Date post: | 01-Nov-2014 |
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Das Internet als Auslöser und Beschleuniger von Krisen:
theoretische Grundzüge und eine Analyse der Greenpeace vs.
Nestlé Kampagne im Web 2.0
Freie wissenschaftliche Arbeit
zur Erlangung des akademischen Grads
B. Sc. Kommunikationswissenschaft
an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
der Universität Hohenheim
Eingereicht am
Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft und Journalistik
Prof. Dr. Claudia Mast
von
Ines Kübler
Eugenstraße 2
70794 Filderstadt
Tel: 0171/4555944
E-Mail: [email protected]
Matrikelnummer: 428 200
6. Fachsemester
Studiengang Kommunikationswissenschaft
Stuttgart, den 16. August 2010
II
Erklärung gemäß § 13 Abs. 7 und § 15 Abs. 2 der Rahmenprüfungsordnung für
Bachelor-Studiengänge der Universität Hohenheim
Hiermit erkläre ich, dass ich die Bachelor-Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als
die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die wörtlich
oder sinngemäß aus Veröffentlichungen oder aus anderweitigen fremden Äußerungen ent-
nommen wurden, sind als solche einzeln kenntlich gemacht worden.
Die Bachelor-Arbeit habe ich noch nicht in einem anderen Studiengang als Prüfungsleistung
verwendet.
Des Weiteren erkläre ich, dass mir weder an der Universität Hohenheim oder an einer anderen
wissenschaftlichen Hochschule bereits ein Thema zur Bearbeitung als Bachelor-Arbeit oder
als vergleichbare Arbeit vergeben worden ist.
Stuttgart-Hohenheim, den 16. August 2010
Unterschrift:
III
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... III
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................. IV
1. Einführung ............................................................................................................................ 1
1.1 Begründung der Relevanz der Arbeit ............................................................................... 1
1.2 Forschungsfrage und inhaltliches Vorgehen .................................................................... 2
2. Theoretischer Hintergrund ................................................................................................. 3
2.1 Unternehmenskrisen ......................................................................................................... 3
2.1.1 Begriffsklärung .......................................................................................................... 3
2.1.2 Krisentypen und deren Auslöser ................................................................................ 4
2.1.3 Krisenverläufe und -phasen ....................................................................................... 6
2.2 Kommunikative Krisenbewältigung................................................................................. 7
2.2.1 Strategische Krisenkommunikation ........................................................................... 8
2.2.2 Operative Krisenkommunikation............................................................................. 11
2.3 Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation ........................ 14
2.3.1 Merkmale, Anwendungen und Funktionen von Web 2.0 ........................................ 15
2.3.2 Themenkarrieren im Web 2.0 .................................................................................. 17
2.3.3. Nutzung von Web 2.0 ............................................................................................. 19
2.4 Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation durch das
Web 2.0 .......................................................................................................................... 21
3. Empirische Analyse: Greenpeace vs. Nestlé .................................................................... 25
3.1 Einordnung der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé .......................................................... 25
3.1.1 Die beteiligten Akteure ............................................................................................ 25
3.1.2 Relevanz der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé ....................................................... 27
3.2 Hintergründe der Leitfadeninterviews............................................................................ 28
3.2.1 Die Vorstellung der Experten der Leitfadeninterviews ........................................... 28
3.2.2 Die Themenschwerpunkte und Ziele der Leitfadeninterviews ................................ 29
3.3 Darstellung und Bewertung der Ergebnisse aus den Leitfadeninterviews ..................... 30
3.3.1 Greenpeace im Web 2.0 ........................................................................................... 31
3.3.2 Unternehmen im Web 2.0 ........................................................................................ 32
3.3.3 Die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Web 2.0 ................................................. 33
3.3.4 Mögliche Ursachen der Kommunikationsschwierigkeiten von Nestlé im Web 2.0 36
3.3.5 Bewertung des Erfolgs der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne................................ 37
4. Fazit ..................................................................................................................................... 39
Literaturverzeichnis ...................................................................................................................V
Anhang .......................................................................................................................................X
IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Themenschwerpunkte der Leitfadeninterviews S. 29
Abbildung 2: Statusmeldung von Nestlé auf der Nestlé-Fanseite S. 35
auf Facebook
Abbildung 3: Reaktionen von Nestlé auf der Nestlé-Fanseite S. 35
auf Facebook
1
1. Einführung
1.1 Begründung der Relevanz der Arbeit
Innerhalb des Internets ist in den letzten Jahren mit der Entwicklung von Web 2.0 ein Raum
entstanden, der ganz neue Möglichkeiten der Interaktivität und Partizipation eröffnet. Durch
das Web 2.0 hat sich die Informationsfindung, -vermittlung und -verarbeitung einer Vielzahl
von Menschen stark verändert. Dies zeigte sich im Juni 2010 im Mikroblog Twitter: Nur zwei
Wochen nach den beiden Bombenentschärfungen in Göttingen war dort ein lauter Knall zu
hören. Das Göttinger Tagblatt, das zwei Wochen zuvor live von den Bombenentschärfungen
in Göttingen berichtete, twitterte zuerst: „Hab einen lauten Knall gehört. Wisst ihr was das
war? #goebombe“. Durch den Zusatz des Schlagwortes „#goebombe“ wurde die Frage vom
Göttinger Tagblatt bereits mit dem Thema „Bombenexplosion in Göttingen“ verknüpft und
konnte so auch durch die Suchfunktion auf Twitter gefunden werden. Es tauchten nun im Se-
kundentakt immer mehr Beiträge zu diesem Thema auf. Viele Menschen schienen den Knall
gehört zu haben, keiner wusste, woher er kam, trotzdem verdichteten sich auf Twitter die
Vermutungen, dass dies der Knall einer Bombenexplosion gewesen sein musste. Ein zwei-
felnder Twitter-Nutzer1 versuchte den Knall als Überschallknall eines Flugzeugs zu erklären,
stieß jedoch damit nur auf wenig Beachtung. Auch der Versuch des Göttinger Tagblatts,
durch den Tweed: „Stadt weiß nichts, Feuerwehr weiß nichts und Polizei auch nicht…was das
für ein Knall war #goebombe“, die Spekulationen etwas zu einzudämmen, bewirkte eher das
Gegenteil. Vielmehr stieß ein weiteres Twitter-Mitglied im Internet auf einen Beitrag, in wel-
chem eine weitere Bombenentschärfung für diesen Tag angekündigt wurde. Weitere Tweeds
meldeten, dass Löschzüge und Krankenwagen in der Nähe der letzten Bombenentschärfung
gesichtet wurden. Auf Twitter war man sich nun sicher, dass es eine Bombenexplosion war.
Zweifler wurden sofort auf die „eindeutigen“ Belege für eine Explosion hingewiesen. Als
jedoch nur kurze Zeit später, mit Verweis auf die Hessische/Niedersächsische Allgemeine
Zeitung, ein Twitter-Mitglied den Knall als Überschallknall eines Eurofighters identifizierte,
verstummte die Masse auf Twitter ebenso schnell wieder, wie sie zuvor aufgeschreckt wurde.
Zwischen der großen Panik und der Identifikation eines unspektakulären Ereignisses lagen
letztendlich 15 Minuten und Hunderte von Tweeds (vgl. stenographique 2010).
Auch wenn im Web 2.0 nicht jedes Thema eine vergleichbare Aufmerksamkeit auf sich zieht,
macht dieses Beispiel deutlich, wie sich Themen im Web 2.0 entwickeln können. Das Web
2.0 ist inzwischen oftmals maßgeblich an der Auslösung und der Beschleunigung von Kom-
munikationskrisen beteiligt. Somit erhöht sich auch für Unternehmen die Relevanz, sich auf
die veränderten Bedingungen durch das Web 2.0 einzustellen. Für die unternehmerische On-
line-Kommunikation ergeben sich daraus einerseits Risiken, andererseits jedoch auch neue
Kommunikationsmöglichkeiten mit der Öffentlichkeit. Daher wird sich diese Arbeit mit den
1 In dieser Arbeit wird der Einfachheit halber durchgängig die männliche Form (bspw. der
Internetnutzer, der Pressesprecher) verwendet; solche Formulierungen schließen selbstver-
ständlich immer die weibliche Person mit ein.
2
Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation im Rahmen von Web 2.0
beschäftigen.
1.2 Forschungsfrage und inhaltliches Vorgehen
Als Grundlage der Arbeit stellt sich die zielführende Forschungsfrage: Wie wirkt sich das
Web 2.0 als Auslöser und Beschleuniger von Krisen auf die unternehmerische Krisenkommu-
nikation aus?
Inhaltlich wird hierbei im zweiten Kapitel der Fokus auf die theoretischen Grundzüge gelegt.
Es werden zuerst Unternehmenskrisen behandelt, bevor im nächsten Schritt auf die kommu-
nikative Krisenbewältigung von Unternehmen eingegangen, und zuletzt ein Bogen zu den
Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation gespannt wird. Ab-
schließend werden diese drei Teilbereiche ganzheitlich betrachtet und daraus die Herausforde-
rungen für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 abgeleitet.
Im dritten Kapitel schließt sich eine empirische Analyse der Web 2.0 Kampagne Greenpeace
vs. Nestlé an. Die Kampagne und ihre Beteiligten werden vorab kurz vorgestellt, bevor im
Anschluss Hintergründe der Leitfadenfadeninterviews mit zwei Verantwortlichen von Green-
peace und zwei professionellen Bloggern erläutert werden. Im Anschluss werden die Ergeb-
nisse aus den Leitfadeninterviews dargestellt und bewertet. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf
der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne, jedoch sollen darüber hinaus auch allgemeine Einflüsse
von Web 2.0 auf die Arbeit von Greenpeace und die unternehmerische Krisenkommunikation
vorgestellt werden.
Im Fazit wird auf Basis der theoretischen und empirischen Erkenntnisse eine Aussage darüber
getroffen, vor welchen Herausforderungen die unternehmerische Krisenkommunikation durch
das Web 2.0 steht und wie sich diese zukünftig entwickeln könnten.
3
2. Theoretischer Hintergrund
In diesem Kapitel werden die theoretischen Hintergründe dieser Arbeit dargestellt.
Nachdem im ersten Schritt die Erscheinungsformen von Unternehmenskrisen genauer be-
schrieben werden, wird im zweiten Abschnitt der kommunikative Umgang mit Unterneh-
menskrisen erläutert, bevor unter 2.3 die Besonderheiten von Web 2.0 dargestellt werden. Am
Ende des zweiten Kapitels werden auf Basis der theoretischen Grundzüge die Herausforde-
rungen aufgezeigt, vor die das Web 2.0 die unternehmerische Krisenkommunikation stellt. Es
wird dabei ein Rahmen um die vorangegangenen Inhalte gespannt, um aus diesen die Chan-
cen und Risiken für Unternehmen im Umgang mit dem Web 2.0 herauszuarbeiten.
2.1 Unternehmenskrisen
Kein Unternehmen, ob groß oder klein, ist vor Unternehmenskrisen sicher. Dies wird deut-
lich, wenn man den Fall Brent Spar anschaut. Selbst das globale Energieunternehmen Shell
musste im Jahre 1995 von den Plänen, die Ölplattform zu versenken, ablassen, und dem gro-
ßen öffentlichen Druck nachgeben, nachdem die Umweltorganisation Greenpeace durch ver-
schiedene Aktivitäten auf den Fall aufmerksam gemacht hatte. Demgegenüber stand Merce-
des-Benz nur zwei Jahre später durch den Elch-Test vor einem „hausgemachten“ Problem.
Bereits diese beiden Beispiele zeigen, wie unterschiedlich Unternehmenskrisen sein können.
Das Unterkapitel 2.1 beschreibt daher detailliert, was eine Unternehmenskrise ist, welche Kri-
sentypen es gibt, wodurch sie ausgelöst werden kann, welche Verläufe sie nehmen kann und
welche Phasen dabei durchlaufen werden können. In einem Zwischenkapitel wird gesondert
auf ökologische Krisen eingegangen, da diese im Rahmen der späteren Fallstudie eine beson-
dere Relevanz besitzen.
2.1.1 Begriffsklärung
In der Literatur sind unterschiedliche Definitionen des Begriffs Krise zu finden. Diese Arbeit
beschäftigt sich jedoch nicht mit betriebswirtschaftlichen Erfolgs- oder Liquiditätskrisen, de-
ren grundlegende Ursache beispielswiese eine Ertragsschwäche ist und deren mögliches Ende
eine drohende Insolvenz. Vielmehr handelt es sich in dieser Ausarbeitung um unternehmeri-
sche Kommunikationskrisen, die in erster Linie dem Image und dem Vertrauen in das Unter-
nehmen schaden. Hieraus kann sich zu einem späteren Zeitpunkt durch eine negative Beein-
flussung des Markterfolges im Extremfall zwar eine Existenzgefährdung ergeben, diese stellt
aber nicht den ursprünglichen Auslöser der Krise dar.
Puttenat beschreibt eine PR-Krise als „eine erhebliche Zerrüttung, die sich negativ auf das
Geschäft auswirkt und zu einer ausgedehnten Berichterstattung in den Medien anregt“
(Puttenat 2009: 14). Hiermit geht die Autorin eher auf die Konsequenzen ein und spricht die
Ursachen nur sehr allgemein als „erhebliche Zerrüttung“ an. Demgegenüber leitet Hecker die
Entstehung von Krisen aus der Existenz von Risiken ab, denen jedes Unternehmen ausgesetzt
ist (vgl. Hecker 1997: 62). Töpfer betont den meist überraschenden Ursprung und bezeichnet
4
Krisen als Prozesse, die nicht geplant und gewollt sind. Weiter spricht er von einer begrenzten
Beeinflussbarkeit, womit er die mögliche Ohnmacht von Unternehmen in Krisen anspricht
(vgl. Töpfer 1999: 16). Hierauf gehen auch weitere Autoren ein, die Krisen als nur einge-
schränkt kontrollier- und lenkbar bezeichnen (vgl. Nolting/Thießen 2008: 10). Auch Mast
beschreibt Krisen als Situationen, die nicht vorhergesehen werden können. Darüber hinaus
können Krisen den Ruf einer betroffenen Organisation sowie die weitere Existenz des Unter-
nehmens in der bisherigen Form beeinflussen (vgl. Mast 2008: 98). Hecker beschreibt den
Ursprung einer Krise als riskante Situationen, Handlungen oder Sachverhalte, die sich erst
dann vollständig entfalten, wenn sie nicht erkannt und bekämpft werden (vgl. Hecker 1997:
62). Die Autorin zeigt damit auf, dass Krisen durchaus beeinflusst werden können, wenn Un-
ternehmen wachsam sind und sich damit auseinandersetzen. Eggert beschreibt die öffentli-
che/publizistische Krise als öffentliche Austragung eines Konfliktes mit externen Anspruchs-
gruppen. Er betont, dass davon, wie das Unternehmen mit der Situation umgeht, abhängig ist,
ob eine Krise entsteht oder nicht. Eggert geht sogar einen Schritt weiter und spricht von einer
Steigerung der Glaubwürdigkeit des Unternehmens, wenn es sich in der Krise positiv darstel-
len kann (vgl. Eggert 2000: 36). Es kann sich also durchaus auch eine Chance aus einer Krise
ergeben. Dies macht Möhrle am chinesischen Schriftzeichen deutlich, das aus zwei Symbolen
bestehe: Gefahr und Chance (vgl. Möhrle 2004a: 16). Diese Interpretation findet bei anderen
Wissenschaftlern jedoch keine Zustimmung. So schreibt der Trainer für Interkulturelles Ma-
nagement an der Frankfurt School of Finance and Management Ming Zhong, „das chinesische
Zeichen in dem Wort für Krise bedeutet eben nicht ‚Chance„, sondern ‚kritischer Moment„.
Die Kombination heißt ‚Gefahr in einem kritischen Moment„, also Krise.“ (Zhong 2009).
Somit kann die chinesische Sprache nicht zu einer optimistischeren Betrachtung des Krisen-
begriffs beitragen.
2.1.2 Krisentypen und deren Auslöser
Krisenauslöser und -typen werden in diesem Unterkapitel gemeinsam behandelt, da sie nur
schwer differenzierbar sind. Häufig bestimmt die Art und Weise, wie eine Krise ausgelöst
wird, bereits den Krisentyp. In der Literatur wird deutlich, dass manche Autoren bestimmte
Ereignisse als Ursachen bzw. Auslöser beschreiben, andere jedoch sprechen im gleichen Zu-
sammenhang von Krisentypen. So greift Möhrle die Kategorisierung von Krisenursachen von
Stolzenberg auf und benutzt wiederholt die Bezeichnung Krisentypen (vgl. Möhrle 2004a:
19). Homuth hat in seiner Arbeit eine Einordnung der Krisentypen vorgenommen, die in gro-
ßen Teilen der Kategorisierung der Krisenursachen von Stolzenberg und anderen Autoren
entspricht (vgl. Töpfer 1999: 17; Möhrle 2004a: 19). Homuth nimmt eine Einteilung nach
Störfällen/Umweltunfällen/Katastrophen, Produktfehler/Produktsicherheit/Produktnebenwir-
kungen, Skandale um Arbeitsbedingungen, Personalprobleme und Kritik von relevanten Inte-
ressengruppen vor (vgl. Homuth 2000: 9).
Darüber hinaus können die Ursachen von Unternehmenskrisen nach internen und externen
Faktoren unterteilt werden. Externe Auslöser liegen nicht im Einflussbereich des Unterneh-
mens, hierzu können bspw. Naturkatastrophen gezählt werden. Demgegenüber stellt bspw. ein
5
Produktfehler eine interne Krisenursache dar (vgl. Krystek 2006: 45). Krisen können auch
von hybriden Auslösern verursacht werden. Bspw. kann die berechtigte Kritik einer externen
Interessengruppe eine Krise auf Basis interner Probleme auslösen. Externe Interessengruppen
beziehen oftmals die Medien in ihre Strategien mit ein und informieren sie aktiv über ihre
Maßnahmen, um so den öffentlichen Druck auf das betroffene Unternehmen zu erhöhen. In
diesem Fall wird deutlich, dass die internen Ursachen zwar schon zuvor vorhanden waren,
jedoch erst durch die Medienberichterstattung eine öffentliche Kommunikationskrise hervor-
gerufen wird. Mast bezeichnet dies als Medienkrise (vgl. Mast 2008: 101).
Die Kommunikationskrise
Negative Ereignisse, wie bspw. Produktfehler, führen nicht zwangsläufig und unmittelbar zu
einer Unternehmenskrise. Die Medien und die Öffentlichkeit bilden hierbei einen wichtigen
Einflussfaktor. „Wenn die Medien nicht gewesen wären, hätte das doch keiner gemerkt“, zi-
tiert Möhrle (2004a: 22) krisengeplagte Unternehmer. Es ist jedoch auf Dauer kaum möglich,
sich vor den Medien zu verstecken (vgl. ebd.). Häufig entscheidet gerade der Umgang mit den
Medien darüber, ob eine öffentliche Krise entsteht oder nicht. Mast betont, dass die Medien
oft der Auslöser von Unternehmenskrisen sind, diese aber nicht ursprünglich verursachen. Die
Medien, so Mast, „sorgen aber für eine Dramatisierung der Berichterstattung und Beschleuni-
gung des Krisenverlaufs“ (Mast 2008: 14). Möhrle schreibt der veränderten Medienlandschaft
in diesem Zusammenhang, durch die schnelle Verbreitung von Informationen, Meinungen
und Gerüchten, einen verstärkten Einfluss zu. Dieser Megatrend habe „das Bewusstsein für
Krisen und Krisenkommunikation zusätzlich erhöht“ (Möhrle 2004a: 12). Hieraus kann für
ein Unternehmen im Rahmen der eigentlichen Krise sehr schnell eine ernstzunehmende
Kommunikationskrise entstehen.
Die ökologische Unternehmenskrise
Sehr häufig sind Unternehmen von ökologischen Krisen betroffen. In der Literatur beschäfti-
gen sich ganze Werke mit diesem Thema.
Hecker schreibt die große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber ökologischen Inhal-
ten dem gesellschaftlichen Wertewandel zu. Die Medien und die Bevölkerung reagieren be-
sonders bei Themen, die die Umwelt betreffen, sehr sensibel. Dadurch müssen Unternehmen
ökologische Risiken frühzeitig erkennen und ihnen entgegenwirken. Gelangen ökologische
Anliegen in die Öffentlichkeit, besitzen diese ein sehr großes Aufmerksamkeits- und Macht-
potenzial (vgl. Hecker 1997: 1 f.), da Umweltdiskussionen oft sehr stark emotionalisiert sind
und sich teilweise jeglichen rationalen Argumenten entziehen. Vor allem in Deutschland be-
steht kaum die Bereitschaft, sich bei ökologischen Themen auf sachliche Diskussionen einzu-
lassen (vgl. ebd.: 15).
Eine Umfrage ergab, dass die deutsche Bevölkerung einerseits der Meinung ist, dass die In-
dustrie und der Handel zu wenig Rücksicht auf die Umwelt nehmen, andererseits aber trotz-
dem nur wenig Interesse daran haben, Umweltschutzmaßnahmen durch finanzielle und zeitli-
6
che Ressourcen zu unterstützen. Umweltschutzorganisationen knüpfen genau an diesem Punkt
an und bieten der Bevölkerung Möglichkeiten, sich einfach, aber im Kollektiv durchaus effek-
tiv, an ökologischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Dies hat bspw. der umfassende
Boykott von Shell-Tankstellen während der Brent Spar-Auseinandersetzung gezeigt (vgl. He-
cker 1997: 20). Außerdem können Umweltschutzorganisationen die starke Emotionalisierung
von ökologischen Sachverhalten gezielt nutzen, um Zuspruch für ihre Ziele in den Medien
und in der Gesellschaft zu erhalten. Dies erhöht für Unternehmen zum einen bei ökologischen
Themen die Gefahr, in eine Kommunikationskrise zu geraten und entzieht Ihnen zum anderen
die Möglichkeit, diese öffentliche Krise durch sachliche Argumentation abzuwenden.
2.1.3 Krisenverläufe und -phasen
Es ist schwierig, generalisierte Aussagen über die Verläufe von Krisen zu treffen. Die Wis-
senschaft beschäftigt sich überwiegend mit der fallstudienartigen Untersuchung von einzelnen
populären Krisenfällen (vgl. Löffelholz/Schwarz 2008: 21). Jedoch sind die theoretischen
Erkenntnisse der verschiedenen Fallbeispiele aufgrund der vielfältigen Erscheinungsformen
von Krisen kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Puttenat hingegen wagt eine
allgemeine Aussage und setzt die durchschnittliche Dauer einer typischen Unternehmenskrise
auf drei Monate fest (vgl. Puttenat 2009: 36). Klimke und Schrott stellen in ihrer Publikation
drei verschiedene Krisenverläufe vor. Diese unterscheiden sich in der Geschwindigkeit ihres
Auftretens und der Dauer. Der erste mögliche Verlauf ist durch ein sehr schnelles Auftreten
und eine kurze Dauer gekennzeichnet, der zweite Krisenverlauf tritt ebenfalls schnell auf,
dauert aber etwas länger an und hat einen schwankenden Verlauf, während die dritte Krise
sich nur langsam und schleichend einstellt und lange andauert. Diesen Krisenverlauf stellen
die Autoren an einer beispielhaften Krise dar, die zehn Jahre angedauert hat (vgl. Klim-
ke/Schrott 1993: 95). Töpfer beschreibt ebenfalls diese drei Möglichkeiten und bezeichnet sie
als eruptive, periodische und schleichende Krise (vgl. Töpfer 1999: 275). Unter Berücksichti-
gung dieser unterschiedlichen Verläufe ist es fraglich, ob es sinnvoll ist, eine Durchschnitts-
dauer von Krisen anzugeben. Ruft einem dieser Versuch doch unwillkürlich die ironische
Redewendung „eine Hand im Eiswasser, die andere in heißem Wasser, ergibt die optimale
Temperatur“ in den Sinn. Dies unterstreicht auch Möhrle mit seiner Aussage, dass sich Ver-
läufe von öffentlichen Krisen nicht an wissenschaftliche Definitionen halten (vgl. Möhrle
2004a: 19), trotzdem ermöglichen die drei dargestellten Verläufe eine grobe Einordnung der
Krisen. Darüber hinaus entfaltet jedoch jede Krise ihren eignen Charakter, abhängig vom je-
weiligen Auslöser, dem öffentlichen Interesse und den Maßnahmen, die das betroffene Unter-
nehmen ergreift, um die Krise abzuwenden oder zu bewältigen.
Mit den verschiedenen Phasen von Unternehmenskrisen beschäftigen sich viele wissenschaft-
liche Werke, allerdings mit der Einschränkung, dass einerseits nicht jede Krise zwangsläufig
jede einzelne Phase durchlaufen muss, und andererseits sogar ein „Rückfall“ in eine vorher-
gegangene Phase möglich ist (vgl. Köhler 2008: 233 f.). In der wissenschaftlichen Literatur
werden Krisen zumeist in vier Phasen unterteilt. Im Folgenden werden die Phasen nach Meier
vorgestellt.
7
Seine Einteilung beginnt mit der grünen Phase. Diese Phase bildet den Ausgangspunkt der
Krise und stellt den Normalzustand in einem Unternehmen dar, das heißt, es werden zu die-
sem Zeitpunkt keine Krisensignale wahrgenommen. Meier betont, dass in dieser Phase die
Basis für einen möglichen Krisenfall geschaffen werden muss (vgl. Meier 2004: 90 f.). Wie
diese kommunikative Krisenprävention konkret aussehen kann, wird im Unterkapitel 2.2.1
erläutert.
Auf die grüne folgt die gelbe Phase. Hier werden bereits anfängliche Krisensymptome, wie
bspw. eine negative Berichterstattung über einen längeren Zeitraum hinweg, wahrgenommen.
Nun ist ein reibungsloser Ablauf der Unternehmenskommunikation und der Führungsprozesse
für das Unternehmen ausschlaggebend.
Kann die Krise in der gelben Phase nicht eingedämmt werden, geht sie in die rote Phase über
– die akute Krisenphase. Die Krise wird nun bewusst wahrgenommen. In dieser Phase setzen
alle vorab geplanten Maßnahmen zur Bewältigung der Krise ein – nun zeigt sich, ob sich die
jahrelange PR-Arbeit auszahlt. Die Erfüllung der „alltäglichen“ Unternehmensaufgaben wird
der Krise vollständig untergeordnet.
In der darauffolgenden blauen Phase ist die akute Krise überwunden. Sofern das Unterneh-
men nach der Krise weiter fortbesteht, muss nun der Fokus zügig wieder auf die alltäglichen
Unternehmensziele gelegt werden. Außerdem ist nun eine kritische Analyse und die daraus
resultierende Optimierung der krisenpräventiven Prozesse vorzunehmen (vgl. ebd.: 90 ff.).
Während in der Literatur zumeist diese Einteilung, lediglich mit abweichenden Bezeichnun-
gen der Krisenphasen, vorgenommen wird, stellt Krystek die vierte Phase anders dar. Im Ge-
gensatz zu vielen seiner Kollegen beschreibt er hier nicht die Phase nach der Krise, sondern
führt die akut nicht beherrschbare Krise auf. Diese tritt ein, wenn die Krise in der dritten Pha-
se nicht eingedämmt werden kann und somit die akute Krise zur Katastrophe wird. Zu diesem
Zeitpunkt verfolgt das Unternehmen nicht mehr das Ziel, die Krise zu beherrschen, sondern
versucht lediglich, sie auf irgendeine Art und Weise positiv zu beeinflussen (vgl. Krystek
2006: 50).
2.2 Kommunikative Krisenbewältigung
Nachdem im Unterkapitel 2.1 der Begriff Unternehmenskrisen sowie deren konkrete Erschei-
nungsformen beschrieben wurden, zeigt das Unterkapitel 2.2 Möglichkeiten auf, wie einer
Unternehmenskrise begegnet werden kann. Die Krisenkommunikation trägt maßgeblich dazu
bei, ob ein Unternehmen gestärkt oder geschwächt aus einer Krise hervorgeht. In der Literatur
wird die Krisenkommunikation als Teil des Krisenmanagements angesehen. Konkreter heißt
das, sie ist „der kommunikative Teil des Krisenmanagements, über den gesamten Verlauf der
Krise hinweg“ (Nolting/Thießen 2008: 11).
Da die kommunikative Krisenbewältigung in Unternehmen eine wichtige und zukunftssi-
chernde Rolle spielt, wird im Folgenden konkret auf die strategische und operative Krisen-
kommunikation in Unternehmen eingegangen.
8
2.2.1 Strategische Krisenkommunikation
Dieses Unterkapitel beschäftigt sich mit den frühzeitigen Vorbereitungen von Unternehmen
auf Krisenfälle. Hierbei werden drei Bereiche betrachtet. Das erste Zwischenkapitel zeigt auf,
wie eine Kommunikationsabteilung in einem Unternehmen angesiedelt sein sollte, damit eine
erfolgreiche langfristige Krisenkommunikation überhaupt möglich ist. Im zweiten Schritt
wird aufgezeigt, inwiefern die Unternehmenskommunikation im Vorfeld einer Krise präven-
tive Maßnahmen ergreifen kann. Außerdem ist die Art und Weise, wie ein Unternehmen
kommuniziert, wichtig, nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch im „normalen“ Alltag. Daher
werden am Ende dieses Unterkapitels die möglichen kommunikativen Grundhaltungen von
Unternehmen sowie deren Auswirkungen in Krisenzeiten dargestellt.
Die Stellung der Kommunikationsabteilung im Unternehmen
Die unternehmensinterne Ansiedlung der Kommunikationsabteilung bildet eine grundlegende
Voraussetzung für eine erfolgreiche Krisenvorbeugung und -bewältigung. Hecker spricht da-
von, dass eine arbeitsteilige Organisation innerhalb von Unternehmen eine Dezentralisierung
mit sich bringen kann, die auf die „längerfristige Effektivität von Kommunikationsprozessen
zersetzend wirkt“ (Hecker 1997: 81). Als problematisch sieht sie dabei die Tatsache, dass dies
im normalen Arbeitsalltag nicht zwangsläufig wahrgenommen wird. Oftmals werden beste-
hende Schwachstellen im Kommunikationsprozess erst in Krisenzeiten sichtbar (vgl. ebd.).
Das heißt, der nicht reibungslose Kommunikationsablauf tritt in Situationen zutage, in denen
eine erfolgreiche Kommunikation besonders wichtig ist. Um dies zu verhindern, muss Kom-
munikation als Führungsaufgabe wahrgenommen werden. Wird die Kommunikationsabtei-
lung ausschließlich dafür eingesetzt, Maßnahmen auszuführen, die von anderen Stellen im
Unternehmen festgelegt werden, kann kein reibungsloser Kommunikationsprozess erwartet
werden. Vielmehr muss der Unternehmensleitung bewusst sein, dass ein gemeinsames Ver-
ständnis von Kommunikation auf allen Ebenen großen Einfluss auf den Erfolg des Unterneh-
mens hat (vgl. Johanssen/Dujić 2008: 202). Besteht im Unternehmen Einigkeit über die Wich-
tigkeit von Kommunikation, ist dies der erste Schritt zum Erfolg. Die Kommunikationsver-
antwortlichen sollten also aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, um eine erfolg-
reiche Öffentlichkeitsarbeit sicherzustellen (vgl. Kunzcik/Heintzel/Zipfel 1995: 142). „Kom-
munikationsleute brauchen nicht zuletzt auch Macht – gerade in Krisensituationen“
(Johanssen/Dujić 2008: 203).
In der Literatur finden man nicht nur Forderungen nach einem reibungslosen Kommunikati-
onsprozess innerhalb des Unternehmens, sondern auch Aussagen darüber, wie dies umgesetzt
werden kann. Hierbei werden verschiedene Möglichkeiten in Betracht bezogen. Meier sieht
die Kommunikationsabteilung im direkten Umfeld des Topmanagements (vgl. Meier 2004:
86). Er betont, dass es keinen Sinn macht, die Kommunikationsverantwortlichen erst dann
einzubeziehen, wenn die Krise bereits vorhanden ist. Unter diesen Umständen „können diese
in der Regel nur noch ein paar Scherben kitten“ (ebd.: 87). Eine weitere Möglichkeit kann die
Einrichtung einer Stabstelle sein, die die Gesamtverantwortung für alle Kommunikationsauf-
9
gaben übernimmt und auf der oberen Führungsebene angesiedelt ist (vgl. Johanssen/Dujić
2008: 203). Es nutzt einem Unternehmen nur wenig, wenn die Kommunikationsabteilung
zwar eine genaue Vorstellung von den öffentlichen Anliegen hat, Handlungsvorschläge je-
doch mangels funktionsfähiger interner Kommunikationsprozesse nie bei den Entscheidern
ankommen (vgl. Hecker 1997: 29).
