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Barbara Klein: Dunkler Schnee

Date post: 07-Mar-2016
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Merkwürdige und beängstigende Dinge geschehen um Marisa, die eigentlich nur ihre Hochzeit vorbereiten will. Da gibt es einen Seitensprung, einen Ehevertrag und eine dubiose Verzögerungstaktik ihres Verlobten, die jede Menge Fragen aufwerfen. Marisa zweifelt und kommt nach und nach einem bösartigen Komplott auf die Spur. Auf ihrem Weg zur Wahrheit scheitert sie fast an sich selbst und findet Trost im waldreichen Osten Kanadas. Doch auch hier ist sie nicht sicher … Die prächtige Kulisse des kanadischen Ostens als Gegensatz zum deutschen Westen bietet dem Leser dieses psychologischen Thrillers ein literarisches Vergnügen mit zahlreichen Spannungsmomenten und bunten Bildern.
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1 09.07.2012 edition oberkassel Verlag Detlef Knut, Lütticher Str. 15, 40547 Düsseldorf; Tel.: 0211/5595090 ; www.edition-oberkassel.de

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1 Nova Scotia – „Es war ein Schuss!“ Eine junge Frau mit dunklem Pagenkopf, auf dem eine helle Strickmütze

sitzt, kämpft sich durchs kahle Gestrüpp. Hie und da bleibt sie mit ihrer

Steppjacke an Zweigen hängen, mitunter bricht sie auf gefrorenen

Pfützen ein oder tritt in eine Matschkuhle, in der der Frost sein Werk

noch nicht vollenden konnte.

Marisa unterbricht ihren Spaziergang, um zu verschnaufen, und lässt den

Blick schweifen.

Der Himmel über den Wäldern Nova Scotias gibt dem frühen Wintertag

ein farbiges Gesicht, das scheinbar die Gedanken an Zurückliegendes wie

mit einem Lächeln abweisen möchte; Gedanken und Erlebnisse aus der

Vergangenheit, die aber wie Kletten an der Frau haften.

Wolken zeichnen mit Sprenkeln und Streifen bizarre Bilder ins winterliche

Pastell. In der vergangenen Nacht hat es gefroren, sodass Bäche und

Rinnsale erstarrten und zur Kulisse ihres eigenen Daseins wurden;

pausierende Lebendigkeit. Der Grand Lake, einer der vielen Seen der

Atlantikprovinz, hat mit dem Weben seiner eisigen Decke begonnen, die

ihn für die nächsten Monate zur Spielfläche für Eis-Angler, Spaziergänger

und Hockeyfans machen wird; die Eisschollen wachsen zusehends und

dort, wo Nähte entstanden, sieht es aus, als hätten geheimnisvolle Wesen

ihre Pfade angelegt, um den erstarrenden See zu Fuß bis zu den Häusern

am gegenüberliegenden Ufer überqueren zu können. Manche Spur zieht

sich zu den kleinen Inseln, die sonst einsam inmitten des Gewässers

Enklaven der Vogelwelt sind. Nun sehen sie sich unerwartet mit dem Land

vereint.

Der Wald wirkt chaotisch und ungezähmt. Gekippte Bäume, hilflos

ineinander verkeilt, zeugen mit ihren zum Himmel ragenden,

rippengleichen Ästen von Krankheit und Tod; Stümpfe und abgesägte

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Zweige von menschlichem Eingreifen; kleine Kiefern und Tannen von der

unbändigen Kraft der Natur, alles nachwachsen zu lassen, was irgendwo

einen Platz findet.

Hoch über Marisa krähen Rabenvögel auf Beutezug, sie hört sonst nichts

außer dem eigenen Atem. Sie lässt eine Handvoll Schnee von ihrem

Handschuh rieseln, rüttelt an einem dünnen Tannenbaum und stellt sich

unter die fallenden Flocken, dass es kalt auf ihrem Gesicht prickelt, dann

stapft sie ein Stück weiter, bis sie ans Ufer des Sees kommt, betrachtet

das von Eis überzogene Schilf und schaut zum Himmel, um abzuschätzen,

ob es wieder schneien wird. Zwischen den nackten Baumkronen sieht sie

von weit hinten eine graue Wolkenwand herankommen, die die

aprikosenfarbigen und weißen Tupfer zu überwältigen droht.

