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Augustus’ Erlass und Gottes Macht: Überlegungen zur Charakterisierung der Augustusfigur und ihrer...

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New Testament Studies http://journals.cambridge.org/NTS Additional services for New Testament Studies: Email alerts: Click here Subscriptions: Click here Commercial reprints: Click here Terms of use : Click here Augustus’ Erlass und Gottes Macht: Überlegungen zur Charakterisierung der Augustusfigur und ihrer erzählstrategischen Funktion in der lukanischen Erzählung Christian Blumenthal NewTestament Studies / Volume 57 / Issue 01 / January 2011, pp 1 30 DOI: 10.1017/S0028688510000202, Published online: 16 December 2010 Link to this article: http://journals.cambridge.org/abstract_S0028688510000202 How to cite this article: Christian Blumenthal (2011). Augustus’ Erlass und Gottes Macht: Überlegungen zur Charakterisierung der Augustusfigur und ihrer erzählstrategischen Funktion in der lukanischen Erzählung. New Testament Studies, 57, pp 130 doi:10.1017/S0028688510000202 Request Permissions : Click here Downloaded from http://journals.cambridge.org/NTS, IP address: 130.194.20.173 on 20 Mar 2013
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  • NewTestamentStudieshttp://journals.cambridge.org/NTS

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    AugustusErlassundGottesMacht:berlegungenzurCharakterisierungderAugustusgurundihrererzhlstrategischenFunktioninderlukanischenErzhlung

    ChristianBlumenthal

    NewTestamentStudies/Volume57/Issue01/January2011,pp130DOI:10.1017/S0028688510000202,Publishedonline:16December2010

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  • Augustus Erlass und Gottes Macht:

    Uberlegungen zur Charakterisierung der

    Augustusfigur und ihrer erzahlstrategischen

    Funktion in der lukanischen Erzahlung*

    CHRISTIAN BLUMENTHALAm Eichelberg 31, D-52396 Heimbach, Germany.email: [email protected]

    It has long been noted by interpreters of Luke . that by the reference toCaesar Augustus and his decree Luke opens up a worldwide horizon in orderto underline the universal importance of Jesus birth. While the recent discussionof this short passage is largely concerned with explaining the historical back-ground of the decree and its initiator Augustus, the present study, in whichLuke-Acts is read as a narrative, provides a detailed analysis of the Lukanpicture of Caesar Augustus. By use of a narratological approach it examineshow Luke characterizes the figure of this Roman emperor and what role heand the decree play in the narrative in Luke , especially in relation to thecharacterization of God and Jesus Christ. At the end of this study its resultsare related to the geographical orientation of the world presented by Luke inthe first two chapters of his Gospel.

    Keywords: Gospel of Luke, infancy narrative, Caesar Augustus, narratologicalapproach, Luke , Lukan picture of God

    I. Zur Fragestellung

    . Nach dem metanarrativen Promium in Lk . erffnet Lukas mit der

    Prpositionalphrase seineErzhlung und legt damit die raum-zeitlichen Koordinaten der erzhlten Welt

    fest. Indem er dabei seinen Erzhladressaten in die Zeit der Regentschaft von

    Knig Herodes an den Ort Juda fhrt, gibt er einen unmissverstndlichen

    * Fr die Hilfe beim Korrekturlesen danke ich meiner Schwester, Susanne Fuchs, und Herrn

    Kaplan Helmut Finzel.

    Dieser Prpositionalphrase geht nur das Prdikat voraus. Vgl. K. Lning, Das Geschichtswerk des Lukas. Bd. : Israels Hoffnung und Gottes Geheimnisse

    (Urban Taschenbcher ; Stuttgart u.a.: Kohlhammer, ) : Die erzhlte Welt wird

    New Test. Stud. , pp. . Cambridge University Press, doi:10.1017/S0028688510000202

  • Hinweis darauf, dass er einen Teil aus der Geschichte Israels erzhlen will. Diese

    ganz auf Israel fokussierte Einstellung des Erzhlwinkels erfhrt unmittelbar zu

    Beginn des zweiten Kapitels durch die Bezugnahme auf den Erlass von Kaiser

    Augustus in Lk . eine massive Ausweitung, da als Geltungsbereich

    dieses Erlasses innerhalb der erzhlten Welt der gesamte Erdkreis ( ) angegeben wird. Erzhlstrategisch dient die Einnahmedieser weltweiten Perspektive nach weitgehend bereinstimmender

    Forschungsmeinung dazu, die weltpolitische Bedeutung des nachfolgend

    erzhlten Geschehens, d.h. der Geburt Jesu in Bethlehem, herauszustellen.

    Neben dieser Funktionsbestimmung im Sinne einer Perspektivenweitung ist

    in der Forschung natrlich auch immer wieder gesehen worden, dass Lukas diese

    Bezugnahme auf den kaiserlichen Erlass innerhalb seiner Erzhlung dazu einge-

    setzt hat, die Geburtserzhlung zu datieren und einen Anlass fr die

    Bethlehemreise von Josef und der schwangeren Maria zur Hand zu haben.

    Dass der Bezugnahme vor allem eine solche literarische Funktion zukommt,

    zuerst in ihrer historischen Dimension konstruiert als Zeit-Raum der im folgenden erzhlten

    Handlung. Fixpunkt der Koordinaten ist der Name Herodes des Groen.

    Aus der Tatsache, dass Lukas dem kaiserlichen Erlass innerhalb seiner Erzhlung einen welt-

    weiten Geltungsbereich zubilligt (= ), knnen nichtohne weiteres Rckschlsse darauf gezogen werden, dass unser Erzhler auch auerhalb

    dieser Erzhlung der kaiserlichen Propaganda folgt (vgl. zur Propagierung der neuen

    Monarchie D. Kienast, Augustus, Prinzeps und Monarch [Darmstadt: Wissenschaftliche

    Buchgesellschaft, ] ) und diese als faktische Geographie einstuft (im Sinne von

    Augustus als tatschlichem Herrscher ber die ganze Welt). Kurzum: Aus den Angaben in

    Lk . ist nicht mehr und nicht weniger zu entnehmen, als dass unser Erzhler innerhalb

    seiner erzhlten Welt Augustus Erlass die ganze Welt betreffen lsst und damit

    erzhlstrategisch den Aufweis der weltweiten Bedeutung der nachfolgend erzhlten Geburt

    Jesu vorbereitet (dazu weiter oben im Text).

    H. Klein,Das Lukasevangelium (KEK /; Gttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, ) ; vgl.

    weiter z.B. J. Ernst, Das Evangelium nach Lukas (RNT; Regensburg: Pustet, ) ; M.

    Wolter, Das Lukasevangelium (HNT ; Tbingen: Mohr Siebeck, ) merkt an, dass

    den Lesern jetzt signalisiert [wird], dass sie es nunmehr mit Ereignissen von weltgeschichtli-

    cher Bedeutung zu tun bekommen. H. Schrmann,Das Lukasevangelium. Lk .. (HThK

    /; Freiburg u.a.: Herder, [Sonderausgabe]) beobachtet, dass mit der Nennung des

    Kaisers Augustus ein weltweiter Horizont aufgerissen ist und so die Geburt Jesu in ihrer uni-

    versalen Bedeutung kenntlich gemacht wird.

    So beispielsweise F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas (EKK /; Zrich: Benziger/

    Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, ) .

    Fr viele ist z.B. Schrmann, Lk , zu vergleichen, fr den die Erwhnung des census dem

    Bethlehemmotiv untergeordnet ist; etwas rigoros scheint Wolters Einschtzung, fr den die

    Skizzierung des zeitgeschichtlichen Hintergrundes keine andere Funktion [hat], als ein plau-

    sibles Szenario fr Marias Reise nach Bethlehem aufzubauen (Lk, [Hervorhebung C.B.).

    So Ernst, Lk, bezogen auf die Funktion, Maria mit Josef von Nazareth nach Bethlehem zu

    fhren.

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • ergibt sich beispielsweise fr Ernst aus der Beobachtung der historischen

    Unstimmigkeiten in Lk .. Im Einzelnen rechnet er die Tatsachen dazu,

    dass eine weltweite Volkszhlung oder Steuerveranlagung unter Augustus in

    den Quellen nicht belegt ist und dass auch der Bezug dieser Manahme auf

    die jeweilige Heimatstadt historisch nicht verbrgt ist. Als besonders problema-

    tisch erscheint ihm die Frage, wie Quirinius bzw. die von ihm durchgefhrte

    steuerliche Manahme (/ n. Chr.) mit der Geburt Jesu in der Zeit des Knigs

    Herodes in Einklang gebracht werden kann. Diese Fragestellung hat andere

    Ausleger im Hinblick auf die lukanischen Adressaten zu der Annahme veranlasst,

    dass die ideal audience would likely have grasped the associations Luke draws

    between the birth of Jesus and this major event under Quirinius without being

    familiar enough with the issues of historical chronology to quarrel with the

    narrator.

    . Solche historisch interessierten Rckfragen haben ber lange Zeit die

    Auslegung von Lk . mageblich bestimmt, wobei sowohl nach dem

    Modus des census gefragt wurde als auch eine Vielzahl von Mglichkeiten zur

    Harmonisierung der einzelnen Zeitangaben vorgeschlagen wurde. Bedingt

    durch diese Konzentration sind berlegungen zur erzhlstrategischen Funktion

    der Erwhnung des rmischen Kaisers und seines Erlasses etwas an den Rand

    gedrngt worden, insbesondere was die Art und Weise der Zeichnung der luka-

    nischen Augustusfigur, ihre Platzierung im Erzhlverlauf und die dadurch beding-

    ten Auswirkungen auf den Entwurf des lukanischen Gottesbildes angeht. Dies

    Ernst, Lk, ; weiter ebd. .

    Ernst, Lk, .

    Ernst, Lk, .

    J.B. Green, The Gospel of Luke (NIC; Grand Rapids, MI: Eerdmans, ) .

    Sie prgt sowohl die Augustus-Eintragung im Neuen Bibellexikon (M. Weber, Art. Augustus,

    NBL [] ) als auch S. Schneiders einschlgigen Eintrag im Personenlexikon

    zum Neuen Testament (Dsseldorf: Patmos, ) ; vgl. ferner den Exkurs Die

    Steuerveranschlagung von Lk , (der sog. census) bei Klein, Lk, (dort mit weiteren

    Literaturangaben in Anm. ) und die Ausrichtung des Sammelbandes: Herod and Augustus.

    Papers presented at the IJS Conference, strd June (hg.v. D.M. Jacobson/N. Kokkinos;

    IJS Studies in Judaica ; Leiden: Brill, ).

    Diesbezglich beobachtet Wolter aufbauend auf seine berlegungen, wann Maria schwanger

    wurde (Wann wurde Maria schwanger? Eine vernachlssigte Frage und ihre Bedeutung fr

    das Verstndnis von Lk [], M. Wolter, Theologie und Ethos im frhen Christentum

    [WUNT ; Tbingen: Mohr Siebeck, ] , hier : Im Ablauf des lukanischen

    Erzhlgefges wird Maria demnach erst in , schwanger), dass der zeitliche Abstand

    zwischen den in Kap. und erzhlten Ereignissen unbestimmt bleibt (Lk, ), weswegen

    er davon ausgeht, dass die Forschungsdiskussion von falschen Voraussetzungen ausging

    (weiter Lk, ; ausfhrlich dazu: Wann, ).

    Eine der wenigen ausfhrlichen Errterungen finden sich bei R. E. Brown, The Birth of the

    Messiah. A Commentary on the Infancy Narratives in Matthew and Luke (New Haven/

    London: Yale University, ) .

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • erstaunt umso mehr, als doch zugestanden wird, dass der pointierte Bezug auf

    Kaiser Augustus als Herrscher ber natrlich in ersterLinie eine theologische Bedeutung hat. Zur Beantwortung der Frage,

    worin diese Bedeutung nun im Detail besteht, wird neben den bereits oben beo-

    bachteten Aspekten wie Perspektivenweitung und Ansto zur Bethlehemreise

    gelegentlich noch die Annahme geuert, dass die Augustusfigur in der

    Geburtserzhlung so etwas wie die Gegenfigur zu Jesus bildet, daso beobachtet

    Ernstdem Augustus, d.h. dem Anbetungswrdigen (Sebastos = Augustus), der

    Sohn Gottes, dem allein Anbetung zukommt, gegenbergestellt ist.