Die kommunikative Krisenprävention
Eine Untersuchung der Universität Siegen brachte 1997 das Ergebnis, dass nur jedes vierte
Unternehmen über einen Krisenplan verfügt. Eine Beratungsagentur, die im Jahre 2003 eine
ähnliche Umfrage durchführte, stellte fest, dass über 90% der befragten Unternehmen Vor-
kehrungen für eine mögliche bevorstehende Krise treffen (vgl. Möhrle 2004a: 12). Diese bei-
den Untersuchungen machen deutlich, dass Krisenprävention in Unternehmen immer mehr an
Bedeutung gewinnt. Es hat sich ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass die erfolgreiche Be-
wältigung einer Krise sehr stark von einer erfolgreichen Kommunikation abhängt, diese je-
doch nicht von heute auf morgen herbeigeführt werden kann (vgl. Meier 2004: 84). „Krisen-
kommunikation beginnt lange, bevor eine Krise auch nur erahnt wird“ (Jönck 2006: 457).
Wurden im Vorfeld einer Krise keine vorbereitenden Maßnahmen ergriffen, kann ein Unter-
nehmen in Krisenzeiten schnell in eine defensive Rolle verfallen, in der nur noch die Mög-
lichkeit bleibt, mittels Ad-hoc-Maßnahmen auf die Symptome zu reagieren (vgl. Hecker
1997: 31).
Wie ein Unternehmen einer möglichen Krise vorbeugen kann, dazu gibt es in der Literatur
viele Anhaltspunkte. Zum einen ist es wichtig, dass geeignete Frühwarnsysteme installiert
werden, mit deren Hilfe eine Krise frühzeitig erkannt und bekämpft werden kann. Hierzu
zählt bspw. die Beobachtung der medialen Berichterstattung – das Monitoring. Wird hierbei
ein anhaltend negativer Trend beobachtet, kann dies bereits auf eine bevorstehende Krise hin-
deuten.
Darüber hinaus ist es für ein Unternehmen notwendig, sich auf eine potenzielle Krise vorzu-
bereiten, auch wenn es eine hundertprozentige Vorbereitung auf alle erdenklichen Krisensitu-
ationen nicht gibt (vgl. Mast 2008: 101). In einem Krisenhandbuch können alle Informationen
zusammengestellt werden, die im Falle einer Krise von Bedeutung sind. Hierzu gehört bspw.
eine Notfallkette, die festlegt, welche Personen in welcher Reihenfolge im Krisenfall infor-
miert werden müssen, wer die Medienberichte während der Krise beobachtet sowie die Er-
nennung von internen und externen Kommunikatoren (vgl. Puttenat 2009: 74 f.). Einen weite-
ren wichtigen Punkt stellt das Beziehungsmanagement dar. Kontakte zu Journalisten, Behör-
den und anderen Zielgruppen müssen in „ruhigen“ Zeiten gepflegt werden, da während einer
Krise hierfür keine Zeit mehr bleibt (vgl. Meier 2004: 86). Weiterhin sind als Vorbereitung
auf Krisen Medientrainings hilfreich (vgl. Möhrle 2004a: 13). In der Krise wird es sich
schnell als Vorteil erweisen, wenn die Personen, die mit den Journalisten und der Öffentlich-
keit in Kontakt stehen, professionell auftreten und Sicherheit ausstrahlen.
Untersuchungen zeigen, dass vor allem Personen mit einem hohen Bildungsstand das Internet
nutzen. Da es ebenfalls diese Personen sind, die sich besonders für aktuelle öffentliche Dis-
10
kussionen interessieren und diese meist auch über längere Zeit hinweg verfolgen, bietet es
sich an, diese Anspruchsgruppen frühzeitig über Online-Kanäle anzusprechen und zu infor-
mieren (vgl. Köhler 2008: 239). Auch beim Monitoring sollte das Internet nicht vernachläs-
sigt werden, da brisante Themen dort oft schon sehr viel früher diskutiert werden als in den
traditionellen Medien (vgl. Hasse 2004: 170).
Die kommunikative Grundhaltung
Unternehmen verfolgen unterschiedliche Kommunikationsstrategien, die häufig vom Selbst-
verständnis des Unternehmens abhängig sind. Es spielt also bspw. eine Rolle, ob das Unter-
nehmen aktiv gesellschaftspolitische Verantwortung sowie Sozialverantwortlichkeit über-
nimmt (vgl. Hecker 1997: 32). Diese Grundeinstellung drückt sich sehr stark in der Art und
Weise der Kommunikation eines Unternehmens, sowohl in Nicht-Krisenzeiten, besonders
aber während Krisen aus. Hecker beschreibt in Bezug auf Umweltthemen verschiedene Kom-
munikationsstrategien (vgl. ebd.: 34 f.). Ökologische Themen treffen bei der Öffentlichkeit
auf eine erhöhte Sensibilität (vgl. Unterkapitel 2.1.2) und fordern von Unternehmen daher
besondere kommunikative Leistungen. Gerade deshalb bietet es sich an, Heckers Einordnung
an dieser Stelle genauer anzuschauen.
Den Anfang macht die Strategie des Ignorierens. Verfolgt ein Unternehmen diese Strategie,
zeigt es keinerlei Interesse gegenüber externen Meinungen, selbst wenn umsetzbare Maßnah-
men zur Verbesserung vorgeschlagen werden (vgl. Hecker 1997: 34). Am folgenden Beispiel
soll die Übertragbarkeit von Heckers Kommunikationsstrategien auf andere, nicht umweltsen-
sible Bereiche verdeutlicht werden: Plant ein Unternehmen, die Produktionsstätte ins Ausland
zu verlagern, reagiert jedoch überhaupt nicht auf die Reaktionen in den Medien oder in der
Öffentlichkeit, bringt diese passive Kommunikationshaltung sehr schnell einen Verlust des
öffentlichen Vertrauens mit sich, da das Unternehmen den Eindruck erweckt, leichtfertig mit
seiner Sozialverantwortung umzugehen.
Anders stellt sich die Strategie des Verleugnens dar, welche die Autorin auch als reaktiv-
passiv beschreibt. Der Öffentlichkeit wird hierbei der Eindruck vermittelt, dass das Unter-
nehmen dem Dialog keine große Bedeutung und daher eine geringe Kommunikationsintensi-
tät zuschreibt.
Bei der Strategie des Widerstands wird der eigene Standpunkt vom Unternehmen aktiv ver-
teidigt, auch wenn hierzu eine Diskreditierung der Gegner nötig ist. Bei dieser Kommunikati-
onsstrategie bringt das Unternehmen eine hohe Kommunikationsintensität ein, um die Öffent-
lichkeit aktiv zu überzeugen.
Ebenfalls eine hohe Kommunikationsintensität ist bei der Strategie der Antizipation vorhan-
den. Das Unternehmen nimmt den öffentlichen Dialog aktiv auf und kann dadurch sogar teil-
weise öffentliche Forderungen eindämmen. Die Strategie der Antizipation kann von Unter-
nehmen jedoch im weiteren Verlauf eine Anpassungsstrategie erzwingen. Dies ist der Fall,
wenn die aktivierte Öffentlichkeit nur noch eingeschränkte Handlungsspielräume und eine
geringe Kommunikationsintensität einräumt. Befindet sich ein Unternehmen in dieser Situati-
on, besitzt es keine Handlungsautonomie mehr (vgl. ebd.: 34 f.).
11
Die vorgestellten Strategien können einer offensiven oder einer defensiven Kommunikations-
haltung zugeordnet werden. Es bietet sich an, die Einordnung anhand der Kommunikationsin-
tensität vorzunehmen, womit sich im Falle der Strategie des Widerstandes und der Strategie
der Antizipation eine offensive Kommunikationshaltung ergibt.
Doch was ist die richtige Kommunikationsstrategie in der Krise? Jönck zählt drei essenzielle
Merkmale erfolgreicher Krisenkommunikation auf. Die Richtigkeit der Aussagen stellt dabei
ein notwendiges Merkmal dar und ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kommunika-
tion. Der Autor verweist auf die Regel, dass alles, was man sagt, der Wahrheit entsprechen,
jedoch nicht alles, was wahr ist, ausgesprochen werden muss. Außerdem sollten Unternehmen
aufgrund der unvorhersehbaren Reaktionen der Öffentlichkeit in Krisen flexibel sein. Eine
„blinde“ Abarbeitung eines Krisenplans sollte nicht stattfinden, vielmehr sollte „Phantasie,
Einfühlungsvermögen, Improvisation“ (Jönck 2006: 458) eingebracht werden. Das dritte
Merkmal ist die Schnelligkeit ein geeignetes Mittel, um nicht in eine passive Rolle gedrängt
zu werden (vgl. ebd.). Diese Auffassung vertritt auch Puttenat, die eine zu langsame und zu
späte Reaktion als typischen Fehler in einer Krisensituation beschreibt (vgl. Puttenat 2009:
30).
Möhrle hingegen sieht schnelle, proaktive Maßnahmen von Unternehmen in Krisensituatio-
nen eher kritisch. Das Unternehmen müsse abwägen „zwischen der Chance, das Heft des
Handelns selbst in die Hand zu nehmen […] und der Gefahr, das Issue durch die eigene Akti-
vität erst richtig loszutreten“ (Möhrle 2004b: 146). Hier stimmt der Autor mit der weiter oben
angeführten Gefahr überein, dass ein Unternehmen durch proaktive Kommunikation in eine
Situation verfallen kann, in der das Handeln von der aktivierten Öffentlichkeit diktiert wird
(vgl. Anpassungsstrategie).
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, wie schwierig es für ein Unternehmen ist, in
einer Krise die richtigen kommunikativen Maßnahmen zu ergreifen. Sowohl die passive ab-
wartende, als auch die proaktive Kommunikation birgt Risiken in sich, die vorher nicht ein-
schätzbar sind.
Zusammenfassend kann dem allgemeinen Tenor der Experten jedoch entnommen werden,
dass Unternehmen, die sich in einer Krise in Schweigen hüllen, eher der Gefahr ausgesetzt
sind, von der Öffentlichkeit in eine passive und reaktive Rolle gedrängt zu werden. Die Chan-
ce, eigene Themen auf die Agenda zu setzen, ist in einem solchen Falle größtenteils verloren,
da die Medien und die Öffentlichkeit diese bereits vorgeben.
2.2.2 Operative Krisenkommunikation
Dieses Unterkapitel setzt sich mit der kurz- und mittelfristigen Krisenkommunikation ausei-
nander. Die operative Krisenkommunikation setzt dann ein, wenn eine Krise vom Unterneh-
men mit Hilfe von geeigneten Frühwarnsystemen bereits wahrgenommen wird, was in einem
Unternehmen, das sich dauerhaft mit der Krisenprävention auseinandersetzt, spätestens in der
gelben Krisenphase der Fall sein sollte (vgl. Unterkapitel 2.1.3). Durch die operative Krisen-
kommunikation werden die im optimalen Fall bereits bestehenden und für den Ernstfall fest-
gelegten Kommunikationsstrategien konkretisiert und in die Realität umgesetzt. Im akuten
12
Krisenfall kämpft das Unternehmen also durch die Ad-hoc-Krisenkommunikation nicht nur
um das Überleben selbst, sondern auch darum, wie es die Krise überlebt. Welche Instrumente
sowie Medien und Kanäle für die operative Krisenkommunikation eingesetzt werden können,
wird in Folgenden erläutert.
Die Instrumente der operativen Krisenkommunikation
Eine Umfrage unter 70 Unternehmen im Jahre 2000 ergab, dass in Krisen am häufigsten von
Pressekonferenzen Gebrauch gemacht wird. Ebenfalls werden oft Interviews gegeben und
Pressemitteilungen verschickt. Auffällig ist außerdem, dass bereits vor zehn Jahren im Zu-
sammenhang mit Krisen des Öfteren auf das Internet zurückgegriffen wurde. Da sich das In-
ternet als Instrument der akuten Krisenbekämpfung inzwischen noch stärker durchgesetzt hat,
wird später in diesem Unterkapitel genauer darauf eingegangen.
Die oben genannten Instrumente zeigen, dass Unternehmen in Krisen häufig auf Maßnahmen
zurückgreifen, die auch eingesetzt werden, wenn keine Krise vorhanden ist. Doch vor allem in
einer Krisensituation sollte ein Unternehmen viel Aufwand und Zeit in die Kommunikation
investieren. Wird in einer Krise unprofessionell kommuniziert, kann dies die Krise zusätzlich
verstärken. Möhrle zeigt daher einige Instrumente auf, die gerade in einer Krise sehr hilfreich
sein können, um das öffentliche Interesse zu befriedigen, welche im Folgenden erläutert wer-
den.
Es sollte mit dem Bekanntwerden einer Krise umgehend ein Ad-hoc-Briefing der Medien
durchgeführt werden. Hierbei geht es nicht unbedingt darum, alle Einzelheiten darzulegen,
sondern um die glaubwürdige und verlässliche Information, dass an dem Problem gearbeitet
wird. Natürlich besteht die Gefahr, dass einige Journalisten aufgrund der Kurzfristigkeit nicht
persönlich teilnehmen können. In diesem Fall ergibt es Sinn, parallel einen Online-
Newsticker zu schalten (vgl. Möhrle 2004c: 163). Der Autor schlägt hierfür die Website vor;
allerdings haben sich in den vergangenen Jahren weitere Online-Kanäle entwickelt, wie bspw.
Twitter, die sich für aktuelle Kurznachrichten eignen. Detailliert wird auf die Anwendungen
im Web 2.0 unter 2.3.1 eingegangen.
Über das Ad-hoc-Briefing hinaus bietet sich an, dem Fernsehen und Hörfunk Kurzinterviews
mit Verantwortlichen des Unternehmens anzubieten. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben,
Gerüchten und falschen Informationen sofort und aktiv entgegenzuwirken. Auf der anderen
Seite besteht hierbei immer die Gefahr, dass in den Interviews Aussagen gemacht werden, die
dem Unternehmen später negativ ausgelegt werden können. Diese Gefahr kann eingedämmt
werden, indem die Inhalte des Interviews vorab abgesprochen werden. Außerdem sollte das
Unternehmen hierfür einen Sprecher auswählen, der einer schwierigen Situation rhetorisch
gewachsen ist (vgl. ebd.).
Eine weitere Möglichkeit, den Medien sende- und zitierfähige O-Töne zur Verfügung zu stel-
len, ohne dabei der Gefahr ausgesetzt zu sein, den Medien als „Nebenprodukt“ des Gesprächs
eine Aussage zu liefern, die negativ interpretiert werden kann, bietet ein Statement-Service. In
der konkreten Umsetzung bedeutet dies, dass kurze Aussagen von Unternehmensverantwort-
lichen auf der Website zum Download bereitgestellt werden (vgl. ebd.). Zum einen besitzt ein
13
O-Ton für Journalisten einen besonderen Nachrichtenfaktor und hat daher gute Chancen,
übernommen zu werden, zum anderen kann durch die persönlichen Aussagen – je nach Medi-
um sogar mit Bild – Glaubwürdigkeit besser hergestellt werden.
Ein weiteres Instrument in Krisensituationen sind Hintergrundgespräche mit ausgewählten
Journalisten (vgl. Möhrle 2004c: 163 f.), deren Erfolg sehr stark vom vorangegangenen Be-
ziehungsmanagement der strategischen Krisenkommunikation abhängt. Durch eine dauerhafte
Kontaktpflege zu Journalisten kann sichergestellt werden, dass in Krisensituationen gezielt
und erfolgreich Hintergründe vermittelt und Diskussionen geführt werden können.
Außerdem sollten auch während der Krise Ad-hoc-Medientrainings durchgeführt werden.
Oftmals möchte die Öffentlichkeit in Krisen nämlich nicht einen Sprecher sehen und hören,
sondern fordert Stellungnahmen vom Topmanagement ein. Da dieses jedoch häufig über sehr
viele Fähigkeiten verfügt, nicht aber gezwungenermaßen über rhetorisches Geschick, sollten
die Medientrainings in Kürze grundlegende kommunikative Fähigkeiten vermitteln, die
glaubwürdige und verständliche Botschaften gewährleisten (vgl. ebd.). Auch Töpfer geht auf
die Wichtigkeit von Kommunikationstrainings ein und betont, dass sie notwendig sind, um
eine schnelle und richtige Reaktion sicherzustellen und ein stereotypes Kommunikationsver-
halten zu vermeiden. Auch er ist der Meinung, dass die Person, die das Problem bearbeitet,
kommunizieren muss und nicht ein Unternehmenssprecher, damit Glaubwürdigkeit in die
Öffentlichkeit transportiert werden kann (vgl. Töpfer 1999: 46 f.).
Gutermann und Helbig weisen außerdem auf den Einsatz von professionellen Krisenberatern
hin. Diese unterstützen die Kommunikationsabteilung bei den operativen Maßnahmen und
bringen ein oftmals sinnvolles externes Feedback ein (vgl. Gutermann/Helbig 2004: 111). Bei
kleineren Unternehmen, mit begrenzten kommunikativen Ressourcen, kann das Hinzuziehen
eines Krisenberaters sicherlich nützlich sein. Jedoch kann die Mitsprache eines externen Bera-
ters, der evtl. mit Vorschlägen, die gegenüber den internen Kommunikationsverantwortlichen
in der Vergangenheit abgelehnt wurden, auf Zustimmung im Topmanagement trifft, interne
Unstimmigkeiten verursachen, die die Krisenkommunikation lähmen.
Letztlich ist die Darksite, eine präventiv vorbereitete Internetseite, die im Krisenfall online
gestellt wird, ein unerlässliches Standardinstrument in Krisen. Sie sollte in krisenfreien Zeiten
bereits vorbereitet und so weit wie möglich mit Inhalten gefüllt werden (vgl. Hasse 2004:
172). Eine ganzheitliche Erstellung nach Ausbruch der Krise kostet zu viel Zeit und kann un-
ter dem Druck kaum zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen. Außerdem sind die Mit-
arbeiter durch die Erstellung einer Darksite schon im Vorfeld dazu gezwungen, sich mit einer
möglichen Krise auseinanderzusetzen. So zeigt sich hierbei bspw., wer über welche Informa-
tionen und Entscheidungsbefugnisse verfügt und wo es inhaltliche Unstimmigkeiten gibt.
Die Kanäle und Medien der operativen Krisenkommunikation
In einer Krise sollte es wohl überlegt sein, über welche Kanäle ein Unternehmen mit Journa-
listen und der Öffentlichkeit in Kontakt tritt. Bei der Auswahl eines geeigneten Kanals gilt es,
vorher zu klären wer in der Krise kommuniziert. Möhrle weist darauf hin, dass es möglicher-
weise notwendig sein kann, bisherige Kommunikatoren zumindest vorübergehend von ihrer
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Aufgabe freizustellen, um diese Rolle anderen zu übertragen, die dieser Situation rhetorisch
besser gewachsen sind (vgl. Möhrle 2004c: 158).
Im Allgemeinen bietet es sich an, eine konkrete Rollenverteilung vorzunehmen, um in der
Krise eine sinnvolle Kommunikationsstruktur sicherzustellen. Die reine Medienarbeit sollte
der Pressesprecher oder sonstige Kommunikationsverantwortliche übernehmen. Eine allge-
meine Repräsentanz gegenüber der Öffentlichkeit, der Branche und der Politik hingegen
schreibt der Autor der Vorstandsebene bzw. dem Geschäftsführer oder Inhaber zu. Sobald es
jedoch um fachliche Informationen geht, sollten Personen kommunizieren, die aufgrund ihrer
Kompetenz und Position Glaubwürdigkeit herstellen können (vgl. ebd.: 158 f.). Dieser Eintei-
lung steht die Ansicht von Klimke und Schrott gegenüber, die auf das „One-Voice-Concept“
verweisen. Dieses Konzept schreibt alle Kommunikationsaufgaben einem Sprecher zu (vgl.
Klimke/Schrott 1993: 238). Tritt ein Unternehmen in Gestalt einer zentralen Person auf, wel-
cher es gelingt, Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Öffentlichkeit zu schaffen, kann dies in
der Krise sehr hilfreich sein. Möhrles Aufteilung hingegen hat den Vorteil, dass jede Kom-
munikationsebene von den entsprechenden „Experten“ bearbeitet wird.
Ist intern geklärt, wer in der Krise kommuniziert, geht es im zweiten Schritt darum, die geeig-
neten Kanäle auszuwählen. Unternehmen entscheiden sich in Krisen aufgrund personeller,
finanzieller und zeitlicher Gründe häufig dazu, über Massenmedien mit der Öffentlichkeit in
Kontakt zu treten und auf dialogorientierte Medien zu verzichten. Eggert stellte durch eine
Untersuchung fest, dass Unternehmen von einem geeigneten Medium in der Krise vor allem
Schnelligkeit erwarten. Weiterhin ist den befragten Unternehmen die Verfügbarkeit, die zeit-
liche Einsetzbarkeit und eine große Reichweite wichtig (vgl. Eggert 2000: 40 f.). Betrachtet
man die Anforderungen genauer, stellt man schnell fest, dass die Neuen Medien diese Leis-
tungskriterien in sich vereinen. Neben den klassischen Kommunikationskanälen, wie Print-
und Rundfunkmedien, gewinnt das Internet daher für die Krisenkommunikation immer mehr
an Bedeutung. Eggerts Umfrage im Jahre 2000 ergab, dass Unternehmen in Krisen eher auf
Pressekonferenzen, Interviews und PR-Artikel zurückgreifen, um mit der Öffentlichkeit in
Kontakt zu treten (vgl. ebd.: 40). Mickeleit schreibt allerdings vier Jahre später, dass das In-
ternet für Journalisten, Wissenschaftler, Analysten und Umweltaktivisten eine Erstinformati-
onsfunktion besitzt (vgl. Mickeleit 2004: 116). Inzwischen nutzt die Mehrheit der deutschen
Bevölkerung sowie die meisten Journalisten das Internet und sollten daher darüber angespro-
chen werden (vgl. Köhler 2008: 239). Wahrscheinlich würden die Antworten der Unterneh-
mer heute etwas anders aussehen als im Jahre 2000. Experten sind sich jedoch einig, dass das
Internet die traditionellen PR-Kanäle unterstützen, nicht aber vollständig ersetzen kann. Stre-
ben Unternehmen in Krisensituationen symmetrische Kommunikation an, greifen sie haupt-
sächlich auf Kanäle wie das Telefon oder Face-To-Face-Begegnungen zurück. Das Internet
wird als integraler Bestandteil der (Krisen-) Kommunikation angesehen (vgl. ebd.: 240).
2.3 Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation
Das Internet hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung gezeigt. Seit sich innerhalb
des Internets das Web 2.0 entwickelt hat, bietet sich über den Online-Kanal nicht mehr nur
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die Möglichkeit der Einweg-Kommunikation. Man sollte hierbei jedoch nicht von einem ab-
rupten Umbruch ausgehen, wie es die Umbenennung von Web 1.0 auf Web 2.0 vermuten
lässt. Vielmehr haben sich die Möglichkeiten, als Nutzer aktiv in das Web „einzugreifen“,
nach und nach ergeben. Das Internet entwickelte sich bereits Ende des zwanzigsten Jahrhun-
dert in Richtung Mitmach-Plattform – Wikis und Weblogs entstanden (vgl. Schmidt 2008: 20
f.). Die Partizipationsmöglichkeiten der Internetnutzer haben sich seither so verstärkt, dass die
Time sich im Jahre 2009 dazu entschied „You“ – den aktiven Internetnutzer – zur Person des
Jahres zu ernennen (vgl. Schmidt 2009: 16).
Unter 2.3.1 werden die Merkmale, die Anwendungsmöglichkeiten sowie die sich daraus erge-
benden Funktionen von Web 2.0 aufgezeigt. Danach werden die unterschiedlichen Themen-
karrieren im Web 2.0 denen des traditionellen Journalismus gegenübergestellt. Am Ende die-
ses Unterkapitels wird näher betrachtet, wie und von wem das Web 2.0 genutzt wird. Es sei
an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Begriffe „Web 2.0“ und „Social Web“ im Fol-
genden synonym verwendet werden.
2.3.1 Merkmale, Anwendungen und Funktionen von Web 2.0
Entscheidet sich ein Unternehmen für den Einsatz von Web 2.0, ist es wichtig, dass es in einer
Krisensituation zur richtigen Zeit auf die richtigen Web 2.0-Anwendungen zurückgreift und
sich der Funktionen von Web 2.0 stets bewusst ist.
Im folgenden Abschnitt werden daher im ersten Schritt die besonderen Merkmale beschrie-
ben, die das Web 2.0 besitzt. Danach werden Anwendungen innerhalb von Web 2.0 vorge-
stellt, die für die Unternehmenskommunikation in Krisen von Bedeutung sein können. Am
Ende werden in Kürze die grundsätzlichen Funktionen erläutert, die das Web 2.0 erfüllt.
Die besonderen Merkmale von Web 2.0
Geht es um die Vermittlung gesellschaftlich relevanter Themen, spielen die traditionellen
Massenmedien nach wie vor die wichtigste Rolle (vgl. Köhler 2008: 235). Die Art und Weise
der Informationsvermittlung stellt einen großen Unterschied zwischen den traditionellen Mas-
senmedien und dem Internet dar. Während die Zugangs- und Partizipationschancen zu den
traditionellen Massenmedien ungleich verteilt sind, zeichnet sich das Internet durch einen
freien Zugang aus. Es besteht somit prinzipiell für jeden Nutzer die Möglichkeit, die Inhalte
im Internet mitzubestimmen (vgl. ebd.). Durch die Entwicklung von Web 2.0 und somit die
stetige Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten, hat sich im Internet eine öffentliche
Kommunikationsplattform entwickelt. Die dadurch ermöglichte Interaktivität, sowie die
Hypertextualität, die es möglich macht, öffentliche Kommunikationsbeiträge über mehrere
Webseiten hinweg miteinander zu verknüpfen, stellen die beiden grundlegenden Merkmale
von Web 2.0 dar (vgl. Gerhards/Klingler/Trump 2008: 129 f.).
Neben den beiden genannten Merkmalen spricht Wimmer außerdem die Multimedialität an,
durch die eine Kombination verschiedener Medien möglich ist. Multimedialität wird bspw.
realisiert, wenn in einem Blogbeitrag ein Video eingebunden wird (vgl. Wimmer 2008: 215).
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Internetnutzer sind durch die Tatsache, dass das Internet die Dimensionen Raum und Zeit
nahezu aufhebt, in der Lage, sich im Web 2.0 an lokalen, regionalen und globalen Diskussio-
nen zu beteiligen, welche aufgrund der Speicherkapazität des Internets nicht an einen be-
stimmten Moment gebunden sind.
Durch das Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement (vgl. die Funktionen von
Web 2.0) der Nutzer bilden sich im Web 2.0 zufällige Hierarchien heraus. Je nachdem, wie
und in welchem Ausmaß sich Nutzer im Internet selbst darstellen und verwirklichen, Kontak-
te knüpfen und pflegen sowie Informationen beschaffen, bearbeiten und verbreiten, werden
Rangordnungen erkennbar. Es gibt bspw. nur wenige Blogs, denen eine so große öffentliche
Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, dass sie zu den A-List-Blogs gezählt werden, was
bedeutet, dass bis zu tausend Aufrufe pro Tag stattfinden. Die Mehrzahl der Blogs hingegen
wird nur von wenigen Menschen verfolgt (vgl. Schmidt 2008: 32). Aus dieser Hierarchie
kann man im Web 2.0 eine gewisse Meinungsführerschaft ableiten. Beschäftigt sich bspw. ein
Blog, das natürlich fesselnd geschrieben und regelmäßig aktualisiert werden sollte, mit bri-
santen Umweltthemen, hat es gute Chancen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu zie-
hen und bei der Meinungsbildung der Leser zu diesen Themen maßgeblich mitzuwirken.
Die Anwendungen im Web 2.0
Im Folgenden werden Anwendungen im Web 2.0 vorgestellt, die es Unternehmen ermögli-
chen, direkt und dialogorientiert mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten.
Eine Umfrage aus dem Jahre 2007 ergab, dass es weltweit ungefähr 70 Millionen Weblogs
gibt, zu denen täglich etwa 120.000 neue Blogs hinzukommen, das heißt 1,4 Blogs pro Se-
kunde (vgl. Sifry 2007). Trotz des enormen Zuwachses trauten sich zu der Zeit jedoch nur
wenige deutsche Unternehmen, aktiv in die Blogosphäre einzusteigen, und wenn doch, steck-
ten deren Aktivitäten noch in den Kinderschuhen, das heißt Auswirkungen auf die Beziehun-
gen zur Außenwelt waren kaum zu erkennen (vgl. Burkhardt 2007: 5). Jedoch wurde schon
damals deutlich, dass Weblogs in Zukunft eine große Herausforderung für Unternehmen in
Krisensituationen darstellen können. Setzt ein Unternehmen ein eigenes Blog ein, kann es
dort schnell und dialogorientiert reagieren, wo zukünftig evtl. verstärkt Krisen entstehen – in
der Blogosphäre (vgl. ebd.: 51). Eine besondere Art des Bloggens ermöglichen Mikroblogs.
Das bekannteste Beispiel hierfür ist Twitter. Die Besonderheit von Mikroblogs stellt die Zei-
chenbegrenzung dar. So kann ein einzelner Beitrag bei Twitter höchstens aus 140 Zeichen
bestehen, bietet jedoch über Hyperlinks die Möglichkeit, auf weitere Informationen zu ver-
weisen sowie den Tweed durch Schlagworte bestimmten Themen zuzuordnen.
Ebenfalls eine sehr populäre Anwendung im Web 2.0 sind die Netzwerkplattformen. Eine
aktive Teilnahme ist für jeden möglich, jedoch erst nach Registrierung. Grundsätzlich werden
zwei Arten von Netzwerkplattformen unterschieden. Zum einen gibt es Netzwerkplattformen,
bei denen sich die Nutzer als Privatpersonen anmelden und somit auch hauptsächlich private
Inhalte publizieren. Facebook oder MySpace sind hierfür populäre Beispiele. Zum anderen
gibt es das berufliche Networking, bspw. Xing, bei dem die Nutzer ein berufsbezogenes Profil
anlegen und hauptsächlich berufliche Themen ausgetauscht werden. Beide Arten ermöglichen
17
es Unternehmen, aktiv am Networking teilzunehmen und Inhalte im Namen des Unterneh-
mens zu publizieren.
Außerdem gibt es im Internet Multimediaplattformen. Auf YouTube, ein sehr bekanntes Bei-
spiel, können Privatpersonen und Unternehmen Videos veröffentlichen (vgl. Schmidt 2009:
23). Die Möglichkeit, einen eigenen Kanal zu erstellen, auf dem nur autorisierte Personen
Videos veröffentlichen dürfen, gibt den Nutzern eine Kontrolle über den Inhalt. Ein Unter-
nehmen kann somit auf seinem eigenen Kanal selbst bestimmen, welche Videos unter seinem
Namen veröffentlicht werden.
Des Weiteren existieren im Web 2.0 verschiedene Wikis, in denen Nutzer aktiv zu verschie-
denen Themen Beiträge verfassen können. Änderungen dieser Beiträge können jederzeit
nachverfolgt und rückgängig gemacht werden. Auf Wikipedia bspw. kann ein Unternehmen
einen Beitrag über sich selbst oder über seine Produkte verfassen (vgl. ebd.: 22 ff.).
Die Funktionen von Web 2.0
Die Autoren Zerfaß und Sandhu schreiben dem Web 2.0 vier Funktionen zu, die jedoch größ-
tenteils mit dem oben angesprochenen Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement
übereinstimmen. Die publizistisch-expressive Funktion, welche mit dem Identitätsmanage-
ment gleichgesetzt werden kann, beinhaltet das Veröffentlichen und Darstellen von Inhalten,
wofür bspw. Blogs oder Podcasts eingesetzt werden können. Außerdem dient das Web 2.0
dazu, Wissen zu strukturieren, zum Beispiel mit Hilfe von Wikis. Eine weitere Funktion se-
hen die Autoren in der Informationsaufbereitung, die der Internetnutzer mit Hilfe von RSS-
Feeds vornehmen kann. Die beiden letztgenannten Funktionen die der Wissensstrukturie-
rung und der Informationsaufbereitung spiegeln das Informationsmanagement wieder. Da-
rüber hinaus ordnen die Autoren dem Web 2.0 die Ermöglichung von professionellen und
persönlichen Beziehungsnetzwerken zu. Diese Funktion, die das von Schmidt genannte Be-
ziehungsmanagement abdeckt, drückt sich im Web 2.0 durch soziale Netzwerke aus.
2.3.2 Themenkarrieren im Web 2.0
Aufgrund der oben genannten Eigenschaften von Web 2.0 haben Themen dort ganz andere
und neue Möglichkeiten sich zu entwickeln. Die Unterschiede zwischen der Themenbearbei-
tung und -entwicklung im Web 2.0 und in klassischen Medien sollte bei der Krisenkommuni-
kation stets beachtet werden. Daher wird im folgenden Absatz auf die verschiedenen The-
menkarrieren eingegangen.
