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Bediüzzaman Said Nursi - LichtSTR.de · Bediüzzaman Said Nursi Der Ramadan »Im Namen Gottes, des...

Date post: 09-Oct-2019
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Bediüzzaman Said Nursi

Der Ramadan

»Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Allbarmherzigen. Es war imMonat Ramadan, in dem der Qur’an herabgesandt wurde, als Recht-leitung für die Menschen und als deutliche Zeichen für Rechtleitungund Unterscheidung.« (Sure 2, 185)

Erster Abschnitt: Das Fasten im Monat Ramadan ist eineder ersten der fünf Säulen des Islam. Es ist gleichzeitig eineder markantesten Äußerungen der islamischen Lebensart.Das Fasten im Monat Ramadan birgt viele Geheimnisse insich, welche sowohl den Herrschaftsanspruch Gottes des Ge-rechten, als auch das soziale Leben des Menschen, als auchdas persönliche Leben der Gläubigen, als auch eine Schuleder Selbstdiziplin, als auch (eine Zeit der kraftvollen) Dankbe-zeigung für die von Allah erhaltenen Gaben.

Im Hinblick auf den Herrschaftsanspruch Gottes des Ge-rechten ist eine der vielen Weisheiten des Fastens die fol-gende:

Gott der Gerechte hat das Antlitz der Erde zu einer Tafelvoller Gaben für die Menschen gemacht. Auf dieser Tafel bie-

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ten sich

»…von Orten, von denen er dies nicht erwartet hatte.« (Sure 65, 3)

alle erdenklichen Arten Seiner Gaben an. Auf diese Weisebringt Er die Vollkommenheit Seiner Herrschaft, Seines Er-barmens (Rahman) und Seiner Barmherzigkeit (Rahim)zumAusdruck. Die Menschen, in Trägheit verfallen und von äuße-ren Ursachen und Wirkungen geblendet, übersehen entwederdie Tatsache, die in dieser Wahrheit zum Ausdruck kommt,oder vergessen sie manchmal sogar. Im Monat Ramadan in-dessen gleichen die Gläubigen plötzlich einer gut organisier-ten Armee. Sie alle sind dann zum Gastmahl des ewigen Sul-tans geladen und warten bis zur beginnenden Abenddämme-rung auf die Aufforderung: »Bitte, greift zu!« Indem sie so ih-re Haltung als Diener in der Anbetung Gottes erweisen, erwi-dern sie auf diese Weise die liebevolle, majestätische, allum-fassende Barmherzigkeit mit einem alles umfassenden, wohl-geordneten und erhabenen Dienst und Anbetung. Darf manwohl jene Menschen, die sich diesem erhabenen Dienst, derAnbetung und vor dieser ehrenvollen Gastfreundschaft (kera-met) verschließen, ihres menschlichen Namens für würdig er-achten?

Zweiter Abschnitt: In Anbetracht der Tatsache, dass dasFasten im segensreichen Monat Ramadan, der Dankbarkeitfür die Gnadengaben Gottes des Gerechten dient, ist eineWeisheit unter vielen Weisheiten die folgende: Wie bereits imErsten Wort erwähnt wurde, erfordern die Speisen, die derKellner aus der kaiserlichen Küche bringt, ihren Preis. So wiees im höchsten Grade eine Torheit wäre, hat man dem Kellnerbereits ein Trinkgeld gegeben, nun zu glauben, dass diese sokostbaren Gnadengaben wertlos seien und den, der sie unsgespendet hat, nicht zu kennen. So hat auch Gott der Ge-

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rechte für das Menschengeschlecht zahllose verschiedeneGaben über die Erde ausgebreitet und erwartet von uns nunals Preis für Seine Gnadengaben unseren Dank. Die äußer-lichen Ursachen, Dinge und Umstände dienen dabei, wie derKellner, nur als Träger. Diesen Kellnern zahlen wir einenPreis, ja wir sind ihnen zu Dank verpflichtet. Unser Dank undRespekt geht zuweilen noch weit über das erforderliche Maßhinaus, während doch der Wahre Geber (Mun’im) aller Gabenin unendlichem Grade mehr als alle Ursachen würdig ist, un-seren Dank entgegen zu nehmen. Ihm zu danken bedeutet al-so, zu wissen, dass jene Gaben unmittelbar von Ihm kom-men, ihren Wert zu schätzen wissen und dabei seine eigeneBedürftigkeit wahr zu nehmen.

