6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
Es gibt zeitlich konstante und zeitlich vedinderliche Felder, letztere unterteilt man in langsam und schnell vedi.nderliche Felder, Bild 6.1.
ELEKTROMAGNETISCHE FELDER
------------ ---------Zeitlich konstante Felder a/at = 0
Elektro- Magneto- Stati-statisches statisches sches E-Feld H-Feld J-Feld
Laplace-Glelchung
Stationiire Felder (ortsfeste bzw. ruhende Felder)
Zeitlich vedinderliche Felder a/at*- 0
----- --==---= Langsam Schnell veranderliche Felder veranderliche Felder
~I------- /~ Quasi- Quasi- QIJasi- Quasi- Elektro-
statisches statisches statisches stationlires magnet. E-Feld H-Feld J-Feld J-Feld Wellen
Diffusions- WelIen-Gleichung Gleichung
Laplace-Gleichung
'------- ~--------' -----Quasistationiire Felder
(quasi ortsfest) Nichtstationiire
Felder (nicht ortsfest)
Bild 6.1: Einteilung elektrischer und magnetischer Felder.
A. J. Schwab et al., Begriffswelt der Feldtheorie© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998
118 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
Ruhende Felder sind durch ruhende Ladungen oder durch gleichfOrmig bewegte Ladungen mit zeitlich konstanter Ladungsdichte p gekennzeichnet. Hierzu zahlen also auch alle Felder, die technisch mit Gleichspannung und Gleichstrom erzeugt werden. Die FeldgroBen E, D,. H, B, J und p sind keine Funktionen der Zeit, es gilt a/at =0. Aile zeitlich veranderlichen Ausdriicke der Maxwellschen Gleichungen nehmen den Wert Null an. Zwischen elektrischen und magnetischen Feldern besteht keine wechselseitige Kopplung, beide Felder konnen allein oder gleichzeitig nebeneinander existieren, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen.
Ruhende Felder unterteilt man in elektrostatische Felder, magnetostatische Felder und statische Stromungsfelder. Man bezeichnet diese Felder iibergreifend auch als stationare Felder, d.h. ortsfeste Felder, deren FeldgroBen an den Ort ihrer Erzeugung gebunden und daher nur Funktionen von Ortsvariablen sind.
In zeitlich veranderlichen Feldern konnen aile Fe1dgroBen zeitabhangig sein. Dariiber hinaus erzeugen veranderliche magnetische Felder in ihrer Umgebung gemaB dem Induktionsgesetz elektrische Wirbelfelder, veranderliche elektrische Felder entsprechend ihrem Verschiebungsstrom magnetische Wirbelfelder. Veranderliche elektrische und magnetische Felder treten nur gekoppelt auf, man spricht daher vielfach von elektromagnetischen Feldern. Inwieweit sich die Kopplung im Einzelfall bemerkbar macht, wird spater noch ausfiihrlich erlautert.
Zeitlich veranderliche Felder unterteilt man zunachst in langsam und schnell veranderliche Felder.
Bei langsam veranderlichen Feldern stimmt zu jedem beliebigen Zeitpunkt
- eine Momentaufnahme E(r,tv) mit dem elektrostatischen Feld einer dem festgehaltenen Augenblick entsprechenden ruhenden Ladungsverteilung praktisch iiberein,
- eine Momentaufnahme H(r,tv) mit dem magnetostatischen Feld eines dem Augenblickswert des veranderlichen Stroms entsprechenden Gleichstrom praktisch iiberein,
- eine Momentaufnahme Hr,tv) mit dem statischen Stromungsfeld eines dem Augenblickswert des veranderlichen Stroms entsprec):1enden Gleichstrom praktisch iiberein (veranderliches Stromungsfeld ohne Stromverdrangung).
6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder 119
Orts- und Zeitabhangigkeit sind offensichtlich entkoppelt. Langsam veranderliche Felder konnen c;laher mit den fur statische bzw. stationare Felder gilltigen Methoden, beispielsweise mit der jeweils zutreffenden Potentialgleichung beschrieben werden. Felder mit entkoppelte:r: Orts- und Zeitabhangigkeit bezeichnet man als quasistatische Felder.
Beim quasistatischen elektrischen Feld liegt die Ursache fur die Ubereinstimmung mit dem statischen Feld darin, daB in langsam veranderlichen elektrischen Feldem die zeitliche Anderung der elektrischen FluBdichte D, das heiBt die Dichte des Verschiebungsstroms Jv = D, sehr kleine Werte annimmt. Infolgedessen treten das mit ihm verkniipfte Magnetfeld bzw. auch das von dies em induzierte elektrische Wirbelfeld nicht spiirbar in Erscheinung (s. 6.2.1).
Beim quasistatischen Magnetfeld und beim veranderlichen Stromungsfeld ohne Stromverdriingung ergibt sich die Obereinstimmung dadurch, daB in Leitem fiir alle praktisch denkbaren Frequenzen der Verschiebungsstrom und sein Magnetfeld grundsatzlich gegen den Leitungsstrom und dessen Magnetfeld vemachlassigt werden konnen (s. 3.1.2), und auBerdem die Anderungen so langsam erfolgen sollen, daB das yom Magnetfeld des Leitungsstroms im Leiter induzierte elektrische Wirbelfeld das den Leitungsstrom treibende elektrische Feld nicht merklich beeinfiuBt, d.h.,
(6-1)
im Leiterinnem (s.a. 6.2.4).
Langs der gesamten yom Leiter gebildeten Stromschleife muB t E . dr nicht notwendigerweise Null sein (Selbstinduktionsspannung). Selbstverstandlich wird auch das yom Verschiebungsstrom des elektrischen Streufelds auBerhalb des Leiters herriihrende Magnetfeld gegeniiber dem Magnetfeld des Leitungsstroms vemachHissigt.
In schnell veranderlichen Feldem wachst die Verschiebungsstromdichte D proportional mit der Anderungsgeschwindigkeit bzw. Frequenz des elektrischen Felds, was bei Leitem und Nichtleitem unterschiedliche Konsequenzen hat. In Leitem ist der Verschiebungsstrom nach wie vor vemachlassigbar, das yom Magnetfeld des Leitungsstroms im Leiter induzierte elektrische Wirbelfeld jedoch nicht mehr. Die Oberlagerung des induzierten elektrischen Wirbelfelds und des auBeren den Leitungsstrom treibenden elektrischen Felds fUhrt zu der bei hohen Frequenzen beobachteten Stromver-
120 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
drangung (s.a. 6.2.4). Das Stromungsfeld mit Stromverdrangung besitzt einen anderen Verlauf (Stromungsprotil) als das ruhende Stromungsfeld und das veranderliche Stromungsfeld ohne Stromverdrangung. Die FeldgroBen im Leiter sind jetzt Funktionen von Ort und Zeit. Ihre Beschreibung muB mit der sogenannten Wiirmeleitungsgleichung bzw. Dittusionsgleichung erfolgen (s. 6.2.4).
Den folgenden Feldern
- Quasistatisches elektrisches Feld - Quasistatisches magnetisches Feld - Veranderliches Stromungsfeld ohne Stromverdrangung - Veranderliches Stromungsfeld mit Stromverdrangung
ist gemeinsam, daB die induzierende Wirkung des Magnettelds des Verschiebungsstroms vernachlassigt wird, in Leitern der Verschiebungsstrom iiberhaupt. Diese Felder nennt man iibergreifend quasistationar, da sie trotz ihrer Orts- und Zeitabhangigkeit keinen Wellencharakter besitzen und nach wie vor ortsfest sind. Quasistatische Felder entbehren wegen der Entkopplung ihrer Orts- und Zeitabhangigkeit grundsatzlich der Ausbreitungsfahigkeit, beim Stromungsfeld mit Stromverdrangung bleibt die durch die Warmeleitungs- bzw. Diffusionsgleichung beschriebene Ausbreitung auf das Innere der ortsfesten Leiter beschrankt (s. a. 6.2.4).
