansl“), pensionierter Fuhrunternehmerund Kleinlandwirt in Ebensee, Bahnhof-straße 61, hochbetagt aus dieser Weltgeschieden. Mit ihm hat der letzte lokaleHolzschuhmacher das „Roafmessa“ fürimmer aus der Hand gelegt. Nachdemder Holzschuh nicht nur für die „Pfann-hauser“ (so werden die Salinenbeschäf-tigten noch heute gelegentlich bezeich-net), sondern auch für andere Bevölke-rungskreise in der Region lange Zeithindurch eine wichtige Rolle gespielthatte, sei im Folgenden eine kurze Rück-schau auf diesen traditionsreichenHandwerkszweig, die Biographie seinesletzten Vertreters im Salzkammergutund die Verbreitungs- bzw. Nutzungsge-schichte des Produktes selbst unternom-men.

Biographie

Johann Steinkogler kam 1919 als sie-bentes von insgesamt neun Kindern ei-nes „Pfannhausers“ und Kleinlandwirtsgleichen Namens zur Welt. Schon baldnach der Frühpensionierung des Vatersim Jahre 1923 (die Umstellung der Salz-produktion von „Monarchie- auf Klein-staatgröße“ hatte für viele Salinenarbei-ter die Entlassung bedeutet) wurde derSohn eifrig zur familienbetrieblichenHolzschuhfertigung eingespannt, welche

die Steinkoglers damit in bereits dritterGeneration weiterführten. Nach Absol-vierung der Pflichtschule erlernte Johanndas Maurerhandwerk, musste 1941 imAlter von 22 Jahren zum Kriegsdiensteinrücken und kam noch 1945 unver-sehrt nach Hause zurück. Mit nur einemPferd begann er gleich darauf ein Fuhr-unternehmen aufzubauen, führte diekleine elterliche Landwirtschaft und er-zeugte, wann immer keine andere Arbeitdrängte, Holzschuhe. Zu seiner Kund-schaft gehörten neben Privatleuten undAbnehmern aus dem primär bäuerlichenBereich bis in die 50er-Jahre auch die Be-triebe der Saline und der Sodafabrik inEbensee. Einmal sollten die Produkte des„Kål Hansl Hansl“ sogar zu hoher künst-lerischer Ehre gelangen, und zwar be-stellte bei ihm keine geringere Institutionals die Wiener Staatsoper um 1960 dieentsprechende Ausstattung für denHolzschuhtanz in Lortzings Oper „Zarund Zimmermann“! Mit 27 Jahren heira-tete Johann Steinkogler die EbenseerinMaria Lahnsteiner, die ihm drei Mäd-chen und einen Sohn schenkte. Sie ist ih-rem Mann nach fast sechzigjähriger Ehe,14 Tage vor dessen eigenem Tod, in dieEwigkeit vorausgegangen.

Anders als „bei der Arbeit“ hatteman den Hans stets nur spätabends odersonn- und feiertags angetroffen. Auchim Ruhestand blieb er unermüdlich anseiner „Hoazlbeng“ tätig, bis ihm Alter

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„Meister Steinkogler“ und seine kleine Werkstatt in Ebensee. Fotos: Johann Jocher

und Krankheit das Werkzeug aus derHand nahmen. Mit großer Geduld vonTochter Maria betreut, lernte er denschweren, unaufhaltsamen Prozess desfortschreitenden Kräfteverfalls in Erge-benheit anzunehmen. Mögen die Ehe-leute, ihrem tiefen Glauben gemäß, nunwieder vereint sein!

Wo steht die Wiege des Holzschuhs?

