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BDI-Mitteilungen

Date post: 07-Feb-2017
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Mitteilungen des BDI

76 |  Der Internist 1 · 201376 |  Der Internist 1 · 2013

Berufsverband Deutscher Internisten e. V.Schöne Aussicht 5 D-65193 Wiesbaden Tel. 06 11/181 33 0 Tel. 06 11/181 33 50 [email protected] | www.bdi.de

RedaktionW. Wesiack, Wiesbaden

Internist 2013 · 54:75–78DOI 10.1007/s00108-012-3233-0© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Inhalt76 Editorial

77 Der Erweiterte Bewertungsmaßstab – ein Desaster ohne Ende!

Editorial

Dr. med. Wolfgang WesiackPräsident des BDI e.V.

Ihr

Mit Ablauf des alten Jahres 2012 ist es Zeit, eine berufspolitische Bilanz zu ziehen: Wir haben uns nach innen und außen weiter ge-festigt. Bei den Vorstandswahlen im April 2012 hat die Delegierten-versammlung einen ausgewoge-nen und auch verjüngten Vor-stand gewählt. Mit der Wieder-wahl des Präsidiums hat der neue Vorstand die erfolgreiche Arbeit des Präsidenten und der beiden Vizepräsidenten anerkannt und auf Kontinuität in der Führung gesetzt.

Nach außen hat der BDI wei-ter an berufspolitischem Gewicht gewonnen. Wir sind ein wichti-ger Faktor in der Gesundheits-politik, im Gesundheitsministe-rium, den politischen Parteien,

den Krankenkassen und bei der Bundesärztekammer, den Kas-senärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundes-vereinigung. Unsere zahlreichen Pressemitteilungen werden in der gesundheitspolitischen Me-dienlandschaft aufmerksam zur Kenntnis genommen. Nachdem der BDI im 1. Halbjahr 2012 den Vorsitz in der Allianz Deutscher Ärzteverbände innehatte, waren wir im 2. Halbjahr bei den Ho-norarauseinandersetzungen zur Verbesserungen der ambulan-ten Versorgung mit dem Slogan „systemkonforme Proteste“ eine differenzierte Speerspitze. Bei der Bedarfsplanung, der No-vellierung der Musterweiterbil-dungsordnung, der ambulanten spezialfachärztlichen Versor-gung nach § 116 b, um nur einige Themen zu nennen, waren und sind wir weiter für Sie politisch unterwegs.

Beim vorjährigen 5. Deut-schen Internistentag hatten wir thematisch hochwertige und per-sonell exzellent besetzte gesund-heitspolitische Veranstaltungen.

Wir können auf ein erfolg-reiches Jahr 2012 zurückblicken,

wissen aber, dass noch viel Arbeit und Anstrengung auf uns alle wartet. Erfolgreiche Politik braucht einen langen Atem, Ver-lässlichkeit und Kraft. In diesem Jahr werden im September die Wahlen zum Deutschen Bundes-tag stattfinden. Es wird eine Rich-tungswahl zur Zukunft Deutsch-lands und auch zur zukünftigen Gesellschafts- und Gesundheits-politik geben. Schon heute berei-ten wir uns darauf vor.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien viel Gesundheit und Freude im Neuen Jahr und uns gemeinsam viel politischen Er-folg für die gesamte Innere Me-dizin.

Dr. med. Wolfgang WesiackPräsident BDI e.V.

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1985 übernahm Prof. Siegfried Häußler den Vorsitz in der Kassenärztlichen Bundesver-einigung. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die sprechende Medizin in der vertragsärztlichen Versor-gung im Vergleich zu den tech-nischen Leistungen aufzuwerten.

Der Konflikt zwischen reiner ärztlicher Tätigkeit und tech-nikunterstützter Medizin ging dabei weit in die 1970er Jahre zurück. Er setzt sich bis in die heutige Zeit fort und wird mit wechselnder Härte ausgetra-gen. Vor der Ära Häußler gab es Ärger, unter anderem mit der Ausweitung von Laborleistun-gen, dem Elektrokardiogramm, der zunehmenden Ausbreitung von Ultraschallleistungen und vor allem der konventionellen Radiologie. Heute macht sich die Auseinandersetzung an der Bildgebung fest, angefangen vom Links-Herz-Katheter bis zu den modernen Schnittbildverfahren mit Computer- und Magnetre-sonanztomographie. Endosko-pische Leistungen stehen nicht so im Blickpunkt – wohl deshalb, weil sie zu einem erklecklichen Teil als Vorsorgeleistung extra-budgetär abgerechnet werden. Daran sieht man, dass in der Auseinandersetzung Geld die entscheidende Rolle spielt. Es geht erst in zweiter Linie um die medizinische Notwendigkeit solcher technischer Leistungen. Diese steigerten Umsatz und Ge-winn in den betroffenen Praxen. Auch ohne einen Honorardeckel führten die Arztgruppen eine eher neidbesetzte Diskussion untereinander.