So ist denn das Fasten im Heiligen Monat Ramadan derSchlüssel zu wahrer, reiner, tiefer und allumfassender Dank-barkeit. Denn zu anderen Zeiten, wenn die meisten Men-schen sich nicht gerade in einer Zwangslage befinden, sindsie auch kaum in der Lage, den Wert der vielen Gnadengabenzu erkennen, weil sie echten Hunger gar nicht verspüren. Füreinen Menschen der satt ist und ganz besonders, wenn erreich ist, ist der Grad der Gnade völlig unverständlich, der sichschon allein in einem trockenen Stück Brot verbirgt. Zur Stun-de des Fastenbrechens (iftar) aber bezeugt uns der Ge-schmackssinn, welch wertvolle Gabe Gottes jenes trockeneStück Brot in den Augen eines Gläubigen ist. Während desHeiligen (Monats) Ramadan gelingt es einem jeden, vom Kö-nig bis zum Ärmsten durch sein Verständnis des Wertes sol-cher Gnadengaben innere Dankbarkeit zu gewinnen.

Wenn er sodann, weil ja tagsüber das Essen verboten ist,sagt: »Diese Gaben sind nicht mein Eigentum. Ich bin nicht sofrei, sie zu mir zu nehmen. Das heißt, sie sind Eigentum einesanderen und Sein Geschenk. Ich warte auf Seinen Befehl.«erkennt er das Geschenk als ein Geschenk und bringt so sei-

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ne innere Dankbarkeit zum Ausdruck. Auf diese Weise wirddas Fasten zu einem Schlüssel der Dankbarkeit, die in vieler-lei Hinsicht die eigentliche Aufgabe des Menschen ist.

Dritter Abschnitt: Was das Fasten hinsichtlich des Ge-meinschaftslebens für den Menschen betrifft, so ist eine Weis-heit unter vielen Weisheiten, folgende: Die Menschen sind,was ihren Lebensunterhalt betrifft, verschieden. Gott der Ge-rechte fordert in Anbetracht dieser Verschiedenheit die Rei-chen auf, den Armen zu helfen. Doch die Reichen können nurdurch ihren Hunger während des (eigenen) Fastens den be-dauernswerten, bitteren Zustand der Armen erspüren. Gäbees kein Fasten, so gäbe es (statt dessen) viele selbstsüchtigeReiche, die nicht begreifen (idrak) können, wie weh Hungerund Armut tun können und wievieler Liebe (shefqat)diejeni-gen bedürfen, (die darunter leiden).

In dieser Hinsicht bildet die Liebe zum Mitmenschen, so wiesie sich im menschlichen Wesen findet, die Grundlage wahrerDankbarkeit. Wie auch immer ein Mensch sein mag, er wirdimmer einen anderen finden können, der in gewisser Hinsichtnoch ärmer ist als er. Ihm gegenüber ist es seine Pflicht, ihmMitleid (shefqat) zu erweisen.

Wenn er selbst noch nie dazu gezwungen war, Hunger zuleiden, kann er auch die Güte und Hilfe nicht aufbringen, zuder er allein schon aus Mitleid (shefqat) verpflichtet ist. Undwenn er es auch könnte, so wäre (seine Hilfe dennoch) un-vollkommen, da er ja diesen Zustand (hal) nicht wirklich in sei-ner eigenen Seele (nefs) verspürt hat…

Vierter Abschnitt: Betrachten wir einmal das Fasten vomStandpunkt der Diätetik der Seele, so ist auch hier eine Weis-heit unter vielen Weisheiten folgende: die Seele (nefs)möch-te frei und unabhängig sein und versteht sich selbst auch so.Ja sie sehnt sich sogar nach einer, (wenn auch nur) erträum-

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ten Herrschaft und hält es geradezu für selbstverständlich,nach eigenem Gutdünken zu handeln. Sie denkt nicht ohneweiteres daran, sich in der grenzenlosen Gnade (Gottes) er-ziehen und durch Seine Gaben versorgen zu lassen. Hat sieüberdies Macht und Reichtum (zusammengerafft) und ihreGottvergessenheit ihr auch noch dazu verholfen, so reißt siedie Gnadengaben Gottes an sich, stiehlt sie wie ein Dieb undverschlingt sie wie ein Tier.

