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Basskaskaden und Sitar-Girlanden - Jazzclub Session 88 · lunger hat sich dem Klang dieses Zupfin-i...

Date post: 10-Mar-2021
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Basskaskaden und Sitar-Girlanden Jazziges Akkordeon trifft auf indische Sitar: Ein Abend für Liebhaber im Jazzclub Session 88 VON UNSERER MITARBEITERIN URSULA QUAST Schorndorf. Zwei Volltreffer in Folge - das freut den Programmmacher einer Veranstal- _ tungsreihe. Der Jazzclub Session 88 in Schorndorf legte nach einem grandio- sen Konzert im September jetzt mit einem Gourmetduo nach: Es spielten -i Akkordeon und Sitar. Im Jazzclub trat ein musikalisches Gour- S i metduo mit dem italienischen Akkordeo- l, nisten Luciano Biondini und dem österrei- _ : chischen Sitarspieler Klaus Falschlunger auf, das das Publikum mit stilistisch Außer- ordentlichem begeisterte. Das Team um Sabine Seelow setzt bei der Programmgestaltung überlegt nicht auf marktsicheren Mainstream. Es sucht gerne E auch ungewöhnliche Besetzungen, die Kon- zertbesucher mit liebgewordenen Hörge- . wohnheiten durchaus herausfordern kön- . nen. Wenn, wie in diesem Fall, der vollmun- : dige, witzige Tonfarbenreichtum eines jaz- £ zigen Akkordeons auf die Spitzfindigkeiten einer 20-saitigen indischen Sitar trifft, wenn italienische Jazzprononciation sich mit Innsbrucker Sitardialekt vereint, dann . verspricht das vordergründig schon einmal einfach eine spannende Unterhaltung. Und wenn zwei charaktervolle Könner ihres Fachs in einen solch seelenvollen Dialog der tonlichen Kulturen geraten wie Biondini und Falschlunger, dann steht am Ende ein wunderbarer Abend musikalischer Tief- gründigkeit: stilübergreifend, Kulturen verbindend, eine Völkerverständigung der reinsten Sorte ohne angestrengten Dolmet- I schereinsatz. Das Privileg der Musik. Die Sitar ist das bekannteste Instrument der klassischen indischen Musik und durch den Musiker Ravi Shankar seit den 60er Jahren im Jazz beheimatet. Klaus Falsch- lunger hat sich dem Klang dieses Zupfin- i struments verschrieben, und die Komposi- tionen des Musikers bestimmen den Abend. Er zeichnet mit jenem speziellen Sound Me- lodielinien in der einzigartigen Manier sich verziehender Töne, mit Tonmaterial, das wir gemeinhin orientalisch heißen. Luciano Biondini folgt ihm mit leichter Hand. Schon beim ersten Titel des Abends („Sweet and salty") zeigt sich das fast programmatisch: Die Sitar brilliert solistisch, klar und me- lancholisch, irgendwann summt ein Bass- ton dazu, das Akkordeon rauscht vorsichtig heran, geht nach und nach über in seine sattwarmen Klangmöglichkeiten, wird ak- zentuierter und groovt dann in einem präg- nanten Rhythmusraster voluminös zur Li- nienführung des Zupfinstrumentes. Die gezupfte Langhalslaute bemäntelt sich apart mit dem Faltenwurf des Akkor- deons. In poetischen Balladen wie „Noah's first Breath" oder „Rare Moments" vereint Biondini gemurmelte Basskaskaden mit den eigenwilligen Sitartönen, bleibt feder- leicht für die sanften Tänze der Laute. Oder stampft wie eine Dampfmaschine, schiebt experimentell und vibrierend einen Jazz- groove der Spitzenklasse unter die improvi- satorischen Girlanden des Klaus Falschlun- ger in so wunderbaren Stücken wie „Mind the Gap" oder „Incredible World". Ein klassisch anmutender freundlicher Jazz Waltz huldigt dem libanesischen Musiker Rabik Abu Khabi, und im spritzigen „Hip- pie in a Tipi" bricht sich grenzenloses jazzi- ges Temperament Bahn. Wenn doch irgendwann die Sprache zur Musik kommt, dann onomatopoetisch, in sinnferner sprachlicher Lautmalerei also, mit der Klaus Falschlunger das Duo mittels hochvirtuoser sprachrhythmischer Spiele- reien zum klangvollen Trio zu erweitern vermochte. Info Ein elektrisierender und bemerkenswerter Mu- sikabend macht Lust auf die weiteren Folgen: Am Freitag, 11. Oktober, ist mit iGrooved die Bühne offen für Sessions. Am Sonntag, 20. Oktober, um 19 Uhr gibt's Hundred Seventy Split: 50 Jahre Woodstock mit Leo Lyons, Joe Gooch, Dämon Sawyer. Luciano Biondini (links) und Klaus Falschlunger. „Jetzt seid ihr ja reich", hieß es allent- halben von Seiten der Konzertbesucher an der Abendkasse, Bezug nehmend auf die jüngste Zuschusserhöhung der Stadt Schorndorf für den Jazzclub. Bislang wurde der Jazzclub Session 88 mit 3000 Euro vom Gemeinderat jährlich in seiner engagierten Arbeit unterstützt. Diese verschwanden ruck, zuck im Un- terhaltsdschungel der „Grundkosten", bevor auch nur ein Musiker auf der Bühne gestanden hatte. Für die benötigte Abendtechnik bei den Konzerten war dann bislang eher nur die Währung Ehre denn monetäre Vergü- tungübriggeblieben. Doch diese Lösung steht durch den al- tersbedingten Rückzug des bisherigen Foto: Streiter Tonmeisters nicht mehr zur Verfügung. Da rettet der für den neuen Haushalt be- schlossene Zuschlag von 4000 Euro den Club aus höchsten Nöten und geht kom- plett in die neue Technikbetreuung. Das Programm selbst muss sich aller- dings nach wie vor ausschließlich aus Konzerteinnahmen finanzieren. Was ei- ner wundersamen Gratwanderung gleich- kommt in einem Musikbereich, der sich selbsterklärend in Experimentier- und Risi- kobereitschaft äußern muss, um am Leben zu bleiben. Ein bisschen mehr Luft nach oben sollte bei derweiteren Bezuschussungalso immer noch drin sein, um dem Jazz in na- her Zukunft diese traditionsreiche Bühne zu sichern. Es darf noch ein bisschen mehr sein
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Page 1: Basskaskaden und Sitar-Girlanden - Jazzclub Session 88 · lunger hat sich dem Klang dieses Zupfin-i struments verschrieben, und die Komposi tionen des Musikers bestimmen den Abend.