Um einen Vergleich herstellen zu können, muss zuerst die Themenentwicklung im Web 2.0
genauer betrachtet werden. Die bereits oben genannte Eigenschaft, dass das Internet zeitliche
und räumliche Grenzen überschreitet, spielt hierbei eine große Rolle. So führt das Internet
dazu, dass Themen sehr schnell nationale und internationale Aufmerksamkeit erregen können
(vgl. Mast 2008: 104) und die Nutzer sich mit Hilfe von Web 2.0-Anwendungen an den ent-
sprechenden Diskussionen beteiligen können. Im Web 2.0 werden somit oftmals Themen auf
die Agenda gesetzt, die Kommunikationskrisen auslösen können. Durch die schnelle Weiter-
18
verbreitung der Krisenthemen wird die Kommunikationskrise außerdem durch das Web 2.0
beschleunigt.
Die Ziele der aktiven Nutzer gehen jedoch teilweise über die reine Beteiligung an Diskussio-
nen hinaus. So weisen Zerfaß und Sandhu darauf hin, dass sich viele Nutzer als investigative
Multiplikatoren sehen, die durch eigene Recherchen in Weblogs mehr erfahren wollen, als
ihnen die Journalisten bieten können (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008: 295). In einer Untersuchung
stellte sich außerdem heraus, dass Blogger ein großes Interesse daran haben, Krisen aufzude-
cken (vgl. Liu 2010: 29). Somit bildet das Zusammenspiel zwischen Bloggern, die Krisen
aufdecken wollen und deren Lesern, die einen Wissensvorsprung haben möchten, eine Grund-
lage dafür, dass Krisenthemen schnell wahrgenommen und verbreitet werden. Dieser Ent-
wicklung können sich auch professionelle Journalisten nicht entziehen. Daher bewegen sich
auch diese immer mehr im Web 2.0 und integrieren es in ihren Arbeitsalltag. Dies führt einer-
seits dazu, dass Journalisten ihre Informationen teilweise aus dem Web 2.0 beziehen, zum
anderen sind sie inzwischen maßgeblich an der Content-Erstellung im Web 2.0 beteiligt. In
Deutschland werden mittlerweile drei der zehn populärsten Blogs von Journalisten geführt
(vgl. Schmidt 2008: 30). Im Folgenden werden Blogs, stellvertretend für das Web 2.0 genauer
betrachtet. Diese Zuspitzung scheint in diesem Zusammenhang angemessen, da Blogs im
Web 2.0 die größte Konkurrenz zu der traditionellen Berichterstattung darstellen.
Das Vorgehen von Bloggern unterscheidet sich teilweise beträchtlich von den Arbeitsweisen
von Journalisten. “One structural difference between bloggers and journalists is the type of
sources the two primarily use” (Liu 2010: 29). In einer Untersuchung, die Blogs und Online-
Zeitungen analysierte, fand Liu heraus, dass Journalisten sowohl im Alltagsgeschäft als auch
bei der Arbeit mit Krisenthemen an offiziellen Quellen interessiert sind, während die Her-
kunft der Informationen für Blogger weniger relevant ist. Des Weiteren unterscheiden sich
Blogbeiträge und die traditionelle Berichterstattung anhand der Objektivität. Die Autorin
stellte fest, dass Journalisten bemüht sind, fair und ausgeglichen zu berichten, in der Blogos-
phäre jedoch findet man oftmals subjektive Beiträge. So beinhalten 55% der untersuchten
Blogbeiträge, aber nur 18% der analysierten Online-Artikel subjektive Aussagen. Außerdem
kam die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Journalisten unter einem weitaus größeren Zeit-
und Kostendruck stehen als Blogger. Dies äußert sich darin, dass die untersuchten Blogs einer
bestimmten Krise mehr Beiträge gewidmet haben als die analysierten Online-Zeitungen. Ein
weiteres entscheidendes Ergebnis der Studie zeigt sich bei Betrachtung des Zeitpunkts, zu
dem Krisen angesprochen werden. Blogs sind den Online-Zeitungen hierbei meistens einen
Schritt voraus (vgl. ebd.: 29 ff.).
Die aufgezeigten Ergebnisse machen einerseits deutlich, dass Blogger teilweise freier und
ungezwungener arbeiten können als professionelle Journalisten. Es gelingt Bloggern daher
häufig, Krisenthemen ins Visier zu nehmen, bevor sie in den klassischen Medien, und auch in
Online-Zeitungen, erscheinen. Andererseits können eine subjektivere Berichterstattung und
ein großzügiger Umgang mit der Herkunft von Quellen dazu führen, dass mangelhafte Infor-
mationen an die Leser der Blogs weitergegeben werden. Durch die Interaktivität und
Hypertextualität können Themen im Web 2.0 schnell verbreitet werden, oftmals ebenfalls
ohne vorher auf Richtigkeit überprüft zu werden, und gelangen damit an eine große Öffent-
19
lichkeit. Diesem Gedanken entspricht auch Schmidts Ansicht, der am Web 2.0 kritisiert, dass
dort Laien Aufgaben übernehmen, die bisher Personen mit professionellen Ausbildungen er-
ledigt haben.
Da durch das Web 2.0 die technischen Hürden für die Publikation von Informationen gesun-
ken ist und Nutzer durch verschiedene Anwendungen ihre Informationen nach eigenem Be-
lieben filtern können, wird das ursprüngliche Gatekeeper-Monopol der Journalisten dadurch
teilweise unterlaufen (vgl. Schmidt 2009: 178). Kutner spricht bereits im Jahre 2000 an, dass
das Internet „[…] allows direct communication and bypassing of information gatekeepers
[…]" (Kutner 2000: 7). Durch die stetige Weiterentwicklung von Web 2.0-Anwendungen hat
sich diese Situation bis heute weiter verstärkt.
Diese Verschiebung der Zuständigkeiten stellt Journalisten vor neue Herausforderungen. Sie
sind nicht mehr die alleinigen Entscheider über Themenkarrieren. Eggert sieht nun eine große
Herausforderung für die Journalisten darin, „aus dem Meer an Daten die für sie angemessene
Qualität und Quantität zu bestimmen“ (Eggert 2000: 37).
Für Unternehmen bedeuten die angesprochenen Veränderungen der Themenentwicklung, dass
sie sich einerseits direkt an die Öffentlichkeit wenden können, ohne dabei von einem Journa-
listen in seiner Gatekeeper-Funktion abhängig zu sein, andererseits sind Themenkarrieren im
Web 2.0 kaum zu steuern. Das heißt Unternehmen haben nur wenig Einfluss darauf, ob und
wie ihre Themen im Web 2.0 wahrgenommen und weiterverbreitet werden.
2.3.3. Nutzung von Web 2.0
Um das Web 2.0 in der Online-Kommunikation und vor allem in der Krisenkommunikation
erfolgreich einsetzen zu können, sollten Unternehmen Kenntnis darüber haben, wer das Web
2.0 nutzt und welche Motive dahinter stecken. Nachdem im Folgenden die allgemeine Nut-
zung von Web 2.0 in Deutschland genauer beschrieben sowie ein mögliche Einteilung in Nut-
zungstypen vorgestellt wird, soll im zweiten und dritten Schritt die Nutzung von Web 2.0
durch Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen dargestellt werden.
Die allgemeine Nutzung von Web 2.0 in Deutschland
Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2010 ergab, dass 69% der Bevölkerung ab 14 Jahren online sind,
76% davon sogar täglich. Viele davon nutzen Web 2.0-Anwendungen. So erreicht Wikipedia
73% und Videoportale 58% aller Deutschen, die online sind. Private Netzwerkplattformen
erreichen 39%, Fotocommunitys immerhin noch 19% der deutschen Internetnutzer. Diese
Verteilung stimmt mit der Web 2.0-Nutzung von Teenagern und Twens überein, die am häu-
figsten private Netzwerkplattformen, Videoportale und Wikipedia nutzen. Dieser Zusammen-
hang ist evtl. darauf zurückzuführen, dass Personen bis zu einem Alter von 30 Jahren stärker
im Web 2.0 vertreten sind, als ältere Internetnutzer und sich deren Nutzung somit stark in den
allgemeinen Nutzungsstatistiken niederschlägt.
Doch das Web 2.0 kann sehr unterschiedlich genutzt werden. Es ist daher nicht nur interes-
sant, welche Anwendungen von wem genutzt werden, sondern ebenfalls, wie sie genutzt wer-
20
den. So stellte sich durch die Onlinestudie heraus, dass 97% der Wikipedia-Nutzer die Platt-
form ausschließlich zur Informationsbeschaffung nutzen, während lediglich 3% darüber hin-
aus aktiv Beiträge in Wikipedia verfassen oder bearbeiten. Ähnlich stellt es sich auf Multime-
diaplattformen dar. Mit 92% schaut der deutliche Großteil der Nutzer von Multimedia-
plattformen ausschließlich Videos an, 8% haben hingegen selbst bereits Filme eingestellt. Ein
anderer Trend zeigt sich bei Blogs. Während 60% „nur“ Blogs lesen, haben immerhin 40%
darüber hinaus bereits eigene Blogbeiträge verfasst (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2010). Die-
ses Ergebnis macht deutlich, dass Blogs innerhalb von Web 2.0 eine große Bedeutung haben,
da sie eine weitreichende aktive Beteiligung der Web 2.0-Nutzer auf sich vereinen.
Je nach Art und Weise der Nutzung wurden von Gerhards/Klingler/Trump acht Nutzertypen
festgelegt. Es muss jedoch beachtet werden, dass ein Web 2.0-Nutzer mehreren Nutzertypen
angehören kann. Am stärksten verbreitet sind passiv partizipierende Nutzer, das heißt über
zwei Drittel der Web 2.0-Nutzer sind „Unterhaltungs- oder Informationssucher“. Ebenfalls
einen großen Anteil nehmen die „Kommunikatoren“ mit 34% ein, die ihre aktiven Tätigkeiten
hauptsächlich auf das Verfassen von Kommentaren beschränken. Der Nutzertyp „Spezifisch
Interessierte“ wird dann aktiv, wenn es inhaltlich um eine persönliche Angelegenheit geht.
Das heißt 17% nutzen das Web 2.0 aktiv, um bspw. Wissen zu dem letzten Urlaubsziel oder
einer bestimmten Krankheit auszutauschen. „Netzwerker“ nutzen das Web 2.0 aktiv, um an-
dere Menschen kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen. Diesem Nutzertyp gehören
12% der Web 2.0-Nutzer an. Die übrigen drei Nutzertypen zeichnen sich durch eine sehr akti-
ve Partizipation und einen sehr kleinen prozentuellen Anteil aus. So gehören 4% dem Nut-
zungstyp „Selbstdarsteller“ an. Diese Personen nutzen ihre aktiven Partizipationsmöglichkei-
ten im Web 2.0 ausschließlich, um ihre eigene Person darzustellen, bspw. mittels eines priva-
ten Internettagebuchs. Die mit 6% etwas stärker verbreiteten „Produzenten“ haben einen ge-
wissen künstlerischen oder journalistischen Anspruch an ihre veröffentlichten Inhalte. Hierun-
ter fällt zum Beispiel der Amateurfotograf, der auf einer Fotocommunity seine Fotos veröf-
fentlicht. Am aktivsten sind die „Profilierten Nutzer“. Sie schöpfen die Möglichkeit der Mit-
gestaltung im Web 2.0 vollständig aus. Als Beispiel hierfür kann ein Blogger genannt werden,
der intensiv in die Blogosphäre eingebunden ist. Die Profilierten sind zu 7% unter den Web
2.0-Nutzern vertreten (vgl. Gerhards/Klingler/Trump 2008: 139 ff.).
Die Nutzung von Web 2.0 durch Unternehmen
Im internationalen Vergleich schneiden deutsche Unternehmen beim Einsatz von Web 2.0
unterdurchschnittlich ab. So zeigt eine Untersuchung aus dem Jahre 2008, dass nur 5% der
deutschen Unternehmen ein eigenes Blog betreiben, während es international immerhin 32%
sind (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008: 287). Gründe für den vorsichtigen Umgang mit Web 2.0-
Anwendungen in deutschen Unternehmen sind der unklare Nutzen mit 62%, Sicherheitsbe-
denken mit 53%, die fehlende Kontrolle über den Inhalt mit 48% sowie die nicht vorhandene
Unterstützung der Unternehmensleitung mit 30% (vgl. ebd.). Dieses Ergebnis zeigt, dass sich
viele deutsche Unternehmen noch nicht ausführlich mit dem Social Web auseinandergesetzt
haben; ist die fehlende Kontrolle doch in jedem Falle vorhanden, auch wenn ein Unternehmen
21
sich nicht beteiligt. Die eigene Präsenz im Web 2.0 stellt vor allem in Krisen häufig eine gute
Möglichkeit dar, die Meinungsbildung im Web 2.0 aktiv zu beeinflussen.
Die Nutzung von Web 2.0 durch Nichtregierungsorganisationen
Nichtregierungsorganisationen (NGO) engagieren sich oftmals grenzüberschreitend. Daher
beschränken sich die Aussagen über die Nutzung von Web 2.0 durch NGOs nicht nur auf
Deutschland.
Es gibt bisher keine Überblicksstudien zum Umgang von NGOs mit dem Web 2.0. Trotzdem
kann anhand der Ergebnisse von Fallstudien festgehalten werden, dass Aktivisten immer mehr
auf die neuen, partizipativen Möglichkeiten im Web 2.0 zurückgreifen. Am häufigsten setzen
NGOs Blogs ein, um sich an die Öffentlichkeit im Web 2.0 zu richten (vgl. Voss 2008: 238).
Voss stellte im Jahre 2008 fest, dass der Einsatz von Web 2.0 bei NGOs jedoch im Allgemei-
nen bisher nur mäßig verbreitet ist. Sowohl deutsche, als auch amerikanische NGOs vertrauen
bei der Online-Kommunikation eher auf professionelle Webseiten, die nur wenige interaktive,
partizipative Elemente enthalten. Als Gründe hierfür führt der Autor auf, dass erste Versuche
nur auf wenig Resonanz gestoßen sind, der Aufwand der täglichen Betreuung zu hoch ist so-
wie die Angst, dass ältere Zielgruppen, die wichtige Spendergruppen von NGOs sind, über
Web 2.0-Anwendungen nicht erreicht werden (vgl. ebd.: 236 ff.).
Eine Umfrage in diesem Jahr unter 409 Public Relations-Praktikern im Nonprofit-Bereich
ergab, dass lediglich fünf Befragte keine Social Media-Anwendungen einsetzen. Unter den
Praktikern, die den Einsatz bejahten, greifen über die Hälfte auf Netzwerkplattformen zurück
und 48,4% setzen Blogs ein, um ihre Anliegen im Web 2.0 öffentlich zu machen (vgl. Curtis
u.a. 2010: 91). Hier zeigt sich, dass die Bedeutung der Netzwerkplattformen für NGOs in den
letzten beiden Jahren zugenommen hat. Entsprechend der oben angesprochenen Prognose von
Voss bestätigt auch diese Umfrage, dass die allgemeine Bedeutung von Web 2.0 für NGOs
zunimmt. „The results of this study indicate that social media tools are becoming beneficial
methods of communication for public relations practitioners in the nonprofit sector.” (ebd.:
92).
2.4 Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation durch das
Web 2.0
Die in den vorangegangen Unterkapiteln dargestellte theoretische Basis von Unternehmens-
krisen, der strategischen und operativen Krisenkommunikation sowie der neuen Kommunika-
tionsbedingungen durch das Web 2.0, werden nun abschließend zu einer ganzheitlichen Be-
trachtung zusammengeführt. Dieses Unterkapitel soll daher einerseits aufzeigen, inwiefern
das Web 2.0 Unternehmenskrisen hervorrufen kann, andererseits sollen Chancen dargestellt
werden, die sich für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 ergeben.
Durch das Web 2.0 kann sich eine Vielzahl von Personen an Diskussionen beteiligen bzw.
sogar neue Themen auf die öffentliche Agenda setzen (vgl. Unterkapitel 2.3.1). Der Journalist
wird dabei in seiner Funktion als Gatekeeper umgangen. Das heißt, Themen werden von der
22
Öffentlichkeit geschaffen und verbreitet, ohne dass dabei die professionellen Standards, die
Journalisten ihrer Arbeit zugrunde legen, beachtet werden (vgl. Unterkapitel 2.3.2).
Diese Tatsache setzt Unternehmen ganz neuen Gefahren aus. Oftmals sehen sich gerade
Blogger in einer investigativen Funktion und wollen vor allen anderen Krisen aufdecken. Si-
cherlich kommen dadurch Inhalte an die Öffentlichkeit, von denen vor Jahren niemand erfah-
ren hätte. So gelang es ganz aktuell einigen Bloggern, dem, im Frühjahr/Sommer 2010, ohne-
hin krisengeschüttelten Öl- und Energieunternehmen BP, manipulierte Öffentlichkeitsarbeit
nachzuweisen. BP zeigte Mitte Juli 2010 auf der unternehmenseigenen Webseite ein Bild des
für die Ölpest zuständigen Katastrophenzentrums. Wahrscheinlich sollte dieses Foto dazu
beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit, das seit der Explosion der Ölplattform
„Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko im April 2010 und vor allem nach wochenlanger
Unfähigkeit, das ausströmende Öl zu stoppen, zumindest zu einem kleinen Teil zurückzuge-
winnen. Auf dem Bild sind drei Mitarbeiter zu sehen, die zehn Bildschirme beobachten, auf
denen Echtzeit-Bilder aus dem Golf von Mexiko übertragen werden. Jedoch handelte es sich
hierbei nicht um das Originalbild. BP hatte dieses bearbeitet, da im Original nicht alle Bild-
schirme aktiv waren, und kurzerhand bei diesen nachträglich auch ein Bild eingefügt. Auf-
grund der unprofessionellen Bildbearbeitung fiel diese Manipulation einigen Bloggern auf
(vgl. Schultz 2010). Davon abgesehen, dass BP aufgrund des mangelhaften Krisenmanage-
ments von Vorneherein unter besonderer Beobachtung der Blogosphäre steht, ist diese Ereig-
nis beispielhaft dafür, dass das Web 2.0 mittlerweise eine Art Kontrollfunktion übernommen
hat und somit häufig maßgeblich an der Auslösung von Kommunikationskrisen beteiligt ist.
Doch nicht nur die Tatsache, dass durch das Web 2.0 vermehrt kommunikative Krisen entste-
hen können, stellt ein erhöhtes Risiko für Unternehmen dar. Ebenso stehen Unternehmen auf-
grund der schnellen Verbreitung von Informationen im Web 2.0 vor neuen Herausforderun-
gen. Kritik kann im Netz binnen weniger Stunden grenzüberschreitend bekannt werden und
somit zu einer Beschleunigung von Kommunikationskrisen führen. Unternehmen bleibt da-
durch oft weniger Zeit, um kommunikative Maßnahmen zu planen. Dadurch steht die kom-
munikative Krisenbewältigung vor neuen Herausforderungen, die sowohl die strategische als
auch die operative Krisenkommunikation betreffen. Unternehmen müssen sich zielführender
auf diese neuen Gegebenheiten vorbereiten, wodurch die strategische Krisenkommunikation
an Bedeutung gewinnt (vgl. Unterkapitel 2.2.1). Es ist wichtiger denn je, im Vorfeld interne
Hierarchiefragen zu klären. Die Entscheidungsbefugnisse der Kommunikationsverantwortli-
chen müssen transparent und ausreichend sein, um im Falle einer akuten Krise schnell hand-
lungsfähig zu sein. Unstimmigkeiten bei allgemeinen Verantwortlichkeiten können das Un-
ternehmen in Krisenzeiten lähmen und somit zu einer Verzögerung der Kommunikation füh-
ren. Diese Gefahr bestand zwar auch schon, bevor das Web 2.0 existierte, jedoch nimmt die-
ses heute zusätzlich Einfluss auf den weiteren Krisenverlauf. Häufig sind Diskussionen im
Internet darauf ausgelegt mit dem betroffenen Unternehmen in den Dialog zu treten. Werden
diese Forderungen ignoriert, kann dies zu einer weiteren Ausweitung der Kommunikations-
krise führen.
Auf der anderen Seite bringt der Anspruch an eine schnelle Krisenkommunikation weitere
Gefahren mit sich. Unternehmen haben in der operativen Krisenkommunikation weniger Zeit,
23
sich auf die Gegenöffentlichkeit einzustellen. Somit kann es passieren, dass der Zeitdruck,
den das Web 2.0 ausübt, zu kommunikativen Schnellschüssen führt, die im Nachhinein einen
zusätzlichen Schaden anrichten. So zeigte es sich beim Autohersteller Ford, der im Jahre 2009
einhundert ausgewählten amerikanischen Bloggern einen neuen Ford Fiesta, bereits ein halbes
Jahr vor der offiziellen Markteinführung, zum Probefahren zur Verfügung stellte, damit diese
in ihrem Blog darüber berichten. Diese Social Media Kampagne stieß anfänglich auf viel Zu-
stimmung in der Blogosphäre. Doch als von Bloggern im Mittleren Osten Kritik aufkam, weil
nur amerikanische Blogger berücksichtigt wurden, begründete ein Ford Mitarbeiter dies mit
der Aussage, dass der Mittlere Osten digital nicht genügend entwickelt sei, um der Social
Media Kampagne dort einen ähnlichen Erfolg einzubringen. Hiermit wurde der bisherige Er-
folg der Social Media Kampagne mit nur einer Aussage zunichte gemacht. Die Blogger im
mittleren Osten machten durch vermehrte negative Beiträge deutlich, dass sie ebenfalls über
die notwendige Web 2.0-Affinität verfügen (vgl. Eck 2009; thoughtpick 2009). Es zeigt sich
an diesem Beispiel, wie wichtig es ist, die Kommunikationsverantwortlichen vorher klar fest-
zulegen – rhetorisches Geschick ist hierbei eine Grundvoraussetzung. Ebenfalls kann solchen
Pannen zumindest teilweise durch regelmäßige Medientrainings vorgebeugt werden.
Da auch Journalisten sich dem Web 2.0 nicht mehr entziehen können und daher ihre Recher-
chen zum Teil in den digitalen Raum verlagern (vgl. Unterkapitel 2.3.2), bezieht sich die
journalistische Berichterstattung in den traditionellen Medien zum Teil ebenfalls auf die
Themen im Internet. Damit wird ein Unternehmen über kurz oder lang wahrscheinlich sowohl
im Netz als auch in den Massenmedien mit der Krise konfrontiert. Durch ein langfristig ange-
legtes Beziehungsmanagement sollten daher Kontakte zu Journalisten gepflegt werden, damit
im akuten Krisenfall darauf zurückgegriffen werden kann. Evtl. bietet sich dem betroffenen
Unternehmen unter diesen Voraussetzungen die Chance, ein persönliches Gespräch mit be-
stimmten Journalisten zu führen, um die eigene Sicht der Dinge zu vermitteln, oder aber auch
frühzeitig Fehler einzugestehen. Somit kann das Unternehmen auch außerhalb des Netzes
schnell reagieren, muss aber auch hier stets darauf achten, dass die Wahrheit kommuniziert
wird. Informationen müssen, sowohl im Web 2.0 als auch außerhalb des digitalen Raumes,
nicht von Anfang an vollständig sein, aber sie müssen den Tatsachen entsprechen (vgl. Unter-
kapitel 2.2.1).
Eine besondere Gefahr stellen ökologische Themen dar. Aufgrund der starken Emotionalisie-
rung dieser Inhalte eignet sich das Web 2.0 hier besonders, um eine Vielzahl von Menschen
innerhalb kürzester Zeit zu erreichen (vgl. Unterkapitel 2.1.2), für ein bestimmtes Umwelt-
thema zu sensibilisieren und damit einen digitalen Protest auszulösen. Kritische Teilöffent-
lichkeiten können damit ein lokales zu einem globalen Ereignis machen (vgl. Wimmer 2008:
217) und ein Unternehmen damit sehr viel stärker unter Druck setzen, als dies ohne Web 2.0
möglich war. „Der Kampf der Kleinen gegen die Großen scheint eine neue Waffe bekommen
zu haben“ (Voss 2008: 232).
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Angriffsfläche der Unternehmen durch das
Web 2.0 deutlich vergrößert hat. Unternehmen können sehr viel schneller und unvorhersehba-
rer in eine Krisensituation gelangen und einer großen öffentlichen Diskussion machtlos ge-
genüber stehen, vor allem wenn im Vorfeld nicht genügend Zeit und auch Kosten in die Vor-
24
bereitung auf mögliche Krisen investiert wurde.
Doch das Web 2.0 kann für die Krisenkommunikation auch bereichernd sein und neue Chan-
cen bieten. Krisen sind oft nicht wirklich überraschend, sondern eher eine Zuspitzung eines
bestehenden Problems (vgl. Möhrle 2004a: 15). Oft sind sich Unternehmen dieser bestehen-
den Probleme selbst nicht bewusst. Die vorzeitige öffentliche Diskussion und Anbahnung von
kritischen Themen im Web 2.0 kann ein Unternehmen daher zum eigenen Vorteil nutzen,
indem es gezielt Issue-Monitoring im Internet betreibt. Es ergibt sich damit die Möglichkeit,
frühzeitig Kenntnis über die öffentliche Meinung zu erhalten um im zweiten Schritt mit Kriti-
kern in den Dialog zu treten und proaktiv an den öffentlichen Diskussionen teilzunehmen.
Diese proaktive Haltung empfiehlt sich jedoch nicht nur, wenn sich im Web 2.0 bereits Krisen
abzeichnen. Vielmehr sollten Unternehmen laufend im Web 2.0 aktiv sein und damit die öf-
fentliche Plattform einsetzen, um den Dialog mit Web 2.0-Nutzern aufzubauen. Der offene
Umgang mit dem Web 2.0 und die Bereitschaft, in direkten Kontakt zu treten, kann zu einer
Steigerung des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit gegenüber dem Unternehmen führen.
So zeigte es sich im Jahre 2006 beim Computer-Hardware-Hersteller Dell, dass ein Corporate
Blog, wenn es auch erst wenige Wochen zuvor in Betrieb genommen wurde, für die Kommu-
nikation in der Krise hilfreich sein kann. Akkubrände in Dell-Produkten machten für das Un-
ternehmen eine Rückrufaktion unumgänglich. Produktfehler zählen zu den Hauptursachen für
Unternehmenskrisen (vgl. Unterkapitel 2.1.2), da sie oftmals direkten Einfluss auf die Reputa-
tion des Unternehmens nehmen. Dell reagierte jedoch sofort und trat, noch bevor die Rück-
rufseite mit detaillierten Kundeninformationen online ging, über sein Coporate Blog proaktiv
mit Kunden und Kritikern in den Dialog. Ein verantwortlicher Manager verfasste Beiträge
und reagierte umgehend auf Fragen und Kritik. Durch diese offensive Kommunikationsstrate-
gie konnte der Vertrauensverlust teilweise abgefedert werden.
Dieses Beispiel ist besonders interessant, da es nicht nur im Bereich „best practice“ eingeord-
net werden kann, sondern gleichzeitig offensichtlich macht, dass das Web 2.0 selten ohne
Probleme kurzfristig eingesetzt werden kann. Denn als das Blog nur wenige Wochen vor den
Akkubränden online ging, zeigte sich, dass im Vorfeld nicht auf alle Details geachtet wurde.
Wollte Dell durch den Blog-Name „one2one“ doch eigentlich nur die dialogorientierten Ab-
sichten deutlich machen, erntete das Unternehmen sehr bald Spot im Internet, da eine bekann-
te amerikanische Pornographie-Webseite ähnlich heißt (vgl. Pleil 2006). Diese anfänglichen
Schwierigkeiten zeigen, dass die Installation eines Blogs während einer Krise im schlechtes-
ten Fall zusätzliches Krisenpotenzial liefern kann. Es wird deutlich, dass sich Unternehmen in
„ruhigen“ Zeiten ihren Maßnahmen im Web 2.0 zuwenden und sie ohne Zeitdruck planen
sollten. Passieren trotzdem anfängliche Fehler, sind diese außerhalb einer Krise sehr viel ein-
facher in den Griff zu bekommen.
Abschließend kann man sagen, Unternehmen sollte bewusst sein, dass Diskussionen im Web
2.0 stattfinden, unabhängig davon, ob das Unternehmen dort selbst präsent ist oder nicht. Da-
her scheint es zukünftig für Unternehmen unumgänglich zu sein, sich langfristig mit dem
Web 2.0 auseinanderzusetzen und dessen Regeln kennenzulernen, um Kommunikationskrisen
ganzheitlich und erfolgversprechend bearbeiten zu können.
25
3. Empirische Analyse: Greenpeace vs. Nestlé
Im vorangegangenen Kapitel wurde ausführlich auf die theoretischen Grundzüge von Unter-
nehmenskrisen und die kommunikative Krisenbewältigung eingegangen. Außerdem wurden
die Besonderheiten von Web 2.0 für die unternehmerische Krisenkommunikation vorgestellt,
um abschließend einen ganzheitlichen Rahmen um die theoretischen Erkenntnisse zu spannen
und daraus Chancen und Risiken für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das
Web 2.0 abzuleiten.
Darauf basierend wird im Folgenden das Fallbeispiel Greenpeace vs. Nestlé empirisch unter-
sucht.
3.1 Einordnung der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé
Im März dieses Jahres startete die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine Web 2.0 Kam-
pagne gegen den Lebensmittelkonzern Nestlé. Greenpeace verfolgte damit das Ziel, die öf-
fentliche Aufmerksamkeit auf die Regenwaldzerstörung zum Anbau von Palmölplantagen in
Indonesien zu lenken und Nestlé dadurch dazu zu bewegen, Verträge mit dem umstrittenen
Palmöllieferanten Sinar Mas zu kündigen. Die Unternehmen Kraft und Unilever hatten bereits
vorzeitig eingelenkt und die Verträge mit entsprechenden Lieferanten gekündigt. Nach eige-
nen Angaben stand Greenpeace bereits seit längerer Zeit in Verhandlungen mit Nestlé, die aus
Sicht der Umweltschutzorganisation jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis führten (vgl.
Euler 2010).
Es werden im Folgenden die beiden beteiligten Akteure der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne
vorgestellt, bevor die Relevanz der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne für diese Fallstudie auf-
gezeigt wird.
3.1.1 Die beteiligten Akteure
Im folgenden Abschnitt werden die beiden Akteure vorgestellt, die direkt an der Kampagne
beteiligt waren.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wurde im Jahre 1971 zum Schutz der Lebens-
grundlagen gegründet. Die Organisation hat ihren Hauptsitz in Amsterdam und ist in 40 Län-
dern vertreten. Nach eigenen Angaben hat Greenpeace 2,74 Millionen Fördermitglieder welt-
weit und beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter, davon 206 in Deutschland (vgl. Greenpeace
2007).
Greenpeace engagiert sich in vielen verschiedenen Bereichen für den Umweltschutz, bspw.
für den Atomausstieg, Wälder und Meere. Die Organisation finanziert sich ausschließlich aus
Spendengeldern, um von der Industrie und dem Staat unabhängig handeln zu können (vgl.
ebd.).
26
Die Umweltschutzorganisation verfolgt mit ihrer Arbeit die Strategie, eine direkte Konfronta-
tion mit ihren Gegnern einzugehen, dabei jedoch immer nach dem Prinzip der Gewaltfreiheit
zu handeln. Greenpeace folgt dem Motto „Taten statt warten“ und setzt dies durch riskante,
aufsehenerregende Aktionen um, die meistens ganz gezielt für die Medien inszeniert werden
(vgl. Puttenat 2009: 97).
Der Umweltschutzorganisation kommt bei ihrer Arbeit zugute, dass ihr ein weitaus größeres
Vorausvertrauen bei den Medien und in der Öffentlichkeit entgegengebracht wird, als ihren
Konfliktgegnern aus der Wirtschaft oder der Industrie (vgl. Hecker 1997: 71 ff.).
Greenpeace Deutschland konnte im Jahre 1995 die bisher größte öffentliche Aufmerksamkeit
verzeichnen: Nach monatelangen öffentlichen und medialen Auseinandersetzungen gelang es
Greenpeace, dass der Energiekonzern Shell auf die Versenkung der Ölplattform Brent Spar
verzichtete. Jedoch stellte sich im Nachhinein durch ein neutrales Gutachten heraus, dass
nicht, wie von Greenpeace während der Kampagne behauptet, 5.000 Tonnen Öl mit der Öl-
plattform versenkt worden wären, sondern höchstens 103 Tonnen Öl (vgl. ebd.: 122).