Diese Frage ist nicht mit letzter Si-cherheit zu beantworten. Verbrieft ist je-denfalls, dass schon römische Bauernzur Feldarbeit bei trockenem Wetterhohe Holzschuhe, sculponeae (nach sculpo= ich steche, schneide, schnitze), getra-gen haben (SCHILLER/VOIGT, 33). Wiesie ausgesehen haben und ob sie den un-

seren ähnlich waren, weiß man nicht. Si-cher ist hingegen wiederum, dass in deneuropäischen Städten des Mittelaltersviel Schuhwerk mit sehr hohen Holzsoh-len getragen wurde, die ein probatesMittel darstellten, den Straßenkot, derfür uns Heutige unvorstellbare Mengenund Tiefen hatte, insbesondere bei Re-genwetter möglichst ungeschorendurchschreiten zu können.

Sicher ist auch, dass speziell in denNiederlanden der Holzschuh, je nachQualität und Zweckbestimmung ver-ziert oder bemalt, sehr lange zum Alltaggehört hatte (WEJS). Das Aussehen die-ser Exemplare wich von dem der unse-ren aber einigermaßen ab.

Da es im Bayerischen Wald sowie inBöhmen zur Endzeit der österreichisch-ungarischen Monarchie eine blühende

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Holzschuh-Hausindustrie gab (vorwie-gend in den Verwaltungsbezirken Schüt-tenhofen, Prachtiz, Krummau, hier be-sonders in den acht Gemeinden des Jo-hannestales), die dort gefertigten Exem-plare den unseren glichen und diese inmanchen Gegenden OberösterreichsBöhm genannt wurden, dürfte die Fragenach dem Ursprung der heimischenHolzschuhe beantwortet sein. Die euro-paweite Verbreitung dieser Art hölzernerGehwerkzeuge über Jahrhunderte hin-weg illustriert das Bild unten.

Grundsätzlich kann man sagen, dasssich ein Kleidungsstück immer danndurchsetzt, wenn es preisgünstig, zweck-mäßig (Gegenwartsbeispiel Jeans!) oder

selbst herstellbar ist. Es floriert so lange,bis ihm Besseres und/oder Billigeres denRang abläuft.

Besonders geeignet waren Holz-schuhe u. a. für die Arbeit im Pfannhaus(der Saline), wo das Salz jedem Leder-schuh sehr rasch zusetzte. Für die„Pfannhauser“ mit ihrem knappen Ein-kommen waren die teuren Lederschuheaußerdem naturgemäß eher ein Luxus,und Alternativen, zum Beispiel ausGummi oder Plastik, existierten nochnicht.

Vortrefflich taugten die Hüzan auchfür die Stallarbeit, weil man sich der ge-brauchten, verschmutzten Schuhe gleichan der Stalltüre problemlos entledigen

Holzschuhfertigung in den Waldkarpaten um 1900. Aus: Kozauer, Bilderteil, Bild 10

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Vor allem auch bei den „Pfannhausern“ in der Saline stand der Holzschuh über Generationen hinweg inbevorzugtem Gebrauch. Foto: Sammlung Walter Rieder

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Als Kulturgut, Raumschmuck und Zierobjekt haben die „Hüzan“ nicht zuletzt im Salzkammergut vielfachüberlebt. Foto: Johann Jocher

und diese leicht und schnell gegen sau-bere wechseln konnte.

Gerade auch in Notzeiten, und da-von hat jede frühere Generation zumin-dest eine erlebt, wurde der bei einigemGeschick selbst produzierbare Holz-schuh seinem ledernen Gegenstück viel-fach und vielerorts vorgezogen. Leder-schuhe wurden von den ärmeren Bevöl-kerungsschichten des Salzkammergutes,falls überhaupt, meist nur sonntags ge-tragen. Noch unmittelbar nach demZweiten Weltkrieg mussten bei uns dieKinder weniger begüterter Eltern, die so-genannten Armenschüler, nolens volensin Holzschuhen zur Schule gehen, wäh-rend ihre besser situierten Kameradenbereits Lederschuhe hatten. Deshalbsind die ärmeren Kinder, und zu ihnen

gehörte einst auch der Verfasser diesesBeitrags, so bald als und so lange alsmöglich barfuß zum Unterricht gekom-men . . .

