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Apachenweide

Date post: 08-Jan-2017
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L. S. RANGER

Apachenweide

Western von L. S. Ranger

INDRA VERLAG CASTROP-RAUXEL 1 Auslieferung des Top-Western erfolgt ausschließlich durch den

Zauberkreis-Verlag Rastatt

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Wenn Western, dann Top-Western

Copyright by Indra-Verlag, Castrop-Rauxel 1. Gesamtherstellung Greiser-Druck Rastatt/Bd. TOP-WESTERN erscheint wöchentlich im Indra-Verlag, Castrop-Rauxel 1, Herner Str. 130. Alleinauslieferung: Zauberkreis-Verlag in 7550 Rastatt/Baden, Karlsruher Straße 22. Postfach 389, Tel.: (07 222) 40 65 - 40 67. Bestellungen und Zahlungen nur an Zauberkreis-Verlag Rastatt/Bd. / Auslieferung für Österreich: Grazer Presse- und Zeitschriftenbüro Graz, Keesgasse3./ Werbungsmittler: Eckhard Gudowius, 8000 München 19, Pickelstraße 9, Ruf Nr. (0811) 5 14 34 36. / Zur Zeit ist Anzeigenpreisliste Nr. 10 gültig. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlages gestattet. Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein gering gekürzter Heftabdruck des gleichnamigen Buchtitels.

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1.

Auf der Anhöhe hielt Dean Dutley seinen Falben an und richtete sich im Sattel auf. Alle Schläfrigkeit schien mit einem Schlag von ihm abzufallen. Vergessen schienen die vielen Meilen zu sein, die er hinter sich gebracht hatte, vergessen die Strapazen des Rittes; denn vor ihm lag die Ebene. In den grauen Morgendunst eingelullt lag das Land, das ihm seit vielen Jahren Heimat geworden war.

Es war ein wildes Land, voll Härte und Schönheit, ein Land, das harte Männer hervorbrachte. Noch vor einigen Jahren durchstreiften die Horden der Apachen das Gebiet. Jetzt noch waren manche Spuren ungelöscht, die sie hinterlassen hatten. Genau zehn Schritte vor ihm erhoben sich die Trümmer der einstigen Radnaben-Ranch. Man hatte sie nicht wieder aufgebaut, da es keinen Erben gab. Die Bewohner der einstigen Ranch waren gleich hinter den Trümmern bestattet worden.

Er, Dean, hatte die Cromsitters gut gekannt. Jetzt verfielen ihre Gräber. Niemand kam, um sie

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zu pflegen. Kaum jemand sprach mehr von ihnen. Es war, als hielte eine seltsame Scheu die Menschen davor zurück, die alten Zeiten heraufzubeschwören. Es genügte, daß die Fährten der Apachen noch sichtbar waren, daß man an sie erinnert wurde. In zwei Reservationen hatte man die letzten Apachen untergebracht: Jicarillas im Norden New Mexicos und Mescaleros im mittleren Süden.

Trotzdem nannte man das Land, das vor Dean lag »Apachenweide«. Es erstreckte sich über viele Meilen nach Norden bis zu den Zuni Mountains, die in weicher Kurve von Nordwest nach Südost ihre Felsen ins Land schoben. Die Felsen prangten in lebhaften Farbtönen. Oberhalb der Baumgrenze reckten sie sich kahl und schroff gen Himmel, als wollten sie über üppige Täler und dunkle Wälder hinwegblicken. Weit rechts, nicht sichtbar für Dean, mußte irgendwo der Rio Grande, aus dem Norden kommend, das Land vom Norden bis zum Süden teilen. Der Fluß, so kurvenreich er auch war, berührte nicht einmal die Ausläufer der Datil Range, auf dem Dean Dutley angehalten hatte.

Südlich Deans floß hinter dem Datil-Range-Gebirge der Gila River von Osten nach Westen. Im Westen erhoben sich die Mountains, deren höchste Erhebung der Thomas Peak war, ein Berg von 3504 Fuß Höhe. Im Hochsommer beherrschte er mit dem Glitzern seiner Firne und Gletscher das gewaltige Land der Apachenweide.

Apachenweide! – Jemand hatte einmal gesagt, daß es der schönste Flecken der Erde in New Mexico sei. Auch jetzt leuchteten die farbenprächtigen Petunien, sah man weit in der

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Ebene des hügeligen Landes Rinder ziehen, zu großen Herden vereint. Wie ein gelbes Band wand sich der Trailweg, aufgewühlt von Maultier- und Pferdehufen, zerpflügt von Rädern, langsam in die Tiefe. Er verschwand und tauchte wieder auf, wand sich um die Hügel herum, um immer wieder zu entschwinden und wieder sichtbar zu werden, bis endlich weit hinten in der Ebene der dünne Faden des gelben Bandes wie ein langer Finger auf die verschwommenen Umrisse einer Stadt deutete.

Diese Stadt hieß Atlanta. Nördlich von ihr, etwa hundert Meilen entfernt, lag Azoma, im Osten Socorra und tief im Süden Elephant Butte und Silver City, Lordsburg und Deming. Das waren alles Städte, die keinen großen Einfluß auf das Gebiet der Apachenweide hatten.

Daran mußte Dean Dutley denken, als er weiterritt, an den Ruinen der Radnaben-Ranch vorbei. Er dachte auch daran, daß sein Ritt kein großer Erfolg gewesen war, daß er fast mit leeren Händen zurück zur Ranch kommen würde. In Elephant Butte hatte er einige Hoffnungen begraben müssen. Aber das lag nun hinter ihm. Es ging zurück zur Ranch. Das nahm ihm zwar nichts von den auf ihm lastenden Sorgen, aber es erleichterte ihn irgendwie, wußte er doch jetzt, daß er von sich aus alles tun mußte, um seiner Sorgen Herr zu werden, daß nicht einmal Slim Hallerman, der Boß der »Geteilter-Topf«, ihn davon befreien konnte. Slim Hallerman hatte alle Last auf ihn, den Vormann, in den vergangenen Jahren abgewälzt, so daß er nunmehr wie ein stiller Teilhaber sein Leben lebte.

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Yea, stärker als jemals zuvor dachte Dean darüber nach, in was für eine verantwortungsvolle Rolle ihn Hallerman hineindirigiert hatte. Er kam zu der Überzeugung, daß das genau das Richtige für ihn gewesen war. Sein Leben war die Ranch. Er war mit ihr so verwurzelt und verflochten, daß seiner Ansicht nach alles, was der Ranch nützte, auch gut sein mußte, und alles, was gegen die Ranch gerichtet war, bekämpft und vernichtet werden mußte.

Dean war ein hochgewachsener Reiter, mit breiten Schultern und einem hartgeschnittenen, etwas unsymmetrischen Gesicht, in dem helle Grauaugen standen. Seine Wangenknochen standen etwas vor. Buschige Brauen wölbten sich über die tiefliegenden Augen. Staub lag auf seinem bronzefarbenen Gesicht, bedeckte auch die etwas abgetragene Kleidung und das Fell des Falben.

Wie müde der Reiter war, sah man erst, als er, in Atlanta angekommen, den Falben vor dem Apachen-Saloon anhielt und sich steifbeinig aus dem Sattel schwang. Er führte sein Reittier weder zu den Holmen noch band er es an einen der in die Wand eingelassenen Halteringe, sondern ließ es einfach mit verhängten Zügeln stehen. So verstaubt wie er war, bewegte er sich auf die Schwingtür zu und stieß sie mit der Stiefelspitze auf. Nicht einen Blick warf er auf die wartenden Pferderudel längs der Mainstreet.

»Sam, einen Doppelstöckigen!« rief er dem Keeper zu, als er vor der nickelbeschlagenen Bar anhielt und sich dagegen lehnte.

Sam nickte ihm zu. Er schien ein wenig überrascht zu sein, aber er stellte keine Fragen. Im

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Gebiet der Apachenweide stellte man nicht gern eine Frage, und vor allem nicht einem Mann wie Dean. Sam blieb still stehen, sah von Dean fort zur rechten Zimmerecke hin. Sein Blick glitt sofort wieder zurück. Dann hantierte er mit einer Flasche.

Dean hatte das Signal verstanden und schaute ruhig zu den Männern hin, die ihn versteckt beobachteten. In dem Augenblick aber, als er ihren Blicken begegnete, taten sie so, als wäre er Luft für sie. Nur einer blickte ihn mit einer seltsam forschenden Neugier weiter an. Dabei zeigte sich ein spöttisches kaum sichtbares Grinsen um die Mundwinkel.

»Dein Whisky!« sagte Sam, wobei er den Doppelstöckigen über die Theke gleiten ließ, so daß das Glas, ohne daß der Inhalt überschwappte, genau vor Dean zu stehen kam.

Dean langte sich das Glas und trank es in einem Zuge leer. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Joe Tompkins, den Vormann der Ein-Baum-Ranch.

Tompkins’ spöttisches Grinsen in dem mit Sommersprossen übersäten Gesicht wirkte wie gefroren. Joe Tompkins beobachtete ihn immer noch scharf, als suche er eine Erklärung. Man sah es daran, wie er die Stirn in Falten zog und an der Art, wie er sich etwas vorneigte, sich den Stetson dabei weit in den Nacken schob, so daß sein flammendrotes Haar wie eine Lohe aufleuchtete. Sein Schweigen ließ die Gespräche an seinem Tisch verstummen. Die eigenen Leute blickten jetzt zu Joe Tompkins, ihrem Vormann, dann schauten sie zu Dean hin. Es war, als breitete sich plötzlich eisige Kälte aus.

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Der rothaarige Vormann der Ein-Baum-Ranch winkte seinen Leuten zu. Mit ihnen zusammen stand er auf, warf Sam, dem Barkeeper, im Vorbeigehen einige Dollarscheine auf die Theke und sagte:

»Das Kleingeld gibst du mir bei passender Gelegenheit heraus, Sam.« Ohne die Antwort abzuwarten, stampfte der riesige Tompkins mit seinen Leuten hinaus. Die Schwingtür schlug hinter ihnen zu.

Sam betrachtete die Dollarscheine und schüttelte den Kopf, dann sagte er bitter durch die Zähne: »Ich verstehe das alles nicht. Er gibt mehr Geld aus, als er verdienen kann. Seit drei Tagen treibt er sich mit fünf Reitern der Ein-Baum-Ranch in der Stadt herum und scheint auf etwas zu warten. Der Himmel mag wissen, auf was. Ich kann es mir nicht erklären, Dean!«

»Es sieht so aus, als hätte er etwas herausfinden wollen!«

»Yea, irgendwie hat er Wind davon bekommen, daß du in Elephant Butte gewesen bist. Vielleicht wollte er dir eine Begrüßungsansprache halten und hat es sich im letzten Augenblick anders überlegt. Ich habe den Burschen nie leiden können, Dean.«

»Wem sagst du das, Sam?« Der tat, als überhörte er den Einwurf und fuhr

fort: »In letzter Zeit stimmt vieles nicht mehr. Immer mehr Rinder werden gestohlen. Jede Ranch meldet Verluste. Nun, hin und wieder wurde schon immer ein Rind geschlachtet, das nahm niemand tragisch. Jetzt ist das anders. Es sieht nach einem großangelegten Plan aus, doch niemand weiß Bestimmtes, und niemand weiß, wo man den Hebel

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ansetzen soll. Es sieht so aus, als sollte die Ruhe in diesem Land zerbrechen und das Mißtrauen untereinander die Oberhand gewinnen. Vielleicht verdächtigt Tompkins dich?«

Dean bewegte sich nicht. Nur seine Augen wurden dunkler, so dunkel, daß sie fast schwarz wirkten.