Basskaskaden und Sitar-Girlanden Jazziges Akkordeon trifft auf indische Sitar: Ein Abend für Liebhaber im Jazzclub Session 88

VON UNSERER M I T A R B E I T E R I N URSULA Q U A S T

Schorndorf. Zwei Volltreffer in Folge - das freut den Programmmacher einer Veranstal-

_ tungsreihe. Der Jazzclub Session 88 in Schorndorf legte nach einem grandio­sen Konzert im September jetzt mit einem Gourmetduo nach: Es spielten

- i Akkordeon und Sitar.

Im Jazzclub trat ein musikalisches Gour-S i metduo mit dem italienischen Akkordeo-l , nisten Luciano Biondini und dem österrei-_: chischen Sitarspieler Klaus Falschlunger

auf, das das Publikum mit stilistisch Außer­ordentlichem begeisterte.

Das Team um Sabine Seelow setzt bei der Programmgestaltung überlegt nicht auf marktsicheren Mainstream. Es sucht gerne

E auch ungewöhnliche Besetzungen, die Kon-• zertbesucher mit liebgewordenen Hörge-. wohnheiten durchaus herausfordern kön-. nen. Wenn, wie in diesem Fall , der vollmun-: dige, witzige Tonfarbenreichtum eines jaz-£ zigen Akkordeons auf die Spitzfindigkeiten

einer 20-saitigen indischen Sitar trifft, • wenn italienische Jazzprononciation sich

mit Innsbrucker Sitardialekt vereint, dann . verspricht das vordergründig schon einmal

einfach eine spannende Unterhaltung. Und wenn zwei charaktervolle Könner ihres Fachs in einen solch seelenvollen Dialog der tonlichen Kulturen geraten wie Biondini und Falschlunger, dann steht am Ende ein wunderbarer Abend musikalischer Tief­gründigkeit: stilübergreifend, Kulturen verbindend, eine Völkerverständigung der reinsten Sorte ohne angestrengten Dolmet-

