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Augenblicke einer Krise - KfJ.at · 2019-12-03 · Cristiano Ronaldo. Moment schaut nach, ob das...

Date post: 31-Jul-2020
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Abschlusszeitung des 17. Österreichischen Journalistenkollegs am KfJ Moment! Real Madrid zahlt 93,6 Millionen Euro für Cristiano Ronaldo. Moment schaut nach, ob das linke, das rechte Bein oder doch die Bauchmuskulatur diese utopi- sche Summe ausmachen und wie viele Villen man für einen Cristiano Ronaldo bekommt. Moment! Fühlen Sie sich unsicher? Keine Sorge, die SOKO-Ost gibt Ihnen ein noch nie dagewesenes Sicherheitsge- fühl. Außerdem unter der Lu- Augenblicke einer Krise pe: der generelle Sicherheitsan- spruch der Österreicher. Moment! Kunstkäse und Kürbis als Fruchtersatz in Marmelade. Lebensmittelher- steller suchen immer mehr We- ge, um billiger zu erzeugen. Mo- ment zeigt, was Sie trotzdem noch essen können . Moment! Im Iran ist die grüne Revolution in vollem Gange. Journalisten werden des Landes verwiesen und be- kommen einen Maulkorb auf- gezwungen. Moment begibt sich ins World Wide Web und zeigt die grüne Revolution der Anhänger Mousawis über Web 2.0. Moment! Kinder mob- ben Kinder, Lehrer sind am En- de ihres Lateins. Moment forscht nach den Gründen für die Krise an unseren Schulen. Momenterl! Krise? Welche Krise? Marleen Egger Real Madrids Spiel mit der Finanzkrise Seiten 2 – 5 Was ist schon sicher? Seiten 6, 7 Aufgedeckt: Was man noch essen will Seiten 8, 9 Generation Twitter kämpft an der Front Seiten 10, 11 Juli 2009 Mehr Momente auf www.kfj.at/wiki Bild: Flickr Bild: AP Bild: Fotolia Bild: Flickr Bild: dpa
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Page 1: Augenblicke einer Krise - KfJ.at · 2019-12-03 · Cristiano Ronaldo. Moment schaut nach, ob das linke, das rechte Bein oder doch die ... o t o l i a B i l d: F l i c k r B i l d:

Abschlusszeitung des 17. Österreichischen Journalistenkollegs am KfJ

Moment! Real Madridzahlt 93,6 Millionen Euro fürCristiano Ronaldo. Momentschaut nach, ob das linke, dasrechte Bein oder doch dieBauchmuskulatur diese utopi-sche Summe ausmachen undwie viele Villen man für einenCristiano Ronaldo bekommt.

Moment! Fühlen Siesich unsicher? Keine Sorge, dieSOKO-Ost gibt Ihnen ein nochnie dagewesenes Sicherheitsge-fühl. Außerdem unter der Lu-

Augenblickeeiner Krise

pe: der generelle Sicherheitsan-spruch der Österreicher.

Moment! Kunstkäseund Kürbis als Fruchtersatz inMarmelade. Lebensmittelher-steller suchen immer mehr We-ge, um billiger zu erzeugen. Mo-ment zeigt, was Sie trotzdemnoch essen können .

Moment! Im Iran ist diegrüne Revolution in vollemGange. Journalisten werdendes Landes verwiesen und be-

kommen einen Maulkorb auf-gezwungen. Moment begibtsich ins World Wide Web undzeigt die grüne Revolution derAnhänger Mousawis über Web2.0.

Moment! Kinder mob-ben Kinder, Lehrer sind am En-de ihres Lateins. Momentforscht nach den Gründen fürdie Krise an unseren Schulen.

Momenterl! Krise?Welche Krise? Marleen Egger

Real Madrids Spielmit der Finanzkrise

Seiten 2 – 5

Was ist schonsicher?

Seiten 6, 7

Aufgedeckt: Wasman noch essen will

Seiten 8, 9

Generation Twitterkämpft an der Front

Seiten 10, 11

Juli 2009

Mehr Momente aufwww.kfj.at/wiki

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2 SPIELMOMENT SPIELMOMENT 3

E ine Aktie, die auch zuZeiten einer Wirt-schaftskrise Gewinneverspricht. Cristiano

Ronaldo ist der teuerste Fuß-baller der Welt. Für 93,6 Mil-lionen Euro leistete sich derspanische Spitzenklub RealMadrid den Weltfußballer desJahres, einen 24 Jahre altenPortugiesen. Die Summe ent-spricht etwa jenem Kaufpreis,den der österreichische Magna-Konzern und die russischeSberbank für Opel bezahlt ha-ben – inklusive Werkshallenund 55.000 Mitarbeitern.

Ronaldos fußballerischesKönnen steht nicht im Vorder-grund. Der eigentliche Wertdes Superstars ist oberhalb sei-ner Gürtellinie zu finden. Gel,Gold und Glamour haben Ro-naldo zu einer Marke gemacht.Merchandising und Sponsorensollen den finanziell angeschla-genen Fußballklub auf die

Überholspur führen. Währenddie einen den Transfercoup desJahrhunderts feiern und vonSuperlativen gar nicht genugkriegen, empfinden andere dieTransferpolitik der Spanier alsunmoralisch, obszön und gehenauf die Barrikaden.

Klubpräsident FlorentinoPerez will insgesamt 300 Mil-lionen Euro in sein „DreamTeam“ pumpen. Das Geld dafürkommt nicht aus der Tasche des62-jährigen milliardenschwe-ren Bauunternehmers, sondernvon Banken. Presseberichtenzufolge erhält Real von denGroßbanken Santander undCaja Madrid zusammen rund150 Millionen Euro. Als Garan-tie sehen die Geldinstitute dieTV-Übertragungsrechte der Li-gaspiele für sieben Jahre, diedem Fußballklub etwa 1,1 Milli-arden Euro einbringen.

Das spanische Wirtschafts-und Finanzministerium zeigtesich angesichts des Kredits „ei-nigermaßen überrascht“, da dieBanken den Geldhahn wegender Finanzkrise weitgehend zu-

gedreht hatten. „Wenn dieGeldinstitute für so etwas li-quid sind, sollten sie auch klei-nen und mittleren Unterneh-men sowie Privatleuten Geldleihen“, sagte Ministerin ElenaSalgado. Mittlerweile beschäf-tigen Reals Geschäfte auch dasspanische Parlament. Die klei-ne katalanische LinksparteiICV beantragte die Begrenzungder Spielergehälter. Die Regie-rung müsse dafür sorgen, dassdie Fußballklubs zunächst ihreSteuerschulden begleichen, be-vor sie Millionen ausgeben.Andere Fraktionen schlossen

sich der Meinung an. FIFA-Präsident Joseph Blatter vertei-digte die Aktivitäten von RealMadrid. „Es zeigt, dass unserProdukt ein gutes ist. Wir be-finden uns in einer Wirtschafts-krise, aber es gibt immer nochdas Verlangen nach Stars", kon-statierte der Chef des interna-tionalen Fußballverbands.

Real-Präsident Pérez hat oh-nehin eine ganz eigene Ausle-gung seiner Transferpolitik:„Ein Spieler ist nicht teuer oderbillig, sondern rentabel odernicht rentabel.“ Fans dürftendas anders sehen, immerhin

Reals surrealeTransferpolitik

Das Spiel mitDas Spiel mitder Kriseder Krise

gibt es in Spanien die höchsteArbeitslosenquote der EU.„Wir leben in einer Bananenre-publik. Wenn ich im Auslandbin, sage ich, dass ich Italienerbin, denn ich schäme mich. Soviel Geld für einen Fußballerzu zahlen ist schändlich und un-moralisch“, schrieb ein User ineiner Online-Umfrage. Spanienhat vier Millionen Arbeitslose,beklagt eine geplatzte Immobi-lien-Blase und ächzt unter derärgsten Wirtschaftskrise seit 70Jahren. Real spielt mit dieserKrise. Michael Unverdorben,

Simon Hirt, Peter Klimkeit

Real Madrid spaltet die Fußballwelt.