»Was glaubst du?« »Darauf kommt es nicht an, Dean. Ich lebe von

den Männern der Weide, so wie diese Stadt von der Weide lebt. Ich sehe nur, wie das Gewitter kommt und ich höre den Donner grollen. Vielleicht bin ich zu überempfindlich, und ich höre etwas, was nie sein wird. Vielleicht ist das Gewitter näher als wir alle glauben. Dein Ritt nach Elephant Butte konnte nicht geheim gehalten werden. Was, um Himmels willen, hast du dort gemacht?«

»Nachgeschaut, Sam! Ich habe dabei herausgefunden, daß dort Rinder der Apachenweide eingetroffen und verkauft worden sind!«

»Großer Gott, irrst du dich nicht?« Dean schüttelte nur den Kopf, nahm sich die

Flasche vom Regal und füllte sein Glas. »Ich habe den Brand der Hoher-Pfeil-Ranch, das

der >T unter dem Strich< und das Brandzeichen der Leiter-Ranch erkannt.«

»Auch das der Geteilter Topf?« »Nein! So wenig wie das Ein-Baum- und Gitter-

Brandzeichen. Nun, vielleicht kommen wir jetzt erst dran«, sagte Dean ruhig. »Vielleicht hat man uns bisher verschont, um uns um so mehr abzunehmen!«

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»Dann bist du nach Elephant Butte als Beauftragter der Rindervereinigung geritten?«

»Irrtum! Boß Slim Hallerman und unser gemeinsamer Freund, Clear Newton, hatten es beschlossen. Ich kann nun dem Boß und Newton mitteilen, daß keine Geteilter-Topf-Rinder und keine Gitter-Ranch-Rinder dabei gewesen sind. Den anderen aber, die den Schaden hatten, läßt man in Elephant Butte sagen, daß sie sich um ihren eigenen Kram kümmern sollen.«

»Was heißt das, Dean?« »Daß man die Rinder ordnungsgemäß kaufte und

daß die vielen Meilen Zwischenraum zwischen Atlanta und Elephant Butte zu groß sind, um die Sache aufzuklären; daß wir hier beginnen müssen!«

Die zwei Männer sahen sich in die Augen. Das Schweigen zwischen ihnen wurde drückend und niederschmetternd.

In diesem Augenblick flog die Schwingtür auf. Ein Mann kam herein, dessen hübsches Gesicht beim Anblick Deans hell aufleuchtete.

»Zum Donner!« sagte dieser hellblonde Mann freudig erregt, »ich wollte es kaum glauben, und ich habe mir zweimal deinen Falben angesehen, Dean. Du bist also zurück! Gut so, ich platze vor Neugierde!«

»Halte sie zurück«, mischte Sam sich ein. »Ich denke, daß Dean nicht zum Sprechen aufgelegt ist. Laß ihn erst einmal zur Ruhe kommen!«

»Ihr habt Streit gehabt, ihr beide?« erkundigte sich Dean sogleich und sah erst Clear Newton und dann Sam Hopkins an. Er zählte die beiden Männer zu seinen Freunden. Außer ihnen gehörte noch Dix Lonnigan dazu, doch Dix steckte wohl tief in der

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Arbeit auf der Geteilter-Topf-Ranch. Dix führte die Ranchgeschäfte und erst Deans Rückkehr würde ihn entlasten.

Sam sagte: »Man sollte nichts übers Knie brechen, Dean, man sollte sich Zeit lassen. Wir fassen jetzt ein verteufelt heißes Eisen an. Irgend jemand kann sich leicht die Finger dabei verbrennen!«

Er schwieg. Deans Überraschung war tief. Er konnte sich keinen Vers auf die neue Einstellung machen, mit der Sam und Clear sich gegenübertraten.

Clear legte seine Rechte schwer auf Deans Schulter: »Nimm es Sam nicht übel. Wenn jemand von uns Gespenster sieht, dann ist er es.«

»Ihr habt wirklich nicht gestritten?« »Nein, wozu auch? Wir haben beide unser gutes

Auskommen. Ich auf der Gitter-Ranch und Sam im Apachen-Saloon. Es kann noch so dick kommen, uns kann nichts aus dem Sattel heben. – Nimmst du noch einen Drink, Dean?«

»Nein, danke! Ich reite weiter.« »Ich will mich dir nicht aufdrängen, Vormann«,

lachte Clear leise vor sich hin. »Wir sehen uns – später!«

»Was soll das heißen?« »Daß ich in einer Stunde zur Geteilter-Topf-

Ranch hinausreiten werde.« »Nicht nur wegen der Information, Dean«,

mischte sich Sam Hopkins ins Gespräch, »sondern um Petra Hallerman einen Besuch abzustatten. Es hat sich während deiner Abwesenheit allerhand getan. Alle auf der Apachenweide sind informiert, nur du nicht! Clear hat Petras Herz erobert. Er ist

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Petra herzlich willkommen; aber um so weniger willkommen ist er deinem Boß!«

»Sam, ich verstehe nichts!« »Hölle, Sam kam mir etwas zuvor. Ich hätte es dir

selbst gesagt, Dean«, sagte Clear peinlich berührt und sah Sam dabei böse von der Seite her an. »Du hast doch nichts dagegen, Dean?«

»Nein«, erwiderte Dean ruhig. »Petra ist erwachsen, sie wird es sich genau durchdacht haben. Du bist ein Glückspilz, Clear.«

»Sie sagte mir, daß ihr wie Geschwister aufgewachsen seid. Ein Mann kann doch nicht die eigene Schwester heiraten? Old Hallerman hat das sicher nicht begriffen, als er dich als Junge aufnahm. Er hat sicherlich in dir den Nachfolger gesehen. Nun, darin werde ich ihn unterstützen. Nur Petra hole ich auf meine Ranch. Es ist gut, wenn du dich mit diesem Gedanken vertraut machst!«

»Es kommt überraschend, Clear«, erwiderte Dean ruhig. »Es wirft mich aber nicht aus dem Sattel. Ihr seid beide erwachsen!«

»Wir sehen uns in einer Stunde, und dann hoffe ich, daß du gesprächiger sein wirst, Sonny«, lachte Clear, wobei er kehrtmachte und den Saloon verließ. Die Schwingtür klappte hinter ihm zu. Bitter sagte Sam Hopkins:

»Jetzt weißt du es!« »Es kam überraschend«, betonte Dean nochmals. »Sehr überraschend«, ergänzte Sam, »denn noch

vor zwei Monaten sah es so aus, als wollte er Mabel Rothurn heiraten.«

Dean erwiderte nichts. Er trank, stellte das Glas ab und wischte sich mit der Hand über den Mund.

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In seinem Gesicht war keine Bewegung zu bemerken.

»Sam«, sagte er plötzlich und schwenkte auf ein anderes Thema um, »vor Anbruch der Nacht wird ein Reiter hier eintreffen. Schicke ihn gleich zur Nordweide.«

Der schnelle Themawechsel ließ Sam aufhorchen. Er erwiderte leise: »Ich verstehe! Jener Fremde soll nicht erst auf der Geteilter-Topf gesehen werden?«

»Nein, das wäre nicht gut. Der alte Mann soll seine Ruhe haben!«

Sam Hopkins brauchte erst einige Zeit, bevor er Antwort gab: »Slim Hallerman macht keine Ausnahme. Wir alle werden noch eine Menge Kummer haben. Was ist also mit dem Mann, der ...«

»Wenn er es nicht versteht, sich, ohne aufzufallen, mit dir in Verbindung zu setzen, ist er nicht der Richtige für uns.«

»Weiß Dix Lonnigan Bescheid?« »Yea«, nickte Dean Dutley eigenartig. »Nur du,

Dix, und ich wissen davon. Je weniger eingeweiht sind, um so besser ist es.«

»Ich verstehe! Du willst gleich richtig loslegen, Dean. Nun, wir werden es bald wissen!«

2.

Dean verließ den Saloon, hob sich in den Sattel und ritt an. Reiter und Gespanne kamen ihm entgegen oder überholten ihn. Staubgeruch lag in der Luft, vermischte sich mit dem scharfen Geruch jener Rinder, die man an die Verladerampe

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getrieben hatte und in den bereitstehenden Güterzug verlud. Daß das eine harte Arbeit war, hörte man an dem Schimpfen der Cowboys und dem Brüllen der Rinder, die sich nur unwillig dirigieren ließen. Es waren prächtige, rotbunte Hereford-Rinder mit dem Brandzeichen der Pfeil-Ranch und dem der T-unterm-Strich-Ranch.

Die Tatsache, daß diese Rinder außerhalb des großen Auftriebes verladen wurden und daß es nicht allzuviele waren, sagte Dean, daß besonders gute Tiere als Zuchtrinder außerhalb des Countys aufgekauft worden waren.

Whit Slavos schwenkte seinen Stetson und kam herangeritten, als er Deans ansichtig wurde.

»Sieht man dich endlich einmal, Dean? Seit der Anführer des vierblättrigen Kleeblattes fort war, geschah nichts Aufregendes. Niemand hatte einen guten Einfall, um dieser Stadt einen hübschen Streich zu spielen. Es war direkt langweilig hier.« Er stellte sein Reittier quer vor Dean, so daß dieser anhalten mußte. Beide Männer lächelten sich an. Dann sagte Whit ohne Übergang: »Hast du etwas herausgefunden?«

»Yea, daß wir uns selbst helfen müssen, Whit!« »Den weiten Weg hättest du dir ersparen

können«, antwortete Whit spöttisch. »Immer mehr Rancher beklagen sich, daß ihr Vieh verschwindet. Die Rinderdiebstähle nehmen große Ausmaße an. Wir werden von nun an sehr wachsam sein müssen.«

»Genau das ist es, was ich allen Ranchern sagen möchte.«

»Das ist nichts Neues. Ich bin wahrhaftig auf vielen Weiden geritten. Ich habe aber keine Weide

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gesehen, die Rinderdiebe so begünstigt wie die Apachenweide.«

»Solltest du oder deine Leute etwas herausbringen, so laß es mich schnell wissen.«

»Ich war bei Dick Chalhoun. Der Rancher der Ein-Baum beklagt sich sehr über die Veränderung, die im County vor sich geht. Er hat seinem Vormann Joe Tompkins besondere Machtbefugnisse erteilt. Bist du Tompkins nicht begegnet?«

»Ich traf ihn im Apachen-Saloon. Es schien so, als hätte er mit Reitern der Ein-Baum-Ranch auf mein Eintreffen gewartet.«

»Nun, das ist eigentlich etwas, worüber man nachdenken sollte«, entgegnete Whit, indem er seinen Stetson wieder aufsetzte, sein Pferd herumnahm und anritt. »Wir sehen uns später, Dean?«

»Vielleicht«, gab Dean ihm zur Antwort, während auch er seinen Falben vorwärtstrieb. Ohne besondere Eile ritt er weiter. Er wollte sein übermüdetes Tier nicht anstrengen. So brauchte er zwei Stunden, bis die Umrisse der Geteilter-Topf vor ihm auftauchten.

Auf den ersten Blick hätte jeder Fremde erkannt, daß es die größte und prächtigste Ranch auf der Apachenweide war. Sie lag inmitten eines paradiesisch-schönen Fleckens Erde. Sie war zu einer Zeit errichtet worden, als die Apachen noch wild und frei herumstreiften und gegen jeden weißen Eindringling Sturm liefen. Die alte Palisadenwand war indessen nur noch teilweise vorhanden. Was einst niedergebrannt war, hatte man nicht neu errichtet.

