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Befundadaptierte operative Versorgungsmöglichkeiten bei Wirbelsäulenmetastasen; Results-adapted...

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Orthopäde 2013 · 42:734–745 DOI 10.1007/s00132-013-2068-2 Online publiziert: 30. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 C.E. Heyde 1  · J. Gulow 1  · N. von der Höh 1  · A. Völker 1  · D. Jeszenszky 2  · U. Weber 3 1  Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Leipzig 2  Wirbelsäulenchirurgie, Muskulo-Skelettal-Zentrum, Schulthess-Klinik, Zürich 3  Spezielle Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie, DRK-Kliniken Berlin-Westend, Berlin Befundadaptierte  operative Versorgungs-  möglichkeiten bei  Wirbelsäulenmetastasen Metastasen der Wirbelsäule nehmen zu und werden häufiger diagnosti- ziert. Dies ist zum einen auf die Zu- nahme der Lebenserwartung, zum anderen auf die verbesserten medizi- nischen Möglichkeiten der Diagnos- tik und Behandlung maligner Erkran- kungen zurückzuführen [29]. Hintergrund Nach Leber und Lunge stellt die Wirbel- säule die dritthäufigste Lokalisation von Metastasen dar [14]. Die Brustwirbelsäu- le ist in 70% der Fälle betroffen, gefolgt von der Lenden- (20%) und der Halswir- belsäule (10% [14]). Autoptische Studien kamen zu dem Ergebnis, dass in 30–90% der Fälle in Endstadien von Malignompa- tienten ein Befall der Wirbelsäule nach- weisbar war [22]. Initial am häufigsten befallen ist dabei der Übergang von den dorsalen Wirbelkörperanteilen zum Pe- dikel [21]. In bis zu 20% der Fälle ist von einer Infiltration des Spinalkanals mit der Gefahr konsekutiver neurologischer Defizite auszugehen [4, 13]. Am häufigs- ten metastasieren das Mamma-, Prosta- ta-, Bronchial- und Nierenzellkarzinom in die Wirbelsäule. Bei den Sonderfor- men der hämatopoetischen Erkrankun- gen, hier insbesondere dem multiplen Myelom, liegt so gut wie immer ein Be- fall der Wirbelsäule mit vor [2, 6]. Die Behandlung von Metastasen stellt die involvierten Disziplinen immer wie- der vor die Aufgabe, mit dem gerings- ten möglichen Aufwand eine Verbesse- rung der Lebensqualität für den betrof- fenen Patienten zu erreichen. Somit muss ein interdisziplinäres Behandlungskon- zept erstellt werden, in das notwendige chirurgische Maßnahmen integriert wer- den. Bezüglich der operativen Maßnah- men ist ein Stufenkonzept notwendig, welches erlaubt, in Abhängigkeit ver- schiedenster Faktoren entsprechend der Maxime „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ die erforderlichen operativen Maßnahmen der individuellen Situation anzupassen. Hierbei muss die Verbesse- rung der Lebensqualität in der grund- sätzlich palliativen Situation solcher Pa- tienten die wichtigste Orientierung sein [4, 21]. Im vorliegenden Artikel sollen nicht die einzelnen Operationstechniken dar- gestellt werden, dazu stehen einschlägi- ge Anleitungen zur Verfügung [9, 13, 14]. Vielmehr soll die Vielfalt der heute mög- lichen und notwendigen Techniken auf- gezeigt und diskutiert werden. Indikation zu Operation Indikationen zur Operation sind vielfach diskutiert und im Wesentlich heute kon- sentiert worden [4, 21, 22]. Als Notfallindikation gelten progre- diente und relevante neurologische De- fizite, dringliche Indikationen bestehen bei medikamentös nicht einstellbaren Schmerzen und hochgradigen Instabili- täten auf der Grundlage von Osteolysen und pathologischen Frakturen. Drohen- de Instabilitäten, Stenosen, frakturgefähr- dete Osteolysen, Tumorprogredienz trotz onkologischer Therapie, eine unklare Dia- gnose und zunehmende Fehlstellungen stellen Indikationen dar, bei denen das operative Vorgehen in das Gesamtkon- zept der interdisziplinären Tumorthera- pie eingeordnet werden sollte. Speziell das Kriterium der Stabilität ist dabei vom Operateur zu beurteilen [29]. »   Progrediente und relevante  neurologische Defizite stellen  eine Notfallindikation dar Wichtig sind 2 grundsätzliche Überlegun- gen. Zum einen besteht die Frage nach der Notwendigkeit und dem Zeitpunkt des operativen Vorgehens unter Berücksich- tigung der additiv erforderlichen strahlen- therapeutischen und onkologischen The- rapien. Zum anderen stellt sich die Frage sowohl nach dem Ausmaß der erforder- lichen operativen Maßnahmen als auch nach der konkret anzuwendenden opera- tiv-technischen Vorgehensweise. Leitthema 734 | Der Orthopäde 9 · 2013
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Page 1: Befundadaptierte operative Versorgungsmöglichkeiten bei Wirbelsäulenmetastasen; Results-adapted operative treatment options for spinal metastases;

Orthopäde 2013 · 42:734–745DOI 10.1007/s00132-013-2068-2Online publiziert: 30. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C.E. Heyde1 · J. Gulow1 · N. von der Höh1 · A. Völker1 · D. Jeszenszky2 · U. Weber3

1 Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Leipzig2 Wirbelsäulenchirurgie, Muskulo-Skelettal-Zentrum, Schulthess-Klinik, Zürich3 Spezielle Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie, DRK-Kliniken Berlin-Westend, Berlin

Befundadaptierte operative Versorgungs- möglichkeiten bei Wirbelsäulenmetastasen

Metastasen der Wirbelsäule nehmen zu und werden häufiger diagnosti-ziert. Dies ist zum einen auf die Zu-nahme der Lebenserwartung, zum anderen auf die verbesserten medizi-nischen Möglichkeiten der Diagnos-tik und Behandlung maligner Erkran-kungen zurückzuführen [29].