Nun begreift aber im Heiligen (Monat) Ramadan ein jeder inseiner Seele, vom Reichsten bis zum Ärmsten, dass er nichtder Eigentümer ist, sondern selbst das Eigentum, dass er al-so nicht frei ist, sondern (Gottes) Diener und Anbeter. Erhälter keinen Befehl, so kann er noch nicht einmal die einfachstenund leichtesten Dinge tun. Wenn er noch nicht einmal seineHand nach dem Wasser ausstrecken kann, bricht seine ein-gebildete Selbstherrlichkeit zusammen. Nun beginnt er inDienst und Anbetung jene Dankbarkeit darzubringen, die sei-ne ureigenste Aufgabe ist.

Fünfter Abschnitt: Hinsichtlich des Fastens im Heiligen(Monat) Ramadan ist, was die ethische Vervollkommnung derSeele und die Aufgabe ihrer Widersetzlichkeiten betrifft, einevon vielen Weisheiten folgende: Die menschliche Seele ver-gisst sich selbst in ihrer Gottvergessenheit (und weiß dannnicht mehr, wer sie ist). Sie verkennt leicht die unendlicheOhnmacht, die unsagbare Armut und die hochgradige Fehler-haftigkeit ihres Wesens und will sie auch gar nicht sehen. Zu-dem denkt der Mensch ungern daran, wie schwach er ist, wiesehr er dem Verfall ausgesetzt ist, wie oft er vom Unglück ver-folgt ist und dass er nur Fleisch ist über einem Skelett, daszerfällt und vermodert. Als hätte er einen Körper aus Stahl undwäre unsterblich, klammert er sich an diese Welt und stelltsich vor, er wäre ewig. Mit einer Gier und Habsucht, mit un-gezügelter Liebe (muhabbet) und Leidenschaft stürzt er sich

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in die Welt. Er ist gefesselt von allen Dingen, die ihm Vorteilebringen und Genuss bereiten. Dabei vergisst er seinenSchöpfer, der ihn mit vollkommener Liebe (shefqat)versorgt.Auch das Fazit seines (diesseitigen) Lebens und das jenseiti-ge Leben liegen nicht in seinem Blickfeld und er wälzt sich imMorast seiner Unmoral.

So lässt denn das Fasten im Heiligen (Monat) Ramadan al-le, selbst die in tiefster Gottvergessenheit und die Starrköpfig-sten ihre Schwäche, Ohnmacht und Armseligkeit erkennen.Der Hunger treibt sie, an ihren Magen zu denken und seineBedürfnisse wahrzunehmen. Sie beginnen zu begreifen, inwelch hohem Maße ihr Körper schwach und anfällig ist. Eswird ihnen klar, wie sehr sie des Mitleids und der Güte (shef-qat) bedürfen. So beginnt (der Mensch) die pharaonengleicheSelbstherrlichkeit loszulassen und verspürt den Wunsch inAnbetracht der vollkommenen Ohnmacht und Armseligkeit ander Schwelle Gottes Zuflucht zu suchen und bereitet sich vor,mit dankbarem Herzen an der Pforte der Barmherzigkeit (rah-mah) anzuklopfen, soweit nicht sein Herz in seiner Gottver-gessenheit schon verdorben ist.

