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Begriffswelt der Feldtheorie || Arten von Vektorfeldern

Date post: 08-Dec-2016
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2 Arten von Vektorfeldern In der Feldtheorie unterscheidet man bei Vektorfeldern zwischen - Quellenfeldern (engl.: lamellar, conservative, irrotational, longitudinal fields) und - Wirbelfeldern (eng!.: solenoidal, nonconservative, rotational, transversal fields). Quellenfelder besitzen als Ursache Quellen und Sen ken (negative Quellen), auf denen ihre Feldlinien entspringen und end en, zum Beispiel positive und negative Ladungen. Wirbelfelder besitzen als Ursache sogenannte Wirbel, um die sich ihre Feldlinien in geschlossener Form zusammenziehen, zum Bei- spiel stromfuhrende Ddihte oder magnetische FluBrahren in einem Transfor- matorschenkel. 1m folgenden werden Quellen- und Wirbelfelder am Beispiel elektrischer Felder E(x,y,z) und magnetischer Felder H(x,y,z) zunachst von der Anschauung her charakterisiert. 1m Kapitel 3 und insbesondere im Ab- schnitt 3.5 folgt eine mathematisch begriindete Unterscheidung. 2.1 Elektrische Quellenfelder Elektrische Quellenfelder bestehen in der Umgebung elektrischer Ladungen. Die Existenz dieser Felder laBt sich durch ihre Kraftwirkung auf Karper, die in die Umgebung der Ladungen gebracht werden, nachweisen. Die Feldlini- A. J. Schwab et al., Begriffswelt der Feldtheorie © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998
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2 Arten von Vektorfeldern

In der Feldtheorie unterscheidet man bei Vektorfeldern zwischen

- Quellenfeldern (engl.: lamellar, conservative, irrotational, longitudinal fields) und

- Wirbelfeldern (eng!.: solenoidal, nonconservative, rotational, transversal fields).

Quellenfelder besitzen als Ursache Quellen und Sen ken (negative Quellen), auf denen ihre Feldlinien entspringen und end en, zum Beispiel positive und negative Ladungen. Wirbelfelder besitzen als Ursache sogenannte Wirbel, um die sich ihre Feldlinien in geschlossener Form zusammenziehen, zum Bei­spiel stromfuhrende Ddihte oder magnetische FluBrahren in einem Transfor­matorschenkel. 1m folgenden werden Quellen- und Wirbelfelder am Beispiel elektrischer Felder E(x,y,z) und magnetischer Felder H(x,y,z) zunachst von der Anschauung her charakterisiert. 1m Kapitel 3 und insbesondere im Ab­schnitt 3.5 folgt eine mathematisch begriindete Unterscheidung.

2.1 Elektrische Quellenfelder

Elektrische Quellenfelder bestehen in der Umgebung elektrischer Ladungen. Die Existenz dieser Felder laBt sich durch ihre Kraftwirkung auf Karper, die in die Umgebung der Ladungen gebracht werden, nachweisen. Die Feldlini-

A. J. Schwab et al., Begriffswelt der Feldtheorie© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998

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en elektrischer Quellenfe1der besitzen Anfangs- und Endpunkt, sie entsprin­gen und enden auf Quellen bzw. Senken. (1m Regelfall positive und negative Ladungen. Bei schnell veranderlichen Vorgangen sind auch andere physika­lische Modellvorstellungen maglich (s. 6.3.2».

Elektrische Quellenfelder lassen sich problemabhangig in verschiedene Pro­blemklassen einteilen. Wir unterscheiden im folgenden zwischen Newton­und Laplace-Feldern.

- Newton-Felder existieren in der raumlich unbegrenzten Umgebung einer Ladungskonfiguration Qv(r) bzw. Raumladungsdichte p(r). Ihr Name rlihrt von der Analogie mit dem Gravitationsfeld der Gestirne, Bild 2.1a.