Mittlerweile haben Wohlstand undzweckmäßiger Ersatz aus Kunststoffoder anderen Materialien den Holz-schuh längst abgelöst, doch als Zierge-genstand bzw. Kulturgut ist er in man-cher Wohnung etwa Ebensees nach wievor zu finden.

Der Gebrauch von Holzschuhenhatte Vorteile, die inzwischen vergessensind: Man konnte sie, wie bereits er-wähnt, im Nu anziehen und ebensorasch wieder abstreifen, das Holz isolierthervorragend gegen Niedrigtemperatu-ren von unten – ein Segen für jeden, der

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lange auf kaltem Boden stehen musste.Allem voran aber waren die „Hölzernen“unschlagbar preisgünstig und schon ausdiesem Grund derart verbreitet, dass siesogar ins Volkslied eingegangen sind.

Kleine Herstellungskunde

Der klassische heimische Holzschuhist jeweils aus einem Stück astreinen,trockenen Fichtenholzes gearbeitet, dasin Rädern oder Stöckeln in Holzschuh-länge vom Bloch abgeschnitten wird.

1) Erster Produktionsschritt: das „Klie-ben“ der Stöckel in dreieckige Stücke.

2) Diese werden mit Kreis-, Bandsägeund Schnitzhacke in die rohe Holz-schuhform geschnitten und gehackt.

3) Mit der Bohrmaschine wird derSchuh grob der Länge nach ausgehöhlt.

4) In der „Hoazlbank“ wird mit dem„Roafmesser“ die noch grobe äußereForm des Schuhs hergestellt.

5) Mit Spezialwerkzeugen (Haken, Reiß-haken oder „Aussireißer“, ein ringförmi-ges Instrument, u. a.) wird der Innen-schuh ausgearbeitet.

6) Mit dem Zehenmesser (ein spitzes,beidseitig scharfes Messer an einem län-geren Holzstiel) werden Schuhspitzeund Innenboden glatt ausgearbeitet.

7) Mit dem Stemmeisen (oder Rundboh-rer und Handratsche) wird die Ferse aus-gestemmt und mittels „Aussireißer“(oder Bodenschaber, der Stahlteil dessel-ben ist im rechten Winkel gebogen undbeiderseits scharf) der Innenschuh glattgemacht.

8) Mit dem „Aussireißer“ wird der Ristfein ausgearbeitet.

9) Mit dem kleinen Zehenmesser wer-den die Innenränder gebrochen.

10) Über den Holzschuhoberteil wird einschmaler Blechstreifen genagelt, der denRistschuh vor dem Abreißen schützt.

Literatur

BLAU, Josef: Böhmerwälder Hausindustrie undVolkskunst. 1. Teil. Wald- und Holzarbeit. J. G.Salve, K. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler.G 1917.

GEORGES, Karl Ernst: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Hahnsche Buch-handlung, Nachdruck, Hannover, 1985.

KOZAUER, Nikolaus G.: Die Waldkarpaten-Ukraine zwischen den beiden Weltkriegen. BrunoLanger Verlag, Esslingen am Neckar, 1979.

SCHILLER, Hermann / VOIGT, Moritz: Staats-,Kriegs- und Privataltertümer. C. H. Beck’sche Ver-lagsbuchhandlung (Oskar Beck), München, 1893.

WEJS, Frederik: Aus Holz gemacht. Gerstenberg-verlag, 1984.

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Buchbesprechungen

Hoffer: Straßenverkehrsordnung – StVO. 29.Auflage der ÖAMTC-Ausgabe. Neuer Wissenschaftli-cher Verlag – NWV, Wien 2006. 468 Seiten, broschiert,EUR 34,80.

Die Straßenverkehrsregeln gelten für jedenVerkehrsteilnehmer, nicht nur wie das Kraftfahr-gesetz für Kfz-Lenker. Die StVO hat es bereits aufmehr als 20 Novellen gebracht; die letzte Ände-rung, die am 8. Mai 2006 kundgemacht wurde, istin der vorliegenden – kommentierten – 29.(!) Auf-lage der ÖAMTC-StVO auf S. 399/400 abge-druckt, sie betrifft die Sicherheit von Straßentun-nels. Ein Vorschlag: Das Buch ins Auto legen, da-mit man bei Bedarf nachschauen kann!