    Den Aspekt der Gegenberstellung von Augustus und Jesus hebt auch

    Schreiber in seiner jngst erschienenen Monographie hervor, wenn er herausar-

    beitet, dass der in der Erzhlung aufgebaute Kontrast (dazu gleich) Jesus als

    eigentlichen Knig ausweist, der von Gott selbst die Weltherrschaft erhlt,

    whrend Augustus und sein Statthalter nur noch als Werkzeuge im Heilsplan

    des Gottes Israels erscheineneine narrative Umkehrung der realpolitischen

    Verhltnisse. Erzeugt wird der soeben erwhnte Kontrast laut Schreiber

    dadurch, dass als Zeichen des neuen Herrschers Jesus Windeln und Futtertrog

    angefhrt werden, welche als Zeichen des hilflosen, angewiesenen und armen

    Kindes gelten knnen. Diesem hilflosen Kind steht nun in Lk . Augustus

    als rmischer Imperator gegenber, dessen Herrschaft faktisch die ganze

    bekannte Welt umfasst. Problematisch an der Annahme einer Umkehr der poli-

    tischen Verhltnisse erscheint mir weniger das Ergebnisdieses halte ich fr

    berzeugendals vielmehr die zu diesem fhrende Argumentation ber das

    Motiv der Windeln und des Troges (; ), da dadurchgerade kein Kontrast hergestellt wird. M.E. zeigt sich der von Schreiber

    M. Wolter, Erstmals unter Quirinius! Zum Verstndnis von Lk ,, BN () , hier

    .

    Wolter, Erstmals, , welche er ebd. folgendermaen bestimmt: NachdemKap. durch V. als

    Fortsetzung der Geschichte Israels kenntlich gemacht wird, signalisiert Lukas durch die

    Nennung des rmischen Kaisers in ,, dass er ab jetzt Weltgeschichte schreibt.

    Ernst, Lk, ; vgl. auch Bovon, Lk , : Die politische Theologie des Augustus, beson-

    ders im Orient durch die religise Verehrung des Herrschers untersttzt, wird durch den

    christologischen Anspruch enthllt und entkrftet.

    S. Schreiber, Weihnachtspolitik. Lukas und das Goldene Zeitalter (NTOA ; Gttingen:

    Vandenhoeck & Ruprecht, ) .

    Schreiber, Weihnachtspolitik, .

    Schreiber, Weihnachtspolitik, ; ausfhrlicher uert sich Kgler zum Windelmotiv und zur

    damit verbundenen Hilflosigkeitssemantik: Die Windeln Jesu als Zeichen, BN () .

    Schreiber, Weihnachtspolitik, .

    Auf Wolters dezidierte anders lautende EinschtzungLukas geht es jedenfalls weder hier

    noch in c.d darum, die Niedrigkeit Jesu gegenber dem imperialen Anspruch des

    rmischen Caesars zu akzentuieren (Lk, )macht auch Schreiber selbst aufmerksam

    (Weihnachtspolitik, Anm. ). Fr Wolter bekommt das Windel-Motiv einen guten Sinn

    (Lk, ) im Hinblick auf die Geistzeugung Jesu, denn Lukas will mit Hilfe dieser

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • angefhrte Aspekt der Umkehrung der realpolitischen Verhltnisse mit grerer

    Eindeutigkeit, wenn wir im letzten Schritt unserer berlegungen in Abschnitt VI

    die in Lk vollzogenen Vernderungen in der Architektur der erzhlten Welt

    genauer unter die Lupe nehmen.

    . Die von Schreiber kurz gestreifte Frage nach dem gttlichen Heilsplanes

    oder genauer: die Frage, wie der hinter Augustus Erlass stehende Machtanspruch

    ber den Erdkreis der Vorstellung eines alles bergreifenden gttlichen Heilsplan

    zugeordnet ist, beschftigt auch andere Ausleger, wobei die Beantwortung dieser

    Frage doch zumeist beraus knapp erfolgt und nicht selten von einer aufflligen

    Unschrfe bestimmt ist. So stellt beispielsweise Lning fest, dass es also sein Gutes

    [hat], da der Kaiser mit seinen Besteuerungsplnen die Welt zum Reisen bringt

    und so jedermann an seinen angestammten Ort gelangt. Die himmlische Regie mit

    ihren Plnen kann daran anknpfen. Jahre zuvor dachten bereits Marshall und

    Schmithals in diese Richtung, wobei fr letztgenannten eine feine Ironie darin

    liegt, dass der vergttlichte Weltheiland Augustus in der Weihnachtsgeschichte

    als derjenige vorgestellt wird, der fr alle Welt den drckenden Census befiehlt,

    und da dieser gromchtige Befehl des Kaisers von Gott benutzt wird, in der

    Stadt Davids die Geburt des wahren Weltheilands zu veranstalten.

    Neuerdings wurde diese Auslegungsrichtung von Eckey wieder aufgegriffen

    und um den Gedanken erweitert, dass Lukas von der Geburt des Heilands

    Mitteilung von Selbstverstndlichem zum Ausdruck bringen: Obwohl Jesus durch den Geist

    gezeugt worden war, wurde er doch als ganz normales menschliches Wesen geboren, das

    die Hilflosigkeit aller Neugeborenen teilte und genauso wie alle anderen auf Frsorge ange-

    wiesen war (ebd. ).

    Kurz und knapp spricht Wolter, Lk, davon, dass gerade auch der Herrscher ber den orbis

    terrarum damit zum Werkzeug von Gottes Heilsplan wird; vgl. schon Brown, Birth, :

    Ironically, the Roman emperor, the mightiest figure in the world, is serving Gods plan by

    issuing an edict for the census of the whole world. He is providing the appropriate setting

    for the birth of Jesus, the Savior of all those people who are being enrolled. berblickt man

    beide Vorschlge, dann ist sicherlich mit der Rede vom Werkzeug bzw. vom serving

    Gods plan eine wichtige Spur gewiesen (darauf kommen wir in Abschnitt V unserer

    berlegungen ausfhrlicher zurck), was die erzhlstrategische Funktion der Erwhnung

    des Kaisers und seines Erlasses angeht. Es wird aber nicht weiter danach gefragt, welches

    Bild dieses Weltherrschers Lukas zeichnet und wie diese Zeichnung mit dem lukanischen

    Gottesbild zusammenspielt und ein Licht auf dieses wirft.

    Lning, Geschichtswerk , (Hervorhebung von mir).

    The Gospel of Luke (NIGTC; Grand Rapids, MI: Eerdmans, ) , fr den Lk . zeigt,

    that the fiat of an earthly ruler can be utilised in the will of God to bring his more important

    purpose to fruition.

    W.Schmithals,DasEvangeliumnachLukas (ZBK.NT /; Zrich: Theologischer Verlag, ) .

    Schmithals, Lk, (Hervorhebung C.B.).

    Vgl. W. Eckey, Das Lukasevangelium. Bd. : Lk .. (NeukirchenVluyn: Neukirchener,), .

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • erzhlt, dessen saeculum anders als dasjenige des Augustus nicht durch seinen

    Tod begrenzt wird.

    Durchdenkt man diese Art der Zuordnung zwischen Augustus Handeln und

    Gottes Macht unter dem Paradigma der kausalen Verknpfung, ist etwas

    beraus Merkwrdiges festzustellen. Denn beim Blick auf die Statements dieser

    Ausleger stellt sich der Eindruck ein, dass Augustus Erlass dem gttlichen

    Handeln vorgeordnet wird. Dies zeigt sich besonders deutlich an den oben

    bereits kursiv gesetzten Formulierungen, dass die himmlische Regie an

    Augustus Erlass anknpfen kann (so Lning) bzw. dass Gott ihn benutzen

    kann (Schmithals; Eckey). Das Merkwrdige oder besser gesagt: das beraus

    Problematische an dieser Art der Zuordnung liegt in der Tatsache, dass bei ihr his-

    torische und erzhlerische Ebene nicht klar genug voneinander unterschieden

    werden. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, als stnde Lukas vor der

    Aufgabe, die realpolitische Macht des rmischen Kaisers und die Vorstellung

    eines gttlichen Geschichtsplans irgendwie in Einklang bringen zu mssen

    (Lukas re-agiert). Dabei wird nicht gengend beachtet, dass es gerade Lukas als

    Erzhler ist, der als auswhlende Instanz auftritt (Lukas agiert) und dass von

    daher viel genauer, als dies weitgehend geschieht, nach der Art und Weise

    gefragt werden muss, wie Lukas Kaiser Augustus charakterisiert und wie er auf

    den census zu sprechen kommt. Erst von dortaus wird es dann mglich sein,

    die erzhlstrategische Funktion im Rahmen der theologisch-christologischen

    Linienfhrung zu erfragen.

    . Kurzum: Der Gang durch die Forschungsliteratur hat sichtbar gemacht, dass

    aufgrund der vorrangigen Konzentration auf historische Rckfragen zwar

    verschiedene Facetten zur erzhlstrategischen Funktion angefhrt worden sind,

    Eckey, Lk , (Kursivdruck im Original).

    Einen Schritt weiter geht noch P.W. Walaskay, And so we came to Rome. The Political

    Perspective of St. Luke (SNTS.MS ; Cambridge: Cambridge University, ) , demzufolge

    Augustus nicht nur a part in Gottes Heilsplan zu spielen hat, sondern durch dessen Edikt the

    plan in motion gesetzt wird.

    Die hier vorgenommene Trennung zwischen literarischer und historischer Ebene ist nicht in

    dem Sinne absolut zu setzen, als htte die literarische Ebene (= das lukanische Augustusbild)

    mit der historischen Ebene (= der realhistorischen Gestalt dieses rmischen Kaisers) nichts zu

    tun. Schon gar nicht soll auf dieseWeise der auertextliche Referenzanspruch der lukanischen

    Erzhlung als Ganzer einfach ausgeblendet werden (vgl. dazu ausfhrlicher meinen

    erscheinenden Beitrag zur Unterscheidung einzelner Kommunikationsebenen im luka-

    nischen Doppelwerk). Vielmehr dient diese Unterscheidung als Interpretationshilfe, um die

    hier verfolgte Frage nach der Zeichnung des lukanischen Augustusbildes von einer

    mglichen Rckfrage nach der Verhltnisbestimmung dieses Bildes zu anderen

    Augustusbildern (etwa bei Sueton) klarer voneinander abzuheben und die Analyse des luka-

    nischen Augustusbildes nicht vorschnell mit Angaben aus anderen Quellen zu berlagern

    (Spuren einer solchen berlagerung finden sich beispielsweise bei Eckey, Lk , , da

    dort mehr auerlukanische Angaben [z.B. von Sueton] besprochen werden, als beachtet

    wird, wie Lukas Augustus zeichnet).

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • dass aber eine ausfhrlichere Untersuchung des lukanischen Augustusbildes und

    eine umfassendere Funktionsbestimmung weithin fehlen. Deswegen gilt im

    Folgenden unsere Aufmerksamkeit den Konturen jenes Bildes, welches Lukas

    von Kaiser Augustus gezeichnet hat und wie er ihn charakterisiert.

    Erzhltheoretisch gewendet geht es dabei um die Frage, welche Eigenschaften

    Lukas der Augustusfigur innerhalb seiner Erzhlung zuschreibt (im

    Folgenden: Abschnitte III und IV) und welche erzhlstrategische Funktion

    dieser Charakterzeichnung im Spannungsbogen der Erzhlung, insbesondere

    im Rahmen des theologisch-christologischen Gedankengangs, zukommt

    (Abschnitt V). Die damit zur Sprache gebrachte Absicht, sich verstrkt mit der

    Zeichnung der Augustusfigur im Horizont der theologisch-christologischen

    Linienfhrung in Lk zu beschftigen, macht ausfhrlichere berlegungen

    zu ebendieser unumgnglich. Denn nur im Wissen darum, wie Lukas diese

    Linie fhrt, wird die der Augustusfigur zugewiesene Platzierung darauf ange-

    messen bestimmbar. Gerahmt werden die Arbeitsschritte III-V durch eine

    Skizze zum erzhltheoretischen Hintergrund mit dem Schwerpunkt

    Charakterisierungsverfahren in Abschnitt II und einer Reflexion unserer

    Analyseergebnisse unter der Frage nach der Architektur der erzhlten Welt in

    Abschnitt VI. Abschnitt VII resmiert.