- Laplace-Felder existieren in der Umgebung von Elektroden, die eine Po­tentialdifferenz untereinander bzw. gegenliber dieser Umgebung aufwei­sen, Bild 2.1b. Die Ursachen dieser Felder liegen in der Existenz von Plii­chenladungsdichten cr(r) auf den Elektroden. Die Flachenladungsdichten sind jedoch gewahnlich nicht bekannt und werden bei einer analytischen Lasung ignoriert. Stattdessen sind die Geometrie der Elektroden (Riin­der) und ihre Potentiale (Randwerte), das heiBt, die an den Elektroden liegende Spannung gegeben (sog. Randwertprobleme).

U=lOO V

a) b)

Bild 2.1: Elektrische Quellenfelder: a) Newton-Feld einer gegebenen Punktladungs­verteilung Qv bzw. Raumladungsdichte p(r) ohne Rander im Endlichen, b) Laplace­Feld zwischen zwei mit einer Spannungsquelle verbundenen Elektroden mit gege­benen Potentialen <Pl=OV und <P2=100V (sog. Randwertproblem).

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2.1 Elektrische Quellenfelder 19

Newton-Felder und Laplace-Felder bzw. die zugehorigen Raumladungsdich­ten p(r) und FUichenladungsdichten cr(r) lassen sich grundsatzlich ineinan­der iiberfiihren. Obwohl man von dieser Eigenschaft in der Praxis kaum Ge­brauch macht, ist sie doch von groBer Bedeutung fUr das Verstandnis der Existenz bzw. der mathematischen Korrektheit spater vorgestellter inverser Integraloperatoren (s. 4.4.3 und Kapitel 7).

Aus Sicht der Mathematik lassen sich beide Feldarten wie folgt interpretie­ren:

- Newton-Felderresultieren aus Potentialfunktionen <pp(r), die als Partiku­UirlOsung der die Felder beschreibenden inhomogenen Differentialglei­chungen erhalten werden (Poisson-Gleichungen, s. 4.4.2). Die zuge­horigen homogenen Differentialgleichungen besitzen die Triviallosung <Ph (r) = O. Es liegen keine Rander im Endlichen vor, man spricht von "Homogenen Randbedingungen" (identisch Null).

- Laplace-Felder resultieren aus Potentialfunktionen <Ph (r) die als homo­gene Losung der die Felder beschreibenden homogenen Differentialglei­chungen (Laplace-Gleichungen), angepaBt an problemspezifische Rand­bedingungen, erhalten werden (s. a. Kapitel 4). Es existieren Rander im Endlichen. Man spricht von "Inhomogenen Randbedingungen" (von Null verschieden).

Randbedingungen bestehen aus einer geometrischen Beschreibung der Riin­der und ihrer Potentiale. Ihre Kenntnis ist zur eindeutigen Bestimmung von Laplace-Feldern als Losung von Differentialgleichungen zwingend erforder­lich. Sie entsprechen sinngemaB den bekannten Anfangsbedingungen von Differentialgleichungen, deren unabhangige Variable die Zeit ist.

Grundsatzlich besitzen auch Newton-Felder einen "Rand" der jedoch im Unendlichen liegt, wo die FeldgroBen bzw. Randbedingungen in der Regel zu Null angenommen werden. Die homogene Differentialgleichung besitzt dann, wie oben bereits erwahnt, die Triviallosung <Ph (r) = 0 (Triviales Rand­wertproblem). 1m elektrotechnischen Schrifttum wird iiberwiegend der Begriff Randwertprobleme auf Laplace-Felder nach obiger Definition be­schrankt.

Es ist zu beachten, daB bei der Behandlung sogenannter "offener" Randwert­probleme, zum Beispiel beim Plattenkondensator, den Leiterseilen einer

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Hochspannungsfreileitung oder zweier Kugelelektroden, die Losungen der Laplace-Gleichung von der Wahl des Potentials fur den "Rand" im unend­lichen abhangen. Beispielsweise verlangt das hiiufig zu findende Feldbild 2.1b die Annahme eines Potentials von 50 V im Unendlichen (was gleich­zeitig die Potentiale der Kugeln auf -50 V und + 50 V setzt) und ist damit nur von akademischen Interesse. Bei Annahme des Potentials 0 V im Un­endlichen erhalt man Bild 2.2a, bei Hinzufugen eines Erdflachenleiters mit ebenfalls 0 V Bild 2.2b.

a) b)

Bild 2.2: Feldbilder zweier kugelformiger Elektroden bei Annahme von 0 V Poten­tial im Unendlichen. Linke Kugel 0 V , rechte Kugel 100 V. a) Feldbild ohne, b) mit zusatz lichem Erdflachenleiter.