Quasistatische Felder bilden eine Untermenge der quasistationaren Felder. Die Charakterisierung quasistationarer Felder durch die pauschale Forderung nach Vernachlassigung des Verschiebungsstroms fiihrt oft zu Verwirrung, da in Kondensatoren von Wechselstromkreisen im wesentlichen nur der Verschiebungsstrom flieBt, obwohl es sich urn quasistatische bzw. quasistationare elektrische Felder handelt. In Kondensatoren wird denn auch nicht der Verschiebungsstrom selbst, sondern nur das mit seinem Magnetfeld verkniipfte elektrische Wirbelfeld vernachlassigt, das heiBt nur die induzierende Wirkung des Verschiebungsstroms (s. 6.2.1).
SchlieBlich verbleiben die schnell vedinderlichen Felder, bei denen die induzierende Wirkung des Verschiebungsstroms im Nichtleiter nicht vernachlassigt wird. In diesem Fall sind die FeldgroBen E, D, H, B, Jauch im freien Raum Funktionen von Ort und Zeit. Elektrisches und magnetisches Feld sind streng miteinander gekoppelt und breiten sich als elektromagnetische Welle in den Raum aus. Schnell veranderliche Felder mit Wellencharakter werden als nichtstationare Felder bezeichnet, sie sind grundsatzlich nicht
6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder 121
ortsfest. Ihre mathematische Beschreibung erfolgt mit den Wellengleichungen (s. 6.3.1).
1m folgenden werden die verschiedenen Felder hinsichtlich ihres zeitlichen und ortlichen Verhaltens noch naher charakterisiert. AuBerdem werden formale Kriterien angegeben, die eine quantitative Abgrenzung quasistationarer Felder gegen nichtstationare Felder bzw. elektromagnetische Wellen erlauben.
6.1 Stationare Felder
6.1.1 Elektrostatische Felder
Elektrostatische Felder existieren in der nichtleitenden Umgebung ruhender Ladungen, beispielsweise in der Nahe elektrisch aufgeladener Isolierstoffe oder zwischen Elektroden, die mit einer Gleichspannungsquelle verbunden sind. Es flieBen keine Strome, d.h. gegenUber allgemeinen stationaren Feldern gilt wegen (J = 0 zusatzlich die Einschrankung J = O. Elektrostatische Felder sind wirbelfrei, rot E(r) = O. Ihre Ursache sind elektrische Ladungen mit der Quellendichte
div D(r) = p(r) , (6-2)
sie gehoren zur Klasse der Quellenfelder (s. 2.1). In den Gebieten zwischen den Ladungen bzw. den Elektroden sind sie wirbel- und quellenfrei. FUr elektrostatische Felder gelten im allgemeinen folgende Gleichungen:
FELDGLEICHUNGEN DER ELEKTROSTATIK
INTEGRALFORM DIFFERENTIALFORM
feE ·dr = 0 rotE = 0
fp·dA =Q divD = p
D=EE L\<p = _£. £
(6-3)
122 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
In raumladungsfreien, d.h. quellenfreien Gebieten setzt man in obigen Gleichungen Q=O und p=O. Die Berechnung elektrostatischer Felder erfolgt entweder unmittelbar aus dem GauRschen Gesetz oder indirekt durch Berechnung der Potentialfunktion <p und anschlieRender Differentiation (Gradientenbildung). Die Potentialfunktion <p(r) wird wahlweise aus einer vorgegebenen Ladungsverteilung oder als Lasung der Potentialgleichungen (bei Randwertproblemen) fiir das raumladungsfreie bzw. raumladungsbehaftete Feld ermittelt.
6.1.2 Magnetostatische Felder
Magnetostatische Felder existieren innerhalb und auRerhalb gleichstromfiihrender Leiter, sowie in der Umgebung von Permanentmagneten. Auch die konstante Verschiebungsstromdichte eE = i> eines sich zeitlich linear andernden elektrischen Feldes ist mit einem magnetostatischen Feld verknlipft, worauf hier jedoch nicht weiter eingegangen werden solI. Magnetostatische Felder sind quellenfrei, es gibt keine magnetischen Ladungen, div B (r) = o. Die Ursache magnetostatischer Felder sind bewegte elektrische Ladungen bzw. ihnen aquivalente Gleichstrame (Wirbel) mit der Wirbeldichte rot H(r) = Jdr), (s. 2.2). In stromfreien Gebieten, d.h. auRerhalb von Leitern bzw. zwischen Leitern, sind magnetische Felder wirbel- und quellenfrei. Flir magnetostatische Felder gelten folgende Gleichungen
FELDGLEICHUNGEN DER MAGNETOSTATIK
INTEGRALFORM DIFFERENTIALFORM
fcH.dr = I rotH = fL
tB.dA =0 divB = 0
B =IlH ~<Pm = 0 ~A = -IlJL
(6-4)
6 . 1 Stationare Felder 123
Die Berechnung magnetischer Felder erfolgt entweder unmittelbar aus dem Durchflutungsgesetz oder indirekt durch Ermittlung einer skalaren Potentialfunktion <i>m(r) bzw. einer vektoriellen Potentialfunktion A(r) und anschlieBender Differentiation,
H =-grad<i>m bzw. B=J.1H=rotA . (6-5)
Die skalare Potentialfunktion <i>m(r) wird wahlweise aus einer Stromverteilung oder aus der skalaren Potentialgleichung A<i>m = 0 des magnetischen Felds ermittelt, wobei <i>m nur auBerhalb strornfiihrender Leiter anwendbar ist. Die vektorielle Potentialfunktion A(r) (magnetisches Vektorpotential) wird wahlweise aus einer gegebenen Stromverteilung oder aus der veldoriellen Potentialgleichung des magnetischen Felds,
(6-6)
ermittelt, sie gilt auch innerhalb strornfiihrender Leiter.
6.1.3 Statisches Stromungsfeld (Gleichstrom-Stromungsfeld)
Wie bereits in Kapitel 1 erwahnt, stellt sich im elektrischen Feld bei O":t:O parallel zum elektrischen FluB", ein StromfluB I ein. Da in technischen Leitern die elektrische Leitfahigkeit 0" fur den Stromflull I vergleichsweise viel groBer ist, als die dielektrische Leitfahigkeit e fur den elektrischen Flull ljI,
tritt bei den kleinen Feldstarken technischer Leiter nur der StromfluB in Erscheinung. Dies gilt auch fur Elektrolyte, Meerwasser oder Erdreich.
Voraussetzung fur die Aufrechterhaltung eines gleichfOrmigen Stromflusses ist das Vorhandensein einer Gleichspannungsquelle, z.B. einer Batterie, sowie eines geschlossenen Stromkreises, in dem sich ein Gleichstrom ausbilden kann. Verbindet man beispielsweise zwei diagonal gegenUberliegende Enden eines Metallblechs mit einer Gleichspannungsquelle, so stellt sich im Metall die in Bild 6.2 gezeigte raumliche Stromverteilung bzw. Stromdichteverteilung (s. 1.1.3) ein.
124 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
Bild 6.2: Stromungsfeld eines gleichstromdurchflossenen, diagonal eingespeisten leitfiihigen Blechs.
Das Vektorfeld Jdr) der Stromdichte in Leitern nennt man Stromungsfeld (s. 1.1.3). An jeder Stelle der Leiter gilt das Ohmsche Gesetz in Punktform
I Jdr) = crE(r) I (6-7)
Man beachte die formale Analogie zu den Beziehungen zwischen den FluBdichten und Feldstarken im elektro- und magnetostatischen Feld, D =£ E und B = f.l H, s. a. Kapitel 1. Abhangig von der Leitfahigkeit unterschiedlicher Leiterwerkstoffe stell en sich bei konstant gehaltener Feldstarke unterschiedliche Stromdichten ein. Solange der Integrationsweg nicht tiber die Spannungsquelle fUhrt, gilt an jeder Stelle des Stromungsfelds wie im elektrischen Feld
bzw. rotE = 0 (6-8)
Desgleichen gilt in der Umgebung (auBerhalb) der Spannungsquelle fUr jedes Gebiet bzw. jeden Punkt
bzw. divJL = 0 (6-9)
6 . 1 Stationare Felder 125
Das statische bzw. stationare Stromungsfeld ist ein wirbel- und quellenfreies Vektorfeld wie das elektrostatische Feld zwischen spannungfuhrenden Elektroden, fur das bekanntlich gilt
tD.dA=O bzw. divD = 0 (6-10)
Aufgrund der formalen Identitat zwischen der FluBdichte JL des Leitungsstromflusses lund der FluBdichte D des elektrischen Flusses 'II konnen daher elektrostatische Felder auch tiber die Ausmessung VOn Stromungsfeldern auf Widerstandspapier oder in einem elektrolytischen Trog ermittelt werden.
