Aus- und Umbaumaßnahmen im Interesse einzelner Eigentümer: Wie ist zu
verfahren und wo liegen die Risiken?
Prof. Dr. Martin Häublein
Universität Innsbruck
Das Thema – ein weites Feld
• „Baumaßnahmen im Individualinteresse“ umschreibt
einen großen Bereich sehr unterschiedlicher Fälle.
o Das wird sogleich an einigen Fällen aus der Praxis illustriert.
• Dabei werden verschiedene Bereiche des WE-
Rechts berührt, die sich durch das gesamte WEG
ziehen.
o Eigentumsrechtliche Zuordnung der Bausubstanz
o Umfang von Eigentümerrechten
o Willensbildungsprozess in der WEV
o Fragen der Kostenverteilung
o Rechte und Pflichten des Verwalters ...
• Ein erschöpfendes Referat ist daher zum Glück von
vornherein ausgeschlossen!
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Einige Praxisfälle 1) Ein Eigentümer möchte seinen Balkon „verglasen“.
2) Ein anderer möchte zwei nebeneinander liegende
Wohnungen baulich verbinden.
3) Ein Dritter möchte seine Dachterrasse vergrößern.
4) Der aufteilende Eigentümer hat sich das Recht zum
Dachausbau in der GO vorbehalten und möchte
nun davon Gebrauch machen. Die Maßnahmen
bedürfen nach der GO der Verwalterzustimmung.
5) Ein Investor überlegt, ob er vom Insolvenzverwalter
über das Vermögen eines Bauträgerunternehmens
Sondereigentumseinheiten in einem bislang nicht
errichteten Bauabschnitt erwerben soll, um diesen
dann gemäß der Planung zu errichten.
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Rahmenbedingungen • Weder die Vorschriften über bauliche Maßnahmen
am gemeinschaftlichen Eigentum (§§ 21, 22 WEG),
noch die Kostenverteilungsregeln (§16) differenzieren
zwischen Maßnahmen, die im Allgemeininteresse
liegen, und solchen im Individualinteresse. Pointiert:
Das WEG ignoriert diesen Unterschied geradezu!
• Ob die beabsichtigten Baumaßnahmen im Ergebnis
durchgeführt werden können, hängt sehr von den
konkreten Gegebenheiten ab, insbesondere von:
o den Regelungen der GO (einschließlich der Beschlusslage);
o der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums;
o den Mehrheitsverhältnisse in der Anlage.
• Ungeachtet dieser Einzelfallfragen gilt im Allgemeinen
Folgendes:
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Ausgangspunkt: Unterscheidung
von Sonder- und Gem.-eigentum • Greift der Eigentümer allein in das SE ein, richtet sich
die Zulässigkeit seines Verhaltens nach §§ 13, 14
WEG.
o Mit dem SE kann er nach Belieben verfahren, muss dabei
aber die Rechte der anderen wahren; ihnen darf kein
Nachteil entstehen, der über das bei einem geordneten
Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht.
o Einzuhalten sind etwa Vorgaben des Baurechts/der Statik
oder des Brand- und Schallschutzes.
• Betreffen die Baumaßnahmen hingegen (auch) das
GE, kommen die §§ 21, 22 (i.V.m. § 14) WEG ins Spiel.
• Diese Normen zu kennen, ist für den Verwalter sehr
wichtig, da er die Willensbildung zu organisieren und
ggf. auch Beschlüsse auszuführen hat. Berlin, 18.09.2014 22. Deutscher Verwaltertag
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Zum Nachteil i. S. v. § 14 Nr. 1 WEG • Als Nachteil wird jede nicht ganz unerhebliche
Beeinträchtigung verstanden (BGHZ 116, 392; einh. M.).
• Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein
Wohnungseigentümer in der betreffenden Situation
verständigerweise beeinträchtigt fühlen darf. Dabei
kommen nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen in
Betracht (BGHZ 191, 198, Rn. 14; st. Rspr.) .
o Zu diesen Nachteilen gehören z,B. nachteilige
Veränderungen des optischen Gesamteindrucks, die Möglichkeit einer intensiveren Nutzung oder Eingriffe in die
Statik, deren negative Auswirkungen auf das GE nicht
auszuschließen ist.
• Ob dieser Nachteil bei geordnetem Zusammenleben
„unvermeidlich“(besser wäre: „hinzunehmen“) ist, muss
durch Interessenabwägung im Einzelfall ermittelt werden.
o Dabei sind die grundrechtlich geschützten Positionen zu
berücksichtigten (vgl. etwa BGH NJW 2010, 3093). Berlin, 18.09.2014 22. Deutscher Verwaltertag
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Tendenz der Gerichte: Schwelle für relevanten Nachteil eher niedrig!