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Dean ritt jetzt noch langsamer. Es war ihm, als lägen schwere, unsichtbare Gewichte auf seinen Schultern. Näher kam die Ranch. Slim Hallerman, der Oldtimer, erhob sich bei seinem Anblick aus dem Schaukelstuhl und lehnte sich gegen das Geländer der Veranda. Dix Lonnigan, der zweite Vormann der Geteilter-Topf-Ranch, der soeben aus dem Stall kam, rieb sich die Augen und blieb in der offenen Stalltür stehen.

Beide warteten und sahen ihn aufmerksam an, verfolgten jede seiner Bewegungen. Dean glitt aus dem Sattel, schob seinen Stetson tiefer in den Nacken und rückte seinen Hosengurt höher.

»Sonny«, sagte der Oldtimer dann, »komm gleich ins Büro!« Bei diesen Worten drehte sich Hallerman um und verschwand im langgestreckten Ranchhaus. Dix kam auf Dean zu und streckte ihm die Rechte hin. Er sagte kein Wort der Begrüßung, sondern sah Dean nur düster an.

»Ist dir nicht gut, Dix?« fragte ihn Dean. Dix schüttelte den Kopf. Ein grimmiges Lächeln

kerbte seine Mundwinkel. Er sah rasch zur Ranch hin, als wollte er sich überzeugen, daß der Rancher tatsächlich nicht mehr in der Nähe war, dann sagte er leise:

»Es hat mich überrascht, weiter nichts. Es war nicht fair von Clear.«

»Darüber solltest du dir nicht den Kopf zerbrechen«, Dean grinste den Kameraden an. »Es ist besser, daß es einer aus dem Kleeblatt ist, als irgendein Fremder.«

»Clear spielt sich groß genug auf, das gefällt mir nicht«, erwiderte Dix. »Vielleicht hat er es auf die Ranch abgesehen.«

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»Dix, er ist unser Freund. Denke immer daran, hörst du, immer!«

»Zum Teufel damit! Wenn er das Mädel heiratet, hast du ausgedient. Wie ich dich kenne, wirst du dich nicht damit abfinden können, daß es auf einer Ranch zwei Reitbosse gibt. Das ist ganz und gar nicht im Sinne von Slim. In seiner Vorstellung warst du immer sein Schwiegersohn. Er ist aber zu klug, um es seiner Tochter klipp und klar zu sagen. Seit Clear hierher kommt, ist er mürrischer und wortkarger geworden. Es ist, als bedrücke ihn etwas. Wer ihn von früher her kennt, wird erschreckt über seine Umwandlung sein. Er gleicht einer Eiche, die man ausgehöhlt hat. Der nächste Sturm schon kann sie umwerfen.«

»Schau nicht zu schwarz in die Zukunft, Dix«, sagte Dean, ihm dabei fest in die dunklen Augen sehend. »Wenn das Kleeblatt zerfällt, was sollte dann noch zusammenhalten? Ich hätte Petra genauso dir oder Sam gegönnt. Jetzt reden wir nicht weiter darüber.«

Dix schüttelte den Kopf. Eigensinnig, wie er war, sagte er: »Wir vier haben manchen Spaß gehabt. Aber es geht zu weit, wenn jemand das Leben auf unserer Ranch in Unordnung bringt.« Bei diesen Worten drehte er sich um und schritt davon.

Bedrückt schaute Dean ihm nach, als er den Falben fortführte. Was hatte er nur? Ärgerte es Dix, daß Clear mit Mabel Rothurn geflirtet hatte? – Der hübsche Clear war sicher etwas leichtfertig. Bei Petra würde er es nicht wagen, nur zu flirten. Er, Dean, würde darüber wachen.

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Zu gleicher Zeit sah er Petra. Sie hatte fast lautlos die Ranchtür geöffnet. Drei Wochen lang hatte er sie nicht gesehen.

In diesen drei Wochen hatte sie sich etwas gewandelt. Er wußte nicht, was es war, aber er fühlte es so stark, daß er schwerfällig den Stetson zog und sie mit großen Augen anblickte.

Als er davonritt, war sie nichts anderes gewesen als ein Mädchen, das ihm wie eine Schwester geworden war. Jetzt aber sah er ein Mädchen von ausgesprochener Schönheit, mit fraulichen Formen. Ihre haselnußbraunen Augen, die von langen Wimpern umrahmt waren, schienen ihn fremd zu mustern.

»Dean«, hörte er sie sagen, und ihr rotgeschwungener Mund bewegte sich leicht, »Dad erwartet dich. Spanne ihn nicht länger auf die Folter.«

Er schritt die Verandastufen hinauf. Sie trat zur Seite, doch er blieb neben ihr stehen.

»Ich kann dich also beglückwünschen, Petra?« Ihre Augen leuchteten auf. »Ich habe ihn gern«,

sagte sie ein wenig spröde, »aber das ändert doch nichts zwischen uns beiden, Dean?«

»Als ich davon hörte, war ich ganz sicher, daß es nichts ändern würde.«

»Und nun?« fragte sie gepreßt. Sie sah zu ihm auf. Ihre Hände legten sich auf seine Brust. Sie standen sich so nahe, daß sie ihre Atemzüge hörten.

»Wenn es dein Glück ist, Petra, werde ich es hinnehmen. Clear gehört zum Kleeblatt. Er ist mein Freund. Du hast eine gute Wahl getroffen, Petra. Komm und sage es deinem Dad!«

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»Dean, wozu diese Hast?« »Ich sage es dir in Gegenwart deines Vaters«,

drängte er und nahm sie sanft beim Arm. »Wir verändern uns alle wohl. Du, dein Vater, die Freunde und ich. Wir alle sind anders geworden.«

»Dean, du sprichst Unsinn. Sage lieber, daß ich glücklich aussehe.«

»Wenn du dich nicht glücklich fühlst, weiß ich nicht, was ich von Clear und dir halten soll.«

Sie zwang ihn mitten im Korridor stehenzubleiben. Ganz nahe war sie bei ihm, so nahe wie nie zuvor. »Ich sollte glücklich sein, doch ich bin es nicht ganz. In irgendeinem Winkel meines Herzens bist du. Das ist ein Platz, den Clear nie bekommen wird.«

»Mädel, mach es uns beiden nicht zu schwer. Wir beide haben heute noch eine Entscheidung zu treffen. Clear wird sich ebenfalls zu entscheiden haben. Er muß eine klare Antwort geben. Und nun komm mit zu deinem Vater!«

Sie traten in Slim Hallermans Büro ein. Der Oldtimer saß hinter seinem schweren Schreibtisch und erwartete sie bereits. Er forderte sie auf, Platz zu nehmen, und erst als sie sich gesetzt hatten, sagte er:

»Schlechte Nachrichten?« »Es liegt wohl in der Luft, Slim.« »Sicher, es ist wie damals, als die Apachen den

Palisadenzaun einrissen. Vielleicht ist es auch noch schlimmer. Dix sagte mir, daß dein Ritt nach Elephant Butte sich herumsprach und daß er einige Reiter sah, die nach Atlanta ritten, um deine Ankunft mit anzusehen.«

»Die Ein-Baum-Crew war in Atlanta.«

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Der Oldtimer lachte tief in sich hinein. »Das gefällt mir nicht«, sagte er offen heraus. »Dick Chalhoun ist zwar der Boß, doch es hat sich herumgesprochen, daß er nichts zu sagen hat, daß er ähnlich wie ich alle Geschäfte an seinen Ersten Vormann abtrat.«

»Slim«, unterbrach Dean ihn heiser, »um das zu ändern, lud ich deine Tochter ein, unser Gespräch mitanzuhören. Sie hat ihre Wahl getroffen.«

»Dean, muß diese leidige Sache jetzt zur Sprache kommen?« fragte der Alte. Offen sagte er, was er von Clear dachte. »Hör zu, Sonny! Es ist ein Unterschied zwischen dir und Joe Tompkins. Für dich bin ich immer der Boß geblieben, so soll es auch weiter sein.«

»Nicht lange, Slim«, unterbrach Dean ihn leise, »es ist besser, wenn Petra sich entscheidet und der Mann, der diese Ranch übernehmen wird, auch den Kampf austrägt.«

»Junge, ist es so schlimm?« »Yea, ich muß es offen gestehen. Wenn die

Leitung weiter in meinen Händen bleibt, ist es möglich, daß am Ende nichts weiter als rauchende Trümmer bleiben. Ich darf auf keinen Fall gehemmt sein.«

»Nun gut, Dean, das bist du auch nicht. Diese Ranch gehört zur Hälfte dir, so habe ich es im Testament niedergelegt Gerade jetzt kannst du keine Entscheidung verlangen, von niemandem!«

»Petra, was meinst du?« wandte sich Dean an das Mädchen, das still zugehört hatte und keinen Blick von ihm ließ.

»Die Ranch wäre leer ohne dich«, sagte sie leise. »Es ist gut, daß du wieder da bist.« Sie stand auf,

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nickte den beiden Männern zu und verließ schnell das Büro.

»Eines Tages«, sagte der Oldtimer, in seine Gedanken verstrickt, »wirst du es herausfinden und einsam sein. Ich sehe es draußen rauchen, mein Junge. Bekanntschaften und Freundschaften werden zerbrechen. In mir ist keine Kraft mehr. Ich möchte nur eines erleben: Wie du den Kampf führen und zu Ende bringen wirst.«

»Slim, ich habe bereits angefangen!« »Ich frage nicht, wie, mein Junge. Ich weiß, daß

ich mich auf dich verlassen kann. Was Clear Newton anbelangt, so laß ihn vorerst in Frieden. Eine Entscheidung würde eine Herausforderung sein, und das wäre weder für Petra noch für deinen Freund gut. Entspanne dich nun von deinem Ritt und laß dir in der Küche zu essen geben.«

Mit diesen Worten war Dean entlassen. Er erhob sich und ging hinaus. Als er an der Tür stand, war es ihm, als wollte ihn der Oldtimer noch einmal zurückrufen, aber das mußte wohl eine Sinnestäuschung sein, denn Slim wandte sich ab und blickte aus dem Fenster.

*

Dean war gerade dabei sich zu waschen, als er schnellen Hufschlag hörte. Er trat ans Fenster. Clear kam auf den Ranchhof geritten. Der Freund gab eine prächtige Reitergestalt ab. Sein sonst stets freundliches Gesicht war jedoch dunkel und angespannt. Er hob sich aus dem Sattel und eilte Petra entgegen, nahm sie fest in seine Arme.

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»Darling«, hörte Dean ihn sagen, »ich habe dich wieder einmal lange warten lassen.«

»Mach es nicht zu oft, Clear. Jede Geduld hat einmal ein Ende.«

»Darling, ich bin, wie ich bin und lebe in vollen Zügen!«

»Du spielst zu oft und verlierst zuviel. Du solltest das Spielen aufgeben.«

»Wenn wir verheiratet sind, werde ich es tun, Darling. Jetzt spiele ich, um uns ein warmes Nest zu schaffen. Hat dir Dix wieder einmal berichtet? Hat er mich wieder bei dir angeschwärzt?«

Seine Stimme klang schrill vor verhaltenem Zorn. Sie schüttelte den Kopf und befreite sich sanft aus seiner Umarmung.

»Was ist mit dir los, Clear?« »Ich liebe dich, Darling, und ich bin vielleicht ein

wenig nervös.« »Das sollte dich nie dazu verleiten, schlecht über

deine Freunde zu sprechen. Jedermann weiß, daß du spielst und oft verlierst!«

Dean wollte nichts mehr hören. Er frottierte sich den nackten Oberkörper und kleidete sich rasch an. Etwas später saß er in der Küche beim Essen. Der Koch sah ihm über die Schulter zu, wie er heißhungrig aß.