Hintergrund

Nach Leber und Lunge stellt die Wirbel-säule die dritthäufigste Lokalisation von Metastasen dar [14]. Die Brustwirbelsäu-le ist in 70% der Fälle betroffen, gefolgt von der Lenden- (20%) und der Halswir-belsäule (10% [14]). Autoptische Studien kamen zu dem Ergebnis, dass in 30–90% der Fälle in Endstadien von Malignompa-tienten ein Befall der Wirbelsäule nach-weisbar war [22]. Initial am häufigsten befallen ist dabei der Übergang von den dorsalen Wirbelkörperanteilen zum Pe-dikel [21]. In bis zu 20% der Fälle ist von einer Infiltration des Spinalkanals mit der Gefahr konsekutiver neurologischer Defizite auszugehen [4, 13]. Am häufigs-ten metastasieren das Mamma-, Prosta-ta-, Bronchial- und Nierenzellkarzinom in die Wirbelsäule. Bei den Sonderfor-men der hämatopoetischen Erkrankun-gen, hier insbesondere dem multiplen My elom, liegt so gut wie immer ein Be-fall der Wirbelsäule mit vor [2, 6].

Die Behandlung von Metastasen stellt die involvierten Disziplinen immer wie-der vor die Aufgabe, mit dem gerings-ten möglichen Aufwand eine Verbesse-rung der Lebensqualität für den betrof-fenen Patienten zu erreichen. Somit muss ein interdisziplinäres Behandlungskon-zept erstellt werden, in das notwendige chi rurgische Maßnahmen integriert wer-den. Bezüglich der operativen Maßnah-men ist ein Stufenkonzept notwendig, welches erlaubt, in Abhängigkeit ver-schiedenster Faktoren entsprechend der Maxime „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ die erforderlichen operativen Maßnahmen der individuellen Situation anzupassen. Hierbei muss die Verbesse-rung der Lebensqualität in der grund-sätzlich palliativen Situation solcher Pa-tienten die wichtigste Orientierung sein [4, 21].

Im vorliegenden Artikel sollen nicht die einzelnen Operationstechniken dar-gestellt werden, dazu stehen einschlägi-ge Anleitungen zur Verfügung [9, 13, 14]. Vielmehr soll die Vielfalt der heute mög-lichen und notwendigen Techniken auf-gezeigt und diskutiert werden.

Indikation zu Operation

Indikationen zur Operation sind vielfach diskutiert und im Wesentlich heute kon-sentiert worden [4, 21, 22].

Als Notfallindikation gelten progre-diente und relevante neurologische De-fizite, dringliche Indikationen bestehen bei medikamentös nicht einstellbaren Schmerzen und hochgradigen Instabili-täten auf der Grundlage von Osteolysen und pathologischen Frakturen. Drohen-de Instabilitäten, Stenosen, frakturgefähr-dete Osteolysen, Tumorprogredienz trotz onkologischer Therapie, eine unklare Dia-gnose und zunehmende Fehlstellungen stellen Indikationen dar, bei denen das operative Vorgehen in das Gesamtkon-zept der interdisziplinären Tumorthera-pie eingeordnet werden sollte. Speziell das Kriterium der Stabilität ist dabei vom Operateur zu beurteilen [29].

»  Progrediente und relevante neurologische Defizite stellen eine Notfallindikation dar

Wichtig sind 2 grundsätzliche Überlegun-gen. Zum einen besteht die Frage nach der Notwendigkeit und dem Zeitpunkt des operativen Vorgehens unter Berücksich-tigung der additiv erforderlichen strahlen-therapeutischen und onkologischen The-rapien. Zum anderen stellt sich die Frage sowohl nach dem Ausmaß der erforder-lichen operativen Maßnahmen als auch nach der konkret anzuwendenden opera-tiv-technischen Vorgehensweise.

Leitthema

734 |  Der Orthopäde 9 · 2013

Page 2: Befundadaptierte operative Versorgungsmöglichkeiten bei Wirbelsäulenmetastasen; Results-adapted operative treatment options for spinal metastases;

Die erste Frage kann nur im interdis-ziplinären Tumorboard anhand der be-kannten Kriterien entschieden werden. Dazu gehören [1, 8, 9, 21]:FArt des Primärtumors und sein

Grading (Prognose),FAllgemeinzustand des Patienten,Fresultierende Schmerzen,FAusmaß der Metastasierung und

damit die Ergebnisse des Stagings,FMöglichkeiten der onkologischen

Therapie,FMöglichkeiten der Strahlentherapie

(Strahlensensibilität),FRückenmarkkompression und neuro-

logische Defizite,FInstabilitäten und resultierende Fehl-

stellungen.