• Das BVerfG (ZMR 2005, 634) hat in der Rechtsprechung zu
Recht die generelle Tendenz ausgemacht, die Schwelle für
die Annahme einer Beeinträchtigung gem. §§ 22 Abs. 1, 14
Nr. 1 WEG niedrig anzusetzen.
o Im konkreten Fall hob es daher eine Entscheidung des BayObLG auf,
das einem Eigentümer wegen fehlender optischer Beeinträchtigung
den Anbau eines Wintergartens gestattet hatte.
• Das Kriterium der Unvermeidlichkeit erweist sich damit
als veränderungsfeindlich. o §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG sind rechtspolitisch fragwürdig.
• Die restriktive Tendenz ist vor allem dort problematisch,
wo ein Einzelner mit der baulichen Veränderung auch
übergeordneten Belangen dient. o Beispiel: Errichtung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
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Folgt aus § 22 Abs. 1 WEG ein Beschlusserfordernis?
• Der seit der WEG-Novelle 2007 geführte Streit um die Auslegung des § 22 Abs. 1 BGB hat etwa im Falle eines Wanddurchbruchs praktische Bedeutung. Die Vorschrift lautet:
Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gem. Eigentums hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungseigentümers nicht in der in Satz 1 bezeichneten Weise beeinträchtigt werden.
• Nach der wohl herrschenden Ansicht kann die Zustimmung nur noch durch Beschluss erteilt werden (grdl. Merle ZWE 2007, 374; ausf. Hügel FS Merle, 167; sowie einige LG, etwa HH und Berlin).
o Nach a.A. kommt – wie vor der Novelle – auch eine Zustimmung außerhalb der WEV in Betracht (Häublein ZMR 2007, 409, 420).
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Was gilt, wenn keinem anderen Eigentümer ein Nachteil entsteht?
• Betrachtet man die Begründung der h. M., liegt es
nahe, einen Beschluss auch dann zu fordern, wenn es
auf die Zustimmung der übrigen Eigentümer gem. § 22
Abs. 1 S. 2 WEG mangels Nachteils gar nicht ankommt. o Kümmel (ZMR 2007, 932, 933) bejaht das ausdrücklich. Reichert (ZWE
2012, 183) meint, bauliche Veränderungen des GE, die einem
Eigentümer mangels Beeinträchtigung völlig unbekannt bleiben
können, solle es nach der Gesetzesreform im Gegensatz zu der
früheren Rechtslage nicht mehr geben. Auch Hügel und Merle (vorh.
Folie) fordern grundsätzlich eine Befassung der WEV.
• Bei der Abstimmung sind auch diejenigen Eigentümer
stimmberechtigt, die durch die Maßnahme nicht
nachteilig betroffen sind (ganz h.M.).
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Konsequenzen dieser Ansicht?
• Nach der beschriebenen Ansicht bedürfte - entgegen BGHZ 146, 241 - der Wanddurchbruch jedenfalls dann eines Beschlusses, wenn die Wand im GE steht, was bei tragenden Wänden oder Decken stets der Fall ist. o Nichttragende Wände hingegen bilden nach ganz h. M.
Mitsonder-/Nachbareigentum der benachbarten Sondereigentümer (zweifelhaft). Für sie gilt § 22 WEG nicht.
o Nur bei diesen Wänden kann ein Durchbruch, der die öffentlich-rechtlichen Vorgaben beachtet, gegenwärtig noch auf der Basis von BGHZ 146, 241 durchgeführt werden.
o Ungeklärt ist, ob in diesen Fällen eine Pflicht des Einzelnen besteht, die Maßnahme anzuzeigen.
• Was aber gilt, wenn der Eigentümer nachweist, dass sein Durchbruch baurechtlich/statisch unbedenklich ist, dieser aber gleichwohl das GE betrifft?
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Pflicht zur Zustimmung? • Nach h. M. kann der bauwillige Eigentümer von den
anderen, die nicht nachteilig i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG betroffen sind, den Gestattungsbeschluss verlangen. S. dazu etwa BGH ZWE 2012, 83; LG Berlin ZWE 2011, 181.
Nach h.L. schließt § 22 Abs.1 S.2 WEG das StimmR nicht aus!
• Baut der Eigentümer ohne Beschluss, kann kein Rück-bau verlangt werden, da die Eigentümer zustimmen müssen (§ 242 BGB; vgl. BGH, LG Berlin jew. a.a.O.).