Sechster Abschnitt: Eine von vielen Weisheiten des Fa-stens im Heiligen (Monat) Ramadan ist in Anbetracht der Her-absendung des Weisen Qur’an, und weil der Heilige (Monat)Ramadan hinsichtlich der Herabsendung des Weisen Qur’andie wichtigste Zeit ist, die folgende: Da der Weise Qur’an nuneinmal im Heiligen (Monat) Ramadan herabgesandt wurde,sollte man, um sich die Zeit, in der der Qur’an geoffenbartwurde, zu vergegenwärtigen, wodurch dieses göttliche Buchauf das schönste willkommen geheißen wird, im Heiligen (Mo-nat) Ramadan seine Seele (nefs) von den niederen Begier-den zurück halten, vor unsinnigen Zuständen (halat)bewah-ren, und so unter ähnlichen Umständen (vaziyet)verkehren,wie die Engel, die weder Speis noch Trank bedürfen, sollte

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den Qur’an lesen und hören, so als wäre er neu herabgesandtworden, und in ihm die Ansprache Gottes hören, so wie sieder Ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, vondem Ehrenwerten Engel Gabriel, oder vielmehr dem Urewi-gen Sprecher gehört hat und so einen heiligen Zustand (hal)verwirklichen. Er sollte sich selbst zu seinem Sprecher ma-chen, damit andere ihn hören können und so andere in ge-wissen Grade die Weisheit erkennen lassen, die in der Her-absendung des Qur’an liegt.

Es ist in der Tat so, als verwandele sich die islamische Weltim Heiligen (Monat) Ramadan gewissermaßen in eine Mo-schee (mesdjid). Siewird zu einem Gebetshaus, in dem Milli-onen Rezitatoren (Hafidh), in allen Ecken dieser gewaltigenMoschee den Qur’an, diese göttliche Ansprache, den Erden-bewohnern zu Gehör bringen. In jedem Ramadan wird inglänzender, strahlender Weise die Ayah dargestellt:

»Der Monat Ramadan, in dem der Qur’an herabgesandt wurde.« (Su-re 2, 185)

Der Ramadan beweist, dass er der Monat des Qur’an ist. Ei-nige Mitglieder dieser gewaltigen Gemeinschaft lauschen denVorträgen eines Hafis mit Hingabe, andere lesen still, jeder fürsich. Sich unter den gegebenen Umständen (vaziyet) wie de-nen in einer Moschee, den niederen Trieben seiner Seele(nefs) hingeben und so durch Essen oder Trinken diese Lichterfüllte Situation zu verlassen, ist dermaßen verabscheu-ungswürdig, dass es unter der Gemeinschaft in der Moscheeverständlicherweise eine innerliche Verachtung hervorruft und(Leute, die so etwas tun) deshalb zu deren Zielscheibe wer-den. Genauso machen sich im Heiligen (Monat) Ramadandiejenigen, die den Leuten, die fasten, zuwiderhandeln, im

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gleichen Grade auch zur Zielscheibe des innerlichen Ab-scheus und der Verachtung der ganzen islamischen Welt.

Siebenter Abschnitt: Eine Weisheit unter vielen Weishei-ten des Ramadanfastens hinsichtlich des Verdienstes für dasMenschengeschlecht, das in diese Welt kommt, um für dasJenseits zu ackern und zu handeln, ist folgende:

Im Heiligen (Monat) Ramadan werden gute Taten von Gotttausendfach vergolten. Nach einer Hadith bringt jeder Buch-stabe im Weisen Qur’an zehn Pluspunkte (sevab) und zehnFrüchte des Paradieses bei Gott ein und wird für zehn guteWerke (hasanah) gezählt. Im Heiligen (Monat) Ramadan sindes nicht zehn sondern tausend. Der Gotteslohn für die gele-senen Qur’anstellen, wie für Ayatu-l’Kursi (Sure 2, 255) istTausend für jeden Buchstaben und an den Freitagen im Hei-ligen (Monat) Ramadan ist es sogar noch mehr. Und in derNacht der Offenbarung (des Qur’an) ist er selbst dreißigtau-sendfach. In der Tat gleicht jeder Buchstabe einem ganzenQur’an, der dreißigtausend Früchte hervorbringt, wie derleuchtende Baum der Glückseligkeit (shedjere-i tuba). Auf die-se Weise können die Gläubigen im Monat Ramadan Millionenvon Früchten ernten.

Nun komm und siehe diesen heiligen, ewigen, verdienstvol-len Handel! Bedenke, welch großem Schaden jene sich aus-setzen, die den Wert dieser (arabischen!) Buchstaben nichtbegreifen.