Nach dem Essen ging Dean zu den Corrals und nahm ein Lasso von den Stangen. Im Corral schüttelte er das Lasso aus. Ein wenig später zog er ein frisches Pferd heran. Satteln und Aufzäumen war in wenigen Minuten geschehen. Er saß auf, öffnete vom Sattel her das Gatter und schloß es auch wieder hinter sich.

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Dann ritt er an. Nein, er dachte nicht daran, einige Stunden zu schlafen. Er ritt auch nicht fort, weil er Angst davor hatte, jetzt zum zweitenmal mit Clear zusammenzutreffen. Er spähte wohl kurz zu Clears Pferd, das das Gitterbrandzeichen an den Flanken eingebrannt hatte, und schaute zur Veranda hin. Sie war leer. Clear und Petra waren also ins Haus gegangen. Sicherlich hatten sie sich vieles zu erzählen. Yea, er unterdrückte das aufsteigende unerklärlich bittere Gefühl, das sich auf ihn legen wollte, und ritt schneller, so daß die Ranch bald außer Sichtweite war.

Dix wartete bereits auf ihn. Er erhob sich aus dem Grase, wo er schläfrig gelegen und an einem Grashalm kaute und wartete, bis Dean abgesessen war.

»Dix, du brichst gleich auf zur Nordweidehütte.« »All right, es wird also so sein, wie wir es

besprachen?« »Unser neuer Mann ist fremd. Er wird sicherlich

schneller etwas herausbringen als unsereiner. Er kommt nach Mitternacht. Es genügt, wenn du beim Küchenwagen sagst, daß ein neuer Mann eingestellt wurde und ihn einige Zeit im Auge behältst. Ich verlasse mich auf dein Urteil, Dix!«

»Es kommt darauf an, ob er unbemerkt an Sam herankommt, schafft er es, ist er richtig, schafft er es nicht, sollte er besser gleich umkehren.«

»Wir werden es bald wissen!« »Hoffentlich nur wir, und nicht die von der

anderen Seite, Dean«, erwiderte Dix. »Manchmal habe ich das Gefühl, daß kein Mann ungesehen auf der Apachenweide reiten kann, vor allem auf dem Gebiet nördlich von Atlanta in den Vorläufern der

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Zuni Mountains. Wir sollten uns das Gebiet näher ansehen.«

»Es ist fremdes Gebiet. Unser Mann sollte es sich ansehen.«

»Hoffen wir das Beste«, erwidert Dix kurz. »In Elephant Butte bist du enttäuscht worden?«

»Nicht sonderlich! Man hat dort zu tun und ist mit sich selbst beschäftigt. Man gab mir den Rat, die Angelegenheit selbst in Ordnung zu bringen.«

»Ich hätte es dir vorher sagen können, Dean. Seit einigen Stunden ist es verteufelt schwül geworden. Ich rieche den Sturm. Du solltest dich nicht damit begnügen, mit einem Revolver in der Hosentasche herumzureiten!«

»Sind die Anzeichen so deutlich?« »Yea«, sagte Dix herb, »ich ahne sogar, aus

welcher Richtung der Wind weht, doch ich werde erst mehr sagen, wenn ich sicher bin.«

»In solchen Zeiten ist Wissen lebensgefährlich, Dix.«

Der Partner lachte und hieb durch die Luft, als wollte er etwas hinwegfegen. Zusammen mit Dean ging er zu den Pferden zurück. Dix nestelte an dem Packen, den er hinter dem Sattel aufgeschnallt hatte, herum und sagte leise:

»Der Boß übertrug dir eine verteufelt undankbare Aufgabe.«

»Ich habe sie angenommen, Dix. Wenn ich damit fertig bin, werde ich das Land verlassen.«

»Denke lieber gründlich darüber nach, bevor du es tust«, sagte Dix, wobei er sich in den Sattel hob und Dean grimmig ansah. Bevor Dean ihm jedoch eine Frage stellen konnte, ritt er eilig davon. Dean

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sah ihm nach, bis er hinter einem Hügelkamm verschwand.

3.

Am anderen Morgen mied Petra Deans Nähe. In einer Art war es ihm recht so, denn er fand genügend Arbeit im Büro, um sich dort bis zur Mittagszeit zu beschäftigen. Als es plötzlich an die Tür klopfte und Dix ohne ein Herein abzuwarten, eintrat, schrak er ein wenig zusammen. Man sah Dix an, daß er einen anstrengenden Ritt hinter sich hatte. Er blieb in der offenen Tür stehen und sagte:

»Er hat nicht enttäuscht!« »Um so besser!« »Dann ist ja alles in Ordnung«, murmelte Dix,

wobei er sich gegen den Türpfosten lehnte, seinen Tabaksbeutel zog und sich mit flinken Fingern einen Glimmstengel rollte. »Die Leute vom Streiftrupp haben ihn sich genau angesehen.«

»Das ist so üblich.« »Yea, nur wird es bitter, wenn jemand für die

Gegenseite angeworben wird und arbeitet.« »Auf unseren Boy ist Verlaß, Dix.« »Nur solange wir nichts Gegenteiliges wissen, nur

so lange, Dean«, erwiderte Dix nachdenklich. »Ich möchte nicht in Lud Forsters Haut stecken. Schon der Gedanke daran ist mir verhaßt. Es wird recht schwer für ihn sein, sich im fremden Land, auf fremden Weiden einzufügen. Aber schließlich, er wird dafür bezahlt!«

»Gibt es sonst etwas Neues?«

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»Yea, daß Clear wieder auf der Ranch ist, und daß mich dies in den Sattel treibt!«

»Habt ihr euch gestritten?« »Nein«, antwortete Dix kopfschüttelnd. »Er ist dir quer gekommen, Buddy! Los, sag’s

schon!« »Er ist Mabel Rothurn gegenüber nicht als

Gentleman aufgetreten, Dean.« »Kein Grund zur Aufregung. Mabel nimmt es

nicht so tragisch. Sie ist jetzt wieder frei. Versuch es einmal! Vielleicht klappt es jetzt!«

»Sie hat es schwer«, erwidert Dix grimmig. »Bevor sie Clear ihre Huld schenkte, hätte sie jeden Mann im County haben können.«

Überrascht hob Dean den Kopf. »Ich wußte nicht, daß es so ernst war.«

»Gib dir keine Mühe. Niemand wußte es so gut wie Mabel und ich.«

Mit diesen Worten war für Dix die Unterhaltung zu Ende. Er drehte sich um und drückte leise die Tür des Büros hinter sich zu. Seine Schritte entfernten sich.

Es war Dean nicht mehr möglich, weiterzuarbeiten. Die Sache beschäftigte ihn stärker, als er es sich eingestehen wollte. Für ihn war es nie ein Geheimnis gewesen, daß Dix Mabel verehrt hatte. Kein Wunder, daß nun zwischen Clear und ihm etwas war, was die Freundschaft trübte. Beunruhigt verließ er den Arbeitsraum. Auf der Veranda traf er auf Clear.

»Dean, ich hoffe nicht, daß auch du mir ausweichst«, begann Clear.

»Seit wann schätzt du mich so ein?«

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»Nimm es nicht tragisch«, lächelte Clear erleichtert. »Sam und Dix haben sich verändert. Nur du scheinst der gleiche geblieben zu sein. Slim hat gewußt, worauf er baute, als er dich als seinen Sohn aufnahm. Von uns Freunden stehst du an einem besonderen Platz. Du stehst über uns. So sieht dich auch Petra.«

»An deiner Stelle wäre es mir nicht recht, Clear!« Das Lächeln verschwand aus Clears Gesicht. »Ich

mache mir Gedanken darüber, versuche mir vorzustellen, wie es sein wird, wenn du mit mir unter einem Dach wohnst. Ich gebe mir Mühe, nicht hinzusehen, wenn sie dich so anblickt, als könntest nur du ihr die Last ihrer Sorgen abnehmen.«

»Eines Tages wirst du beruhigt sein, Clear.« »Ich dachte es mir, du bist ein wirklicher

Freund.« Dean winkte ab und stellte sich Clear gegenüber.

»Was war mit Mabel Rothurn?« »Es war nichts. Beruhigt dich das?« »Dix sieht das offenbar anders.« »Ich weiß Bescheid. Er geht mir aus dem Wege

und ist mißtrauisch, und das ohne Grund. Er hat sogar Sam angesteckt. Es sieht so aus, als sähen die beiden in mir einen Eindringling in deinen Corral.«

»Sag so etwas nie wieder, Clear!« »Ich wußte doch, daß ich mit dir ein offenes Wort

sprechen kann. Ich liebe nun einmal Petra.« »Das ändert nichts an unserer Freundschaft,

Clear.« Er wandte sich ab und ließ Clear allein. Im Hause begegnete er Petra. Sie sah so aus, als hätte sie geweint. Er blieb stehen und sah sie an.

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»Ist etwas nicht in Ordnung, Mädel?« Ehe er fortfahren konnte, schlang sie beide Arme

um seinen Hals und legte ihren Kopf an seine Brust. Ein leises Schluchzen ließ ihren Körper erbeben.

»Was ist in dich gefahren, Petra?« fragte er, als sie sich langsam beruhigte.

»Dean, in Clear steckt der Spielteufel. Manchmal weiß ich nicht, ob ich nicht zuviel von ihm verlange. Er hat wieder gespielt und über dreihundert Dollar verloren. Eines Tages wird er nichts mehr haben.«

»Er wird sich finden, Mädel.« »Glaubst du?« »Du liebst ihn doch, und das wird alles

überbrücken.« »Es ist gut, daß du da bist, Dean«, flüsterte sie.

»Was auch kommen mag, du darfst nie fortgehen! Ich muß einen Menschen haben, um mich auszusprechen. Versprich mir, daß du immer bleiben wirst!«

»Das, Mädel, kann ich nicht. Es ist kein Platz für zwei Bosse auf dieser Ranch. Ich habe es Clear bereits gesagt. Wenn die Gefahr vorbei ist, sage ich diesem Lande so long. So ist das ausgemacht. Es sollte euch beide mahnen, bald zu heiraten.«

»Nein, noch nicht! Ich bin noch nicht im klaren mit mir selbst. Gestern wurde Clear gesehen, als er aus Mabel Rothurns Haus kam«, sagte sie schluchzend. »Was sucht er noch bei ihr?«

»Verlange eine klare Antwort von ihm! – Aber sag mal, Petra, von wem stammen deine Informationen?«

»Das ist meine Sache, Dean.« »Wenn es Dix ist, dann ...«

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»Laß Dix aus dem Spiel«, fiel sie ihm erregt ins Wort. »Ich habe selbst Augen und Ohren.«

Sie trat einen Schritt zurück. Ihr Gesicht zuckte. »Oh, ich weiß nicht, was es ist, was mich immer wieder zu dir hinzieht, Dean«, stieß sie abgerissen hervor. »Solange du hier bist, gibt es Schutz und Geborgenheit.«

»Das alles wird dir Clear ebenfalls geben, Mädel. Was euch fehlt, ist Zeit und eine Aussprache, dann wird es zum gegenseitigen Vertrauen kommen, und alles wird ganz anders aussehen.« Er sah sie fest an und spürte, wie es ihm schwer ums Herz wurde.

Dean ging, ohne noch einmal in ihre Augen zu schauen. In der großen Wohndiele hatte es sich Slim Hallerman gemütlich gemacht. Er saß weit zurückgelehnt im Sessel und hatte seine Füße ausgestreckt.

»Komm nur, Junge! Ich denke, daß du jetzt auspackst.« Dean setzte sich dem Boß gegenüber.