Josef Demmelbauer

Josef Pöttinger: Oberösterreichische Volks-sagen. Nachdruck/Reprint 2005, Archiv-Verlag Wien.208 Seiten, illustriert, Ortsverzeichnis, Anmerkungen.EUR 39,90.

Als Sammler und Herausgeber regionalerMärchen sowie Volkssagen hat sich der aus Salz-burg gebürtige Lehrer, Pädagoge und Schriftstel-ler Josef Pöttinger (1891–1973) um die Bewahrungeinschlägigen österreichischen Literaturguts nach-haltig verdient gemacht. Auch die Neuauflage sei-nes 1948 produzierten Sammelwerks „Oberöster-reichische Volkssagen“ bildet innerhalb der nachBundesländern gegliederten Reprint-Reihe desArchiv-Verlags („Sagen aus Österreich“) eineKostbarkeit sui generis: Jugendlichem und er-wachsenem Publikum ungeteilt empfehlbar, be-schwören 117 Geschichten aus verschiedenstenZeiträumen die mythisch-magische Welt von He-xen, Teufeln und Nixen, Zwergen, Fabeltieren undanderen Zauberwesen, wobei die Stoffe mit kon-kreten historischen Fakten bzw. Ereignissen (wiebeispielsweise der jahrhundertlangen Rivalitätzwischen dem bayerischen Herrschergeschlechtder Wittelsbacher und den österreichischen Habs-burgern, der Gründung des Klosters Mondsee,den Bauerkriegen oder der „Gottesgeißel Pest“)oft in direkter Korrespondenz stehen.

In ihrem charaktervollen, räumliche Tiefe ak-zentuierenden und so gleichsam auf eine „andereDimension“ verweisenden Duktus begleiten die

Zeichnungen von Karl Alexander Wilke (u. a. von1913 bis 1923 Ausstattungschef am Wiener Burg-theater) das Erzählte meisterhaft und schaffen da-mit die maßgeschneiderte atmosphärische Ergän-zung. C. G

Arthur Schnitzer: Gärtnern ohne Gift. Ein prakti-scher Ratgeber. Wien 2006: Böhlau-Verlag. 233 Sei-ten, viele Farbabbildungen, gebunden, EUR 19,90.

Gartenbücher gibt es zuhauf. Dieser prakti-sche Ratgeber für jeden am biologischen GärtnernInteressierten ist aber etwas Besonderes. Der Au-tor, dessen Namensähnlichkeit mit dem berühm-ten Dichter Arthur Schnitzler auffällt, hat jahr-zehntelange Erfahrung als Berater für die Steier-märkische Landwirtschaftskammer in Gemüse-bau, Biolandbau und Kompostwirtschaft undzeigt, wie man natürliche Mittel zur Stärkung undzum Schutz der Pflanzen einsetzen kann. ZweiBeispiele: Kartoffelwasser hilft gegen Blattlausbe-fall bei Rosen. Paradeiser nicht neben Erdäpfelnanbauen, es tut beiden nicht gut! Ein schönes, einpraktisches Buch! J. D.

Greiter: Schmerzensgeld nach einem Unfall. Wo-für bekomme ich Schmerzensgeld? Wien 2006,Verlag Österreich. 252 Seiten, broschiert, EUR 28,–.

