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BEETHOVEN...27.9. 11.00 & 15.00 GROSSES HAUS 28.9. 18.00 & 20.00 GROSSES HAUS Dauer ca. 1 ½, keine...

Date post: 01-Oct-2020
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BEET 1. SINFONIEKONZERT 20/21 HOVEN
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BEET1. SINFONIEKONZERT

20/21

HOVEN

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27.9. 11.00 & 15.00 GROSSES HAUS 28.9. 18.00 & 20.00 GROSSES HAUSDauer ca. 1 ½, keine Pause

BEETHOVEN1. Sinfoniekonzert

Ludwig van Beethoven Konzert für Violine und Orchester 45’ (1770–1827) D-Dur op. 61 1. Allegro, ma non troppo 2. Larghetto 3. Rondo Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93 28’ (1770–1827) 1. Allegro vivace e con brio 2. Allegretto scherzando 3. Tempo di Menuetto 4. Allegro vivace Antje Weithaas Violine Georg Fritzsch Dirigent BADISCHE STAATSKAPELLE

Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.

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PAR CLEMENZA POUR CLEMENT

Der Violinist Franz Clement staunte nicht schlecht, als ihm sein Kollege und Freund Ludwig van Beethoven die frisch notierte Partitur des langer- sehnten Violinkonzerts überreichte. Beethoven hatte das Konzert in nur wenigen Wochen komponiert. Auf dem Titelblatt des Werks war die Widmung an den Auftraggeber zu lesen: „par clemenza pour Clement“ – aus Gnade für Clement. Viel Gnade für das Stu- dieren der Noten kam dem Violinisten aber nicht zugute. In nur wenigen Tagen stand die Uraufführung bevor und Clement sollte die Solopartie über- nehmen. Herausforderungen waren dem talentierten Virtuosen aber eine gern gesehene Abwechslung. Das ist zumindest dem Programmzettel der Uraufführung zu entnehmen, auf dem neben dem Violinkonzert auch ein Vor-trag mit „Effectchen“ stand: „Herr

Clement [wird] auf der Violine phanta-siren und auch eine Sonate auf einer einzigen Saite mit umgekehrter Violin spielen.“ Obwohl er das neukompo nier- te Violinkonzert fast ausschließlich vom Blatt spielen musste, meisterte Clement die anspruchsvollen Solo - passagen mit Bravour. Die Urauf-führung am 23. Dezember 1806 im Theater an der Wien gelang. Johann Nepomuk Möser, Rezensent der Wiener Theaterzeitung, berichtete von „ausnehmende[m] Beyfall“. Dieser galt aber in erster Linie dem Solisten Clement. Mit seiner „bewährte[n] Kunst und Anmuth, seine[r] Stärke und Sicherheit auf der Violin, die sein Sclave ist“ brachte er das Publikum zu „lär-menden Bravo“-Rufen. Der Komponist fand in der Rezension hingegen wenig Gnade. Möser empfahl, Beethoven möge doch seine Talente anderweitig

Ludwig van Beethoven | Porträt. Gemälde, 1806, von Isidor Neugaß (um 1780 – nach 1847). Öl auf Leinwand.

AUS GNADE

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anwenden, wie beispielsweise in sei-nen ersten Sinfonien. Der Zusammen-hang sei ganz zerrissen und die „un-endlichen Wiederholungen einiger gemeiner Stellen“ würden ermüden: der Solist zu wenig virtuos, das Or-chester zu sinfonisch. Beethoven nahm die Kritik offensichtlich zu Herzen. Bis zur Drucklegung 1807 folgten daher noch zahlreiche Änderungen – offen-bar in Rücksprache mit Clement. Dabei strich Beethoven aber nicht die ur-sprüngliche Stimme durch. Vermutlich fand er seine erste Version deutlich besser. Gut zu erkennen ist dies in sei-ner Bearbeitung für Klavier mit Orches-ter. Dort spielt das Klavier die originale Violinstimme. Für die Soloparts des Violinkonzerts sind heute mindestens vier Lesarten erhalten. Doch auch die vielen Ausbesserungen verhalfen nicht zum erwünschten Erfolg. Auch das hohe Niveau der spielerischen Fähig-keiten schreckte wohl Künstlerinnen und Künstler von der Darbietung vorerst ab. Oder war das Publikum nur noch nicht reif für ein Violinkonzert nach Beethovens Art? Es waren wohl zu viele Faktoren, die nach der ersten Aufführung viele Jahre keine weiteren folgen ließen.