    II. Skizze zum erzhltheoretischen Hintergrund

    Charakterisierung kann im Anschluss an Jannidis beschrieben werden als

    ascribing information to an agent in the text so as to provide a character in the

    storyworld with a certain property or properties, a process often referred to as

    ascribing a property to a character. Fr diesen Zuschreibungsprozess ist auf

    der Ebene der Prsentation der Erzhlung unter dem Blickwinkel, wer die jewei-

    lige Zuschreibung vornimmt, zwischen Charakterisierungen durch den Erzhler

    bzw. durch (einzelne) Figuren innerhalb der erzhlten Welt zu unterscheiden.

    Eine anders gelagerte Fragerichtung ist es, wenn man von einem rezeptionstheoretischen

    Ansatz aus danach fragt, mit welchem Vorwissen ber eine so bedeutsame und bekannte his-

    torische Gestalt wie Kaiser Augustus der von Lukas angesprochene Theophilus, d.h. ein

    Rezipient am Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, der Zeichnung der lukanischen

    Augustusfigur begegnen konnte.

    Ein Wort zur Terminologie: Ich spreche im Folgenden von Figur, um dadurch den Charakter

    der erzhlerischen Gestaltung der jeweiligen Figur in Abhebung von der historischen Person

    im Bewusstsein zu halten (vgl. U. E. Eisen, Die Poetik der Apostelgeschichte. Eine narratolo-

    gische Studie [NTOA ; Fribourg: Academic/Gttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, ] ).

    F. Jannidis, Art. Character, Handbook of Narratology (hg.v. P. Hhn u.a.; Narratologia:

    Contributions to Narrative Theory ; Berlin/New York: W. de Gruyter, ) , hier

    ; ausfhrlicher derselbe, Figur und Person. Beitrag zu einer historischen Narratologie

    (Narratologia: Contributions to Narrative Theory ; Berlin/New York: W. de Gruyter, ).

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • Weiter ausdifferenziert werden kann diese Unterscheidung zwischen narratorialer

    und figuraler Zuschreibung noch durch die Einbeziehung der Kategorie von

    direkter bzw. indirekter Charakterisierung, wobei eine rezeptionsorientierte

    berlegung als Differenzkriterium dient: Denn im Unterschied zum direkten

    Charakterisieren ist beim indirekten der Erzhladressat umso mehr herausgefor-

    dert, die indirekt gegebenen Informationen zu entschlsseln und figurbezogen

    auszuwerten.

    Erzhler Figuren innerhalb der erzhlten Welt

    direkt indirekt (Erzhladressat

    muss entschlsseln)

    direkt indirekt (Erzhladressat

    muss entschlsseln)

    Zuschreibung Handlungen und Reden Zuschreibung Handlungen und Reden

    Da die Mittel und Mglichkeiten indirekter Charakterisierung sehr vielfltig

    sind, bietet es sich an im Hinblick auf unser konkretes Ziel, d.h. auf die

    Entschlsselung des lukanischen Augustusbildes, einige Merkmale besonders in

    den Blick zu nehmen:

    a. So ist im Hinblick auf die Figur des Kaisers zu fragen, durch welche Attribute

    der Erzhler diesen direkt charakterisiert (narratorial-direkt).

    b. Daneben ist auch zu bedenken, was die dem Kaiser zugeschriebene Handlung

    zu seiner Charakterisierung beitrgt (narratorial-indirekt).

    c. Schlielich ist zu errtern, welches Licht von der lukanischen

    Charakterisierung anderer Herrscherfiguren wie Quirinius, Herodes oder

    Tiberius auf die Zeichnung der Augustusfigur fllt (figural-indirekt).

    III. Analyse des lukanischen Augustusbildes in Lk .

    . Der Zentraltext, innerhalb dessen unser Erzhler mit nur einigen

    wenigen Pinselstrichen die magebliche Silhouette seines Augustusbildes

    umreit, findet sich ganz zu Beginn des zweiten Kapitels in Lk ,:

    Verszhlung Syntaktische EbeneV.a . Satz V.b

    .V.a . Satz V.b .V.a . Satz ,V.b .

    Auf das erzhlerische Klima, in welches diese Charakterisierung eingebettet ist, d.h. auf den

    weiteren Erzhlkontext in Lk , kommen wir in den folgenden Abschnitten IV und V

    ausfhrlicher zu sprechen.

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • Syntaktisch betrachtet besteht diese kurze Texteinheit aus drei Hauptstzen, in

    denen wir jeweils einem Vertreter aus dem Wortfeld . begegnen,durch welche die einzelnen Stze auf semantischer Ebene fest miteinander

    verzahnt sind. Diese semantische Beobachtung hilft auch weiter, den fr sich

    genommen etwas undurchsichtigen Bauplan des zweiten Hauptsatzes zuentschlsseln, da sie uns einen entscheidenden Anhaltspunkt fr die

    Bestimmung des Subjektes bzw. Prdikates in V. an die Hand gibt. Denn die

    Tatsache, dass der Gebrauch des Nomens bereits durch denEinsatz der zugehrigen Verbalform am Ende von V.b vorbe-reitet ist, spricht dafr, dieses Nomen als Subjekt aufzufassen, ber welches

    durch die Verwendung des Prdikats eine Aussage getroffenwird. Auf dieser Spur lsst sich V. folgendermaen paraphrasieren: Diese

    von Augustus angeordnete Registrierung (Subjekt) findet erstmalig statt

    (Prdikat). Der nachfolgende Genitivus absolutus dient der zeitlichen Verortung dieses erstmaligen Geschehens

    und schlgt innerhalb unserer kurzen Texteinheit den Bogen zurck zu deren

    Beginn. Vom Ende von V. wird deutlich, dass jene Tage ( ), von denen in V.a die Rede war, die Tage der Statthalterschaftdes Quirinius sind.

    Das bestimmende Geschehensmoment, das unser Erzhler aus dieser Zeit

    der Statthalterschaft des Quirinius ausgewhlt und in seiner Erzhlung

    prsentiert hat, ist die Begebenheit, dass es in dieser Zeit zu einer gekommen ist. Initiiert wurde diese Zhlung, wie Lukas seinen

    Erzhladressaten schon ganz zu Beginn wissen lsst, durch das Handeln von

    Kaiser Augustus: Von ihm geht ein Erlass aus ( ), dessenWirkungsbereich Lukas mithilfe des Akkusativs als welt-weit angibt. Diese Aussagen ber Augustus und sein Handeln lassen sich vor dem

    Hintergrund unserer erzhltheoretischen Grundlegungen aus Abschnitt II in zwei

    Gruppen unterteilen:

    So Wolter, Lk, .

    Vgl. Wolter, Erstmals, : V. sind so formuliert, dass Lukas ganz offensichtlich den

    Eindruck vermitteln will, dass es sich hierbei (a) um einen reichsweiten Census handelte,

    dass er (b) erstmalig durchgefhrt wurde und dass dies (c) zur Zeit der syrischen

    Statthalterschaft des Quirinius erfolgte; zu historischen Rckfragen uert sich Wolter ebd.

    .

    Die Bedeutung, welche Lukas diesemMoment zuweist, ist nicht zuletzt daran ablesbar, dass er

    Vertreter des einschlgigen Wortfeldes ., wie bereits weiter oben gesehen, inden Vv. dreimal aufgreift.

    Eine sprachliche Parallele zum Syntagma in Lk ., d.h. zur Verknpfung desNomens mit dem Verb , findet sich in Dan LXXTH .; gelufiger ist dortaber die Verbindung des Nomens mit dem Verb .

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • a. in die Gruppe der narratorial-direkten, in welche die Nennung des Namens

    Augustus und die Zuschreibung gehren;b. und in die Gruppe der narratorial-indirekten, in welche die Aussage ber

    Augustus Handeln (= ) und die Angabe zu seinemWirkungsbereich ( ) gehren.

    Bereits bei einem flchtigen Blick auf diese Figureninformationen kann man sich

    des Eindrucks kaum erwehren, dass durch sie innerhalb der erzhlten Welt das

    Bild einer beraus mchtigen Herrscherfigur entworfen wird. Assoziationen von

    Macht und Herrschaft werden bereits durch den Gebrauch der aus dem

    Lateinischen transkribierten Namensform geweckt, in welcher, auchwenn sie bei Lukas bereits als Eigenname verwendet wird, Konnotationen von

    Wrde und Majestt ihrer Trgers mitschwingen (augustus = geheiligt/

    majesttisch). Dass diese Facetten tatschlich das lukanische Augustusbild ganz

    mageblich bestimmen, zeigt sich weiterhin an ihrer Verknpfung mit der

    Kaiserbezeichnung, durch welche signalisiert wird, dass der so bezeichnete ber

    die hchste und alleinige Autoritt im Imperium Romanum verfgt.

    . Fr sich genommen bleiben die in Name und Amtsbezeichnung zum

    Ausdruck gebrachten Gesichtspunkte von kaiserlicher Macht und Herrschaft

    nur theoretische Gren, deren eigentliche Tragweite sich erst an konkreten

    Handlungen ablesen lsst. Hier kommt dann die narratorial-indirekte

    Informationszuschreibung ins Spiel, in welcher uns ein konkretesBeispiel fr Augustus Machtausbung innerhalb der erzhlten Welt gegeben

    Hinsichtlich der Frage, ob in Lk . als Name oder als Titel verwendet wird, gehen dieMeinungen derer, die sich berhaupt dazu uern, auseinander. Whrend sich beispielsweise

    Bauer dafr ausspricht, in Lk . als Bestandteil des Namens (= Caesar Augustus) auf-zufassen (Griechisch-deutsches Wrterbuch zu den Schriften des Neuen Testamentes und der

    frhchristlichen Literatur [Berlin/New York: W. de Gruyter, ] s.v. ), gehtSchrmann davon aus, dass hier schon titular (Lk , ) gebraucht ist.

    M.E. ist die Frage im Hinblick auf Lukas Erzhlung nicht wirklich entscheidbar:

    Historisch diente das Nomen Caesar zwar bis zurzeit von Kaiser Caligula als Name (so H.

    G. Gundel, Art. Caesar, Der Kleine Pauly [] , hier : spter Name [bis

    Caligula], dann Titel der rm. Kaiser berhaupt), aber die Tatsache, dass Lukas seine

    Erzhlung erst am Ende des ersten Jahrhunderts abfasst, macht die Annahme mglich, dass

    bei ihm schon titular verwendet wird. Ausschlaggebend fr unsere Frage nach denKonturen des lukanischen Augustusbildes sindund dies ist unberhrt von der Tatsache,

    fr welche Mglichkeit man sich entscheidetdie Konnotationen, welche mit der -Bezeichnung verknpft sind und so das Augustusbild unserer Erzhlung prgen.

    So auch z.B. Wolter, Lk, ; vgl. zu dieser Verwendungsweise beispielsweise schon Josephus,

    Bell. , oder ,.

    Vgl. zur Machtflle und Autoritt von Kaiser Augustus z.B. Kienast, Augustus. Prinzeps und

    Monarch (besonders [Oktavians Weg zur Alleinherrschaft]; [Stichwort:

    Prinzeps]) oder als Kurzfassung ders., Art. Augustus, Der Neue Pauly () .

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • wird. Dass dabei der Scheinwerfer ganz auf den Aspekt der Befehlsgewalt

    eingestellt ist, gibt die syntaktische Struktur dieses Versteils klar zu erkennen,

    da nmlich das einschlgige Nomen (=Befehl) durch seinen Gebrauchals Subjekt des Satzes betont herausgestellt ist und der Urheber dieses Befehls

    in Form der Prpositionalphrase ergnzt wird.Wie einflussreich und wirkungsvoll dieser Befehl ist und wie mchtig demzu-

    folge derjenige ist, der ihn erlsst (=Kaiser Augustus), erweist sich mit noch

    grerer Deutlichkeit, wenn wir in drei Richtungen weiterdenken: (a) Zuerst

    einmal ist hinsichtlich der Reichweite des kaiserlichen Befehls zu bedenken,

    dass sie beim Anlegen eines innerweltlichen Mastabes rumlich nicht begrenzt

    ist, sondern innerhalb der erzhlten Welt den gesamten orbis terrarum umfasst.