Der Heilige (Monat) Ramadan gleicht also einer außeror-dentlich ertragreichen Handels- und Messeveranstaltung fürdas jenseitige Leben. Er gleicht einem außerordentlich frucht-baren Stück Land für die Ernte im Jenseits und einem Früh-lingsregen für das Wachstum und Gedeihen all unserer Hand-lungen. Er gleicht einer glänzenden heiligen Festveranstal-tung des Königs mit einem Vorbeizug der Menschheit in Sei-

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nem Dienst, in Seiner Anbetung, veranstaltet zu Ehren ihresgöttlichen Herrschers. Und da dies nun einmal so ist, wurdedie Seele in ihrer Gottvergessenheit dazu verpflichtet, nicht ih-ren tierischen Bedürfnissen, wie Essen und Trinken, oderirgendwelchen anderen sinnlosen, egoistischen Interessenund Begierden zu verfallen, sondern statt dessen besser zufasten. Es ist, als ob sie vorübergehend ihrer tierischen Ver-haftung entschlüpfe, den Status (vaziyet) eines Engels ein-nähme, bzw. einen Handel mit der jenseitigen (Welt) einginge,die irdischen Bedürfnisse vorübergehend hinter sich ließe,oder aber die Gestalt eines Menschen annähme, der für dasJenseits (lebt) und den Status eines Geistes (ruh) auf sichnähme, der in einem Körper sichtbar geworden ist. Durch ihrFasten wird sie zu einer Art Spiegel der Unwandelbarkeit (sa-medaniyet) Gottes. Der Heilige (Monat) Ramadan trägt für-wahr schon in dieser vergänglichen Welt, während dieser kur-zen, vorübergehenden Lebensspanne, in diesem kurzen irdi-schen Leben, eine Spanne ewigen, unvergänglichen Lebensin sich, das es zu gewinnen gilt.

Ein einziger Ramadan kann uns in der Tat die Früchte einesachtzigjährigen Lebens gewinnen lassen. Nach dem aus-drücklichen Wortlaut des Qur’an ist die Nacht der Bestim-mung (Laylatu-l’Qadr) besser als tausend Monate, was ein si-cherer Beweis für dieses Geheimnis ist. So wie also ein Königim Verlauf seiner Regierungszeit jährlich oder gelegentlich,z.B. anlässlich Seiner Thronbesteigung Festtage ausrufenund eine glanzvolle Feier veranstalten kann, Seinen Unterta-nen an einem solchen Tag außerhalb der allgemein gültigenGesetze (eine allgemeine Amnestie verkünden), ihnen SeineHuld erweisen; Er zeigt sich höchstderoselbst in der Öffent-lichkeit, gewährt Privataudienzen und ehrt die treuen und ver-dienten Bürger seines Reiches durch Sein persönliches Wohl-wollen und sein königliches Interesse. Genauso hat auch der

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König, der in Seiner Majestät und Herrlichkeit über die acht-zehntausend Welten herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit in die-sem Heiligen (Monat) Ramadan den hochehrwürdigen Qur’anals einen königlichen Erlass für diese achtzehntausend Wel-ten herabgesandt. Darum ist es mit Sicherheit ein ErfordernisSeiner Weisheit, diesen Monat mit Recht, ein besonderesFest Gottes, eine Messe des Herrn und eine Versammlungund Vereinigung der Seelen (zu Gottes Gedenken) zu nen-nen. Da nun einmal der Ramadan ein solches Fest (ein sol-ches feierliches Gedenken Gottes) ist, wurde mit Sicherheitauch ein Fasten befohlen, um die Menschen in gewissemGrade von ihren niederen, tierischen Bedürfnissen zurückzu-halten.