Operative Vorgehensweise

Ist die Notwendigkeit bzgl. eines operati-ven Vorgehens im Tumorboard konsen-tiert, ergibt sich die Frage nach der ope-

rativ-technischen Vorgehensweise. Die-se muss vom Operateur beantwortet wer-den. Hierzu gibt es eine Reihe von Kri-terien, die in die Entscheidungsfindung einbezogen werden sollten. Kriterien zur Entscheidungsfindung gibt es viele (.Infobox 1), dabei müssen neben allen anatomischen, onkologischen und techni-schen Fragen v. a. die Wünsche und Ziele des betroffenen Patienten erfragt und be-rücksichtigt werden. Außer in den selte-nen Fällen einer absoluten Notfallindika-tion muss allen Maßnahmen deshalb eine umfassende Aufklärung vorausgehen. Diese sollte in aller Regel ausführlicher sein, da die Therapie der Metastasen nur im Kontext mit der Therapie der Grund-krankheit sinnvoll zu diskutieren ist. Al-ternativen der Therapie an sich als auch bzgl. des operativen Vorgehens müssen dabei Berücksichtigung finden.

Voraussetzung zur Umsetzung dieses Konzepts ist das Vorhalten des gesamten operativen Spektrums. Nur so kann das Ziel umgesetzt werden, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt mit dem erforder-lichen Aufwand zu tun. Metastasenchi-rurgie ist palliativ, da das Auftreten von Metastasen fast stets der Nachweis für ein Generalisationsstadium der Tumor-erkrankung ist. Damit muss sich das chi-rurgische Vorgehen in erster Linie daran messen lassen, ob mit einem vertretbaren Aufwand für den Patienten eine Verbes-serung der Lebensqualität erreichbar ist.

Grundsätzlich erfordert Metastasen-chirurgie immer eine individuelle inter-disziplinäre Einzelfallentscheidung. Die für das optimale Vorgehen zur Verfügung stehenden Kriterien sind dabei unterstüt-zend, um für den konkreten individuel-len Fall die optimale Vorgehensweise fest-legen zu können.

Ziele und Ratio operativer Maßnahmen

Die Ziele operativer Maßnahmen erge-ben sich direkt aus den oben aufgeführ-ten Operationsindikationen und sind in .Infobox 2  zusammengestellt. Obers-tes Kriterium ist die Verbesserung der Le-bensqualität mit einem vertretbaren und für den Patienten zumutbaren Aufwand. Wird eine Operation indiziert, müssen eine primärstabile und korsettfreie Mobi-

lisation sowie das Verhindern von Lokal-rezidiven angestrebt werden [4, 21].

Die häufig gestellte Frage, ob der Auf-wand eines operativen Vorgehens mit der damit verbundenen Morbidität den zu erwartenden Nutzen rechtfertigt, tendiert heute zu der Antwort, dass diese Frage in den meisten Fällen mit ja zu beantworten ist. Wenn interdisziplinär und unter Be-achtung möglicher Kontraindikationen die Indikation zur Operation gestellt wor-den ist, ist bei regelhaftem Verlauf eine Verbesserung der Situation des Patienten zu erreichen.

Als Kontraindikationen werden eine Lebenserwartung unter 3 Monaten und ein Allgemeinzustand, der eine Operation verbietet, in der Literatur angeführt [22].

Die momentan verfügbare Literatur beantwortet die oben gestellte Frage so, dass ein operatives Vorgehen in Kombi-nation mit einer Strahlentherapie ein bes-seres Outcome hat als eine Bestrahlung al-lein. Dies bezieht sich auf Parameter wie Erhalt und Wiedererlangung der Gehfä-higkeit sowie Schmerzreduktion und Ver-besserung der Lebensqualität. Hinsicht-lich der Gesamtprognose konnte bisher keine Verbesserung nachgewiesen wer-den [2, 3, 11, 12, 17, 20].

Hingewiesen werden muss darauf, dass diese Angaben für stabilisierende Verfah-ren gelten. Die lange Zeit durchgeführte alleinige Laminektomie verbessert die kli-nischen Ergebnisse nicht nachhaltig und sollte deshalb heute als alleinige Maßnah-me nicht mehr durchgeführt werden [8, 13, 23].

Möglichkeiten der Versorgung – Operatives Stufenkonzept

Das operative Vorgehen muss stets an die konkrete Situation angepasst werden. Die verschiedenen Faktoren, die zur Entschei-dungsfindung beitragen, sind oben ange-sprochen und entsprechen im Wesent-lichen den in .Infobox 1 aufgeführten Kriterien. Je nach Allgemeinzustand, Aus-prägung der Tumorerkrankung, Lokali-sation der Metastase und deren Ausdeh-nung, Grad der Instabilität und ob Steno-sen und/oder neurologische Defizite vor-liegen, ist das Vorgehen zu planen [21].

Wichtig ist eine allgemeine Konditio-nierung des Patienten.

Infobox 1  Entscheidungskriterien zur Wahl der operativen Vorgehens-weiseFZu Grunde liegendes TumorleidenFAllgemeinzustand des PatientenFSolitärer oder multipler Befall der Wirbel-

säuleFExtraspinale MetastasenFWirbelsäulenlokalisation der Metastase 

(segmental/lokal)FAusdehnung der MetastaseFKompression neuraler StrukturenFNeurologische DefiziteFGrad der InstabilitätFResultierende Fehlstellung

Infobox 2  Ziele operativer Maßnah-men bei Metastasen der Wirbelsäule

Erhalt/Verbesserung der LebensqualitätFSchmerzreduktionFVermeidung/Besserung neurologischer 

DefiziteFErhalt von Mobilität und Selbstständig-

keit

durch:FStabile und korsettfreie VersorgungFDekompression neuraler StrukturenFSenkung der TumorlastFVermeidung von Lokalrezidiven

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Bei Tumoren mit einer starken intraope-rativen Blutungsneigung wie dem Nieren-zell- und dem Schilddrüsenkarzinom ist eine präoperative Embolisation unbedingt anzustreben [22]. Neoadjuvante Maßnah-men können zumindest bei solitären Me-tastasen mit geplanter En-bloc-Resektion erwogen werden.