»Also gut, was willst du wissen?« »Wen du neu eingestellt hast. Ich habe mir die

Lohnliste gründlich angesehen. Wer ist Lud Forster?«

»Ein Mann, der etwas für die Ranch tun soll.« »Nicht schlecht! Das Reden fällt dir schwer, wie?

Du wolltest es mir verheimlichen?« »Yea«, erwiderte Dean. Der Oldtimer nickte und zog gemächlich an

seiner Pfeife. »Du warst immer sehr rücksichtsvoll, mein

Junge. Du hast dir von mir die ganze Verantwortung aufbürden lassen, ohne es krumm zu nehmen. Aber ich war in Gedanken immer bei der Sache. Ich habe Dix beobachtet und dann den

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Namen in der Lohnliste aufgespürt. Es war leicht, sich zusammenzureimen, was das alles zu bedeuten hatte. Ein Revolvermann auf der Apachenweide! Es ist also weit genug gekommen! Aber keine Sorge, Sonny! Ich rede nicht dagegen. Doch früher machte man solche Sachen selbst.«

»Man weiß nie, was noch kommen wird, Slim!« »Wie ich dich kenne, wirst du erst dann

anfangen, wenn alles eindeutig klar ist. Übrigens: vor einer halben Stunde ist die Ein-Baum-Crew aus den Hügeln in Richtung Stadt geritten.«

»Slim, ich reite, ich habe dich gut verstanden.« »Schnalle um, Cowboy!« Slim Hallerman grinste

ihn von der Seite an. »Man weiß nie, welches Hindernis plötzlich auftauchen kann. Die Parade der Ein-Baum-Crew war zu augenfällig. Mit anderen Worten, sie wollte gesehen werden!«

»Stimmt auffallend! Das ist sehr eigenartig, nicht wahr!«

*

Dean entschloß sich, den kurzläufigen Revolver aus der Hosentasche zu nehmen und ihn gegen zwei 45er Colts zu vertauschen, die in offenen Halftern an einem schwarzen Gurt hingen.

Abwägend hielt er den Gurt in der Hand. Seine Augen verfinsterten sich. Er dachte darüber nach, wie lange die Waffen unbenutzt in der Truhe gelegen hatten. Als er sie vor Jahren fortlegte, waren die letzten Apachen in die Reservation abgewandert. Damals war er fast noch ein Knabe gewesen, aber er konnte nicht vergessen, mit welch bösem Grinsen Geronimo den Weg in die

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Gefangenschaft angetreten hatte. Unvergessen waren auch die Ausbrüche dieses Häuptlings, dessen Fährte in schrecklicher Weise von Blut und Gewalt gezeichnet wurden, bis das bittere Ende für ihn und seine wilde Horde kam. Damals rauchte es überall im Land. Jetzt sah es danach aus, als würde das Land nochmals rauchen. Old Hallerman hatte es prophezeit, als gehöre er zu denen, die in die Zukunft blicken konnten.

Dean schlang sich den Gurt um, dann rückte er die Colts zurecht.

Damals, als ihn Old Hallerman aufnahm, hatte der Rancher von ihm verlangt, daß er die Eisen einschloß. Jetzt war es wiederum Hallerman, der ihn aufforderte, die Waffen anzulegen.

Als Dean das Haus verließ und sich beim Pferdecorral umblickte, sah er den Oldtimer im Gespräch mit Clear auf der Veranda stehen. Petra war nicht dabei. Dean sattelte einen Rappen und zäumte ihn auf, prüfte sorgfältig den Bauchgurt, wie es jeder erfahrene Reiter macht, bevor er aufsitzt.

Er schwang sich auf den Pferderücken. Auf seine gewohnte Art öffnete und schloß er das Gatter vom Sattel aus. Als er an der Veranda vorbeiritt, sah ihn Clear überrascht an.

»Sonny, wozu die Kriegsausrüstung?« »Du wirst es nicht glauben, Clear: Jemand

meldete mir, daß sich ein Rudel grauer Wölfe auf unseren Weidegebieten herumtreibt«, erwiderte Dean, ohne anzuhalten. Er hörte des Oldtimers verhaltenes Lachen und Clears schnelle Frage: »Welcher Narr hat sich das mit den Wölfen ausgedacht?«

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Clears Worte zerflatterten hinter Dean im Winde. Gewiß, Clear war sein Freund. Wenn Petra sich

schon verliebte, so war es besser, daß ihre Wahl auf Clear als auf irgendeinen anderen fiel. Clear stand jedoch irgendwie abseits. Er schien kaum etwas von dem Unwetter wahrzunehmen, das über der Apachenweide aufzuziehen drohte. Clear hatte nicht viel zu verlieren. Seine kleine Ranch wurde von ihm selbst bewirtschaftet. Nicht ein einziger Cowboy ritt für ihn. Dean glaubte nicht, daß Petras Mitgift der Grund dafür war, daß Clear sich ihr genähert hatte.

Weder Clear noch Dix war so etwas zuzutrauen. Sam stand ganz außerhalb solcher Betrachtungen, denn Sam war über die Jahre hinaus, in denen ein Mann sein Herz an eine Frau verlor.

Je weiter Dean durch das einsame Hügelland ritt, um so mehr mußte er an Mabel Rothurn denken. Yea, auch Mabel war recht gut gestellt. Sie besaß einen Store in Atlanta. Ihr Geschäft ging gut. Warum nur hatte Clear mit ihr gebrochen? »Dix hat mich mit seinem verteufelten Mißtrauen bereits angesteckt«, sagte er laut vor sich hin. »Ich werde dieses Mißtrauen tief in mir begraben. Es ist scheußlich und bitter wie Galle.« Er brach plötzlich ab, hob sich lauschend im Sattel.

Im nächsten Augenblick hörte er deutlich Hufschlag. Ein schneller Blick nach allen Seiten genügte ihm. Weder von dem Reiter noch von dem Pferd war etwas zu sehen. Dean lenkte sein Pferd eilig in die Deckung der Chaparralbüsche. Es war ihm, als hätte er erst jetzt das erste Zeichen einer aufziehenden Gefahr wahrgenommen, denn der

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Hufschlag des fremden Pferdes war ebenfalls verstummt.

Oldtimer Hallerman hatte also richtig beobachtet. Ein wenig zu sorglos war Dean in die Hügel geritten. Er verharrte im Sattel des Rappen, den er zwischen den Büschen angehalten hatte, und beobachtete angestrengt das Terrain. Nichts regte sich. Wer immer ihn auch verfolgte, er schien kein Verlangen danach zu haben, gesehen zu werden.

Der Verfolger verhielt sich so vorsichtig wie er selbst. Es kam jetzt darauf an, wer die besseren Nerven hatte.

Eine halbe Stunde verstrich. Doch es geschah nichts. Unheimlicher wurde das

Schweigen ringsum. Jetzt erst glitt Dean aus dem Sattel und band die Zügel an einem tiefhängenden Ast fest. Geduckt schlich er in der Richtung davon, in der er den Verfolger vermutete.

Als er sich, kaum zehn Schritt von dem Rappen entfernt, ein wenig aufrichten wollte, schnaubte sein Pferd unwillig und stampfte mit den Hufen. Sofort blitzte es am gegenüberliegenden Hang aus den Büschen. Der Lichtfinger einer Waffe stach blendend grell heraus. Die Kugel schlug durch das Laubwerk neben Dean dicht in die Erde.

Nochmals blitzte es auf. Ein Lachen dröhnte hinterher, das jäh verstummte, als Deans 45er das Blei zum gegenüberliegenden Hang schickte.

Vier Schüsse waren insgesamt abgefeuert worden. Jetzt, nachdem die Detonationen verklungen waren, wirkte die einsetzende Stille besonders lastend.

Gespannt beobachtete Dean den gegenüberliegenden Hang, doch es regte sich dort

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nichts. Er bemerkte nichts, was für ihn wichtig sein konnte. Noch während er beobachtete, hämmerten Hufschläge den Boden. Ein Pferd entfernte sich schnell jenseits des Kammes. Als Dean seinen Rappen erreichte, waren die Hufschläge bereits verhallt.

Er saß auf und ritt zu der Stelle, von der aus er beschossen worden war. Zwei abgeschossene Patronenhülsen einer Winchester lagen am Boden. Er nahm sie auf und betrachtete sie, warf sie aber gleich wieder fort, denn die Schüsse waren aus einer Waffe abgegeben worden, wie sie jeder zweite Reiter auf der Apachenweide besaß. Es lohnte sich nicht, diese Hülsen mitzunehmen. Es war wichtiger der Fährte zu folgen.

Er tat es vorsichtig. Bald war ihm klar, daß er es mit einem noch unerfahrenen, jungen Reiter zu tun hatte, der noch nicht hart genug gebrannt war, für die Aufgabe, die man ihm gestellt hatte. Das zeigte sich auch an dem kümmerlichen Versuch, die Fährte zu verbergen und einen Bogen zu schlagen. Es dämmerte bereits, als Dean genau die Richtung des Reiters bestimmen konnte. Seine Fährte zeigte in die Richtung der Ein-Baum-Ranch.

Es gab jetzt keinen Zweifel mehr: Ein Reiter dieser Ranch hatte auf ihn geschossen. Ein Cowboy jener Crew, die Wert darauf gelegt hatte, daß man ihren Paraderitt zur Stadt überall bemerken konnte.

Dean hielt abermals sein Reittier an. Er kniff die Augenlider zusammen und dachte nach. Je mehr er nachsann, um so enger wurde ihm die Kehle. Zum erstenmal war von der Gegenseite ein Fehler gemacht worden.

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Dean gab es auf, zu den Sommerweiden der Geteilter-Topf-Ranch zu reiten. Entschlossen lenkte er den Rappen in Richtung der Ein-Baum-Ranch und ließ dem Tier die Zügel frei.

Auf dem Trailpfad der Ranch ging die Fährte des Mannes, der aus dem Hinterhalt geschossen hatte, in dem Gewirr vieler Huffährten unter. Doch das störte Dean nicht mehr. Wenig später glitt er, auf der Ein-Baum-Ranch angekommen, aus dem Sattel.

Niemand stellte sich ihm entgegen. Ein alter Mann trug zwei Wassereimer zum Stall und sah ihn aufmerksam an, ohne indessen anzuhalten. Recht eilig, so schien es Dean, verschwand der Alte im Stall, wo er die Tür hinter sich zuschlug.

Dick Chalhoun, der Boß, kam aus dem Haus und lehnte sich gegen die Veranda. Seine unter tiefen Fettpolstern fast verborgenen Augen betrachteten Dean unter hochgezogenen, buschigen Augenbrauen. Er wirkte etwas müde und schläfrig, als hätte der Hufschlag des Rappen ihn aus einem angenehmen Schlummer gerissen. Vor Jahren war Chalhoun ein großer Mann gewesen, der zusammen mit Hallerman die Apachenweide besetzt hatte.

»Komm herein, Vormann!« lud er mit tiefer Baßstimme ein.

Hinter ihm tauchte die Gestalt seines Vormannes auf, dessen flammendrotes Haar wie ein Helm wirkte.

»Bleib lieber im Sattel«, sagte der rothaarige Vormann der Ein-Baum-Ranch ruhig und trocken, wobei er sich über sein Haar strich.

Deans Blick flog von einem zum anderen. Er sah, wie sich der alte Mann betreten umwandte, die

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Rechte hob und sie gleich wieder resignierend sinken ließ.

Er sah aber auch das wenig freundliche Aufblitzen in Joe Tompkins’ Augen.