Bruno, Marisas Mischlingsrüde, in dem vermutlich Border Collie und

Neufundländer stecken, schleppt einen Stock herbei, legt ihn vor ihren

Füßen ab, trabt ein Stück ins Gebüsch zurück, dreht sich um und blickt sie

mit schief gelegtem Kopf und aufgestellten Ohren an. Marisa hebt den

Stock auf und wirft ihn zwischen Bäume, dass der Hund ihm

hinterherjagen kann. Die weißen Flecken in Brunos Fell sehen im

Vergleich zum winterlichen Niederschlag gelb wie Pergament aus. Der

Hund jappt aufgeregt und hat sichtlichen Spaß am Schnee, in den er hin

und wieder beißt und darauf herumkaut, als wären es Bröckchen aus

Fleisch, bis ein Eichhörnchen seine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Aufgeregt fiepend und mit wehender Fahne sitzt es auf einem Baum, läuft

dann flink herunter, verliert sich fast im Schnee und huscht auf das

erstarrte Wasser. Marisa packt Bruno geistesgegenwärtig am Halsband.

„Nein, mein Freund, du bleibst hier!“ Das dünne Eis würde ihn nicht

tragen. Sie wirft erneut einen Stock, um ihn von dem Nager abzulenken.

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Marisa stapft dem Hund hinterher, um sich durch das Gesträuch wieder

zu dem Pfad durchzuschlagen, von dem sie gekommen ist. Sie folgt ihren

eigenen Spuren, um im Schnee den Weg nicht zu verlieren. Der Wind lebt

auf, und sie beginnt, trotz Mütze und Skijacke zu frieren.

Marisa ist noch nicht lange in Neuschottland. Nicht überstürzt, aber

dennoch spontan hat sie die Reise angetreten. Zum Kofferpacken hat sie

sich kaum Zeit gelassen; überhaupt hat sie den Trip nach Kanada nicht

gründlich vorbereitet, obwohl sie letztendlich Großes damit vorhat. Groß

sollen die Veränderungen sein, wenngleich sie bis jetzt nur schwammige

Vorstellungen der 31Jährigen sind. Das Leben ändern, das steht an

vorderster Stelle, und der intuitive Entschluss, nach Kanada zu kommen,

soll der Beginn sein.

Nach allem, was geschehen ist …

In den lokalen Wetternachrichten, die gebetsmühlenartig wiederholt

werden, bis man sie auswendig dahersagen kann, spricht man davon, dass

die winterlichen Verhältnisse bis auf Weiteres anhalten werden. Der

Schnee sei dieses Jahr so früh gekommen, wie schon lange nicht, und

werde also so schnell nicht weichen. Für diesen Teil Kanadas sei es extrem

ungewöhnlich, bereits Anfang Dezember die Landschaft im weißen

Gewand zu sehen. Um das Ungewöhnliche immer wieder herauszustellen,

werden die Meteorologen es nicht müde, mit Nachdruck zu betonen, dass

Nova Scotia mit Sicherheit vor dem härtesten Winter seit 15 Jahren stehe.

Mit einem großen Koffer und einer riesigen Hundebox ist Marisa vor zwei

Tagen aus dem herbstnassen Frankfurt Richtung Halifax aufgestiegen.

Vom Halifax Stanfield International Airport war es mit dem Leihwagen

nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel Wellington. Wellington, das in nichts an

die große Schwester in Neuseeland erinnert, liegt eingebettet zwischen

bewaldeten Hügeln und den Seen Lake Fletcher und Grand Lake. Der alte

Highway 2 durchschneidet diesen Ort wie auch viele andere, die sich nur

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in Nuancen, hauptsächlich durch ihre klangvollen Namen, unterscheiden;

Fall River, Fletchers Lake, Oakfield oder eben Wellington versprechen

dem aufmerksamen Reisenden eine Fahrt durch die Geschichte der

Besiedelung Nova Scotias. Die farbigen Häuser mit ihren Holzfassaden

oder mit den neueren Varianten aus Vinyl leuchten rechts und links des

Highways, zahlreiche schon weihnachtlich geschmückt. Man passiert

Seegrundstücke mit eigenen Bootsstegen, die freilich im Winter am Ufer

liegen, auf der Waldseite höher gelegene Grundstücke mit steilen

Auffahrten, hin und wieder Abzweigungen den Berg hinauf, die in die seit

den siebziger Jahren kontinuierlich wachsenden Wohnsiedlungen führen.