INTERVIEW

PRO CONTRA

Moment: 93,6 Millionen Eurobezahlt Real Madrid für Cris-tiano Ronaldo, ist er das als„Marketing-Objekt“ wert?

Reinhard Grohs: Der Gedan-ke dahinter ist, durch neueSponsoren und Merchandising-Artikel das Geld wieder zurückzu bekommen. Wie schon derTransfer David Beckhams 2003gezeigt hat, können durch so ei-nen Transfer auch neue Märkteerschlossen werden.

Moment: Welchen Nutzenziehen Unternehmen ausSport-Sponsoring?

Grohs: Der größte Vorteil be-steht darin, den Konsumentenin einem Moment emotionalerBegeisterung anzusprechen. Eswird eine Sache unterstützt, diedem Konsumenten wichtig ist,dadurch kann sich das Imageeines Unternehmens ändern.

Moment: Muss man bei derderzeitigen Wirtschaftslagevon einer Investition der Kri-se zum Trotz sprechen?

Grohs: Man darf nicht ver-gessen, dass viele dieser Inves-titionen Einzelleistungen fi-nanzstarker Personen sind, fürwelche die Selbstverwirkli-chung eine wichtige Rolle

„Ökonomisch nichtganz nachvollziehbar“

spielt. Dieser Drang nachSteuerung auf lokalem Niveauist oft ökonomisch nicht ganznachvollziehbar.

Moment: Wie würden Siedas Salzburger Red-Bull-En-gagement im Fußball einord-nen?

Grohs: Der internationale Er-folg fehlt bisher noch und diegetätigten Investitionen sindnoch nicht ansatzweise zurück-geflossen. Aber bis vor einemdreiviertel Jahr wurde dasselbeüber den Formel 1-Rennstallgesagt und heute spricht mannur noch vom Marketing-Wertdurch Red Bull Racing.

Simon Hirt

Marketing-Experte zum Ronaldo-Transfer.

ZUR PERSON

Reinhard Grohs lehrt Marke-ting an den Universitäten Wien

und Salzburg.

Ronaldo ist nicht nur der teu-erste Kicker der Welt, er istauch der beste seiner Zunft undnach Beckham die wichtigsteWerbeikone des Weltfußballs.Die Summe, die Real für seineAblöse gezahlt hat, mutetwahnwitzig an. Sie ist es abernicht. Denn der Werbewert fürden Verein ist unbezahlbar, und

Das Glücksrezeptdie Ausgaben werden bald ein-gespielt sein. Ronaldo wird diemadrilenischen Fans mehr alsnur unterhalten. Er wird sieglücklich und vergessen ma-chen – Krise hin oder her. EinRezept, das schon die Römerkannten und das Real-Präsi-dent Pérez perfekt beherrscht.

Andreas Praher

Während in Spanien die Ar-beitslosigkeit in die Höheschnellt, wirft Real-PräsidentPérez mit dem Geld um sich.Die 94 Millionen Euro für Cris-tiano Ronaldo werden überKredite finanziert. Dadurchentsteht eine Wettbewerbsver-zerrung. Es ist kein Geld vor-handen, dennoch wird kräftig

So droht der Kollapsinvestiert. Ein falsches Signalan jene Klubs, die ohne Verlus-te wirtschaften. Zudem garan-tiert der Superstar noch keinenErfolg. Bleibt er aus, droht Realjenes Schicksal, das es Mitteder 90er Jahre durch den Ver-kauf von Grundstücken abweh-ren konnten: der finanzielleKollaps. Harald Saller

Auch in düsteren Tagen – der Fußball trotzt der Wirtschaftskrise. Bild

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ReinhardGrohs

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4 SPIELMOMENT SPIELMOMENT 5

Man nehme zweistramme Waden,einen gestähltenOberkörper, einen

knackigen Hintern und einenklingenden Namen wie Cristia-no Ronaldo, Luis Figo oder Da-vid Beckham – aus diesen Zuta-ten muss Fußball gemacht sein,damit er Frauen schmeckt.Wirklich? Fest steht, dass Fuß-ball längst nicht mehr nur für

Männer das Aphrodisiakumdes Alltags ist. Immer mehrFrauen können dem Tanz umdas Leder etwas abgewinnen –und nicht nur weil die Tänzerschwitzende Männerkörpersind. Fußball ist kommerziellergeworden, gesellschaftlich re-spektabler. Profikicker sind diemodernen Traumprinzen; sieverdienen eine Menge Geldund sehen gut aus.Doch macht das allein die Fas-zination aus? Natürlich nicht.Fußball ermöglicht FrauenFreiräume, die anderswoschwer vorstellbar sind. Siekönnen sich in Eigenschaften

Wenn Frauenschreien, fluchenund pfeifen . . .

und Handlungen ausprobieren,die eigentlich für Männer re-serviert sind: Im Stadion störtes niemanden, wenn eine Frauschreit, flucht und pfeift. Undabgesehen von der Euphoriedes Dazugehörens haben Frau-en gemerkt, dass auch ein Fuß-ballspiel so spannend sein kannwie das ewige Hin und Herzwischen Mr. Big und Carrieaus „Sex and the City“. Auch

die Hingabe und Leidenschaft,die Profifußballer am Rasen anden Tag legen, beeindruckenFrauen und locken immer mehrins Stadion und vor die Bild-schirme, wie eine Studie derOnline Partneragentur „Par-ship“ besagt. Wahrscheinlichwürde deshalb jede dritte Fraugerne einen Fußballspieler zusich nach Hause einladen -während der Gatte im Stadionist, versteht sich.Doch der Aufstieg von der Frauzum Fan ist steinig. Um Ein-gang in die Fußballwelt zu fin-den und ernst genommen zuwerden, ist natürlich ein gewis-

ses Maß an Fachwissen nötig.Männern wird das meist auto-matisch unterstellt und Frauengenauso automatisch abgespro-chen. Kein Spruch ist so über-holt, dass er nicht noch einmalwiederholt werden kann: Etwa

die Frage nach der Abseitsre-gel. Kann man diese als Frauohne mit der Wimper zu zuckenherunterbeten, erntet man stetsanerkennende Blicke und ein:„Für eine Frau kennst du dichja echt aus.“ Andrea Durnthaler

Veränderte Fankurve: Fähnchenschwenkende Frauen mitbepinselten Wangen in den Farben der Lieblingsmannschaft.

Sie sitzen am Schalthebel derMacht. Mit Geld und politi-schem Einfluss beherrschensie den europäischen Fußball.

MächtigeMänner

Silvio Berlusconi (72)Der streitbare Ministerpräsi-dent Italiens übernahm 1986den maroden AC Milan undbeherrscht zudem 90 Prozent

der italienischen Me-dien. Sein Ver-mögen beträgt3,8 Mrd. Euro.

Dietrich Mateschitz (65)Mit Red Bull eroberte derSteirer den Getränkemarkt.Nach Salzburg und New Yorksponsert er nun auch RB

Leipzig. Sein Ver-mögen laut For-bes: 2,18 Mrd.Euro.

Florentino Perez (62)Der spanische Bauunternehmersorgt bei Real Madrid mit seinenRekordtransfers von Ronaldound Kaka für Aufsehen. Er ver-

fügt über knapp eine Mil-liarde Euro.

Roman Abramowich (42)Mit dem Erdölhandel wurde er

Milliardär. Der russische Oli-garch kaufte 2003 Chel-sea London und unter-stützt das russische

Team ZSKA Moskau.Geschätztes Vermö-gen: fünf Mrd. Euro

Was bekomme ich für einen Ronaldo?

C. Ronaldo (POR) 93,6 Mio.Z. Zidane (FRA) 75 Mio.Kaka (BRA) 68 Mio.L. Figo (POR) 58,5 Mio.H. Crespo (ARG) 56 Mio.G. Buffon (ITA) 49 Mio.R. Ferdinand (ENG) 47 Mio.C. Vieri (ITA) 46,5 Mio.

Toptransfers

FAKTEN

Das 93,6Millionen-

Euro-Baby:Cristiano

Ronaldo.