»Dick, das Wort eines Ranchers gilt wohl nicht mehr viel?«

Chalhoun atmete schwer. Trotz der Dämmerung sah man, wie sein Gesicht grau wurde und von innen heraus zerfiel, sah man die Schwäche des Ranchbosses, dem der eigene Vormann in einer Weise über den Mund gefahren war, wie es kein Rancher sonst auf der Apachenweide dulden würde. Der einstmals große Mann war in sich zusammengeschrumpft. Er hob die Schultern hoch, umfaßte mit seinen Händen die Verandastange, daß seine Handknöchel weiß unter der Haut schimmerten.

»Tut mir leid, Dean«, sagte er heiser. »Das Wort eines alten Mannes scheint wirklich nichts mehr zu gelten.«

Es war doch noch schlimmer, als Dean vermutet hatte. Der Ranchboß versuchte nicht einmal, sich gegen seinen rothaarigen Vormann aufzulehnen.

»Wir beide haben uns nie leiden können«, sagte der rothaarige Vormann der Ein-Baum-Ranch. »Morgen oder übermorgen hättest du es herausbekommen, daß Chalhoun ebenso wie dein Boß nur noch stiller Teilhaber ist und ich die Ranch und alle Geschäfte leite. Das wolltest du doch herausbringen, wie?«

»Wir haben uns wirklich nie verstanden, Tompkins«, erwiderte Dean. »Sage deinem Heckenschützen, daß er seine Sache sehr schlecht machte!«

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»Was soll das heißen?« platzte Tompkins heraus. Deans Rechte berührte den Coltkolben. Er sah

Tompkins frei in die Augen, wobei er erkannte, daß er einem Mann gegenüberstand, dessen Wille hart war wie Granit. Er war ein Mann, der sich vor Tod und Teufel nicht fürchtete, und war ein Gegner, auf den man achten mußte.

»Finde es nur selbst heraus, Tompkins«, knurrte Dean durch die Zähne. »Versuche auch keine Paraderitte mehr vorzuführen. Sicherlich hast du noch eine böse Überraschung geplant. Deine Leute, Tompkins, spielen ihre Rollen zu schlecht. Sie sind auch zu neu in diesem Land. Vielleicht genügt dir die Warnung!«

Tompkins grinste. »Es ist komisch, daß ausgerechnet du mich

warnst«, sagte er dann, »ausgerechnet ein Mann, der genau begriffen haben sollte, daß zuviel Wissen in diesem Land zum sicheren Tod führt. Vielleicht bringst du mich sogar mit der geheimnisvollen Rustlerbande in Verbindung, he?«

»Wer immer auch mit ihnen zusammenarbeitet und wer immer auch dahinter steckt, er kann es nicht lange mehr geheimhalten. Ich habe dich gewarnt!« Mit der Linken ergriff er sein Pferd beim Zügel und drängte es so zur Seite, daß er jeden Moment die Waffe ziehen konnte. So stand er vor Tompkins, bereit auf der Stelle die Entscheidung auszutragen. Beide rührten sich nicht. Man spürte die Kälte des Todes. Chalhoun bewegte sich plötzlich und riß seinem Vormann die Waffe aus dem Futteral, sprang zur Seite und sagte schrill: »Nicht jetzt und nicht hier!«

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Tompkins stand ruhig da. Er tat so, als wäre der alte Mann nicht vorhanden, zuckte nur die Schultern. »Also dann ein andermal, Dutley.« Zu seinem Ranchboß gewandt sagte er sanft: »Deine Dummheiten werden immer größer.«

»Chalhoun«, stieß Dean böse hervor, »gib ihm den Colt zurück, und ich befreie dich von seiner Gegenwart. Er hat es zu weit getrieben. He, Oldman, noch ist der Weg für dich frei!«

Chalhoun schüttelte heftig den Kopf. Seine Augen glänzten feucht. Er glich in diesem Augenblick einem menschlichen Wrack.

»Zu spät«, flüsterte er heiser. »Bemühe dich nicht weiter, Vormann. Steig auf und reite! Wenn ich dich schon nicht willkommen heißen konnte, so kann ich doch dafür sorgen, daß man dir nicht in den Rücken schießt.« Angespannt stand er da und hielt die Waffe in der Hand. Erregt blinzelte er zu Dean hin.

»Befolge seinen Rat, Cowboy«, riet ihm Tompkins, wobei sein widerliches Grinsen sich verstärkte. »Er hat die alten Zeiten nicht vergessen. Er weiß aber noch nicht, daß er zum alten Eisen zählt. Für dich ist das ein Glück.« Sein rauhes Lachen schallte Dean in den Ohren.

Chalhoun zitterte, unternahm aber nichts, um seinem üblen Vormann den Mund zu stopfen. Er richtete zwar den Colt auf Tompkins, aber das war auch alles.

»Tut mir leid«, keuchte er, »reite nie wieder allein durch die Hügel. Und jetzt verschwinde!« riet der Alte erregt.

Dean nickte, er blieb wachsam und kampfbereit. Rückwärtsschreitend drängte er sein Pferd, bis er

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sich außerhalb des Ranchhofes, gedeckt von den Ställen, ohne Gefahr in den Sattel schwingen konnte. Dann jagte er in die Nacht hinein davon.

»Gib den Colt zurück, Chalhoun!« verlangte Tompkins. Er streckte die Hand aus und nahm dem Alten die Waffe ab, die dieser ohne Widerrede aus der Hand gab. »Ab und zu wird in dir etwas lebendig, was längst verschüttet sein müßte«, sagte Tompkins dabei grinsend. »Du steckst tief genug drin. Wozu das also?«

»Wir wollen aufhören, für ...« »Wir können nicht! Wir sind richtig am Zuge.

Keiner steigt aus, auch du nicht!« »Unterschätze diesen Dutley nicht, Tompkins! Er

ist zäh und versucht es gerade dann, wenn alle anderen versagen, und – er ist ein Kämpfer!«

»Ich habe immer nach dem richtigen Gegner gesucht. Der Mann, der es mit mir aufnimmt, ist noch nicht geboren worden«, sagte Tompkins, wobei er den Rancher hart bei der Schulter packte und ihn mit sich zu dem Schuppen zog. Mit einem Stiefeltritt trat Tompkins die Tür auf und rief in die Dunkelheit des Schuppens hinein: »Komm heraus!« Unter dem Heu raschelte es. Ein bleicher, junger Mann kroch aus seinem Versteck und kam nur zögernd näher. In seinem von Leidenschaften gezeichneten Gesicht zuckte es, als er vor Tompkins stehenblieb.

»Für wen reitest du wirklich?« knurrte Tompkins. Der Mann war wirklich jung, nicht älter als

neunzehn Jahre. Seine Augen öffneten sich weit vor Entsetzen.

»Ich reite für dich«, murmelte er. »Bist du so sicher?«

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»Yea.« »Chalhoun, was denkst du?« »Nimm es ihm nicht übel, daß er durch sein

Versagen Dean Dutley herlockte.« »So? Nun, ich erinnere mich, daß er vor sieben

Wochen noch für die Geteilter-Topf-Ranch ritt.« »Was soll das heißen?« sagte der junge Bursche

mit vor Aufregung heiserer Stimme. »Daß ich dich durchschaut habe und es deine

volle Absicht war, diesem Vormann deiner alten Ranch Hinweise und Anhaltspunkte zu liefern für eine Fährte, auf die er sich festsetzen wird. Du hast dich verrechnet!«

»Tompkins, ich ...« Weiter kam er nicht. Tompkins schlug zu und

traf ihn mitten ins Gesicht. Zu spät warf der Junge die Arme hoch. Der zweite Schlag traf ihn ebenfalls so heftig, als hätte ein Dampfhammer zugeschlagen.

»Laß es genug sein«, keuchte Chalhoun, dem es übel bei dieser Brutalität wurde. »Laß ihn!« Doch sein Vormann lachte nur höhnisch, schob den alten Mann, der sich schützend vor den am Boden liegenden Jungen stellen wollte, so heftig zur Seite, daß er stolperte und der Länge nach hinfiel. Er rappelte sich sofort wieder hoch und stürzte sich auf seinen Vormann, der den Ohnmächtigen hochgerissen hatte.

Yea, er sprang ihn an und trommelte mit seinen Fäusten auf ihn ein. Mit einer einzigen Bewegung wischte ihn sein Vormann abermals zu Boden.

»Tu es nicht!« schrie Chalhoun. Seine Stimme klang weinerlich und schrill. Er stützte sich auf und schaute mit weit aufgerissenen Augen zu der

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Gestalt des Jungen hin, die in den Armen des Riesen pendelte, als wäre alles Leben aus ihr gewichen.

»Tu es nicht!« heulte Chalhoun von tiefem Grauen gepackt. »Laß ihn leben! Ich selbst werde ihn außer Landes bringen.«

Der riesige Vormann wandte ihm das teuflisch grinsende Gesicht zu und ließ den Jungen los.

»Tu es sofort!« sagte er mit eiskalter Stimme. »Lade ihn dir auf ein Packpferd und reite gleich mit ihm los. Falls er zu sich kommen sollte, gib ihm den Rat, sich nicht mehr umzublicken. Ich dulde keine Verräter! Ich werde mir bessere Informationen holen und brauche Männer, die ihr Spiel richtig spielen. Allem Anschein nach sind sie die Parade vor der Geteilter-Topf zu theaterhaft geritten. Ich hatte ausdrücklich befohlen, daß man sie zwar auf dem Weg zur Stadt sehen sollte, daß es aber echt wirken müsse.«

»Vielleicht ist irgend etwas schiefgegangen, und sie wollten sicher sein, daß man sie auch wirklich zur Stadt reiten sah.«

»Oldman«, fauchte ihn Tompkins an, »dieser Vormann der Geteilter-Topf wird nicht so lange leben, daß er uns aus seinem Wissen eine Falle bauen kann. Wenn morgen die Überraschung kommt, dürfte er sich sofort einen Vers darauf machen. Er wird schnell herausfinden, warum die Crew zur Stadt ritt, nämlich, damit wir ein Alibi haben! Dieser Dutley hat eine feine Nase. Er roch bereits, woher der Wind auf dieser Weide weht. Und das gefällt mir verteufelt wenig.«

»Es ist gleichgültig, wer den Rauch der kommenden Auseinandersetzung zuerst riecht«,

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erwiderte Chalhoun bitter. »Es brennt bereits lichterloh! Vielleicht ist es zu spät für uns.«

»Verschwinde mit dem Jungen und überlaß es mir, für euch alle zu denken!«

Der Vormann drehte sich um und ging davon. Er überließ es dem alten Mann, den Ohnmächtigen vom Schuppen fort bis zum Grasteppich bei den Corrals zu tragen. Chalhoun bemühte sich um den jungen, schmächtigen Cowboy. New York war sein Name.

Als dieser mit einem Stöhnen erwachte und die Augen aufschlug, beugte sich der Oldtimer tief über ihn, fragte drängend: »New, du hast keinen Verrat begangen?«

»Nein!« kam es heiser von News Lippen. »Dix Lonnigan feuerte mich aus der Crew der Geteilter-Topf, als er mich schlafend in der Nordweidehütte antraf. Ich glaubte, daß man mich hier richtig gebrauchen könnte.«

»Du bist erledigt hier, New. Aber das brauche ich dir wohl nicht erst zu sagen.«

Mit irr blickenden Augen sah sich der Boy um und nickte heftig.

»Er wird mich umbringen!« flüsterte er entsetzt. »Er kennt keine Gnade. Hilf mir, Boß!«

»New, vor Jahren konnte man mich so nennen, jetzt bin ich nur noch ein alter Mann, der die Augen schließen muß. Reiß dich zusammen! Ich bringe dich bis zur Weidegrenze. Dann reite, so lange und so schnell du kannst.«

»Ich werde mich nicht umblicken«, erwiderte New.