Die Unterschiede der einzelnen Communitys verschwinden im Einerlei des

Straßenbildes. Der von Schneepflügen aufgehäufte Schnee längs der

Strecke gibt dem an sich schon einheitlichen Bild eine Leitplanke, die dazu

verführt, die wenigen Besonderheiten der Orte im Vorbeifahren zu

versäumen.

Marisa mag diese Gegend, das Leben nah an der Natur, die einfachen

Häuser und offenen Gärten, die Wildnis, die sich zwischen den Siedlungen

wacker hält – bis man wieder Holz braucht. Die Wirtschaftskraft der

Provinz muss in Schwung gehalten werden. Außerdem gibt es immer

Familien, die ihr Haus mitten im Wald bauen wollen, weg von der

Hafenstadt Halifax, auch weg von Bedford, obwohl diese Stadt ein

attraktiver Wohnort ist, weil das Leben dort wesentlich günstiger als in

Halifax ist. Man will nah an die Rehe und Streifenhörnchen heran, aber

mit gutem Anschluss an das Straßensystem. Ganze Schneisen werden in

den Wald geschlagen, um ein Haus vor der Straße zu verbergen, aber um

ihm einen Zugang zu eben dieser zu gewähren. Die Hausbauer und

Holzfäller haben einen guten Job in Nova Scotia. Man wohnt gerne hier,

der Freizeitwert ist hoch.

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Hat man sein Haus jedoch direkt an der Atlantikküste stehen, muss man

wetterfest sein, denn dort herrscht nicht selten dichter Nebel, der sich

hartnäckig über den von Flechten übersäten Nadelbäumen hält, und ist

selbst im heißen Sommer auf wärmende Kleidung angewiesen.

Es ist die kanadische Ruhe, nach der Marisa sich sehnte, als sie den Flug

buchte; die Aussicht, die Gedanken zu ordnen, die Gefühle einzufangen,

die Angst zu vertreiben. Weg aus Deutschland, nur weg! Weg von allem,

was sie durchgemacht hat. Dass sie ausgerechnet nach Wellington

kommen musste, an den Ort, in dem sie eine glückliche Zeit verbrachte,

scheint ein Wagnis zu sein. War die Entscheidung, hierher zu kommen, die

richtige?

Die Sehnsucht nach Zuversicht war zu groß, als dass sie einen fremden Ort

hätte wählen können, an dem sie sich erholen kann. Zuversicht, die sie in

den vergangenen Monaten immer wieder verloren, aber nie vergessen

hat. Der Gedanke an die alten Gefühle führte bisweilen sogar so weit,

dass sie in ihrer Vorstellung ein eigenes Haus in Kanada bewohnt, dass sie

hierher ihren Lebensmittelpunkt verlegt.

Sie hat wieder das gelbe Holzhäuschen am See gebucht, so wie vor über

einem Jahr. Doch jetzt ist sie allein. Jetzt ist alles anders, kein Sommer,

kein Freund, kein Heiratsversprechen, keine festgeschriebene

Perspektive.

Vor dem Haus ist eine Garage; zu beidem führt eine kurze, aber steile

Zufahrt hinab. Das gesamte Grundstück geht bergab. Es scheint, als habe

man nur für das Wohnhaus und die Garage zwei Ebenen eingezogen,

damit sie nicht die Wiese hinabrutschen und im See landen. Als

ehemaliges Cottage strahlt das Haus immer noch seinen Feriencharakter

aus, doch es ist nach Umbauten nun so groß, dass es ein passables

Wohnhaus abgibt. Die ganze Straße mit dem hübschen Namen Sunnylea

hat ursprünglich aus Ferienhäusern bestanden. Nett gerahmt von

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Bäumen und dem See. Vom alten Highway aus muss man erst die

Schienen überqueren, um zur Sunnylea Road zu gelangen. Vom Charme

dieser Gegend muss man wissen, es gibt sonst keinen Grund, diese im

Nichts endende Straße zu betreten. Auf der Grenze der Zuständigkeiten

der größeren Gemeinden Fall River und Enfield haben sich hier in den

vergangenen zwei Jahrzehnten die Menschen ein Zuhause geschaffen,

haben ihren Ferienort zur Wohnstätte gemacht. Das gelbe Haus am Ende

der Sunnylea Road steht als einziges noch Urlaubern zur Verfügung, und

Adam, der Besitzer, erkannte Marisa gleich wieder, als sie vor zwei

Wochen anrief. Während ihrer Absprache am Telefon ging ihr der

Gedanke durch den Kopf, dass sie Weihnachten zum ersten Mal allein

verbringen würde. Es fühlte sich seltsam an, fast unbehaglich, aber nicht

zuletzt durch Adams begeisterte Stimme gleichzeitig tröstend.