Wegbereiter

Mit seinem einzigen Violinkonzert wich Beethoven von dem damals eta-blierten und vom Publikum erwarteten ‚Virtuosen konzert mit Orchesterbeglei-tung‘ ab. Die Form und der Charakter waren für das Publikum der Urauf-

führung ungewohnt und mochten die Zuhörerschaft teils verwirrt haben. Neu war die sinfonische Länge von etwa 45 Minuten. Bereits der 1. Satz war mit einer Länge von 20 bis 25 Minuten so lang wie damals gewohnte Konzerte. Aber auch der besondere, romantisch-kantable Charakter und die motivische Gestaltung waren unerwartet. Seiner Zeit voraus schuf Beethoven ein Violinkonzert, das sich klar von der etablierten mozartschen Form löste. Es ist ein Konzert, das neue Maßstäbe setzte und vielen späteren Komponisten als Vorlage diente. Diesen Meilenstein erkennen wir noch 73 Jahre später in Johannes Brahms’ Violinkonzert, das mit allen Form-elementen ausgestattet ist – exakt so, wie Beethoven es etablierte.

Dass wir heute Beethovens Violinkon- zert zum Kanon dieser Gattung zählen dürfen, verdanken wir dem Violinisten und Ausnahmetalent Joseph Joachim. Mit zwölf Jahren führte er das Werk unter der Leitung von Felix Mendels-sohn Bartholdy 1844 an der Londoner Philharmonic Society auf – in einer Zeit, als das romantische Konzert schon ganz andere Züge angenommen hatte. Der junge Geiger setzte sich auch weiterhin dafür ein, dass das Werk einen festen Platz im Repertoire erhielt.

Ein ‚Gedanken‘-Karussell

Es sind die zwei Themen, nacheinander vorgestellt und kontrastreich, die einen so vertrauten 1. Satz im Konzert kenn-

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zeichnen – anders jedoch Beethovens Violinkonzert: Er schafft Raum für sechs musikalische ‚Gedanken’, die alle the- matisches Potenzial haben. Statt zwei polarisierender Themen lassen sich fünf lyrische Bausteine und ein rhy- thmisches Motiv finden. Diese zeigen untereinander zwar wenig Kontraste, dafür – und das setzte er in sinfoni- scher Größe um – lassen sie sich mit kleinsten Modulationen miteinander verknüpfen und verweben. Das zeigt sich besonders eindrucksvoll in den Solo-kadenzen der Violine.

Ungewöhnlich ist der Beginn des Konzerts: Solistisch eröffnet die Pauke mit klopfenden Vierteln auf dem Grundton D. So etwas gab es bis dato noch nicht! Es ist ein „Klopfen“, das uns heute sehr bekannt vorkommt: In der zwei Jahre jüngeren Sinfonie Nr. 5 sind es die berühmten, schick-salhaften vier Töne, die sich hier bereits ankündigen. Das Paukenmotiv – zu Beginn noch recht unscheinbar – wandelt sich im Laufe des Konzerts zum universalen Baustein, der sich in den verschiedenen Instrumenten-gruppe zum motivischen Gerüst weiterentwickelt. Nach den intonie-renden Paukenschlägen folgt von den Holzbläsern der zweite ‚Gedanke‘: Ein weihevoller Lobgesang, der sich auf das Pochen legt. Mit dem dritten ‚Gedanken’, einer schlichten, auf-steigenden Durtonleiter bleibt der Komponist in lyrischen Gefilden. Erst der vierte ‚Gedanke‘ bietet nach dem ruhigen Anfang einen überraschenden

und dynamischen Ausbruch. Kanta-bel bringt der fünfte ‚Gedanke’ eine volksliedhafte Melodie hervor – eine Melodie, die oftmals auch als Seiten-thema, also als zweites Thema, an-gesehen wird.

Wussten Sie’s? Beethovens Violin- konzert schrieb in den 1960er Jahren deutsche Fernsehgeschichte. Bereits im Frühjahr 1963 verwendete das frisch gegründete Zweite Deutsche Fern-sehen (ZDF) diese lyrische Melodie, das „2. Thema aus dem 1. Satz“ des Violinkonzerts als akustisches Sender- zeichen – ganz nach dem Motto des ersten Sendetages: „Am Ersten das Zweite“.