Wei! das statische bzw. stationare Stromungsfeld wirbel- und quellenfrei ist, gilt auch fur das Innere gleichstromdurchflossener Leiter die Laplace-Potentialgleichung.
Mit div 1L = 0 und 1L = crE erhalt man durch Substitution zunachst
divcrE = 0 , (6-11)
und mit E = -grad <p
div grad<p = 0 , (6-12)
was gemaB Kap. 4.4.1 abgektirzt
Ll<p = 0 (6-13)
geschrieben werden kann.
Mit anderen Worten, aIle Methoden zur Losung elektrostatischer Feldprobleme sind auch auf ruhende Stromungsfelder anwendbar. Umgekehrt macht die experimentelle Bestimmung von Stromungsfeldern in vielen Fallen die Berechnung elektrostatischer Felder entbehrlich.
Zusammenfassend gelten fur das statische bzw. stationare Stromungsfeld folgende Gleichungen
126 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
MAXWELLSCHE GLEICHUNGEN FOR
STATISCHE STROMUNGSFELDER
INTEGRALFORM DIFFERENTIALFORM
fcE .dr =0 divE = 0
fA JL ·dA = 0 divJL = 0
1L = crE .1.q> = 0 (6-14)
Stationare Stromungsfelder sind innerhalb und auEerhalb der Leiter mit einem magnetischen Feld verlmtipft, was gelegentlich wegen
und rotH = JL , (6-15)
als Kopplung zwischen elektrischem und magnetischem Feld auch im stationaren Fall interpretiert wird. Diese "Kopplung" wirkt jedoch nur in einer Richtung, d.h. ein elektrisches Feld bewirkt tiber die von ihm erzeugte Stromdichte auch ein Magnetfeld, nicht aber umgekehrt. Je nach Wahl von cr lassen sich die elektrische und die magnetische Feldstarke unabhangig voneinander einstellen, das elektrische Feld kann ohne Kenntnis des magnetostatischen Felds allein aus der Ladungsverteilung berechnet werden. Etwaige statische Magnetfelder benachbarter Stromkreise beeinflussen das elektrische Feld ebenfalls nicht. Die Natur der Kopplung, wie sie gewohnlich als Kriterium zur Unterscheidung zwischen stationaren und nicht stationaren Feldern verstanden wird, beschreibt die in beiden Richtungen erfolgende Wechselwirkung zwischen zeitlich veranderlichen elektrischen und magnetischen Feldern. Sie schlieEt auch eine Rtickwirkung des Magnetfelds durch Induktion auf die elektrische Feldstarke ein, die· den fur das Magnetfeld verantwortlichen Strom durch einen Leiter treibt (s. 6.2). Hierauf wird in den Abschnitten tiber elektrische Wirbelfelder und Elektromagnetische Wellen noch ausfuhrlich eingegangen (s. 6.2.4 und 6.3)
6.2 Quasistationare Felder 127
6.2 Quasistationare Felder
6.2.1 Quasistatische elektrische Felder
Typische Beispiele fur quasistatische elektrische Felder sind die Felder in Kondensatoren, das elektrische Nahfeld in unmittelbarer Umgebung von Antennen, die Felder zwischen Leiterseilen von Hochspannungsleitungen, die 50Hz-Streufelder von di.umlich ausgedehnten Hochspannungsbauelementen usw. Ob ein elektrisches Feld als quasistatisch bezeichnet werden kann oder nicht, hangt von der betrachteten Anordnung und der Anderungsgeschwindigkeit bzw. der Frequenz der an der Anordnung liegenden veranderlichen Spannung abo Beispielsweise besteht zwischen den Platten eines an 50Hz-Wechselspannung liegenden Plattenkondensators in jedem Augenblick ein den Momentanwerten der Plattenpotentiale bzw. der an ihnen liegenden Spannung entsprechendes Quellenfeld EQ(r). AuBerdem flieBt ein Wechselstrom (Verschiebungsstromdichte aD/at), dessen zeitlich veranderliches Magnetfeld aB/at mit einem elektrischen Wirbelfeld Ew(r) der Wirbeldichte
aB rotEw =-
at
verkniipft ist (Induktionsgesetz in Differentialform, S. 3.3.1), Bild 6.3.
Bild 6.3: Elektrisches Feld in einem Plattenkondensator bei Wechselspannung.
(6-16)
Urn Gleichung (6-16) nach der Feldstarke Ew(r) aufiosen zu konnen, stell en wir das Magnetfeld des Verschiebungsstroms aus einem Vektorpotential dar,
128 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
d.h. B = rot A (s. 5.3), substituieren dieses in obige Gleiehung und vertausehen die Reihenfolge der Differentiation,
aB a aA rotEw = -- = --rotA = -rot-
at at at (6-17)
Dureh Integration, das heiRt Multiplikation von (6-17) mit dem in Kapitel 7 erklarten Integraloperator rot-I, konnen wir sehlieRlieh der elektrisehen Wirbelfeldstiirke (unter der Annahme der Coulomb-Eiehung, s. 6.3.2) ein zeitlieh veriinderliehes Vektorpotential zuordnen
aA Ew =-
at (6-18)
1m allgemeinen Fall veriinderlieher Felder setzt sich die elektrisehe Feldstiirke in einem Raumpunkt aus zwei Komponenten zusammen
bzw.
aA(r t) E(r, t) = -grad <per, t) - '
at (6-19)
Die Bedeutung letzterer Komponente hiingt von der Gesehwindigkeit ab, mit der sich das magnetisehe Vektorpotential zeitlieh iindert. Bei 50 Hz ist die zeitliehe Anderung des mit dem Versehiebungsstrom verkniipften magnetisehen Felds so gering, daR der ortliehe Beitrag der Wirbelfeldstiirke Ew(r) gegeniiber der Quellenfeldstiirke EQ(r) vernaehliissigt werden kann. Eine Momentaufnahme eines langsam veriinderlichen Felds in einer Kondensatoranordnung zeigt die gleiche Feldstiirkeverteilung E(r) wie das zum gleichen Augenbliekswert der Kondensatorspannung gehorende elektrostatisehe Feldbild mit ruhender Ladungsverteilung. Das quasistatisehe elektrisehe Feld E(r) bereehnet sich daher wie im elektrostatisehen Fall allein aus der Ladungsverteilung bzw. der dureh sie bestimmten Potentialfunktion,
E(r, t) = -grad <p(r, t) (6-20)
6.2 Quasistationare Felder 129
Es gelten allgemein die fUr das elektrostatische Feld angegebenen Gleichungen (s. 6.1).
Quasistatische elektrische Felder treten meist in typisch kapazitiven Anordnungen auf, man bezeichnet sie daher auch Miufig als kapazitive Felder bzw. im englischen Sprachgebrauch als high-impedance fields.
Die quasistatische Betrachtungsweise langsam vedinderlicher Felder setzt voraus, daB sich eine sprunghafte Anderung - beispielsweise des Potentials einer der Platten in obigem Plattenkondensator - gleichzeitig im ganzen Feldraum bemerkbar macht. Da jedoch eine elektromagnetische Wirkung an einem urn 1 entfernten Ort erst nach der Laufzeit lIv (v=1/.Jql: Ausbreitungsgeschwindigkeit im betrachteten Medium) in Erscheinung treten kann, ist diese Voraussetzung nur dann erfUllt, wenn die Anderungen rampenfOrmig in einer Zeitspanne erfolgen (Anstiegszeit T a einer Rampenfunktion, vgl. Bild 8.3), die groB ist gegen die Laufzeit innerhalb der Anordnung. Eine Abschiitzung der Zuliissigkeit quasistatischer Betrachtungsweise liefert daher im Zeitbereich folgendes Kriterium:
Ta» lIv ,
Flir viele Betrachtungen erweist sich Ta "" 5 ... lOliv als ausreichend.