Sie erreicht den Pfad, von dem aus es nicht mehr weit ist zu dem

Schotterweg, der sie ihrem Ferienhaus näher bringt. Bruno schlägt an.

Marisa blinzelt gegen die Sonne, kann aber nichts ausmachen. Dann hört

sie ein Motorengeräusch. Sie sieht auf den Pfad und bemerkt frische

Spuren eines Quads, eines jener Aufsitzer, die sommers wie winters im

Wald zu Sportzwecken gefahren werden. Die Reifenspuren ziehen sich bis

zum Schotterweg, wo sie sich auf Eis und Schnee und zwischen

Autospuren verlieren. Sie geht weiter, hört zwischen dem Knirschen des

Schnees unter ihren Schuhen von ferne den Motor, bis er schließlich

erstirbt. Es wird einer der neuen Anwohner sein, denkt sie. Der

Schotterweg ist neu. Er wurde für ein Haus am See angelegt. Sie hört noch

einmal einen Motor, dann nur noch einen Blue Jay, den Bruno im

Gebüsch aufschreckt, und der krächzend, als wolle er sich beschweren,

ihren Weg kreuzt. Sie überlegt, ob sie mit ihrer Vermutung, es handele

sich um ein Quad, richtig liegt, doch die schmalen Spuren und das

eigentümliche Geräusch sind die gleichen, die auch das Gefährt von Adam

machte. Adam war mit einem solchen Aufsitzer nach ihrer Ankunft zum

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Haus gekommen. Marisa erkannte ihn erst nicht unter seinem Helm.

Adam brachte nicht nur den Schlüssel und ein paar Vorräte, sondern

erzählte gleich mit ausschweifenden Gesten und blumigen

Formulierungen über die Nachbarschaft und Gott und die Welt.

Marisa, von der Reise übermüdet, hatte für Adams Temperament

zunächst nicht viel übrig, doch nach einer Tasse Kaffee fand sie

zunehmend Vergnügen an seinen Geschichten.

Er riet ihr, sich in Acht zu nehmen, der Winter fange schon heftig an, sie

solle nicht ohne Handy spazieren gehen und immer erst auf den

Schneepflug warten, bevor sie sich hinters Steuer setze. Sie antwortete

mit gespielter Ironie, was denn mit der globalen Erderwärmung sei, nickte

aber brav zu seinen Worten. Eingeschneit zu sein und ein paar Wochen

nur in der Nähe des Hauses bleiben zu müssen und sich im einzigen Kiosk

von Wellington nebst Bäckerei zu versorgen, entspricht genau ihrer

Stimmung.

Sie geht auf dem Schotterweg einen halben Kilometer fast bequem, wenn

man von kleinen Rutschpartien absieht, bis sie auf die zwei Balken stößt,

die irgendjemand als Brücke quer über den jetzt vereisten Bach gelegt

hat. Über diese kommt sie wieder in den Wald, um über den Hügel zu

ihrem Haus zu gelangen. Die Trampelpfade durch das Gehölz existieren

schon so lange, wie Menschen in dieser Gegend leben. Sie führen fast nur

über Privatgelände, doch es ist ein allgemein akzeptiertes

ungeschriebenes Gesetz, dass jeder diese Pfade benutzen darf. Sie

übersteigt umgefallene Bäume, rutscht auf gefrorenen Pfützen und sackt

knöcheltief in den Schnee ein. Bruno taucht seine Nase immer wieder in

das kalte Weiß, wälzt sich auf freien Flächen und erschnuppert mit

aufgestellten Ohren und Rute die mannigfach vorhandenen Schlupfwinkel

von Eich- oder Streifenhörnchen und Mäusen. Marisa schaut ihrer

lustigen Promenadenmischung zu. Bruno ist nicht nur zum ersten Mal in

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seinem Leben geflogen, sondern erlebt auch seinen ersten Schnee. Sie

lächelt beim Anblick dieser Unbekümmertheit, der reinen Freude an den

Elementen, des Genießens des Augenblicks und allmählich merkt sie, wie

sich eine leichte Entspannung im Schulterbereich entwickelt. Obwohl sie

immer noch nicht ausgeschlafen ist, fühlt sie schon jetzt die wohltuende

Wirkung dieser Winterlandschaft wie eine Bestätigung für ihren

Entschluss, hierhergekommen zu sein. Weit weg von allem. Weit weg von

der Vergangenheit, vom Schmerz, der in zahlreichen Momenten noch so

nah ist.