Klangvoll schließt der sechste ‚Ge-danke‘ die Themenvorstellung ab und der spannende Teil beginnt: Nach etwa 3 ½ Minuten Wartezeit darf nun die Solovioline die Stimme erheben. Sie schwingt sich im Wechselgesang mit dem Tutti-Orchester durch die vorgestellten Melodien und Motive und lässt diese im neuen Glanz, mit neuer Finesse, mal in tosender Größe, mal schmelzend zart erklingen. Im anschließenden Larghetto reduziert Beethoven die Besetzung des Orches-ters und erreicht damit einen ganz besonders weichen und leisen Klang. Die Flöten, Oboen, Trompeten und die Pauke legen dafür eine Pause ein. Die Streicher spielen mit Dämpfer – „con sordino“. Wie in einer Gesangsszene

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8 Bildunterschrift: Name Schauspieler*in, Name Schauspieler*in

treten Violine und Orchester in einen intimen Dialog. Unterschiedliche Ins-trumente lassen die Melodie viermal erklingen, die ihre ursprüngliche Form nicht verlässt. Es ist wie ein mehr-strophiges Lied ohne Worte mit der Solovioline als lyrischer Ruhepunkt. Nach einer kurzen, improvisierten Überleitung zieht der finale Satz um das Larghetto die Klammer sinfonisch zu: ein perfekt konzipiertes Schluss-rondo mit strahlender Impulsivität und Spannung. Das für die Klassik

typische Jagdrondo zeichnet sich mit rhythmischen Sechsachteltakt und dem typischen Hörnerklang aus. Mit technischen Raffinessen, gebrochenen Akkorden, schnellen Läufen und virtuosen Doppelgriffen beinhaltet das Rondo die anspruchsvollsten Parts des gesamten Konzerts. Das Rondothema verarbeitet Beethoven so weit, dass nur noch kleine Bestandteile dessen anklingen und die Gestalt nicht mehr in ursprünglicher Form in Erscheinung tritt – ein typischer Beethoven!

Beethovens Notenhandschrift zu seinem Violinkonzert D-Dur op. 61 (1806).

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Begegnung zwischen Beethoven und Goethe in Teplitz 1812. Kupfertiefdruck nach Zeichnung von Carl Röhling (1849–1922); spätere Kolorierung.

Mit heiterer Stimmung – fern vom typischen Beethoven-Ernst – und einer knackigen Länge von 30 Minuten wird die achte Sinfonie gern unbeachtet in den Schatten ihrer mächtigen und effektreichen sinfonischen Schwestern gestellt. Zu Unrecht! Denn sie hat es in sich: Bevor Beethoven in seiner neunten und letzten Sinfonie die Grund- pfeiler der traditionsreichen Gattung radikal erneuerte, ließ er diese in seiner Achten bereits gewaltig beben. Keine seiner vorherigen Sinfonien hatte dies bis dato geschafft – und das mit verblüffend leichter Parodie. Es ist ein Spiel mit der Erwartungshaltung.

Kaum zu glauben, dass dieses humo-ristische Werk im Jahr 1812 entstand – einem schicksalhaften Jahr, das dem Komponisten keinen Grund zum Lachen gab: Sein Liebesglück zerbrach und das anhaltende Hörleiden verschlimmerte sich deutlich. Im Mai des verhängnis- vollen Jahres 1812 fertigte er bereits Skizzen für ein Klavierkonzert in F-Dur

an. Das thematische Material für das Klavierkonzert wandelte er aber schnell in eine sinfonische Form um. Weitere musikalische Ideen sammelte er vor allem auf seinen sommerlichen Kurauf- enthalten in den böhmischen Bädern Teplitz, Karlsbad und Eger. Teplitz war auch der Ort, an dem die vielzitierte Begegnung mit Johann Wolfgang von Goethe stattfand. Goethe berichtete über Beethoven mit Hochachtung, aber Sorge: „Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlich-keit, die zwar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie freilich dadurch weder für sich noch für andere genussreich macht.“ Goethe sah hinter dem großen Künstler einen gezeichneten Mann, der durch seinen weiter voranschreitenden Gehörverlust ins soziale Exil getrieben wurde und sich wiederum auch selbst mit seiner schroffen Art dorthin trieb. „Sehr zu entschuldigen ist er … und sehr zu bedauern“. Und wäre das nicht schon

EINE PARODIEDER SINFONIE

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genug, entschied Beethoven in dieser Zeit, auf sein persönliches Liebesglück zu verzichten. Er verfasste in Teplitz den heute berühmten Brief an die „un-sterbliche Geliebte“, über deren Identi-tät nur zu munkeln ist – „Mein Engel, mein alles, mein Ich“.