1m Frequenzbereich gilt sinngemiiB fUr die Wellenliinge A
A» 1 .
Flir viele Betrachtungen erweist sich A"" 5 ... 101 als ausreichend.
Die Herkunft des Kriteriums fUr den Frequenzbereich erhellt unter anderem die Diskussion liber elektrisch kurze und elektrisch lange Leitungen in Kapitel 8.
6.2.2 Quasistatische magnetische Felder
Typische Beispiele fUr quasistatische magnetische Felder sind die Felder in Spulen rotierender elektrischer Maschinen, in Transformatoren und Dros-
130 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
seln, das magnetische Nahfeld in unmittelbarer Umgebung von Sende- und Empfangsantennen usw. Ob ein magnetisches Feld als quasistatisch bezeichnet werden kann oder nicht, hangt wieder von der betrachteten Anordnung und der Anderungsgeschwindigkeit bzw. Frequenz der an einer Spule liegenden veranderlichen Spannung abo Da in Leitern der Verschiebungsstrom grundsatzlich gegen den Leitungsstrom zu vernachlassigen ist (s. 3.1.2), wird auch das Magnetfeld in und auBerhalb von Spulen ausschlieBlich yom Leitungsstrom bestimmt. Eine Momentaufnahme eines langsam veranderlichen Felds einer Spule zeigt die gleiche Feldstarkeverteilung wie das magnetische Feld, das ein im betrachteten Moment flieBender Gleichstrom erzeugen wiirde. Das quasistatische magnetische Feld berechnet sich daher wie ein magnetostatisches Feld allein aus der augenblicklichen Stromverteilung des Leitungsstroms bzw. der durch sie bestimmten Potentialfunktion,
H(r) = -grad <Pm(r) hzw. ~(r) = roIA(r) (6-21)
Es gelten allgemein die fur das magnetostatische Feld angegebenen Gleichungen (s. 6.1.2).
Da quasistatische magnetische Felder meist in typisch induktiven Anordnungen vorkommen, bezeichnet man sie haufig als induktive Felder bzw. im englischen Sprachgebrauch als low-impedance fields.
Bei Spulen mit mehreren Windungen erlaubt die Kapazitat zwischen den Windungen einen vergleichsweise groBen Verschiebungsstrom, das Feld in diesen Kapazitaten ist aber immer noch quasistatisch. Auch die Selbstinduktion ist ein quasistatischer bzw. quasistationarer Vorgang.
Nicht mehr quasistationar verhalt sich eine Spule, wenn die aus der Drahtlange I berechnete Laufzeit lIv nicht mehr klein ist gegen die Anstiegszeit T a
einer sprunghaften Anderung der auBeren Spannung. Es gelten die gleichen Kriterien wie im quasistatischen elektrischen Feld:
Zeitbereich : Ta »1/ v
Frequenzbereich: A. »1 .
Bei Einhaltung dieser Kriterien bezeichnet man eine Spule als elektrisch kurz oder als konzentriertes Bauelement, bei Nichteinhaltung als elektrisch
6.2 Quasistationare Felder 131
lang bzw. als Leitung mit verteilten Parametern. Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich auch elektrisch lange Leitungen mit quasistationaren Methoden behandeln (Wanderwellentheorie), worauf in Kapitel8 eingegangen wird. Weiter tritt das Problem "elektrisch lang ,bzw. kurz" auch in Kondensatoren mit ausgedehnten Belagen auf, was hier ebenfalls nicht vertieft werden kann.
6.2.3 Quasistatische Stromungsfelder
Quasistatische Stromungsfelder treten in wechselstromdurchflossenen Leitern, in ImpulsstrommeBwidersUinden, im elektrolytischen Trog usw. auf, solange Stromverdrangungserscheinungen keine Rolle spiel en. Ob ein Stromungsfeld als quasistatisch bezeichnet werden kann oder nicht, hangt wieder von der betrachteten Anordnung ul1d der Anderungsgeschwindigkeit bzw. Frequenz der den Leitungsstrom treibenden veranderlichen Spannung abo Da wir uns nur fur das Innere von Leitern interessieren, und dort der Verschiebungsstrom grundsatzlich vernachlassigt werden kann, stellt sich in Leitern das quasistatische Stromungsfeld ein, wenn die Wirbelsilirke f E . dr bzw. die Wirbeldichte rot E des yom Magnetfeld des Leitungsstroms erzeugten elektrischen Wirbelfelds im Leiterinnem keine merklichen Werte annehmen. Eine Momentaufnahme Jdr,t) eines veranderlichen Stromungsfelds stimmt dann mit dem statischen Stromungsfeld eines dem Augenblickswert des veranderlichen Stroms entsprechenden Gleichstrom uberein. Fur das quasistatische Stromungsfeld ohne Stromverdrangung gelten daher alle fur das statische Stromungsfeld angegebenen Gleichungen unverandert. Langs der gesamten Leiterschleife darf f E . dr durchaus von Null verschiedene Werte annehmen (z.B. Selbstinduktionsgesetz).
6.2.4 Stromungsfelder mit Stromverdrangung
Bei groBen Anderungsgeschwindigkeiten bzw. hohen Frequenzen kann das yom Magnetfeld des Leitungsstroms im Leiter induzierte elektrische Wirbelfeld Ew nicht mehr gegen das den Leitungsstrom erzeugende auBere Quellenfeld Ea vernachlassigt werden. Beide Felder sind derart gerichtet, daB sie sich an den Leiteroberflachen unterstutzen, in der Leiterseele teilweise auf-
132 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
heben, was wegen JL =<rE zu den bekannten Stromverdrangungserscheinungen bei hoheren Frequenzen fuhrt, Bild 6.4.
~ • B
.. @ Ew x ....
• . Ea ® : Ew ..
Bild 6.4: Langsschnitt durch einen runden Leiter zur Erlauterung der Stromverdrangung.
Das Stromungsfeld gentigt nun nicht mehr der Laplace-Gleichung
Ll<p = 0 ,
vielmehr sind die Felder E, JL, H, B jetzt Funktionen von Ort und Zeit. In Leitern muE die elektrische Feldstarke zwei Bedingungen gentigen, wobei in ersterer der Verschiebungsstrom gegen den Leitungsstrom vernachlassigt wird (s. 3.2),
rotH = crE + f~ und aB aH rotE =-- =-11-at at
(6-22)
Aus diesen beiden Gleichungen ftir die FeldgroEen E und H eliminieren wir H, indem wir zunachst auf beiden Seiten der rechten Gleichung den Differentialoperator rot anwenden und die Reihenfolge der zeitlichen und diumlichen Differentiation vertauschen,
aH a rot rotE = -11 rot- = -11-rotH
at at (6-23)
und anschlieEend rot H mit Hilfe der linken Gleichung ersetzen,
6.2 Quasistationare Felder
aE rot rot E = -O'j...l
at
133
(6-24)
Jetzt machen wir wieder von der bereits in 5.4 verwendeten Vektoridentitat (s.a. A3)
Gebrauch und erhalten
rot rot X = grad div X - fiX
grad div E - Lffi = -O'j...l aE at
(6-25)
(6-26)
Da das Stromungsfeld quellenfrei ist, d.h. div JL = div 0' E = 0, nimmt auch grad div E den Wert Null an, so daB man als Bestimmungsgleichung flir E die sogenannte Diffusionsgleichung erhalt (s. a. 9.4),
(6-27)
Schneller und ohne den Kunstgriff zur Vektoridentitat kommt man wieder mit dem neuen Integraloperator rot-1 zum Ziel. Da die Gleichungen (6-22) bis (6-24) ohnehin nur den Zusammenhang zwischen Wirbelfeldern und ihren Wirbeldichten beschreiben, laBt sich auf diese Gleichungen der neue Integraloperator rot-1 eindeutig als inverser Operator anwenden (s. 7.2). Zweimal angewandt auf (6-24) erhalten wir
aE rotrotE = -O'j...lTt l·rot-1
aE rotE = rot~-l O'j...l- l·rot-1 at
und nach Anwendung des Laplace-Operators, wie schon gehabt,
(6-28)
(6-29)
(6-30)
134 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
(6-31)
Zur vereinfachten rechnerischen Behandlung zahlreicher Feldprobleme mit zeitlich sinusfOrmig sich andemden GroBen wird diese Gleichung haufig in komplexer Darstellung verwendet,
(6-32)
Eliminiert man altemativ in (6-22) und (6-23) die elektrische Feldstarke, so erhalt man fUr die magnetische Feldstarke
bzw. AH = jroO'IlH (6-33)
Mit h=O' E erhalt man schlieBlich auch die Gleichung fUr das Stromungsfeld
AJ = 0'11 aJL L ,... at bzw.