Wer Opfer eines Unfalls wird oder dessen na-her Angehöriger ist, der steht nach einiger Zeitauch vor der Frage: Gibt es dafür Schmerzens-geld? Welche Höhe kann ich geltend machen? Vorallem die zweite Frage ist für den Betroffenen, so-fern er nicht juristischer Spezialist ist, kaum be-antwortbar. Eine vorzügliche Hilfestellung hierbeigibt aber das vorliegende Buch. Es ist nach Sach-gruppen geordnet, z. B. Körperverletzung in 44unterschiedlichen Fällen, Erschwerung oder Ver-lust von Körperfunktionen oder – besonders tra-gisch – der Tod naher Angehöriger, etwa wie imFall Nr. 177 der Tod der Ehefrau und dreier Kinderdurch ein auf einem Sattelfahrzeug geladenesGut, das in einer starken Kurve abrutschte undden entgegenkommenden Pkw zermalmte. Über-haupt auffällig, doch nicht verwunderlich ist dieVielzahl der Verkehrsunfälle als Auslöser von

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Schmerzensgeldstreitigkeiten. Peter SloterdijksReißer vom „Auto als Sakrament auf Rädern“ gehtuns bei der Durchsicht dieses Buches unter dieHaut! Josef Demmelbauer

Damjanovic/Holoubek/Lehofer: Grundzüge desTelekommunikationsrechts. 2., neu bearbeitete Auf-lage. Wien/New York 2006: Springer Verlag, IV,180 Seiten, broschiert, EUR 21,50.

Das Telekommunikationsrecht wird im All-tag durch die galoppierende Zunahme des Telefo-nierens und die Werbung der Betreiber einesKommunikationsnetzes, also insbesondere durchdie konkurrierenden Handy-Firmen, anschaulich.Hierbei steht die unbekümmerte Verwendung vonHandys, vor allem durch junge Leute, in einemschroffen Gegensatz zu den Ängsten der Nach-barn – vornehmlich – geplanter Handymasten.Darüber wurde an dieser Stelle bereits berichtet,zunächst zur deutschen Rechtslage, die für Han-dymasten verbindliche Grenzwerte vorsieht (Heft3/4-2005, S. 263), sodann zur österreichischenRechtslage (Heft 1/2-2006, S. 96).

Im Vorjahr erschien eine vom Land Ober-österreich herausgegebene – äußerst informative –Broschüre zum Thema „Mobilfunk und Gesund-heit“, und nun legt der Springer Verlag nach dem„Handbuch des Telekommunikationsrechts“(2006, ca. 400 Seiten, geb., EUR 78,–) einen, be-scheiden gesagt, „Lehrbehelf“ für das – über denMobilfunk hinausreichende – gesamte Telekom-munikationsrecht vor. Darin ist auch das Tele-kommunikationsgesetz 2003 (= TKG 2003) in sei-ner letzten Fassung abgedruckt (S. 131–173). Imaufgeregten Für und Wider zum Thema „Mobil-funk und Gesundheit“ ist es geboten, zunächstden Gesetzestext hierüber anzuschauen. Er ist imAbschnitt Funkanlagen und Telekommunikati-onssendeeinrichtungen angesiedelt: Gemäß § 74Abs. 1 TKG 2003 ist die Errichtung und der Be-trieb einer Funkanlage – unter diesen Begriff fallenauch Handymasten – grundsätzlich nur mit einerBewilligung durch das Fernmeldebüro (in Linz fürdie Länder Oberösterreich und Salzburg) zuläs-sig. Soweit dies mit dem Interesse an einem ord-nungsgemäßen und störungsfreien Fernmeldever-kehr vereinbar ist, kann der zuständige Bundes-minister die Errichtung und den Betrieb vonFunkanlagen auch allgemein für bestimmte Gerä-tearten oder Gerätetypen mit Verordnung für ge-nerell bewilligt erklären. Derzeit gilt die Verord-

nung BGBl. II Nr. 2003/542 idF. BGBl. II Nr. 2006/40. Außerhalb dieser generellen Bewilligung ver-langt das Gesetz, dass der Schutz des Lebens undder Gesundheit von Menschen sowie der unge-störte Betrieb anderer Funkanlagen . . . gewährleis-tet sein müssen. Auf die Erfordernisse des Um-weltschutzes ist unter Beachtung der wirtschaftli-chen Zumutbarkeit Bedacht zu nehmen. Bewilli-gungen dürfen nur für höchstens zehn Jahre erteiltwerden und können Bedingungen und Auflageninsbesondere für den Schutz des Lebens oder derGesundheit von Menschen vorsehen (vgl. § 81TKG 2003).