Die Außenseiterin macht „keine Furore“

Die Uraufführung verdutzte das Publikum mehr, als es begeisterte. Und auch heute noch überrascht ein Mangel an Popularität. Beethoven betitelte seine Achte zwar als „kleine F-Dur“, das bezog sich aber in erster Linie auf den Umfang im Vergleich zur Viertelstunde längeren Sinfonie Nr. 6, die ebenfalls in F-Dur steht. Vielleicht war es auch die unglückliche Werk-zusammenstellung der Uraufführung am 27. Februar 1814: Das Programm der von Beethoven organisierten „Akademie“ im großen Redoutensaal zu Wien bot neben der Achten auch die Sinfonie Nr. 7 und Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria. Diese beiden effektgewaltigen Bro-cken ließen die die humorige, aber auch verquere „kleine F-Dur“ etwas deplatziert wirken. Zur Kritik der Programmzusammenstellung äußerte Beethoven nur, dass die achte Sinfonie natürlich auch „viel besser“ als die Siebte sei. Die gespannte Erwartung der Zuhörerschaft war groß und konnte nicht erfüllt werden. Werk und Erwartung passten nicht zusammen und das Publikum war sich unsicher:

Was möchte die Achte mitteilen, sollte man schmunzeln oder gar lachen? Es ist ein Humor, dem nicht zu trauen ist. Verwirrung statt Begeisterung. In der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung schrieb man von unerfüllten Erwartungen und einem mäßigen Beifall: „Kurz sie machte – wie die Italiener sagen – keine Furore.“

Der Bruch mit der Gattungstradition

Ohne langsame Einleitung geht es gleich ins Geschehen. Das macht den ersten Satz aber nicht einfacher zu verstehen, denn: Die musikalischen Themen gehen nicht in den gewohnten Dualismus. Für unser Verständnis viel zu früh setzt schon zu Beginn die Themenverarbeitung ein, die doch eigentlich erst in die sogenannte Durchführung gehört. Diese selbst ist ein Aneinanderreiben von Metrum und Rhythmus, die anschließende Coda wie eine zweite Durchführung. Ohne Frage wird hier das geschulte Ohr mit gefestigter Hörerwartung verwundert. Weiter sonderbar geht es im zweiten Satz zu: Statt eines pathetischen Adagios als Ruhepol der Sinfonie witzelt ein knackiges Alle-gretto scherzando. Zudem entspringt in diesem Satz der thematische Grund-pfeiler der ganzen Sinfonie und stellt das zeitliche Geschehen in Frage. Gleich zu Satzbeginn gibt das leise Ticken der Holzbläser ein Gefühl von Zeitmaß. Deutlich schneller als das Ticken einer Uhr führen die repetieren-den Sechzehntel zu einem eilenden,

aber stetigen Charakter. An dieser Stelle spannt Beethoven den Bogen zu Joseph Haydn. Dieser verwendete bereits die zeitliche Geste des Tickens im langsamen Satz seiner Sinfonie Die Uhr Nr. 101. Es ist ein Wechselspiel zwischen Zeitmessung und -erfüllung – und es bleibt die Frage, wie viel Ernst hinter dieser humorigen Maske steckt. Beethoven betrachtete die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen seiner Zeit stets mit kritischen Adler-augen. Bekannt ist auch, dass er viele dieser Umbrüche in Musik übersetzte. Auch wenn die Industrialisierung zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen steckte, liegt es doch nahe, dass Beet-hoven im treibenden zweiten Satz wo-möglich einen kritischen Fingerzeig äußern mochte. Der dritte Satz ist ein antiquiertes Menuett im alten, gemäch-lichen Zeitmaß. Gleich die derben Klänge des Satzanfangs bringen den durchweg ländlichen, teilweise auch

bukolischen Charakter mit sich. Das abschließende Allegro vivace ist unter den Final-Sätzen wohl einer der kunst- reichsten und kompliziertesten. Hector Berlioz schrieb dem Satz eine „fun-kelnde Lebhaftigkeit“ zu und nannte die Themen „glänzend, neu und ver-schwenderisch entwickelt“. Richard Wagner mochte die Sinfonie übrigens nicht. Für ihn war es „kalte Musik“.