• Kritik: Das Beschlusserfordernis errichtet eine förmliche Schranke, die unnötig Streit um die Zustimmungspflicht provoziert. Problematisch erscheint der Anspruch auf Zustimmung wegen § 16 Abs. 6 WEG (Kostenlast!). Hinweis: Soll der Gestattungsbeschluss die Kostenfrage mit-
regeln, ist § 16 Abs. 4 WEG zu beachten. Alternativmodelle: Zustimmung „unter Verwahrung gegen die Kostenlast“ (?) oder Enthaltung aller bei alleiniger Zustimmung des Bauwilligen.
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Exkurs: Stimmrechtsausschluss beim Gestattungsbeschluss
• Bei Enthaltung der nicht betroffenen Eigentümer kann ein Gestattungsbeschluss für den Wanddurchbruch nur zustande kommen, wenn der Bauwillige bei der Abstimmung mitwirken darf.
• § 25 Abs. 5 Var. 1 WEG könnte dem entgegen stehen. o Stimmverbot bei Vornahme eines auf die Verwaltung des GE
bezüglichen Rechtsgeschäfts mit dem Eigentümer.
• Die Zustimmung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. o BayObLGZ 1974, 269; BGHZ 191, 198 geht darauf gar nicht ein.
• Aber: Im Anschluss an BGHZ 152, 46 (Stimmrecht des
Verwalter-Eigentümers bei seiner Bestellung) wird der Wortlaut von § 25 Abs. 5 WEG eingeschränkt. Dem Bauwilligen ist die Mitwirkung bei der Abstimmung gestattet. o BayObLG ZMR 2004, 209; anders noch BayObLGZ 1974, 269.
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Zustimmungsbedürftigkeit aus anderen Gründen?
• Ein Mitwirkungserfordernis kann sich u.U. aus anderen
Umständen ergeben, die mit der Baumaßnahme im
Zusammenhang stehen.
• Mit der Vergrößerung einer Dachterrasse etwa wird
häufig die Usurpation gemeinschaftlicher Dachfläche
einhergehen. Eine solche Sondernutzungsbefugnis
bedarf einer Vereinbarung.
• Geht mit der räumlichen Verbindung zweier Einheiten
die „rechtliche Verbindung“ einher, ist hierfür keine
Zustimmung der übrigen Eigentümer erforderlich.
o Allerdings können sich Folgefragen ergeben, z.B. über den
Umgang mit dem Objektstimmrecht oder bei Verteilung von
Kosten nach der Anzahl der Einheiten.
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Ausschluss der Mitwirkung durch GO • Da § 22 WEG dispositiv ist, können Beschluss- und
Zustimmungserfordernis abbedungen werden.
• In der Praxis ist das etwa bei Ausbaurechten weit verbreitet oder etwa bei der Gestattung zur Umgestaltung von Sondernutzungsflächen.
• Die Ausübung derartiger Rechte unterliegt stets der Bindung durch das Gemeinschaftsverhältnis. Häufig neigen Gerichte hier zu einer restriktiven Auslegung! o Für derartige Vereinbarungen gelten die allgemeinen
Auslegungsregeln. Als eingetragene Regelungen sind sie nach ihrem Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt, auszulegen; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind.
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LG Berlin v. 16.7.2013, 55 S 171/12, ZMR 2014, 383
• Nach der TE/GO war das Anbringung von Balkonen zu
dulden. Der berechtigte Eigentümer legte der WEV eine
Planung zur Abstimmung vor. Da nicht alle Eigentümer
zustimmten, wurde ein Negativbeschluss verkündet.
• Dessen Anfechtung blieb erfolglos.
• Nach Ansicht des LG bezieht sich die Duldungspflicht in der
TE/GO nur auf das „Ob“ eines Balkonanbaus.
• Die Entscheidung über das „Wie“ obliege gem. § 22 Abs. 1
WEG allen (betroffenen) Eigentümern.
• Einen Zustimmungsanspruch des Berechtigten lehnte das LG
ab, weil die vorgelegte Planung weder Material noch
Farben und überhaupt nur grobe Einzelheiten erkennen ließ.
• LG: „Ein Beschluss, der zustimmungsfähig ist, wird möglicherweise
Architektenzeichnungen beinhalten oder vergleichbare Darstellungen
mit Einzelheiten, was Material, Optik und Technik anbelangt.“ Berlin, 18.09.2014
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Erfordernis einer Verwalterzustimmung • In der GO kann die Vornahme einer baulichen Veränderung
von der Verwalterzustimmung abhängig gemacht werden.