Das Unternehmen Nestlé
Nestlé wurde im Jahre 1866 von dem Schweizer Henry Nestlé gegründet und entwickelte sich
seither zum größten Lebensmittelkonzern weltweit. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen
280.000 Mitarbeiter in 83 Ländern und erwirtschaftete im Jahre 2009 einen Jahresumsatz von
108 Milliarden Schweizer Franken.
In den vergangenen Jahren war der Konzern schon des Öfteren von Krisen betroffen. So wur-
de Nestlé in den 1970er und 1980er Jahren heftig für die Vermarktung von Milchersatz-
Produkten in Entwicklungsländern kritisiert. Nestlé verkaufte Müttern in der Dritten Welt das
Produkt Lactogen, auch wenn diese eigentlich selbst stillen konnten. Aufgrund von Hygiene-
mängeln endete der Einsatz von Lactogen in Entwicklungsländern für viele Babys tödlich.
Der Versuch des Konzerns, gegen das hierzu veröffentlichte Buch „Nestlé tötet Babys“ ge-
richtlich vorzugehen, schlug fehl. Die Herausgeber des Buches, bekamen zwar eine Strafe
wegen „übler Nachrede“, Nestlé wurde jedoch gerichtlich ermahnt, seine Marketingstrategien
zukünftig zu überdenken (vgl. o.V. 1976).
Nestlé Deutschland, worauf sich die folgende empirische Untersuchung konzentrieren wird,
konnte im Jahre 2009 einen Jahresumsatz von 3.438 Millionen Euro verzeichnen und beschäf-
tigt zurzeit etwa 12.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen ist in den Bereichen Getränke, Milch-
/Diätetikprodukte/Speiseeis, Fertiggerichte und Produkte für die Küche, Tiernahrung sowie
Schokolade und Süßwaren tätig. Mit 44,7% stellen Fertiggerichte und Produkte für die Küche
den größten Anteil am Umsatz dar. Bekannte Marken von Nestlé sind bspw. Maggi, Nescafé,
KitKat und Mövenpick.
Nestlé Deutschland wurde im Jahre 1998 in der Öffentlichkeit stark kritisiert, weil der Scho-
koriegel Butterfinger mit gentechnisch verändertem US-Mais auf dem deutschen Markt einge-
führt wurde. Ausgelöst wurde die Kritik von Verbraucherschützern und der Umweltschutzor-
ganisation Greenpeace. Letztendlich konnte ein Jahr später die Einstellung des Direktvertriebs
in Deutschland bewirkt werden (vgl. Busch 1999).
27
3.1.2 Relevanz der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé
Am 17. März 2010 veröffentlichte Greenpeace im Internet ein Video mit dem Titel „Give the
Orang-Utan a break“, welches im ersten Moment an einen Werbespot für den Schokoriegel
KitKat von Nestlé erinnerte. Nicht alleine die Tatsache, dass sich der Schokoriegel als ein
Orang-Utan-Finger entpuppt, sondern vielmehr das unangenehme Geräusch und das spritzen-
de Blut, als der Mann hinein beißt, brachte dem Video eine virale Verbreitung im Web 2.0
ein.
Nestlé veröffentlichte noch am selben Tag eine Stellungnahme auf der unternehmenseigenen
Webseite (vgl. Nestlé 2010) und ließ das Video aufgrund von Copyright-Verletzungen bei
YouTube entfernen. Entsprechend der Mechanismen von Web 2.0 führte diese versuchte Zen-
sur zu einer noch größeren Aufmerksamkeit und einer noch stärkeren Verbreitung des Videos.
Bereits am selben Tag beschäftigten sich verschiedene Blogger mit dem Thema Greenpeace
vs. Nestlé.
Auf der offiziellen Nestlé-Fanseite auf Facebook waren zwischenzeitlich zahlreiche negative
Kommentare zu finden. Viele der Nutzer hatten hierfür das KitKat-Logo in ein „Killer“-Logo
abgewandelt und dieses als Profilfoto hinterlegt. Am 19. März 2010 kündigte ein Nestlé Mit-
arbeiter auf der Nestlé-Fanseite von Facebook an, dass alle Kommentare von Personen mit
„Killer“-Profilbildern entfernt werden. Ein weiteres Mal wollte Nestlé im Web 2.0 zensieren,
ein weiteres Mal bewirkte dies das Gegenteil – die Anzahl der „Killer“-Profilbilder verviel-
fachten sich schlagartig. Die weitere Aussage des Nestlé Mitarbeiters, dass dies hier die Nest-
lé-Seite sei und daher die Regeln von Nestlé gelten, verschlimmerte die Situation auf
Facebook zusätzlich. Doch nicht nur die Nestlé-Fanseite war ein Anlaufpunkt für Aktivisten,
auch die KitKat-Fanseite auf Facebook wurde von negativen Kommentaren überflutet, wo-
raufhin diese noch am 19. März 2010 offline ging und nicht nur für die Gegner, sondern auch
für die bereits zuvor vorhandenen 750.000 Fans nicht mehr zu erreichen war. Es wird davon
ausgegangen, dass diese vorübergehende Abschaltung der KitKat-Fanseite ebenfalls von
Nestlé ausging, was aber nicht offiziell bestätigt wurde (vgl. Hein 2010; Hillenbrand 2010).
Ebenfalls am 19. März 2010 setzte Nestlé auf die unternehmenseigenen Webseite einen
Hyperlink auf einen Bericht des Guardian, in dem Nestlé eine Überarbeitung der Bezugskette
von Palmöl ankündigte was konkret bedeutet, dass spätestens ab 2015 nur noch nachhaltig
angebautes Palmöl verwendet werden soll (vgl. Tabacek 2010).
Die Aufmerksamkeit gegenüber der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Web 2.0 ging weit
über die oben beschriebenen Inhalte hinaus und kann in ihrem Ausmaß hier nicht vollständig
abgebildet werden. Die vorangegangene Beschreibung, die sich lediglich auf die ersten drei
Tage nach Veröffentlichung des Videos „Give the Orang-Utan a break“ bezieht, macht jedoch
bereits die Dynamik im Web 2.0 deutlich. Dieses Beispiel zeigt zugleich die Chancen und
Gefahren von Web 2.0 auf. Während die Umweltschutzorganisation Greenpeace die Dynamik
von Web 2.0 ausnutzen konnte, um die eigenen Ziele zu verfolgen, befindet sich Nestlé in
einer im Web 2.0 ausgelösten und beschleunigten Kommunikationskrise, die auch über des-
sen Grenzen hinaus Aufmerksamkeit erfährt.
Im Folgenden wird daher dieses aktuelle Praxisbeispiel genauer analysiert, um die Gefahren,
28
aber auch die Chancen von Web 2.0 für die Unternehmenskommunikation offenzulegen.
3.2 Hintergründe der Leitfadeninterviews
Es stehen vier Experten für die Leitfadeninterviews im Rahmen dieser empirischen Untersu-
chung zur Verfügung. Im Folgenden werde diese kurz vorgestellt, bevor detailliert aufgezeigt
wird, welche Themenschwerpunkte die Leitfadeninterviews beinhalten und welche Ziele da-
mit verfolgt werden.
3.2.1 Die Vorstellung der Experten der Leitfadeninterviews
Volker Gaßner ist Teamleiter für die Bereiche Presse, Recherche und Neue Medien bei
Greenpeace in Hamburg. Seine täglichen Aufgaben bei Greenpeace konzentrieren sich damit
sowohl auf die Zusammenarbeit mit Journalisten, als auch auf Aktivitäten im Social Web.
Gaßner ist außerdem in die allgemeine Kampagnenplanung und -durchführung involviert. Vor
allem in die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne war er aufgrund seiner Zuständigkeit für den
Bereich Neue Medien stark einbezogen.
Jan Haase ist Pressesprecher und Internetredakteur bei Greenpeace in Hamburg und erlebte
die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne daher in einer Doppelfunktion. Neben seinen klassi-
schen Aufgaben als Pressesprecher übernahm er im Rahmen der Kampagne die Bearbeitung
der Online-Medienkontakte. Hierzu gehörten hauptsächlich Blogger, aber auch verschiedene
Internetmedien (vgl. Haase 2010: Frage 1).
Des Weiteren steht Olaf Kolbrück für ein Leitfadeninterview zur Verfügung. Der Journalist
und Social Media Experte ist Reporter für die Bereiche Internet und E-Business bei Horizont
in Frankfurt und betreut das dazugehörige Blog Off the Record. Kolbrück hatte sich als einer
der ersten Blogger bereits am 17. März 2010, dem Tag der Videoveröffentlichung, zu der
Kampagne geäußert. In einem weiteren Blogbeitrag am 23. März kritisierte Kolbrück die
Kommunikationspolitik von Nestlé und betonte, dass der Konzern im Zusammenhang mit
dem Schockvideo und Facebook nahezu alles falsch mache, was man nur falsch machen kann
(vgl. Kolbrück 2010).
Außerdem konnte der Social Media Experte Mirko Lange, der selbst in der Blogosphäre so-
wie in anderen Bereichen, wie bspw. Twitter sehr aktiv ist, für ein Leitfadengespräch gewon-
nen werden. Lange leitet eine PR-Agentur in München, die auf die Vernetzung von klassi-
scher PR und Social Media spezialisiert ist. Darüber hinaus ist Lange Chefredakteur bei PR-
Guide.de, dem Internetauftritt der GPRA – Verband der führenden PR-Agenturen Deutsch-
lands – und Dozent an der bayerischen Akademie für Werbung. Mirko Lange hatte sich auf
seinem Blog talkabout‟s posterous vier Tage nach Veröffentlichung des Videos „Give the
Orang-Utan a break“ kritisch zu Wort gemeldet. Unter der Überschrift „Greenpeace vs. Nestlé
– gerechter Kampf um die Sache oder Propaganda ohne Rücksicht auf Verluste?“ wies Lange
in seinem Beitrag auf seine Sorge hin, dass die seither „Ohn-Mächtigen anfangen, Macht zu
missbrauchen“ (vgl. Lange 2010). Der Blogger löste damit im Web 2.0 heftige Diskussionen
über das Pro und Kontra seiner Sichtweise aus. Alleine dieser Beitrag wurde 87 Mal kom-
29
mentiert, wobei 21 Kommentare davon von Mirko Lange stammen, der hier aktiv den Dialog
mit Kritikern und Befürwortern suchte.
Darüber hinaus wurde außerdem ein Leitfadeninterview mit einem Kommunikationsverant-
wortlichen von Nestlé angestrebt. Nestlé Deutschland leitete die Anfrage an den Hauptsitz im
schweizerischen Vevey weiter, dort hat man das Leitfadeninterview nach einigen Wochen
jedoch aufgrund „der Fülle anderweitiger Anfragen und Projekte“ abgelehnt.
Ebenfalls wurde die Anfrage bei Unilever abgelehnt. Greenpeace hatte im Jahre 2008 bereits
einen Werbespot des Unilever Produkts Dove parodiert, um darauf aufmerksam zu machen,
dass Dove Palmöl enthält, für dessen Anbau Regenwald abgeholzt wird – jedoch nicht mit
einem viralen Effekt, der mit dem Ausmaß der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne vergleichbar
ist. Ein Gespräch mit einem Kommunikationsverantwortlichen aus dem Hause Unilever, um
Genaueres über deren kommunikative Maßnahmen zu erfahren, wäre in diesem Zusammen-
hang von großem Interesse gewesen.
3.2.2 Die Themenschwerpunkte und Ziele der Leitfadeninterviews
Die Themenschwerpunkte der Leitfadeninterviews lassen sich in zwei Blöcke einteilen. Wäh-
rend Gaßner und Haase ihre Einschätzungen zum Web 2.0 aus der Perspektive von Green-
peace abgeben, sollen die Gespräche mit Kolbrück und Lange einerseits Erkenntnisse zu der
Außenwahrnehmung der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne bringen, darüber hinaus jedoch
allgemeine Herausforderungen für Unternehmen durch das Web 2.0 aufzeigen.
Die folgende Abbildung zeigt auf, wie sich die Themenschwerpunkte der Leitfadeninterviews
in zwei Blöcke aufteilen lassen.
Abbildung 1: Themenschwerpunkte der Leitfadeninterviews
Quelle: Eigene Darstellung
Experten
Themenschwerpunkte
- Volker Gaßner/Teamleitung Presse,
Recherche und Neue Medien bei
Greenpeace
- Jan Haase/Pressesprecher und Inter-
netredakteur bei Greenpeace e.V.
1. Chancen und Risiken von Web 2.0 für die
Arbeit von Greenpeace
2. Bedeutung des klassischen Journalismus für
die Arbeit von Greenpeace
3. Intensionen, Ziele und Strategien der
Greenpeace vs. Nestlé Kampagne
- Mirko Lange/Social Media Experte
und Blogger
- Olaf Kolbrück/Social Media Experte
und Blogger
1. Chancen und Risiken für Unternehmen
durch das Web 2.0
2. Bewertung und Einordnung der Web 2.0
Kampagne Greenpeace vs. Nestlé
3. Zukünftige Bedeutung von Web 2.0 für
Unternehmen
30
Die beiden Greenpeace Mitarbeiter haben im Arbeitsalltag einerseits Kontakt zu Journalisten,
bewegen sich jedoch auf der anderen Seite im Web 2.0 und stellen dort den direkten Kontakt
zur Öffentlichkeit her. Es soll daher im Leitfadeninterview mit den Greenpeace Mitarbeitern
zu Beginn geklärt werden, wie die Bedeutung von Web 2.0 im Allgemeinen für die tägliche
Arbeit von Greenpeace eingeschätzt wird, welche Gefahren und Chancen die Experten durch
das Web 2.0 für Greenpeace sehen und wie sie diese beurteilen. Das Ziel dieses Themen-
schwerpunktes ist es, ein detailliertes Bild davon zu erhalten, wie Greenpeace sich im Web
2.0 bewegt und welche Einsatzmöglichkeiten von Web 2.0 gesehen werden. Darüber hinaus
ist es von Interesse, ob und wenn ja, inwiefern sich die Zusammenarbeit von Greenpeace mit
Journalisten durch das Web 2.0 verändert hat. Hieraus soll sich später eine Aussage darüber
ableiten lassen, ob die journalistische Arbeit bzw. die traditionellen Medien durch die direkten
Kontaktmöglichkeiten im Web 2.0 an Bedeutung verloren haben. Danach soll die Greenpeace
vs. Nestlé Kampagne in den Fokus des Leitfadeninterviews rücken. Hierbei interessieren im
Gespräch mit den Experten von Greenpeace vor allem die Hintergründe und Intensionen der
Kampagne. Es soll geklärt werden, warum man Nestlé als Gegner der Kampagne ausgewählt
hat, welche genaue Zielsetzung dahinter stand und ob im Vorfeld mit einer solchen Dynamik
im Web 2.0 gerechnet wurde.
Der zweite dargestellte Themenblock soll durch die Leitfadeninterviews mit Kolbrück und
Lange abgedeckt werden.
Durch ihre tägliche Arbeit im und mit dem Web 2.0 haben sich die beiden Blogger eingehend
mit der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne auseinandergesetzt und sollen diese im Rahmen
ihres allgemeinen Wissens über die Mechanismen von Web 2.0 einordnen und bewerten.
Auch hier soll jedoch die allgemeine Einschätzung der Bedeutung von Web 2.0 die Grundlage
des Gesprächs bilden. Es wird dabei besonderes Augenmerk auf die Chancen und Gefahren
von Web 2.0 für Unternehmen gelegt. Darüber hinaus ist von Interesse, wie die Social Media
Experten die Entstehung von unternehmerischen Kommunikationskrisen durch das Web 2.0
beurteilen. Daraus ergibt sich des Weiteren die Frage, ob große Unternehmen mit straffen
Hierarchien der Geschwindigkeit im Web 2.0 überhaupt gewachsen sein können und wenn ja,
welche Maßnahmen sich anbieten, um auf Kritik im Web 2.0 zu reagieren. Danach sollen die
Social Media Experten eine Beurteilung der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne abgeben. Diese
soll aus verschiedenen Blickwinkeln gefällt werden. Zum einen geht es dabei um die Umset-
zung der Kampagne seitens Greenpeace und ob diese als erfolgreich bezeichnet werden kann,
zum anderen sollen die Blogger die Reaktionen von Nestlé bewerten und aufzeigen, welche
Ursachen diesen Reaktionen zugrunde liegen könnten. Zuletzt soll im Gespräch mit den Soci-
al Media Experten geklärt werden, welche zukünftigen Herausforderungen sie für Unterneh-
men durch das Web 2.0 sehen.
3.3 Darstellung und Bewertung der Ergebnisse aus den Leitfadeninterviews
In diesem Unterkapitel werden die Ergebnisse der Leitfadeninterviews aufgezeigt und inter-
pretiert. Als Einstieg wird aufgezeigt, wie Greenpeace das Web 2.0 nutzt und welche Gefah-
ren und Chancen die Greenpeace Mitarbeiter durch das Web 2.0 für ihre tägliche Arbeit se-
31
hen. Im nächsten Schritt wird erläutert, welche Gefahren und Chancen die Experten ganz all-
gemein durch das Web 2.0 für die unternehmerische Krisenkommunikation sehen, um ab-
schließend auf Basis der vorangegangen Darstellungen die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne
zu analysieren.
3.3.1 Greenpeace im Web 2.0
Greenpeace ist inzwischen seit drei Jahren erfolgreich im Web 2.0 tätig und ist damit nicht
mehr nur – wie zuvor – Sender, sondern nimmt aktiv den Dialog mit den Nutzern im Web 2.0
auf. Die Umweltschutzorganisation hat sich in den letzten Jahren viele Kanäle auf fremden
Communitys aufgebaut, die erfolgreich mit Kampagnen bestückt werden (vgl. Gaßner 2010:
Frage 1; Frage 2). Auch die Gegner von Greenpeace, oftmals große Unternehmen, sind zum
Teil sehr gut im Web 2.0 aufgestellt und bedienen verschiedene Web 2.0 Kanäle. Allerdings
sieht Gaßner bei den Unternehmen ein anderes Verständnis von Web 2.0. Häufig sehen Un-
ternehmen Social Media als reinen Marketingkanal, auf dem keine Kritik und kein Dialog
gewünscht ist (vgl. ebd.: Frage 5). Greenpeace kann daher durch das dialogorientierte Auftre-
ten im Web 2.0 viele Sympathien für sich gewinnen, während die Gegner durch ihre fehler-
hafte Auffassung von Web 2.0 oftmals keine Beziehung zu ihrer Zielgruppe aufbauen können.
Gefahren von Web 2.0 kann Greenpeace für den Arbeitsalltag nicht erkennen. Gaßner betont
in diesem Zusammenhang, dass Greenpeace durch das Web 2.0 sofort eine Rückmeldung
bekomme, wenn eine Aktion in der Öffentlichkeit nicht so gut ankommt, ebenso äußern die
direkten Kampagnengegner häufig ihre Meinung auf den Web 2.0 Kanälen von Greenpeace.
Dies sieht Gaßner jedoch nicht als eine Gefahr von Web 2.0, sondern als eine Herausforde-
rung, die in erster Linie daraus besteht, genügend Ressourcen zur Verfügung zu haben, um
die eigene Meinung im Web 2.0 in ausreichendem Maße mit den Nutzern zu diskutieren (vgl.
ebd.: Frage 4). Greenpeace schreckt also nicht vor Kritik im Web 2.0 zurück, sondern zeigt
Interesse an den Meinungen im Web 2.0, um dann ganz bewusst auf den eigenen Kanälen
Einfluss nehmen zu können. Dieser Ansatz von Greenpeace, den Dialog im Web 2.0 proaktiv
und dauerhaft zu suchen, zeigt, dass die Umweltschutzorganisation die Mechanismen von
Web 2.0 verstanden hat und gut für die eigenen Ziele einsetzt. Im optimalen Fall gelingt es
Greenpeace sogar, durch diese offene Haltung das öffentliche Vertrauen und die Glaubwür-
digkeit gegenüber Greenpeace zusätzlich zu stärken (vgl. Unterkapitel 2.2.1; Unterkapitel
2.4).
Einen Bedeutungsverlust der Zusammenarbeit mit Journalisten können die beiden Mitarbeiter
von Greenpeace nicht bestätigen. Vielmehr sehen sie inzwischen deutliche Überschneidungen
zwischen klassischem Journalismus und dem Web 2.0. So beschreibt Gaßner, dass sich viele
Journalisten über das Web 2.0 vorab informieren, um Greenpeace dann ganz gezielt auf be-
stimmte Aktionen anzusprechen (vgl. Gaßner 2010: Frage 6). Die Menschen benötigen nach
wie vor jemanden, der eine Filterfunktion übernimmt und Hintergründe vermittelt, „das kann
der Journalismus manchmal deutlich besser schaffen als ein Blogbetreiber“ (ebd: Frage 7).
Darüber hinaus hält Haase fest, dass vor allem auf große Unternehmen über die Medien deut-
lich mehr Druck ausgeübt werden könne als im Web 2.0 und daher die Zusammenarbeit mit
32
Journalisten durchaus wichtig sei (vgl. Haase 2010: Frage 11).
Die Möglichkeit, über Journalisten eine große Öffentlichkeit zu erreichen, hat also für Green-
peace nach wie vor große Bedeutung. Allerdings wird durch die Aussagen der Greenpeace
Mitarbeiter deutlich, dass sich die Recherchegewohnheiten der Journalisten verändert haben.
Sobald Informationen erfolgreich im Web 2.0 verbreitet werden, wecken diese auch die Auf-
merksamkeit von Journalisten. Dadurch ist der Journalist nach wie vor Gatekeeper, orientiert
sich bei der Auswahl von Themen jedoch teilweise an Quellen im Web 2.0. Dadurch werden
Informationen aus dem Web 2.0 in die klassischen Medien übertragen und schlagen sich in
deren Inhalten nieder. Dies entspricht den theoretischen Erkenntnissen, dass sich Journalisten
immer mehr im Web 2.0 bewegen und dieses in ihren Arbeitsalltag integrieren (vgl. Unterka-
pitel 2.3.2).
3.3.2 Unternehmen im Web 2.0
Grundsätzlich sollte allen Unternehmen bewusst sein, dass es nicht möglich ist, sich Social
Media zu entziehen, da „Nutzer sich in den Kanälen ohnehin über die Marke unterhalten,
sprich der Kontrollverlust findet statt, ob mit oder ohne Unternehmen“ (Kolbrück 2010: Frage
4). Das heißt, ein Unternehmen kann zwar entscheiden, ob es selbst an den Diskussionen teil-
nehmen möchte, hat darüber hinaus aber nicht die Möglichkeit, durch bewusstes Fernbleiben
diese Diskussionen zu verhindern.
Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits angesprochen, dass viele Unternehmen das
Web 2.0 als reinen Marketingkanal sehen, auf dem kein Dialog angestrebt wird. Lange betont
jedoch, dass gerade der Dialog im Web 2.0 für Unternehmen eine Möglichkeit darstellt, sehr
schnell und sehr früh ein Feedback der Öffentlichkeit zu erhalten und darauf reagieren zu
können (vgl. Lange 2010: Frage 3). Denn im Web 2.0 geschieht genau das, was vorher bereits
in kleinerem Rahmen vorhanden war. Menschen reden miteinander und tauschen sich aus.
Allerdings findet dies im Web 2.0 nun öffentlich statt, das heißt jeder Web 2.0-Nutzer kann
zuhören und seine eigene Meinung einbringen. Außerdem können durch die Dokumentation
im Web 2.0 Inhalte auch Jahre später noch gefunden werden (vgl. ebd.: Frage 2). Dadurch
muss die Kommunikation von Unternehmen im Web 2.0 vorsichtig und zukunftsorientiert
stattfinden. Hält sich ein Unternehmen nicht an Aussagen, die im Web 2.0 gemacht wurden,
so wird dies eher öffentlich, als es in Zeiten ohne das Web 2.0 der Fall war, da eine Vielzahl
von Menschen Zeugen der Aussagen sind und diese über einen langen Zeitraum hinweg zu-
rück verfolgen können. Dadurch entsteht eine Transparenz, die Unternehmen vor neue Her-
ausforderungen stellt. Jedes Fehlverhalten kann im Web 2.0 sehr schnell Mittelpunkt einer
öffentlichen Diskussion werden. Lange sieht daher den spannendsten Punkt von Social Media
darin, „dass Social Media Unternehmen zwingt, besser zu werden“ (ebd.).
Ein weiteres Problem, das häufig auftritt, wenn Unternehmen sich unvorbereitet im Web 2.0
bewegen, ist die Missachtung bestimmter Spielregeln. Unternehmen müssen sich auf das Web
2.0 einstellen, müssen wissen, welche Regeln vorherrschen und was dort von ihnen erwartet
wird. Kolbrück erklärt dies am Beispiel eines Kundengesprächs. Findet dieses in einer Kneipe
statt, in der nur Mitglieder der Hells Angels sitzen, sollte der Termin nicht im Anzug wahrge-
33
nommen werden (vgl. Kolbrück 2010: Frage 4). Ein Unternehmen muss sich also auf die Ge-
gebenheiten und Mechanismen von Web 2.0 einstellen, bevor es dort aktiv wird, um somit
Missverständnissen und Kritik vorzubeugen.
Ein weiteres Risiko betrifft vor allem große Unternehmen. Oftmals herrschen bei diesen straf-
fe Hierarchien vor, die die Kommunikation des Unternehmens besonders in Krisensituationen
lähmen können. Als Basis für eine erfolgreiche Kommunikation im Web 2.0, sollte jedoch
erstens eine Unternehmenskultur vorhanden sein, die die Wichtigkeit der Gespräche mit den
Nutzern im Web 2.0 anerkennt, zweitens muss sichergestellt werden, „dass die internen Hie-
rarchien im Unternehmen so strukturiert werden, dass sie einen relativ schnellen Dialog er-
möglichen“ (ebd.: Frage 6). Durch die Erfüllung dieser beiden Punkte ergibt sich für die Un-
ternehmen die Möglichkeit, das Web 2.0 nicht nur als Absatz- und Marketingplattform zu
nutzen, sondern vom Web 2.0, in seiner eigentlichen Form, als Dialogplattform Gebrauch zu
machen. Jedoch ist dies für große Unternehmen nicht einfach zu verwirklichen, da durch das
Web 2.0 eine Kommunikationsgeschwindigkeit gefordert wird, die über die normale Reakti-
onszeit des Unternehmens hinausgeht. So verweist Kolbrück in diesem Zusammenhang da-
rauf, dass klassische PR-Statements oftmals von mehreren Gremien und Managementebenen
freigegeben werden müssen (vgl. ebd.). Dadurch entsteht für das Unternehmen im Web 2.0
eine kommunikative Handlungsunfähigkeit, die die Diskussionen im Web 2.0 noch zusätzlich
ausweiten könnte. Um dieser Gefahr vorzubeugen, müssen in den Unternehmen flache Hie-
rarchien und Entscheidungsebenen geschaffen werden, die zumindest eine erste, kurze Reak-
tion des Unternehmens im Web 2.0 zulassen (vgl. Unterkapitel 2.2.1; Unterkapitel 2.4).
3.3.3 Die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Web 2.0
Zur detaillierten Bewertung wird die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Folgenden in vier
Bereiche aufgeteilt. Zuerst wird die Ausgangslage betrachtet, bevor auf die Reaktionen von
Nestlé und den Nutzern im Web 2.0 eingegangen wird. Im Anschluss wird analysiert, warum
Nestlé im Rahmen der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne teilweise falsch reagiert haben könn-
te. Im letzten Abschnitt wird erläutert, worin die Greenpeace Mitarbeiter einen Erfolg der
Kampagne sehen und ob die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne rückblickend erfolgreich war.
Die Ausgangslage
Für die Verhandlungen zum Thema Palmöl hatte Greenpeace ursprünglich drei große Unter-
nehmen ausgewählt, die vielen Menschen bekannt sind, denn „ein großes Unternehmen hat
eine ganz andere Form von Aufmerksamkeit“ (Haase 2010: Frage 4). Nachdem die Unter-
nehmen Unilever und Kraft auf die Forderungen von Greenpeace reagiert haben, Nestlé je-
doch als einziges und größtes der drei Unternehmen über einen längeren Zeitraum hinweg
eine Blockadehaltung zeigte, entschied sich Greenpeace dazu, durch eine Web 2.0 Kampagne
darauf aufmerksam zu machen (vgl. ebd.).
Größtenteils handelt es sich bei der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne um eine internationale
Kampagne, in die Greenpeace Deutschland erst kurzfristig, mit dem Onlinestellen des Videos,
34
involviert war. Haase beschreibt in diesem Zusammenhang, dass die Warmlaufphase für
Greenpeace sehr kurz war, da die Reaktionen von Nestlé sehr schnell zu einer Eskalation ge-
führt haben (vgl. Haase 2010: Frage 2).
Grundsätzlich jedoch rechnet Greenpeace immer damit, dass die Kampagnengegner anders
reagieren als erwartet und stellen sich darauf ein, dass eine Kampagne anders verläuft als ge-
plant. So wäre es im Vorhinein für Greenpeace ebenso denkbar gewesen, dass Nestlé schnell
einlenkt und kaum jemand von der Web 2.0 Kampagne Notiz nimmt (vgl. ebd. Frage 4).
Die Reaktionen von Nestlé und den Nutzern im Web 2.0
Nachdem das Video „Give the Orang-Utan a break“ von Greenpeace online gestellt wurde,
ließ die erste Reaktion von Nestlé nicht lange auf sich warten. Auf der Seite, auf der zuvor
das Video zu finden war, verwies die Multimediaplattform YouTube bereits am gleichen
Abend darauf, dass durch Nestlé aufgrund von Copyrightverletzungen eine Löschung des
Videos veranlasst wurde.
Mit dieser ersten Reaktion erreichte Nestlé jedoch nicht, dass das Video nicht mehr zu sehen
war, denn „die Leute lassen sich einfach nicht zensieren und dadurch hat die Reaktion in der
Netzwelt schon dazu geführt, dass sich das Ganze sehr schnell verbreitet hat.“ (Gaßner 2010:
Frage 9). Laut Gaßner hat Nestlé durch diese Reaktion die ganze Kampagne noch spannender
gemacht (vgl. ebd.). Haase hält fest, dass Greenpeace sehr überrascht war, dass eines der
größten Unternehmen der Welt so schlecht auf die Anforderungen von Web 2.0 vorbereitet ist
(vgl. Haase 2010: Frage 7). Schließlich bedient Nestlé schon seit längerem einige Web 2.0
Kanäle, Gaßner jedoch sieht hierbei das Problem, dass Nestlé nicht in den Dialog geht, son-
dern eben eines der Unternehmen ist, das das Web 2.0 als reinen Marketingkanal betrachtet
(vgl. Gaßner 2010: Frage 5). Neben der Löschung des Videos auf YouTube, die Kolbrück als
Kardinalfehler von Nestlé bezeichnet, kritisiert der Experte darüber hinaus, dass Nestlé auf
Facebook gezielt versucht hatte, Dinge zu verbieten (vgl. Unterkapitel 3.1.2). „Es gibt wohl
kaum ein Verhalten, worauf die Webgemeinde sensibler reagiert, als das Gefühl zu haben,
Dinge würden im Internet zensiert oder die Meinungsfreiheit würde sozusagen beschnitten“
(Kolbrück 2010: Frage 7). Eine Betrachtung der Nestlé-Fanseite auf Facebook zeigt, dass
zwischen dem 17. März, ab Veröffentlichung des Videos im Internet, und dem 19. März ins-
gesamt 707 Kommentare von Nutzern geschrieben wurden, während in den drei Tagen zuvor
lediglich 37 Kommentare von Nutzern hinterlassen wurden (vgl. Facebook 2010). Von den
707 Kommentaren bezogen sich 243 auf die folgende Aussage von Nestlé (vgl. Abbildung 2).
35
Abbildung 2: Statusmeldung von Nestlé auf der Nestlé-Fanseite auf Facebook
Quelle: Facebook 2010
Die Verbote von Nestlé sowie die Ankündigung, dass Kommentare bei Nichteinhaltung ge-
löscht werden, lösten schon sehr bald negative Kommentare von Facebook-Nutzern aus. Lei-
der können diese nicht mehr vollständig nachvollzogen werden, da einige Kommentare ge-
löscht wurden.
Anhand von Abbildung 3 wird deutlich, dass der Kommunikator von Nestlé zwar in den Dia-
log mit den Facebook-Nutzern geht, hierbei jedoch Aussagen trifft, die im Web 2.0 wenig
erfolgsversprechend sind.
Abbildung 3: Reaktionen von Nestlé auf der Nestlé-Fanseite auf Facebook
Quelle: Facebook 2010
Der Kommunikator verfolgt hierbei die Strategie des Widerstands (vgl. Unterkapitel 2.2.1),
welche in dieser Situation im Web 2.0 noch mehr Kritik auslöst. Dies wird deutlich an der
Vielzahl von Kommentaren, die von den Facebook-Nutzern in diesem Zusammenhang ge-
schrieben wurden.