(6-34)
Fur jroO'Il schreibt man zur Abkurzung oft k2 mit der Wirbelstromkonstanten k = ~jroO'Il.
Mit k nehmen die komplexen Gleichungen folgende Form an,
bzw. (6-35)
Fur eindimensionale Feldprobleme ergibt die Losung der beiden Gleichungen beispielsweise fUr die elektrische Feldsilirke
~(x) = ~(O)e-kx . (6-36)
6.2 Quasistationare Felder 135
Setzen wir k = (1 +j)/o erhalt man fur die Feldstarkeverteilung im Innern eines ebenen Leiters mit Stromverdrangung (x von der Leiteroberflache aus gezahlt)
(6-37)
Der Faktor e-x / o beschreibt die Dampfung, der Faktor e- jx/ o die Phasendrehung. Bild 6.5 zeigt den raumlichen Verlauf der Amplitude der elektrischen Feldstarke E bzw. der Stromdichte J beim Eindringen einer ebenen elektromagnetischen Welle in eine unendlich ausgedehnte Metallwand endlicher Leitfahigkeit.
IE (0) I =
~ I Ey(O) I
- -----1 I
I I I
1 I I
• I
~ I .1 .1
20 30 40 50 60 nO
BUd 6.5: Abklingen der Amplitude der elektrischen Feldstarke beim Eindringen einer ebenen Welle in eine unendlich ausgedehnte Metallwand endlicher Leitfahigkeit. Abszisse x geteilt in Vielfachen der Eindringtiefe o.
1m Abstand x = 0 von der Oberflach~ hat sich der Betrag der Feldstarke auf den e-ten Teil verringert,
(6-38)
Die GroBe 0 wird daher lIe-Eindringtiefe oder einfach Eindringtiefe genannt,
136 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
s:_~_~ u- --- --7tfajl (OO'jl. (6-39)
Die Berechnung der Flache unter der Exponentialkurve durch Auswertung des zugehorigen uneigentlichen Integrals fuhrt auf A = 0 J(O) und damit auch zu einem Rechteck gleicher Flache mit der Breite 0 und der Hohe J(O). Mit anderen Worten, eine tiber die Eindringtiefe 0 konstante Stromdichte J(O) wiirde zum gleichen Leiterstrom fuhren. Die Eindringtiefe wird daher oft als aquivalente Leitschichtdichte bezeichnet.
Ftir o»d, beispielsweise die groBte lineare Abmessung eines Leiterquerschnitts, kann die Stromverdrangung vernachlassigt werden, es herrscht dann ein quasistatisches Stromungsfeld.
Obige orts- und zeitabhangigen Differentialgleichungen fur die elektrische bzw. magnetische Feldstarke beschreiben nicht die Ausbreitung einer Welle im tiblichen Sinn (dies vermag erst die im nachsten Abschnitt hergeleitete Wellengleichung) sondern einen Diffusionsvorgang; sie entsprechen in ihrem Typ den bekannten Warmeleitungs- bzw. Diffusionsgleichungen (s. Kap. 9). 1m Gegensatz zu echten Wellenvorgangen, bei denen sich die Wirkung einer StOrung auch bei Anwendung empfindlichster Nachweismethoden frtihestens nach Verstreichen der Laufzeit der Anordnung bemerkbar macht, laBt sich bei Vorgangen, die von Differentialgleichungen obigen Typs, das heiBt von Diffusionsgleichungen, beschrieben werden, die Existenz einer Storung unmittelbar nach ihrem Auftreten im gesamten System nachweisen, sofern nur empfindlich genug gemessen wird. Dies macht zum Beispiel den wesentlichen Unterschied zwischen einer echten Leitung und ihrer Nachbildung als Kettenleiter aus. In ersterem Fall macht sich eine Spannung am Eingang der Leitung erst nach einer endlichen Verzogerungszeit (synonym mit Laufzeit) am Ausgang der Leitung bemerkbar, in letzterem Fall sofort beim Anlegen der Spannung. Aus diesem Grund ist bei Kettenleitern die Angabe einer Ausbreitungsgeschwindigkeit leicht irrefuhrend, da letztere fur a =f:. 0 von der Empfindlichkeit der Nachweiseinrichtung abhangen wiirde. Das Stromungsfeld mit Stromverdrangung zahlt daher mangels echter Ausbreitungsfahigkeit im Sinn eines Wellenvorgangs nicht zu den nichtstationaren sondern zu den quasistationaren Feldern, wobei auch hier wie im quasistatischen Feld einer Spule oder im quasistatischen Feld eines Kondensators gilt, daB die Leiterabmessungen klein gegen die Wellenlange sein mtissen.
6.3 Nichtstationare Felder - Elektromagnetische Wellen 137
6.3 Nichtstationare Felder - Elektromagnetische Wellen
6.3.1 Wellengleichung
Wenn die Anstiegszeit von Schaltvorgangen die GroBenordnung der Laufzeiten bzw. die Wellenlange sinusfOrmiger Vorgange die GroBenordnung der linearen Abmessungen der Leiter erreichen, verlieren zeitlich veranderliche Felder ihren ortsfesten, quasistatischen Charakter. Die Felder lOsen sich von den Leitern der Anordnung ab und breiten sich in Form elektromagnetischer Wellen in den Raum aus. Dies ist in Bild 6.6 schematisch angedeutet.
Bild 6.6: Schematische Darstellung des Ausbreitungsvorgangs elektromagnetischer Wellen.
Beispielsweise ist ein schnell veranderlicher Strom io(t) in einem Leiter mit einem ihn konzentrisch umgebenden, schnell veranderlichen Magnetfeld Ho(r,t) verkniipft, dessen Feldlinien gemaB dem Induktionsgesetz wiederum von einem elektrischen Wirbelfeld Eo(r,t) umgeben sind. Die langs der elektrischen Wirbelfeldlinien flieBenden Verschiebungsstrome, beziehungsweise ihre Stromdichtelinien Jvo = Do, sind ihrerseits wiederum mit konzentrischen magnetischen Wirbelfeldlinien verkntipft usw. Erganzt man dieses Schema gedanklich flir den gesamten Raum, so iiberlagern sich beispielsweise alle Teilfelder Hv(r,t) zu geschlossenen, den Stromleiter konzentrisch umgebenden magnetischen Feldlinien usw. Das Ausbreitungsvermogen liegt darin begriindet, daB jedes aus einem veranderlichen Magnetfeld hervor-
138 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
gehende elektrische Feld und jedes aus einem veranderlichen elektrischen Feld hervorgehende magnetische Feld wegen des Wirbelcharakters notwendigerweise eine etwas groBere raumliche Ausdehnung besitzt als das jeweils vorhergehende verursachende Feld und damit auch der Abstand gegentiber der Erregung (Antenne) zunimmt.
Die Information tiber Anderungen des Momentanwerts von io(t) breitet sich mit der Lichtgeschwindigkeit des jeweiligen Mediums in den Raum aus. In der Nahe der Resonanzfrequenz einer mit Wechselspannung gespeisten Antenne andert der Antennenstrom seine Richtung schneller als daB weiter entfernte Feldkomponenten aufgrund des Laufzeitunterschieds folgen konnten. Bei der Umpolung der Antennenenden eines Dipols erfahrt das elektrische Quellenfeld EQ einen Nulldurchgang bzw. einen Richtungswechsel, was zu einem "Uberkreuzen" mit den bereits vorhandenen weiter entfernten Quellenfeldlinien fiihrt. Hierbei schlieBen sich diese in sich selbst bzw. bilden geschlossene Wirbelfeldlinien eines elektrischen Wirbelfeldes Ew, die nicht mehr der Antennenenden als Quelle bzw. Senke bedtirfen, mit anderen Worten, sich losgelost haben. Entsprechend lassen sich das gesamte elektrische Feld E und die Verschiebungsstromdichte D=£E je in eine mit der Antenne verbundene Quellenfeldkomponente und eine von ihr losgelOste Wirbelfeldkomponente zerlegen, Bild 6.7 (siehe auch A6).