Scores, wie der Karnofsky-Index zur Einschätzung des Allgemeinzustands, als auch Scores, welche Aussagen zur Stabi-lität erlauben, wie der Spinal Instability Neoplastic Score, werden zur Beurteilung herangezogen [25]. Genauso wichtig sind die auf die Grundkrankheit bezogenen prognostischen Faktoren. Um unter Be-rücksichtigung der verschiedensten Kri-terien zu verlässlichen Einschätzungen zu gelangen, wurden zusätzliche Scores im-plementiert und evaluiert [26, 27]. Mit diesen Scores können verschiedene Para-meter erfasst und gewichtet werden, mit deren Hilfe sich Schätzungen zur Progno-se erstellen lassen. Auf dieses Thema wird in der Arbeit von N. von der Höh et al. in diesem Heft umfassend eingegangen. Be-züglich der zu wählenden operativen Vor-gehensweise gibt es Empfehlungen wie die der Spine Oncology Study Group [7, 18], wobei diese aus Sicht der Autoren dieses Beitrags Orientierung im Sinne grund-sätzlicher Überlegungen bieten, aber die individuell und dem Einzelfall angepass-te Entscheidungsfindung nicht ersetzen können.

Um den verschiedenen sich aus all die-sen Kriterien ergebenden Anforderungen begegnen zu können, ist ein breites Port-folio operativer Maßnahmen vorzuhalten. Nur dann ist die Maxime auch umsetzbar, mit dem geringsten möglichen operativen Aufwand für den Patienten den größten Nutzen zu erzielen.

Zementaugmentierende Verfahren

Diese Verfahren haben heute einen ho-hen Stellenwert und finden auch in der Metastasenchirurgie der Wirbelsäule zu-nehmend Anwendung. Dazu zählen die verschiedenen Techniken der Wirbelkör-peraugmentation, besonders dann, wenn schmerzhafte Osteolysen ohne wesent-liche kortikale Defekte und ohne epidu-rale Tumoranteile vorliegen. Hier wird neben dem Stabilisierungseffekt v. a. auf

die schnelle und gute Schmerzreduktion abgestellt [1]. Eine Kombination mit ins-trumentierten Verfahren kann durchge-führt werden. Weiterhin haben sich die Möglichkeiten zur Schrauben- und/oder Cage augmentation mit Zement bei re-duzierter Knochenqualität etabliert. Be-schrieben wird auch die Möglichkeit der offenen Zementaugmentation bei not-wendigen Dekompressionen bzw. Instru-mentationen [24].

Dorsale Stabilisierung/Dekompression

Der dorsale Zugang erlaubt eine effekti-ve Stabilisierung und gibt die Möglich-keit, notwendige Dekompressionen über den gleichen Zugang durchzuführen (.Abb. 1). Die alleinige dorsale Stabi-lisierung mit oder ohne notwendige De-kompression wird empfohlen, wenn keine großen ventralen, stabilitätsgefährdenden Osteolysen vorliegen, wenn ein gut strah-lensensibler ventraler Tumoranteil oh-ne Stabilitätsgefährdung vorliegt und die Dekompression durch dorsale Maßnah-men ausreichend möglich ist.

Ist eine alleinige Stabilisierung erfor-derlich, wird heute zunehmend auf mini-mal-invasive Optionen zurückgegriffen, um die perioperative Morbidität zu mi-nimieren. Besonders bei multimorbiden Patienten in reduziertem Allgemeinzu-stand scheint diese Vorgehensweise Vor-teile hinsichtlich verschiedener Parameter wie Blutverlust und Komplikationsrate zu haben [16, 30]. Dazu wird auf den Artikel von Josten et al. in diesem Heft verwiesen.

Ein Sonderfall ist die dorsale Stabili-sierung bei Patienten mit ausgesprochen schlechter Prognose. Hier kann auch bei Nichterfüllung der oben genannten Krite-rien eine allein dorsale Stabilisierung ge-rechtfertigt sein, um eine Schmerzreduk-tion und Prävention neurologischer De-fizite für die letzten Lebensmonate zu er-reichen.

Erweiterte dorsale Maßnahmen

Die Ziele der so genannten erweiterten dorsalen Maßnahmen sind die Dekom-pression der neuralen Strukturen, das Tu-mordebulking und die Erreichung nach-haltiger Stabilität. Dabei sollen diese Zie-

Zusammenfassung · Abstract

Orthopäde 2013 · 42:734–745DOI 10.1007/s00132-013-2068-2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C.E. Heyde · J. Gulow · N. von der Höh  A. Völker · D. Jeszenszky · U. WeberBefundadaptierte operative Versorgungsmöglichkeiten bei Wirbelsäulenmetastasen

ZusammenfassungDie operativ-technischen Möglichkeiten zur chirurgischen Versorgung von Metastasen der Wirbelsäule sind heute vielfältig. Damit besteht die Möglichkeit einer individuellen auf den Patienten abgestimmten operativen Versorgung. Der Erhalt der Lebensqualität ist oberstes Ziel aller Maßnahmen, einschließlich der operativen Therapie. Somit müssen die Ziele Schmerzreduktion, Vermeidung neuro-logischer Defizite und Stabilität mit dem mi-nimalsten operativen Aufwand und damit der geringsten perioperativen Morbidität er-reicht werden, ohne Kompromisse einzuge-hen. Die dazu zur Verfügung stehenden ope-rativen Möglichkeiten von minimal-invasiven Maßnahmen bis hin zu aufwendigen Rekon-struktionen werden unter diesen Gesichts-punkten angesprochen und diskutiert.