Bei Betrachtung der Reaktionen von Nestlé im Web 2.0 wird deutlich, dass das Unternehmen
keine oder sehr wenig Kenntnis der Regeln und Mechanismen von Web 2.0 hat. Das fehler-
hafte Verhalten in Bezug auf das Video und auf Facebook wird aufgrund der großen Transpa-
renz im Web 2.0 öffentlich. Es geht dabei im Web 2.0 schon längst nicht mehr um die Re-
genwaldzerstörung und den Palmölanbau, sondern um die Kommunikation von Nestlé. Kolb-
rück erklärt dazu, er habe sich als Journalist für diese Geschichte erst in dem Moment interes-
siert, als das Video im Netz verschwunden war (vgl. Kolbrück 2010: Frage 7).
In diesem Zusammenhang wurden die Reaktionen in der deutschen Blogosphäre genauer be-
36
trachtet. Hierzu wurden alle Blogs, die am 28.07.2010 in den deutschen Top 100 Blogcharts
gelistet waren nach den Begriffen „Nestlé“, „Greenpeace“ und „Palmöl“ durchsucht und im
zweiten Schritt alle Beiträge, die sich mit dem Thema Greenpeace vs. Nestlé beschäftigten,
analysiert (vgl. Deutsche Blogcharts 2010). Außerdem wurden Blogbeiträge in die Stichprobe
aufgenommen, die direkt in den zuvor genannten Beiträgen verlinkt waren. Die sich daraus
ergebende Stichprobe kann dem Anhang entnommen werden. Bei der Untersuchung wurde
bewertet, mit welchem Thema sich die Blogbeiträge beschäftigen. Dabei wurde sowohl die
Häufigkeit der expliziten Nennung des Themas „Naturschutz“ erfasst, als auch die Anzahl der
expliziten Nennung des Themas „Web 2.0 Kampagne“. Hierbei stellte sich heraus, dass 18
Beiträge sich größtenteils mit der Web 2.0 Kampagne beschäftigen, während lediglich zwei
Blogbeiträge das Thema Naturschutz in den Vordergrund stellen. Dieses Ergebnis zeigt ana-
log zu der Aussage von Kolbrück, dass sich die Wahrnehmung der Greenpeace vs. Nestlé
Kampagne im Web 2.0 zum größten Teil nicht auf das eigentliche Thema der Regenwaldzer-
störung bezog, sondern auf die Web 2.0 Kampagne selbst.
Bei der Frage, ob Nestlé Greenpeace in die Hände gespielt habe, verweist Jan Haase auf Aus-
sagen von PR-Agenturen und Bloggern, die die Reaktionen von Nestlé als ein bad case be-
trachten, das deutlich zeigt, wie man als großes Unternehmen nicht agieren sollte (vgl. Haase
2010: Frage 7). Lange verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass im Rahmen seiner
Arbeit als Geschäftsführer einer PR-Agentur inzwischen Anfragen von großen Konzernen
vorliegen, die aufgrund der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne ihr bestehendes Krisenkonzept
überarbeiten und erweitern wollen (vgl. Lange 2010: Frage 12).
Die Dynamik, die sich aus den Kommunikationsfehlern von Nestlé im Web 2.0 ergeben hat,
macht deutlich, wie wichtig es ist, dass sich Unternehmen frühzeitig mit dem Web 2.0 ausei-
nandersetzen. Nestlé war zwar bereits vor der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne auf verschie-
denen Kanälen präsent, hat sich aber offensichtlich nie für die Abläufe und Regeln von Web
2.0 interessiert. Dadurch hat sich Nestlé selbst in eine Kommunikationskrise manövriert, die
durch die große Öffentlichkeit und Transparenz im Web 2.0 beschleunigt wurde und dadurch
abrupt einsetzte. Der Lebensmittelkonzern konnte die Kommunikationskrise daher erst in der
akuten Phase bewusst wahrnehmen. Das eigentliche Thema der Greenpeace vs. Nestlé Kam-
pagne war hierbei in den Hintergrund gerückt.
3.3.4 Mögliche Ursachen der Kommunikationsschwierigkeiten von Nestlé im Web 2.0
Aufbauend auf die zuvor dargestellten Reaktionen von Nestlé im Rahmen der Greenpeace vs.
Nestlé Kampagne stellt sich die Frage, worin die Ursachen der Kommunikationsschwierigkei-
ten des Lebensmittelkonzerns bestehen.
Lange nimmt an, dass die falsche Kommunikation auf Facebook und evtl. auch die Löschung
des „Give the Orang-Utan a break“ Videos zu einem großen Teil auf die Entscheidung einzel-
nen Personen zurückzuführen ist. Er kann sich diese falsche Kommunikation möglicherweise
als Resultat fehlender Richtlinien zum Umgang mit Social Media im Hause Nestlé vorstellen
(vgl. ebd.).
Kolbrück spricht zwei weitere Punkte an, welche zu den Kommunikationsschwierigkeiten
37
von Nestlé im Web 2.0 geführt haben könnten. Eine mögliche Ursache sieht er in der Unter-
nehmenshierarchie (vgl. Unterkapitel 2.2.1; Unterkapitel 3.3.2). Er ist der Meinung, dass
Nestlé zu lange gebraucht hat, um eine vernünftige Antwort auf die Vorwürfe von Green-
peace zu finden. Zum Zweiten sieht der Social Media Experte ein Problem von Nestlé darin,
dass kein adäquater Kanal bestand, auf dem das Unternehmen im Web 2.0 auf die Kritik rea-
gieren konnte – eine Plattform, auf der Nestlé die Diskussionen bündeln hätte können (vgl.
Kolbrück 2010: Frage 7). Dabei hätte bspw. ein Corporate Blog hilfreich sein können, wie
man am Beispiel Dell gesehen hat (vgl. Unterkapitel 2.4). Stattdessen hat Nestlé eine Presse-
erklärung auf der Website veröffentlicht und „die Social Media-Welt vor den Kopf gestoßen,
indem man nicht das Gespräch mit ihnen gesucht hat, sondern das Gespräch über ihre Köpfe
hinweg geführt hat“ (vgl. Kolbrück 2010: Frage 7). Lange hingegen kann die Entscheidung
von Nestlé, im ersten Moment nicht im Web 2.0 zu reagieren, sondern eine Pressemitteilung
zu veröffentlichen, nachvollziehen. Er betont, dass Nestlé selbst entscheiden müsse, mit wem
kommuniziert werden soll. Wenn Nestlé in dieser Situation vor allem Angst habe, dass die
Medien sich durch das Web 2.0 anstacheln lassen und dann negativ berichten, dann könne
Nestlé sich durchaus für die Medien als einzigen Dialogpartner entscheiden und sich durch
Pressearbeit an die Journalisten wenden. (vgl. Lange 2010: Frage 6).
Da im Rahmen der empirischen Untersuchung kein Gespräch mit einem Verantwortlichen
von Nestlé geführt werden konnte, ist es nicht möglich, eine abschließende Aussage darüber
zu treffen, worin die genauen Ursachen der Kommunikationsschwierigkeiten von Nestlé im
Rahmen der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne lagen. Grundsätzlich entsteht jedoch der Ein-
druck, dass sich der Lebensmittelkonzern mit strategischer und operativer Krisenkommunika-
tion im Web 2.0 nur wenig auseinandergesetzt hat und somit Abläufe im Web 2.0 teilweise
falsch eingeschätzt wurden. Vor allem die Aussagen des Nestlé Mitarbeiters auf der Nestlé-
Fanseite auf Facebook und die Löschung des YouTube Videos lassen darauf schließen, dass
Nestlé intern in Bezug auf das Web 2.0 keine krisenpräventive Maßnahmen getroffen hatte,
wie bspw. die Erarbeitung eines Krisenhandbuches, das regelt, wer bei Kritik im Web 2.0
kommuniziert und wie die Kommunikation stattfinden sollte (vgl. Unterkapitel 2.2.1). Eben-
falls hätte aufgrund der langfristigen Verhandlungen mit Greenpeace im Vorfeld eine Darksite
vorhanden sein können, auf der gezielt die Vorwürfe von Greenpeace abgearbeitet werden,
mit der Nestlé kurzfristig auf das „Give the Orang-Utan a break“ Video hätte reagieren kön-
nen (vgl. Unterkapitel 2.2.2). Jedoch hatte Nestlé offensichtlich keine Kommunikationsstrate-
gie im Web 2.0 und war somit im Ernstfall schlecht aufgestellt.
3.3.5 Bewertung des Erfolgs der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne
Möchte man abschließend bewerten, ob die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne erfolgreich war,
muss zuerst betrachtet werden, welche Ziele damit verfolgt wurden.
„Erfolgreich ist es immer dann, wenn der Regenwald tatsächlich geschützt wird.“, bringt es
Gaßner auf den Punkt (Gaßner 2010: Frage 13) und fügt hinzu, dass inzwischen Aussagen
von Nestlé vorlägen, dass Lieferverträge geändert werden. Auf die Frage, ob Nestlé allein im
Regenwald überhaupt so viel bewirken könne, weist Gaßner darauf hin, dass der Streit mit
38
Nestlé auch in Indonesien Beachtung gefunden habe und dadurch Druck auf die Produzenten
vor Ort ausgeübt werden konnte (vgl. Gaßner 2010: Frage 13). Auch Haase bewertet die
Kampagne als erfolgreich, weil nun alle drei großen Nahrungsmittelkonzerne ihre Einkaufs-
politik geändert hätten und verweist darauf, dass in Indonesien jetzt, angestoßen durch die
Greenpeace vs. Nestlé Kampagne, Gesetze geändert werden und stärker gegen Korruption
vorgegangen wird. Darüber hinaus beschreibt der Pressesprecher die Web 2.0 Kampagne
selbst als einen Erfolg, weil neue Mittel eingesetzt wurden und diese sehr gut funktioniert
haben, um dem Ziel, den Regenwald zu schützen, näher zu kommen. Jedoch verweist Haase
darauf, dass dies auch zu einem großen Teil durch das unprofessionelle Verhalten von Nestlé
funktionieren konnte (vgl. Haase 2010: Frage 10). Auch Gaßner sagt, dass es für Greenpeace
gut sei, zu sehen, dass eine Kampagne im Web 2.0 funktioniert, jedoch der Erfolg nicht daran
gemessen wird, „wie viele Leute sich beteiligen, wie viele erreicht wurden, wie schnell das
Video verbreitet wurde etc.“ (Gaßner 2010: Frage 15), sondern daran, ob sich die Situation im
Regenwald verbessert und dazu müsse man kontrollieren, ob sich Nestlé an die Zusagen hält.
Lange jedoch vertritt die Meinung, dass Nestlé selbst nichts an der Regenwaldabholzung än-
dern kann, weil der Anteil von Nestlé beim Produzenten Sinar Mas so gering ist, dass die
Kündigung der Lieferverträge von Nestlé auf diesen kaum einen Einfluss habe (vgl. Lange
2010: Frage 8). Mit dieser Aussage behält Lange recht, denn obwohl Nestlé bereits am 18.
März 2010 als Reaktion auf die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne alle Verträge mit Sinar Mas
gekündigt hat, meldete die Agence France-Presse (AFP) am 29. Juli 2010, dass der indonesi-
sche Palmöl-Hersteller Sinar Mas sich laut Greenpeace nicht an seine Zusage gehalten hat, ab
Juli die Rodungen von ökologisch wertvollem Urwald zu beenden und weiterhin tropischen
Regenwald zerstört (vgl. AFP 2010).
39
4. Fazit
Es werden im Folgenden die Erkenntnisse des Theorieteils und die der empirischen Untersu-
chung gemeinsam betrachtet, um abschließend eine Aussage über die gestellte Forschungs-
frage zu treffen.
Danach wird aufgezeigt, wie sich das Web 2.0 zukünftig auf die unternehmerische Krisen-
kommunikation auswirken könnte.
Wie wirkt sich das Web 2.0 als Auslöser und Beschleuniger von Krisen auf die unternehmeri-
sche Krisenkommunikation aus?
Jeder Nutzer von Web 2.0 hat die Möglichkeit, selbst Kritik anzubringen, auf Kritik anderer
zu reagieren und sie weiterzuverbreiten. Die aktiven Nutzer von Web 2.0 üben damit eine
Kontrollfunktion aus. Aussagen und Entscheidungen von Unternehmen können schnell in den
Mittelpunkt von Diskussionen im Web 2.0 treten und sich durch die Interaktivität,
Hypertextualität und die Multimedialität innerhalb kürzester Zeit über Landesgrenzen hinweg
verbreiten. Vor allem Unternehmen müssen damit rechnen, selbst das Ziel öffentlicher Kritik
werden zu können. Daher sollte sich die unternehmerische Krisenkommunikation frühzeitig
mit dem Web 2.0 als Auslöser und Beschleuniger von Krisen auseinandersetzen.
Die Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé hat gezeigt, wie schnell ein Unternehmen im Web 2.0 in
eine selbstgeschaffene Kommunikationskrise verfallen kann. Durch die schnelle Informati-
onsverbreitung und die große Öffentlichkeit treten Kommunikationskrisen im Web 2.0 häufig
abrupt auf, wodurch das Unternehmen die Situation oft erst bewusst wahrnimmt, wenn bereits
eine akute Kommunikationskrise vorhanden ist. Außerdem nutzen inzwischen viele Journalis-
ten das Web 2.0 als Rechercheplattform, wodurch die Kommunikationskrise vom Web 2.0 in
die traditionellen Medien und somit in die Realität übertragen wird.
Es liegt in der Entscheidungsgewalt jedes einzelnen Unternehmens, ob es aktiv im Web 2.0
teilnehmen will. Das Wissen, dass Diskussionen im Web 2.0 geführt werden, mit oder ohne
Präsenz des jeweiligen Unternehmens, sollte dabei keine überhastete Partizipation der Unter-
nehmen herbeiführen. So zeigte sich in der Fallstudie, dass ein unvorbereitetes Unternehmen
durch Reaktionen im Web 2.0 einen weitaus größeren Schaden anrichten kann, als ein Unter-
nehmen, dass sich von vorne herein gegen die Präsenz im Web 2.0 entscheidet.
Entscheidet sich ein Unternehmen jedoch, aktiv den Dialog im Web 2.0 aufnehmen zu wol-
len, ist dies im Vorfeld mit viel strategischer Arbeit verbunden. Diese beinhaltet einerseits
allgemeine Hierarchiefragen, worunter auch die genaue Verortung und die Entscheidungsbe-
fugnisse der Kommunikationsabteilung fallen, andererseits allgemeine Vorkehrungen, die im
Zusammenhang mit dem Web 2.0 getroffen werden sollten. In erster Linie ist dabei wichtig,
dass eine genaue Regelung besteht, ob auf Kritik im Web 2.0 reagiert wird und wenn ja, wer
und wie. Um die Kommunikationsverantwortlichen auf diese Situation vorzubereiten, würden
sich, ähnlich den Medientrainings zur Vorbereitung auf Gespräche mit Journalisten, Kommu-
nikationstrainings anbieten, die Kenntnisse und ein Verständnis für Kommunikationsabläufe
im Web 2.0 vermitteln. So wäre Nestlé den Web 2.0-Nutzern während der Greenpeace vs.
40
Nestlé Kampagne evtl. nicht mit Widerstand, Verboten und Vorschriften begegnet, sondern
mit guten Argumenten. Die Tatsache, dass Nestlé bereits am 18. März die Verträge mit Sinar
Mas gekündigt hat, wäre sicherlich ein solches gewesen.
Eine weitere Maßnahme, die bei unternehmerischer Krisenkommunikation frühzeitig berück-
sichtigt werden sollte, ist ein gutes Beziehungsmanagement. Darunter fällt bspw. die Kon-
taktpflege zu Behörden, in diesem Zusammenhang aber vor allem zu Journalisten. Wie bereits
oben genannt, orientieren sich Journalisten bei ihrer Recherche stark am Web 2.0. Gelingt es
Unternehmen, eine Beziehung zu Journalisten aufzubauen, kommen diese wahrscheinlich
direkt auf das Unternehmen zu, wenn sie im Web 2.0 auf Diskussionen im Zusammenhang
mit dem Unternehmen aufmerksam werden. Damit hat das Unternehmen die Möglichkeit, den
Journalisten außerhalb von Web 2.0 den eigenen Standpunkt zu vermitteln.
Aufgrund der starken Emotionalisierung sollten sich Unternehmen insbesondere auf ökologi-
sche Themen vorbereiten. Die Fallstudie zeigt, dass die Forderungen von Greenpeace oder
auch anderen Umweltschutzorganisationen, frühzeitig ernst genommen werden sollten, da bei
ökologischen Themen die Dynamik im Web 2.0 bewusst eingesetzt werden kann, um Druck
auszuüben. Hat ein Unternehmen also Kenntnis darüber, dass ein ökologisches Thema eine
bestimmte Relevanz einnimmt und bei den Verhandlungen keine Einigkeit zustande kommen
wird, sollte es frühzeitig auf Kritik im Web 2.0 vorbereitet sein, um im Ernstfall handlungsfä-
hig zu bleiben. Nestlé zum Beispiel hätte durch eine frühzeitige Erstellung einer Darksite zum
Thema Palmöl eine kurzfristige Reaktion auf die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne sicherstel-
len können.
Außerdem bietet ein Corporate Blog einem Unternehmen die Möglichkeit, auf einer eigenen
Plattform den Dialog im Web 2.0 aufzunehmen. Jedoch kann dieser nicht innerhalb von we-
nigen Tagen eingerichtet werden. Um von einem Corporate Blog in einer Krise profitieren zu
können, sollte das Blog bereits eine gewisse Bekanntheit und Akzeptanz im Web 2.0 besitzen.
Das heißt, das Unternehmen sollte permanent von dem Corporate Blog als Dialogplattform
Gebrauch machen und über Kenntnisse darüber verfügen, nach welchen Regeln die Kommu-
nikation auf dem Blog abläuft. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Coporate Blog maß-
geblich dazu beitragen, die Diskussionen im Web 2.0 positiv zu beeinflussen, indem versucht
wird, die Diskussion auf das eigene Blog zu verlagern und dort als Moderator regulierend
einzugreifen. In kleinerem Rahmen kann dies auch auf den Unternehmensseiten von bspw.
Facebook geschehen, wobei hier von vorneherein „nur“ Facebook-Nutzer erreicht werden
können.
Es zeigt sich somit, dass Unternehmen, die sich langfristig auf die Herausforderungen von
Web 2.0 einstellen, einen zusätzlichen Kanal dazu gewinnen können, um frühzeitig über Kri-
tik informiert zu sein und direkt Kontakt zu einer großen Öffentlichkeit aufzunehmen. Die
Betonung muss hierbei jedoch auf der „langfristigen“ Vorbereitung liegen. Maßnahmen im
Web 2.0 von Unternehmen, die sich nur am Rande mit den vorherrschenden Mechanismen
auseinandergesetzt haben, können Kommunikationskrisen auslösen und zusätzlich beschleu-
nigen – das zeigt der Fall Nestlé.
41
Die zukünftigen Herausforderungen für die unternehmerische Krisenkommunikation im Web
2.0 – Ein Ausblick
Da sich das Web 2.0 sehr schnell und vielseitig entwickelt, ist es schwierig, eine Aussage
darüber zu treffen, welche Herausforderungen auf die unternehmerische Krisenkommunikati-
on in diesem Zusammenhang zukommen werden.
Trotzdem zeichnet sich bereits ab, dass das Web 2.0 zukünftig für große Unternehmen einen
zunehmend wichtigeren Kanal darstellen wird, da sich vor allem die nachwachsenden Ziel-
gruppen der Unternehmen zu einem großen Teil im Web 2.0 bewegen. Fraglich ist dabei je-
doch, in welchem Ausmaß Unternehmen zukünftig im Web 2.0 präsent sein müssen. Grund-
sätzlich wird auch zukünftig wahrscheinlich nicht jedes Unternehmen alle Kanäle im Web 2.0
bedienen müssen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können, jedoch könnten bestimmte Maß-
nahmen im Web 2.0 maßgeblich den Erfolg des jeweiligen Unternehmens steigern. Zum ei-
nen ist es vorstellbar, dass teilweise eine Verlagerung der „Marktforschung“, wenn auch nicht
nach wissenschaftlichen Standards, in das Web 2.0 stattfinden könnte. Unternehmen können
durch Monitoring im Web 2.0 Kenntnis über aktuelle Themen und Kritik im Zusammenhang
mit der eigenen Arbeit, der von Wettbewerbern oder der ganzen Branche erlangen. Damit
kann frühzeitig auf Trends reagiert werden. Jedoch sollte die Reaktion nicht nur außerhalb
von Web 2.0 stattfinden, da die Themen im Web 2.0 ihren Ursprung haben. Vielmehr sollten
Unternehmen zukünftig in der Lage sein, zumindest einen Kanal im Web 2.0 erfolgreich zu
bedienen. So ist denkbar, dass zukünftig für größere Unternehmen ein Corporate Blog in be-
stimmten Situationen eine notwendige Ergänzung oder vielleicht sogar ein Ersatz zu Presse-
mitteilungen darstellt. Das Unternehmen könnte auf dem Corporate Blog auf alle relevanten
Themen reagieren und darüber zusätzlich den Kontakt zu Journalisten pflegen.
Grundsätzlich kann man hierbei eine Verbindung mit der Entstehung des Internets erkennen.
Auch hier stellten sich Unternehmen zunächst die Frage, ob sie mit einem eigenem Internet-
auftritt präsent sein müssen. Heute, ca. 15 Jahre später, sind für große und viele mittelständi-
sche Unternehmen die eigenen Internetauftritte nicht mehr wegzudenken, jedoch mit Unter-
schieden in der jeweiligen Ausgestaltung. Während die einen Unternehmen auf der Internet-
seite eine Vielzahl von Informationen und Zusatzangebote wie bspw. Online-Shops darbieten,
präsentieren sich andere Unternehmen eher zurückhaltend. Ähnlich wird es sich evtl. mit dem
Einsatz von Web 2.0 für die Krisenkommunikation und die Unternehmenskommunikation
allgemein entwickeln. Die meisten größeren Unternehmen werden in den nächsten Jahren
wahrscheinlich auf den Kanal Web 2.0 zurückgreifen müssen, um den Dialog mit der Ziel-
gruppe dort zu führen, wo diese auch ist. Das jeweilige Ausmaß des Einsatzes von Web 2.0
wird dabei jedoch von der jeweiligen Unternehmenskultur und den jeweiligen Kommunikati-
onszielen abhängen. Darüber hinaus werden sich vor allem Unternehmen, die sich im um-
weltsensiblen Bereich bewegen, wie bspw. Energiekonzerne, Pharmaunternehmen, und – wie
das Fallbeispiel zeigt – auch Lebensmittelhersteller, zukünftig sicher im Web 2.0 aufstellen
müssen, um der stark emotionalisierten Kritik genau dort begegnen zu können, wo sie zukünf-
tig wahrscheinlich immer häufiger entsteht.
V
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X
Anhang
Transskript Leitfadeninterview Volker Gaßner S. XI
Transskript Leitfadeninterview Jan Haase S. XVII
Transskript Leitfadeninterview Olaf Kolbrück S. XXIV
Transskript Leitfadeninterview Mirko Lange S. XXXI
Analysierte Blogs und Titel der Beiträge S. XLI
Hyperlinks der Blogbeiträge S. XLII
XI
Telefonisches Leitfadengespräch mit Volker Gaßner, Teamleitung Presse, Recherche
und Neue Medien bei Greenpeace e.V..
Geführt am 19. Juli 2010, Dauer: 18 Minuten
Ines Kübler (I): Sie sind Teamleiter des Bereichs Presse, Recherche und Neue Medien
bei Greenpeace. Würden Sie bitte kurz sagen, inwiefern Sie in die Kampagnenplanung
und Kampagnendurchführung involviert sind? (Frage 1)
Volker Gaßner (B): Bei Greenpeace eine Kampagne zu machen heißt immer, dass ganz viele
Leute involviert sind. Wir haben Pressesprecher dabei, wir haben ganz viele Leute aus dem
Foto-Bereich, Video-Bereich, Kommunikations-Bereich dabei und die sind alle Teil einer
Kampagne bei Greenpeace. Das heißt, da ist nicht einer alleine verantwortlich für eine Kam-
pagne, sondern alle zusammen.
I: Das heißt, Sie haben auch mit Kampagnen zu tun? (Frage 2)
B: Ich habe täglich mit Kampagnen zu tun, ja.
I: Sie sind ja ein Experte für Neue Medien bei Greenpeace. Würden Sie sagen, dass die
Neuen Medien die Arbeit von Greenpeace bereichern? (Frage 3)
B: Das kann man auf jeden Fall sagen. Man muss sich vorstellen, Greenpeace hat jahrelang
die klassische Kommunikation bedient. Wir haben Pressmitteilungen herausgegeben, wir ha-
ben welche kommentiert, wir haben Pressekonferenzen gegeben und nutzen jetzt seit drei Jah-
ren auch den Kanal Neue Medien bzw. den Bereich Social Media und haben uns viele Kanäle
aufgebaut auf fremden Communitys, die wir momentan sehr erfolgreich mit unseren Kam-
pagnen bestücken.
I: Stellen die neuen Medien auf der anderen Seite auch Gefahren für Greenpeace dar?
(Frage 4)
B: Wir nutzen die neuen Medien ja tatsächlich zum Dialog. Wir waren jahrelang immer nur
Sender, die Leute haben zugehört, uns unterstützt, aber wir haben eigentlich keinen richtigen
Dialog mit ihnen aufgebaut und deswegen ist es so, dass wir jetzt in den sozialen Medien mit
den Leuten ins Gespräch kommen, wenn wir bloggen. Die Leute kommentieren unsere Sa-
chen. Sie finden unsere Aktionen mal gut, mal finden sie sie aber auch nicht gut. Auch das
wird quasi dokumentiert. Man kann ja zum Beispiel bei Facebook sagen: das unterstütze ich,
das finde ich klasse. Viele finden es sehr gut und unterstützen das. Das heißt, man bekommt
eine sofortige Rückmeldung für das, was man tut. Wenn wir jetzt Sachen machen, die nicht so
gut ankommen, bekommen wir das halt auch mit und müssen das aushalten und natürlich ist
es so, dass unser Gegner – Autoindustrie oder Atomkraftwerksbetreiber, oder wer auch immer
XII
– bei uns auf den Blog gehen und mitdiskutieren; natürlich nicht immer unserer Meinung sind
und ihre Meinung natürlich dort diskutieren. Das ist aber keine Gefahr für Greenpeace, son-
dern eine Diskussion schärft eine Meinung. Wir gehen ja davon aus, dass wenn wir eine Mei-
nung haben, dass diese auch gut begründet ist. Von daher ist es zunächst einmal keine Gefahr
für Greenpeace, sondern eine Herausforderung in Ressourcenfragen. Wir müssen schauen,
dass wir unsere Ressourcen so einteilen, dass wir auch genügend in den Dialog gehen können.
I: Man hat oft das Gefühl, dass Greenpeace gerade im Web 2.0 auch großen Unterneh-
men einen Schritt voraus ist. Sehen Sie das auch so? (Frage 5)
B: Das ist ganz unterschiedlich. Ich finde, gerade die Nestlé-Kampagne hat gezeigt, dass wir
nicht unbedingt einen Schritt voraus sind, aber dass wir Social Media ganz anders verstanden
haben. Ich glaube, das ist eine Verständnisgeschichte. Wenn man sich jetzt zum Beispiel
Nestlé anschaut und sagt: Wie sind die eigentlich im Netz aufstellt? – dann machen die auch
alles was im Bereich Social Media gerade angesagt ist. Sie sind überall vertreten, haben eine
große Fangemeinde etc., aber sie gehen nicht in den Dialog, sondern nutzen es als Marketing-
kanal. Und das ist halt schwierig. Man muss Social Media für sich ein bisschen ausbilden.
Man muss Social Media ausprobieren und seinen Weg finden. Die meisten großen Firmen
sehen es immer noch als Marketingkanal und ich glaube, das ist nicht ganz richtig. Und wenn
sie es zum Marketingkanal machen, dann müssen sie auch damit rechnen, dass Kritik kommt.
Wenn man dann Webseiten wegschaltet, weil Kritik kommt, ist das eben nicht der richtige
Umgang damit. Also wir sind nicht unbedingt immer einen Schritt voraus, aber wir benutzen
diese Kanäle ganz anders als das vielleicht klassische Unternehmen machen.
I: Mich würde außerdem interessieren, wie Sie das Web 2.0 im Zusammenhang mit dem
Journalismus beurteilen. Würden Sie sagen, durch das Web 2.0 hat sich Ihre Zusam-
menarbeit mit den Journalisten verändert? (Frage 6)
B: Nein überhaupt nicht. Also ich würde das auch gar nicht trennen – klassischen Journalis-
mus und Web 2.0, denn es gibt ganz viele Journalisten, die auch bloggen. Es gibt sehr, sehr
viele Journalisten, die twittern und sich anschauen was dort passiert. Viele Journalisten haben
unseren Twitter-Account abonniert, schauen auf Facebook etc.. Das sind alles Möglichkeiten,
wie die Journalisten mitbekommen, was wir machen und uns dann noch aktiver darauf an-
sprechen. Das Schöne ist, dass Social Media hier eine hervorragende Unterstützung ist bei der
Arbeit. Von Journalisten bekomme ich immer wieder mit, dass man über Twitter recherchiert
und dass man auch Sachen mitbekommt, die man eben in den klassischen Printmedien so
nicht liest. Das ist natürlich schon ganz spannend.
I: Dann würden Sie bestätigen, dass die Tatsache, dass Greenpeace die Öffentlichkeit
direkt erreichen kann, nicht zwangsläufig einen Verlust der Bedeutung des Journalis-
mus mit sich bringt? (Frage 7)
XIII
B: Nein überhaupt nicht. Ich glaube, dass der Journalismus weiterhin die Bedeutung haben
wird. Die Leute brauchen einen Filter, das heißt sie suchen sich jemanden raus der sagt: „Ok
das ist eine gute Geschichte, das ist eine gute Geschichte und das ist die Geschichte des Ta-
ges…“, und ich glaube, dass die Leute das weiterhin brauchen. Auch Hintergrundinformatio-
nen zu bekommen, längere Sachen zu bekommen, das kann der Journalismus manchmal deut-
lich besser schaffen als ein Blogbetreiber. Muss aber nicht so sein – also man muss diese
Trennung eigentlich gar nicht machen, weil es geht immer darum welche Geschichten werden
erzählt, welche News werden aufbereitet und wie wird das gemacht. Und von daher ist Social
Media eine sehr gute Ergänzung zu den klassischen Medien.
I: Dann würde ich jetzt zum Fall Nestlé kommen. Sie haben ja vorhin schon kurz ange-
sprochen, dass die Reaktionen von Nestlé teilweise nicht so glücklich waren. Würden Sie
da nochmals kurz Stellung nehmen, wie Sie die allgemein beurteilen? (Frage 8)
B: Es ist immer schwierig. Natürlich ist es so, dass Nestlé sehr stark präsent war, bzw. ist, im
Bereich Social Media, und man davon ausgehen kann, dass sie diese Social Media-Kanäle
kennen. Trotzdem haben Sie meiner Meinung nach falsch reagiert. Sie haben zu dem Zeit-
punkt wo ein Dialog hätte stattfinden sollen, diesen Dialog einfach nicht verwertet. Sie haben
bei Facebook ihre größte Fanseite weggeschaltet; da waren 780.000 Leute drauf. In dem Mo-
ment, wo wir eben auf diese Seite gegangen sind und gesagt haben: „Ihr habt hier ein Prob-
lem“, und die Leute gesagt haben: „Oh, ihr habt hier ein Problem, erklärt euch doch mal“, hat
man die weggeschaltet. Man muss dann eben in diese Diskussion gehen. Wenn man so stark
in den Markt geht und Marketing macht, dann muss man heutzutage meiner Meinung nach
den Dialog auch wollen. Und er schien mir nicht gewollt – dieser Dialog. Und in der Kom-
munikation war es so, dass es auch so formuliert wurde. Nach dem Motto: Das hier ist unser
Platz, wir kommunizieren hier, wie wir wollen und ihr geht jetzt besser. Und das ist natürlich
keine Form der Kommunikation wie man sie im Social Web führen sollte.
I: Würden Sie sagen, dass Nestlé Greenpeace mit den Reaktionen in die Hände gespielt
hat? (Frage 9)
B: Also wenn man sich diesen Verlauf anschaut dann ist es natürlich immer so, dass in dem
Moment, wo man etwas zensiert und das öffentlich wird, wird es noch interessanter. Also sie
haben durch ihre Reaktion sicherlich die Kampagne nochmals spannend gemacht, oder span-
nender gemacht. Und die Leute lassen sich einfach nicht zensieren und dadurch hat die Reak-
tion in der Netzwelt schon dazu geführt, dass sich das Ganze sehr schnell verbreitet hat. Ich
glaube auf jeden Fall, dass es Einfluss darauf hatte wie schnell es sich verbreitete. Wie stark
es sich verbreitet, da glaube ich daran, dass wir unsere Kanäle mittlerweile so gut im Griff
haben, dass sich das sehr stark verbreitet hätte. Nur die Schnelligkeit war ein anderes Prob-
lem.