Für knapp 94 Mio. Eurokönnte sich Ronaldo 23,2Mio. Tuben Haargel kau-fen. Damit er bis an seinLebensende gut gestylt ist.

23,2 MillionenTuben Haargel

Gerstensaft bis zumAbwinken, 15,5 Mio.Sixpack Bier anstattdes Fußballstars.

15,5 MillionenSixpack Bier

Mit dem Kauf von 4650Stück VW Golf könnte mandie Wirtschaft kräftig an-kurbeln - selbst ohne Ver-schrottungsprämie.

4650 kompakteVW Golf

Ganz Österreich wäre ei-nen Tag lang kulinarischversorgt.

9,4 MillionenWiener Schnitzel

Für die Transfersumme desWeltfußballers könnte man372 Familien ein Häuschenbauen.

372 schmuckeEinfamilienhäuser

Mit zehn Privatjetseinmal rund um dieWelt.

10 Privatjets

Franz Beckenbauer (63)Er wurde als Spieler (1974)und Trainer (1990) Welt-meister. Mit Uli Hoeneßmachte er den FC Bayern

zum erfolgreichstendeutschen Klub.Vermögen: ca.40 Mio. Euro.

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Profikicker sinddie modernenTraumprinzen.

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6 GEFAHRENMOMENT GEFAHRENMOMENT 7

HINTERGRUND

Sicherheit ist eine derwichtigsten Grundlagenunser aller Leben. OhneSicherheit ist allesnichts. In der Politikaber geht es um subjek-tive Sicherheit – um Si-cherheitsgefühle. Dasist etwas ganz anderes.Objektive Sicherheitist die Abwesenheitvon Bedrohungen.Hier handelt es sichaber um Gefühle, alsoum Psychologie. UndAngst spielt eine große

Rolle. Angstgefühle wol-len befriedigt werden.

Die Politiker wissen das(Wählerstimmen!). Angst

ist zumeist irrational undihr begegnet die Politik mit

Irrationalem.Vom Irrationalen ist es aber

nur noch ein kleiner Schrittzum Absurden. Dem wollenwir entgehen wirken.

Moment hat Fakten und Da-ten recherchiert. Hier einigeBeispiele.

Wussten Sie, dass . . .

Wussten Sie, dass . . .

1. im vorigen Jahr 859 Inlän-der und 1535 Ausländer wegengewerbsmäßigen Diebstahlbzw. Bandendiebstahl, und 859Inländer und 657 Ausländerwegen Einbruchsdelikten ver-urteilt wurden,

2. fast die Hälfte der Polizis-ten, welche die SOKO-Ost bil-den, aus Bundesländern im Os-ten kommen und dass es dieseSonderkommission nur 90 Tagegeben wird,

3. die von BundeskanzlerWerner Faymann (SPÖ) ver-sprochenen 2000 Polizisten erstim Jahre 2012 ausgebildet seinwerden,

4. seit 2001 die Zahlen der er-mittelten Tatverdächtigen von203.143 auf 240.554 also um18,44 Prozentpunkte angestie-gen ist,

5. die im Assistenzeinsatz ste-henden Soldaten dieselben Be-fugnisse haben, wie jeder ande-re Staatsbürger auch, nämlichbeobachten und (der Polizei)

melden und bei einem tätlichenAngriff gegen Leib und LebenNotwehr und Nothilfe leistendürfen,

6. die Zahl der Polizisten inden letzten 10 Jahren leicht an-gestiegen ist: 1998 waren es26.817 Polizistinnen und Poli-zisten und im April 2009 knapp27.000 Beamte,

7. die Personalausgaben dafür2009 1,59 Milliarden Euro und2010 1,619 Milliarden Euro aus-machen werden,

8. in Wien von rund 4300 aus-gebildeten Polizisten 286 im In-nendienst für Verwaltungsauf-gaben eingesetzt wurden,

9. laut internem Schreiben desLandespolizeikommandos inWien darüber hinaus mehr als840 Polizisten fehlen,

10. die durchschnittlicheÜberstundenbelastung pro Po-lizisten und Monat inWien2008 31,6 Stunden betragenhat? Claus Neumann

Daten & Fakten zur Sicherheit in Österreich.

A lle 60 Sekundenwird in Österreicheine Straftat ange-zeigt. Tendenz stei-

gend. Besorgniserregend dieZahlen zu den Einbrüchen.Hier gibt es etwa in Wien ei-ne Steigerung von beinahe40 Prozent. Rund 27.000Polizisten sorgen derzeitfür den Schutz von 8,4Millionen Einwoh-nern. Ausreichendunter „normalen“Umständen. DerWegfall der Gren-zen und das ausge-prägte Sozialgefäl-le zwischen Ostund West besche-ren uns momentanaber vehement an-steigende Strafta-ten. Als erste Ge-genmaßnahme hatdie Polizei die SO-KO-Ost gegründet.Eine 300 Mann star-ke Gruppe mit lauterSpezialisten, die vor-wiegend in der Ostre-gion zum Einsatz kom-men soll. Klingt gut undvernünftig. Allerdingsregt sich seitens der ande-ren Bundesländer heftigerWiderstand dagegen. Das Per-sonal für diese SOKO wurdeaus Restösterreich abgezogen,jetzt befürchten Politiker einSicherheitsvakuum in den be-troffenen Bundesländern.

General Konrad Kogler, Re-feratsleiter im Innenministeri-um und Chef der neu gegrün-deten SOKO-Ost, wurde zumStand der Öffentlichen Sicher-heit in Österreich befragt. ImInterview spricht er über dieaktuelle Sicherheitslage, dieEigenverantwortung der Bür-ger und die geplanten Maßnah-men der Polizei.

Moment: Wie weit ist derStaat für die Sicherheit derMenschen verantwortlich?

Kogler: Öffentliche Sicher-heit kann nur im Verbund mitden Bürgern gewährleistetwerden. Sie beginnt bei der Ei-genvorsorge jedes Einzelnen.Es ist erforderlich, dass dieMenschen ihr Eigentum so gutschützen, wie es ihnen möglich

undzumut-bar ist. Esist wie mit derGesundheitsvor-sorge. Hier braucht esein Zusammenspiel zwischenArzt und Patienten. Beide tra-gen Verantwortung, beide müs-sen aktiv werden. Auch bei derSicherheit müssen Polizei undBürger ihre jeweilige Verant-wortung wahrnehmen.

Moment: Mit welcher Stra-tegie begegnet die Polizeider Einbruchswelle?Kogler: Vorrangig sind für unsnicht das Personal oder dieTechnik allein wichtig, sondernwir setzen auf ein Maßnah-menpaket. Elemente davonsind die Verstärkung der inter-nationalen Zusammenarbeit,die Intensivierung der Krimi-

nalanalyse, die Fortbildung derPolizisten und die interneKommunikation. Neuaufnah-men von Polizisten sind wich-tig und werden auch vorange-trieben, sie stehen uns abererst nach der Ausbildung inrund zwei Jahren zur Verfü-gung.

Moment: Sieht die Polizeidie aktuelle Einbruchswelleals außergewöhnlich an?

Kogler: Die Kriminalanalysezeigt besonders in der Ostregi-on von Österreich ein über-durchschnittliches Ansteigender Einbrüche. Auf diese be-

son-dere La-

ge reagie-ren wir mit be-

sonderenMaßnahmen. Wir haben

die sogenannte SOKO-Ost insLeben gerufen. Spezialistenaus ganz Österreich werden zu-sammengezogen und sollenhier rasch eine Verbesserungder Situation bewirken.