Sie horcht auf; da ist wieder das Motorengeräusch. Bruno apportiert

einen Stock, den er ausgegraben hat. Marisa bückt sich, wirft ihn,

wiederholt auf einer Lichtung das Spiel mit dem Hund, bis sie außer Atem

ist.

Da bricht durch die weiß verhangenen Sträucher ein Schuss, und der

Geschossknall lässt Schnee von den Zweigen stäuben …

2 Eineinhalb Jahre zuvor „Marisa, komm ins Wasser! Es ist super!“ Laurens tauchte unter, kam

wieder hoch, nahm den Mund voll Wasser und versuchte es im Bogen

wieder auszuspucken, als wäre er eine Comicfigur. Er schwamm auf dem

Rücken, kraulte ein paar Meter, drehte sich zum Brustschwimmen um,

tauchte wieder, prustete beim Auftauchen und winkte Marisa zu, die

langsam die Wiese herunterkam. „Komm endlich!“ Laurens schickte sich

an, weiter hinauszuschwimmen.

Marisa war mit ihrem Freund seit einer Woche in Kanada, und endlich

war die bleierne Schwüle, die die Urlauber schon seit der Ankunft

umklammert hatte, in einen klaren Sommertag übergegangen, hatte der

trockenen Hitze wenigstens für eine Weile das Zepter übergeben. Die

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Bäume wiegten sich leicht im Wind und schienen die zunehmende

Lebhaftigkeit rund um den See mit einem Seufzen hinzunehmen. Der

Grand Lake lud zum Schwimmen ein, was, an den vielen Stegen und

Plattformen mitten im Gewässer leicht zu erkennen, von den See-

Anwohnern reichlich genutzt wurde. Am Ufersaum, hier wie dort, stiegen

vereinzelt dünne Rauchsäulen, bisweilen auch dicke Rauchschwaden von

den Barbecue-Grills auf. Gegenüber, rund 300 Meter entfernt, planschten

Familien im Wasser, ein paar Boote zogen mit gleichmäßigem Brummen

ihre Runden, es waren einzelne Rufe, mal ein Lachen, mal das Bellen eines

Hundes zu hören, und überall war die Entspannung eines Ferientages zu

spüren.

Marisa zog ihren Pareo von den Hüften, ließ ihn auf die Wiese fallen und

schritt, nur noch mit einem Bikini bekleidet, vorsichtig über Wurzeln und

Steine zum Ufer hinab. Sie betrat den Steg, setzte sich und ließ die Beine

ins Wasser baumeln.

„He, komm endlich rein!“, rief Laurens, der schon wieder am Steg war.

Marisa lächelte über das Bild, das Laurens ihr bot: Ein großer Junge

planscht selig im Wasser.

„Kannst du dir vorstellen, dass hier vielleicht mal Indianer Rast gemacht

haben? Vielleicht genau hier, wo wir jetzt sind.“ Marisa sah sich um,

nahm die Uferlinie wie eine Skizze in ihr Urlaubsgedächtnis auf und

versuchte sich ein inneres Bild von den Mi’kmaq-Indianern zu machen.

Laurens’ Stirn zeigte ein paar Fältchen. „Was für Indianer?“

„Mi’kmaq heißen die Ureinwohner des südöstlichen Kanadas. Es gibt sie

auch heute noch; sieben Stammesgruppen, soweit ich weiß.“

„Ja, ja, die Mickeys“, scherzte Laurens und umfasste Marisas

Unterschenkel. Lachend ließ auch sie sich ins Wasser gleiten.