XIV
I: Rechnet man bei der Kampagnenplanung damit, dass sich so ein großer Konzern so
schwer tun kann im Web 2.0? (Frage 10)
B: Ein deutliches „Ja“. Es ist immer so, dass wir mit allen möglichen Reaktionen rechnen
müssen und eine Kampagne funktioniert nie so, wie man sie wirklich plant. Also man kann
sie planen, man kann ein paar Sachen voraus denken, aber eine Kampagne läuft immer völlig
anders ab und der Gegner reagiert immer völlig anders. Also von daher war es uns bewusst,
dass es interessant wird, wie Nestlé reagieren wird. Es beeinflusst aber auch unser Vorgehen.
Wenn sie reagieren und sagen: Wir haben es verstanden und haben alle Verträge geändert,
dann müssen wir auch wieder darauf reagieren und das machen wir auch. Also funktioniert
immer so auf einem gegenseitigem Hin und Her.
I: Das heißt, sie haben sich für Nestlé als Kampagnengegner auch deshalb entschieden,
weil die vorherigen Verhandlungen keinen Erfolg hatten? (Frage 11)
B: Das ist generell so. Ab dem Tag, wo wir von einem Gegner sprechen, können Sie davon
ausgehen, dass wir schon viele Monate, Tage, Jahre Gespräche hatten und oftmals von den
Konzernen eine Hinhalte-Taktik benutzt wurde, um eben nicht in eine Kampagne mit Green-
peace gehen zu müssen. Aber das funktioniert eben nicht. Wenn wir merken, es bewegt sich
nichts oder es wird nicht antizipiert, dass sie wirklich ein Problem haben – dass man Green-
peace einfach nur zur Seite schiebt und sagt: „Na ja wir sind ja im Gespräch“, erst dann fan-
gen wir eine Kampagne an. Das heißt wir werden niemals eine Kampagne oder eine Aktion
machen, bevor wir mit dem Gegner geredet haben und er seine Chance hatte, auf uns einzu-
gehen und evtl. seine Produktionsbedienungen zu ändern.
I: Es wurde ja auch in der Vergangenheit schon mit anderen Großkonzernen bspw. Uni-
lever im Zusammenhang mit Palmöl verhandelt. Haben die sich da besser verhalten,
weil auf die keine solche Kampagne zukam? (Frage 12)
B: Sie haben sehr schnell in den Gesprächen signalisiert, dass sie die direkten Lieferverträge
kündigen werden und das haben sie dann auch getan. Und deswegen waren sie auf jeden Fall
besser aufgestellt als Nestlé. Nestlé ist aber der weltgrößte Lebensmittelkonzern und unser
Prinzip ist, dass wir immer die ganz Großen im Markt nehmen, damit eine Veränderung nach
oder in einer Kampagne überhaupt möglich ist. Ein großer Konzern wird von uns ins Visier
genommen und wir fordern etwas und er muss die Möglichkeit haben, den gesamten Markt zu
verändern und die hat Nestlé. Wir haben aber nicht nur – und das ist ganz wichtig – zum
Thema Nestlé gearbeitet beim Thema Palmöl, sondern wir waren 2008 und 2009 schon bei
der Bundesregierung und haben dort campaigned, weil es eine Beimischungsverordnung ge-
ben sollte, wo dann eben Palmöl aus diesen schwierigen Regionen – also in Regenwaldabhol-
zungsregionen – bezogen werden sollte. Da haben wir campaigned, und wir haben auch noch
an anderen Stellen campaigned, das heißt wir nehmen immer mehrere Gegner und machen
dort Kampagnen, weil wir dieses Problem eben lösen wollen.
XV
I: Dann wollen wir mal kurz von Palmöl weggehen und zurück zu Unilever. Da gab es ja
auch einmal ein virales Video im Zusammenhang mit Dove, was aber bei weitem nicht
so stark in die Öffentlichkeit kam wie dieses Nestlé-Palmöl-Video. Hat auch da die Re-
aktion von Unilever eine Rolle gespielt? (Frage 13)
B: Das ist der Zeitpunkt gewesen meiner Meinung nach. Also das Dove-Video ist so ein bis
eineinhalb Jahre alt. Das heißt, wir haben unsere Kanäle jetzt ganz anders aufgebaut, wir sind
jetzt viel stärker aufgestellt im Netz, haben viel mehr Verbindungen, als das noch vor zwei
Jahren der Fall war. Von daher ist die Verbreitungsmöglichkeit jetzt auf Grund des größer
gewordenen Netzwerkes viel schneller und viel stärker. Und es gibt niemanden, den Sie fra-
gen können, der Ihnen sagt, ob etwas einen viralen Infekt hat und wie schnell diese viralen
Effekte zustande kommen. Sondern das ist dann immer auch ein Stück Zeitgeist, es ist auch
ein Stück Glück. Hat man die richtige Tageszeit hat man den richtigen emotionalen Moment
abgepasst? Also das setzt sich aus vielen Komponenten zusammen, die – glaube ich – keiner
so richtig voraussehen kann.
I: Abschließend würde mich interessieren, wie Sie ganz allgemein diese Greenpeace
Kampagne beurteilen. Würden Sie sie als erfolgreich beurteilen? (Frage 14)
B: Erfolgreich ist es immer dann, wenn der Regenwald tatsächlich geschützt wird. Das heißt,
es gibt jetzt Aussagen von Nestlé, wie sie vorgehen wollen, wie sie den Regenwald auch
schützen wollen, wie sie ihre Lieferverträge ändern. Und da bleiben wir dran und schauen uns
das genau an. Und zu dem Zeitpunkt, wo eine Firma sagt: „Wir verändern uns und wir geben
euch das schriftlich und wir machen auch einen Plan, wie wir das verändern“, hören wir auf
zu campaignen. Wir schauen aber ganz genau hin, ob das auch so umgesetzt wird. Wenn
nicht, müssten wir evtl. die Kampagne wieder aufnehmen. Das heißt, einen Kampagnenerfolg
sieht man immer erst nach Monaten, vielleicht manchmal erst nach Jahren.
I: Kann Nestlé, auch wenn es hier einer der großen Lebensmittelkonzerne ist, im Re-
genwald tatsächlich so viel bewirken? (Frage 15)
B: Dass sie es können, haben wir gemerkt. Also der ganze Streit, den wir mit Nestlé geführt
haben, ist in Indonesien sehr stark beachtet worden, hat einen unglaublichen Druck aufgebaut
auf die Produzenten vor Ort und hat dort schon eine ganz große Diskussion ausgelöst, die
auch mit dem indonesischen Präsidenten geführt wurde. Der hat gesagt: „Ja, es ist gut, dass
Greenpeace da ist und dass man die Problematik mit der Abholzung unseres Regenwaldes
diskutiert. Also das hat schon für sehr viel Öffentlichkeit gesorgt. So dass man das Problem
erst mal erkennt und dann auch angeht. Man hat uns versichert, dass man sie angehen will.
Von daher ist es so, wie wir uns das gedacht haben: so ein Konzern kann den Markt bewegen.
XVI
I: Aber es ist für Sie jetzt kein Erfolgszeichen, dass die Web 2.0-Kampagne an sich gro-
ße Aufmerksamkeit bekommen hat? Der Erfolg schließt sich dann erst danach an, wenn
sich auch wirklich was am Regenwald ändert? (Frage 16)
B: Genau. Also Greenpeace misst den Erfolg nicht daran, wie viele Leute sich an einer Kam-
pagne beteiligen, wie viele erreicht wurden, wie schnell das Video verbreitet wurde etc.. Es ist
für uns gut zu sehen, dass es funktioniert, dass man darüber eine Kampagne machen kann.
Der Erfolg kommt aber erst, wenn sich wirklich was geändert hat. Also von Kampagnenerfolg
kann ich immer erst sprechen, wenn ich sagen kann: „Ja, da ist richtig was passiert“. Wir ha-
ben den vorläufigen Erfolg, dass Nestlé gesagt hat, uns glaubhaft versichert hat: „Wir wollen
was ändern.“ Aber wir müssen das kontrollieren, müssen uns das anschauen und dann wird
man sehen. Erst wenn die Regenwaldabholzung nachlässt, ist ein Erfolg da. Dass diese Kam-
pagne erfolgreich war im Sinne von: „Wir haben viele Leute erreicht und viele Leute wurden
auf das Problem aufmerksam“, das kann ich schon bestätigen.
XVII
Telefonisches Leitfadengespräch mit Jan Haase, Pressesprecher und Internetredakteur
bei Greenpeace e.V..
Geführt am 21. Juli 2010, Dauer: 31 Minuten
Ines Kübler (I): Würden Sie bitte kurz erläutern, inwiefern Sie als Pressesprecher von
Greenpeace in die Palmöl-Kampagne gegen Nestlé involviert waren? (Frage 1)
Jan Haase (B): Ich war quasi in einer Doppelfunktion mit dieser Kampagne befasst. Auf der
einen Seite als Pressesprecher bei Greenpeace, aber auch in der Internetredaktion. In dem Fall
war ich schwerpunktmäßig als Internetredakteur mit der Kampagne befasst und habe die Me-
dienkontakte abgedeckt, die im Onlinebereich zu finden sind. Also schwerpunktmäßig Blog-
ger, aber auch verschiedene Internetmedien. Also ist das quasi eine Ausweitung der klassi-
schen Pressesprecherfunktion gewesen in dem Fall, entsprechend natürlich auch mit Über-
schneidungen in die tägliche redaktionelle Arbeit bzw. Online Kampagnen-Arbeit.
I: Waren Sie dann auch schon in die Planung einbezogen? (Frage 2)
B: Jein. Man muss ja dazu sagen, dass das Ganze eine internationale Kampagne war und ein
Großteil der Arbeit, vor allem die Gespräche, die über Jahre im Vorlauf waren, sind von den
internationalen Kollegen gemacht worden, unter Beteiligung von Campaignern hier aus dem
Hause. Soweit wir dann was vorbereiten konnten für die Kampagne hier, war ich involviert.
Wobei man da dazu sagen muss, dass das recht kurzfristig, letztendlich mit dem Video kam,
das dann von den internationalen Kollegen online gestellt wurde. Was wir kurz vorher ge-
macht haben, war, mit den Aktivisten zu verschiedenen Produktionsstandorten von Nestlé in
Deutschland zu gehen und haben dort Informationsarbeit vor Ort gemacht und da auch noch
Medien informiert, wobei das zu dem Zeitpunkt auf relativ wenig Nachhall gestoßen ist – das
war also vor Veröffentlichung des Videos. Da möchte ich jetzt aber den Begriff der Beteili-
gungsphase oder Planungsphase nicht überstrapazieren, weil das wirklich relativ kurz war und
wir auch nicht unbedingt damit gerechnet haben, dass das durch das Onlinestellen des Videos
so schnell eskaliert. Da hat ja Nestlé einen gehörigen Teil dazu beigetragen und wir mussten
aus unserer sogenannten Warmlaufphase dann relativ schnell umschalten, was aber auch den
besonderen Charakter der Kampagne ausgemacht hat.
I: Können Sie trotzdem ungefähr eine Zeit nennen, wie lange die Kampagnenplanung
international ungefähr in Anspruch genommen hat? (Frage 3)
B: Oh, das ist jetzt schwierig, weil dafür müsste ich jetzt wissen, wie lange die Kollegen an
dem Video gebastelt haben und offen gesagt, das weiß ich gar nicht. Ich würde aber mal sa-
gen, das war für die Hochphase dieser Kampagne, also KitKat anzugehen, eher im Bereich
von Wochen als von Monaten in der Vorbereitung sehen. Wie gesagt, man muss aber immer
im Hinterkopf behalten, dass die Gespräche schon sehr lange gelaufen sind und wir auch als
XVIII
Teil der Kampagne unser Camp in Indonesien hatten, ein internationales Camp, wo dann auch
Medienleute eingeladen waren, um die ganze Problematik bekannt zu machen. Das lief ja
schon Monate vorher.
I: Sie haben ja schon angedeutet, dass es im Vorfeld größere oder längere Verhandlun-
gen mit Nestlé gab. Hat sich Greenpeace Nestlé deshalb für eine so großangelegte Kam-
pagne ausgesucht? (Frage 4)
B: Also zwei Aspekte muss man da nennen. Man weiß natürlich nie vorher, ob eine Kampag-
ne groß wird. Das ist bei einer politischen Kampagne, egal ob es zwischen einem Unterneh-
men und einer Nichtregierungsorganisation oder bei Parteien ja immer so. Wenn man immer
vorher wüsste, dass sie groß wird und läuft, das wäre dann wahrscheinlich genial – das weiß
man aber vorher nicht. Also das einmal voraus geschickt. Das hätte auch anders laufen kön-
nen. Also hätte Nestlé nach zwei Tagen gesagt: „Oh vielen Dank für den Hinweis. Wir ma-
chen das jetzt anders“, dann hätte im Prinzip niemand davon Notiz genommen.
Warum jetzt Nestlé und nicht ein anderes Unternehmen: Also wir haben im Vorfeld über die
Jahre, in denen wir uns mit dem Thema Palmöl aus Regenwaldgebieten in Indonesien be-
schäftigt haben, mit den größten Nahrungsmittelkonzernen gesprochen. Also neben Nestlé
waren das eben auch Unilever und Kraft, und die beiden Unternehmen, die haben reagiert.
Die waren in weiterführenden Gesprächen mit uns. Die haben gesagt: „Wir ändern unsere
Lieferverträge, wir suchen uns einen anderen Bezug“, und sind also sehr proaktiv mit diesem
Thema umgegangen. Sie haben deutlich gemacht: „Ja, wir wollen was ändern. Wir haben das
Problem erkannt.“ Nestlé war dabei das einzige Unternehmen, das eine Blockadehaltung ge-
zeigt hat. Es waren keine Fortschritte zu sehen. Hinzu kam, Nestlé ist der größte Lebensmit-
telkonzern der Welt. Es bot sich also dann an, wenn man mit drei gesprochen hat und einer
reagiert nicht und das ist auch der Größte, sich den dann natürlich rauszupicken und den an-
zugehen. Greenpeace schaut natürlich auch immer, dass man sich in einer Kampagne einen
Gegner aussucht, der vielen Menschen bekannt ist, der mit seinem Namen für etwas steht und
der natürlich, wenn er dann reagiert, viele Mitbewerber mitzieht. Also jetzt nach Abschluss
der Kampagne, die ja erfolgreich war, kann man sagen, die drei Größten haben sich bewegt
und damit werden sie sicher auch den ganzen Markt verändern. Also es gab mal ein schönes
Beispiel hier in Deutschland, warum wir der Meinung sind, dass diese Taktik gut funktioniert.
Es gab vor Jahren mal eine Kampagne gegen giftige Schiffsanstriche, sogenannte TBT –
Tributylzinn. Hier sollte die Queen Mary 2, also der größter Passagierdampfer der Welt, mit
dem Anstrich in einer Hamburger Werft angestrichen werden. Wir haben eine große Aktion
gemacht, nachdem wir jahrelange Gespräche hatten, mit unterschiedlichen Redereien, die aber
nicht viel bewegt haben. Wir haben eine Aktion gemacht gegen diese Queen Mary 2, beim
Einlaufen. Also wir haben sie begleitet mit Schlauchbooten und haben Banner gezeigt und
kamen dann ins Gespräch mit der Reederei. Denen war das also sehr unangenehm, dass sozu-
sagen ihr Vorzeige-Passagierdampfer in so einem schlechten Licht da stand. Und sie haben
dann reagiert und gesagt: „Ok, die Queen Mary 2 bekommt jetzt einen ungiftigen Anstrich“,
und dann sagten sie sich: „Warum sollten eigentlich unsere anderen Schiffe nicht auch einen
XIX
ungiftigen Anstrich bekommen?“. Andere Reedereien haben sich dann gedacht: „Oh, Cunard,
die sind ganz vorne – wir ziehen nach“. Heute, also ein paar Jahre später, verwendet also kei-
ne große Reederei mehr diese giftigen Anstriche. Deswegen ist also die Taktik, sich den
dicksten Pott auszusuchen, mit dem Wissen, die anderen werden nachziehen. Und das war
eben auch die Idee bei Nestlé – zu sagen: Ein so großes Unternehmen hat eine ganz andere
Form von Aufmerksamkeit, aber auch einen ganz anderen Pull-Effekt auf Mitbewerber, wenn
sich dann was bewegt.
I: Sie haben schon angesprochen, dass gegen Nestlé auch außerhalb des Internets Aktio-
nen stattfanden. Lag der Schwerpunkt dann auf dem Web 2.0 oder war es ausgeglichen?
Oder lag der Schwerpunkt letztlich doch außerhalb des Internets? (Frage 5)
B: Vom Konzept her versuchen wir immer, wenn wir Kampagnen anschieben mit dem Inter-
net, die so zu gestalten, dass sie immer auch auf die Straße kommen. Also wir machen eigent-
lich nie reine Internet-Kampagnen, sondern es soll eigentlich ein Impuls gegeben werden,
dass Leute auf die Straße gehen, dass natürlich auch Greenpeace-Aktivisten auf die Straße
gehen. Wie sich die Schwerpunkte dann in der Realität darstellen, das ergibt sich zum Teil.
Bei Nestlé lief es, auch ein bisschen zu unsrer eigenen Überraschung, doch extrem im Internet
ab – also auch die Reaktionen. Die haben aber auch eine ganze Menge auf der Straße ge-
macht. Also es fing eben an, noch bevor dieses Video online war, dass wir bei den Produkti-
onsstandorten waren. Die Kollegen in der Schweiz waren [später während der Kampagne]
bei der Hauptversammlung von Nestlé in Lausanne. Wir haben dann ja sogar noch den Schritt
gemacht, online und offline zu verknüpfen, indem wir eine Twitter-Wall vor die Zentrale von
Nestlé in Frankfurt gestellt haben und der Online-Protest über diese LED Wand, die da aufge-
stellt war, den Angestellten direkt vor„s Fenster projiziert wurde. Das war natürlich die Ideal-
verknüpfung von online und offline, um den Protest auf die Straße zu bringen. Und was eher
noch der interessante Aspekt ist bei dieser Kampagne, ist, dass die Medienberichterstattung zu
über 90 % online stattgefunden hat und zu 10 % in klassischen Medien. Was wir so bis jetzt
noch nicht hatten. Da kann man sagen, da ist ein ganz großer Unterschied gewesen. Das ist
mit Sicherheit eine der ersten Kampagnen von Greenpeace in dieser Größenordnung, die wir
quasi mit Onlinemedien gewonnen haben.
I: Können Sie sich zukünftig irgendwann vorstellen, dass die Online Kampagnen die
realen Kampagnen ersetzen könnten? (Frage 6)
B: Nein, mit Sicherheit nicht. Der Ansatz ist immer die Kombination von online und offline.
Also wir werden nie rein virtuelle Kampagnen haben, weil es natürlich nie immer um rein
virtuelle Probleme geht. Also das ist mit Sicherheit der Unterschied zu Themenfeldern, die
sonst die Netzgemeinde bewegen, wie zum Beispiel Internetsperre oder Informationsfreiheit.
Das sind ja virtuelle Themen, während die Probleme, die wir bearbeiten, sehr real sind – Kli-
mawandel, Artenschwund oder Regenwald. Also das ist was sehr Fassbares und was Green-
peace auszeichnet, ist eigentlich von Anfang an der Ansatz: Wir gehen dahin, wo die Proble-
XX
me sind und legen den Finger in die Wunde. Und das lässt sich rein virtuell einfach nicht ma-
chen. Das Netz kann da immer nur Verstärker sein, Katalysator sein für den Protest. Aber
Greenpeace wird mit Sicherheit immer vor Ort sein. Nur die Kanäle, wie wir diese Probleme
bekannt machen, wie wir den Protest bekannt machen und wir das vielleicht auch bündeln,
das wird sich natürlich immer stärker auf das Netz übertragen.
I: Wenn wir dann jetzt noch mal ganz konkret zu der Web 2.0 Kampagne gegen Nestlé
kommen. Würden Sie sagen, die Reaktionen von Nestlé haben Greenpeace teilweise in
die Hände gespielt? (Frage 7)
B: Sie konnten ja selber beobachten, wie PR-Agenturen und Blogger, einfach Web-Profis,
darüber diskutiert haben und eben auch sehr klar gesagt haben, das ist ein bad case dafür, wie
man es als großes Unternehmen nicht machen sollte. Also von daher würde ich mich dieser
Außenmeinung auch anschließen. Nestlé hat da einfach taktische Fehler gemacht. Seiten zu
zensieren, also dafür zu sorgen, dass dieses Video von YouTube offline gestellt wurde, dafür
zu sorgen, dass diese Fanpage auf Facebook offline gestellt wurde… Man hat auch an ande-
ren Reaktionen gemerkt, dass die Mitarbeiter nicht geschult waren im Umgang mit neuen
Medien und sich da teilweise sehr unprofessionell verhalten haben. Also was uns überrascht
hat war, dass ein Unternehmen, das zu den größten der Welt gehört, so wenig vorbereitet ist
auf die Anforderungen von Web 2.0. In diesem Sinne hat es uns natürlich in die Hände ge-
spielt, was den schnellen Anstieg der Aufmerksamkeit für die Kampagne anging. Und auch,
dass wir mit den Mitbewerbern argumentativ auf einer guten Seite waren, dass wir sagen
konnten: „Also hier, die zwei nächstgrößten, die haben sich bewegt. Ihr habt euch noch nicht
bewegt und was heißt das jetzt? Sind die anderen beiden auf einem völlig falschen Pfad oder
seid ihr das?“. Also das ist ja auch noch sehr vorteilhaft im Vorgehen bei so einer Kampagne.
Und dieser Eindruck hat sich natürlich auch sehr schnell über das Web verstärkt – bei allen,
die die Kampagne unterstützt haben.
I: Ist Ihnen sicher bekannt, dass es sich bei der KitKat-Fanseite auf Facebook um eine
Seite handelt, die wirklich von Nestlé betreut wird? Ich habe einen Blog gelesen, der
teilweise in Frage gestellt hat, dass es eine Seite von Nestlé ist. Könnte sie auch von ir-
gendwelchen KitKat-Fans erstellt und moderiert worden sein? (Frage 8)
B: Also man muss dazu sagen, es gibt mehrere große KitKat-Seiten. Es gibt eine offizielle
von Nestlé und es gibt diverse Fanpages. Bei den Fanpages würde ich auch sagen, da sind es
zum Teil wahrscheinlich sogar Privatmenschen, aber das ist nicht nachvollziehbar, inwieweit
die vielleicht Beziehungen zu Nestlé haben. Mit Sicherheit sind sie in der Vergangenheit un-
terstützt worden von Nestlé, einfach was Informationsfluss angeht und ähnliches. Also auch
Argumentationen wurden von Nestlé mit Sicherheit geliefert, auch bevor Greenpeace da et-
was gemacht hat. Es gab ja auch andere Themen von Nestlé, wie Kinderarbeit bspw. auf Plan-
tagen, die in den Facebook-Foren auch diskutiert wurden, also auch auf der eigentlichen
KitKat-Seite von Nestlé. Also von daher muss man immer schauen, welche man sich an-
XXI
schaut. Auf jeden Fall bei der einen Seite, wo das offline gestellt wurde, da kann man sagen:
Ja, das ist von der Firma. Gerade bei den anderen Fanseiten, da war natürlich viel Diskussion,
da hat sich auch sehr viel Eigendynamik entwickelt. Also wir als Greenpeace haben ja mal
den Vorwurf von Nestlé bekommen, wir hätten Namen von Facebookusern erfunden oder so
viele könnten wir gar nicht sein. Da muss man auch sagen, das waren ja gar nicht alles wir.
Also wir Mitarbeiter von Greenpeace oder die Ehrenamtlichen waren alle mit dem echten
Namen da. Man glaubt nicht was für eine Dynamik das Ganze entwickelt hat und wie viele
Menschen da draufgehen und plötzlich an dem Thema dran sind. Das haben wir ja auch ge-
merkt als wir mit der Twitter-Wall vor Ort waren und mehrere tausend Menschen an dem Tag
eingestiegen sind, obwohl wir es erst an dem Tag bekannt gemacht haben. Also von daher
kann man die Frage eben nur beantworten mit: Es gibt eine Nestlé KitKat-Seite, die eben von
der Firma betreut wurde. Es gibt aber auch verschiedene Fanseiten, wo wir keinen Hinweis
haben das Nestlé damit jetzt direkt verknüpft ist.
I: Gab es während der Kampagne irgendwann mal eine Situation, wo die geplante Stra-
tegie verändert werden musste, angepasst werden musste oder lief das alles nach Plan?
(Frage 9)
B: Ich habe noch nie eine Kampagne erlebt, die nach Plan verlaufen ist. Es ist sozusagen das
Wesen einer politischen Kampagne, anders wie bei einer Werbekampagne, dass man eigent-
lich immer nur einen bis eineinhalb Schritte voraus planen kann. Eine politische Kampagne
ist immer ein bisschen vergleichbar mit einem Ping Pong-Spiel oder einem Tennis-Spiel. Ich
kann mir einen Schlag vorüberlegen und kann mir überlegen: So treibe ich den Gegner jetzt
rechts ins Feld, dann ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass er mir so und so zurück-
spielt. Aber zwei Schläge im Voraus zu planen ist eigentlich nicht machbar. Das heißt, ich
muss eigentlich immer nachjustieren. Deswegen kann man nur grob sagen, dieses Ziel wollen
wir erreichen. Und dieses Ziel war klar festgelegt – wir wollten, dass Nestlé kein Palmöl mehr
bezieht aus diesen Regenwaldgebieten in Indonesien. Und es macht dann so eine Kampagne
aus, dass man eigentlich täglich neu justieren muss und reagieren muss. Deswegen ist es sehr
schwer jetzt zu sagen, wir mussten die Strategie ändern. Also wir mussten sie nie total ändern,
weil an der Randbedingung hatte sich ja nichts verändert – bis eben zu dem Tag wo Nestlé
gesagt hat: „Wir ändern unsere Verträge“, und damit war letztendlich auch die Kampagne
gewonnen.
I: Dann würden Sie abschließend sagen, dass die Kampagne erfolgreich war? (Frage 10)
B: Also sie war für uns auf jeden Fall erfolgreich, weil die drei größten Nahrungsmittel-
Konzerne ihre Einkaufspolitik jetzt klar geändert haben, und dran sind, sie zu ändern. Das ist
schon mal ein wichtiges Signal gewesen. Daran anschließend tut sich gerade sehr viel in der
Politik in Indonesien selbst, wo wir also wissen, dass jetzt Gesetze verschärft werden und
stärker gegen Korruption in diesem Bereich vorgegangen wird. Auch als Erfolg der Kampag-
ne ist zu sehen, dass die Aufmerksamkeit für das Thema Palmöl sehr gewachsen ist. Jetzt
XXII
wird auch diskutiert, wo Palmöl aus Regenwäldern noch eingesetzt wird. Das heißt, wenn
man jetzt sagt, das Problem war die Bedrohung der Regenwaldgebiete in Indonesien, dann
kann man sagen, wir sind durch diese Kampagne einer Lösung ein Riesenstück näher ge-
kommen und damit ist diese Kampagne für uns auch ein Erfolg. Sie ist zum Zweiten auch ein
Erfolg mit dem Ansatz, dass wir neue Mittel ausprobiert haben, um diese Kampagne bekann-
ter zu machen. Nämlich den Einsatz von Social Web. Das hat auch sehr gut funktioniert. Al-
lerdings muss man da natürlich sagen, dass wir von den Überraschungseffekten profitiert ha-
ben, weil Nestlé da unprofessionell reagiert hat. Das Ganze hat jetzt so viel Beachtung gefun-
den in der ganzen Werbe- und Unternehmenswelt, dass wir jetzt nicht davon ausgehen, dass
wir so ein Glück nochmals haben werden. Also von daher, es war ein Erfolg in diesem Fall,
aber den nächsten Erfolg müssen wir uns mit ganz neuen Mittel noch mal ganz anders erar-
beiten, weil einfach wiederholen lässt sich das so mit Sicherheit nicht.
I: Würden Sie sagen, dass sich durch das Web 2.0 Ihre Zusammenarbeit mit den Jour-
nalisten verändert hat? Also durch die Tatsache, dass Sie die Öffentlichkeit jetzt direkt
erreichen können – haben da die Journalisten an Bedeutung verloren oder würden Sie
da nicht zustimmen? (Frage 11)
B: Ich würde nicht sagen, dass die Zusammenarbeit mit Journalisten an Bedeutung verloren
hat. Es ist aber etwas hinzu gekommen. Web 2.0 als Kanal hat an Bedeutung gewonnen. Die
Medien haben aber eine gleichbleibend hohe Bedeutung. Es gibt natürlich manchmal The-
men, wo man sagt, es ist jetzt wunderbar, eine medienunabhängige Gegenöffentlichkeit zu
haben und man so Informationen direkt an die Menschen bringen kann. Gerade aber, wenn
man auf Unternehmen Druck ausüben will und gerade, wenn es multinationale Unternehmen
sind, dann wissen wir, dass dort besonders darauf geschaut wird, wie die Medien berichten.
Von daher sind wir weiterhin darauf angewiesen, dass Journalisten Themen aufgreifen und
darüber berichten. In diesem Fall war es jetzt so, dass weniger über das eigentliche Thema
Palmöl in den Medien berichtet wurde, sondern mehr über die Fehler, die Nestlé gemacht hat.
Aber entsprechend ist da auch Druck entstanden über die klassischen Medien oder Online-
Medien. Aber es waren jetzt eben nicht die privaten Menschen die auf ihren Facebook-
Account was geschrieben haben, sondern es waren eben auch viele Medien, die im Online-
Bereich was geschrieben haben. Das wird auch so bleiben. Aber es ist natürlich so, dass jeder
Journalist auf der einen Seite Profi ist, auf der anderen Seite aber eben auch Privatmensch und
gerade Journalisten bewegen sich auch viel im Netz und bekommen da privat viel mit und
sind auch meistens sehr gut vernetzt. Das heißt, eine Kampagne, die sehr extrem im Web
läuft, erreicht natürlich Aufmerksamkeit vom Journalisten. Nicht immer in seiner Funktion als
Profi, sondern oft auch über seinen privaten Kontakt. Aber er sieht natürlich ein Thema und
bringt das rüber für sich als Profi. Das ist natürlich ein sehr interessanter Aspekt für uns, dass
wir einfach eine größere Streuung bekommen und Journalisten deutlich machen können, wie
hat ein Thema eine Relevanz. Diese Relevanz wird dem Journalisten wahrscheinlich jetzt in
Zukunft immer häufiger nicht unbedingt über eine Presseerklärung klar werden, sondern über
das Web, wo er eben über die unterschiedlichen Kanäle Inhalte mitbekommt. Ich denke aber,
XXIII
dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein wird das sauber zu trennen. Was das Web aus-
zeichnet ist, dass diese Trennschärfe, die mal vorhanden war immer stärker verwischt, und
das muss man immer im Hinterkopf haben. Auf der einen Seite eben, dass man immer davon
ausgehen muss, wenn man was für Verbraucher macht, dass das Journalisten auch mitbe-
kommen. Umgekehrt aber auch, wenn man über das Web was für Journalisten macht, dass es
dann auch die Verbraucher und Unternehmen mitbekommen. Wir finden das gut, denn wir
versuchen immer sehr transparent zu arbeiten und das Web fördert die Transparenz. Für unse-
re politischen Gegner oder Kampagnengegner ist es aber oft eine sehr große Herausforderung.
XXIV
Telefonisches Leitfadengespräch mit Olaf Kolbrück, Reporter bei Horizont für die Be-
reiche Internet und E-Business sowie Moderator des dazugehörigen Blogs Off the re-
cord.
Geführt am 09. Juli 2010, Dauer: 30 Minuten
Ines Kübler (I): Sie sind Reporter für Internet und E-Business bei Horizont und mode-
rieren auch den Blog „off-the-record“. Würden Sie einfach kurz ganz grob beschreiben,
mit welchen Inhalten sich dieser Blog beschäftigt? (Frage 1)
Olaf Kolbrück (B): Der beschäftigt sich mit allen Inhalten – ganz grob jetzt gesagt – alles was
den Bereich Werbung und Kommunikation und den Unterbereich Social Media betrifft –
Werbung, Marketing, Medien, Social Media.