Das vollkommenste Fasten heißt, nicht nur dem Magen,sondern mit ihm zugleich auch allen Organen des Menschen,wie den Augen, den Ohren, der Zunge, aber auch dem Her-zen, der Phantasie und den Gedanken ein Fasten aufzuerle-gen, also mit anderen Worten: all den verbotenen, aber auchallen nichtigen Dingen aus dem Wege zu gehen und jedes Or-gan auf seine Art Dienst und Anbetung hin zu orientieren, sei-ne Zunge vor der Lüge, vor übler Nachrede, vor groben undhässlichen Worten zu bewahren und in dieser Form ein Fa-sten zu halten und die Zunge statt dessen darin zu üben, denQur’an zu lesen, die Heiligen Namen Gottes immer wieder zurezitieren, Ihn zu loben, zu rühmen und zu preisen, Segens-wünsche (für den Propheten) auszusprechen und Allah umVerzeihung anzurufen; die Augen vor unerlaubten Dingen zubewahren und sie statt dessen auf lehrreiche Dinge zu len-ken; das Ohr vom Hören schlechter Dinge abzuwenden undes auf schöne und wahrhaftige Reden zu richten, den Qur’ananzuhören – dies alles ist (in dem ganz allgemeinen Begriff)»Fasten« mit eingeschlossen.

Weil aber nun der Bauch die größte Industrieanlage in un-

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serem Körper darstellt, ist es um so leichter, alle die anderenkleinen Werkstätten zur Nachfolge anzuregen, hat man ersteinmal diese große Anlage stillgelegt (und ihre Arbeiter in Ur-laub geschickt).

Achter Abschnitt: Eine Weisheit unter vielen Weisheitendes Heiligen (Monats) Ramadan hinsichtlich des individuellenmenschlichen Lebens ist folgende: Eines der wirksamstenHeilmittel in der Gestaltung eines gesunden Lebens ist es, ei-ne Diät einzuhalten für Leib und Seele. Medizinisch wie diä-tetisch gesehen schädigt ein Mensch, der seiner Seele beider Einnahme von Speisen freien Lauf lässt, seinen Körper,weil er der Maßlosigkeit nicht mehr Herr werden kann und dasErlaubte von dem Verbotenen nicht zu unterscheiden vermag.Einem solchen Menschen fällt es mit der Zeit schwer, sichnach den feinen Empfindungen des Herzens zu richten unddem Geist (ruh) zu folgen. Nun nehmen die Vagabunden inihm selbst die Zügel in die Hand und der Mensch kann (seineBegierde) nicht mehr bezwingen. Jetzt reitet sie ihn vielmehr.

Im Ramadan gewöhnt sich (der Gläubige) mit Hilfe des Fa-stens an seine Art von Diät. Er unterwirft sich der Askese undlernt, Befehle zu befolgen. Er beugt den Krankheiten vor, in-dem er seinen armen, schwachen Magen keinen Überlastun-gen aussetzt und ihn schon wieder füllt, noch bevor er über-haupt leer geworden ist. Dadurch, dass er lernt, sich einemBefehl zu unterwerfen, auf Erlaubtes zu verzichten und vonVerbotenem Abstand zu nehmen, befähigt er sich, Befehle,die aus der Vernunft und dem Gesetz erwachsen, leichter zubefolgen. Er bemüht sich somit, sein spirituelles Leben nichtzu Grunde zu richten.

Des Weiteren wird der überwiegende Teil der Menschheitsehr häufig von Hunger geplagt. Darum braucht (der Mensch)Hunger und Askese, um Geduld und Ausdauer zu lernen undzu üben. Im Heiligen (Monat) Ramadan ist ein Fasten, wo der

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Hunger fünfzehn Stunden oder selbst vierundzwanzig Stun-den fortdauert, falls man auf das Frühstück (sahur)verzichtet,eine ausgezeichnete Schule der Geduld und der Askese. Mitanderen Worten: das Fasten ist das Heilmittel gegen die Un-geduld und den Mangel an Ausdauer, welche das Übel desMenschen verdoppeln.

Des Weiteren gibt es in der Fabrik des Bauches auch sehrviele Arbeiter. Ferner gibt es im Bauch des Menschen auchnoch sehr viele Organe, die unter einander verbunden sind.Wenn nun die Seele nicht im Verlauf eines Monats tagsüberUrlaub von ihrer Arbeit erhält, vergessen auch die Arbeiter injener Fabrik und alle ihre Organe ihren besonderen Dienstund die Anbetung. Sie sind weiterhin ständig beschäftigt undbleiben so der Zwangsherrschaft (der Seele) verhaftet. Auchdie übrigen menschlichen Organe werden durch das Getöseder unsichtbaren Zahnräder und die Dunstschwaden in derFabrik ganz verwirrt. So sind sie ständig mit sich selbst be-schäftigt und vergessen vorübergehend ihre erhabenen Auf-gaben (vazife). So kommt es denn, dass sich schon von altersher die Freunde Gottes zu ihrer Vervollkommnung einer Aske-se mit stets nur wenig Essen und Trinken zu unterziehenpflegten.