    (b) ber diesen Erdkreis kann Augustus verfgen, was im Erzhlverlauf in Lk

    .und damit sind wir bereits beim zweiten Gesichtspunktkonkret am

    Zusammenspiel von Befehlserlass ( ) und dessen Befolgung( ) ablesbar ist. Denn whrend in Lk . zunchst dasErlassen des Befehls mitgeteilt wird, kann der Erzhler bereits zwei Verse weiter

    ohne groe Umschweife mitteilen, dass sich auf diesen Befehl hin der gesamte

    Erdkreis () in Bewegung setzt: Widerspruch gegen diese kaiserlicheVerfgung notiert Lukas an dieser Stelle nicht. (c) Schlielich gewinnt das

    Augustusbild einen letzten Schliff in der kurzen Einheit in Lk ., wenn wir

    es mit der Skizzierung der Quiriniusfigur in V. vergleichen und danach fragen,

    wie der Erzhler diese Figur einfhrt und wie er sie in Relation zur

    Augustusfigur positioniert. Fr unsere Belange ist diesbezglich besonders auf-

    schlussreich, dass der Erzhler uns von Quirinius neben der Namensnennung

    nicht mehr wissen lsst, als dass er Statthalter in Syrien war, und zwar zu

    der Zeit, als erstmalig der Befehl zur Volkszhlung erlassen wurde. Im

    Erzhlgeflle ist diese, syntaktisch in der Form eines Genitivus absolutus

    eingefhrte Notiz ber Quirinius Statthalterschaft, , ganz der Rede vom kaiserlichen Erlass untergeordnet, was unter syn-taktischem Fokus schon daran abzulesen ist, dass dieser Genitivus absolutus von

    der Aussage ber das Erstmals der Volkszhlung in V.a (Prdikat: ) abhngig ist. Die so bereits durch die syntaktische Struktur angedeuteteZuordnung der beiden Figuren, d.h. die berordnung des Augustus ber

    Quirinius, besttigt sich auch unter funktionalem Gesichtspunkt, da die

    Einfhrung der Quiriniusfigur, deren Skizzierung ohnehin farblos bleibt, in

    erster Linie der Datierung des kaiserlichen Erlasses dient und dadurch die

    Im Unterschied dazu umfasst Gottes Macht Himmel und Erde.

    Dies ndert sich in Apg . (dazu gleich in Abschnitt V. mehr).

    Zumeist interessierte die Quiriniusfigur unter historisch-kritischer Perspektive.

    Vgl. Anm. .

    Im Unterschied zur Augustusfigur erfahren wir nichts von einer konkreten Handlung, sondern

    der Erzhler belsst es bei der allgemeinen Angabe, dass Quirinius Statthalter in Syrien ist.

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • Quiriniusfigur ganz im Schatten des Augustus bleibt. Fortgesetzt wird diese Art

    der Zuordnung auch durch die geographische Linienfhrung, da durch die

    Nennung der Provinz Syrien ( ) der Erzhlwinkel nicht nur auf diefr den Fortgang der Erzhlung entscheidende rmische Provinz zugeschnitten

    wird, sondern vor allem das weltweite Herrschaftsgebiet des Augustus dem

    begrenzten Zustndigkeitsbereich des Quirinius gegenbergestellt, oder besser:

    bergeordnet wird. Damit ist das Machtgeflle im rmischen Reich hinreichend

    bewusst gemacht: der Statthalter ist, obschon er ber ein bestimmtes

    Territorium, hier: die Provinz Syrien, waltet, ganz vom bergeordneten Befehl

    des Kaisers abhngig:

    IV. Perspektivenweitung

    Noch facettenreicher wird das Augustusbild, wenn wir bercksichtigen,

    dass die in Abschnitt III analysierten Figureninformationen in der lukanischen

    Erzhlung in jenen Textabschnitt eingebettet sind, der als Exposition der

    Erzhleinheit Lk . dient und in welchem die dort erzhlten Ereignisse der

    Geburt und Namensgebung des Jesuskindes zeitgeschichtlich eingeordnet

    werden. Denn unter diesem Betrachtungswinkel ist zu erkennen, dass der kurze

    Textabschnitt Lk . mit seiner Bezugnahme auf die realpolitische Ebene

    Bestandteil einer Dreierreihe von Synchronismen ist, zu welcher neben Lk

    noch Lk . ( ) undLk .a ( )gehren.

    Beim Vergleich dieser drei Synchronismen hinsichtlich der geographischen

    Linienfhrung zeigt sich, dass der in Lk . durch die alleinige Nennung von

    Knig Herodes noch ganz auf Israel ( ) eingestellteErzhlwinkel in Lk . auf den gesamten orbis terrarum ausgeweitet wird,

    wobei die Israelperspektive im Verlauf von Lk natrlich nicht aus dem Blick

    gert. Vielmehr nimmt Lukas in diesem Kapitel erzhlerisch eine Zuordnung

    von Israelzentrierung und Weitung auf den ganzen Erdkreis vor, welche im

    Ausfhrlicher dazu Abschnitt VI.

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • Synchronismus in Lk .a ausdrcklich konstatiert wird. Dort nmlich werden

    anders noch als in den beiden ersten Synchronismen weltpolitische Ebene (Kaiser

    Tiberius) und israelorientierte Perspektive (Tetrarchen, Hohenpriester)

    ausdrcklich zusammengebracht:

    Fr unsere Untersuchung des lukanischen Augustusbildes ist die

    Wahrnehmung dieses Zusammenspiels der drei Synchronismen aus zwei

    Grnden aufschlussreich: (a) Zunchst einmal tritt in Fortfhrung der bereits

    in Abschnitt III beobachteten Bildanteile der Aspekt der Handlungsvollmacht

    in den Vordergrund, wenn man die Zeichnung der Augustfigur mit derjenigen

    der Herodesfigur in Lk . vergleicht. Whrend Letztgenannter nmlich nicht

    eigens als Akteur in Erscheinung tritt, sondern lediglich vom Erzhler

    genannt wird, ist Augustus als Handelnder gezeichnet, dessen Anordnung die

    ganze Welt in Bewegung setzt ( ). (b) An der Seitedieses so dominierenden Bildanteils wird unter Bercksichtigung des

    Zusammenspiels der beiden Synchronismen in Lk . und Lk .a

    beilufig noch eine ganz andere Facette des Augustusbildes ersichtlich,

    welche in Lk noch keine Rolle spielt, sondern welche sich aus Lk .a

    erschlieen lsst. Denn dadurch, dass Lukas in Lk . vom fnfzehnten Jahr

    spricht, wird indirekt signalisiert, dassdie Zeit der irdischen Herrschaftsausbung von Kaiser Augustus schon

    lange zu Ende ist und dass an seine Stelle Kaiser Tiberius getreten ist. Auch

    wenn diese Facette fr sich genommen nicht weiter ungewhnlich erscheint,

    Wolter, Lk, beobachtet zwar, dass sich der Synchronismus in Lk deutlich von der

    Datierungsweise in den beiden ersten Synchronismen unterscheidet, ergnzt aber

    schlielich, dass nicht zu bersehen ist, dass die in Lk und genannten geographischen

    Horizonte in Lk . zusammengefhrt werden (ebd.).

    Spuren, dass die Vorstellung von der Aufnahme des Augustus unter die Gtter (vgl. dazu

    Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch, mit Literatur in Anm. a) fr das lukanische

    Augustusbild eine Bedeutung hat, lassen sich an der Erzhlung selbst nicht ausfindig machen.

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • erhlt sie ein ganz eigenes Gewicht, wenn wir sie in Abschnitt V mit dem

    Erzhlkontext, insbesondere mit der Aussage ber Jesu ewige Herrschaft in

    Lk ., in Beziehung setzen.

    V. Die Zeichnung der Augustusfigur im Rahmen der

    theologisch-christologischen Linienfhrung

    . Um nun die erzhlstrategische Funktion des lukanischen Augustusbildes

    erfassen zu knnen und den Ort dieser Zeichnung in der theologisch-christolo-

    gischen Linienfhrung der ersten Kapitel des Opus Lucanum lokalisieren zu

    knnen, knpfen wir in einem ersten Schritt an die eingangs angefhrten

    Beobachtungen aus der Forschungsliteratur an. Bei deren Durchsicht sind wir

    in Abschnitt I bereits beim Gedanken hngen geblieben, dass die Erwhnung

    des kaiserlichen Erlasses dazu dient, einen Anlass fr Josefs und Marias Reise

    nach Bethlehem zu bieten. Damit ist sicherlich eine entscheidende Spur gewie-

    sen, was die Beantwortung der Frage angeht, warum Lukas von diesem kaiserli-

    chen Erlass erzhlt. Zweifelsohne ist damit aber noch nichts hinsichtlich der Frage

    entschieden, wie Lukas davon erzhlt.

    Gehen wir im Folgenden diese beiden Fragen nach demWarum und demWie

    der Reihe nach an und holen im Zuge der Beantwortung der ersten Frage etwas

    weiter aus, indem wir uns, wie am Ende von Abschnitt I angekndigt, einen tie-

    feren Einblick in die Charakterisierungsweise Gottes und Jesu verschaffen,

    welcher dann spter die Grundlage zur Beantwortung der Frage nach dem Wie

    bildet: Die Notwendigkeit des Reiseunternehmens (Lk .)ergibt sich aus dem Inhalt der Verheiung in Lk ., genauer: der

    Ankndigung, dass Jesus auf dem Thron Davids sitzen wird (dazu gleich mehr),

    und aus dem damit verbundenen Zusammenspiel von gttlicher Verheiung

    und dem Beginn ihrer Erfllung, hinter dem die Vorstellung eines alles bestim-

    menden gttlichen Heilsplanes steht. Das uns hier besonders interessierende

    Zusammenspiel von Verheiung und Erfllung wird erzhlerisch durch die

    Einfhrung der Figur von Knig David hergestellt, die Lukas erstmalig im

    Rahmen der narratorial-direkten Charakterisierung der Josefsfigur in Lk .

    nennt. Von Josef erfahren wir zuerst, dass er stammt und mitMaria verlobt ist, wobei mit dieser Bezugnahme auf die Davidsdynastie im unmit-

    telbaren Vorspann der Geburtsankndigung Jesu der Boden fr deren Inhalt

    Diese Verheiung wird durch den Engel Gabriel in der erzhlten Welt bekannt gemacht.

    Auch wenn im Kontext der Geburtsankndigungs- und Geburtserzhlung in Lk noch nicht

    ausdrcklich vom gttlichen Heilsplan gesprochen wird bzw. durch die Verwendung des

    Verbs auf diesen verwiesen wird, spielt diese Vorstellung im Hintergrund die entschei-dende Rolle, wie sich am Zusammenspiel von Verheiung und Erfllung zeigt.

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • (Stichwort: Thron Davids) bereitet ist. Ihrerseits lsst sich die Beschreibung der

    Bedeutung des Kindes in den Vv., welche im Rahmen der

    Geburtsankndigung in Lk . angesiedelt ist, in eine Reihe von fnf

    Aussagen unterteilen, deren Einzelglieder durch parataktisch aneinanderger-eiht sind:

    . Glied (V.ab) . Aussage Dieser wird gro sein. Aussage Sohn des Hchsten genannt werden

    . Glied (V.c-) . Aussage es wird ihm geben seines Vaters David,

    . Aussage ber das Haus Jakob

    . Aussage .

    Unschwer ist zu erkennen, dass mit der Rede von der Thronbergabe das seman-

    tische Feld Knigtum eingefhrt wird, welches den semantischen Charakter der

    dritten bis fnften Aussage mageblich prgt (, , ).Inhaltlich wird in diesen drei letzten Aussagen nicht nur die bergabe des

    Thrones David an Jesus ausdrcklich angekndigt, wobei Gott in der dritten

    Aussage als der bergebende explizit benannt wird, sondern es wird auch noch

    die zeitliche Dimension der jesuanischen Herrschaft doppelt abgesteckt.