I: Ok, dann sind Sie also auch sehr stark involviert in die ganzen Herausforderungen,
die zum Teil auch auf die Unternehmen zukommen durch die Entwicklung des Social
Media-Bereichs im Internet? (Frage 2)
B: Genau, das ist sozusagen das tägliche Brot – zum einen der Fokus: Wohin entwickelt sich
Social Media? Welche Möglichkeiten, Tools und Kanäle gibt es da und wie müssen Unter-
nehmen damit umgehen und in welchen Kanälen müssen sie sich dann wann und wie beteili-
gen.
I: Und wenn ich Sie jetzt einfach mal ganz direkt frage – auf ein Unternehmen bezogen:
Welche Chancen sehen Sie denn da für Unternehmen durch das Social-Media, wenn die
das jetzt für die Unternehmenskommunikation einsetzen können? (Frage 3)
B: Also das sind mehrere. Die allererste Chance, die sich bietet, ist einfach mal ganz klassisch
aus dem Aspekt „Zuhören“ heraus, dass sie einfach feststellen können welche Wünsche und
Bedürfnisse hat ein Konsument gegenüber der Marke und wie sieht der Konsument selber die
Marke. Also es ist sozusagen, wenn man so will, eine Art von Marktforschung oder Kunden-
panel in real time. Ohne dann natürlich tatsächlich repräsentativ zu sein, aber ich bekomme
doch relativ schnell einen Einblick, wie Kunden meine Marke sehen und nicht nur die Marke,
sondern auch relativ schnell einen Einblick, zum Beispiel darin, wie Kampagnen laufen, wie
die ankommen von der awareness, bzw. wie die auch ankommen von den sentiments, also
sprich wie die tatsächlich dann wirken. Das ist das Eine. Das Zweite ist natürlich auch, wenn
wir dann ans „Reden“ gehen, dass ich dann in Dialog mit den Kunden treten kann und in dem
Dialog dem Konsumenten meine Marke erstens näher bringen kann – durch den Dialog – und
zum Zweiten damit auch auf andere Art und Weise, als es in der klassischen Kommunikation
möglich ist, die Marke auf eine andere Art und Weise erlebbar machen kann, indem ich die
dann sozusagen im Gespräch vermittle.
XXV
I: Und wenn wir uns jetzt mal gegenüber den Chancen die Risiken anschauen, die für
die Unternehmen bestehen. Da sind ja durchaus schon Kommunikationskrisen ausgelöst
worden durch das Social Web. Wie sehen Sie das? (Frage 4)
B: Also das Risiko, das hier gerne mitschwingt ist das des Kontrollverlustes. Das Risiko liegt
aber nicht am Kanal oder die Entscheidung ist ja nicht diejenige, dass Unternehmen sagen
können: „Mach ich da mit oder mach ich nicht. Und wenn ich nicht mitmache habe ich keinen
Kontrollverlust“. Den Kontrollverlust haben Unternehmen und Marken ohnehin, weil diese
Kanäle vorhanden sind und Nutzer sich in den Kanälen ohnehin über die Marke unterhalten,
sprich der Kontrollverlust findet statt, ob mit oder ohne Unternehmen. Die Krisen, die dann
tatsächlich stattgefunden haben – davon gibt es ja einige Beispiele – die basieren eigentlich
darauf, dass sich Unternehmen nicht an bestimmte Spielregeln innerhalb dieser Communitys
gehalten haben oder nicht bestimmte Spielregeln berücksichtigt haben. Um es mal ganz platt
zu sagen: Ich gehe in die Kommunikation mit dem Kunden rein. Das ist dann so ähnlich, als
wenn ich in eine Kneipe gehe und mich mit dem Kunden unterhalten will. Wenn ich dann in
eine Kneipe gehe und einen Anzug anhabe, aber in der Kneipe nur Hells Angels sitzen, dann
habe ich in diesem Moment die Spielregeln verletzt und es ist dann ganz klar, dass ich dumm
angemacht werde als Anzugträger von den Rockern. Also muss ich als Marke hingehen und
sagen: Das ist ein Kanal und ich will da mitmachen. Mir bleibt möglicherweise gar nichts
anders übrig, also muss ich mir anschauen: Wie sind die Spielregeln innerhalb dieses Kanals
und innerhalb dieser Community. Und da ist dann schon im ersten Schritt im Bereich „Zuhö-
ren“ der Fehler gemacht worden, dass man nicht genug oder nicht lang genug zugehört hat
wie diese Community spricht, welche Erwartungen sie hat und wie ich dann mit ihr umgehen
muss.
I: Und wenn dann irgendwann mal eine Unternehmenskrise vorliegt, was würden Sie als
Internetexperte raten, auf den gleichen Kanälen – also ebenfalls im Social Web – zu
antworten oder sich lieber auf traditionelle Wege zu konzentrieren, wenn man sich da
sicherer ist und im Social Web noch nicht viel gemacht hat? (Frage 5)
B: Es hängt vom Unternehmen und von der Community ab, und es hängt auch von der jewei-
ligen Krise und von den jeweiligen Vorbereitungen, die ein Unternehmen gemacht hat, ab. Es
ist zunächst einmal immer gut, dort auf die Kritiker zuzugehen, wo diese Kritiker sich befin-
den und dort sich in die Diskussion – natürlich mit offenem Visier und auch klar erkennbar als
Unternehmen – einzuschalten, weil die Diskussion einfach mal gerade stattfindet und es hat
keinen Zweck, die woanders zu führen, wo keiner hin hört. Die günstigere Möglichkeit ist
natürlich, wenn gewisse Social Media-Tools schon vorhanden sind, dann zu sagen: Ok, wir
schalten uns erst einmal in die Diskussion dort ein, wo sie stattfindet. Versuchen dann aber
die Diskussion auf unsere Plattformen zu ziehen bzw. machen das Angebot, die Diskussion
auf unserer Plattform weiter zu führen. Beispiel dafür wäre Daimler gewesen mit dem Sound-
logo von Mercedes-Benz. Da gab es ja auf einigen Blogs, Twitter, Facebook diverse Debatten
darüber, weil das mehr oder weniger so „hamstibamsti“ produziert worden ist und Jung von
XXVI
Matt, hieß es damals, dann eigentlich so ein fertiges Soundschnipsel genommen hat – von
irgendeiner CD – und es dann Mercedes für teuer Geld verkauft hat, und Mercedes ist darauf
reingefallen. Das transportierte sich dann natürlich erstmal über die klassischen Social Media
Kanäle und Mercedes ist dann auch da reingegangen und hat dann versucht, seine Position
darzustellen. Mercedes war aber zu der Zeit – bzw. Daimler – in der günstigen Situation, den
Daimler-Blog zu haben und konnte dann hingehen und sagen: „So jetzt stellen wir mal breit
unsere Sicht der Dinge auf diesem Daimler-Blog dar und laden dann dort zur Diskussion ein.“
Und das ist dann in dem Moment bei Daimler auch gelungen, die zerlegte Diskussion auf ver-
schiedenen Kanälen dann rüber zu ziehen auf den Daimler-Blog und dort zu zentralisieren
und da dann mit dem Hausrecht auch dann entsprechend besser die Diskussion, ich will nicht
sagen zu steuern, aber doch besser zu moderieren. Das ist dann das Ideale. Es macht über-
haupt keinen Sinn, die Diskussion komplett außerhalb dieser Kanäle zu führen. Also dann
einfach zu sagen: Da findet irgendwo im Social Media eine Diskussion statt, die nicht gut für
uns ist…jetzt machen wir einfach mal sozusagen die Gegendebatte auf – nur in den klassi-
schen Medien und produzieren irgendwelche PR-Mitteilungen etc., die wir rausschicken. Das
wird dann eigentlich in der Social Media-Welt immer eher nochmal als Affront gesehen, dass
man sich nicht an der Diskussion mit den Kritikern beteiligen will und führt dann eher dazu,
dass sich die Diskussion noch weiter hochschaukelt, weil man sozusagen dann ein stückweit
darunter leidet, nicht wahrgenommen zu werden oder als Diskussionspartner nicht ernst ge-
nommen wird. Das ist dann zusätzlich noch mal kontraproduktiv.
I: Grundsätzlich, wie würden Sie das beurteilen: größere Unternehmen oder Konzerne,
haben die auf Grund ihrer Hierarchie überhaupt die Möglichkeit, dieser schnellen Ent-
wicklung im Social Web nachzukommen? (Frage 6)
B: Schwierig. Also im Grunde genommen ist für viele Unternehmen erst mal die Notwendig-
keit da, die interne Unternehmenskultur so zu schaffen, dass man diese Gespräche führen will.
Da muss zunächst mal eine Bereitschaft da sein und die kommt meistens aus dem obersten
Management, sprich vom CEO oder eben halt von ganz unten – da gibt es im mittleren Mana-
gement immer so eine Nebenschicht, die vor allem darauf bedacht ist, keine Fehler zu machen
und die ist meistens ein bisschen unbequem im Social Media Bereich – also entweder kommt
es von ganz oben oder es kommt von ganz unten – von den Mitarbeitern, die schon bei
Facebook und Co. unterwegs sind – und findet dann sozusagen unter Umgehung des mittleren
Managements einen Weg zum CEO, und wird dann gewollt. Aber grundsätzlich muss zu-
nächst einmal die Unternehmenskultur dafür vorhanden sein zu sagen: Ja, wir wollen mit dem
Kunden tatsächlich sprechen – der ist uns so wichtig, dass wir mit denen reden wollen und
sehen ihn nicht nur als Absatzkanal. Und dann zum Zweiten ist natürlich auch wichtig, dass
die internen Hierarchien im Unternehmen so strukturiert werden, dass sie einen relativ schnel-
len Dialog ermöglichen. Weil wenn man die Geschwindigkeit der Diskussionen im Web ver-
folgt, dann ist das viel, viel schneller als es normalerweise die Reaktionszeit in den Unter-
nehmen ermöglicht, sprich in Unternehmen werden Statements und Aussagen oder die klassi-
schen PR-Statements werden ja häufig in mehreren Gremien und mehreren Managementebe-
XXVII
nen sozusagen chemisch gereinigt und abgestimmt, bis sie dann sozusagen mit einem Haken
versehen wieder in die Kanäle ausgespielt werden. Und diese Zeit, die ja in der Regel ein paar
Tage braucht, die habe ich im Social Media Bereich nicht. Das muss schneller gehen. Da
muss ich zumindest in der Lage sein ein kurzes Statement abzugeben, dass ich die Situation
als solche wahrgenommen habe und mich darum kümmere und mich melden werde. Und da
muss ich relativ schnell reagieren und entsprechende Kommunikation nach außen tragen. Und
um das relativ schnell und zeitig zu können, muss ich relativ flache Hierarchien und flache
Entscheidungsebenen aufbauen. Die habe ich in der Regel nicht. Die muss ich dann zumeist
erst mal schaffen. Das fällt vielen Unternehmen natürlich schwer, weil es innerhalb der Un-
ternehmen dann natürlich zu Hierarchiestreitigkeiten und Abstimmungsstreitigkeiten kommt
und immer die Frage ist, wer dann in diesen Situationen den Hut aufhat, weil es ja teilweise
auch davon abhängt, wie die Kommunikationsplattformen innerhalb eines Unternehmens
strukturiert sind. Also ist es dann in dem Fall die Aufgabe des Marketings? Ist es eine Aufga-
be der PR? Oder ist das eine Aufgabe der klassischen Kommunikationsabteilung? Oder sind
diese Fachbereiche möglicherweise schon in irgendeiner Art und Weise vorher verzahnt…
dann müssen sie verzahnt werden. Und dann die Frage – wenn die nicht verzahnt werden –
wer hat den Hut auf? Und da muss man evtl. noch eine Zwischenstation einbinden, die dann
das sozusagen gemeinsam integriert und koordiniert.
I: Aufgrund dieser allgemeinen Grundlagen, die wir eben besprochen haben, möchte ich
jetzt zu dem konkreten Beispiel Greenpeace vs. Nestlé kommen. Also der Fall ist Ihnen
ja bekannt und Sie haben auch darüber geschrieben und haben auch angemerkt das
Nestlé wohl alles falsch gemacht hat, was man falsch machen kann. Würden Sie das ein-
fach nochmals kurz begründen oder nochmals kurz Stellung dazu nehmen? (Frage 7)
B: Also der Kardinalfehler von Nestlé war, wenn man die Vorgeschichte sieht, dass da dieses
YouTube-Video gegen KitKat ins Netz gestellt worden ist und dann KitKat bzw. Nestlé ge-
sagt hat: „Oh, das wollen wir aus dem Netz verschwunden haben – bitte YouTube schmeißt
das raus!“ – von wegen Copyright-Verletzung. Und das ist im Netz im Prinzip immer der
Kardinalfehler. Also der Glaube der Unternehmen, man könnte Dinge, die einmal im Netz
sind wieder in die Zahnpasta-Tube bekommen – das funktioniert einfach nicht, weil Dinge in
irgendeiner Art und Weise an irgendeiner Stelle wieder im Netz auftauchen. Das war der ge-
dankliche Grundfehler. Der zweite Fehler in dem Zusammenhang ist gewesen, Dinge verbie-
ten zu wollen. Es gibt wohl kaum ein Verhalten, worauf die Webgemeinde sensibler reagiert,
als das Gefühl zu haben, Dinge würden im Internet zensiert oder die Meinungsfreiheit würde
sozusagen beschnitten. Ganz unabhängig davon, ob ein Unternehmen auf der rechtlichen Sei-
te ist, weil – wie gesagt das Logo ist widerrechtlich benutzt worden usw.. Das ist sozusagen
auf der rechtlichen Seite für die Web Community völlig irrelevant. Sie sagt: „Uns geht es um
Meinungsäußerung und bei Unterdrückung der Meinungsäußerung reden wir von Zensur.“
Und das führt immer dazu, dass eine weitaus größere Lawine losgetreten wird als vorher, bei
einer Geschichte, die auf einem weitaus niedrigeren Awareness-Niveau stattfindet. Also ich
sag es mal so: „Ich habe die Geschichte mit dem YouTube-Video nur aufgegriffen als Journa-
XXVIII
list, weil es aus dem Netz verschwunden war. Das YouTube-Video als solches fand ich jetzt
mehr so mindermäßig spannend – es war ganz nett und witzig aber es war jetzt nicht so der
große Reißer. Die eigentliche tatsächliche Geschichte war dann, dass Nestlé hingegangen ist
und das hat verschwinden lassen und die Leute sich darüber aufgeregt haben. Und das war
tatsächlich der Kardinalfehler: Der Versuch eine Kommunikation zu unterbinden. Da folgt
zwangsläufig der Reflex im Social Media Bereich: Da wurde etwas verboten und das geht
nicht und das müssen wir verhindern. Und das erzeugte erstmal die weitere Awareness. Der
zweite Fehler von Nestlé war – es betrifft eigentlich zwei Punkte: Der eine war, dass Nestlé
sehr, sehr spät auf die Vorwürfe von Greenpeace reagiert hat. Also die Öffentlichkeitsarbeit
hat sehr lange gebraucht – da kommen wir wieder zu dem Punkt Hierarchien – bis sie darauf
eine vernünftige Antwort gefunden hat, auf die Vorwürfe Palmöl etc.. Und dann war natürlich
das Problem von Nestlé, dass sie im Grunde genommen keinen adäquaten Kanal hatten, in
dem sie auf die Vorwürfe reagieren konnten. Und dann nämlich tatsächlich hingegangen sind
und eine Pressemitteilung rausgeschickt haben. Nach dem Motto: Wir verhandeln das künftig
so und so, und so und so… Es gab kein Ort, wo man die Diskussion für sich hätte bündeln
können, um sie sozusagen auf die eigene Plattform zu ziehen. Man hat auf den Plattformen,
die vorhanden waren – wie die KitKat-Site von Facebook – gar nicht reagiert und man hat,
indem man den traditionellen Kanal gewählt hat, die Social Media-Welt vor den Kopf gesto-
ßen, indem man nicht das Gespräch mit ihnen gesucht hat, sondern das Gespräch über ihre
Köpfe hinweg geführt hat.
I: Fällt Ihnen da ganz spontan eine Möglichkeit ein, wie Nestlé besser reagieren hätte
können – unter den Voraussetzungen, die Nestlé hatte? (Frage 8)
B: Also was mir da einfällt wäre eine klare Präsenz für einen aktiven Dialog – der über reine
Promotion hinausgeht – im Web zu haben. Das wäre die ideale Voraussetzung. Das haben sie
nicht gehabt. Was sie hätten machen müssen, wäre bei den bestehenden Möglichkeiten – bei
Facebook bspw., wo ja dann auch eine gewisse Kommentarschlacht stattfand – aktiv in die
Debatte einzusteigen und eine vernünftige Diskussionsplattform zu schaffen und dort dann
dazu einladen, in vernünftiger Art und Weise zu diskutieren. Das haben sie ja nicht gemacht.
In dem Moment, wo die Kritiker die KitKat-Fanseite entdeckt haben und dann natürlich auch
mit Guerilla-Aktionen gearbeitet haben, hat Nestlé versucht, diese Guerilla-Aktionen zu un-
terbinden. Da hätte man dann einfach sagen sollen: „Ok, lassen wir es erst mal laufen. Wir
finden es nicht gut, aber lass uns dann darüber diskutieren, warum wir das nicht gut finden
und wo all die anderen Probleme sind.“ Die Social Media Welt hat ja in dem Moment, als sie
die Facebook-Seite gekapert hat, regelrecht an die Türe geklopft und ein Gespräch auf ihre
Art gesucht. Und da ist Nestlé nochmals hin und hat quasi das Gespräch abgewürgt, anstatt zu
versuchen diese Guerilla-Aktion aufzunehmen und dann sozusagen das Gespräch in eine ver-
nünftige Bahn zu lenken. Und das war dann sozusagen der weitere Fehler, den sie in diesem
Moment gemacht haben.
XXIX
I: Sie haben auch darauf hingewiesen, dass Nestlé auf Grund der Erfahrungen von Dove
bzw. Unilever hätte gewarnt sein können. Hat Unilever da besser auf diesen YouTube
Film reagiert, weil da nichts weiter bekannt wurde bzw. nicht in dem Ausmaß, wie es bei
Nestlé der Fall war? (Frage 9)
B: Unilever ist ein Unternehmen, das sagt „Das kratzt uns nicht!“. Was Unilever richtig ge-
macht hat, ist zu sagen: „Es ist ein Netz und wir lassen es einfach laufen und wir äußern uns
nicht weiter dazu.“ Das ist natürlich auch eine Strategie, die man als Unternehmen im Social
Media Bereich fahren kann. Man muss genau hinschauen und sagen: Wie groß ist unser
Markt? Wer ist unser Markt? Wer im Social Media Bereich redet gerade über uns und wie
groß ist dessen Einfluss auf unseren tatsächlichen Kernmarkt? Wenn man sich wie Unilever
in einem Massenmarkt bewegt und dann feststellt, der Bereich, der sich gerade im Social Web
mit einem auseinandersetzt, der ist sehr klein und hat eigentlich einen sehr geringen Impact
auf unseren Käufer im Massenmarkt – da kann man dann einfach sagen: „Wir lassen es ein-
fach laufen und machen da weiter gar nichts“ – weil sich das dann irgendwann totläuft und
der Kunde es dann in der Regel ohnehin nicht mitbekommt. Und dann ist es im Grunde im-
mer noch besser, gar nichts zu machen. Das hat Unilever in dem Moment dann richtig ge-
macht. Ich wette, Unilever hat in der Zeit auch ganz genaues Monitoring gemacht und ge-
schaut, wie die Reaktionen auf den Film sind und wie viel Klicks und Views auf diesem Film
sind und wer den schaut. Und wie dann logischerweise auch der Impact ist. Sie haben also
genau nachgedacht und überlegt, was sie dann evtl. machen. Und sind dann tatsächlich zu
dem Schluss gekommen, dass sie sagen: „Das hat relativ geringen bis gar keinen Einfluss auf
die Abverkaufsraten“ – und haben dann gesagt: „Dann lassen wir„s.“
I: Dann betrachten wir nun mal die Seite Greenpeace. Wie beurteilen Sie die Planung
und den Ablauf der Kampagne an sich? Würden Sie die Kampagne im Nachhinein als
erfolgreich bezeichnen? (Frage 10)
B: Ja, ein stückweit auf alle Fälle. Zum einen ist die Kampagne sehr gelungen, weil Green-
peace eigentlich mit der KitKat-Aktion durchgängig auf alle Social Media Kanäle gesetzt hat
– von Twitter, Facebook etc. – und auch ihre eigenen Multiplikatoren in den Netzwerken mit
Informationen versorgt hat, die dann nochmals zusätzlich – jenseits von dem, was Greenpeace
als offizielles Organ verbreitet hat – alles multipliziert hat. Und Greenpeace selber hat über
eine zentrale Kampagnenplattform die verschiedenen Social Media Kanäle gebunden und auf
dieser zentralen Plattform potenziellen Aktivisten auch nochmals Material angeboten, das
diese Aktivisten dann wieder selber in die Social Media Kanäle transportieren konnten. Und
dadurch der Zielgruppe von Greenpeace, die nicht mehr in den klassischen Medien unterwegs
ist, die Möglichkeit gegeben hat, noch weitere Leute, potenzielle Sympathisanten von Green-
peace, zu erreichen. Das war schon mal sehr geschickt. Zweitens war es noch sehr geschickt,
die KitKat-Seite zumindest zeitweilig zu kapern, um dadurch dann die Hardcore-User von
KitKat auf Facebook zumindest ein stückweit zu sensibilisieren. Und was drittens auch sehr
gelungen war, war dann beispielweise der Aspekt mit dieser Twitter-Wall vor der Nestlé-
XXX
Zentrale – der Versuch, auch immer wieder die Geschichte aus dem Netz in die Offline-Welt
zu transportieren. Sei es auch mit irgendwelchen Plakataktionen in der Fußgängerzone oder
so. Um da einerseits die Offlinewelt mehr zu erreichen und da dann auch im Grunde genom-
men eine Geschichte erzählen zu können, die dann die klassischen Medien aufgreifen können.
In dem Moment war die Kampagne gut durchdacht. Sie war ein wenig glücklich, weil sie so-
zusagen durch das Verhalten von Nestlé permanent Schützenhilfe bekommen haben. Und sie
war insofern ja auch erfolgreich oder ein stückweit erfolgreich, weil Nestlé gesagt hat: „Ja
gut, dann machen wir das mit dem Palmöl mal so und so und ändern da entsprechend unsere
Lieferverträge.“
I: Wie würden sie den Einsatz von Social Media an sich für Unternehmen in Zukunft
beurteilen? Eher als Pflicht oder eher als Kür? (Frage 11)
B: Ich würde sagen als Pflicht. Denn ein Großteil der Zielgruppe und ein Großteil der nach-
wachsenden Zielgruppe bewegt sich im Social Media und ist, wenn man es richtig macht, dort
besser anzusprechen und die alte Marketingregel lautet, immer da zu fischen, wo der Fisch ist,
und der Fisch ist nun mal im Social Media. Deswegen muss ich eigentlich dabei sein. Und ich
muss auch dabei sein, um gewappnet zu sein, wenn Krisen passieren – wie im Falle Nestlé.
Da hilft es mir als Unternehmen nicht, erst dann in die Social Media-Welt einzusteigen und
dann meine Learnings in dem Moment zu machen, sondern es ist immer sinnvoller, gerade
auch mit Blick auf Krisen oder Probleme im Vorfeld meine Social Media-Kanäle bereits zu
haben. Meine Ansprechpunkte zu haben, die ich dann im Fall des Falles auch tatsächlich nut-
zen kann. Grundsätzlich ist es immer gut, da zu sein und selbst wenn ich nur hingehe und zu-
nächst keinen aktiven Dialog betreibe, sondern einfach nur die Nutzer einlade und sage: So,
hier könnt ihr über die Marke reden, und wir hören euch einfach nur zu, wenn ihr was zu sa-
gen habt – und da hat man dann vielleicht schon bald was zu sagen, wenn die aktiv sind. Das
ist eigentlich wo man „zuhört“ im Social Media, und den Nutzern eine Plattform bieten ist
eigentlich heute die Pflichtveranstaltung. Selbst reden ist dann eigentlich die Kürleistung,
weil wenn ich anfange zu reden, muss ich wissen: Worüber will ich eigentlich reden? Worü-
ber wollen die Nutzer reden? Was hab ich zu erzählen und wer soll es dann auch sagen? Das
ist dann der zweite Schritt, den ich immer machen muss.
XXXI
Telefonisches Leitfadengespräch mit Mirko Lange, Geschäftsführer talkabout commu-
nications gmbh, Blogger bei talkabout’s posterous, Chefredakteur PR-Guide.de sowie
Dozent an der Bayerischen Akademie für Werbung.
Geführt am 30. Juni 2010, Dauer: 37 Minuten
Ines Kübler (I): Sie sind Geschäftsführer der PR-Agentur talkabout communications
gmbh in München. Würden Sie mir einfach ganz kurz die Schwerpunkte und Ziele der
Arbeit Ihrer PR-Agentur beschreiben? (Frage 1)
Mirko Lange (B): Wir schauen uns an, wo Unternehmen Kommunikationsprobleme haben.
Kommunikationsprobleme, damit meine ich den Unterschied zu Managementproblemen. Al-
so, wenn ich ein schlechtes Produkt habe bspw., dann habe ich ein Managementproblem.
Oder ein schlechtes Management – dann habe ich auch ein Managementproblem. Wenn es
aber um die Vermittlung von Themen geht, um das Verständnis von Produkten, um die Poten-
tiale, um Visionen, habe ich zumeist ein Kommunikationsproblem und wir schauen uns das
dann an und schauen, mit welchen Mitteln wir am effizientesten und auch mit dem entspre-
chenden Budgeteinsatz diese Kommunikationsprobleme bestmöglich lösen können. Haupt-
sächlich kann das Pressearbeit sein, zunehmend aber auch Social Media, weil wir merken,
dass sich die Meinungsbildung, die ja meist die Grundlage eines Kommunikationsproblems
ist – also die Meinung, die ich über bestimmte Sachen habe, dass sich die ändert und weil wir
zunehmend uns darüber Gedanken machen müssen, wie können wir in diesem komplexen
Prozess der Meinungsbildung Einfluss nehmen im Interesse unserer Kunden.
I: Den Bereich Social Media betrifft auch meine nächste Frage. Die Unternehmen wer-
den durch die schnelle Entwicklung des Social Media Bereichs immer wieder vor neue
Herausforderungen gestellt. Welche Chance sehen Sie denn für die Unternehmen durch
das Web 2.0? (Frage 2)
B: Also einmal muss man ja – das ist mir wichtig, damit wir aus der gleichen Perspektive her-
aus diskutieren – ganz klar unterscheiden: Das Social Web als Phänomen und „was können
Unternehmen im Social Web machen?“. Das entscheidende ist, das Social Web – das hat jetzt
Ihre Frage nicht impliziert, aber ich finde, dass man dieses Thema einfach besser versteht,
wenn man diese klare Unterscheidung hat – findet statt. Ganz egal, ob ich jetzt selber an
Twitter oder Facebook mitmache. Das muss man einfach als Unternehmen verstehen. Egal
wie ich mich dazu verhalte oder egal, ob ich sage „Ich mag das nicht“ oder „Ich will nicht,
dass meine Kinder da drin sind, da wird ja eh nur Blödsinn geredet“ – es findet statt! Das
muss man einfach mal festhalten. Und was dort stattfindet ist, dass neue Elemente der Mei-
nungsbildung auftauchen und diese neuen Elemente sind, dass mir deutlich mehr Meinungen
von anderen und deutlich mehr Menschen zur Verfügung stehen. Also eigentlich ist das Soci-
al Web auch das, was es schon immer gab – Menschen reden miteinander. Der große Unter-
schied ist nur, dass sie das öffentlich machen, das heißt jeder kann zuhören – Punkt eins und
XXXII
zweitens, es wird dokumentiert, das heißt jeder kann es auch nachträglich Jahre später noch
finden. Das Problem ist die Sichtbarkeit dieser Gespräche, denn die Inhalte der Gespräche, die
sind nicht neu. Wenn ich als Gastronom bspw. – wir hatten heute Morgen zufällig erst das
Gespräch – schlechten Service biete oder schlechtes Essen habe, dann haben sich die Leute
auch schon früher darüber unterhalten und haben gesagt: „Mensch, das Essen war aber
schlecht.“ – nur hat es halt kein anderer mitbekommen und heute bekommen es Menschen
mit. Was die Herausforderung für Unternehmen ist, ist dass dadurch Transparenz entsteht.
Also Dinge, die vorher nur kleinen Gruppen bekannt waren, sind heute potenziell der ganzen
Welt bekannt oder allen, die es potenziell interessiert. Die erste Herausforderung ist – werden
wir auch immer gefragt – was ist die beste Krisenprävention? Die Antwort ist einfach: Die
beste Krisenprävention ist, kein Scheiß machen. Man muss einfach heute damit rechnen:
Wenn ich Managementfehler mache, dann werde ich sehr schnell auch ein Kommunikations-
problem dahinter haben. Das heißt also eigentlich ist der Ansatz, dass ich mir auch überlege,
wie kann ich mein Unternehmen, meine Services, meine Mitarbeiter, meine Dienstleistungen
besser machen. Und es gibt tatsächlich Unternehmen, die Social Media aus dieser Perspektive
sehen. Ich nenne da immer Stephan Grabmeier von der Telekom, der bei Human Ressources
angesiedelt ist, und der einen Auftrag hat – vom Vorstand Human Ressources – Social Media
einzuführen, aber mit der Zielsetzung, die Serviceorientierung der Telekom zu erhöhen. Das
finde ich den spannendsten Punkt, dass Social Media Unternehmen zwingt, besser zu werden.
I: Das heißt, eine Chance sehen Sie auch darin, dass die Unternehmen sich mit dem So-
cial Web auseinandersetzen, um auch mitzubekommen, was in der Öffentlichkeit über
sie geredet oder geschrieben wird? (Frage 3)
B: Genau. Es ist im Grunde genommen Marktforschung – nur die Wissenschaftlichkeit fehlt
im Moment. Ich kriege ein ganz ehrliches Feedback und dieses Feedback „lügt“ auch nicht.
Natürlich, Einzelne Lügen, aber wenn sich die Öffentlichkeit den Mund darüber zerreißt, dass
ich etwas schlecht gemacht habe, dann habe ich ein Problem. Dann habe ich aber nicht ein
Problem, weil es Social Web gibt, sondern ich habe ein Problem, weil ich etwas schlecht ge-
macht habe. Über Social Web bekomme ich eben sehr schnell und sehr früh ein Feedback und
kann darauf reagieren, das heißt also die Social Web-Kultur oder die Social Web-Kultur eines
Unternehmens ist einfach näher am Markt. Also Social Web bringt Unternehmen ganz nah
ran an den Markt, weil der persönliche Kontakt einfach stärker da ist – von Mitarbeitern im
Unternehmen zu Stakeholdern oder wer auch immer es ist. Und sie merken, erst im zweiten
Moment würde ich nennen, dass das Social Web Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet.
Tatsächlich ist es auch so, dass ich die als relativ gering sehe. Vor allem, wenn man vergleicht
mit den klassischen Kommunikationsmöglichkeiten, die wir in der Vergangenheit hatten, die
eigentlich hauptsächlich darauf ausgerichtet waren, Reichweite zu erzeugen. Möglichst viele
Menschen mit meinen Botschaften zu erreichen. Erst in zweiter Linie hat die PR – das ist re-
lativ modern – gesagt: Nee, ich will nicht viele Menschen erreichen, aber ich will einige We-
nige erreichen und über die dann einen größeren Hebel ansetzen. Das ist eigentlich die Idee
der PR. Und das ist eigentlich auch bei Social Media so. Wenn ich Social Media als Kommu-
XXXIII
nikationskanal nutze, sind die Reichweiten lächerlich. Das muss man einfach so sagen. Die
Lufthansa, die in Deutschland wahrscheinlich 40 Millionen potenzielle Kunden hat, hat auf
Twitter 27.000 Follower, von denen nur 3.500 deutsch sprechen. Aber sie twittern auf
Deutsch. Und 3.500 – selbst der Tölzer Landbote oder der Friesische Volksfreund – um jetzt
mal zwei kleine Regionalzeitungen zu nennen – haben Auflagen, die eher gegen 100.000 ge-
hen. Das heißt, da muss man einfach umdenken, was Reichweite angeht und das auch mehr so
verstehen, dass ich es zum Beispiel verwende – und das ist das zweite Feld neben der Social
Media-Kultur – um Multiplikatoren anzusprechen, denn – und das ist ein Begriff, den wir
heute kaum noch verwenden – Journalisten verlieren an Bedeutung – der Begriff „Journalist“.