Im internationalen Ver-gleich, so General Kogler, giltÖsterreich immer noch als ei-nes der sichersten Länder. DiePolizei hat auf die momentanveränderte Situation reagiertund verspricht Besserung.Wenn auch die Bürger ihre Ver-antwortung wahrnehmen, soll-te Österreich weiterhin ein si-cherer und lebenswerter Ortbleiben. Rainer Dionisio

KOMMENTAR

GLOSSE

Unsicherheit bestimmt unserLeben. Täglich. Das wird unsaber zum Glück nur fallweisebewusst. Wir alle wollen undbrauchen Sicherheit, und derStaat gewährleistet sie. DasHeikle ist der Spalt zwischenstaatlicher Fürsorge und derverbleibenden Unsicherheit,denn in diesem Zwischenraumist unsere Freiheit. Ein Staat,der sich anmaßt immer zu wis-sen, was gut für die Bürger ist,wird unweigerlich totalitär. Un-sere Politiker, vornehmlich diein der Regierung, werdenscheinbar selten vom Zweifelbenagt, ob ihre Schnellschus-santwort auf jedes auftauchen-de Problem auch die richtigesei. Nur keine Nachdenkpauseeinlegen, wie sich Anlassgeset-ze auf das Rechtsgefüge auswir-ken – das könnte als Schwächeausgelegt werden.

Die Bürger begeben sich in-zwischen in bequeme Unmün-digkeit, beschränken sich aufdas Raunzen, und fordern vor-geblich über kleinformatigeZeitungen strengere Strafenund obrigkeitsstaatliche Re-pression. Selbstverantwortungwird an Selbstdarsteller dele-giert, das Gemeinwohl und not-wendige Entscheidungen fürdie Zukunft müssen ebensowarten wie ehrliche Analysender Situation, denn das ver-schreckt nur die Wähler – undman will ja schließlich wiedergewählt werden.

Christian Hosiner

Sicherheit –eine Illusion

Mit Freude sorgen wir uns zuTode: „Zecken, sie kommen“,ängstigt uns die Pharmabran-che. Angriffslustige Trojanerund Würmer machen jedenWeb-Einstieg zum Nervenkit-zel. Einbruchserien rauben unsden sicheren Schlaf.

Die Welt steht nimmer mehrlang? Angsthasen, legt die Oh-ren an und hört! All diese Ge-fahrenmomente bringen viel

Polizei drückt den BörsekursGeld für jene börsenotierte Un-ternehmen, die uns Schutz ver-sprechen.

Tabletten und Impfstoffe ver-kaufen sich besser als Bio-Nah-rung. Alarmanlagen sind einVerkaufsschlager und Security-Firmen gehören zum Wachs-tumsmarkt. Wer sein Geld ge-winnbringend investierenmöchte, setzt auf Sicherheit.Dazu ein Aufruf an Fekter und

Darabos: Pfeifen Sie schnell dieSOKO-Ost zurück und ziehenSie unsere Grenzsoldaten vonden burgenländischen Billa-Parkplätzen ab. Das brächte ei-nen echten Konjunkturschubfür die privaten Alarm AG´s.Und wir wüssten wieder, wowir unser Geld sicher anlegenkönnen. Da soll noch einer sa-gen, die Börse sei nichts fürÄngstliche. Gerold Fraidl

SicherheitSicherheit& Gefühl& Gefühl

Bei der Sicherheit ist es wiebei der Gesundheit.

Vorbeugen ist gut. Und imNotfall müssen die Kräfte

gebündelt werden.

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8 GENUSSMOMENT GENUSSMOMENT 9

Wussten Sieschon, dass…

… Mehrfruchtmar-meladen zum Groß-teil aus Kürbis undnicht aus Himbeerenoder Brombeerenbestehen?

... Wurst mit Weizen-fasern gestrecktwird, um Fleisch zusparen?

… unreife, grüne Oli-ven mit Salzen ausMilchsäure schwarzund somit reif ge-färbt werden?

… billiger Parmesanaus Abfallproduktenvon Emmentaler,Gouda und Co. be-steht?

Willkommen zur Lebensmittel-Lüge. Ihre Bestellung bitte.Ein Fleischlaibchen, gestrecktmit Weizenfasern und Fett?Oder doch lieber künstlich ge-färbte Oliven und ein wenigKunstkäse zur Anregung desfeinen Gaumen? Bitte zum Lu-xus-Schalter vorfahren. Darf’sein bisschen Kaviar, Pardon,ein paar brillantschwarz ge-färbte Kügelchen sein? Dazu

Gestreckt, gefärbt, gefälscht . . .ein Glaserl Billigsekt aus derUkraine, angepriesen als feins-tes französisches Prickelwas-ser? Danke für Ihre Bestellung.Bitte beim nächsten Schalterbezahlen. Was? Jetzt wo Sie al-les wissen möchten Sie stornie-ren? Dabei essen Sie doch täg-lich Abfall ohne Bedenken. DieHersteller versichern Ihnengerne die gesundheitliche Un-bedenklichkeit! Marleen Egger

GLOSSE

Moment: Rupp hat im Junidie Herstellung von Kunstkä-se eingestellt. Ist dieser ge-sundheitlich bedenklich?

Bernhard Zainer: Nein,Kunstkäse ist grundsätzlichnicht schlecht. Sehr wohl gibtes aber offene Fragen zur Kenn-zeichnung und Vermarktungdieser Produkte.

Moment: Wie unterschei-det sich Kunstkäse von natür-lichem Käse?

Zainer: Analogkäse ist nichtaus Milch. Pflanzliche Fetteund Öle ersetzen Milchfett.Hinzu kommen Stärke, Salze,Emulgatoren, Aroma- undFarbstoffe, Geschmacksver-stärker, Wasser, teils auchpflanzliches Eiweiß. Wegen op-tischer Ähnlichkeit besteht Ver-wechslungsgefahr. Solche Imi-tate dürfen die Bezeichnung„Käse“ nicht tragen und wer-den etwa als „Pizzamix“ ver-kauft.

Moment: Welche „Vorteile“hat Kunstkäse?

Zainer: Da kein Reifungspro-zess nötig ist, kann er schnellereingesetzt werden. Auch des-

Hinter „Pizzamix“steckt Kunstkäse

halb ist Kunstkäse billiger. Ausmedizinischer Sicht spricht fürKunstkäse, dass Fett- und Cho-lesteringehalt geringer sind.

Moment: Welche weiterenkünstlichen Lebensmittelgibt es auf dem Markt?

Zainer: Ein Produkt ist etwaSurimi, ein aus Fischfleischhergestelltes Krebsimitat. Indie Kategorie künstlicher Le-bensmittel fallen auch Geträn-ke, bei denen der Fruchtanteilkünstlich mit Aromen und oderFarbstoffen ergänzt wird.

Reinhard Windhager

Experte: Künstlicher Käse schadet nicht.

INTERVIEW

A ußen hui, innenpfui: Der Käsekommt ohneMilch aus, das

Vanillearoma wird aus Holzgewonnen, Zedernholzölzaubert ein fruchtiges Him-beeraroma und die Frucht-stücke im Joghurt verdan-ken Sägespänen ihren Ge-schmack. Immer mehr Nah-rungsmittel in denSupermarktregalen kom-men ohne natürliche Zuta-ten und Aromen aus.

Doch gesundheitliche Be-denken braucht sich derKonsument nicht zu ma-chen. „Künstliche Zusätzesind nicht schädlich, nureben nicht hochwertig. Je-der muss für sich selbst ent-scheiden, ob ihm die Quali-tät oder der Preis wichtigist“, sagt Karin Gmeinhart,Ernährungswissenschaftle-rin der Salzburger Gebiets-krankenkasse. Was jedochkritisiert wird, ist die unzu-reichende Kennzeichnungauf der

Verpackung von künstlichenLebensmitteln. Wer nichtliest, welche Stoffe enthal-ten sind, hat keine Ahnung,was er in sich hineinstopft.

Häufig wird der Konsu-ment durch unverständlicheAusdrücke in die Irre ge-führt. Denn Zucker ist nichtimmer als Zucker ausgewie-sen. „Oft steht Saccharose,Fructose, Maltose oder Glu-cose auf der Verpackung.Das ist aber nichts anderesals Zucker“, sagt Gmein-hart. Und auch die Werbungträgt ihren Teil zur Irrefüh-rung bei. „Nach wie vorwird alles geglaubt, was dieWerbung bringt. Vor allem,was Kinderprodukte be-trifft, etwa ,Vitamine und

Naschen` oder die ,Extra-portion Milch`“, sagtGmeinhart. Falsch ist dieBotschaft nicht, doch dieungesunden Inhaltsstoffewerden verschwiegen, nurum das Produkt hochwerti-ger erscheinen zu lassen.