SchlüsselwörterLebensqualität · Schmerzreduktion ·  Interdisziplinäres Behandlungskonzept ·  Chirurgische Versorgung · Stufenkonzept

Results-adapted operative treatment options for spinal metastases

AbstractThe current operative approaches and tech-nical possibilities in the operative treatment of spinal metastases are manifold which en-ables an individual operative strategy adapt-ed to the patient’s condition. Maintaining quality of life is the primary goal in the treat-ment of these patients. The therapeutic goals, such as pain control, avoidance of neurologi-cal deficits and the achievement of spinal sta-bility have to be attained  with as little mor-bidity as possible. From this perspective the available operative techniques ranging from minimally invasive approaches to complex reconstructive surgery will be addressed and discussed in this article.

KeywordsQuality of life · Analgesia · Interdisciplinary treatment concept · Surgical treatment · Gra-duated approach

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le unter Vermeidung eines additiven ven-tralen Zugangs und damit einer Reduk-tion der perioperativen Morbidität er-reicht werden [21]. Heute kann über die-se Zugänge die gesamte Zirkumferenz der Wirbelsäule einschließlich der ventralen Anteile adressiert werden. Weiterhin kön-

nen über den dorsalen Zugang auch Maß-nahmen zur Tumormassenreduktion in angrenzenden Regionen einzeitig durch-geführt werden.

Es werden verschiedene Empfehlun-gen zur Unterscheidung in dorsale, pos-terolaterale und laterale Vorgehenswei-

sen gegeben. Da sich bei den heute vor-liegenden technischen und operativen Möglichkeiten die unterschiedlichen Va-rianten überschneiden und nicht mehr so klar abgrenzbar sind, empfehlen wir den Terminus „erweiterte dorsale Maß-nahmen“.

Abb. 2 8 a LWK3-Metastase eines Prostatakarzinoms mit radikulärer Symptomatik und progredienten therapieresistenten Beschwerden bei Spinalkanalinfiltration eines 67-jährigen Patienten mit multiplem Skelettbefall. bLinks intraoperativ: Küret-tage des Defekts im Wirbelkörper nach Dekompression, Resektion des befallenen Pedikels und Tumordebulking. Rechts post-operativer Befund mit dorsaler Instrumentation und Auffüllung des intravertebralen Defekts mit Palacos

Abb. 1 9 Multiple Metas-tasierung eines Mamma-karzinoms mit Punctum maximum an der HWS mit pathologischen Fraktu-ren, langstreckiger spina-ler Kompression und pro-gredienter Ausbildung von Zeichen langer Bahnen bei einer 61-jährigen Patientin (links). Postoperative Rönt-genbilder nach palliativer Stabilisierung C0 bis Th2 und Laminektomie über 3 Höhen (rechts)

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Dorsale Stabilisierung mit erweiterter Dekompression/TumordebulkingHier stehen verschiedene Möglichkei-ten zur Verfügung. Umschriebene Antei-le des Wirbels können transpedikulär von dorsal kürettiert und ggf. mit Knochenze-ment aufgefüllt werden (.Abb. 2).

Über erweiterte Dekompressionen und/oder ein erweitertes Tumordebul-king kann der Spinalkanal zirkumferent dekomprimiert werden. Eine zirkumfe-rente Dekompression wird immer wieder empfohlen, besonders dann, wenn schon eine Kompression neuraler Strukturen vorliegt [19].

Dazu kann über eine Resektion der Facettengelenke schon ein ausreichen-des Portal für partielle ventrolaterale und ventrale Resektionen geschaffen werden. Bei Notwendigkeit führt eine Resektion des Pedikels ein- oder beidseitig zu einem komfortablen Zugang zur ventralen Säu-le. Über diese Zugänge kann der komplet-te ventrale Anteil des Wirbels ausgeräumt und stabilisiert werden. Ein Ausräumen der angrenzenden Bandscheiben gelingt über diese Zugänge problemlos und es können so mehrere Etagen erreicht wer-den. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist hierbei ein retropleurales Vorgehen im Sinne eines extrakavitären Zugangs mög-lich (.Abb. 3).

Thorakal gestattet die Erweiterung des Zugangs über eine Kostotransversekt-omie eine erweiterte Übersicht und eine bessere Erreichbarkeit der ventralen Säu-le von lateral [9]. Bei Nichtbefall durch den Tumor kann eventuell das mobili-sierte Rippenköpfchen auch zum Schutz angrenzender Weichteile nach lateral ste-hen gelassen werden. Die alleinige Kos-totransversektomie von weit lateral zum Erreichen der anterolateralen Wirbelsäu-le ist heute wegen der alternativen ventra-len minder-invasiven Verfahren und der Möglichkeiten, dieses Verfahren in die erweiterten dorsalen Maßnahmen einzu-beziehen, eher in den Hintergrund getre-ten [9].