• Entsprechende Vereinbarungen lassen oft nicht erkennen,
ob die Zustimmung des Verwalters eine zusätzliche Hürde für
die Baumaßnahme sein soll oder ob die Zustimmung durch
die betroffenen Eigentümer und/oder der Beschluss durch
die des Verwalters ersetzt werden sollen (Auslegungsfrage!).
• Nach h. M. tritt die Verwalterzustimmung im Zweifel neben
die gesetzlichen Voraussetzungen.
• Ähnlich wie bei Veräußerungszustimmungen nach § 12 WEG
kann statt des Verwalters die WEV entscheiden.
o Folgt man der Ansicht, nach der eine bauliche Veränderung
stets eines Mehrheitsbeschlusses bedarf, ist nicht zu erkennen,
welche eigenständige Bedeutung die Verwalterzustimmung
nach haben könnte.
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Kostentragungsregelung • Bei Maßnahmen im Individualinteresse soll in aller Regel der
Bauwillige die Kosten, inkl. der Folgekosten, tragen.
• Das ist gegenwärtig rechtssicher kaum zu erreichen.
• Wird der Gestattungsbeschluss unter dem Vorbehalt der
Finanzierung durch den Bauwilligen gefasst, soll er auch die
Folgekosten tragen müssen (OLG Düsseldorf NZM 2006, 109).
o Es wird vertreten, diese „Verwahrung gegen die Kostenlast“
komme noch immer neben der Möglichkeit in Betracht, einen Beschluss nach § 16 Abs. 4 WEG zu fassen.
o Das überzeugt nicht, weil dadurch die Vorgaben dieser Norm umgangen würden (aA Jennißen/Hogenschurz § 22 Rn. 25).
o Allenfalls kann eine bedingte Zustimmung beschlossen werden.
• Ob der Verwalter etwaige Folgekosten gleichwohl nach einem
solchen (bestandskräftigen) Beschluss zu verteilen hat, hängt von
der Reichweite der Beschlusskompetenz ab.
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Folgekosten als „Einzelfall“? • § 16 Abs. 4 WEG gibt der doppelt qualifizierten Mehrheit die
Möglichkeit, „im Einzelfall“ die Kosten zu regeln.
o Die Norm bedarf der Korrektur; bereits das Mehrheitserfordernis
ist für Maßnahmen im Individualinteresse unangemessen hoch.
• Ob auch Folgekosten nach § 16 Abs. 4 WEG verteilt werden
können, ist hoch kontrovers; es herrscht große Unsicherheit.
o Als Absicherung wird eine Kostenübernahmevereinbarung der
Gemeinschaft mit dem Bauwilligen vorgeschlagen, die durch Reallast gesichert wird (Bärmann/Becker § 16 Rn. 35).
• Sollte dies vom BGH verneint werden, wären auf Verteilung
der Folgekosten gerichtete Beschlüsse nichtig.
o Verwalter, die gegenwärtig nach diesen Beschlüssen abrech-
nen, begehen m.E. keine (schuldhafte) Pflichtverletzung.
o Im Zweifel ist ein solcher Beschluss dahin auszulegen, dass dem
Bauwilligen nur die Mehrkosten auferlegt werden sollen, was
insb. bei Dachausbauten äußerst relevant ist.
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Anwendbarkeit von § 16 Abs. 6 WEG bei Fehlen einer Kostenregelung?
• „Ein Wohnungseigentümer, der einer Maßnahme nach § 22 Abs.
1 nicht zugestimmt hat, ist nicht berechtigt, einen Anteil an
Nutzungen, die auf einer solchen Maßnahme beruhen, zu beanspruchen; er ist nicht verpflichtet, Kosten, die durch eine
solche Maßnahme verursacht sind, zu tragen.“ (§ 16 Abs. 6 S. 1)
• M.E. ist § 16 Abs. 6 WEG auf bauliche Veränderungen im
Individualinteresse nicht anzuwenden, wenn Nutzungen
durch den Zustimmenden nach Art der Maßnahme ausge-
schlossen sind; die Norm setzt diese Möglichkeit voraus.
• Da diese Frage aber – wie viele andere – kontrovers ist, und
die h.M. von einer Anwendbarkeit der Norm ausgeht, wird
verbreitet eine namentliche Abstimmung empfohlen.
o Sofern der Verwalter darauf sowie auf § 16 Abs. 6 WEG und die
Unsicherheiten bzgl. der Regelung der Folgekosten hinweist, wird die Mehrheit i.d.R. den Beschlussantrag ablehnen.
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Gestattung von Maßnahmen im Individualinteresse durch Beschluss gem. § 22 Abs. 2 WEG?