    Diesbezglich wird in Form eines Parallelismus membrorum in V. verheien,

    dass Jesus ber das Haus Jakob herrschen wird und dass seine

    Hrt man in dem in Lk . gebrauchten Verb politische Assoziationenmitschwingen (so z.B. Schreiber Weihnachtspolitik, : Wenn seit Beginn der Kaiserzeit fr

    den Herrschaftsantritt bzw. den Geburtstag des neuen Princeps der Begriff /Frohbotschaften als politischer Terminus technicus verwendet wurde, dann fllt die luka-

    nische Wortwahl auf), ist durch den Gebrauch dieses Verbs in der Rede des Erzengels

    Gabriels schon in der Erzhlung von der Geburtsankndigung des Tufers das Klima fr

    die Einfhrung der Thematik des bevorstehenden Herrschaftsantritts Jesu (Lk .: ) ansatzweise geschaffen;vgl. dazu Green, Luke, : By it (sc. [Einfgung C.B.]), Luke draws attentionto and announces the in-breaking kingdom of God and the phenomena through which Gods

    dominion comes to be realized in history; schlielich ist noch die zusammenfassende

    Bemerkung bei C. A. Ziccardi, The Relationship of Jesus and the Kingdom of God according

    to Luke-Acts (Tesi Gregoriana. Serie Teologia ; Rom: Gregorian University, ) zu

    vergleichen, mit welcher dieser seine Auslegung von Lk . abschliet (ebd. ):

    [W]e must say that in his first narrative episode Luke has made no explicit mention of Jesus

    or the kingdom. But Luke has so fashioned his narrative that knowledgeable readers anticipate

    the eschatological coming of God into history, inclusive of its biblical associations with Gods

    sovereignty and kingdom.

    In ihrer zeitlichen Abfolge weisen diese drei letzten Aussagen ein unumkehrbares zeitliches

    Geflle (Wolter, Lk, ) auf, da die Thronbergabe an Jesus zeitlich seiner Herrschaft vorausgeht.

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • Herrschaft sein wird. Deswegen muss und wird es auch einen weite-ren Thronfolger nicht mehr geben.

    Dass sich diese Verheiung der Thronfolge zu erfllen beginnt, wird nicht nur

    dadurch signalisiert, dass Jesus ber Josef in die Davidslinie eingeordnet wird,

    sondern vor allem dadurch, dass der zuknftige Throninhaber in der Stadt

    Davids zur Welt kommen wird. Als diese Stadt gilt fr Lukas nicht etwa

    Jerusalem sondern Bethlehem, welche nach Auskunft von Sam . als die

    Stadt Davids ( ) gilt und von welcher der Prophet Micha sagt,dass aus ihr einer hervorgehen wird, der ber Israel herrschen wird (Mich .).

    . Wenn wir mit diesen Beobachtungen zur Platzierung von Jesus in der

    Davidslinie und dem Wissen um das Zusammenspiel von Verheiung (=Jesus

    wird in der Davidsdynastie stehen) und beginnender Erfllung (=Geburt in der

    Davidsstadt) nach dem Initiator dieses Gesamtgeschehens fragen, ist es vielleicht

    nicht berraschend, dass wir auf keinen geringeren als auf Gott selbst stoen.

    Aber die Art und Weise, wie Lukas von Gott und seinem Handeln erzhlt, verlangt

    doch unsere gesteigerte Aufmerksamkeit, da einem hier unter Beachtung der

    unterschiedlichen Verfahren der Figurencharakterisierung (s. dazu Abschnitt II)

    eine Besonderheit auffllt: Im Unterschied zu den anderen Figuren seiner

    erzhlten Welt, welchen wir in Lk begegnen, wird Gott in diesen Kapiteln

    nicht narratorial-direkt oder von einem Reprsentanten der himmlischen

    Um die Spitze dieser Verheiung mglichst scharf erkennen zu knnen, muss sie im Horizont

    der alttestamentlich und frhjdisch belegten Erwartung des ewigen Bestehens von Davids

    Dynastie gelesen werden, welcher in der Nathanverheiung in Sam . grundgelegt ist.

    Weitere Belege dieser Erwartung finden sich beispielsweise in Ps ., in PsSal . (Du,

    Herr hast David zum Knig ber Israel erwhlt und du hast ihm geschworen hinsichtlich

    seiner Nachkommenschaft in Ewigkeit, dass sein Knigtum vor dir nicht enden werde)

    oder in Makk ..

    Auf diesem Thron Davids, dem nach Auskunft der aufgefhrten Texte ewiger Fortbestand

    verheien ist, wird Gabriels Ankndigung in Lk . zufolge Jesus sitzen, wobei eine signifi-

    kante Akzentverschiebung zwischen der alttestamentlich-frhjdischen Erwartung und der

    Art und Weise der Erfllung dieser Verheiung zu verzeichnen ist. In deutlicher

    Neuausrichtung des ursprnglichen Inhaltes der Nathanverheiung (und der

    anschlieenden Tradition) wird nicht mehr nur der Thron ewigen Bestand haben (so z.B.

    Sam .), sondern der zuknftige Throninhaber Jesus wird ber dasHaus Jakob herrschen.

    Dass Bethlehem als Davidsstadt gilt, geht auch aus Sam .a (David war der Sohn eines

    Efratiters namens Isai aus Bethlehem in Juda, der acht Shne hatte) und hnlich Sam

    . hervor.

    Gott ist es, der seinen Engel sendet; Gott ist es, der Jesus den Thron Davids bergeben wird.

    Eine solche Einfhrung erfolgt beispielsweise bei Zacharias & Elisabet (in Lk .), Maria &

    Josef (in Lk .), Simeon (in Lk .[-]: In Jerusalem lebte damals ein Mann namens

    Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige

    Geist ruhte auf ihm) und Hannah (in Lk ,[-]: Damals lebte auch eine Prophetin

    namens Hanna, eine Tochter Penuls, aus dem Stamm Ascher).

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • Welt figural-direkt eingefhrt, sondern man ist, will man sich ein Bild von dessen

    Charakterzeichnung verschaffen, ganz auf die Entschlsselung der ber die

    Erzhlung in Lk verstreuten Zuschreibungen angewiesen. Dabei stoen wir

    abgesehen von einer kurzen narratorial-indirekten Zuschreibung, nmlich dass

    Gott seinen Engel zu Maria sendet brigens die einzige dieser Art in Lk

    , vornehmlich auf figural-direkte und figural-indirekte Charakterisierungen.

    Zu ersteren gehren sowohl Kurzstatements ber Gottes Hilfsbereitschaft und

    seinen unbegrenzten Handlungsspielraum, wie sie von Zacharias (Lk .a:

    ) oder Gabriel (Lk .: ) ausgesprochen werden, als auch die unverkennbar breiterangelegten Aussagen ber Gott in Marias bzw. Zacharias Gotteslob in Lk .

    (z.B.: ) bzw. Lk . (z.B.: ).

    Was nundiese figural-direkten Zuschreibungen von denCharakterisierungender

    Johannes- und Jesusfigur, welche ja ebenfalls figural-direkt erfolgen, unterscheidet,

    ist abgesehen vom Status der jeweiligen Sprecherfigur (Gabriel vs. Maria/

    Zacharias) vor allem die jeweilige Platzierung innerhalb des Erzhlverlaufs.

    Auffllig ist nmlich, dass die ausfhrlichen Charakterisierungen der Johannes-

    und Jesusfigur bereitsmit deren erster Erwhnung in Lk .ff. bzw. Lk .ff. einher-

    gehen und dass dadurch bereits von allem Anfang an ganz entscheidende Weichen

    bezglich ihrer Charakterzeichnung in Lukas Erzhlung gestellt werden. Ganz im

    Unterschied dazu begegnen ausfhrlichere Charakterisierungen der Figur Gott

    nicht schon bei dessen erster Erwhnung, sondern sie betritt nahezu unauffllig

    die Bhne der erzhlten Welt. Seine Charakterisierung erfolgt erst schrittweise

    durch unterschiedliche Figuren der erzhlten Welt, wodurch das in Lk entwor-

    fene Gottesbild erst nach und nach an Konturen gewinnt.

    . Diese Konturen treten klarer hervor, wenn man auer nach den figural-

    direkten Zuschreibungen auch danach fragt, was bestimmte Handlungsweisen

    Eine umfassendere figural-direkte Einfhrung erfolgt bei der Johannes- und Jesusfigur in Lk

    . bzw. . (unterbrochen durch Marias Zwischenfrage in V.) durch den

    Erzengel Gabriel als Reprsentant der himmlischen Sphre in direkter Ansprache an

    Zacharias bzw. Maria.

    Gott ist, so ist der Prpositionalphrase in Lk . unschwer zu entnehmen, alsUrheber der Sendung des Engels vorgestellt.

    Mit der Frage danach, welche Figur die jeweilige Zuschreibung vornimmt, ist,

    erzhltheoretisch gewendet, die Frage nach der Verlsslichkeit der jeweiligen Zuschreibung

    verknpft.

    Diese Weichenstellungen sind, bercksichtigt man die Sprecherinstanz, durch eine himm-

    lische Instanz besttigt und haben von daher wegweisende Bedeutung.

    Anders ausgedrckt: Die Charakterisierung Gottes erfolgt nicht mit einer entscheidenden

    Weichenstellung bei seiner ersten Erwhnung (so z.B. bei Maria, Hanna, Jesus, Johannes)

    sondern schrittweise. Die Zuschreibung in Benedictus und Zacharias bilden Etappen inner-

    halb dieses Entfaltungsprozesses.

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • anderer Figuren innerhalb der erzhltenWelt fr die Schrfung jener Konturen aus-

    tragen (figural-indirekt). In dieses Feld gehrt nun, und damit beginnt sich der

    Kreis unserer berlegungen zu schlieen, die Zeichnung der Augustusfigur

    mitsamt der von ihr erzhlten Handlung eines weltweiten Dekreterlasses. Die

    Bedeutsamkeit, solche vielleicht zunchst beilufig erscheinenden, figural-indirek-

    ten Zuschreibungen fr die Gewinnung schrferer Konturen des Gottesbildes hin-

    reichend zu wrdigen, resultiert aus der Beobachtung, dass narratoriale

    Zuschreibungen fr die einfhrende Charakterisierung Gottes in den ersten

    Kapiteln der lukanischen Erzhlung nahezu ausgefallen sind. Das Entscheidende,

    was wir Schritt fr Schritt ber ihn erfahren, ist, dass er die Heilsinitiative ergriffen

    hat, welche ihren Anfangmit Gabriels Sendung zu Zacharias undMaria nimmt und

    durch welche die Zeit der Erfllung der prophetischen Heilsverheiung anbricht.

    Innerhalb der Erzhlung ber den Beginn dieser von Maria und Zacharias hinrei-

    chend gewrdigten Heilsinitiative verortet Lukas seine Augustusfigur und ordnet

    ihr Handeln damit in das alles bergreifende Zusammenspiel von

    Heilsverheiung und beginnender Erfllung ein:

    Registriert man dieses Zusammenspiel, dann zeigt sich, dass Augustus durch

    seinen Erlass innerhalb der erzhlten Welt an der Erfllung des Zusammenspiels,

    welches in Gottes Heilsplan verankert ist, mitarbeitet und dass er zum Werkzeug

    dieses Heilsplanes wird, indem er durch seinen Befehl die Bethlehemreise von

    Josef und seiner schwangeren Frau veranlasst.

    Vgl. hierzu Wolter, Lk, , der darauf hinweist, dass Lukas mit der Schilderung der

    Heilsinitiative beginnt, die Gott zur eschatischen Erfllung der prophetischen

    Verheiungen und der Heilshoffnungen Israels ergreift, indem er den Engel Gabriel

    zweimal losschickt: erst zu einem alten Priester in Jerusalem (,) und dann zu einer

    galilischen Jungfrau, die mit einem Nachkommen Davids verlobt ist (,).