Abb. 3 8 a Pathologische Fraktur Th8 mit Myelonkompression bei einer 74-jährigen Patientin mit einem multiplen  Myelom. b Zustand nach operativer Stabilisierung Th5–11 mit Laminektomie Th8, Tumordebulking, Pedikelresektion und ventraler Ausräumung sowie ventraler Abstützung (Harmskorb mit Palacos) über einen erweiterten dorsalen Zugang (3b1), unauffäl-lige Verlaufskontrolle 9 Monate postoperativ (3b2), Fraktur des kranial instrumentierten Wirbels mit Kyphose und Implantat-versagen 24 Monate postoperativ ohne Rezidivnachweis (3b3), Verlängerung der Instrumentation und partielle Korrektur über 2 Ponte-Osteotomien; nebenbefundlich zeigt sich die gute Rekalzifizierung Th8 nach lokaler Bestrahlung (3b4)

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Leitthema

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Abb. 4 8 a Metastase eines adenioden Karzinoms (CUP) mit Metastasen Th12 und Th11 mit Myelonkompression und Thorax-wandbefall, beginnendem sensiblem Defizit sub Th12 und immobilisierenden Beschwerden bei einem 50-jährigem Patien-ten. b Intraoperativer von dorsal freigelegter Situs mit Metastase (4b1), Situs nach Dekompression und Tumordebulking ein-schließlich der ventralen Säule, und Thoraxwandresektion (4b2), Situs nach Verschluss des Thoraxwanddefekts mit Netz und dorsaler Instrumentation (4b3). c Postoperativer Situs nach langstreckiger Stabilisierung mit additiver ventraler Abstützung unmittelbar (links) und 3 Monate post operationem (rechts)

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Neben anderen Autoren empfehlen Ibrahim et al. [11] eine Einteilung, um die Art der Resektion von Tumoranteilen klarer abgrenzen zu können. Die Autoren schlagen eine Untergliederung in palliati-ve Dekompression, Tumordebulking und En-bloc-Spondylektomie vor.

Während eine Abgrenzung der En-bloc-Spondylektomie sinnvoll ist, lassen sich die Vorgehensweisen in Bezug auf

Dekompression und Tumordebulking nicht immer klar voneinander trennen.

Dorsale Stabilisierung und additive MaßnahmenÜber den dorsalen Zugang und mögliche Erweiterungen kann eine Reihe zusätzli-cher Maßnahmen wie Weichteileingrif-fe zur Resektion befallener muskulärer Strukturen, Thoraxwandresektionen und Eingriffe an den dorsalen Anteilen des

knöchernen Beckens (Resektionen, Sta-bilisierung, Palacosplombage) problemlos durchgeführt werden (.Abb. 4). Die Zu-gänge können dazu je nach Anforderung erweitert und angepasst werden. Notwen-dig ist eine exakte präoperative Planung anhand der Bildgebung.

Abb. 5 8 a 76-jähriger Patient mit Anschlussfraktur und progredienter Kyphose bei Rezidiv eines multiplen Myeloms Th12 nach dorsaler Stabilisierung Th9–11 zwei Jahre zuvor. b Postoperatives Bild nach Revisionsoperation mit Segmentresektion Th12 zur Kyphosekorrektur und Verlängerung der Instrumentation mit zementierten Schrauben nach kaudal (links), Vergleich des Profils in den prä- und postoperativen Wirbelsäulenganzaufnahmen mit Kyphosekorrektur (rechts)

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Leitthema

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Dorsale Stabilisierung und DeformitätenkorrekturFehlstellungen auf Grund metastasenbe-dingter Defekte oder resultierende Insta-bilitäten können häufig gut von dorsal al-

lein korrigiert werden. Wenn es die Grö-ße des ventral zu Grunde liegenden De-fekts erlaubt, kann eine Korrektur über dorsal schließende und damit verkürzen-de Maßnahmen erreicht werden. Zum

Einsatz kommen hier die verschiedenen Techniken der Korrekturosteotomien (Ponte-Osteotomie, Pedikelsubtraktions-osteotomie, Segmentresektion) in Ab-hängigkeit vom Ausmaß der Fehlstellung

Abb. 6 8 a Pathologische Fraktur HWK4 bei Prostatakarzinommetastase bei einem 70-jährigen Patienten mit multipler Me-tastasierung. b Zustand nach Resektion HWK4, Wirbelkörperersatz mit Harmskorb (Palacos gefüllt) und additiver ventraler Stabilisierung mit Platte von C3–5

Abb. 7 8 a Metastase eines Nierenzellkarzinoms Th12 mit pathologischer Fraktur und ausgeprägter Infiltration des Spinalka-nals bei einem 58-jährigem Patienten mit multipler Metastasierung. b Präoperative Embolisierung (links) und postoperatives Röntgenbild bei Zustand nach dorsaler Stabilisierung und Dekompression und einzeitiger ventraler partieller Wirbelkörperre-sektion mit Dekompression und Wirbelkörperersatz

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und der zu Grunde liegenden Pathologie (.Abb. 5).

Ventrale Vorgehensweise

Die Indikation zum ventralen Vorgehen ergibt sich bei isolierten ventral lokali-sierten Pathologien oder wenn im Rah-men komplexer Versorgungen ventrale, oft mehrsegmentale Dekompressionen und Stabilisierungen notwendig werden (.Abb. 6). Da Metastasen in der Mehr-zahl anterior oder am Übergang des Wir-belkörpers in die Bogenwurzel lokalisiert sind, erlaubt diese Vorgehensweise so-

wohl ein direktes Tumordebulking und eine notwendige Dekompression als auch eine Stabilisierung [30].