• Die Zustimmung derjenigen, die durch die Baumaßnahme einen Nachteil i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG erleiden, ist entbehrlich,
wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 WEG vorliegen.
• Modernisierungen gem. § 555b BGB können auch vorliegen,
wenn die dort genannten Vorteile nur bei der Wohnung des
bauwilligen Eigentümers zum Tragen kommen, etwa deren
Gebrauchswert nachhaltig erhöhen.
• Der BGH hat zu Recht entschieden, dass trotz des Verweises
auf das Mietrecht der Begriff „Modernisierung“ im WEG
weiter verstanden werden kann (BGH ZMR 2011, 490).
o AG Charlottenburg (ZfIR 2012, 890), AG Konstanz (ZMR 2008, 494)
sehen in der Errichtung von Wintergärten keine Modernisierung
(aA etwa J.-H. Schmidt, Bärmann/Seuss, C Rn. 163).
o Lt. Reg.-Begr. zur WEG-Novelle wird bei uneinheitlicher Balkon-
verglasung sogar die Eigenart der Wohnanlage verändert.
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Konsequenzen für den Verwalter • Da ein Gestattungsbeschluss über die Verglasung von
Balkonen und Loggien in Bestandskraft erwachsen kann, müssen die ablehnenden Eigentümer anfechten.
• Eine Anfechtung kann bereits deswegen Erfolg haben, weil der Beschlussantrag nicht ausreichend vorbereitet wurde.
o Eine Gestattung, die keinerlei Vorgaben zur Gestaltung enthält, widerspricht i. d. R. ordnungsmäßiger Verwaltung.
o Konkrete Vorgaben für die Ausführung erscheinen bereits deswegen geboten, weil die Fassade GE ist (Planung notw.)!
• Eine Haftung des Verwalters wegen fehlerhafter Beschluss-verkündung scheidet m.E. aus, wenn er sich sorgfältig seine Meinung über die Zuordnung der Maßnahme zu § 22 Abs. 1 oder 2 WEG gebildet hat und danach verfährt.
o Seine Einschätzung sollte der Verwalter als Leiter der WEV vor der Abstimmung bekannt geben, damit die Eigentümer die Mehrheitserfordernisse Kennen. U.U. wird die Mehrheit dann einen anderen Verssammlungsleiter wählen.
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Exkurs: Anspruch auf Beseitigung einer Veränderung
• Wird eine rechtswidrige Aus- oder Umbaumaßnahme
vorgenommen, kann jeder Eigentümer grundsätzlich deren
Unterlassung/Beseitigung verlangen (Individualanspruch).
o Ausnahmen folgen vor allem aus Treu und Glauben (§ 242
BGB), etwa wenn der Eigentümer zustimmen müsste (s.o.) oder
der Zustand lange geduldet wurde (Verwirkung).
• Die WEV kann aber beschließen, diese Individualansprüche durch die Gemeinschaft geltend zu machen (s. § 10 Abs. 6
S. 3 Var. 2 WEG; sog. Ansichziehen der Ansprüche).
o Die Gemeinschaft schuldet dann jedem Miteigentümer die
rasche ordnungsmäßige Durchsetzung des Anspruchs.
o Der Verwalter hat dies zu organisieren.
• Ohne einen Beschluss ist der Verwalter weder berechtigt
noch verpflichtet, den Störer in Anspruch zu nehmen (auch
wenn Eigentümer das immer wieder fordern). Berlin, 18.09.2014
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Fazit und Ausblick • Die Unterscheidung von Baumaßnahmen im Gesamt- und
Individualinteresse schlägt sich im Wortlaut des WEG nicht
nieder. Daran hat auch die WEG-Novelle nicht geändert.
o Die amtl. Begründung offenbart, das bauliche Veränderungen
im Gesamtinteresse im Mittelpunkt standen (krit. dazu etwa J.-H.
Schmidt, in: Bärmann/Seuß C Rn. 72 ff.).
• Die Umsetzung der Unterscheidung entgegen dem Wortlaut
des Gesetzes erfordert hohen jur. Argumentationsaufwand.
• Das betrifft vor allem die gesetzlichen Regelungen über die
Kosten. Deren Vorgaben werden den spezifischen Interessen
solcher Eigentümer nicht gerecht, die sich der Maßnahme
eines Miteigentümers zwar nicht verschließen, aber dadurch
keine finanziellen Nachteile erleiden möchten.
• Rechtspolitisch erscheint es wünschenswert, dass gewollte
bauliche Änderungen nicht aus diesem Grunde scheitern.
Berlin, 18.09.2014 22. Deutscher Verwaltertag
Referent: Martin Häublein 23
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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