Bild 6.7: Links: Momentaufnahme des elektrischen Quellen- und Wirbelfeldes EQ bzw. Ew in der Umgebung eines Hertzschen Dipols (schematisch). Rechts: Quellenund Wirbelfeldkomponente der totalen Verschiebungsstromdichte J v = J vQ + J Vw •
Der Quellenfeldanteil EQ entspricht naherungsweise dem, was man gewohnlich als quasistatisches elektrisches Nahfeld der Antenne bezeichnet, wobei die Feldlinien auf den Elektroden des Dipols beginrien und enden. Der Wirbelfeldanteil Ew entspricht in guter Naherung dem was man ge-
6.3 Nichtstationare Felder - Elektromagnetische Wellen 139
wohnlich ais Fernteld bezeichnet, dessen Feldlinien den Dipol nicht mehr beriihren und auch nicht umfassen. Wahrend die Begriffe Nah- und Fern teld Naherungen des totalen Feldes fUr die Grenzwerte r «A./21t bzw. r »A./21t (r: Abstand von der Antenne, A. =Welleniange) darstellen, reprasentieren die Quellen- und WirbelfeIdkomponenten EQ und Ew analytische Feldfunktionen. Die hier vorgenommene Zerlegung ist dank des Fundamentalsatzes der Vektoranalysis (Helmholtzscher Zerlegungssatz, s. Kapitel 2) mathematisch streng nachvollziehbar.
SinngemaB kann die Verschiebungsstromdichte Tv = aE/at in ihren Quellen- und Wirbelanteil zerlegt werden, Jv = JVQ + Jvw' Ersterer bildet zusammen mit der Antennenspannung die von einem Dipol aufgenommene kapazitive Blindieistung, letzterer iiber das mit ihm verkniipfte Wirbelfeid Hw zusammen mit dem elektrischen Wirbelfeid Ew die abgestrahlte Wirkleistung (s. Poyntingvektor, 6.3.4).
Zur mathematischen Modellierung des Ausbreitungsvorgangs elektromagnetischer Wellen gehen wir yom Durchflutungs- und Induktionsgesetz aus. Wahrend wir jedoch in den vorangegangenen quasistatischen bzw. quasistationaren Betrachtungen immer den Verschiebungsstrom bzw. sein Magnetfeid gegeniiber dem Leitungsstrom bzw. seinem Magnetfeld vernachiassigt haben, werden wir im nichtleitenden Raum den Leitungsstrom gegeniiber dem Verschiebungsstrom vernachiassigen, im Vakuum gar Null setzen (0' = 0); der Verschiebungsstrom ist dann der einzige "Strom" der noch "flieBt". Gewohnlich verwendet man bei der Behandiung von Wellenproblemen den Begriff Verschiebungsstrom jedoch nicht mehr und spricht statt seiner nur von der zeitlich veranderlichen elektrischen FIuBdichte i> (auch wenn die Vorstellung des Verschiebungsstroms bei der Modellbildung von Sende-, Ausbreitungs- und Empfangsproblemen sehr niitzlich sein kann, S. Bild 6.6 und 6.7).
Die orts- und zeitabhangigen FeIdgroBen E und H geniigen somit den GIeichungen,
und aH rotE =-1-1-at
(6-40)
Aus diesen Gleichungen eliminieren wir H, indem wir zunachst auf beiden Seiten der rechten Gieichung den Differentialoperator rot anwenden und die Reihenfolge der raumlichen und zeitlichen Differentiation vertauschen,
140 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
aH a rot rotE = -~rot- = -~-rotH at at (6-41)
und anschlieBend rot H mit Hilfe der linken Gleichung ersetzen,
(6-42)
Ublicherweise wird unter Zuhilfenahme des Kunstgriffs der Vektoridentitat rot rotX = grad div X - AX und unter Annahme der alleinigen Existenz von Wirbelfeldern, das heiBt graddivX = 0, (6-42) in eine Wellengleichung uberfuhrt. Bei Beschrankung auf Wirbelfelder, das heiBt grad div X = 0, durfen wir aber auch problemlos den in Kapitel 7 vorgestellten inversen Integraloperator rot-1 anwenden. Wir integrieren daher (6-42) zweimal durch Multiplikation mit rot-1,
I· rot-1 (6-42a)
I· rot-1 (6-43)
(6-44)
Nach Erweitern mit dem Laplace-Operator erhalten wir die Wellengleichung des elektrischen Wirbelfelds
(6-45)
Analog ergibt sich durch Elimination von E die Wellengleichung fUr das magnetische Wirbelfeld
(6-46)
6.3 Nichtstationare Felder - Elektromagnetische Wellen 141
Beide Vektordifferentialgleichungen lassen sich in einem kartesischen Koordinatensystem in drei skalare Wellengleichungen zerlegen,
(6-47)
Zur vereinfachten rechnerischen Handhabung werden die Wellengleichungen haufig in komplexer Darstellung verwandt,
bzw.
(6-48)
Vielfach schreibt man auch mit der Wellenzahl ko = O)~
(6-49)
Die Berechnung der elektrischen und magnetischen Feldstarke eines Wellenvorgangs im freien Raum kann fur bestimmte Randbedingungen entweder direkt aus den Maxwellschen Gleichungen bzw. durch Losen obiger Wellengleichungen, oder indirekt mit Hilfe sogenannter retardierter Potentiale erfolgen, worauf jedoch erst im nachsten Abschnitt eingegangen werden sol1. Haufig beschrankt man sich auf die Untersuchung des Ausbreitungsvorgangs von TEM-Wellen (Elektromagnetische Wellen mit senkrecht zur Ausbreitungsrichtung und zu sich selbst orientierten E- bzw. H-Feldvektoren, soge-
142 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
nannte Transversale Elektromagnetische Wellen), wodurch sich obiges Gleichungssystem bei gleichzeitiger Wahl eines geeigneten Koordinatensystems wesentlich vereinfacht. Die direkte Losung der Wellengleichungen im Zeit- bzw. Frequenzbereich geht tiber den Rahmen dieser Einfiihrung in die Begriffswelt der Feldtheorie hinaus und muB der Spezialliteratur vorbehalten bleiben.
6.3.2 Retardierte Potentiale
Ahnlich wie sich in statischen und quasistatischen Feldern die FeldgroBen E und H mit Hilfe von Potentialfunktionen <p(r) und A(r) berechnen lassen, erlauben sogenannte retardierte Potentiale die Berechnung schnell vedinderlicher nichtstationarer Felder.
Gegentiber statischen und quasistatischen Feldern, in denen sich Anderungen einer gegebenen LadungsverteiIung gleichzeitig im gesamten Feldraum bemerkbar machen, ist in raurnlich ausgedehnten Gebieten zu beriicksichtigen, daB die Anderungen einer Quellen- oder WirbelverteiIung p(r, t) bzw. J(r, t) in einem entfernten Feldpunkt erst nach einer Laufzeit lIv wirksam werden konnen, wobei
1 v=--~
(6-50)
die Wellenausbreitungsgeschwindigkeit im jeweiligen Medium ist. Insbesondere kommen bei verteiIten Quellen die Beitrage lokaler Anderungen nach unterschiedlichen Laufzeiten im betreffenden Feldpunkt an, ihre Dberlagerung fiihrt dann zu anderen Gesamtpotentialen als im statischen oder quasistatischen Fall.