Anders als das Betriebsanlagenrecht derGewO kennt das TKG 2003 kein „Kommunika-tions-Anlagenrecht“ unter Mitwirkung der Nach-barn. Im Spätherbst 2005 hat aber ein Drittel derMitglieder des Nationalrates deshalb den Verfas-sungsgerichtshof (= VfGH) angerufen und darausdie Verfassungswidrigkeit des TKG 2003 abgelei-tet. Die Entscheidung des VfGH steht noch aus.Die Oö. BauO-Novelle 2006, LGBl. Nr. 96/2006,konnte die Erwartungen der Handymasten-Geg-ner nicht befriedigen (s. dazu Hahn, Oö. Gemein-de-Zeitung 2006, Folge 9).

Soweit in aller Kürze die umstrittene Rechts-lage betreffend die Handymasten, zu der sich dersehr empfehlenswerte „Lehrbehelf“ auf den Seiten25 bis 28 äußert. Josef Demmelbauer

Petrovitsch: Legio II Italica, Forschungen in Lauria-cum 13, Linz 2006, 352 Seiten. Hrsg.: Gesellschaft fürLandeskunde in Oberösterreich – OberösterreichischerMusealverein, Redaktion: Gerhard Winkler. EUR 18,–.

Das vorliegende Buch basiert auf der Di-plomarbeit des Verfassers über die Legio II Italica,die von Hannsjörg Ubl, einem der profundestenKenner des römischen Limes in Österreich undlangjährigem Ausgräber von Lauriacum, betreutwurde.

Die Legio II Italica prägte die römische Ge-schichte von Enns und des norischen Limes vomEnde des 2. Jh. bis zum Ende des 5. Jh. n. Chr. DenHauptteil des Werkes bildet der Katalog der epi-graphischen Zeugnisse für die Legion. Dabei trugder Verfasser nicht weniger als 145 Inschriften ausNoricum und dem italischen Mutterland, ausFrankreich, dem Balkan, Kleinasien, Syrien undNordafrika zusammen. Die Materialvorlage alleinschon macht das Buch zu einem wichtigen Nach-schlagewerk. Abgesehen von den Angaben zum

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aktuellen Aufbewahrungsort und zur Literaturwerden Erklärungen zu den jeweiligen Rängenund Beinamen der Legion der in den Inschriftengenannten Personen angeführt. Damit werden In-halt und Bedeutung auch für jene Leser verständ-lich, die nicht sämtliche Details der römischen Mi-litärgeschichte völlig präsent haben. Ergänzenddazu wird im Kapitel über die Geschichte der Le-gion auf Seite 284 das Schema einer solchen ange-geben. Jedem Abschnitt des Buches ist eine spezi-fische Literaturliste vorangestellt. Dem Kapitel„Die Geschichte der Legion“ stellt der Autor einbereits von Hansjörg Ubl (2006) publiziertesSchema einer Legion und eine Literaturlistevoran. Im Anschluss folgt eine Übersicht über dieBeinamen und die Legaten der Legion.

In jeweils eigenen Kapiteln werden die dreiLager der Legion in Locica/Lotschitz bei Cilli/Celje, Albing und Lauriacum (Lorch) behandelt(mit Plänen). Außerdem werden die Münzen mitdem Namen der Legion (mit Unterstützung vonBernhard Prokisch) und die gestempelten Ziegelder Legion von Gerhard Winkler vorgestellt.

Mit dem vorliegenden Werk ist es gelungen,eine umfassende Darstellung der Legio II Italicazu geben und gleichzeitig einen wesentlichen Bei-trag in der Erforschung der Geschichte des römi-schen Limes in Österreich zu liefern. Es bleibt zuhoffen, dass weitere Wissenschafter die Zeit fin-den, durch Beiträge über archäologische Ausgra-bungen und historische Untersuchungen das Bildder Geschichte Lauriacums zu vervollständigen.