In dieser Gemengelage han-delte Prof. Häußler gemeinsam mit den Krankenkassen einen neuen Erweiterten Bewertungs-maßstab (EBM) aus, bei dem die Beratungs- und Untersuchungs-ziffern großzügig bewertet wur-den. Den Krankenkassen war von Anfang an bewusst, dass Ge-

sprächsleistungen schlecht kont-rollierbar sind und dass darin ein nicht unerhebliches Missbrauchs-potenzial steckt. Sie fürchteten eine massive Ausgabensteigerung durch eine unkontrollierte Men-genausweitung dieser Leistungen und haben deshalb den Vorgaben von Prof. Häußer nur unter der Bedingung zugestimmt, dass zu-sätzlich ein Honorardeckel ver-einbart wird. Die Vergütung in Mark und Pfennig wurde damit durch die unglückselige Punkt-wertwährung abgelöst. Man hat sichergestellt, dass bei einer Leis-tungsausweitung – gleichgültig welcher Leistungen – die Bewer-tung der Einzelleistung verfällt. Das berühmte Hamsterrad war in der ambulanten Versorgung geboren.

Der neue EBM trat 1987 in Kraft. Die Folgen waren schnell sichtbar. Bereits in seiner Ab-schiedsrede als KBV-Vorsitzen-der äußerte sich Häußler selbst-kritisch zu dem von ihm einge-führten EBM und drückte dabei vor allem seine Enttäuschung über das Verhalten der Ärzte-schaft aus. Er beklagte einen zu-nehmenden Verteilungskampf, um das begrenzte Geld, der mit einer gegenseitigen Beschimp-fung der Arztgruppen verbun-den war. Durch den EBM war an eine Solidarität innerhalb der Ärzteschaft auf unabsehbare Zeit nicht mehr zu denken.

Dieses Problem besteht bis heute. In den Körperschaften wird um das eigene Honorar gefeilscht, ohne dass Rücksicht auf ein gemeinsames Verhand-lungskonzept der Ärzteschaft gegenüber den Krankenkassen genommen wird.

In der berufspolitischen Aus-einandersetzung wurde deshalb immer mehr über feste Preise und über Kostenerstattung als Al-ternative zu der Vergütung über einen Erweiterten Bewertungs-maßstab nachgedacht. Der Pro-

tagonist dieser Diskussion, Prof. Dr. Winfried Schorre, wurde 1993 Vorsitzender der Kassenärztli-chen Bundesvereinigung. Nach der Übernahme des Amtes wech-selte er nach kurzer Zeit seine politische Grundüberzeugung. Unter seiner Leitung initiierte er einen EBM, der das Prinzip der Deckelung des vertragsärztli-chen Honorars unwidersprochen übernahm. Es stand nach seiner Meinung gottgegeben nicht ge-nügend Geld zur Verfügung. Die einfachste Lösung sei deshalb das Prinzip dieser Budgetierung von der Kassenärztlichen Ver-einigung als Institution auf den einzelnen Vertragsarzt herunter zu brechen. Folgerichtig führ-te er mit seinem EBM 1996 die Praxisbudgetierung ein. Damit war eine erhebliche Umvertei-lung des Honorars zwischen den Fachgruppen verbunden, die die damalige Vertreterversammlung abgesegnet hat. Wegen der aus-ufernden Gesprächsleistungen sah er sich außerdem gezwungen, auch noch rückwirkend Quarta-le zu budgetieren. Diese rechtlich mehr als fragwürdige Aktion musste nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes wieder verworfen werden. Letzten Endes war damit auch diese Honorar-reform gescheitert.