Das Verhältnis zur Tradition ist durch-aus zwiespältig. Beethoven führt die sinfonische Gattung vor, reflektiert sie, distanziert sich von ihr und macht sich über sie lustig. Normverstöße, Übertreibungen, schwer ausführbare Spielanweisungen… sie ziehen sich durch das ganze Stück. Die Sinfonie des 18. Jahrhunderts steht am Pranger. Mit Parodie richtet diese Sinfonie auch einen kritischen Blick auf das Welt-geschehen: Altes muss weichen, um Neues zu schaffen.

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Als Solistin hat Antje Weithaas bereits mit Klangkörpern wie dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, den Bam-berger Symphonikern, Los Angeles Philharmonic, BBC Symphony und Philharmonia Orchestra gearbeitet. Weiterhin ist sie regelmäßig bei Solo- rezitalen und Kammermusikprojekten, etwa mit dem Arcanto Quartett, zu hören. Antje Weithaas war fast zehn Jahre als künstlerische Leiterin der Camerata Bern für das musikalische Profil der Camerata verantwortlich und leitete vom Pult der Konzertmeisterin deren Konzerte. Mit viereinhalb Jah-ren begann sie mit dem Geigenspiel.

Später studierte Antje Weithaas an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin, an der sie heute unterrichtet. Sie gewann mehrere renommierte Wettbewerbe, darunter den Joseph Joachim Violinwettbewerb.

Neben den großen Konzerten Mozarts, Beethovens und Schumanns und neuen Werken wie Jörg Widmanns Violin-konzert beinhaltet ihr breitgefächertes Konzertrepertoire auch Klassiker der Moderne wie Schostakowitsch, Pro-kofjew und Gubaidulina sowie selten gespielte Violinkonzerte wie die von Hartmann und Schoeck.

ANTJE WEITHAASVIOLINE

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Georg Fritzsch, 1963 in Meißen ge-boren, studierte Violoncello und Dirigieren in Dresden und Leipzig. Zwi-schen 1998 und 2019 war er General-musikdirektor des Orchesters Süd-westfalen sowie des Theaters Hagen, des Tiroler Landestheaters Innsbruck und des Theaters Kiel. Er stand u. a. am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden, der Dresdner Philharmonie, des Deutschen Symphonie-Orchesters sowie Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, des Staatsorchesters Stuttgart und des Gürzenich-Orchesters Köln. Er dirigierte an der Semperoper Dres-den, der Deutschen Oper am Rhein, an

der Staatsoper Stuttgart und vielen mehr. Internationale Gastspiele führten ihn beispielsweise nach Frankreich, Italien, Niederlande, Israel, Südafrika, Südkorea, Taiwan und in die USA. Im Jahr 2019 dirigierte Georg Fritzsch den Ring des Nibelungen zur feierlichen Wiedereröffnung am Grand Théâtre de Genève. Mit der Spielzeit 2020/21 startet Georg Fritzsch als Generalmusikdirektor der BADISCHEN STAATSKAPELLE und des BADISCHEN STAATSTHEATERS KARLSRUHE.

GEORG FRITZSCH DIRIGENT

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1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich die BADISCHE STAATSKAPELLE zu einem Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Aus-strahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten zahl- reiche Ur- und Erstaufführungen, z. B. von Hector Berlioz, Johannes Brahms und Béla Bartók. Daneben standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der Hofkapelle. Hermann Levi führte in den 1860er Jahren die ersten regelmäßigen Abonnement konzerte des damaligen Hoforchesters ein, die bis heute als Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATSKAPELLE weiterleben.

Generalmusikdirektoren wie Joseph Keilberth, Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester trotz Kriegen und Finanz-

nöten in die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu vernachlässigen Die BADISCHE STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute noch mit einer kompletten Spannweite zwischen Repertoirepflege und Präsentation zukunftsweisender Zeitgenossen, exemplarisch hierfür der Name Wolf-gang Rihm.

Justin Brown legte als Generalmusik- direktor von 2008–2020 einen Schwer- punkt auf die Pflege der Werke Wag-ners, Berlioz’, Verdis und Strauss’ und gestaltete abwechslungsreiche Kon- zertspielpläne, für die er zusammen mit seinem Team die Auszeichnung „Bestes Konzertprogramm 2012/13“ vom Deutschen Musikverlegerverband erlangte.