    In diese Richtung denkt auch Klein, der auf Browns Beobachtungen aufbaut und fr den

    Augustus derjenige ist, der Gottes Willen zum Ziel bringt, und zwar durch eine

    Anordnung, die durch und durch welt- und geldpolitischen Interessen dient (Klein, Lk,

    ). Auf dieser Spur scheint sich auch Wolter zu bewegen, fr den die Fortsetzung zeigen

    wird, dass gerade auch der Herrscher ber den orbis terrarum damit zum Werkzeug von

    Gottes Heilsplan wird (Wolter, Lk, ).

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • . Damit ist sicherlich eine entscheidende Spur gewiesen um zu begreifen,

    warum Lukas vom kaiserlichen Erlass erzhlt (das Das), jedoch ist damit noch

    nicht hinreichend bercksichtigt, wie von diesem Erlass und seinem Initiator

    Augustus erzhlt wird. Wenn wir diese Frage nach dem Warum nun aufnehmen,

    werden wir verstehen, warum Lukas die Augustusfigur so machtvoll und durchset-

    zungsstark skizziert hat, und wir werden in die Lage versetzt, die Zuordnung der

    Zeichnung Gottes zu der der Augustusfigur weitaus prziser zu bestimmen, als dies

    allgemein geschieht. Erinnern wir uns: Abgesehen vom Detail der Sterblichkeit,

    welches mehr angedeutet als ausgefhrt ist (dazu gleich mehr), zeichnet sich die

    Charakterisierung der lukanischen Augustusfigur ganz entscheidend durch

    Facetten wie majesttische Wrde, enorme Machtflle, faktische

    Durchsetzungskraft und weltweite Befehlsgewalt aus (vgl. Abschnitte III-IV). Durch

    eine Verknpfung dieser Beobachtungen zu den prgenden Charakterzgen der

    lukanischen Augustusfigur mit der Tatsache, dass diese so machtvoll gezeichnete

    Figur durch ihre Verortung im Erzhlverlauf zum Werkzeug des gttlichen

    Heilsplanes wird, fllt von der Zeichnung der Augustusfigur ein starkes Licht auf

    die Zeichnung Gottes, der ja Urheber dieses Planes ist. Mit Hnden zu greifen ist

    dabei eine proportionale Art und Weise der Zuordnung im Sinne von je mehr

    desto mehr. Konkret bedeutet dies: Je strker und mchtiger die Augustusfigur skiz-

    ziert ist, umso strker und berlegener kann Gottes Macht zum Vorschein treten, da

    der so majesttische und durchsetzungsstark gezeichnete Kaiser und der von ihm

    initiierte Erlass nur ein Bestandteil des bergreifenden gttlichen Heilsplanes ist:

    Je mehr desto mehr

    Je strker umso strker

    Um welcheInitiative geht es?

    Erfllung derHeilsverheiungen u.a. durch

    die Sendung des Engels zu

    Maria

    Augustus Wer ist derInitiator?

    Gott

    Es kommt zu einer

    Volkszhlung.

    Was passiert

    durch diese

    Initiative?

    Jesus, der Sohn Gottes, kommt

    zur Welt.

    nach lukanischer

    Darstellung auf den

    gesamten orbis

    terrarum

    Auf welches

    Gebiet erstreckt

    sich diese

    Initiative?

    auch der Himmel ist

    einbezogen (vgl. Lk .)

    Vgl. unsere berlegungen am Ende von Abschnitt IV.

    Vgl. zum Wirkungsbereich des Erlasses die berlegungen in Anm. .

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • Geht man die bersicht unter der Fragestellung durch, welcher neue Aspekt

    zur Charakterisierung Gottes durch die Art und Weise beigesteuert wird, wie

    Lukas Augustus und Gott im Sinne von je strkerdesto strker erzhlerisch

    zugeordnet hat, dann liegen zwei Aspekte auf der Hand: Zum einen wird man erst-

    malig innerhalb des Erzhlverlaufes damit konfrontiert, dass Gottes

    Handlungshoheit, auf welche der Erzhler in Lk im Hinblick auf Menschen in

    Israel zu sprechen kommt (Zacharias in Jerusalem; Maria in Nazareth), eben

    nicht auf Israel beschrnkt ist, sondern nach lukanischer Auffassung den ganzen

    Erdkreis umfasst und natrlich auch an dessen Grenzen nicht endet. Noch wichti-

    ger scheint mir aber ein zweiter Gesichtspunkt, denn durch die zu beobachtende

    proportionale Zuordnung mitsamt eindeutiger Unterordnung der Figur des

    Kaisers unter Gott gewinnen die direkt-figuralen Zuschreibungen von Gabriel,

    Zacharias und Maria Hand und Fu. Indem nmlich der so mchtig gezeichnete

    Kaiser mit seinem wirkmchtigen Befehl in die bergreifende Linie des

    gttlichen Heilsplanes eingeordnet wird, nehmen Zuschreibungen, denen zufolge

    fr Gott nichts unmglich ist (so Gabriel) oder Gott mit seinem Arm machtvolle

    Taten vollbringt (so Maria), konkrete Gestalt an. Anders ausgedrckt: Gottes

    berragende Macht, welche ihm in Lk von Figuren der erzhlten Welt (preisend)

    zugesprochen wird, zeigt sich in der erzhlerisch vorgenommenen Unterordnung

    der lukanischen Augustusfigur, wobei die Gre und Reichweite von Gottes

    Macht so klar zum Vorschein tritt, weil der Kaiser als so machtvoll gezeichnet ist.

    Fr ein Verstehen der erzhlerischen Entfaltung des lukanischen Gottesbildes

    ist die Betrachtung der lukanischen Augustusfigur unter dem Blickwinkel, was

    deren Zeichnung auf figural-indirekte Weise zur Charakterisierung Gottes

    beitrgt, insofern von ganz erheblicher Relevanz, da durch die Tatsache, dass

    durch die Unterordnung des Kaisers (er ist nur Werkzeug im gttlichen

    Heilsplan) die theoretischen Aussagen ber Gottes Handlungsmacht aus Lk

    erstmals eine konkrete Gestalt gewinnen. Einfacher ausgedrckt: Die weltweit

    wahrnehmbare Aktion eines census hat nach Lukas Zeichnung keine

    Bedeutung aus sich heraus, sondern ist ganz dem bergreifenden gttlichen

    Heilsplan eingeordnet, sodass klar wird: Der, der die Fden der Macht in der

    Hand hlt, ist nicht Augustus, sondern Gott. Bedeutsam ist diese Absicherung

    fr die Charakterisierung Gottes unter erzhltheoretischem Betrachtungswinkel

    vor allem aus dem Grund, weil Gott ja nicht von einem allwissenden Erzhler nar-

    ratorial eingefhrt wird, sondern dass ihm von Figuren der erzhlten Welt (mit

    ihrem jeweiligen Horizont) bestimmte Eigenschaften zugeschrieben worden

    sind. Diese einzelnen Zuschreibungen von Macht und Gre werden durch die

    aufgewiesene berordnung der Macht Gottes ber den Herrschaftsanspruch

    des Kaisers, welche sich in Lk . an der Einordnung des census in den

    Heilsplan manifestiert, untermauert und abgesichert.

    Die Qualifizierung neu ist auf den lukanischen Erzhlverlauf zu beziehen.

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • . Blickwechsel: Die Tatsache, dass die Augustusfigur vom Erzhler als eine

    machtvolle Figur gezeichnet wird, darf nicht mit einer Wrdigung der historischen

    Gestalt von Kaiser Augustus und seiner Politik verwechselt werden (historische

    Ebene). Vielmehr geht es dem Erzhler auf der literarischen Ebene darum, durch

    die Zeichnung einer machtvollen Augustusfigur die bergroe Macht Gottes noch

    deutlicher zum Vorschein bringen zu knnen, wobei Lukas unmissverstndlich zu

    verstehen gibt, dass die eigentliche Macht nicht bei Kaiser Augustus, sondern bei

    Gott als dem umso Strkeren liegt. Um das eben angedeutete mgliche

    Missverstndnis im Sinne einer Wrdigung des Kaisers gar nicht erst aufkommen

    zu lassen und die Komplexitt des lukanischen Augustusbildes angemessen zu

    wrdigen, ist es unerlsslich, neben der beobachteten proportionalen

    Zuordnungsweise (GottAugustus) auch noch eine zweite, eher unterschwellig ein-

    gezeichnete Ebenewahrzunehmen. Auf dieser finden sich nmlich greifbare Spuren,

    dass sichAugustus undGottes Initiative ganzwesentlich unterscheiden und dass die

    Zeichnung der Augustusfigur mitsamt ihrer Handlungsweise erzhlstrategisch auch

    als Kontrastfolie dient, von der sich die Darstellung der gttlichen Heilsinitiative mit

    der Sendung des Sohnes sprbar (natrlich ganz zum Positiven) abheben kann:

    Augustus Initiative Gottes (Heils-)Initiative

    Durch den Machtanspruch, der

    mit der Volkszhlung verbunden

    ist, kommt Unruhe undWiderstand auf (Apg .).

    Wie wirkt

    sich dies

    aus?

    Nach Auskunft des Engels

    bringt Gottes Heilshandeln, d.

    h. die Geburt Jesu, Frieden aufErden (Lk .).

    Augustus Herrschaft endetunausgesprochen mit seinem

    Tod; von Lukas erfahren wir en

    passant, dass auf Augustus Kaiser

    Tiberius folgt.

    Wie gehtsweiter?

    Gott garantiert nach Angabendes Engels die Herrschaft

    seines Sohnes .

    In diese Richtung scheint Walaskay, Perspective, zu denken: Unlike Josephus, who main-

    tained a negative view of the census and its consequences, Luke subscribed to a positive view

    of the edict. The decree of Caesar had led to a legitimate ordering of a previous chaotic govern-

    ment; ganz anders S. Kim,Christ andCaesar. TheGospel and the RomanEmpire in thewritings of

    Paul and Luke (GrandRapids,MI: Eerdmans, ) , demzufolge Lukas von JesuGeburt high-

    lighting it against the oppressive backdrop ofCaesar Augustuss imperial reign erzhlt; vgl. ferner

    die beiden Kapitel Collision: Explicating Divine Identity und World Upside Down: Practising

    Theological Knowledge, C. K. Rowe, World Upside Down. Reading Acts in the Graeco-Roman

    Age (Oxford: Oxford University, ); als Wrdigung dazu V. H. T. Nguyen, Rez. zu Rowe,

    Review of Biblical Literature () (www.bookreviews.org: eingesehen am . Juli ) :

    His probe of the texts presents a new alternative for understanding Lukes ecclesiological narra-

    tive beyond the readings of Acts as an apologia to (or for) Rome or a counterstate polemic. Rowe

    epistemologically reads Lukes literary agenda as intentionally not a direct competition to or an

    overthrowing of theRoman state but rather providing analternativeway of life grounded inGods

    salvific revelation to the world.

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • Beim Blick auf die untere Zeile der Aufstellung schliet sich der Bogen zu den

    am Ende von Abschnitt IV vorgebrachten Beobachtungen hinsichtlich der

    Bedeutung der Facette der Sterblichkeit im lukanischen Augustusbild. Whrend

    wir am Ende von Abschnitt IV noch nicht in der Lage waren, die Relevanz

    dieses Aspektes adquat auszuloten, gibt uns die in der bersicht erfolgte

    Verknpfung mit der theologisch-christologischen Linienfhrung (rechte Spalte:

    Gottes Initiative) dazu das ntige Rstzeug an die Hand. Denn durch die

    Facette der Endlichkeit seiner konkreten irdischen Machtausbung (Lk :

    Regierung des Kaisers Tiberius) wird uns unmissverstndlich vor Augen

    gefhrt, dass Augustus einerseits und Gott und Jesus andererseits auf zwei

    vllig unterschiedlichen Stufen stehen. Endet nmlich Augustus konkrete

    Herrschaftsausbung in der Welt mit seinem Tod und folgt ihm Tiberius auf

    dem Thron, so sichert Gott zu, dass Jesu in der Welt erfahrbare

    Herrschaftsausbung sich davon allein unter zeitlichen Blickwinkel fundamental

    unterscheidet: Sie reicht , sodass es folglich einen Nachfolger aufdem Davidsthron nicht mehr geben wird.