Im Zuge des Fastens im Heiligen (Monat) Ramadan begin-nen jene Fabrikarbeiter zu begreifen, dass sie nicht allein fürdie »Fabrik« erschaffen worden sind. Auch die übrigen Orga-ne genießen im Heiligen (Monat) Ramadan statt der niederenFreuden jener Fabrik die Freuden der Engel und Geister. Undihre Blicke sind unverwandt darauf gerichtet. Dadurch lässt essich erklären, dass im Heiligen (Monat) Ramadan die Gläubi-gen vielfach verschiedene (Stufen) der Erleuchtung, der Fülleund geistigen Freude erfahren, und zwar entsprechend demjeweiligen Grad ihrer geistigen Entwicklung. Alle innerlichenund äußerlichen Sinne und Kräfte des Menschen, Herz, Ver-

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stand und Gemüt, die geheimnisvollen, feinen inneren Kräftedes Geistes werden in diesem gesegneten Monat durch dasFasten entfaltet und gesegnet. Während der vor Hunger lee-re Magen weint, füllt sich die Seele mit unschuldiger innererFreude.

Neunter Abschnitt: Unter den Weisheiten des Fastens imHeiligen (Monat) Ramadan hinsichtlich der unmittelbaren Zer-störung der eingebildeten Selbstherrlichkeit der Seele und derBekanntgabe ihres Dienstes und ihrer Anbetung durch einenHinweis auf ihre Schwäche ist eine Weisheit die Folgende:

Die Seele ist von sich aus nicht geneigt, ihren Herrn zu er-kennen. Wie Pharao will sie ihre eigene Herrschaft aufrichten.Wie vielen Qualen sie auch immer ausgesetzt würde, dieserCharakterzug bliebe dennoch in ihr erhalten. Durch den Hun-ger wird jedoch diese ihre Grundneigung gebrochen. So wirddenn im Heiligen (Monat) Ramadan ein direkter Schlag gegendie Frontlinie der Seele und ihr pharaonengleiches Verhaltengeführt. Ihre Schwäche, Ohnmacht und Armseligkeit werdenaufgedeckt. So erfährt sie, dass sie ein Diener und Anbeter ih-res Herrn ist.

In den Ahadith begegnen wir folgender Überlieferung: Gottbefragte die Seele (nefs): »Was bin ich? was bist du?« DieSeele sagte: »Ich bin ich! Du bist Du!« Gott unterzog sie dar-auf einer Strafe. Sie wurde in die Hölle geworfen. Dann stell-te Er wieder dieselbe Frage. Sie erwiderte auch diesmal: »Ichbin ich! Du bist Du!« Welcher Strafe Er sie auch unterzog, sieließ von ihrem Trotz nicht ab. Da verhängte Er über sie dieStrafe des Hungers. Mit anderen Worten: Er ließ sie hungern.Dann befragte Er sie von neuem: »men ene wa ma ente?«(Wer bin ich und was bist du?) Nun sagte die Seele:

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Das heißt: »Du bist mein barmherziger Herr. Ich hingegen binDein schwacher Diener.«

»Oh Gott gib Friede unserem Herrn Mohammed und segne ihn mitSegen, wie es auch Deinem Wohlgefallen entspricht. Verleihe ihm dieErfüllung in Deiner Wahrheit nach der Anzahl der Verdienste der imMonat Ramadan gelesenen Worte im Qur’an. Schenke ihm Frieden,seiner Familie und seinen Gefährten.« »Lob sei Deinem Herrn, demHerrn der Macht. Erhaben ist Er über das, was sie da sagen. UndFriede sei über die Gesandten und Preis und Dank sei Gott, demHerrn der Welten! Amen!« (Sure 37, 180-182)

Unser heutiges Weltbild richtet sich gewöhnlich nach denDingen, die wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen können.Über sie wissen wir nun schon so ungeheuer viel, dass wirkaum imstande sind, dieses Wissen zu ordnen. Wissen-schaftler, die sich mit den Grenzbereichen der Physik be-schäftigen, haben schon längst erkannt, dass man erst zurEbene der Metaphysik hinüber wechseln muss, um die Zu-sammenhänge des Universums verstehen zu können.