I schereinsatz. Das Privileg der Musik. Die Sitar ist das bekannteste Instrument

der klassischen indischen Musik und durch den Musiker Ravi Shankar seit den 60er Jahren im Jazz beheimatet. Klaus Falsch­lunger hat sich dem Klang dieses Zupfin-

i struments verschrieben, und die Komposi­

tionen des Musikers bestimmen den Abend. Er zeichnet mit jenem speziellen Sound Me­lodielinien in der einzigartigen Manier sich verziehender Töne, mit Tonmaterial, das wir gemeinhin orientalisch heißen. Luciano Biondini folgt ihm mit leichter Hand. Schon beim ersten Titel des Abends („Sweet and salty") zeigt sich das fast programmatisch: Die Sitar brilliert solistisch, klar und me­lancholisch, irgendwann summt ein Bass­ton dazu, das Akkordeon rauscht vorsichtig heran, geht nach und nach über in seine sattwarmen Klangmöglichkeiten, wird ak­zentuierter und groovt dann in einem präg­nanten Rhythmusraster voluminös zur L i ­nienführung des Zupfinstrumentes.

Die gezupfte Langhalslaute bemäntelt sich apart mit dem Faltenwurf des Akkor­deons. In poetischen Balladen wie „Noah's first Breath" oder „Rare Moments" vereint Biondini gemurmelte Basskaskaden mit den eigenwilligen Sitartönen, bleibt feder­leicht für die sanften Tänze der Laute. Oder stampft wie eine Dampfmaschine, schiebt experimentell und vibrierend einen Jazz-groove der Spitzenklasse unter die improvi­satorischen Girlanden des Klaus Falschlun­ger in so wunderbaren Stücken wie „Mind the Gap" oder „Incredible World". Ein klassisch anmutender freundlicher Jazz Waltz huldigt dem libanesischen Musiker Rabik Abu Khabi, und im spritzigen „Hip­pie in a Tipi" bricht sich grenzenloses jazzi­ges Temperament Bahn.

Wenn doch irgendwann die Sprache zur Musik kommt, dann onomatopoetisch, in sinnferner sprachlicher Lautmalerei also, mit der Klaus Falschlunger das Duo mittels hochvirtuoser sprachrhythmischer Spiele­reien zum klangvollen Trio zu erweitern vermochte.

Info

Ein elektr is ierender und bemerkenswerter Mu­s ikabend macht Lust auf die weiteren Fo lgen : Am Fre i tag, 1 1 . Oktober, ist mit iGrooved die Bühne offen für Ses s ions . A m Sonntag , 20 . Oktober, um 1 9 Uhr gibt's Hundred Seventy Split: 50 J a h r e Woodstock mit L e o L y o n s , J o e G o o c h , Dämon Sawye r .

Luciano Biondini (links) und Klaus Falschlunger.

• „Jetzt seid ihr ja r e i ch " , h i e ß es a l lent­ha lben von Seiten der Konzer tbesucher an der Abendkasse , Bezug n e h m e n d au f die jüngs te Z u s c h u s s e r h ö h u n g der Stadt Schorndor f für den Jazzclub. • B i s lang wurde der Jazzclub Sess ion 88 m i t 3 0 0 0 E u r o v o m Geme inde ra t jähr l ich in se iner engagierten Arbe i t unterstützt . • Diese verschwanden ruck, zuck im Un­terha l tsdschungel der „ G r u n d k o s t e n " , bevor auch nur ein Mus iker a u f der Bühne gestanden hatte. • Für die benötigte A b e n d t e c h n i k bei den Konzerten war dann bis lang eher nur d ie W ä h r u n g Ehre denn monetä re Vergü­t u n g ü b r i g g e b l i e b e n . • Doch diese Lösung s teht durch den a l ­tersbedingten Rückzug des bisher igen

Foto: Streiter

Tonme i s te r s n icht m e h r zur Ver fügung. Da rettet der für den neuen Haushalt be­sch lossene Zuschlag v o n 4 0 0 0 Euro den Club aus h ö c h s t e n N ö t e n und geht kom­plett in d ie neue Techn ikbe t reuung . • Das Programm se lbst muss s ich aller­d ings nach w ie vor aussch l ieß l i ch aus K o n z e r t e i n n a h m e n f i nanz ie ren . Was e i ­ner w u n d e r s a m e n Gra twanderung gle ich­k o m m t in e i nem Mus ikbere i ch , der s ich se lbsterk lärend in Exper iment ie r - und Ris i­kobere i tschaft äuße rn m u s s , u m am Leben zu b le iben . • E in bisschen m e h r Luft nach o b e n sol l te bei de rwe i te ren Bezuschussunga l so i m m e r noch drin se in , u m d e m Jazz in na­her Zukunf t diese t rad i t ionsre iche Bühne zu s i che rn .

Es darf noch ein bisschen mehr sein

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