Zum Schutz vor Etiket-tenschwindel muss man diedrei Formen der Aromenkennen: Natürliche, natur-identische und künstlicheAromen. Während natürli-ches Aroma aus Naturpro-dukten wie Früchten oderHolz gewonnen wird, ist dasnatur-identische Aroma imLabor nachgemacht undgleicht dem natürlichen inseiner chemischen Struktur.Auch künstliche Aromenwerden chemisch herge-stellt. Sie haben im Aufbaujedoch nichts mehr mit na-türlichem Aroma gemein-sam. Irreführend ist auchdie Bezeichnung „Light“.„Light bedeutet nichtzwangsläufig kalorienredu-

ziert“,

sagt Marica Pfeffer-Lars-son, Leiterin des Institutesfür Lebensmitteluntersu-chung in Wien. Dennmanchmal ist zwar wenigerFett, dafür aber mehr Zu-cker im Produkt enthalten.Also hilft nur das Studierender Etikette auf der Verpa-ckung.

Vor allem Fertiggerichtesind voll von künstlichenAromen, Farbstoffen undGeschmacksverstärkern.„Grundsätzlich gilt: Je mehrE-Nummern enthalten sind,desto weniger natürlich istdas Produkt. Am besten fri-sche Lebensmittel kaufenund selbst zubereiten“, sagtGmeinhart. Bettina Friedl,Olga Dabrowski

BernhardZainer istChef derAbteilungLebensmit-telkontrollein Vorarl-berg.Bi

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„Light“ bedeutet nichtkalorienreduziert.

Marica Pfeffer-Larsson

Bild: Bosch

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10 STÖRMOMENT STÖRMOMENT 11

I rans Revolution trägtGrün. Grüne Stirn-bänder, grüne Armbin-den, grüne Stofffetzen

ums Handgelenk. Die „Sea ofGreen“ bringt den Zorn Op-positioneller über die Wie-derwahl Präsident Ahmadi-nejads vom 12. Juni auf dieStraßen Teherans. Ihr Vor-wurf: Wahlbetrug. Auch inden Städten Isfahan, Ahwaz,Mashad und Shiraz herrschtgewaltsamer Aufruhr.

Stündlich prasseln neueNachrichten in die Wohnzim-mer der Welt. Fotos von Ver-letzten und Getöteten, Vide-os mit brennenden Motorrä-dern von Miliz-Schläger-trupps und Eilnachrichten,die lauten: „Es ist nun Däm-merung in Teheran – die Stra-ßen sind still – wir müssenhier weg – dies war eine guteInternet-Verbindung, abernicht unsere.“

Kein BBC- oder CNN-Journalist hat diese Nach-richt verfasst. Es ist „persian-kiwi“, ein ziviler Reporter imIran. Er nutzt Twitter. DieKommunikationsplattformermöglicht es ihm, Kurznach-

Die Twitter-Revolution

Irans Zensur verfehlt ihr Ziel. Virtuell prasseln die Bilderins Wohnzimmer.

Irans grüne Revolutionäre kämpfen digital gegen den Wahlbetrug Ahmadinejads.

ren. Am 20. Juni beugen sichinternationale Medien undBildagenturen Präsident Ah-madinejads offizieller Medi-enzensur. Journalisten reisenaus. Dennoch reißt der Infor-mationsstrang nicht ab. Ös-terreichische Zeitungen beti-teln ihre Quellen nicht mehrdirekt, sondern schreiben et-wa „laut Angaben aus demLager Moussavis“ (Salzbur-ger Nachrichten, 26.06.)

Am 24. 06. wird es still um„persiankiwi“. Sein letzterEintrag: „Allah – du bist derSchöpfer von allem, und alleskehrt zu dir zurück – Gott istgroß.“

Manche aus der Twitterge-meinde vermuten ihren Heldim Untergrund, andere be-fürchten gar seinen Tod. DieAngst hat Gründe. Irans kon-servativer Kleriker AyatollahAhmad Khatami hat zuletztgedroht: „Nach islamischemRecht muss derjenige, der ge-gen den islamischen Staatkämpft, als Mohareb bestraftwerden.“ Einem solchen„Feind Gottes“ droht die To-desstrafe. Die Welt blickt hin.

Uschi Staffa

mitten der Proteste erwei-tern Google und Facebook ih-re Internetseiten um Ange-bote auf Persisch. Googlebietet Übersetzungsdienste.Twitter selbst verschiebt an-gesichts der Ereignisse War-tungsarbeiten.

Längst wirft das Mullah-Regime ein Auge auf die digi-tale Revolution. Die Regie-rung infiltriert die Internet-Plattformen, errichtet Sper-

richten von bis zu 140 Zei-chen über Internet und Han-dy zu verbreiten. Amateurfil-mer wie „freemasonary666“veröffentlichen aktuelle Vi-deos und Bilderserien vonden Protesten auf Youtube.Internet-User „bahramks“veröffentlicht 399 Fotos vonden Unruhen im Iran im pica-saweb von Google.

Die weltweiten Internet-dienste reagieren schnell. In-

INTERVIEW

Der Iran-Experte WalterPosch über das Ende derMassenbewegung, die Rolledes Internets und die Plänevon Präsident Mahmud Ah-madinejad.

Moment: Steht die Bürger-bewegung im Iran vor demAus?Walter Posch: Die Massenbe-wegung sicherlich, der Pro-test schwelt aber noch unterder Oberfläche. Kurzfristigist das Regime stabilisiert.Die Massenproteste auf denStraßen dürften für dienächste Zeit unterdrücktsein.Moment: Wie wichtig wardas Internet für die Protes-te im Iran?Walter Posch: Die Rolle desInternets war für beide Sei-ten groß, man hat sich nichtsgeschenkt. Das Regime hatein eigenes Kommando, dassich Cyberwar nennt, dasdürfte sich bewährt haben.Moment: Was wird mit den

„Ahmadinejad lässt sich nicht beeindrucken.“verhafteten Demonstran-ten und Demonstrantinnenpassieren?Walter Posch: Auf jeden Fallwerden Exempel statuiertwerden, das ist klar. Es wirdTodesurteile geben, abernicht für alle. Das Regimegreift energisch durch, daswar zu erwarten.Moment: Wie wird Ahma-dinejad die nächsten Jahreregieren?Walter Posch: Er wird nichtautoritär sein im klassischeneuropäischen Sinn, aber esgeht in diese Richtung.Moment: Das heißt, Ahma-dinejad lässt sich von denProtesten nicht beeindru-cken?Walter Posch: Ahmadinejadlässt sich durch nichts beein-drucken.Moment: Wird Oppositi-onsführer Mir-HosseinMoussavi einen Rückzie-her machen?Walter Posch: Das ist die gro-ße Frage. Ich nehme an, sie

werden ihn so in die Engetreiben, dass er entweder to-tal aufgeben oder hart wei-terkämpfen muss. Kämpft erweiter, riskiert er eine noch

schwerere Konfrontation aufder Ebene der Eliten. Ob erdazu die Nerven und dieKraft hat, weiß ich nicht.

Franziska Dzugan

21. 5. 2009 Beginn des Wahlkampfs. Mir-Hossein Moussavis „grüne Bewegung“setzt auf gängige Internet-Plattformen(Facebook, Twitter, Flickr) und Mobil-funk. Ahmadinejad verlässt sich auf Be-richterstattung im staatlichen Fernsehen,im Radio, in regierungskonformen Zeitun-gen sowie auf Vorbeter in Moscheen.23. - 26. 5. „Facebook“ wird drei Tage aufInitiative des Informationsministeriumsgesperrt.