Zur Beriicksichtigung der Laufzeit bzw. Verzogerungszeit zwischen dem Ort der Erregung und dem Ort, an dem die Felder bestimmt werden sollen, werden die FeldgroBen aus Potentialen berechnet, deren quasistatische Quellenfunktionen p(r, t) und J(r, t) zu einem um
(6-51)
6.3 Nichtstationiire Felder - Elektromagnetische Wellen 143
friiheren Zeitpunkt am Ort der Erregung geherrscht haben, sogenannte Retardierte Potentiale:
( Ir -r I)] IlJL rq , t---q-
A(r, t) = r v dVq JVq 41tlr - rq I
(6-52a,b)
Die Gleichungen (6-52a,b) kommen dem Leser von der Struktur bestimmt bekannt vor, unterscheiden sie sich doch lediglich durch ihre Retardierung (Verzogerung) Ir -rql Iv von den gewohnlichen Potentialen in 4.2 und 5.3. Die Retardierung verschwindet fur Ir - rq I I v « t, das heiBt, die retardierten Potentiale gehen in die Gleichungen fur den quasistatischen Fall tiber (vergl. 4-36 und 5-33).
Die retardierten Potentiale erhalt man als Losungen von Wellengleichungen fur die Potentiale, die im folgenden hergeleitet werden.
In den Abschnitten tiber das magnetische Vektorpotential (s. 5.3) und tiber das quasistatische elektrische Feld (s. 6.2.1) wurde gezeigt, daB sich die Feldstarken H(r) und E(r) als Funktionen von Potentialen <p(r) und A(r) darstellen lassen,
1 H=-rotA
Il und E~-grad"'-~ I,
(6-53a,b)
wobei E in der rechten Gleichung die totale elektrische Feldstarke darstellt, daB heiBt, die Summe aus Quellen und Wirbelfeld (s.a. (6-19».
Ersetzen wir in den Maxwellschen Gleichungen die Feldsilirken durch die rechten Seiten von (6-53a,b), so ergeben sich Wellengleichungen fur Potentiale. Zunachst substituieren wir im Durchflutungsgesetz
144 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
1 aE rotH = -rotB = J = JL + Jv = JL + e-
IJ, at (6-54)
die magnetise he FluBdichte B dureh rot A und erhaiten
1 aE rotH = - rot rotA = JL + e--:;-
IJ, ot (6-55)
AnsehlieBend ersetzen wir noch E gemaB (6-53b) durch - grad <p - aA/at,
-rot rotA = JL -e- grad<p+- = IL -egrad--e- (6-56) 1 a (aA) a<p a2A IJ, at at at at2
und erhaIten naeh MuItiplikation mit IJ,
a<p a2A rot rotA = IJ,JL - elJ,grad-:;- - elJ,-2-
ot at (6-57)
Bei der klassischen Herleitung wandeln wir den Ausdruck rot rot A wieder mit Hilfe der Vektoridentitat rot rotX = grad divX - AX
umin . ~ a~
grad dlV A - M = IJ,IL - elJ,grad-:;- - elJ,-2 ot at
(6-58)
Die Zusammenfassung der Gradientenbildung fiihrt auf
(6-59)
Diese Gleichung laBt sich durch Einfiihren einer Quellenfeldkomponenten AQ noch weiter vereinfachen.
1m Abschnitt 5.3 tiber das magnetische Vektorpotential haben wir festgestellt, daB ein bestimmtes Vektorfeld der magnetischen FluBdichte B(r) verschiedene Vektorpotentiale haben kann, die sich in ihrerDivergenz, das heiBt einer Quellenfeldkomponente A Q , unterscheiden dtirfen, da bei Bil-
6.3 Nichtstationare Felder - Elektromagnetische Wellen 145
dung der Rotation die Existenz eines Quellenfelds nicht in Erscheinung tritt. Wir konnen daher fUr divA eine uns geeignet erscheinende Funktion wahlen und entscheiden uns fUr
d· A aq> IV =-€I..l-at (6-60)
wodurch der zweite Term auf der rechten Gleichungsseite wegfallt. Diese Vereinbarung nennt man Lorentz-Bedingung bzw. Lorentz-Eichung des Potentials (s.a. 4.5 und A6).
Mit (6-60) erhalten wir aus (6-59) die inhomogene Wellengleichung fUr das magnetische Vektorpotential
(6-61)
Auf ahnliche Weise Hillt sich eine inhomogene Wellengleichung fUr das elektrische Skalarpotential herleiten. Durch Einsetzen von E = -grad q> - aA / at in die Differentialform des GauBschen Gesetzes fUr das elektrische Feld, bei gleichzeitiger Vertauschung der Reihenfolge der Differentialoperationen a/at und diY, ergibt sich zunachst
div D = diveE = div €( -gradq> - ~~ ) = p (6-62)
bzw.
div grad q> + ~div A = _.P. at €
(6-63)
Ersetzt man div A wieder mit Hilfe der Lorentz-Bedingung, erhalt man
(6-64)
146 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
Wahrend in der Ausgangsgleichung (6-58) das elektrische Skalarpotential cp und das magnetische Vektorpotential A miteinander gekoppelt sind, kommt in den beiden letzten Gleichungen jeweils nur ein Potential vor. Offensichtlich bewirkt die Lorentz-Eichung eine Entkopplung der beiden Potentialfunktionen. Diese Entkopplung darf aber nicht dahingehend miBverstanden werden, daB fUr p und 1L beliebige Funktionen gewahlt werden diirften. Nur so1che Funktionenpaare, die gleichzeitig dem Kontinuitatsgesetz (s. 3.2 und 3.4) geniigen,
bzw.
div JL = -ap/at
"1L . dA = _ dQ j dt
erfllllen als elektromagnetische Welle die Wellengleichungen.
(6-65)
(6-66)
Die Losung der beiden Wellengleichungen (6-61) und (6-64) fUr gegebene Strom- bzw. Ladungsverteilungen fiihrt auf die bereits eingangs vorgestellten retardierten Potentiale (s. (6-52a,b». Mit Hilfe dieser Potentiale ergeben sich die Feldstarken durch einfache Differentiation zu
1 H=-rotA
~
aA E = -gradcp-at (6-67a,b)
In komplexer Schreibweise, wie sie spater beispielsweise bei der Momentenmethode im Frequenzbereich verwendet wird (s. Kapitel 10), lauten die komplexen Potentialgleichungen
dA+k2A = -IIJ - 0- t"'_L
d~+kg~ = -e/e (6-68)
und die zugehorigen Losungen bzw. Potentiale
6.3 Nichtstationare Felder - Elektromagnetische Wellen 147
f J (r )e-jkolr-tql A(r, co) = 41l," -L q dV
,. Vq Ir - rql q
1 f p(r )e-jkolr-rql <p(r, co) = - q dV - 411:£ Vq Ir-rql q (6-69)
Eine nahere Betrachtung der retardierten Potentiale (6-52a,b) und (6-69) unter Einbeziehung der dies en Gleichungen zu Grunde liegenden Herleitung macht folgende Bemerkungen erforderlich:
- Sowohl A als auch <P sind nach Einfiihrung der Lorentz-Eichung nicht mehr die gleichen wie im quasistatischen Fall. Beispielsweise entspricht der Gradient des retardierten Potentials <p nicht mehr dem gewohnten elektrostatischen Quellenfeld EQ. Addiert man in Gleichung (6-67b) zu dem zweiten, als Wirbelfeldkomponente Ew interpretierten Term einen Quellenterm AQ, dann muE sich auch <p andern, damit E erhalten bleibt,
_ aAQ aAw E - -grad <PLorentz - at - --at (6-70)
'--.r-'
EQ Ew
In der Lorentz-Eichung addieren sich das Wellenfeld -grad<pLorentz und das Wellenfeld der Quellenkomponente von A, aAQ/at, zum bekannten quasistatischen Quellenfeld EQ = -grad <PCoulomb der Coulomb-Eichung. Dies wird nur selten deutlich zum Ausdruck gebracht und vom Leser in der Regel nicht erkannt bzw. nicht vermutet. A und <P der LorentzEichung miissen daher besonders gekennzeichnet werden, beispielsweise durch <PLorentz und ALorentz·
- Die Anderung der Bedeutung von <P und A tritt bereits mit Einfiihrung der Lorentz-Eichung (6-60) ein und muE korrekterweise schon dort beriicksichtigt werden, d.h.
div A = -£11 a<PLorentz Lorentz ,... at (6-71)
148 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
- Die rechte Seite von (6-61) erscheint zunachst formal nicht vollstandig. Beispielsweise ist bei der Berechnung des Feldes einer Dipolantenne nicht einsehbar, wie in einem offenen Stromkreis eine Leitungsstromdichte fL flieBen solI, Bild 6.8a.