Die unterschiedlichen Abschnitte der Wirbelsäule (HWS, BWS, LWS) erfor-dern die üblichen ventralen Standard-zugänge. Besondere Herausforderungen können sich bei Befall der so genannten junktionalen Zonen (kraniozervikal, zer-vikothorakal, thorakolumbal und lumbo-sakral) ergeben [21]. Werden seltene Zu-gänge wie transorales Vorgehen oder ho-he Sternotomien erforderlich, ist bei feh-lender Vertrautheit mit diesen Zugängen

ein interdisziplinäres Vorgehen in einem Zentrum zu empfehlen.

Besonders thorakal sind bei den heu-tigen technischen Möglichkeiten und den breiten dazu vorliegenden Erfahrun-gen die minimal-invasiven, endoskopisch gestützten Verfahren als Alternative zum offenen Vorgehen zu erwägen [6].

Kombinierte Vorgehensweise

Die Indikation zur kombinierten Vor-gehensweise wird häufig dann gestellt, wenn große ventrale Defekte oder von ventral einengende Strukturen in den

Abb. 8 8 a Solitärmetastase HWK3 eines Mammakarzinoms einer 84-jährigen Patientin mit pathologischer Fraktur, Umge-bungsinfiltration, schnell progredienter Ausbildung von Zeichen langer Bahnen bei Myelonkompression und einseitigem Ver-schluss der A. vertebralis. b Intraoperativer Situs ventral mit initialer Darstellung der intakten A. vertebralis (Pfeil) zum Schutz des noch erhaltenen Gefäßes (8b1), anschließendem Tumordebulking (8b2) und Stabilisierung mit Harmskorb (Palacos ge-füllt) und additiver Platte (8b3). c Postoperatives Röntgen nach dorsaler Stabilisierung C1–6 und Laminektomie C3, ventralem Tumordebulking mit Spinalkanaldekompression, Wirbelkörperersatz und additiver Stabilisierung C2–4 (links), postoperative CT-Bilder zur Kontrolle der Dekompression und der Implantatlage (Mitte), Röntgenverlaufskontrolle 20 Monate postoperativ nach zwischenzeitlicher einseitiger Mastektomie und lokaler Nachbestrahlung (rechts)

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Leitthema

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junktionalen Zonen vorliegen. Auch an der HWS, an der ein zirkumferentes Zu-gehen über den dorsalen Zugang nicht möglich ist wie an anderen Wirbelsäu-lenabschnitten, empfiehlt sich diese Vor-gehensweise bei ausgeprägten Befunden, die mehrere Etagen betreffen und/oder sowohl dorsale als auch ventrale Antei-

le der Wirbelsäule involvieren. In Fällen, in denen eine Embolisation stark blu-tungsgefährdeter ventral gelegener Me-tastasen nicht sicher gelingt, kann der additive ventrale Zugang eine höhere in-traoperative Sicherheit geben (.Abb. 7 und .Abb. 8).

En-bloc-Spondylektomie

Die En-bloc-Spondylektomie als Behand-lungsalternative bei solitären Metastasen unter dem Gesichtspunkt einer maxima-len Verringerung der Tumorlast mit dem Ziel der Prognoseverbesserung ist in den letzten Jahren vielfach diskutiert und mit

Abb. 8 8 Fortsetzung

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Ergebnissen belegt worden [5, 27]. Die Implementierung stringenter Staging-protokolle und die Verbesserung der dia-gnostischen Möglichkeiten haben dazu geführt, dass Metastasen früher entdeckt und damit auch häufiger solitäre Metasta-sen diagnostiziert werden.

Das Ziel dieser Vorgehensweise ist letztendlich das Erreichen sicherer Re-sektionsgrenzen unter dem Gesichts-punkt der onkologischen Radikalität, um die Rezidivrate zu senken und bestenfalls eine positive Beeinflussung der Gesamt-prognose zu erreichen [5, 27].

Operativ vorgegangen werden kann sowohl allein von dorsal als auch dorso-ventral [5, 10]. Die Erweiterung des Ver-fahrens bei mehrsegmentalen Pathologien ist beschrieben [5]. Die Entscheidung zu diesem anspruchsvollen und für den Pa-tienten belastenden Eingriff ist an die Er-füllung einer Reihe von Voraussetzungen gebunden (günstige Tumorprognose hin-sichtlich der Überlebenszeit, mögliche ra-dikale Behandlung des Primärtumors, histologisch gesicherte Übereinstim-mung von Primum und Metastase, Soli-tärmetastase u. a.). Da auf diese Fragestel-lung in diesem Heft umfassend im Artikel von Schaser et al. eingegangen wird, soll an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet und auf diesen Artikel verwie-sen werden.

Alternativen und neue Verfahren

Neue Verfahren der operativen Thera-pie von Metastasen befinden sich sowohl in der Entwicklung als auch in der klini-schen Anwendung. Hierbei geht es so-wohl um neue operativ-technische De-tails als auch um die Etablierung von Ver-fahren, bei denen medikamentöse, strah-lentherapeutische und physikalische An-wendungen mit operativen Verfahren di-rekt kombiniert werden.