Chronologie derZensur

5. 6. Iran verweigert einer deutschen„Focus“-Redakteurin die Einreise. Siewollte sich keine inhaltlichen Tenden-zen vorschreiben lassen.10. 6. „Reporter ohne Grenzen“ kritisie-ren unausgewogene Berichterstattungiranischer Medien.11. 6. SMS-Dienst außer Funktion12. 6. Wahltag13. 6. Proteste beginnen. Das staatlicheTV berichtet von Ahmadinejads Wahl-

sieg, nicht vom Vorwurf des Wahlbe-trugs und den Unruhen.14. 6. Internationale Journalisten wer-den zum Verlassen des Landes aufgefor-dert. Erste unbestätigte Meldungen überTote bei Unruhen über Internetplatt-form Twitter. Arabischer Sender Al-Arabiya berichtet von drei Toten auf sei-ner Homepage – Büro des Senders inTeheran für eine Woche geschlossen.Italienisches und britisches TV-Team

von Polizisten atta-ckiert.16. 6. Internationale Me-dien dürfen nicht mehrvon der Straße berich-ten.17. 6. CNN und Bilder-dienst der „epa“ greifen aufFlickr zurück.20. 6. Protestbewegung bringt Inter-net-Zeitung „Straße“ heraus; Be-

richterstattersind Demons-

tranten, keineJournalisten.21. 6. Video von Ne-da taucht auf, siesoll laut sozialenNetzwerken vonBasiji-Miliz getö-tet worden sein.

Barbara Sorge

Die Einschränkung derMedienfreiheit im Iranwird öffentlich sichtbar.

Treffpunkte, Opfer, Parolen:Soziale Netzwerkeunterstützen Irans grüneRevolution

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12 ANGSTMOMENT ANGSTMOMENT 13

A ls Daniela B. (30) andiesem Montag ihrKlassenzimmer be-tritt, spürt sie, dass

etwas nicht stimmt. Die Schü-ler der 3. Hauptschulklasse inZell am See sitzen ungewöhn-lich ruhig auf ihren Plätzen undlassen ihre Lehrerin nicht ausden Augen. Als B. ihre Tascheauf den Lehrertisch legt, siehtsie, dass Tastatur und Maus ih-res Computers völlig zerstörtsind. Auf dem Bildschirm klebtein Kaugummi, und ihr Tisch-kalender fehlt. Sie kam auchschon mit blauen Flecken vomUnterricht nach Hause.

Michaela H. (32), Volksschul-lehrerin in Graz, ist täglich mitGewalt konfrontiert. „Beson-ders in den Pausen wird die Ag-gression der Kinder sichtbar“,erzählt sie aus ihrem Schulall-tag. Der steirische Referent fürSchulpsychologie Josef Zollne-ritsch stellt fest: „Die Gewaltunter Jugendlichen wird bruta-ler. Oft passieren die Zwischen-

fälle ohne ersichtlichenGrund.“ Was H. die Arbeit er-schwert: In ihrer Klasse beträgtder Ausländeranteil 100 Pro-zent, 95 Prozent an der Schule,großteils sind es Bosnier, Ser-ben, Kroaten, Türken. Deutsch-kenntnisse sind kaum vorhan-den. „Und in den Pausenkommt es dann zum ’Clash’ derKulturen.“

Gewalt, Mobbing, Schüler,die keine Grenzen akzeptieren,gehören zum Lehreralltag. Die-ses Schicksal teilen die beidenmit vielen Kollegen in Öster-reich. 80 Prozent der Lehrergaben bei einer Online-Umfra-ge durch die FachhochschuleCampus Wien an, von Schülern„direkt provoziert“ zu werden,jeder achte Lehrer wurde be-reits attackiert. 16 Prozent be-richten, dass Schüler ihre Ge-genstände beschädigen.

„Man wird oft an seine Gren-zen gebracht“, seufzt MichaelaH., „das geht auch den Kollegenso, aber man lernt, damit umzu-

gehen.“ Für B. ist das größteProblem, dass sie ihre Haupt-aufgabe als Lehrerin – die Ver-mittlung von Wissen – nur nochteilweise erfüllen kann: „DieHälfte meiner Zeit geht es umErziehung.“ Auch diese Erfah-rung deckt sich mit der Umfra-ge: Erziehung gehört für 96

Prozent der Lehrer zum Schul-alltag, die Arbeit an den sozia-len Kompetenzen für 94 Pro-zent. Dabei sind die Eltern nurselten ein Rückhalt, meistenserfahren die Kinder volle Rü-ckendeckung. Sogar, wenn Un-terschriften gefälscht werden.„Mein Kind soll sich wehren,zurückschlagen“, bekommt H.

Österreichs Lehrer sind im Schulalltag beinahe täglich mit Gewalt konfrontiert.

ebenfalls oft von Eltern zu hö-ren. Lehrer haben kaum Mög-lichkeiten, Schüler zu bestra-fen.

Was beide Lehrerinnen uni-sono feststellen: die Schule istein Spiegel der Familie, und dieist in Zeiten von ansteigendenScheidungsraten oft zerrüttet.„Die privaten Probleme wer-den ins Klassenzimmer mitge-bracht“, meint Daniela B.,„zehn von 50 Schulminutenmuss ich die Klasse beruhigenund disziplinieren.“ Drei ihrer16 Schüler nehmen Medika-mente gegen Hyperaktivität.Zum Helfer wird leider auch oftdas Jugendamt.

Angesichts dieser Schre-ckensmeldungen aus dem Klas-senzimmer überrascht es, dassLehrer ihren Beruf trotzdemlieben. „Auch wenn ich schonoft kurz vor dem Burn out standund die Kinder mich Kraft kos-ten, ich bekommen von ihnenso viel mehr zurück“, erklärenbeide. Alice Samec

Jeder gegen jeden

Daniela B. leidetunter ihrenSchülern, sie kamauch schon mitblauen Fleckennach Hause. IhreSchüler leidenunterLeistungsdruckund zerrüttetenFamilien-Verhältnissen.Immer öftermüssen Lehrerausbaden, was inder Familie schiefläuft.

E in 13-jähriger Haupt-schüler aus demFlachgau attackiertseine Lehrerin. Der

Bub kommt nach Angaben desSchulinspektors aus schwieri-gem Elternhaus und lebt in ei-ner betreuten Wohngemein-schaft. Er wird für vier Wochensuspendiert. In dieser Zeit solleine Lösung für seine Problemegefunden werden.

75 Prozent aller chronischstraffälligen Jugendlichen sindin ihrer Kindheit gedemütigt,geschlagen oder vernachlässigtworden. Aggressives Verhaltenvon Schülern nur mit eigenenGewalterfahrungen begründenzu wollen, greife aber zu kurz,weiß Rupert Herzog, Leiter derMobbing- und Gewaltpräventi-onsstelle der Kinder- und Ju-gendanwaltschaft in Oberöster-reich. „Da spielt auch der Um-gang mit Gewalt in der Klasseund in der Schule eine großeRolle“. Greifen die Lehrer beikörperlichen oder auch psychi-

schen Übergriffen gegen Schü-ler nicht aktiv ein, können auchKinder aus „normalen“ Famili-en gewalttätig werden. Dasheißt: Wenn Lehrer oder Mit-schüler wegschauen, unterstüt-zen sie aggressives Verhalten.Herzog: „Man kann nicht nichtbeteiligt sein.“ Das bedeutet

auch, dass Lehrer und Elterngestalten können.

Während die Fälle physi-scher Gewalt gegen Lehrer undMitschüler herausstechen,bleibt der Großteil aggressivenVerhaltens oft unbemerkt. In 90Prozent der Fälle, bei denendas Team rund um Rupert Her-zog im Schuljahr 2008/2009 ak-

tiv werden musste, ging es umMobbing. Dabei hänseln über-legene Kinder ihre Mitschüler– in seltenen Fällen auch Leh-rer – systematisch und über ei-nen längeren Zeitraum, um siesozial auszugrenzen.

Auch fehlende Wertschät-zung für ihre Leistungen undmangelnde soziale Anerken-nung belasten Schüler, soHerzog. Die Kinder wol-len gute Leistungenbringen, wenn sie esnicht schaffen, steigtder Frust. MaximilianP., 17, hat die Schuledeshalb überhaupt ge-schmissen. „Die Lehrerwaren unfreundlich undhaben das, was ich geleis-tet habe, nicht anerkannt.“Trotz aller Probleme:Laut dem PISA-Be-richt 2006 gehen zweivon drei Schülern„gern“ oder „sehrgern“ in die Schule.