    Die sich zunehmend verfestigende Annahme, dass Lukas die Zeichnung von

    Augustus Initiative auch (aber nicht nur!) als Kontrastfolie zu seiner

    Darstellung des gttlichen Heilshandelns verstanden wissen will, lsst sich

    unter Bercksichtigung der Frage nach den Auswirkungen der jeweiligen

    Initiative noch weiter erhrten. Diesbezglich ist erst einmal bemerkenswert,

    dass Lukas von der positiven Auswirkung des gttlichen Heilshandelns im unmit-

    telbaren Erzhlkontext (.)spricht,dass aber ein Statement hinsichtlich der Folgen des kaiserlichen Erlasses erst viele

    Kapitel spter in Apg . mit dem Hinweis auf den Aufstand nachgeliefert wird. Zieht man trotz des groen textlichenAbstandes die Informationen aus Lk . und Apg . zusammen, ist die wer-

    tende Gegenberstellung hinsichtlich der jeweiligen Handlungsfolgen mit

    Hnden zu greifen: Whrend Gottes Handeln Frieden auf Erden bringt, fhrt

    die kaiserlich angeordnete Volkszhlung zu Aufstnden und Unruhen unter

    den Betroffenen.

    Auch wenn unter rezeptionstheoretischem Betrachtungswinkel sicherlich

    erwogen werden kann, dass Assoziationen an die negativen Auswirkungen des

    kaiserlichen Erlasses schon durch die mehrmalige Wiederholung des

    Wortfeldes . ausgelst werden knnen, so ist doch die

    Vgl. Schreiber, Weihnachtspolitik, (Hervorhebung C.B.): Die bleibende Bedeutung Jesu fr

    die Menschen besteht in der mit seiner Geburt begonnenen Heilszeit, die fr die

    Verwirklichung von Frieden und sozialer Gerechtigkeit steht (und die er auch als himm-

    lischer Herrscher weiter garantiert).

    Zur Erinnerung: Die Funktion als Kontrastfolie ist das Gegengewicht zur proportionalen

    Zuordnungsweise.

    So z.B. jetzt Schreiber, Weihnachtspolitik, .

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • Entscheidung des Erzhlers zu beachten, in Lk noch nicht ausdrcklich von

    diesen negativen Auswirkungen zu sprechen. Sucht man nun eingedenk des ge-

    nerell beraus spekulativen Charakters von berlegungen zum Nicht-

    Gesagten nach dem Grund fr diese Nichterwhnung in Lk , ist m.E. in

    Erwgung zu ziehen, dass der Erzhler durch das Nicht-Sagen den Fokus seiner

    Darstellung ganz auf den Gedanken der Austarierung der Machtverhltnisse aus-

    richten kann. Hinzu kommt noch ein weiterer Gedanke: Betrachtet man nmlich

    das Zusammenspiel GottAugustus unter dem Fokus der negativen Folgen,

    welche der kaiserliche Erlass auf die von ihm Betroffenen hat, kann angesichts

    von Aspekten wie Unterdrckung und Ausbeutung die Frage aufkommen,

    warumberspitzt formuliertsich Gott nach Auskunft der lukanischen

    Erzhlung zur Durchsetzung seines Heilsplans berhaupt eines solchen

    Erlasses bedient hat, um Josef und die schwangere Maria nach Bethlehem zu

    fhren. Das Aufkommen dieser Frage umgeht der Erzhler dadurch, dass er

    nicht ausdrcklich auf die negativen Auswirkungen zu sprechen kommt,

    sondern seine Darstellung ganz auf die ber- und Unterordnung von gttlicher

    und kaiserlicher Macht fokussiert.

    Kurzum: Die greifbare Kritik luft nicht ber eine explizite negative Bewertung

    des kaiserlichen Erlasses, obschon diese in der Wiederholung des Wortfeldes

    impliziert sein mag, sondern vielmehr ber den Aufweis der Begrenztheit des kai-

    serlichen Machtanspruches und einer Umkehrung der realpolitischen

    Machtverhltnisse, was sich besonders drastisch und anschaulich bei einem

    Blick auf den Bau und Umbau der Architektur der erzhlten Welt zu erkennen

    gibt.

    Vgl. zum erzhltheoretischen Hintergrund des Nicht-Gewhlten W. Schmid, Elemente der

    Narratologie (Berlin/New York: W. de Gruyter, ) .

    Damit ist der Weg gewiesen, die eingangs angedeutete Spur aufzugreifen und nach der

    Gegenberstellung zu fragen, indem wir unsere berlegungen abschlieend vor der Frage

    nach der Architektur durchbuchstabieren.

    Dass die berlegungen zur geographischen Struktur der erzhlten Welt fr die

    Gewinnung eines angemessenen Textverstndnis von herausragender Bedeutung ist, haben

    mit Blick auf den zweiten Teilband des lukanischen Doppelwerkes Rowe und Sleeman

    nachdrcklich herausgestellt: Geography in this book is thus taken more as a feature of a

    theological vision, and less as a guide for mapping the concrete Sitze im Leben of Acts

    readers. The interest, that is, is more in the constructive role local knowledge plays in the nar-

    rative and its contribution to the overall literary project (Rowe, World, [Kursivdruck im

    Original]); und M. Sleeman, Geography and the Ascension Narrative in Acts (SNTS.MS ;

    Cambridge: Cambridge University, ) konstatiert in der abschlieenden

    Zusammenfassung seiner Studie: A close reading of Acts has shown that the spatial dimen-

    sion cannot and should not be downplayed in favour of time or marginalised in the interpret-

    ation of its theological message.

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • VI. Entgegengesetzte ArchitekturNeuausrichtungen

    . Hand in Hand mit der Austarierung der Machtverhltnisse in der aufge-

    wiesenen proportionalentgegensetzenden Zuordnungsweise erfolgt auch eine

    fr den Fortgang der Erzhlung nachhaltige Justierung der geographischen

    Achsen der erzhlten Welt, insbesondere was die Bestimmung von Peripherie

    und Zentrum in deren rumlicher Architektur angeht. Spiegelt nmlich die

    kurze Erzhlung von Augustus Erlass in Lk . noch die realen geogra-

    phisch-politischen Verhltnisse hinsichtlich der Zuordnung von Zentrum und

    Peripherie wieder, indem in ihr die Bewegung vom Zentrum (Kaiser in Rom)

    an den Rand (hier: die Provinz Syrien) nachgezeichnet ist, findet durch die

    erzhlerische Einbettung dieser kurzen Texteinheit und ihrer

    Kontextvernetzung eine radikale Umkehrung statt. Graphisch lsst sich dieser

    Prozess folgendermaen veranschaulichen, wobei wir zunchst bei der

    Ausgestaltung der rumlichen Architektur in Lk . ansetzen

    und dann beobachten, wie Lukas die Architektur neu festlegt, indem er

    innerhalb seiner erzhltenWelt Peripherie und Zentrum im Vergleich zu den real-

    politischen Verhltnissen umkehrt (ab V.), worin sich zugleich die

    Wertungsperspektive des Erzhlers, der ideologische Parameter seiner

    Der Aspekt der Umkehr der Verhltnisse von Peripherie und Zentrum schlgt noch strker

    durch, wenn man davon ausgeht, dass das Evangelium in Rom, d.h. im geographisch-

    politischen Zentrum des rmischen Reiches (realpolitische Ebene), entstanden ist (diesen

    Entstehungsort hlt beispielsweise Wolter, Lk, fr mglich; fr Ephesus als

    Entstehungsort votiert jetzt S. Witetschek, Ephesische Enthllungen : Frhe Christen in

    einer antiken Grostadt. Zugleich ein Beitrag zur Frage nach den Kontexten der

    Johannesapokalypse [Biblical Tools and Studies ; Leuven: Peeters, ] ).

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • Perspektive, niederschlgt:

    Nicht mehr Rom, an welches Lukas durch die Nennung des Kaisers erinnert,

    ist das Zentrum, von dem aus sich eine weltweite Bewegung ausbreitetdiese

    Bewegungsrichtung spiegelt sich noch in der Erzhlung von der Verbreitung

    des kaiserlichen Erlasses vom Sitz des Kaisers ber die gesamte Welt (s.

    Graphik ), sondern Israel, genauer: die Davidsstadt Bethlehem und spter

    dann Jerusalem, rckt unter Einbeziehung eines weltweiten Horizontes in den

    geographischen Mittelpunkt der erzhlten Welt. In Bethlehem kommt der

    Messias zur Welt, und die Freude darber, so wird den Hirten durch einen

    Auf die erzhltheoretische Ebene der Perspektivierung gewendet ist damit aber nicht einfach

    der rumliche Parameter der Perspektive berhrt, sondern der ideologische Parameter,

    welcher Faktoren umfasst, die das subjektive Verhltnis des Beobachters zu einer

    Erscheinung bestimmen: das Wissen, die Denkweise, die Wertungshaltung, den geistigen

    Horizont. Abhngig von diesen Faktoren werden Beobachter je andere Momente des

    Geschehens fokussieren und infolgedessen unterschiedliche Geschichten bilden (Schmid,

    Narratologie, ).

    Nicht tangiert ist dadurch, dass Israel bereits in Lk das geographische Zentrum der erzhlten

    Welt bildet, aber in Lk wird nun noch das Verhltnis dieses Zentrums zum gesamten

    Erdkreis bestimmt.

    Abgesichert wird die Annahme, dass in Lk schrittweise Rom und der gesamte Erdkreis als

    Kulisse an den Rand der erzhlten Welt gedrngt wird, wenn man die Linien

    bercksichtigt, welche ber die Art und Weise der Bezugnahme auf die vom kaiserlichen

    Erlass Betroffenen gefhrt wird: Whrend nmlich anfangs in V. noch abstrakt vom die Rede ist, wird der Blick in V. auf alle Menschen () konkretisiert,bevor dann der Fokus von der Masse auf den Einzelnen eingestellt wird (). MitBeginn von V. wird aus diesem anonymen aus V. dann eine konkrete Figur:Josef, der sich zusammen mit der schwangeren Maria (V.) auf den Weg in die Davidsstadt

    macht. Anders ausgedrckt: Die Linienfhrung fhrt von der anonymen Masse der gesamten

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • Engel zur gleichen Zeit auf einem Feld mitgeteilt, soll zuteilwerden, womit die Bewegungsrichtung beginnt, welche letztendlich ber

    Jerusalem, Juda und Samarien fhren soll.

    . Hat man erst einmal damit begonnen, die Geographie der erzhlten Welt

    ansatzweise auszuleuchten, stellt sich bald der Eindruck ein, dass unser

    Erzhler im Zuge der soeben beobachteten Neuausrichtung auf horizontaler

    Ebene noch einen entscheidenden Schritt weiter geht und es nicht dabei

    belsst, lediglich eine Stadt (Rom) durch eine andere (Bethlehem bzw.

    Jerusalem) zu ersetzen. Schritt fr Schritt erfolgt nmlich in Lk zusammen

    mit der Festsetzung von Bethlehem/Jerusalem als Zentrum auf der horizontalen

    Achse auch eine Justierung der vertikalen Achse, insbesondere in der Notiz vom

    pltzlichen Auftauchen des himmlischen Heeres in Lk . ( ), durch welche der Himmelals der alles berwlbende Raum immer sichtbarere Konturen gewinnt.

    Vorbereitet ist diese geographische Lngsstreckung bereits in den beiden

    Geburtsankndigungserzhlungen in Lk . und ., wiewohl dort der

    Himmel als Herkunftsort des gttlichen Boten Gabriel noch nicht ausdrcklich

    benannt wird. Dennoch deutet Gabriel, indem er sich Zacharias gegenber als

    derjenige vorstellt, der vor Gott steht (Lk .: ), und von dort gesandt ist (vgl. weiter Lk .: ),die vertikale Linie Gott (Himmel)Menschen (Erde) mit hinreichender

    Klarheit an. Darber hinaus ist es dann am Ende dieses ersten Kapitels der

    Menschheit ber den anonymen Einzelnen auf eine konkrete Figurengruppe, welche fortan

    im Zentrum der Erzhlung in Lk steht.

    Vgl. Wolter, Lk, (Kursivdruck im Original): Die Hirten werden damit einerseits zu

    Empfngern einer Israel geltenden Heilsproklamation, andererseits reprsentieren sie auf

    Grund dermit ihnen verknpften aurea-aetas-Semantik aber auch die Hoffnungen der gesam-

    ten Menschheit auf universalen Frieden.