Chalhoun half dem Jungen auf die Beine und etwas später in den Sattel eines der Broncos, die

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der Alte mit fliegender Eile und Hast gesattelt hatte. Sie atmeten beide auf, als die Ranchgebäude hinter ihnen in der Nacht versanken.

Nach einigen Meilen sagte New: »Mister Chalhoun, nützen Sie die Gelegenheit gleich richtig.«

»Nein, ich kann nicht! Ich bin zu alt dazu«, klang es rauh. »Ich werde bleiben und zusehen wie das Spiel läuft. Dir aber, Junge, rate ich, eine echte Lehre aus dem was hinter dir liegt, zu ziehen.«

4.

Es war Mitternacht, als Dean die Sommerweide tief in den Hügeln erreichte und auf das schwach glimmende Lagerfeuer der Geteilter-Topf zuritt.

Nicht ein Mann aus der Crew schlief in der Nähe des Feuers und des Küchenwagens, vor dessen schwarzer Silhouette Dean seinen Rappen anhielt. Die Schläfer hatten sich ringsum in dem hohen Gras eine Lagerstatt gesucht. Sie waren alle wach und hatten ihn kommen hören. Jetzt sagte einer der Männer: »Laßt die Eisen sinken, es ist Dean!«

Schon kamen sie aus der Dunkelheit. Sie umringten Dean.

»Ist etwas Besonderes, Vormann?« »Um das herauszufinden, kam ich zu euch!« Jemand lachte scharf und sagte dann: »Wir

waren viele Tage unterwegs und sahen viele Spuren – Rinderspuren! Sie führten nach Norden in die Ausläufer der unzugänglichen Zuni Mountains. Mehr bekamen wir nicht heraus.«

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»Das paßt genau zu dem Bild, das ich mir machte.«

Lud Venne, der den Sprecher machte, nickte und trat näher, fuhr sich durch seinen Bart und sagte: »Seit New York von der Lohnliste gestrichen wurde, sind wir mehr denn je auf der Hut.«

»Lud, ich habe Dix den Auftrag gegeben, besonders auf New zu achten.«

»Das tat Dix«, lachte Lud Venne grimmig in sich hinein. »Dix fand nur das heraus, was wir alle bereits wußten, daß nämlich der Junge nichts taugte, und er warf ihn hinaus. Um so besser ist dieser Forster.«

»So?« »Selbst Dix würde ihn nicht überrumpeln

können. Der Mann ist sehr wachsam, und von ihm haben wir eine Menge zu erwarten. Wenn jemand mit Nachtaugen durch die Gegend reitet, dann ist er es. Sicherlich wird er manches herausbekommen.«

Einer der Cowboys meldete sich aus dem Hintergrund:

»Es liegt alles offen! Die Ein-Baum-Crew arbeitet für einen Mann im Hintergrund. Nur der Teufel mag wissen, auf welcher wilden Ranch im unzugänglichen Gebiet die Rinder umgebrändet werden. Fest steht, daß die Ein-Baum-Crew sie von den Weiden holt. Dieser Tompkins hat eine rauhe und harte Mannschaft aufgestellt. Er wird zu oft in der Siedlung von Apache-Kid gesehen.«

»Auch das paßt zu dem Bild, das ich mir von diesen Dingen machte«, erwiderte Dean so ruhig, daß niemand die Aufregung bemerkte, in die ihn diese Nachricht versetzt hatte.

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»Vormann, wenn du zurück bist, sollen wir dann anfangen?«

»Nicht eher!« klang es dumpf, und damit hatte Dean alles gesagt, was im Augenblick zu sagen war.

Er verließ das Camp der Cowboys und ritt einsam weiter in die Nacht hinein. Kalt und fern standen die Sterne am Himmel. Der Mond warf sein milchiges Licht über die bizarre, romantische Landschaft. Von Romantik bemerkte Dean heute nichts. Er hatte den Kopf voller Gedanken. Eine Stunde nach Mitternacht erreichte er die Nordweidehütte und damit die Nordgrenze der Geteilter-Topf-Weide. Er hielt an und sah sich um. Nichts regte und rührte sich. Auf seinen Ruf hin blieb es auch in der Hütte still.

Er hatte auch nicht damit gerechnet; denn ein Mann wie Forster legte sich gewiß nicht auf einem gefährlichen Lager zur Ruhe und schlief sicherlich in der Nähe der Hütte unter freiem Himmel in einem Versteck.

Nochmals rief er, diesmal laut: »Forster!« Dean wartete geduldig, lauschte auf ein Knacken

von trockenen Zweigen, ein Rascheln, das ihm Forster melden mußte. Das Spiel im Dunkel war nicht ungefährlich. Er wollte Forster jedoch nicht suchen, er wußte, wie explosiv ein Revolvermann handeln konnte.

Zehn Minuten verstrichen. Forster tauchte nicht auf, noch rief er Dean an. Als weitere zehn Minuten verstrichen waren, war die Unruhe in Dean unerträglich geworden. Er konnte nicht mehr warten und trieb sein Pferd weiter der Hütte entgegen, umkreiste sie und rief wieder: »Komm

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heraus, Forster!« Auch der dritte Ruf hatte keinen Erfolg. Es geschah nichts.

Dean glitt aus dem Sattel, ging vorsichtig auf die Hütte zu, um einen Blick hineinzuwerfen. Vielleicht hatte Forster eine Nachricht hinterlassen, so wie es verabredet worden war für den Fall, daß er seine Erkundigungsritte ausdehnen sollte.

Deans Augen mußten sich beim Eintritt in die Hütte erst an die Dunkelheit gewöhnen. Er war hineingesprungen und gleich zur Seite gewichen, hatte im Sprung seinen Colt aus dem Halfter gezogen. Die vorgehaltene Waffe in der Hand stand er geduckt da.

Über den Lauf hinweg sah er auf die reglose Gestalt im Hintergrund der Hütte, die auf einem Strohlager ausgestreckt lag.

»Forster!« kam es krächzend über seine Lippen. Er hastete auf das Lager zu, beugte sich rasch nieder und schrak sogleich zurück. Seine linke tastende Hand hatte etwas Kaltes berührt, die Hand eines Toten.

Ganz ruhig, ganz still kniete er dann am Lager.Über den Toten gebeugt sah er in die gebrochenen, weit geöffneten Augen, in denen noch das letzte Entsetzen festgehalten war, das Forster beim Abschied von dieser Welt erlebt hatte.

Dean nahm müde seinen Stetson ab. In diesem Moment sah er den Zettel in der Hand des Toten. Er griff danach und zog ihn aus den starren Fingern.

»Holt keine Revolverleute in eure Crew! Steckt eure Nasen nicht in unsere Angelegenheiten!«

Mehr stand nicht auf dem Papier. Es war Dean, als tanzten die Buchstaben vor seinen Augen. Er

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mußte zweimal hinschauen. Dann zerriß er das Schreiben und ließ es zu Boden fallen, ging hinaus, setzte sich seinen Stetson wieder auf und lauschte in die Nacht, ging weiter und lauschte, bis er Hufscharren hörte. Wenig später führte er Forsters Pferd hinter den Büschen hervor. Dann holte er Forster aus der Hütte und band ihn auf das Pferd.

Der Morgen graute bereits, als er zum zweitenmal am Küchenwagen im Camp anhielt. Auch diesmal hatte er die Crew nicht überraschen können. Er sah deutlich den Schock, den die Leute beim Anblick des Toten bekamen. Er sah, wie sich ihre Gesichter verzerrten, und gewahrte, wie der Jüngste der Mannschaft, den man Benjamin nannte, sich hastig abwandte, als hätte er plötzlich Magenkrämpfe bekommen.

Selbst der Koch im Küchenwagen, der eines der Seitenbretter heruntergelassen hatte, damit man es als Tisch verwenden konnte, wurde kreideweiß und stand starr da. Nur Lud bewegte sich auf Dean zu und sagte:

»Es ist Forster?« »Yea.« »Nehmt die Hüte ab, Boys«, murmelte Lud, wobei

er vor dem Pferd des Toten stehenblieb und ihn mit zuckendem Gesicht ansah.

»Wer war es?« fragte Lud. »Apache Kid«, sagte Dean. »Ich habe seine

Handschrift erkannt.« »Wann kann es gewesen sein? Wir haben keinen

Schuß gehört.« »Man hat ihn weit von der Weidehütte erwischt

und zurückgeschafft. Forster ist schon seit Stunden tot.«

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Dean erklärte den Leuten nicht alles, erwähnte nichts von dem Ritt der Ein-Baum-Crew, die sich zu augenfällig ein Alibi verschaffen wollte. Er spürte die Verantwortung schwer auf seinen Schultern lasten.

»Gebt scharf acht!« sagte Dean. »Wenn mich nicht alles täuscht, geht es jetzt um unsere Rinder.«

»Vormann, wir sollten reiten.« »Nach dem Begräbnis«, erwiderte Dean. »Wir

lassen uns Zeit.« Er dachte daran, daß gerade dieser Entscheid ein

Fehler sein mochte, daß man den Toten nur deshalb zur Hütte zurückgetragen und Apache-Kid, der Mestize, seinen Zettel geschrieben hatte, um ihn mit der Crew von der Sommerweide zu locken. Es konnte sein, daß ein Rustlertrupp auf diesen Moment wartete.

»Amb und Peer, reitet im großen Bogen um das Camp«, wandte er sich an zwei Cowboys, die sogleich begriffen und wortlos gehorchten, sich zum Seilcorral hin in Bewegung setzten, um sich ihre Pferde zu holen.

Ein Grab wurde ausgehoben. Es gab keinen Mann, der eine Rede halten konnte, aber ein stilles Gebet hatte jeder für ihn.

Nach dem Begräbnis wählte Dean die Leute aus, die mit ihm reiten sollten. Er konnte sie nicht alle mitreiten lassen. So riet er den Männern, die beim Küchenwagen blieben:

»Laßt euch auf nichts ein, was auch kommt. Versucht es nicht auf eigene Faust, beschränkt euch auf Beobachtungen.«

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Dean blieb noch, wartete auf die Reiter, die er fortgeschickt hatte. So wurde es Mittag. An diesem Tage wurde keinerlei Arbeit verrichtet.

Die Unruhe wuchs. Schließlich kam Peer auf schweißnassem Pferd zurück. Er rutschte aus dem Sattel und überließ sein Reittier der Fürsorge der Kameraden, die es ihm sofort abnahmen, um es trocken zu reiben.

»Ich habe nichts entdeckt«, sagte Peer, »außer den Ranchboß der Ein-Baum-Ranch. Er ritt mit New York auf die Zuni Mountains zu. Ich habe New York trotz der Entfernung an der Art erkannt, wie er im Sattel saß. Ich frage mich, was der Junge immer noch in dieser Gegend macht. Dix hat ihn doch aus der Crew herausgefeuert und ihm den guten Rat gegeben, das Land zu verlassen.«

»Ich denke, er verläßt jetzt wirklich das Land«, unterbrach Dean ihn, dem plötzlich ein Gedanke gekommen war. »New taugte nicht viel?«

»Er war hinterhältig und auch feige«, sagte Lud böse. »Als er in der Nordweidenhütte Wache hatte, stellten sich seine wirklichen Eigenschaften bald heraus. Dix feuerte ihn aus der Mannschaft. Jetzt wissen wir, daß er für Chalhoun reitet.«

»Jetzt nicht mehr! Chalhoun bringt ihn über die Grenze«, erwiderte Dean ruhig. »Gestern nacht schoß jemand aus dem Hinterhalt, das brachte mich auf die Ein-Baum-Ranch. Ein Mann muß verschwinden, damit er nichts aussagen kann, das ist ziemlich klar. Ich verstehe nur nicht, daß Tompkins das nicht auf seine Art erledigte!«

Er spürte, wie alle ihn aufmerksam anblickten. Lud konnte sich nicht mehr beherrschen.