Barbara Sorge

Wer geschlagen wird, wird zum Schläger. Aber nicht immer.

Alle gegen einen

Moment: Wie können sichLehrer gegen Schüler weh-ren?

Christiane Spiel: Die ganzeSchule muss hier an einemStrang ziehen und das Prob-lem langfristig lösen. Im Rah-men der Initiative „WeißeFeder“ haben wir mit demBildungsministerium Strate-gien zur Gewaltpräventionentwickelt. Unter www.ge-meinsam-gegen-gewalt.atfinden sich viele Hinweise,was Lehrer tun können.

Moment: Was könnenLehrer kurzfristig tun?

Spiel: Lehrer brauchenbessere Unterstützung, siemüssen wissen, wann sie wieagieren und reagieren kön-nen und wann sie Hilfe vonaußen benötigen. Die Schulemuss sich einig sein und dieBotschaft auch an Eltern wei-ter geben.

Moment: Werden Lehrerauf das, was sie in der Schu-le erwartet, vorbereitet?

Spiel: Nein. Es ist aberauch hier eine Reform aufdem Wege.

Moment: Ist die SchuleSpiegelbild der Familie?

Spiel: Das sehe ich nicht so.Dass aus einem Kind ein ver-antwortungsvoller Mensch

wird, muss in erster Li-nie in der Familie

passieren. Was inder Schule pas-siert, dafür sinddie Lehrer zu-ständig.

Alice Samec

„Lehrerbrauchenmehr Hilfe.“

INTERVIEW

Auch Kinder aus normalen Familien können gewalttätig werden.

PsychologinChristiane

Spiel.

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Wir werden oft anunsere Grenzengebracht. Michaela H.

Man kann nichtnicht beteiligt sein.

Rupert Herzog

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Weltwirtschaftskrisen gab esschon. 1931 meldete die größteösterreichische Bank Zahlungs-unfähigkeit an – es fehlten 140Mio. Schilling (Bundesbudget1,2 Mrd.). Dies war der Höhe-punkt der Bankenkrise der20er-Jahre und Auftakt folgen-schwerer Finanzentscheidun-gen der Regierung, deren Aus-wirkungen letztlich den Staat

destabilisierten.

Denn derStaat pumpte Un-mengen an Geld in die-se Bank, um sie und sichzu retten. Nach der – von derRegierung erzwungenen –Übernahme der 1929 bankrot-ten Boden-Credit-Anstalt wardie Credit-Anstalt die größteBank Europas. Praktisch diegesamte österreichische Wirt-schaft, große Teile der Bevölke-rung, die Industrie, die Finanz-wirtschaft, fast der ganze Staathingen vom Wohlergehen die-ser Bank ab.

Am 11. Mai 1931 war es dannsoweit – die Bank war zah-lungsunfähig. BankenchefLouis von Rothschild infor-mierte die Regierung überexorbitante Verluste.

Die wesentlichsten Gründe:So wie 2008 in den USA wur-den faule Kredite an Kunden,die keinerlei Bonitäten aufwei-sen konnten, vergeben. DieseKredite konnten dann im Sogder Weltwirtschaftskrise nichtzurückbezahlt werden. DieBank vergab aber weiterhinKredite und zahlte Aktionärenhohe Renditen aus, obwohl diePapiere nichts mehr wert wa-ren. So wurden beispielsweisein Osteuropa der Zuckerindust-rie hohe Beträge verborgt, bisdie Märkte in Folge desSchwarzen Freitags 1929 zu-sammenbrachen.

Ein anderer Grund: Die von

Aus-geborgtAls die Credit-Anstalt wie eine Kaisersemmel krachte.

der Bundesre-gierung geforderte Über-nahme der bankrotten Boden-Credit-Anstalt – der ehemali-gen Hausbank der Habsburger.Nach dem Zerfall der Monar-chie und des dadurch beding-

ten Zusammenbruchs des Im-mobilienmarktes kam dieseBank mit der Weltwirtschafts-krise ins Schleudern. Nur dieCredit-Anstalt war in der Lagediese Bank aufzufangen, wasRothschild unter Druck vonBundeskanzler Johann Schoberauch tat, denn es drohte der Zu-sammenbruch des österreichi-schen Immobilienmarktes.

Nach mehreren staatlichenRettungsversuchen waren amEnde mehr als 1 Mrd. Schillingvernichtet, fast ein ganzes Jah-resbudget der Republik. Aktienwaren wertlos. Zehntausende

hatten ihr Er-spartes verlo-ren. Unterneh-men gingen ein.Die Produktionbrach ein. Die Bevöl-kerung verlor das Ver-trauen in den Schillingund floh in Devisen, wel-

che die Nationalbank brav be-diente. Hyperinflation undMassenarbeitslosigkeit warendie Folge. Das Geld für die Cre-dit-Anstalt fehlte dann der Re-gierung, um die Wirtschaft an-zukurbeln und die Arbeitslosig-keit zu bekämpfen. Und dasGanze hatte weitere politischeRadikalisierungen zur Folge.

Erst 1937 konnte sich die ös-terreichische Wirtschaft wie-der einigermaßen erholen. Dawar es aber schon zu spät. AmEnde standen der Nationalso-zialismus und der UntergangÖsterreichs. Claus Neumann

14 KRISENMOMENT KRISENMOMENT 15

Minus 0,3 Prozent:Erstmals seit Be-ginn seiner Auf-zeichnungen im

Jahr 1997 hat das StatistischeAmt der Europäischen Gemein-schaften (Eurostat) für die Staa-ten der europäischen Wäh-rungsunion eine negative Infla-tionsrate errechnet. Auch Ös-terreich ist davon betroffen.

Noch einen Monat zuvor hatdie Teuerungsrate noch 0,0 Pro-zent betragen. Sie misst die Ver-änderung der Preise von Warenund Dienstleistungen des tägli-chen Lebens. In Österreich

ImfreienFall

steht die Inflationsrate für denMonat Juni noch aus. Im Maihatte sie ein Ergebnis von nur0,3 Prozent plus Preiserhöhun-gen gebracht – ein stetiger Ab-fall im Vergleich zum März (0,8Prozent) und April (0,7 Prozent).

Zum Vergleich: Im Sommerdes Vorjahres – vor dem Über-schwappen der US-Finanzkriseauf Europa – wies die Inflationin Österreich knapp vier Pro-zentpunkte aus. Der „Kampf ge-gen die Teuerung“ war das be-stimmende Thema des Wahl-kampfes für die Nationalrats-wahl im Herbst 2008.

Einer, der das kleine Einmal-eins der Marktwirtschaft be-herrscht, ist über das Sinken derPreise nicht verwundert: „Stag-nierende oder sinkende Preisespiegeln die fallende Nachfrage,das Schrumpfen der Wirtschaftwider“, sagt Stephan Schulmeis-ter, Volkswirtschaftsexperte

beim Wirtschaftsforschungsins-titut (Wifo). Dauert dieser Pro-zess längerfristig an, sprechenExperten von Deflation. „DieDeflation ist ein sich selbst er-nährender Vorgang. Sinken diePreise dauerhaft, verschiebenKonsumenten und Unterneh-men Investitionen, in der Hoff-nung, dass Güter oder Dienst-leistungen noch billiger wer-den“, sagt Schulmeister.

Ein Teufelskreis: Das Ver-schieben von Ausgaben dünntden wirtschaftlichen Kreislaufimmer weiter aus. Betriebe fah-ren ihre Produktion herunter,die Arbeitslosigkeit steigt, dieKaufkraft sinkt, die Wirtschafts-leistung schrumpft.

Freilich stimmt die Botschaft„Alles wird billiger“ so nicht:das allgemeine Preisniveausinkt derzeit vor allem wegengünstigerer Treibstoff- und Roh-stoffpreise. Andere Dinge destäglichen Lebens sind dagegenkaum erschwinglicher gewor-den. Sanken laut Statistik Aust-ria in Österreich die Preise fürDiesel und Benzin um bis zu 30

Prozent, wurden Lebensmittelnur um 0,4 Prozent billiger.