»  Neue Verfahren kombinieren medikamentöse, strahlen-therapeutische und physikalische mit operativen Anwendungen

Es existieren verschiedene sowohl etab-lierte als auch in der Entwicklung befind-liche ablative und in aller Regel minimal-

invasive durchführbare Verfahren zur Massenreduktion von Metastasen. Dazu gehören als etablierte Verfahren die Ra-diofrequenz- und die Kryoablation. Die Mikrowellenablation befindet sich in Be-zug auf ossäre Metastasen in der Phase der klinischen Evaluation. Ziele sind eine Tu-mormassenreduktion und eine Schmerz-therapie. Die Verfahren können allein oder in Kombination mit augmentieren-den und/oder stabilisierenden Maßnah-men durchgeführt werden [15].

Das Verfahren der Kypho-IORT [28], einer Kombination von lokaler intraope-rativer Strahlentherapie mit einer Kypho-plastie, wird in diesem Heft von Bluda et al. und von Kayser et al. in gesonderten Artikeln dargestellt und diskutiert.

Diskussion

Metastasen sind ein Zeichen für die Aus-breitung der Grunderkrankung über die primäre Lokalisation hinaus. Entschei-dungen über den Therapiealgorithmus werden interdisziplinär und auf den indi-viduellen Fall bezogen gefällt. Die opera-tive Therapie ist ein Teil des therapeuti-schen Konzepts.

Kriterien und Scores als Unterstüt-zung zur Entscheidungsfindung stehen umfangreich zur Verfügung. Es müssen aber auch mögliche Komplikationen, die gerade bei den oft multimorbiden Patien-ten mit einem häufig reduzierten und im-munsupprimierten Allgemeinzustand zu erwarten sind, in die Entscheidungs-findung mit einbezogen werden. Intra-operative Probleme können durch eine optimale Vorbereitung (Patientenkon-ditionierung, Embolisation) und durch technische Unterstützungssysteme wie das Neuromonitoring und die Navigation minimiert werden. Wenn ohne Kompro-misse möglich, kann der Einsatz minimal-invasiver Verfahren hilfreich sein.

Postoperative Komplikationen werden in Größenordnungen von 11–20%, in eini-gen Arbeiten bis knapp unter 50% der Fäl-le angegeben [21, 22, 30]. Der frühe Ein-satz operativer Maßnahmen ohne vor-herige Bestrahlung, Chemotherapie und länger andauernden Einsatz von Kortiko-iden vermindert das Risiko postoperati-ver Komplikationen, v. a. postoperativer Wundheilungsstörungen. Auch wenn die-

se Komplikationen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu beherrschen sind, führen sie doch zu einer negativen Beein-flussung der Lebensqualität.

Metastasen können auch dann auftre-ten, wenn der Patient durch seine Tumor-erkrankung noch nicht wesentlich einge-schränkt ist. Auch konnte bei verschiede-nen Tumorentitäten eine Verbesserung der Prognose durch die neuen Möglich-keiten der onkologischen Therapie er-reicht werden [2, 12, 30]. Diese Feststel-lungen unterstreichen die Notwendigkeit der Planung einer stabilen und sicheren, aber vom Aufwand her vertretbaren Ver-sorgung.

Die Entwicklungen der letzten Jahr-zehnte stellen ein breites Spektrum opera-tiver Möglichkeiten zur Verfügung. Um-gekehrt muss dieses Spektrum zur Ver-sorgung aber auch bereitgestellt und in vollem Umfang beherrscht werden. Nur so kann das Ziel, mit so wenig Aufwand wie möglich die Lebensqualität für den Patienten zu verbessern, erreicht wer-den. Schmerzreduktion, die Vermeidung oder Verbesserung neurologischer Defi-zite und der Erhalt einer weitestgehen-den Selbstständigkeit und ausreichender Mobilität stehen dabei im Vordergrund. Voraussetzung dazu ist eine primärsta-bile und möglichst korsettfreie Versor-gung mit dem Ziel, die Tumorlast zu sen-ken und Lokalrezidive zu vermeiden [4, 21]. Ryken et al. [20] betonen in ihrem Re-view, dass besonders Patienten mit metas-tasenbedingten neurologischen Defiziten von operativen Maßnahmen profitieren, wenn keine kompletten Ausfälle vorgele-gen haben.

Fazit für die Praxis

FDas oben vorgestellte Portfolio ope-rativer Maßnahmen zeigt die Vielfalt der möglichen Versorgungen bei Pa-tienten mit Metastasen der Wirbel-säule auf.

FDie verschiedenen Verfahren können nach Bedarf kombiniert und variiert werden.

FDas Vorhalten dieses Spektrums er-laubt eine individuelle und auf den konkreten Fall abgestimmte Versor-gung von Metastasen der Wirbelsäule.

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Leitthema

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FAls Ziel muss die Verbesserung der Le-bensqualität des betroffenen Patien-ten unter Wahrung eines vertretbaren Aufwand-Nutzen-Verhältnisses Leitli-nie des Vorgehens sein.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. C.E. HeydeOrthopädische Klinik und Poliklinik,  Universität Leipzig,Liebigstr. 20, 04103 LeipzigChristoph-Eckhard.Heyde @medizin.uni-leipzig.de

Widmung

Der vorliegende Beitrag ist Herrn Prof. Dr. med. G. von Salis-Soglio zu seiner Emeritierung gewidmet.

Einhaltung der ethischen Richtlinien

Interessenkonflikt.  C.E. Heyde, J. Gulow, N. von der Höh, A. Völker, D. Jeszenszky, U. Weber geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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