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„Wir können ja mal schauen, ob wir auf einem Ausflug was über die

Indianer erfahren können. Da gibt es, glaub ich, einen Ort …“ Sie kam

nicht dazu weiterzusprechen, denn Laurens drückte ihr einen nassen Kuss

auf den Mund. „Ich bin hier, um mich zu erholen, Süße.“

„Du Kulturbanause! Wenn wir schon mal auf diesem Kontinent sind,

können wir doch auch …“

„Heirate mich!“, unterbrach Laurens sie und umfing die schlanke Gestalt

seiner Freundin. Marisa stockte für einen Moment der Atem.

„Was?“, brachte sie endlich heraus und ärgerte sich im selben Augenblick,

nichts Gescheiteres zu sagen zu haben.

„Heirate mich!“, wiederholte Laurens und strahlte sie an.

Marisa war perplex; damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Ihre

Gefühle und Gedanken stolperten Momente lang übereinander, sie

wusste nichts zu erwidern, doch sie merkte, wie ansteckend Laurens’

Lachen und Optimismus waren. Mit aufgesetztem Stirnrunzeln fragte sie:

„Meinst du, dass wir uns schon lange genug kennen?“

„Ein Jahr ist lang genug. Du liebst mich, und ich liebe dich. Was willst du

mehr?“

„Das kommt so überraschend“, sagte Marisa und wurde für einen

Augenblick ernst; sie versuchte angestrengt, ihre Gefühle zu bestimmen,

doch es wollte sich auf die Schnelle kein Ja oder Nein in ihrem Inneren

manifestieren. Sie küsste Laurens auf den nassen Mund und ließ sich, eng

umschlungen, ins tiefe Wasser schaukeln. Sie drehten sich um sich selbst,

Laurens erwiderte den Kuss, forderte ihre gesamte Aufmerksamkeit,

raubte ihr den Atem. Sie versanken ineinander, wiegten sich im

plötzlichen Wohlgefühl des anstehenden Entschlusses, überließen sich

der sanften Strömung des sommerwarmen Sees, nahmen schließlich

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emotional vorweg, welche Konsequenzen der Urlaub in Nova Scotia

haben würde, ließen kein Wenn, kein Aber mehr zu, konnten gar nicht

mehr anders, als atemlos und voller Überzeugung dieser Idee zu folgen

und den Grand Lake zum vorläufigen Zeugen ihres Trauversprechens zu

machen.

„Was hältst du davon, wenn wir an deinem Geburtstag heiraten? Dreißig

Jahre und endlich unter der Haube, hm?“ Laurens lächelte verschmitzt

und wehrte das Kissen, das ihm postwendend an den Kopf fliegen sollte,

geschickt ab.

„Pass nur auf, dass du nicht zu übermütig wirst! – Wein?“

Laurens nickte und Marisa stand auf, um Gläser zu holen. Nach dem

obligatorischen Barbecue am Abend machten sie es sich auf der erhöhten

Veranda ihres Ferienhauses gemütlich und genossen den Blick auf

Kiefern, Eichen, Hemlocktannen und den allgegenwärtigen Ahornbäumen.

Der See schimmerte bronzefarben im untergehenden Sonnenlicht. Ab und

zu störte eine verspätete Blackfly oder es stachen die Mücken, doch das

konnte ihre Glückseligkeit nur bedingt beeinträchtigen. Marisa fühlte sich

glücklich. Und sie merkte, wie sie sich gütlich tat am Klischeedenken, in

dem nur Sonne, Urlaub, der Beau an ihrer Seite und ein Heiratsantrag

vorkamen. Fast fürchtete sie sich vor der Perfektion, in der sie sich

befand. Es drängte sie, ein Haar in der Suppe zu finden, ein Stachel, den

sie ziehen musste, einen Ball zu treten, der am Pfosten abprallt.

„Was meine Eltern wohl sagen werden?“, fragte sie, als sie mit zwei

gefüllten Rotweingläsern zurückkam. „Sie denken bestimmt, dass ich

niemals heiraten werde. Und stell dir mal Georg vor! Der wird gar nicht

begeistert sein“, sagte sie, setzte sich lachend und nippte an ihrem Wein.

Sie blickte Laurens von der Seite an.

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Laurens wandte seinen Blick weg vom See hin zu ihr und strahlte übers

ganze Gesicht. Er kramte etwas aus der Hosentasche und ließ es in

Marisas Glas fallen. „Alle werden sich freuen, mein Sonnenschein!“ Er

beugte sich zu ihr und küsste sie sanft. „Wir sind nun offiziell verlobt,

nicht?“

Marisa fischte aus dem Glas einen Ring und streifte ihn über den Finger.