Warum? Da gibt es immer mehr Journalisten, die nicht mehr einflussreich sind, weil sie nur
noch „copy-und-paste“-Journalismus machen und es gibt aber einflussreiche Leute, die nicht
Journalist sind – Blogger, Forumsbetreiber, wie auch immer. Oder die tollen Leute in den
Foren, die auch angesehen sind, auch Twitterer teilweise, wobei Twitterer und Blogger oft
gleich sind. Um die muss ich mich auch kümmern. Und erst im dritten Bereich gibt es viel-
leicht sowas wie Social Media Marketing, von dem ich das wenigste Potential sehe, einfach
weil wir da relativ geringe Reichweiten haben. Es wird zwar immer gesagt, dass man durch
Social Media auch den direkten Abverkauf steigern kann, wobei die Fälle, die man heute
kennt, relativ konstruiert sind und eigentlich sehr hohe Laborbedingungen haben. Also wenn
Pampers sagt, sie verkaufen auch Windeln über Facebook, dann stimmt das zwar, aber da
muss man sich auch die Verhältnisse angucken. Ich glaube Pampers USA hat knapp 300.000
Fans und hauptsächlich wahrscheinlich Mütter mit Babies. Und wenn die jetzt eine neue
Windel auf den Markt bringen und dann sagen, die haben das auf Facebook eingestellt und
haben dann innerhalb von einem Tag 1.000 Stück verkauft, dann ist das natürlich ein Ver-
kaufserfolg. Aber wenn man sieht, wie lange die gebraucht haben, um das einfach aufzubauen
– diese 280.000 Fans, die auch meistens sehr engaged sind – dann ist das nicht wirklich eine
große Zahl oder eine entscheidende Zahl. Also es wäre ein Witz, wenn es nicht so gehen wür-
de. Aber wenn man das vergleicht mit anderen Verkaufskanälen, ist es einfach ein Kanal, der
furchtbar ineffizient ist.
I: Durch das Social Web wurden schon mehrere Unternehmenskrisen hervorgerufen.
Was sehen Sie da als Auslöser? Liegt das Problem auf Seiten der schnellen Kommunika-
tion, die durch das Web 2.0 ermöglicht wird oder auf Seiten der Unternehmen, die sich
noch nicht so richtig damit auseinandersetzen? (Frage 4)
B: Unterschiedliche Dinge und ein bisschen komplexer. Also einmal müsste man sich mal
genau anschauen, was tatsächlich die Unternehmenskrisen sind. Ob Jako bspw. tatsächlich
eine Unternehmenskrise war, möchte ich bezweifeln. Das hat zwar den Weg – und die haben
den ja auch schön nachgezeichnet – bis zu einer halben Seite Handelsblatt gefunden überall
haben sie geschrieben „PR-Gau bei Jako“, aber von allem was ich weiß, von Leuten, die über
Jako dann gesprochen haben, die haben gesagt: „Es hat uns in keinster Weise im täglichen
Geschäft tangiert.“ Also, es war einfach Wurst. Es war eine große Öffentlichkeit. Also des-
wegen muss man da vorher schon mal unterscheiden – was wir oft sehen, ist eine große Em-
XXXIV
pörung. Ob da wirklich immer eine Krise dahinter steckt ist noch eine andere Sache.
Ob es generell so ist, dass Social Media der Auslöser von einer Unternehmenskrise war…?
I: Eine Kommunikationskrise eher in diesem Fall? (Frage 5)
B: Ja, aber ob die auch relevant ist, da habe ich gewisse Zweifel. Was durch Social Media
passiert, ist, dass bestimmte Nachrichten einfach schneller verbreitet werden können. Ob ich
dadurch gleich eine Krise habe? Wenn es nur schneller geht – ob es jetzt ein oder zwei Tage
früher im Handelsblatt steht – ich glaube nicht, dass das krisenrelevant ist, weil das ändert an
der Tatsache eigentlich nichts. Was eine subjektive Krise ist, ist, dass sich viele Leute dann
überfordert gefühlt haben. Da gibt es sicherlich einige Fälle, dass die Unternehmenskommu-
nikatoren hilflos und überfordert waren und dann auch dadurch in einer persönlichen Krise.
Das kann man so stehen lassen. Das wäre eine schöne Headline: Social Media fordert keine
Unternehmenskrisen, sondern persönliche Krisen der Kommunikatoren. Aber wie gesagt, ob
das jetzt tatsächlich eine Krise ist? Ja, Krise insofern, dass tatsächlich die Sachen transparen-
ter werden und dass durch Social Media Sachen bekannt werden, die sonst möglicherweise
nicht bekannt geworden wären. Das kann man vielleicht so stehen lassen. Aber es geht immer
um das „möglicherweise“. Also wenn ich irgendwie irgendein Gift in einem Nahrungsmittel
drin habe – um jetzt mal eine typische Krise außerhalb des Social Webs zu nennen – dann
mag es Fälle gegeben haben, bei denen es nicht bekannt wurde, weil es das Social Web noch
nicht gab. Aber im Allgemeinen wird es dann trotzdem irgendwie bekannt. Gerade die drama-
tischen, signifikanten Sachen verbreiten sich auch außerhalb des Social Webs. Da gibt es ja
immer noch ein bisschen investigativen Journalismus und es gibt immer noch Leute, die in
irgendwelchen Zeitungen anrufen und sagen: „Hier ist irgendwas ganz Schlimmes passiert“,
oder Monitor greift es auf oder Akte 2010 oder sonst irgendwas.
I: Aber wenn es nun wirklich der Fall ist, dass sowas im Social Web bekannt wird. Was
würden Sie dann raten? Sollen die Unternehmen auf den gleichen Kanälen antworten?
Sollten Sie auch im Social Web aktiv werden? (Frage 6)
B: Also ich sehe das auch ein bisschen anders als viele Kritiker, die auch Nestlé kritisiert ha-
ben, dass sie dann nur eine Pressemitteilung rausgegeben haben und nicht im Social Web rea-
giert haben. Das würde ich Nestlé überlassen. Wenn mir die Leute im Social Web egal sind
und meine einzige Angst ist, dass die Medien dann angestachelt durch das Social Web mitei-
nander reden oder Böses schreiben, dann sind meine einzigen Dialogpartner die Medien. Und
die Medien spreche ich am besten durch Medienarbeit an, oder?
I: Ja, das ist richtig.
B: Ja, und über Social Web spreche ich die Leute im Social Web an. Das ist jetzt natürlich
nicht ganz trennscharf, weil es natürlich auch Medien gibt, die im Social Web sind, aber ich
kann Medien immer auch außerhalb des Social Webs erreichen. Also ich kenne noch kein
XXXV
Medium, dass nur im Social Web ist. Außer Holger Schmidt vielleicht, der sagt, seine einzige
Informationsquelle wäre inzwischen Twitter, aber ich glaube ihm da nicht ganz, da polarisiert
er auch ein bisschen. Den von der FAZ meine ich.
I: Also ich hatte einmal in einem Blog gelesen – gerade zu der Nestlé Krise – es wäre eine
gute Möglichkeit für Nestlé gewesen, mit einem Film auf YouTube zu antworten. (Frage
7)
B: Ja, eine Möglichkeit wozu?
I: Er hat es so dargestellt, dass es besser gewesen wäre – anstatt mit einer Pressemittei-
lung – mit einem Video, das ebenfalls Aufmerksamkeit erregt, auf den „Angriff“ von
Greenpeace zu reagieren. Auf demselben Kanal. (Frage 8)
B: Also erstens gab es dieses Video – zwar sehr viel später – aber es gab eines. Und es gab‟s
in der einzigen Form wie Nestlé darauf reagieren konnte – es war nämlich ein Statement auf
der Aktionärsversammlung von Nestlé, wo der Vorstandvorsitzende, dessen Name ich im
Moment nicht parat habe, auch zehn Minuten nur über Nestlé gesprochen hat. Das war zwar
nicht auf YouTube, das war nur auf der Nestlé Webseite. Aber hier muss ich auch sagen, ich
weiß, das polarisiert ein Stück, aber wenn ich jetzt aus der Sicht von Nestlé gucke: Mir ist der
Blogger, der gesagt hat ich hätte gerne ein Video von Nestlé gehabt – der ist doch Nestlé total
egal. Und das meine ich nicht böse, sondern jedes Unternehmen hat die Freiheit zu sagen, ich
konzentriere mich in der Kommunikation auf bestimmte Dialoggruppen und mit anderen
spreche ich nicht. Das ist auch nicht unbedingt Arroganz notwendigerweise, sondern einfach
nur unternehmerische Effizienz. Dass ich sage, ich konzentriere mich auf bestimmte Dialog-
gruppen, wo ich meine Ressourcen einsetze und da meine Ressourcen begrenzt sind, kann ich
nicht mit jedem reden und deswegen suche ich mir aus mit wem ich rede. Das finde ich eine
ganz normale Einschätzung. Und ich finde sie nicht notwendigerweise strategisch falsch, weil
jetzt muss man nämlich noch eines betrachten: Nestlé und Greenpeace ist eigentlich ein Son-
derfall, bei dem man aber auch aufpassen muss, dass es kein Regelfall wird. Und jetzt wird es
wirklich interessant. Ich glaube, dass kaum jemand, der darin involviert war, politisch war.
Was ich damit sagen will, ist, die Leute haben nicht direkt reagiert auf die Forderung: Wir
müssen jetzt Nestlé dazu bringen tatsächlich in Indonesien etwas zu tun, um diese zum Him-
mel schreiende Ungerechtigkeit zu bewegen. Das war nicht die Motivation. Ich kann das an
vielen Stellen belegen. Das war auch nicht die Motivation der Medien. Sondern es war zu-
nächst mal: „Boah, das ist ein Schock-Video!“, „Boah, da spritzt ja Blut! – Leite ich es mal
weiter!“ oder „Boah, Nestlé hat hier Zensur betrieben. Reg ich mich mal auf!“ oder „Da ge-
hen ja Orang-Utans kaputt, das geht ja nun gar nicht!“ So, es ging immer um irgendeine Form
von Empörung und nur dieser Empörung haben die Leute Ausdruck verliehen. Und ich glaube
– ich würde sogar wetten – die Medien haben nicht über das eigentliche Problem geschrieben.
Die Medien haben immer nur über die Empörung geschrieben, die das im Social Web ausge-
löst hat. Das ist ein anderes Thema. Man sieht es an einem Fall. Das weiß ich von Volker
XXXVI
Gaßner. Das Ganze ist – nach Aussagen von Greenpeace, ich kann es nicht wirklich belegen –
erfolgreich gewesen, weil das Ganze bis hin nach Indonesien ausgestrahlt ist und Sinar Mas
selber – nicht nur wegen Nestlé, sondern wegen der ganzen Debatte, ausgelöst durch Nestlé –
selber unheimlich in die Kritik geraten ist und Sinar Mas sich dadurch gezwungen gefühlt hat.
Durch den Angriff auf Nestlé hat es auf Sinar Mas gewirkt. Meine These auch in meinen
Blogbeiträgen war ja immer, dass Nestlé selber eigentlich nichts ändern kann. Weil der Anteil
an dem Weltmarkt so gering ist, wenn die jetzt aufhören bei Sinar Mas zu kaufen, dann sagen
die: „Uns doch egal!“. Das ist so, wie wenn ich als Agentur unseren kleinsten Kunden verliere
mit einem Retainer von 1.500 EUR im Monat. Macht mich jetzt nicht wirklich fertig.
I: Sie haben ja in Ihrem einen Blogbeitrag auch die Vorgehensweise von Greenpeace an
sich kritisiert. (Frage 9)
B: Genau. Komme ich gleich drauf. Ich will nur den einen Satz noch zu Ende sagen.
I: Ja.
B: Also Greenpeace hat gesagt, dass das erfolgreich war. Den Weg dazwischen schauen wir
uns getrennt an. Aber die haben Vorhaben gehabt, die haben gesagt, sie wollen das reduzie-
ren. Dann haben sie irgendetwas gemacht, ist jetzt ganz egal warum, aber der Effekt war, dass
das, was sie vorhatten, dass der Raubbau in Indonesien reduziert wird, stattfindet. Also das
reklamiert Greenpeace für sich. Darüber hat aber kein Medium der Welt geschrieben. Und das
finde ich interessant. Und sie wussten es. Auch Greenpeace hat darüber kommuniziert. Sie
haben darüber geschrieben – über den Shitstorm, der durch das Internet ging. Aber das, um
das es eigentlich ging, nämlich die Urwaldrodung in Indonesien zu reduzieren, darüber hat
keiner geschrieben. Deshalb ist auch meine These, dass das eigentlich kein politisches Thema
war. Es war eigentlich ein künstlich aufgebauschtes Thema. Und jetzt kommen wir zu der
Sache von Nestlé. Die Sachen, die ich kritisch finde. Ja, man könnte ja sagen: „Ok, Green-
peace war erfolgreich“ – möglicherwiese, man weiß es nicht. Das ist ja auch nicht messbar –
nur laut Volker Gaßner so. Und man könnte jetzt sagen, das ist ein so wichtiges Gut, das wir
haben – unsere Umwelt und die süßen Orang-Utans – um diesen Erfolg zu rechtfertigen, ist
jedes Mittel recht. Das ist eine These. Ich persönlich habe da Schwierigkeiten mit, weil, wie
sie dazu gekommen sind, unlauter ist. Weil sie nämlich genau diese Empörung taktisch einge-
setzt haben. Und damit einfach sowohl die Medien als auch die Internetuser – oder zuerst den
Internetuser und damit auch die Medien – komplett instrumentalisiert.
I: Aber jetzt aus Sicht von Greenpeace, wenn man sich die Ziele anschaut, die Green-
peace eigentlich hat, würden Sie sie als eine erfolgreiche Kampagne bezeichnen – rein
vom Ablauf und der Planung, wie sie durchgeführt wurde? (Frage 10)
B: Erfolg misst sich einfach nur daran, ob sie ihre Ziele erreicht haben. Sie sagen inzwischen
– und auch das habe ich ja zwischendurch in Frage gestellt – sie haben ihre Ziele erreicht, auf
XXXVII
indirektem Wege, aber sie haben sie erreicht. Und wenn das der Fall ist, dann war es erfolg-
reich, Das ist richtig. Das kann man nur daran messen: „Haben die die Urwaldzerstörung in
Indonesien eingedämmt oder reduziert?“ Das ist die einzige Frage, wo man sagen kann: „Ist
es erfolgreich, oder nicht?“ Nicht wie viele Abdrucke sie jetzt hatten. Das ist immer noch
nicht der Erfolg. Das kann nicht der Erfolg gewesen sein, weil wie gesagt, meine These ist ja:
„Die Leute haben eigentlich nicht über Indonesien gesprochen.“ Also dass sie das Thema in
die Medien gebracht und Aufmerksamkeit hineingebracht haben…das ist tot! Auch jetzt
nachher, wenn man jetzt rumfragt. Es ist den Leuten scheißegal. Und das ist auch meine The-
se: Wenn man hergehen würde und den Menschen ermöglicht, Produkte zu boykottieren, die
Palmöl enthalten und die würden das dann tatsächlich tun und es würde messbar werden, dass
jedes Produkt, das keinen Stempel drauf hat mit… oder dass der Gesetzgeber zwingt, dass da
drauf steht „Palmöl enthalten“. Man erinnert nur an die Thunfisch-Dosen, wo man ja irgend-
wann kaum noch eine Thunfisch-Dose kaufen konnte, wo nicht der Stempel drauf war „del-
finfreundlich“. Können Sie sich erinnern?
I: Ja.
B: Ja und davon sind wir weit entfernt. Und deshalb kann ich das nicht beurteilen. Wie ge-
sagt, Greenpeace sagt, dass diese Empörung in Deutschland oder eigentlich diese weltweite
Kampagne so viel Druck auf Sinar Mas ausgeübt hat. Das ist die einzige Information, die ich
habe. Also sofern, lange Rede kurzer Sinn. Ich kann es nicht beurteilen. Aufgrund des media-
len Ereignisses, das reicht für mich noch nicht aus, um zu sagen, es war erfolgreich.
I: Sie haben es vorhin schon kurz angesprochen – die Reaktionen von Nestlé. Sie sagten,
Nestlé hat sich auf die Medien konzentriert. Es gab ja aber schon ein paar Punkte, in
denen Nestlé gegen die Regeln im Web 2.0 verstoßen hat. Von wegen den Film auf You-
Tube löschen lassen, den Mitgliedern auf Facebook irgendwelche Profilbilder verbie-
ten… (Frage 11)
B: Da gibt es überhaupt keine Diskussion. Da haben die sich verhalten…richtig dumm!
I: Und was meinen Sie, warum sich da ein so großer Konzern, der eigentlich von der
Kommunikationsabteilung auf Vieles vorbereitet sein müsste, so schwer tut? (Frage 12)
B: Zum Teil glaube ich – also ich kann nicht reingucken, das sind reine Spekulationen – dass
die hier eine Mischung haben. Einerseits aus individuellen Fehlern – also einige Fehler, die
wir gesehen haben, waren bestimmt individuelle Fehler. Das war ja nicht, dass ein Konzern
was anders gemacht hat, sondern da saß irgendeine Person, die da irgendwas getwittert hat
und dann beleidigt war und deswegen einfach eine falsche Wortwahl hatte. Ich kann jetzt
nicht sagen welcher von denen, aber ich würde wetten, da sind individuelle Fehler dabei ge-
wesen. Möglicherweise auch die YouTube Sperrung – weiß ich nicht, ob das wirklich mit
dem Konzern abgestimmt war oder die Aktion eines Einzelnen. Was sie möglicherweise nicht
XXXVIII
haben, was aber auch daran liegt, dass es ein relativ neues Thema ist, sind klare Richtlinien
zum Umgang mit kritischen Themen im Social Web und da arbeiten jetzt Leute dran. Das
zweite ist vielleicht auch eine gewissen Borniertheit, weil ich kann das irgendwie verstehen,
da kommt irgendwie… Also wenn man Greenpeace glaubt – und in diesem Fall glaube ich
ihnen – gibt es dieses Gespräch zwischen Nestlé und Greenpeace schon seit vielen Jahren.
Und das nervt die sowieso. Und jetzt kommen die her und stellen da noch so ein riesen Ding
an. So, jetzt bin ich auch erst mal genervt. Es sind ja auch nur Menschen. Ja, und dann, wie
gesagt, gab es bisher auch noch keine Blaupause, wo so etwas wirklich passiert ist und dann
sind einfach ein paar Fehler entstanden. Irgendwann haben sie dann auch aufgehört und woll-
ten irgendetwas sperren. Ja, sie waren irgendwie nicht gut beraten. Es war keiner da, der ge-
sagt hat, wenn ihr das macht… Also sie haben Konsequenzen falsch eingeschätzt, glaube ich
und dann falsche Entscheidungen getroffen. Ich sehe das jetzt aber nicht wirklich dramatisch,
weil dass man Konsequenzen falsch einschätzt und daraufhin falsche Entscheidungen trifft,
das kommt ständig vor. Und ich glaube auch nicht, dass das jetzt ein Regelfall ist, weil viele
Leute auch daraus lernen werden oder haben daraus gelernt. Oder sie fragen. Wir haben auch
Anfragen von richtig großen Konzernen, zumindest einen, wo wir jetzt, auch ausgelöst durch
das ganze Thema, eine Krisenstrategie entwicklen bzw. das bestehende Krisenkonzept erwei-
tern auf Social Media. Und das werden sicherlich noch mehr tun, weil die bisherigen Krisen-
pläne nicht dafür vorgesehen waren.
I: Würde Ihnen als Social Media-Experte jetzt spontan etwas einfallen, das Nestlé in
dieser Situation hätte machen können oder sagen Sie, sie hätten sich auch auf die Medi-
en konzentriert und das Social Web außen vor gelassen? (Frage 13)
B: Ja und nein. Ich glaube tatsächlich im Social Web war der Kampf verloren in dem Mo-
ment. Man stand einfach einem aufgeheizten Mob gegenüber und die wollten lynchen. Ja, ist
wirklich so wie in den alten Wildwestfilmen oder in anderen Filmen, das habe ich auch vorher
in Gesprächen schon oft gesagt. Ist so ein bisschen die Situation: Irgendwo in einem kleinen
Dorf wird halt ein Mädchen vergewaltigt und man weiß nicht, wer es war, aber in der Nähe
des Tatortes findet man einen obdachlosen Schwarzen. So, und jetzt wird dieser obdachlose
Schwarze gelyncht. Einfach deswegen weil ja irgendjemand Schuld daran sein muss.
I: Und rationale Argumente sehen Sie dann als keine Lösung mehr in der Situation?
(Frage 14)
B: Nein. Wie gesagt, es ist emotionalisiert. Es ist aufgebracht. Da ist eine riesen Empörung
da. Wie gesagt, man hätte es vorbereiten müssen. Wenn sie sofort deeskaliert hätten, auch was
ich gemacht habe: Irgendwie jetzt Argumente reinbringen, da eine Diskussion reinbringen.
Aber sie haben ja stark zur Eskalation beigetragen. Ich weiß nicht, wie diese ganze Kampagne
verlaufen wäre, wenn sie nicht auf YouTube zum Beispiel das Video gelöscht hätten. Hätte
eine ganz andere Dynamik bekommen. Und die ganzen Fehler, die sie aufgebracht haben
usw.. Oder natürlich, hätte man hergehen können und vorher die Leute identifizieren, die
XXXIX
bspw. auf Facebook posten. Auch das ist eigentlich gar nicht schlimm, da muss man erst mal
Ruhe bewahren, weil das sehen die meisten Leute gar nicht. Wenn Sie bei mir jetzt etwas pos-
ten, dann sehen das ja meine 750.000 Fans eigentlich gar nicht, sondern Ihre Fans – oder
Freunde – sehen das. Aber Sie haben möglicherweise nur zwanzig oder dreißig. Schau ich mir
an und sage: „Don„t worry!“ Dazu muss man Facebook verstehen. Klar wenn jetzt jemand auf
die Facebook.de/Nestlé geht, dann sieht er die, aber wer macht denn das schon. Der meiste
schaut sich ja nur seine eigene Seite an oder sein eigenes Profil oder seine eigene Pinnwand.
Man hätte irgendwie gar nicht aufgeregt sein müssen. Man hätte sich dann die raussuchen
können, die wirklich vernünftig sind, hätte mit denen auch argumentativ umgehen können.
Also die, die auch wirklich aufgebracht waren, und die „ Treuen“, wie man sie so schön
nennt, die überhaupt völlig links liegen lassen, völlig ignorieren. Die paar vernünftigen Leute
rausnehmen, mit denen dann auch eine Debatte führen – das ist ja das Schöne an Social Me-
dia, dass solche Debatten dann öffentlich stattfinden. Und wir kennen ja auch die 90-9-1-
Regel. 90 Prozent schauen nur zu. Also das hätte man sicher alles machen können. Aber an-
sonsten auch – und das haben sie gemacht, nur ein bisschen spät – dann einen inhaltlichen
Vorschlag machen. Und da hab ich ja auch was in meiner Naivität bzw. auch in der bewussten
oder in der absichtlichen Realität gesagt: „Ich würde einfach eine Initiative machen“. Z.B
indem ich voran gehe und genau aufschreibe in welchen Produkten bei mir Palmöl drin ist,
weil es im Moment auch keine Pflicht vom Gesetzgeber gibt. Also eine Kampagne „Pro
Palmöl“ zu machen. Sofort aus allen Kit Kat Produkten Palmöl rauszunehmen, eigens Logo
zu kreieren „Palmöl nur aus ökologischem Anbau“ und hätte gleich gesagt: „Hier, das Kit Kat
ist die gute Schokolade!“. Wenn ich Leute berate, dann sage ich auch: „Ihr müsst als erstes
identifizieren wo Ihr kritische Themen habt“ Also: wo gibt es Angriffspunkte. Die meisten
sind bekannt, die meisten sind auch nicht neu. Die entstehen ja nicht einfach so. Also auch bei
BP, gut, bei BP ist es eigentlich aus dem Nichts entstanden. Wobei das auch aus Dummheit
war. Weil man hätte damit rechnen können, dass es passiert. Bei Nestlé war es ja anders. Da
ist es ja schon vor Jahren passiert. Also der Fakt ist ja schon lange bekannt. Und es war auch
lange bekannt, dass das ein gewisses Empörungspotential hat. So, und dann muss ich diese
Sachen einfach schonungslos identifizieren: Was gibt es bei mir, in meinen Fabriken? Gibt es
Kinder, die eingestellt werden? Gibt es eine hohe Selbstmordrate in den Firmen, wo produ-
ziert wird? Was auch immer. Das eine war jetzt ja adidas, das andere war Apple, wo das jetzt
aufgekommen ist. Das sind alles Sachen, die bekannt sind. Und dass ich für jedes dieser kriti-
schen Themen im Vorfeld sage: „Es ist eigentlich leicht zu lösen – ich löse es sofort“. Oder
ich sage: „Es ist irrsinnig schwer zu lösen und ich kann es auch nicht lösen, weil es Teil mei-
ner Geschäftspolitik ist“. Dann sollte ich später dazu stehen. Dann sagt Greenpeace: „Ihr
macht Palmöl“ und wir sagen: „Ja, und wir wollen es auch so“. Dann ist auch die Empörung
weg – also zumindest bei vielen. Und bei allem, wo ich dazwischen stehe, weiß ich, da werde
ich Probleme bekommen. Und eigentlich ist dann die Aufgabe, das konsequent zu beseitigen.
Das sind die eigentlichen Aufgaben – keinen Scheiß zu bauen! So hätte Nestlé reagieren müs-
sen. Und wenn nicht, dann zumindest einen ganz klaren Plan vorlegen, was beseitigt ist. Ei-
nen, der glaubhaft ist. Und in dem Moment, in dem das eben aufkommt, lege ich ihn auf den
Tisch und sage: „Ja, wir haben das Problem erkannt und der Plan ist ers-
XL
tens…zweitens…drittens…viertens… – bis dahin wird das Problem beseitigt sein“. Das frisst
auch jeder. War bei Greenpeace ein bisschen so, aber Greenpeace hat gesagt, sie glauben das
nicht. Dieser Plan muss schon einigermaßen nachvollziehbar sein, das ist richtig. Aber das
hätte man machen können. Aber in der Kommunikation – in dem Moment, in dem das pas-
siert ist – hat Nestlé kaum eine große Chance gehabt. Also außer, es zu deeskalieren, aber sie
haben es eskaliert. Das war eigentlich das Hauptproblem und deshalb glaube ich, dass Nestlé
ein Sonderfall war. Das werden wir so nicht mehr erleben, in dieser Form.
I: Dann habe ich noch eine abschließende Frage bezüglich der Zukunft des Web 2.0.
Wie sehen Sie das in Bezug auf die Unternehmen. Wird der Einsatz von Blogs, Twitter
usw. eher Pflicht oder eher Kür sein? (Frage 15)
B: Aus meiner Sicht absolut Pflicht. Nur die Intensität ist dann eine Frage der Kür. Also
Pflicht einerseits – sehen Sie es an wie eine Messe. Auch da kann ich ja unterschiedlich große
und intensive Messestände bauen. Ich glaube, ich muss einen Blog einrichten, damit ich über-
haupt ein Organ habe für den Fall, dass ich einfach mit diesen Zielgruppen sprechen will. Das
kann ich tatsächlich über einen Blog besser als über eine Pressemitteilung. Das heißt, der
Blog muss einigermaßen da sein – ich muss mich auf jeden Fall damit auseinandersetzen und
in der Basis muss ich auch so etwas haben. Ich muss auch Monitoring machen und wenn ich
schon so weit bin, dann kann ich das auch über einfache Effekte, wie zum Beispiel RSS Fea-
tures, mit einen bestimmten Content versorgen – auf einer ganz einfachen Ebene. Das ist auch
kein Problem. Es muss nicht immer aktuell sein. Wir haben die gleiche Diskussion wie vor
fünfzehn Jahren mit dem Internet. Da war auch die Frage, ob ein Unternehmen in Zukunft im
Internet drin sein muss? Heute sagt jeder: „Ja natürlich, was denn sonst?!“ Aber auch da gibt
es ganz, ganz viele Internetseiten, die jetzt nicht unbedingt vor aktuellen Inhalten strotzen.
Und ähnlich muss man es auch im Social Web machen. Man muss das irgendwie ein Stück
weit bedienen, aber kann das durchaus auch auf kleiner Flamme tun und ohne großen Auf-
wand – einiges vielleicht auch automatisiert. Dann ist es auch kein Problem. Und in dem
Moment, wo man einen strategischen Sinn sieht und es auch strategisch nutzen kann, kann
man das beliebig hoch skalieren, wie intensiv man dann Social Web nutzt. Aber dass man es
mit bedienen muss, würde ich sagen ja, aber ist auch kein Hexenwerk.
XLI
Analysierte Blogs und Titel der Beiträge
Name des Blogs Beitrag
1 Basic Thinking Blog Greenpeace zeigt es Nestlé: Das denkt die Twitter-Welt über
KitKat.
2 Facebook Marketing.de Der Fall Nestlé.
3 Indiskretion Ehrensa-
che
Viele, viele bunte Yes Men: wie sich Aktivismus durch Social
Media verändert.
4 Lead/Marke Brands are Adapting at the Pace Imposed by their Existing
Infrastructure".
5 Metronaut.de Warum Corporate PR keine aggressiven NGO-Kampagnen
versteht.
6 Nerdcore Nestlé zensiert Greenpeace-Spot mit Copyright-Bullshit.
7 Netzpiloten Palmöl: Greenpeace vs. Nestlé.
8 Netzpolitik.org (1) Nestlé, kein Palmöl aus Urwaldzerstörung!
9 Netzpolitik.org (2) Warum Corporate PR keine aggressiven NGO-Kampagnen
versteht.
10 Off the Record (1) Virale Schock-Attacke von Greenpeace gegen Nestle Kitkat.
11 Off the Record (2) Nestle: Eine Leseempfehlung.
12 PR Blogger (1) Greenpeace schockt Nestlé.
13 PR Blogger (2) 2:0 - Greenpeace vs. Nestlé.
14 Talkabout‟s posterous Alles konstruiert. Nestlé zu verurteilen hilft weder dem Ur-
wald noch dem Orang-Utan.
15 Werbeblogger (1) Verb(r)annte Spots!? Top Streisand-Effekte.
16 Werbeblogger (2) Wenn Rivva gerade online wäre, hätte der Dienst vielleicht…
17 Werbeblogger (3) Die Marke und ihr Fan: Freund oder Feind?
18 Werbeblogger (4) Die dunkle Seite des Mems: Stadtlegenden als negative Vira-
le.
19 Yucca Tree Post (1) Peter Kruse: Social Web ist eine Lawine, die zu Tal donnert.
20 Yucca Tree Post (2) Wie man einen Shitstorm übersteht.
XLII
Hyperlinks der Blogbeiträge
1
http://www.basicthinking.de/blog/2010/04/15/greenpeace-zeigt-es-nestle-das-denkt-die-
twitter-welt-ueber-kitkat/
2 http://facebookmarketing.de/news/der-fall-nestle#more-3708
3
http://www.indiskretionehrensache.de/2010/05/viele-viele-bunte-yes-men-wie-sich-
aktivismus-durch-social-media-verandert/
4
http://ralfschwartz.typepad.com/lm/2010/03/change-the-game-michael-lebowitz-brands-
are-adapting-at-the-pace-imposed-by-their-existing-infrastru.html
5 http://www.metronaut.de/?p=1149
6 http://www.nerdcore.de/wp/?s=nestle&x=0&y=0
7 http://www.netzpiloten.de/2010/03/31/palmol-greenpeace-vs-nestle/
8 http://www.netzpolitik.org/2010/nestle-kein-palmoel-aus-urwaldzerstoerung/
9
http://www.netzpolitik.org/2010/warum-corporate-pr-keine-aggressiven-ngo-
kampagnen-versteht/
10
http://off-the-record.de/2010/03/17/virale-schock-attacke-von-greenpeace-gegen-nestle-
kitkat/
11 http://off-the-record.de/2010/03/23/nestle-eine-leseempfehlung/
12 http://klauseck.typepad.com/prblogger/2010/03/greenpeace-vs-nestle.html
13
http://klauseck.typepad.com/prblogger/2010/03/was-k%C3%B6nnte-nestl%C3%A9-
tun-und-was-tut-es.html
14 http://talkabout.posterous.com/alles-konstuiert-nestle-zu-verurteilen-hilft
15 http://www.werbeblogger.de/2010/03/18/verbrannte-spots-top-streisand-effekte/
16
http://www.werbeblogger.de/2010/03/20/wenn-rivva-gerade-online-waere-haette-der-
dienst-vielleicht/
17 http://www.werbeblogger.de/2010/03/22/die-marke-und-ihr-fan-freund-oder-feind/
18
http://www.werbeblogger.de/2010/03/30/die-dunkle-seite-des-mems-stadtlegenden-als-
negative-virale/
19 http://yuccatree.de/2010/04/peter-kruse-social-web-ist-eine-lawine-die-zu-tal-donnert/
20 http://yuccatree.de/2010/04/wie-man-einen-shitstorm-ubersteht/