Newton- und Laplace-Felder konnen auch gleichzeitig auftreten, beispiels­weise in Elektrolyten zwischen einer Anode und Kathode oder bei hoher Feldstarke, wenn sich zwischen Elektroden durch Ionisationsprozesse Raum­ladungen bilden (Halbleiterbauelemente, Gasentladungen, geladene Staub­partikel in einem Elektrofilter zur Rauchgasreinigung von Kraftwerken). In diesen Fallen mug bereits die Partikularlosung <Pp (r) unter Beriicksich­tigung der im endlichen befindlichen Riinder aufgesucht werden (s.a. 4.4.3). Die Potentialfunktion <Ph (r) des zugehorigen Laplace-Felds wird durch Losen der Laplace-Gleichung unter Berucksichtigung der Riinder und der Randwerte erhalten. Die Summe aus partikularer und homogener Losung ergibt die totale Potentialfunktion

<p(r) = <pp(r) + <Ph (r) (2-1)

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2.1 Elektrische Quellenfelder 21

Mancher Leser wird als nachstes die Vorstellung magnetischer Quellenfelder erwarten. Mangels der Existenz physikalischer magnetischer Ladungen gibt es jedoch keine magnetischen Quellenfelder. Es sei aber angemerkt, daB sich in wirbelfreien Gebieten (s. 3.5) magnetostatische Felder, beispielsweise zwi­schen Poischuhen, unter Annahme fiktiver magnetischer Ladungen mathe­matisch formal als Quellenfelder darstellen lassen. Hierauf wird jedoch erst im Zusammenhang mit dem sogenannten magnetischen Skalarpotential <Pm (r) im Kapitel 5 naher eingegangen. 1m folgenden Abschnitt sollen gleich elektrische und magnetische Wirbelfelder betrachtet werden.

2.2 Elektrische und magnetische Wirbelfelder

Elektrische Wirbelfelder treten in der Umgebung zeitlich sich andernder ma­gnetischer Fliisse auf, beispielsweise innerhalb und auBerhalb eines Transfor­matorschenkels, Bild 2.3a.

B. <I> ...... 1---- Wirbel ..

u

---------- Wirbelfeld ~

a) b)

Bild 2.3: Beispiele fUr elektrische und magn\!tische Wirbelfelder, a) elektrisches Wirbelfeld, b) magnetisches Wirbelfeld. E ist B linkswendig (Linke-Hand-Regel), H ist J rechtswendig zugeordnet (Rechte-Hand-Regel).

Magnetische Wirbelfelder treten in der Umgebung sowohl zeitlich verander­licher als auch zeitlich konstanter StromfiuBlinien auf, beispielsweise inner­halb und auEerhalb Wechsel- oder Gleichstrom fiihrender Leiter, Bild 2.3b.

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Die Feldlinien von Wirbelfeldern sind in sich geschlossen. Linien- oder roh­renformige Bereiche, um die sich Feldlinien zusammenziehen, bezeichnet man als Wirbel des betreffenden Wirbelfelds. Die Wirbel eines elektrischen Wirbelfelds sind demnach ~- bzw. B -Linien, die Wirbel eines magneti­schen Wirbelfelds 1- bzw. J-Linien (unter Beachtung des im Kapitel 1 ge­brachten Hinweises beziiglich des Unterschieds zwischen FluBrohren und -linien). So bilden die FluBlinien und ihre zeitlichen Ableitungen im Eisen­kreis eines Transformators oder die Stromfaden eines Stromkreises in sich geschlossene Linien (in einem offenen Stromkreis flieBt kein Strom!).