„Ist die Deflation auf einemderart niedrigen Niveau wiejetzt, ist nicht davon auszuge-hen, dass die Konsumenten ihreAusgaben auf später verschie-ben werden“, sagt Schulmeister.Deflationskandidaten seieneher jene Länder mit starkerAbhängigkeit vom Export alssolche mit starker Inlandsnach-frage. Der Grund: die Preise aufdem Weltmarkt sänken derzeit

SATIRE

Nationalratsabgeordneter SigiSesselkitt und sein Sekretär An-tonius Devoterl besprechen dienächste Parlamentssitzung:Devoterl: Herr Abgeordneter,wie hättest gern deine Rede zumAnti-Korruptionsgesetz für Par-lamentarier? Dafür oder da-gegen?Sesselkitt: Dagegen natürlich.Soll i vielleicht auf die Loge amOpernball verzichten? Des iswichtiges Lobbying.Devoterl: Aber schaut’s net dep-

Streng vertraulichpert aus, wenn alle mit tun, nurdie Abgeordneten net?Sesselkitt: Aber geh. Es gibtDinge, ohne die kann ein Parla-mentarier nicht arbeiten. Flug-Upgrades zum Beispiel. In derEconomy Class stinkt’s ja immerso nach Zechenkas.Devoterl: Soll ma zum Tages-ordnungspunkt Vertrauensver-lust des Volkes a was vor-bereiten?Sesselkitt: Na. Da schalt die Par-tei a Krone-Inserat. Lene Wolny

stärker als auf den Binnenmärk-ten der westlichen Nationen.Schulmeister sieht primärDeutschland deflationsgefähr-det. „Aber nicht in den Ausma-ßen der 30er Jahre, eher im Aus-maß von Japan in den 90er Jah-ren“, wie er betont.

Damals schrumpfte die japa-nische Wirtschaft, die Rezessi-on dauerte zwei Jahre. Schul-meister rät den betroffenen Ex-portländern, ihr Binnenwachs-tum zu stimulieren. „Gelingtdies nicht, dann steigt die Ar-beitslosigkeit und damit die Ge-fahr einer Deflation“, warnt derNationalökonom.

Bei einer Deflation kann eskeine Gewinner geben. Steigtder Wert des Geldes, ist zwardie Kaufkraft der Konsumentenhöher. Dafür profitieren Sparerweniger von ihren Guthaben.Sie bekommen niedrigere Zin-sen, weil die Notenbanken diesesenken müssen, um die Wirt-schaft anzukurbeln.

Kreditnehmer sind allerdingsauch im Nachteil. Sie müssenfür ihr Darlehen zwar wenigerZinsen an die Bank zahlen. Da-für verliert das an Wert, was siedamit angeschafft haben – zumBeispiel das neue Einfamilien-haus. Robert Stammler

Die Inflation isterstmals in derEurozone ins Minusgerutscht.

Hurra, die Preise purzeln. Für dieKonsumenten ist das trotz alledem keinGrund zum Jubeln.

Am Ende krachteauch die Republik

Moment: Minus 0,1 Pro-zent Inflationsrate – Müs-sen wir uns fürchten?

Kirchler: Nein. Konsu-menten müssen nicht dieniedrigere, sondern einehohe Inflation fürchten.Produkte werden jetztgünstiger. Es gibt zweiMöglichkeiten: Die Leutewerden entweder mit ih-rem Kaufverhalten abwar-ten oder die niedrige Infla-tionsrate regt sie zum Kau-fen an, in der Befürchtung,sie könnte wieder steigen.

Moment: Worauf sollendie Menschen vertrauen?

Kirchler: Grundsätzlichgibt es drei Anker zur Ori-entierung: die Experten, dieMedien oder die Herde –das ist die Masse. Aber esist schwer, sich zur Zeit aufirgendwen zu verlassen.Vertrauen ist eine heiklePflanze, die schnell zugrun-de geht, aber umso schwe-rer wieder zu beleben ist.

Alexandra Parragh

„Schwer, sichzu verlassen.“

INTERVIEW

Jeder Drittewurde arbeitslos,600.000 Menschenhatten im Februar1933 keine Arbeit.

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ErichKirchler,Wirtschafts-psychologe

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Ein sich selbstnährender Vorgang.

Stephan Schulmeister

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16 MOMENTERL

Edinburgh. Der neueVorstandsvorsitzendeder Royal Bank OfScotland bekommt

laut Medienberichten ein Ge-haltspaket von 9,6 MillionenPfund. Die RBS verzeichneteim ersten Quartal Verluste voninsgesamt 857 Millionen Pfund.

Im Netz Nach Michael Jack-sons Tod bieten ebay-User1.200 Euro für zwei Konzert-karten der Comeback-Tour.

London In einer Blitzauktionersteigert die Disney-TochterESPN (Entertainment andSports Programming Network)Übertragungsrechte für dieenglische Premier League.Laut britischen Medienberich-ten zahlt ESPN insgesamt 250Million Pfund für 69 Fußball-spiele, die von 2009 bis 2013stattfinden.

Velden Beim diesjährigenSportwagenfestival sind erst-mals nur Wagen ab 300 PS zu-gelassen, in Summe nehmen al-so 50.000 PS am Festival teil.Die Autos im Gesamtwert von15 Millionen Euro unterneh-men eine Ausfahrt zum Weis-sensee und parken sich schließ-lich vorm Casino Velden zumGala-Abend ein.

Venedig Silvio Berlusconispendiert seinem Ego eine

Krise?Welche Krise?

Nacht mit zwanzigEscort-Damen unddenen Geschenkeund Champagner.Das hat zumindest ei-ne der Damen der Ta-geszeitung Repubbli-ca erzählt. Weitershabe Berlusconi denkostenpflichtigenVerehrerinnen einVideo von sich mitStaatsmännern ausaller Welt gezeigt undsie angehalten, dazuimmer wieder die„La Ola Welle“ vor-zuführen.

Wien Die WirtschaftskammerÖsterreich (WKÖ) veröffent-licht Zahlen zum Elektrohan-del. Demnach haben die Händ-ler heuer von Jänner bis April25 % mehr Flachbildfernseherverkauft als zur gleichen Zeitim Vorjahr. Im Jahr2008 haben die Öster-reicher insgesamt 3,9Milliarden Euro fürElektrogeräte ausge-geben.

Zeltweg Bei der Air-power 2009, einer dergrößten Flugshows Eu-ropas, werden kolpor-tierte 3.600.000 Euround 3.250.000 kg CO2in die Luft geblasen.

Bettina Benedikt

Jeden Tag lesen wir, wie schlecht esder Weltwirtschaft geht. Dabei werfendie Leute mit Geld nur so um sich.

Dekadenz for you undme: Die ganze Weltprasst, als ob´s keinMorgen gäbe.

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Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Kuratorium für Journalistenausbildung (KfJ), Karolingerstraße 40, 5020 Salzburg, www.kfj.atHersteller: Druckzentrum Salzburg, Karolingerstraße 38, 5020 Salzburg, Gesamtleitung: Norbert Lublasser, Online-Leitung: Gerhard Öhlinger, Chefsvom Dienst: Bettina Benedikt, Franziska Dzugan, Marleen Egger, Redaktion: Bettina Benedikt, Olga Dabrowski, Rainer Dionisio, Andrea Durnthaler,Franziska Dzugan, Marleen Egger, Gerold Fraidl, Bettina Friedl, Simon Hirt, Christian Hosiner, Peter Klimkeit, Claus Neumann, Alexandra Parragh,Andreas Praher, Alice Samec, Harald Saller, Barbara Sorge, Uschi Staffa, Robert Stammler, Michael Unverdorben, Reinhard Windhager, Lene Wolny,Onlinemagazin: www.kfj.at/wiki, Layout: Martin Geiger, Grafik: Michael Einböck, Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit ausdrücklicher schriftlicherGenehmigung des Herausgebers. Inhalte mit Creative Commons Lizenzen sind unter deren Bedingungen weiterverwendbar.


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