1999 trat Dr. Schorre von al-len Ämtern in der KBV zurück. Der Gedanke der Praxisbud-gets setzte sich noch bis in das neue Jahrtausend in Form der Individualbudgetierung fort. Er wurde in zahlreichen Kassen-ärztlichen Vereinigungen bei-behalten. Diese betonten, dass sie ein fürstliches Honorar mit einem hohen Punktwert ver-teilten und vergaßen dabei, dass bis zu 30% der Leistung gekürzt und damit nicht bezahlt wurde. Bei den Länder-KVen hat dies später zu erheblichen Verwer-fungen geführt. Die tatsächlich erbrachten Leistungen wurden

unzureichend dokumentiert und das Leistungsgeschehen somit bei der letzten Honorarreform hoff-nungslos unterschätzt. Dies hat bis heute Folgen für die Finanz-ausstattung einzelner KVen, z. B. in Nordrhein.

Die Vergütung des einzelnen Vertragsarztes wird aber nicht nur vom EBM bestimmt. Eine immer wichtigere Rolle spielt der Honorarverteilungsmaßstab auf der regionalen Ebene. Durch die Einführung von Fachgruppen-töpfen wurden die Vorgaben des Erweiterten Bewertungsmaß-staben oft nicht nur korrigiert, sondern sogar konterkariert. Hier spielt ein weiterer ordnungs-politischer Ansatz eine entschei-dende Rolle: das Regelleistungs-volumen. Ursprünglich als Stein der Weisen gepriesen, ist es heute das effektivste Instrument einer restriktiven Honorarpolitik. Der Vertragsarzt darf beim Regel-leistungsvolumen nur eine ihm vorgegebene begrenzte Leis-tungsmenge abrechnen. Über-schreitet er die Vorgabe, wird er bis auf ein Minimum gnadenlos abgestaffelt. Bleibt er unter dem Regelleistungsvolumen, verliert er Honorar. Bei Überschrei-tung wird ihm nicht nur ein zu geringes minimales Honorar ausbezahlt, er bleibt auch noch auf den zusätzlich entstehenden Kosten seiner Praxis sitzen. Der Vertragsarzt, der seine Versor-gung nach Erreichen des Regel-leistungsvolumens „einfriert“, ist der Gewinner. Der, der seine Pa-tienten weiterversorgt – die KV hat ja den Sicherstellungsauftrag – wird bestraft.

In der Zwischenzeit haben einzelne Kassenärztliche Vereini-gungen in der neu gewonnenen Zuständigkeit für die Honorar-verteilung diese Regelleistungs-volumina endlich außer Kraft gesetzt. Dennoch führt die Kom-bination des EBM mit den Hono-rarverteilungsmaßstäben, insbe-

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Mitteilungen des BDI

sondere mit dem Regelleistungs-volumen beim einzelnen Ver-tragsarzt dazu, dass er seine Ab-rechnung immer weniger ver-steht und nur noch das Auszah-lungsergebnis bewerten kann. Trotz Ausweitung der Leistung in der Praxis ist es für viele Arzt-gruppen zu einer Art degressiven Gehaltsauszahlung durch die Kassenärztliche Vereinigung ge-kommen. Für den Vertragsarzt ist dieses System damit endgültig in-transparent geworden.

Bereits 1987 klagte der Lei-ter der KBV-Honorarabteilung, Dr. Möves, über die in diesem System auftretenden Umvertei-lungen zwischen und innerhalb von Arztgruppen sowie über die sinkenden Punktwerte, die zu einer erheblichen Planungsunsi-cherheit des Vertragsarztes füh-ren. Beklagt wurde auch die nicht transparente Kalkulation der ein-zelnen EBM-Leistungen, abwer-tend „Schätzometrie“ genannt. Die logische Konsequenz für die Kassenärztliche Vereinigung war deshalb, den EBM durch eine betriebswirtschaftliche Kalku-lation der einzelnen Leistungen neu zu ordnen. Damit sollte den Krankenkassen, der Politik und der Öffentlichkeit klar gemacht werden, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung keine kostendeckenden Tarife bezahlt wurden. Man wollte beweisen, dass ein Missverhältnis zwischen der notwendigen und erbrachten Leistungsmenge und deren Fi-nanzierung besteht.

Damit war die Idee des EBM 2000 plus geboren. Mit großem Aufwand wurden die Leistun-gen kalkuliert, indem man eine Differenzierung in ärztliche und technische Leistungsantei-le vornahm. Problematisch war von Anfang an bei der Kalku-lation der ärztlichen Leistung die Gleichschaltung aller Ärzte und Arztgruppen über einen einheitlichen kalkulatorischen Arztlohn. Man ging davon aus, dass alle Ärzte in ihrer ärztlichen Tätigkeit tatsächlich gleich sind. An dieser fragwürdigen Vorgabe hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert. Dieses Thema

wird aber nicht diskutiert. Es ist ein klassisches Tabu.