Mit Beginn der Spielzeit 2020/21 über-nimmt Georg Fritzsch das Amt des Generalmusikdirektors.

DIE BADISCHE STAATSKAPELLE

BESETZUNG

1. ViolineJanos EcseghySebastian GäßleinAlexandra KurthJuliane AnefeldGustavo Vergara

2. ViolineDiana DrechslerBirgit LaubSteffen HammEva-Maria Vischi

ViolaMichael FentonChristoph KleinAkiko Sato

VioloncelloThomas GieronJohannes VornhusenWolfgang Kursawe KontrabassXiaoyin FengHyeseon Lee

HarfeSilke Wiesner

FlöteTamar Romach Horatiu Roman Petrut OboeKai BantelmannKm. Ilona Steinheimer

KlarinetteDaniel Bollinger Martin Nitschmann Fagott Lydia PantzierMartin Drescher

Horn Paul Wolf Michel Huff

Trompete Jens BöchererKm. Ulrich Dannenmaier Pauke Raimund Schmitz

16 17Km. = Kammermusiker*in

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BILDNACHWEISE

UMSCHLAG Giorgia BertazziS. 5, 8–9, 11 akg-imagesS. 10 Giorgia BertazziS. 11 Felix Grünschloß

TEXTNACHWEISE

S. 4–12 Originalbeitrag von Mareike Jordt

IMPRESSUM

HERAUSGEBER STAATSTHEATER KARLSRUHE

GENERALINTENDANT Peter Spuhler

GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTORJohannes Graf-Hauber

GENERALMUSIKDIREKTOR Georg Fritzsch

ORCHESTERDIREKTORINDorothea Becker

REDAKTIONDorothea Becker, Mareike Jordt

KONZEPTDOUBLE STANDARDS Berlin

GESTALTUNG Caroline Kleeberger

DRUCKmedialogik GmbH, Karlsruhe

ABONNEMENTBÜRO T 0721 3557 323 F 0721 3557 346 [email protected]

AB 11,00 / ERM. 5,50 EURO PRO KOZERT

UNSERE KONZERTE –AM BESTEN IM ABO!Jederzeit einsteigen – unser Abonnementbüro berät Sie gerne!

STAATSTHEATER KARLSRUHE Saison 2020/21 Programmheft Nr. 582 www.staatstheater.karlsruhe.de

Sollten wir Rechteinhaber*innen übersehen haben, bitten wir um Nachricht.

DIE NÄCHSTEN KONZERTE 20/21

1. SONDERKONZERTLudwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19 Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15 Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37 Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58 Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73

Zum Beethoven-Jahr 2020 dürfen die Klavierkonzerte des groß gefeierten Komponisten nicht fehlen. Der neue Generalmusikdirektor Georg Fritzsch und Meisterpianist Gerhard Oppitz präsentieren gleich alle Fünf. Ein Marathon und Erlebnis! Das Sonder-konzert beginnt in chronologischer Reihenfolge mit dem 2. Klavierkonzert, das sich noch stark dem mozartschen Charakter verpflichtet. Das darauffol-gende Erste, Dritte und Vierte zeigt die Entwicklung Beethovens Stil, der im Klavierkonzert Nr. 5 neue pathetische Form annimmt.

Gerhard Oppitz Klavier Georg Fritzsch Dirigent BADISCHE STAATSKAPELLE 1.11.20 KONZERTHAUS

2. SINFONIEKONZERTWolfgang Rihm Gejagte Form Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58 Gustav Mahler Adagietto aus der 5. Sinfonie

Der Karlsruher Wolfgang Rihm bringt ‚Die Form‘ immer wieder ins Zentrum seiner Werke. Er ist ein Komponist der Extreme, der in seinem 15-minütigen Werk Gejagte Form Stillstand und Be-wegung in den Dualismus bringt. Das Klavierkonzert Nr. 4 von Ludwig van Beethoven eröffnet ein Repertoire an Ausdrucksnuancen, das es in den vor-herigen Klavierkonzerten noch nicht gab: Eine neue Ära des Solokonzerts. Das berühmte Adagietto, dem vierten Satz aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie, greift das Rückert-Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ auf und ist

„Mahlers Liebeserklärung an Alma“.

Gerhard Oppitz Klavier Georg Fritzsch Dirigent BADISCHE STAATSKAPELLE

25.10.20 11.00 & 15.00 GROSSES HAUS 26.10.20 18.00 & 20.00 GROSSES HAUS

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