    Sieht man aufs Textganze, wird die in Lk zu beobachtende Bewegungsrichtung von Rom auf

    Israel vor allem im zweiten Teilband wieder umgekehrt und fhrt nach Angabe von Apg .

    von Jerusalem ber Juda und Samarien , wobei Jerusalem aber daseigentliche Zentrum bleibt (vgl. z.B. Eisen, Poetik, ). Auch wenn dann ab Apg .,

    wo Paulus bekundet, dass er Rom sehenmuss (), der Blick wieder ganz auf Rom eingestelltwird, wird diese Stadt doch nicht zum Zentrum der Architektur der erzhlten Welt, sondern

    bleibt eine (wenn auch sehr wichtige) Durchgangsstation auf demWeg . Vgl. als Ausblick auf den zweiten Teilband des lukanischen Doppelwerkes Sleeman, Geography,

    (Kursivdruck im Original): It is therefore insufficient to summarise Acts as a Tale of Two

    Cities, to suggest that a shift in maps from Jerusalem to Rome occurs during themiddle chap-

    ters of Acts, or to delimit Luke as having two images of the world. In themselves, these various

    reductions are all earthbound and therefore generate insufficient and misleading renderings of

    Lukan space. They underestimate Lukan space by underplaying the key theological change in

    geographical horizon within Acts, namely heavenly Christocentrism, a change played out

    spatially across the narrative, towards the end of the earth.

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • Zachariasfigur berlassen, die vertikale Ausrichtung ausdrcklich ins Spiel zu

    bringen, wenn er Jesus als charakterisiert und damit dieHhe als Raum der erzhlten Welt erstmals explizit erschliet.

    Weitergefhrt und verstrkt wird diese Linienfhrung dann in der oben bereits

    angefhrten Notiz aus Lk ., da nach Auskunft dieses Verses das himmlische

    Heer ( ) in Anwesenheit der Hirten auf dem Feld das eigent-lich im Himmel stattfindende Gotteslob auf Erden hrbar erklingen lsst. Stellt

    man in Rechnung, dass wir uns in Lk . mitten in der Erzhleinheit von Jesu

    Geburt in Bethlehem (Lk .) befinden, ist das mit der Bezugnahme auf das

    himmlische Heer gegebene Signal unverkennbar: Im Moment der Geburt Jesus

    istso signalisiert es die Erwhnung der Hrbarkeit des himmlischen

    Gotteslobes auf Erdendie Distanz zwischen Himmel und Erde aufgehoben

    und das neugeborene Jesuskind erscheint als der Schnittpunkt, an welchem hori-

    zontale und vertikale Achse der von Lukas gezeichneten Welt zusammengefhrt

    werden. Folglichund dies ist fr ein angemessenes Verstndnis der geogra-

    phischen Ausrichtung der erzhlten Welt im lukanischen Doppelwerk

    mageblichlaufen horizontale und vertikale Achse nicht einfach an einem

    wie auch immer gearteten Ort innerhalb des rmischen Reiches zusammen,

    sondern in einer Person: in dem in Bethlehem geborenen Jesuskind, dem eigen-

    tlichen Gravitationszentrum der gesamten Architektur:

    Vgl. dazu Wolter, Lk, , dem zufolge der Gebrauch von in der LXX die Annahmenahe legt, diese Wendung nicht als appositionelles Attribut von zu behandeln,sondern mit zu verbinden: Wie in , (= .Sam ,); ,; ,kennzeichnet es die Herkunft des von Gott kommenden Heils; und weiter ebd.: Zum

    Ausdruck gebracht wird demnach, dass mit Jesus Gottes Heil vom Himmel her unter

    seinem Volk epiphan wird.

    Nach Wolter, Lk, .

    Ein nochmaliger Ausblick auf die geographische Ausrichtung im zweiten Teilband: The

    ascension is the moment of spatial realignment in Acts (cf. :a), and Acts as a narrative

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • . Schlielich erlaubt es diese Beobachtung zur Geographie der erzhlten

    Welt, dass wir die in der Forschung immer wieder geuerte Annahme einer

    Entgegensetzung zwischen Augustus einerseits und Gott und Jesus andererseits

    am gesamten Textgeflle, genauer: an der in Lk schrittweise vollzogenen

    Justierung der Achsen der erzhlten Welt mitsamt ihrer Umkehrung der realpo-

    litischen Verhltnisse, festmachen knnen, ohne dass wir dabei auf die

    Bewertung einzelner Motive allein angewiesen sind. Die geographische

    Ausrichtung der erzhlten Welt lsst keinen Zweifel daran aufkommen, dass

    Rom mitsamt dem vermeintlich so mchtigen Kaiser ganz an den Rand

    gerckt wird, whrend Gott (realpolitisch betrachtet) am Rande der Macht,

    unter kleinen Leuten, den Beginn der neuen Weltherrschaft in der Geburt

    seines Sohnes Jesu setzt, welcher das personale Gravitationszentrum der

    Gesamtarchitektur bildet.

    VII. Zusammenfassung

    Bndeln wir abschlieend die Ergebnisse unter besonderer

    Bercksichtigung der Frage, welche neuen Erkenntnisse durch den Einsatz

    eines narratologischen Analyseansatzes zu Tage gefrdert werden konnten:

    Lukas zeichnet Augustus als majesttische und durchsetzungsstarke

    Herrscherfigur, deren Einflussbereich in der lukanischen Darstellung den

    gesamten Erdkreis umfasst. Erlsst er einen Befehl, wie in Lk . die

    Anordnung eines reichsweiten census, befolgen diesen alle Menschen und

    machen sich auf den Weg in ihre Heimatstadt, um sich in die einschlgigen

    Listen eintragen zu lassen. Mit wenigen, aber sehr przise gesetzten Linien mar-

    kiert Lukas, dass er den Schwerpunkt seiner Augustusdarstellung auf den

    Aspekt gelegt hat, dass diese Figur nicht nur ber Macht verfgt, sondern

    diese auch weltweit einzusetzen vermag. Indem nun dieser fr sich genommen

    so mchtig wirkende Befehl in den gttlichen Heilsplan eingeordnet und damit

    diesem untergeordnet wird, wird offenkundig, dass der so machtvoll erschei-

    nende Befehl nichts anderes als ein Bestandteil des gttlichen Heilsplanes ist.

    Wenn nun schon der Initiator dieses -Befehls mit wenigenPinselstrichen als so durchsetzungsstark gezeichnet wird, fllt davon unweiger-

    lich auch ein Licht auf den Initiator des noch weitaus bergreifenderen

    gttlichen Heilsplanes und weist Gott als noch ungleich machtvoller und

    whole cannot be understood without ongoing reference to the heavenly Christ (Sleeman,

    Geography, [Kursivdruck im Original]).

    Hier schliet sich der Kreis zu meinen berlegungen zu Schreibers Beobachtungen in

    Abschnitt I dieser Ausfhrungen.

    Schreiber, Weihnachtspolitik, .

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL

  • durchsetzungsstrker aus. Ergnzt wird diese Zuordnungsweise von Augustus

    zu Gott im Sinne von je strker desto strker aber noch durch eine zweite

    Ebene, auf welcher mit Blick auf die Auswirkungen der jeweiligen Initiative

    Augustus als negative Kontrastfolie erscheint, von welchem sich die gttliche

    Heilsinitiative ganz zum Positiven abhebt.

    Dadurch dass wir mit unseren berlegungen bei der Analyse der

    Charakterisierung der lukanischen Augustusfigur angesetzt haben (Stichwort:

    Charakterisierungsverfahren), ist es nicht nur gelungen, die Konturen des luka-

    nischen Augustusbildes in der Bandbreite zwischen weltweitem Machtanspruch

    und Vergnglichkeit mit hinreichender Schrfe zu erkennen, sondern wir

    konnten auch die verschiedenen Ebenen der Einordnung dieser Figur in den

    Erzhlverlauf (sowohl proportional als auch als Kontrastfolie) genauer, als dies

    bis dato weithin geschehen ist, auseinander halten und deren Komplexitt erken-

    nen. Gerade die vorgenommene Betrachtung der Augustusfigur unter dem

    Gedanken, was deren Zeichnung zur Charakterisierung Gottes beitrgt, hat den

    Blick nachdrcklich fr eine genauere Beachtung geschrft, wer sagt was aus

    welcher Perspektive ber Gott. Hierbei zeigte sich, dass Gott nicht narratorial

    sondern figural in die erzhlte Welt eingefhrt wird und dass sich die einzelnen

    Zuschreibungen wie oder gegenseitig sttzen und ergnzen. In diesemZusammenhang ist der Erweis von Gottes tatschlicher, d.h. auch innerweltlich

    erfahrbarer Handlungshoheit und Wirkmchtigkeit, welcher figural-indirekt

    ber die Zuordnung von Augustus und Gott luft, insofern ganz erheblich, als

    dass auf diesem Weg die fr sich genommen theoretischen Zuschreibungen

    handfeste und sichtbare Spuren in der Welt hinterlassen und so die Macht

    Gottes konkret erfahrbar machen. Anders ausgedrckt: Gott wird nicht nur als

    wirkmchtig gepriesen, sondern ist auch als solcher innerweltlich erfahrbar, da

    er nach lukanischer Zeichnung in der Lage ist, sich des so mchtigen Kaisers

    als Werkzeug seines Heilsplanes zu bedienen.

    Schlielich konnte durch die Einbeziehung der berlegungen zur Architektur

    der erzhlten Welt die in der Forschung immer wieder geuerte Annahme einer

    Gegenberstellung von Augustus zu Gott und Jesus mit grerer Gewissheit am

    gesamten Erzhlgeflle festmachen, ohne dass wir dabei auf das in der

    Anders ausgedrckt: In seiner Funktion dient die Zeichnung der Augustusfigur dazu ein Licht

    auf die Zeichnung Gottes zu werfen.

    Ist ber den Weg der erzhltheoretischen Figurenanalyse erst einmal die Komplexitt der

    erzhlerischen Einordnung der Augustusfigur erkannt, d.h. beachtet man sowohl die propor-

    tionale Zuordnungsweise (im Sinne von je strkerdesto strker) als auch die Funktion als

    Kontrastfolie, bewegt man sich jenseitig einer einseitigen Zuordnung; sei es einseitig im Sinne

    eines Verstndnisses als Kontrastfolie (so z.B. Kim, Christ, ) oder einer Wrdigung der

    Leistungen des rmischen Kaisers (so z.B. Walaskay [s. Anm. ]).

    Augustus Erlass und Gottes Macht

  • Forschung in seiner Bedeutung strittige Windel-Motiv zurckgreifen mussten.

    Unter geographischem Fokus werden wir Zeugen, wie es Lukas innerhalb

    weniger Verse gelingt, einen weltweiten Horizont zu erffnen und dabei die real-

    politischen Machtverhltnisse vllig auf den Kopf zu stellen: Ihm zufolge geht die

    eigentliche Weltmacht nicht mehr vom Kaiser in Rom aus, sondern von dem in

    Bethlehem zur Welt gekommenen Sohn Gottes, wobei alle Augen das Heil

    sehen sollen, das aus Israel kommt und das bis an die Grenzen der Erde zu bezeu-

    gen ist.

    German Abstract: Dass mit der Erwhnung des kaiserlichen Erlasses in Lk: ein weltweiter Horizont innerhalb der lukanischen Erzhlung erffnetwird und dass auf diesem Weg die weltpolitische Bedeutung der nachfolgenderzhlten Geschehnisse, d.h. der Geburt Jesu, herausgestellt wird, ist immerwieder registriert worden, obschon die Auslegung dieser Verse ber weiteStrecken von historisch orientierten Rckfragen zum Modus des kaiserlichenErlasses und zu dessen Datierung dominiert wurde. Im Unterschied zu dieserFragerichtung geht es hier zentral um eine Analyse des lukanischenAugustusbildes und um berlegungen zur Bestimmung von dessenerzhlstrategischer Funktion, gerade auch im Horizont der theologisch-christologischen Linienfhrung in Lk und des Entwurfs der Architekturder erzhlten Welt.

    Vgl. die Anm. und .

    CHR I S T I AN BLUMENTHAL


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