Blutrot rann der Wein über ihre Hand. „Das will ich meinen!“, sagte sie

und schleckte die Tropfen ab. Sie setzte sich rittlings auf Laurens’ Schoß.

„Das wird eine Menge Leute überraschen.“

„Wir sind halt immer für eine Überraschung gut. Und Georg? Pah! Der soll

sich mal nicht so anstellen mit seinen Praxis-Regeln. Nur weil er unser

Boss ist, hat er noch lange nicht unser Privatleben zu beeinflussen. Er wird

sich damit abfinden müssen. Außerdem machen wir später sowieso

unsere eigene Praxis auf.“ Laurens lachte unbekümmert und zog Marisa

noch näher zu sich heran.

Marisa und Laurens arbeiteten beide als Physiotherapeuten in einer

Praxis in der Kölner Innenstadt. Georg Müller, der Inhaber der Praxis,

führte sein Team mit straffer Hand, unterstrich seine Autorität mit

cholerischen Ausbrüchen, die man ihm nicht selten verzieh, da es immer

wieder Laissez-Faire-Auszeiten gab und er durch fachliche Qualität und

kaufmännischen Ideenreichtum bestach. Marisa bewunderte dessen nie

versiegende Phantasie: Die Praxis wurde als Seminar- und

Ausstellungsraum und hin und wieder sogar als Filmset für ein

Fernsehteam genutzt, je nachdem, wer aus Georgs weitverzweigtem

Bekanntenkreis ein Bedürfnis nach Verwirklichung hatte. Der

Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad der Praxis stieg seit Jahren und

machte Georg zum beliebten Arbeitgeber. Deswegen oder wegen dessen

dunkler Augen, die nicht nur Marisa einst verlockend erschienen waren,

konnte er sich stupide Regeln für sein Team ausdenken. Die Weisung,

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keinerlei Beziehungen innerhalb des Kollegiums einzugehen, weil das nur

zu Konflikten führen würde, unter denen letztlich die Patienten und also

auch die Praxis zu leiden hätten, wirkte aus arbeitsrechtlicher Sicht

absurd. Dennoch hielten sich alle daran, zumindest die Fassade der

Unschuld aufrechtzuerhalten. So war es Marisa und Laurens bisher

gelungen, ihre Partnerschaft vor Georg geheim zu halten. Marisa gefiel

dieser Zustand schon lange nicht mehr; sie wollte nicht mehr so tun, als

wäre Laurens nur ein Kollege.

Sie hatte Laurens nie von ihrer kurzen Affäre mit Georg erzählt. Eigentlich

war es mehr ein Ausrutscher als eine Affäre gewesen. Während eines

Lehrganges in der Eifel hatte sie Georg kennengelernt. Er war damals

einer der Ausbilder. Ohne zu ahnen, dass sie eines Tages einmal

miteinander arbeiten würden, hatte Marisa sich auf einen Flirt mit dem

um einige Jahre älteren Georg eingelassen. Es war der letzte Abend, die

Stimmung ausgelassen, Wein und Bier in Massen getrunken, man war

schließlich im selben Bett gelandet. Für Marisa eine einmalige

Angelegenheit, Georg jedoch hatte durchblicken lassen, dass er das

Beisammensein mit ihr gerne wiederholen würde. Bei Tageslicht und

gesunkenem Alkoholpegel hatte der reife, erfahrene Ausbilder jedoch

mehr einer Karikatur seiner selbst geglichen; Marisa hatte ihn abgeblockt,

ein wenig zu brüsk vielleicht und ohne einen Zweifel an ihrer

Entscheidung. Es mochte ihn verletzt haben, trotzdem hatte er sie drei

Monate später eingestellt. Die Nacht in der Eifel war im Kästchen der

Erinnerungen verschwunden.