Die politische Zielsetzung des EBM 2000 plus, die Unterfinan-zierung der ärztlichen Leistungen transparent zu machen, ist aber bereits im Ansatz gescheitert. Die Krankenkassen waren nur be-reit, diesem EBM zuzustimmen, wenn alle auch noch so diskreten Hinweise auf die Kalkulations-größe von 5,11 Cent aus dem Ver-tragswerk gestrichen wurden. In 2004 hat der damalige Vorstand der Kassenärztlichen Bundes-vereinigung mit einer knappen Mehrheit dem Ansinnen der Krankenkassen entsprochen und damit einen groben strategischen Fehler begangen.

Die Unterfinanzierung wur-de durch die Festsetzung eines festen Punktwertes von 3,5 Cent festgeschrieben. Die Begren-zung der Leistungsmenge beim einzelnen Vertragsarzt erfolg-te damit nicht mehr über den Punktwert, sondern über die von den Regelleistungsvolumina gesteuerte Leistungsmenge. Das Morbiditätsrisiko blieb unver-ändert beim Vertragsarzt. Durch die konsequente Umsetzung der Regelleistungsvolumina sind die Vorgaben des EBM beim Ver-tragsarzt bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden.

Diese Entwicklung kann so-gar noch getoppt werden. Zurzeit denkt der KBV-Vorstand beim EBM 2000 plus über eine so ge-nannte „Währungsreform“ nach. Dabei wird der Auszahlungs-punktwert von etwa 3,5  Cent auf 5,11  Cent angehoben. Dies führt aber nicht zu einer entspre-chenden Höherbewertung der EBM-Leistungen, denn gleich-zeitig wird die Zeitvorgabe für die einzelne Leistung verkürzt, sodass man eine so genannte kostenneutrale Angleichung vor-nimmt. Wie diese Rechenkünste von EBM und Honorarvertei-lungsmaßstab dem unerfahre-nen einzelnen Vertragsarzt klar-gemacht werden können, bleibt das Geheimnis des KBV-Vor-standes. Die Unterfinanzierung des Systems wird damit endgül-tig kaschiert. Gleichzeitig verlässt

man endgültig das Prinzip der betriebswirtschaftlichen Kalku-lation. Damit ist der EBM 2000 plus in seiner ursprünglichen politischen Intention endgültig gescheitert.

Der EBM bleibt ein nicht en-dend wollendes Desaster. Dies hat auch der KBV-Vorstand und die Vertreterversammlung be-merkt und beschlossen, dass es in Zukunft nur noch neue Leis-tungen geben kann, wenn auch frisches Geld von Seiten der Krankenkassen bezahlt wird. Die seitherige Praxis, neue Leis-tungen auch durch eine interne Umverteilung des Honorars zu finanzieren, sollte in Zukunft vermieden werden.

Die Körperschaft hat damit die Grundsatzfrage gestellt. Man schien nicht mehr bereit, unter einer gedeckelten Vergütung das Morbiditätsrisiko des Systems zu tragen. Dass damit auch der zur-zeit definierte Sicherstellungsauf-trag der Kassenärztlichen Ver-einigung in Frage gestellt wird, nahm man wohl bewusst in Kauf. Die Vertreterversammlung am 07.12.2012 ist wieder rückfällig geworden und betreibt als Kör-perschaft Kassenärztliche Ver-einigung weiter das Geschäft der Kostenträger und des Systems. Man hat Umverteilungen inner-halb der Facharztgruppe be-schlossen und dies durch elegan-

te Finanzierungstricks kaschiert. Besonders unangenehm ist aber die Diskussionskultur in der Ver-treterversammlung aufgefallen. Hier ist man voll rückfällig ge-worden. Die einzelnen Vertreter waren in ihren Beiträgen mehr von der Finanzierung ihrer eige-nen Fachgruppe gesteuert und führten eine ausgesprochen neid-besetzte Diskussion. Der Einheit der Vertragsärzteschaft hat man damit einen Bärendienst erwie-sen.

Es ist zu befürchten, dass die KBV wieder zur Tagesordnung übergeht und demnächst ein weiteres Kapitel in dem Desaster EBM von der Vertreterversamm-lung beschlossen wird. Damit dürfte sich für den einzelnen Vertragsarzt in absehbarer Zeit nichts ändern.

Dr. med. Hans-Friedrich Spies

Dr. med. Hans-Friedrich Spies2. Vizepräsident und Schatzmeister des BDI e.V.


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