Renate Miglbauer

Eine ausführliche, von R. Miglbauer verfasste Be-sprechung dieses Bandes erscheint im Jahrbuchdes Oö. Musealvereins, Band 151 (Herbst 2007).

B. Raschauer (Hrsg.): Aktuelles Energierecht.Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien/Graz 2006. 115Seiten, broschiert, EUR 28,80.

P. Draxler: E-Recht. Der österreichische Weg.Verlag Österreich, Wien 2007. 508 Seiten, broschiert,EUR 65,-.

In Heft 1/2-2006, S. 96/97, wurde B. Rasch-auers Handbuch Energierecht vorgestellt. Nun hatB. Raschauer Beiträge von Kennern der Materie

zum aktuellen Energierecht herausgegeben undihnen eine spannende – das passt zur Elektrizität!– Einführung vorangestellt, ähnlich dem „aktuel-len Telekommunikationsrecht“, das ebenfalls inHeft 1/2-2006, S. 96/97, angezeigt worden war. Wieaktuell dieses Thema ist, bedarf keines Beweises,man braucht nur die Zeitungen zu lesen.

Dem Verständnis des neuen Elektrizitäts-rechts, das beileibe nicht leicht zu erfassen ist,kommt man durch die Lektüre des auch für Nicht-juristen bestimmten Buches über den österreichi-schen Weg im Elektrizitätsrecht näher, das derRechtsanwalt Peter Draxler für den LehrgangTechnik & Recht des Österreichischen Verbandesfür Elektrotechnik (ÖVE) verfasst und aktualisierthat. Es hat nicht den Rang von Raschauers Hand-buch Energierecht, bringt aber Insiderwissen einund so vor allem Technikern und elektrotechnischInteressierten eine Fülle von Informationen. Au-ßerdem enthält es den Text des Ökostromgeset-zes, der Verordnung hiezu und des Elektrizitäts-wirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG).

Josef Demmelbauer

N. Raschauer / Wessely (Hrsg.): Handbuch Um-weltrecht. Eine systematische Darstellung. WUVUniversitätsverlag, Wien 2006. 658 Seiten, gebunden,EUR 88,–.

Letztlich hat der sich abzeichnende Klima-wandel die Leute wieder hellhörig gemacht fürdas Jahrhundertthema Umweltschutz. Wie ist derUmweltschutz derzeit in Österreich auf Gesetzes-ebene geregelt? Wie weit spielt das Recht der EGda herein? Das wird umfassend in Einzelbeiträgenabgehandelt. Themen sind im Einzelnen dasForstrecht, das ja 1852 der Anfang des – unter die-sem Begriff unbekannten – Umweltschutzrechtswar, das Abfallwirtschaftsrecht, ein Produkt derÜberflussgesellschaft, das jeweils klassische Ge-werberecht, Wasserrecht und Bergrecht (jetzt seitLassing: Mineralrohstoffrecht), das Naturschutz-recht aus der Feder der aus Braunau/Inn stam-menden Juristin Heike Randl sowie jüngereRechtsinstitute wie örtliche Raumplanung, Um-weltverträglichkeitsprüfung, Lärmrecht, Luftrein-haltung und Klimaschutz, u. a.

Alles in allem: ein aktueller und umfassenderÜberblick über die wichtigsten Bereiche des Um-

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weltrechts. Ehe man sich zur Materie zu Wort mel-det, sollte man in dieses Buch hineingeschaut ha-ben! Josef Demmelbauer

Stöger: Index Bundesrecht 2007 (inklusive CD-ROM). Wien: Verlag Österreich, 2007. 1348 Seiten, bro-schiert, EUR 84,–.