Die Arbeit in Georgs Praxis war in Ordnung. Georg war der neue Inhaber,

beworben hatte sich Marisa bei dessen Vorgänger. Sie hatte gedacht, es

werde schon gehen, einen anderen Job könne sie sich immer noch

suchen. Die Jahre vergingen, Marisa fühlte sich wohl im Team und hatte

das Vorhaben, eine andere Stelle zu suchen, auf die Wartebank

geschoben. Und dann war Laurens auf der Bildfläche erschienen. Ich

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bleibe, dachte Marisa jeden Tag, obwohl ihr der flatterhafte Georg mit

seinen unterschiedlichen Gemütslagen manchmal auf die Nerven ging. Es

fügte sich jedoch alles gut; Georg hatte verschiedene Beziehungen mit

verschiedenen Mitarbeiterinnen. Manche gingen, manche blieben. Was

für die Angestellten galt, war für den Chef nicht bindend. Er nahm sich,

was sich ihm bot, genoss sein Leben und seine Stellung auf ostentative

Art. Und in Marisas Leben hatte Laurens einen verbindlichen Platz

eingenommen. Groß und sportlich mit seinem goldenen Bürstenschnitt.

Ein wenig kantig im Umgang, doch nach und nach wurde er weich und

biegsam, und Marisa hatte schon früh tief in ihrem Inneren gefühlt, dass

da mehr möglich war als eine nette Bettgeschichte.

Für Georgs Geschäft war Laurens ein Segen. Die Gerüchte, die Praxis

stünde am Existenzminimum, machten seit den Einbußen durch die

Gesundheitsreform immer wieder die Runde, doch wegen Georgs

sprudelnder Ideen nahm niemand sie ernst. Doch dann war das Team um

eine noch in der Probezeit befindliche Mitarbeiterin verkleinert worden;

eine weitere Stelle war frei geworden durch einen ausscheidenden

Masseur, der sich in Bonn selbstständig machen wollte, und kein

Nachfolger wurde engagiert. Das hatte für erste Diskussionen gesorgt.

Weitere Gesprächsrunden zwischen Tür und Angel und nach

Dienstschluss waren gefolgt, weil Georg deutlich hatte durchblicken

lassen, warum er die männlichen Therapeuten den weiblichen

Patientinnen zuwies und umgekehrt.

Marisa fand es abscheulich, die Erfolgsgarantie von den niederen

Instinkten der Patienten abhängig zu machen. Laurens hatte schnell

erklärt, er hätte mit dieser Art der Prostitution kein Problem. Auf sein

strahlendes Lächeln und seine sanften Hände war er stolz. „Warum soll

ich den Frauen nicht gönnen, Phantasien zu haben?“, pflegte er zu sagen.

Diese Rechnung ging auf. Laurens’ Terminplan sowie die seiner

männlichen Kollegen waren immer voll. Georg Müller war zwar ebenfalls

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16 09.07.2012 edition oberkassel Verlag Detlef Knut, Lütticher Str. 15, 40547 Düsseldorf; Tel.: 0211/5595090 ; www.edition-oberkassel.de

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Therapeut, aber er legte am meisten Wert auf einen therapierten

Geldbeutel. Den bekam er, wenn die Kundschaft zufrieden war, und

zufrieden waren die Leute, wenn sie sich wohl behütet und geschmeichelt

fühlten. Seine Mitarbeiter verschafften ihm wieder den Luxus, sich hinter

seinem Schreibtisch verschanzen zu können und sich auf die Büroarbeiten

zu fokussieren, genauso wie auf seine weiblichen Mitarbeiter. Dass es

phasenweise recht ruhig um dessen amouröse Eskapaden war,

registrierten alle Angestellten mit Genugtuung. Die Gerüchte um die

schlecht gehende Praxis ließen nach, und die Stimmung wurde wieder

gut. Georg musste nicht selber Hand an die Patienten legen; er stieß mit

seinem Raucheratem sowieso nicht selten auf Ablehnung, konnte sich das

Paffen seiner Zigarillos aber weiterhin leisten, wenn der Laden lief.

Die zufriedenen Patienten stiegen nicht selten auf Zehnerkarten um,

wenn die Verschreibungen der Ärzte ausliefen, und wurden so zu den

begehrten Privatklienten. Viele wollten auf den einmal kennengelernten

Luxus der Massage nicht mehr verzichten.

Marisa besah sich Laurens’ Profil. Die Farbe der Dämmerung hatte sich in

seinem kurzgeschnittenen Haar festgesetzt, als wollte das Gold des Tages

auch in der Nacht leuchten.

„Was meinst du? Werden unsere Kinder nach dir oder mir schlagen?

Werden sie blond oder brünett?“

Er lächelte versonnen, nahm einen Schluck Wein und sah sie dann an.

„Egal wie, Hauptsache, es sind unsere Kinder.“


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