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Eine Einführung in diese Hintergründe und Zusammenhängebietet uns ein Werk von Bediüzzaman Said Nursi an. Es ent-hüllt uns die Vielzahl der Schichten des Verborgenen und ins-besodere das Geheimnis, das der Qur’an ist und das im Wir-ken des Propheten Gottes erfahrbar wird. Dieses Geheimnislässt sich auf Grund der Darstellung von Bediüzzaman SaidNursi als ein strahlendes und leuchtendes Wunder verstehen.

Gut lesbare deutsche Bücher, direkt aus islamischer Quelleübersetzt sind zur Zeit noch sehr selten auf dem deutsch-sprachigen Markt erhältlich, insbesondere was die theologi-schen Schriften betrifft, da sich das Hauptinteresse bisher denGeschichtsbüchern, Märchenbüchern und mystischen Schrif-ten zugewandt hat.

Doch das Interesse an theologischer Fachliteratur wächstunter Muslimen und Christen, Laien und Theologen. Immerwieder werden wir nach solcher Literatur gefragt. Wir habenes uns zur Aufgabe gemacht, die wichtigsten Schriften vonBediüzzaman Hazretleri, einem der bedeutendsten Theolo-gen des vergangenen Jahrhunderts, aus dem Osmanischenzu übersetzen und so dem deutschsprachigen Buchhandelzur Verbreitung anzubieten.

Die Risale-i Nur ist ein Mittel, das Wohlwollen Gottes, wel-che das eigentliche Ziel jeden geistigen Studiums ist, zu er-werben. Dabei vermittelt sie Erkenntnisse, die in keiner Weiseals Werkzeug zu weltlichem Nutzen geeignet sind, deren er-habenste Aufgabe vielmehr im wahrsten Sinne ist, derMenschheit zu dienen.

Diese Werke der Risale-i Nur sind Kommentare zum Ehr-würdigen Qur’an, die ein gründliches und eingehendes Stu-dium wert sind.

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Alle »Nur«-Werke zeigen in jeder Hinsicht, dass sie Kom-mentare zu Versen aus dem Ehrwürdigen Qur’an und seinegeistigen Strahlen sind.

Die Risale-i Nur liefert uns in überaus leichter Form Ant-worten auch auf die schwierigsten Fragen, die bis dahin nochkein Gelehrter restlos erklären konnte und führt die Beweisedazu in der Art, dass ein jeder, angefangen von den einfa-chen, ungebildeten Menschen bis hin zu den Hochgebildetenund Gelehrten, sie ihrer Fähigkeit entsprechend verstehenkönnen, all ihre Zweifel ausgeräumt werden und sie vollstän-dig überzeugt werden.

Sie geben den zutiefst innerlichen Bedürfnissen der Men-schen mit sicheren Beweisen eine wissenschaftlich überzeu-gende Antwort.

Die Risale-i Nur vermittelt Kenntnisse, die ein Mensch auchin jehrelangen Bemühungen nicht erlangen kann, schon nachkurzer Zeit in einer bündigen und leicht verständlichen Zu-sammenfassung.

Die Risale-i Nur ist die Frucht eines starken und heiligenNachsinnens über den Glauben. Sie dient somit als Sprach-rohr der Schöpfung und übersetzt somit das, was wir in ihr hö-ren und sehen. Gleichzeitig bringt sie die Erkenntnisse ausdem Glauben zu den Stufen, die durch wissenschaftliche Er-kenntnis belegt (ilme-l’yaqin), augenscheinlich bezeugt (‘ay-na-l’yaqin) und persönlich erlebt und verwirklicht (haqqa-l’ya-qin) werden können.

Die Risale-i Nur umfasst von den Grundlagen her alle Wis-senschaften. Sie gleicht etwa einem kostbaren Tuch, das ausden Fasern aller wissenschaftlichen Erkenntnisse gewebtwurde und reich verziert ist.

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