?
? .
a) b)
Bild 6.8: a) Dipolantenne mit Leitungsstromdichte J L in einem offenen Stromkreis b) Dipolantenne mit einer Leitungsstromdichte h, die durch eine quasistatische Verschiebungsstromdichte J VQ zu einem geschlossenen Stromkreis erganzt wird. (Wegen der Bedeutung von JvQ wird auf Bild 6.7 und A6 verwiesen).
Die Anregungsfunktion JL ist ohne die von Maxwell eingefiihrte Verschiebungsstromdichte gar nicht existenzfahig. Dies kame einer Verletzung des Kontinuitatsgesetzes div J = 0 gleich. Man miiBte erwarten, daB in (6-60) als StOrfunktion eine wahre Stromdichte JL + JVQ auf tritt, Bild 6.8b und Bild 6.7. Es laBt sich zwar zeigen, daB in der Lorentz-Eichung der EinfluB der vermiBten Verschiebungsstromdichte JVQ in der Quellenkomponente AQ des Vektorpotentials ALorentz beriicksichtigt ist, Ursache und Wirkung bzw. abhangige und unabhangige Variable werden dadurch jedoch in ungewohnter Weise miteinander verquickt.
Auf diese kognitiven Probleme, insbesondere auch auf die Semantik der Quellenfeldkomponente AQ und der quasistatischen Verschiebungsstromdichte JVQ wird im Anhang A6 naher eingegangen.
6.3 Nichtstationare Felder - Elektromagnetische Wellen 149
6.3.3 Hertzsche Potentiale
1m vorangegangenen Kapitel wurden die retardierten Potentiale <p(r,t) und A(r,t) als Funktionen vorgegebener Ladungs- und Stromdichteverteilungen p(r,t) und k(r,t) dargestellt. Zur Beriicksichtigung der elektromagnetischen Eigenschaften von Materie erweist es sich als zweckmaBig, retardierte Potentiale als Funktion einer verallgemeinerten Polarisation
und Magnetisierung
P(r,t)=D-EoE
B M(r,t) =--H
110
(6-72)
(6-73)
darzustellen. Diese GroBen werden gewohnlich zur elektromagnetischen Beschreibung von Materie herangezogen, deren Eigenschaften letztlich nur makroskopische Manifestationen der Effekte atomistischer Ladungen und Stromdichten sind. Beschreibt man in den Maxwellschen Gleichungen fur ein quellen- und wirbelfreies Gebiet - p = 0, k = 0, d.h. keine freien Ladungen und Strome - die elektrische FluBdichte D mit Hilfe der Polarisation P und die magnetische Feldstarke H mit Hilfe der Magnetisierung M, so ergibt sich ein Gleichungssystem, aus dem man einer Polarisation P formal eine "Ladungsdichte" p' (r) und einem aus zeitlich veranderlicher Polarisation P und Magnetisierung M zusammengesetzten Term eine "Leitungsstromdichte" 1'L (r) zuordnen kann, gemaB
p'= -divP und 1'L = ap + rotM at
(6-74)
Diese aquivalenten Quell- und Wirbeldichten kann man ebenfalls als Anregung fur retardierte Potentiale auffassen,
[ap(r,t') )
11 a~ + rotM(rq , t') A(r, t) = r dVq
JVq 41t Ir - rql (6-75)
150 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
- f divP(rq, t') d <p(r,t)-- 4 I I Vq ,
Vq 1tE r -rq
in denen t' = t _Ir - rq I die retardierte Zeit bedeutet (s. 6.3.2). v
(6-76)
Diese Gleichungen machen keineswegs einen einladenderen Eindruck als die urspriinglichen Potentialgleichungen. Deshalb fiihrt man zwei neue Vektorpotentiale 11 und ~ ein, die mit den gewohnlichen Potentialen iiber folgende Gleichungen zusammenhangen
<p = -div 11 und A= al1 +rot~ at
(6-77)
Offensichtlich stimmen diese Gleichungen wiederum formal mit den obigen Beziehungen zwischen den aquivalenten Ladungs- und Stromdichteverteilungen p' und JL einerseits und der dazugehorigen verallgemeinerten Polarisation bzw. Magnetisierung iiberein. Ersetzt man in den Wellengleichungen die Potentiale (s. 6.3.2) <p und A durch die rechten Seiten der letzten beiden Gleichungen, erhalt man neue Wellengleichungen in den Hertzschen Potentialen 11 und ~ mit den Anregungen P und M,
(6-78)
Wie bereits in Abschnitt 6.3.2 gezeigt, besitzen Gleichungen dieses Typs Losungen der Form
(6-79)
die offensichtlich einfacher sind als die Gleichungen <P(P) und A(P,M).
6.3 Nichtstationiire Felder - Elektromagnetische Wellen 151
Durch Einsetzen der Hertzschen Potentiale in die Gleichungen fur die gewohnlichen Potentiale <p und A und deren Einfiihrung in die Bestimmungsgleichungen
aA E = -grad cn--
'I" at '
1 H=;rotA ,
(6-80)
(6-81)
lassen sich die gewiinschten FeldgroBen E, D, H und B durch vergleichsweise einfache Differentialoperationen gewinnen.
6.3.4 Energiedichte elektrischer und magnetischer Felder Energiefluftdichte elektromagnetischer Wellen
Die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen ist mit dem Transport elektromagnetischer Energie verknupft, die sich aus Beitragen des elektrischen und magnetischen Fe1ds zusammensetzt.
Beim Versuch, die individuellen Anteile beider Felder sowie ihre raumliche Verteilung als Funktion des Orts darzustellen, staBt man auf die gleichen Schwierigkeiten wie bei Flussen, Wirbelstarken und Quellenstarken, da der Energieinhalt eines Punkts ohne raumliche Ausdehnung den Wert Null annimmt (s. Kapitel 1 und 3). Zur Umgehung dieser Schwierigkeiten bildet man das Verhaltnis Energie durch Volumen, dessen Grenzwert fur V~O endlich bleibt. Fur die so definierten Energiedichten des elektrischen und magnetischen Felds findet man als Ortsfunktion
1 we (r, t) = Z€E2(r, t) und
1 wm (r, t) = ZIlH2(r, t) (6-82)
Urn den Energieinhalt eines raumlich ausgedehnten Feldgebiets mit bekannter Feldverteilung E(r,t) und H(r,t) zu ermitteln, multipliziert man im homogenen Feld die Dichten wieder mit dem jeweiligen Volumen bzw. berechnet im inhomogenen Feld die Integrale
152 6 Einteilung elektrischer und magnetischer Felder
(6-83)
In elektromagnetischen Wellenfeldern bewirkt die Verkopplung elektrischer und magnetischer Energie einen gerichteten Energietransport, das heiEt einen Energieflu/l.
Wie bereits in Kapitel 1 eriautert wurde, impliziert die Angabe eines Flusses notwendigerweise die Existenz einer Flache, durch die der ins Auge gefaEte FluE tritt. Urn eine vom durchstromten Querschnitt unabhangige Aussage tiber die Energiestromung zu erhalten, geht man zur Energieflu/ldichte tiber (s. Kapitel 1).
Diese EnergiefluEdichte berechnet sich in jedem Raumpunkt eines elektromagnetischen Wellenfeldes aus dem Vektorprodukt der jeweils dort herrschenden elektrischen und magnetischen Feldstarke zu
S=ExH (6-84)
und tragt den Namen Poynting-Vektor:
Der Poynting-Vektor ist eine Dichtefunktion wie die elektrische Flu/ldichte, Wirbeldichte, Quellendichte, das heiEt, er charakterisiert GroEe und Richtung des Energietransports in diskreten Feldpunkten. Die Einheit der EnergiefluEdichte ist W/m2 . An Stelle der EnergiefluEdichte kann man auch den Begriff Leistungsdichte verwenden.