Ahnlich wie bei Quellenfeldern unterscheidet man auch bei Wirbelfeldern nochmals zwischen Newton-Feldern und Laplace-Feldern (Randwertpro­blemen). Bei ersteren sind die Wirbel, beispielsweise die Verschiebungs­stromdichte elektromagnetischer Wellen ohne Randbedingungen im end­lichen gegeben, bei letzteren beispielsweise Eisenkreiskonturen und die dort herrschenden Randbedingungen.

Beziiglich der Darstellung von Wirbelfeldern als Losungen von Differential­gleichungen gelten die bereits in 2.1 fur Quellenfelder gemachten Aussagen sinngemaK (s. a. Kapitel 7 und A4). Hierbei ist jedoch zu beachten, daB Wirbelfelder vom Laplace-Typ nicht nur Losungen einer homogenen Lapla­ce-Gleichung sondern auch Losung einer homogenen Wellengleichung sein konnen. Schnell veranderliche Felder, zum Beispiel elektromagnetische Wel­len, werden nicht mehr durch statische bzw. quasistatische Poisson- oder Laplace-Gleichungen beschrieben sondern durch sogenannte Wellenglei­chungen, die die Orts- und Zeitabhangigkeit der Felder beriicksichtigen (s. Kapitel 6). Die Begriffe Newton-Feld und Laplace-Feld beziehen sich dann im iibertragenen Sinn auf die Losungen der die schnell veranderlichen Fel­der beschreibenden inhomogenen oder homogenen Wellengleichungen.

2.3 Allgemeine Vektorfelder

1m allgemeinen Fall kann ein Vektorfeld, z.B. E(x,y,z), aus der Uberlagerung eines Quellen- und eines Wirbelfelds bestehen (Fundamentalsatz der Vek­toranalysis, auch Helmholtzscher Zerlegungssatz genannt; siehe auch 6.2.1),

E(x,y,z) = EQ(x,y,z) + Ew(x,y,z) (2-2)

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2.3 Allgemeine Vektorfelder 23

Hierbei kann sich jede Komponente je nach Ursache nochmals aus der Vberlagerung eines Newton- und eines Laplace-Feldes (Randwertproblems) zusammensetzen.

Ein Vektorfeld ist daher beztiglich seiner physikalischen Natur bzw. des in­dividuellen Beitrags aller Komponenten nur dann eindeutig spezifiziert, wenn sowohl eine Aussage tiber seine Quellen- und Wirbeldichten div E und rotE als auth tiber etwaige Rander und die dort herrschenden Randwerte vorliegt (die Begriffe Quellen- und Wirbeldichte werden im folgenden Kapitel aus­ftihrlich erlautert). Diese zunachst sehr komplex anmutende Situation entspannt sich in der Praxis sehr rasch, da man es meist nur mit einer der vier Komponenten zu tun hat. Lautet zum Beispiel eine Aufgabenstellung "Berechne das elektrische Feld in der Umgebung einer Ladungsdichte p(r}" ist eo ipso impliziert, daB nur das Newton-Quellenfeld EQp existiert und dieses Feld wie auch das zugehorige Potential im unendlichen den Wert Null annehmen. Dartiber hinaus wird in den Kapite1n 7 und 10 gezeigt, wie sich die Feldkomponenten EQ und Ew aus gegebenen Quellen- und Wirbel­dichten bzw. Elektroden/Eisenkreis-Geometrien und Randwerten berech­nen lassen.

Die Beschreibung von Zustanden bzw. Zustandsanderungen im Feldraum kann entweder mit der Fernwirkungstheorie, d.h. mit leitergebundenen GroBen Q, U, I, oder mit der Nahwirkungstheorie, d.h. mit den lokalen FeldgroBen E, D, H, B, erfolgen (z.B. elektromagnetische Wellen). Den Zu­sammenhang zwischen dies en FeldgroBen und ihren Ursachen, Ladungs­dichten p(r) und Stromdichten J(r), beschreiben die im folgenden Kapitel er­Uiuterten Maxwellschen Gleichungen.


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