Der hier schon mehrmals angezeigte Index,ein systematisches Verzeichnis des geltendenBundesrechts, enthält in nun bereits 23., aktuali-sierter Auflage das zum Stichtag 1. Jänner 2007geltende Bundesrecht, soweit es im Bundesgesetz-blatt oder in seinen Vorläufern kundgemacht ist.Ein Leuchtturm in der Flut der Gesetze, für Juri-sten unverzichtbar, für interessierte Staatsbürgernützlich! J. D.

Langer: Außerstreitgesetz 2003, 2., aktualisierteAuflage. Wien/Graz: Neuer Wissenschaftlicher Verlag,2007. 595 Seiten, broschiert, EUR 58,80.

In Deutschland ist für das, wofür bei uns seitalters der Begriff „Verfahren außer Streitsachen“eingeführt ist, die Bezeichnung „freiwillige Ge-richtsbarkeit“ üblich, was verständlicher wirkt.Der Band bringt eine erste grobe Übersicht bzw.Orientierung über den Inhalt des neuen Außer-streitgesetzes 2003, das an die Stelle des alten Ge-setzes aus 1854 (!) getreten ist: Da geht es insbe-sondere um das Verfahren in Ehe-, Kindschafts-und Sachwalterschaftsangelegenheiten – Letzterewerden mit Wirkung vom 1. Juli 2007 neu geregelt–, um das Verlassenschaftsverfahren, um Beur-kundung u. Ä. Daneben werden auch wohnrecht-liche Vorschriften, das Unterhaltsvorschussgesetz,die Einräumung von Notwegen, das neue Patien-tenverfügungs-Gesetz zu dieser rechtlichen Groß-familie gezählt und in diesem Werk abgedrucktund kurz erläutert. Folglich verdient der Bandbreite Beachtung. Josef Demmelbauer

Linz zwischen Demokratie und Diktatur. 1918–1945 (Linz-Bilder 2). Hg. von Fritz Mayrhofer undWalter Schuster. Linz, Archiv der Stadt Linz, 2006,234 Seiten, 278 Abbildungen, EUR 30,–.

ISBN-10: 3-900388-86-5ISBN-13: 978-3-900388-86-7

Dieser Bildband dokumentiert mit teilweiseeinzigartigen und bisher unveröffentlichten Fotosden Weg der Stadt Linz vom Zerfall der Monar-chie über die Umbruchzeit nach 1918, die Kom-munalpolitik in der Ersten Republik, den Bürger-krieg 1934, den autoritären „Ständestaat“ und dieNS-Diktatur bis zum Ende des Zweiten Welt-kriegs. Historische Prozesse, deren prägende Wir-kung für die oberösterreichische Landeshaupt-stadt weit über 1945 hinausreichte – instruktivdargestellt in einem beeindruckenden Bogen ausWort und Bild, wobei wissenschaftliche Sachkom-petenz und die Objektivität der Themenbehand-lung den dokumentarischen Anspruch zu hundertProzent einlösen.

Das vom Archiv der Stadt Linz innerhalb derReihe „Linz-Bilder“ als Band zwei herausge-brachte Werk, das u. a. neueste Erkenntnisse zurLinzer Stadtgeschichte einschließt, verdient brei-teste Beachtung. Erhältlich ist es im auch im Buch-handel.

BerichtigungDurch ein bedauerliches Missverständniswurden beim Rezensionsaufsatz zum Band„Karpatenbeeren. Bairisch-österreichischeSiedlung, Kultur und Sprache in den ukrai-nisch-rumänischen Waldkarpaten“ (Oö. Hei-matblätter 3/4-2006) auf den Seiten 215–222Herausgeber- und Rezensentennamen ver-tauscht.Mitherausgeber des Bandes ist – neben Ste-phan Gaisbauer – Hermann Scheuringer, ver-fasst wurde der Rezensionsaufsatz von HansGehl, Tübingen.

Die Redaktion

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2007 HEFT 1/2

KULTUR

OÖ. HEIMATBLÄTTERBeiträge zur Oö. Landeskunde I 61. Jahrgang I www.land-oberoesterreich.gv.at

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