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»Ich habe Tompkins immer für einen harten Mann gehalten, aber daß er so gemein ist, das nimmt mir den Atem, daß ich ...«

»Darüber denke lieber nicht nach«, nahm ihm Dean das Wort und erhob sich, denn der zweite Reiter kam ins Camp zurück.

Amb hatte keine Bewegung gesehen, keine Staubwolke, die vom Hufschlag vieler Pferde emporgewirbelt wurde, keine frischen Trittsiegel, nichts, was die Befürchtungen Deans bestätigte.

Dean hörte sich den Bericht an. Als Amb endete, sagte Dean zu den Leuten, die er sich ausgesucht hatte: »Wir reiten!«

Sechs Mann stark war die Kavalkade, die sich in Bewegung setzte. Keiner sprach. Es gab nichts Unklares, jeder wußte, was kommen würde. Jeder hatte seine Waffen, ein wenig Proviant und genügend Munition mit. Sie ritten viele Meilen in Nordwestrichtung an grasenden Rindern der Geteilter-Topf vorbei. Sie folgten dem kleinen Rinnsal des Apache Creeks, der erst tief im Süden zum Fluß wurde. Nach einiger Zeit wurde das Gelände schwieriger. Man näherte sich der Siedlung, die Apache Kid gegründet hatte. Man ritt sehr vorsichtig, mußte man doch mit einem Hinterhalt rechnen.

Es dunkelte bereits, als die Männer, die ihre Pferde vor geraumer Zeit zurückgelassen hatten, vom Schluchtrand aus die Siedlung unter sich liegen sahen.

Sie lag wie ausgestorben. Nur aus einer Hütte kam Rauch und stieg steil in die Höhe. Die beiden Hütten rechts und links duckten sich gleich ängstlichen Küken eng an die gegenüberliegende

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Schluchtwand. Davor lagen die Corrals, in denen einige Maulesel und Pferde standen.

»Nehmt die Winchester«, ordnete Dean an. »Ihre Durchschlagskraft ist so groß, daß die Kugeln durch das dünne Holz der Hüttenwände hindurchschlagen. Haltet hoch, in die Dächer hinein!«

»Das klingt so, als wolltest du die Bande dort unten schonen?« stieß Lud böse aus.

»Wir kamen nicht hierher, um ein Massaker zu veranstalten«, wies Dean ihn schroff zurecht. »Für diese Art Kampfführung fehlt mir jedes Verständnis.«

»Warum läßt du uns überhaupt schießen?« »Um herauszubringen, ob Apache Kid und die

Ein-Baum-Crew zusammenarbeiten! – Legt an!« Fünf Männer schoben ihre Winchester in

Schußrichtung. Dean war der einzige, der keine weittragenden Waffen mit sich führte und sich auf das Beobachten beschränkte.

»Feuer!« Fünf Winchester wurden gleichzeitig

abgeschossen, vereinten ihren Detonationsklang zu einem wild dröhnenden Donnergrollen, das im Echo von Schluchtwänden fortgetragen wurde. Maulesel und Pferde sprangen wie toll im Corral umher, wühlten mit den Hufen den Boden auf. Im Dachgestühl krachte es, als hätte die Faust eines Riesen daran gerüttelt. Pulverfahnen zogen aus den Mündungen ab.

Ein einziger Mann stürmte aus der mittleren Hütte, legte im Laufen an und gab einen ungezielten Schuß zum Schluchtrand hin ab. In Zickzacksprüngen floh der Schütze hinter die

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nächste Hütte. Keiner schoß auf ihn. Eisern hielt sich die kleine Gruppe an Deans Befehl.

»Feuer!« Nochmals krachte und barst es, rollte das böse

Echo in den Felsen wieder. Jetzt erst sausten Feuerblitze vom gegenüberliegenden Schluchtrand heran. Es krachte neben den Männern im Gestein, so daß die Splitter flogen und sie ihre Köpfe einzogen. Was unten in der Schlucht vor sich ging, interessierte nicht mehr. Man wußte, daß sich in den Hütten niemand aufhielt und Apache Kids rauhe Mannschaft Vorbereitungen getroffen hatte. Die Wirkung dieser Schüsse war so stark, daß Dean den Aufbruch befahl. Er überwachte, wie einer nach dem anderen von seinen Leuten sich vom Schluchtrand kriechend bis in eine sichere Deckung zurückzog. Als letzter trat Dean den Rückzug an. Schüsse krachten, und Kugeln flogen um ihn herum. Außerhalb der Gefahrenzone richtete er sich auf. Wenig später erreichte er die Männer, die schon bei den Pferden warteten.

Yea, nur einer von ihnen hatte etwas abbekommen. Lud, dessen rechte Wange von einem Steinsplitter aufgeschlitzt worden war, und den man soeben verband.

»Vormann, wir werden eines Tages wieder hier sein«, sagte Lud, »dann aber sollen sie es erleben.«

»Sie sind stärker, als wir angenommen haben«, sagte einer der Cowboys ärgerlich.

»Mehr wollte ich auch nicht wissen. Apache Kid hätte sonst keinen Widerstand gewagt. Seine Verbindung zur Ein-Baum-Ranch ist sehr deutlich. Wie geht es dir, Lud?«

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»Hätte schlimmer kommen können, es ist nur eine Schramme und blutet ein wenig. Das reinigt die Wunde«, grinste Lud ihn an.

»Wir trennen uns. Ihr reitet zum Camp zurück und wartet auf Nachricht. Es ist kaum anzunehmen, daß man euch folgen wird.«

»All right, Boß! Sie sollten es nur versuchen. Diesmal werde ich die Befehle geben«, knurrte Lud heiser heraus. »Ich werde nicht warten, bis sie uns die Köpfe abschießen.«

Ihre Blicke trafen sich. Dean nickte Lud zu. »Es ist recht so, wartet nicht darauf«, erwiderte er ruhig, »aber gebt besonders acht auf die Nordweide, sie liegt den Rustlern direkt vor der Nase.«

»Kommt, Freunde!« grinste Lud. »Es wird ein lustiges Treiben werden. Die gehörnten Viecher werden eine Zeitlang ohne uns auskommen müssen. Ich ahnte es gleich, als Dix New zum Teufel jagte, daß es auf der Weide bald rauchen würde. Als unser Vormann sich außer Landes begab, roch ich, daß er sich auf die Brandzeichensuche begeben hatte.«

»Ich werde es noch einmal tun«, sagte Dean. »Vielleicht schon morgen, bis die Kette geschlossen ist.«

»Und sie dich aus dem Sattel heben«, ergänzte Lud. »Wenn einer besonders acht zu geben hat, dann bist du es, Vormann!« Er bekam aber keine Antwort. Der Hufschlag der Pferde machte jede weitere Unterhaltung unmöglich.

Dean zögerte nicht mehr. Er warf sich in den Sattel und ritt in südöstlicher Richtung davon. Es war bereits Nacht, als er die Ein-Baum-Ranch hinter sich gebracht hatte und den Hufschlag einer

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schnell reitenden Kavalkade vernahm, die aus der Richtung der Stadt kam. Zur rechten Zeit fand er eine Deckung, früh genug, um den Rappen hinter einen mannshohen Chaparralstrauch zu bringen.

Die Kavalkade kam rasch näher. Es waren Cowboys der Ein-Baum-Ranch, die keine fünfzig Schritte von seinem Versteck entfernt vorbeiritten und in der Nacht untertauchten. Als die Luft rein war, verließ Dean die Deckung, um seinen Ritt fortzusetzen. In diesem Augenblick vernahm er erneuten Hufschlag. Es war wahrscheinlich ein Nachzügler. Zur Umkehr war es zu spät. Der Reiter tauchte auf, riß bei Deans Anblick sein Pferd so stark in den Zügeln zurück, daß es mit den Vorderhufen aufsteilte, als wollte es sich in den Himmel erheben.

»Chalhoun?« schnappte Dean, der den Rancher erkannt hatte.

»Komm nur, Vormann!« sagte Chalhoun leise, wobei er sein unruhiges Tier wieder in die Gewalt bekam. »Ich weiß, was du denkst: Ein alter Mann, der die Zügel verloren hat.«

»Es ist nie zu spät, sie wieder an sich zu reißen!« »Sicherlich nicht, wenn man so hoch in dem

Sattel sitzt wie du«, klang es heiser zurück. »Irgendwie scheint es dir gelungen zu sein, New

vor Tompkins zu retten, Oldman, wie?« »Es ist kein Verdienst, Vormann«, kam es

zurückhaltend von den Lippen des Oldtimers. »Du hast es jedenfalls schnell herausbekommen.«

»Es war einfach, die Wahrheit zu erraten.« »Um so besser weißt du nun, was du von

Tompkins zu erwarten hast!« »Ich fürchte ihn nicht!«

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»Mag sein! Auch er fürchtet niemanden, weder den Teufel noch die Welt.«

»Ich rate dir gut, wenn ich dir sage: Steig aus diesem Sattel, Oldman!«

Chalhoun lachte ein abgehacktes, heiseres Lachen, das seinen Körper durch und durch schüttelte.

»Du kümmerst dich zuviel um anderer Leute Dinge. Du kannst dir nicht einmal selbst helfen, Vormann.«

»Es ist ernster als du glaubst. Dein Vormann steckt mit Apache Kid unter einer Decke!«

Chalhoun hatte sich großartig in der Gewalt. Er zuckte mit keiner Wimper, sondern entgegnete, als spräche er zu sich selbst: »Tompkins kann sich also auf etwas gefaßt machen. Oder willst du mich vor deine Eisen holen? Tut mir leid, ich kämpfe nicht mehr!« Er hob die Hände an, so daß man sehen konnte, daß er unbewaffnet war. »Wende dich an Tompkins! Er ist jetzt so weit, daß er dir ins Gesicht sagen wird, daß er und Apache Kid sehr gute Freunde sind. Es wird ihm einen Heidenspaß machen, es dir laut in die Ohren zu brüllen. Aber wem sage ich das alles? Ich brauche es dir nicht erst zu bestätigen. Wir haben uns beide nichts zu sagen. Ich kann nicht aus meinem Sattel und du nicht aus deinem. Du reitest für einen alten Mann auf der Geteilter-Topf oder für den neuen Rancher, der abseits steht und zusieht, wie du die Kastanien aus dem Feuer holst. Es ist ein Unterschied zwischen dir und meinem Vormann. Tompkins duldet mich nur. Er hat mir nie Sympathie entgegengebracht. Also bin ich ihm auch nichts schuldig. Er hat mich bereits verdrängt und nach

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und nach eine Mannschaft angeworben, die ihm völlig hörig ist. Yea, trotzdem will ich nicht von der Ranch! Ich habe sie gebaut, und ich gehe mit ihr unter. Vielleicht bin ich nur noch ein Hund, der trotz Fußtritten immer wieder zum alten Bau zurückkommt.« Wieder lachte er laut vor sich hin. »Vielleicht breche ich unter einem Fußtritt endgültig zusammen. Aber was macht das noch aus? Von dem Tag an, da Tompkins mein Vormann wurde, bin ich eigentlich schon gestorben.«

Dean ritt näher und hielt vor dem alten Mann an. Das Grauen stieg in ihm hoch, als er in das faltige Gesicht blickte, in dem die Augen irr hin und her wanderten, ruhelos und unheimlich zugleich.

»Rede, Oldman!« »Nie und nimmer«, klang es trotzig. »Es würde

nichts ändern.« Angst schwang in dieser Stimme, furchtbare Angst.

»Vor wem fürchtest du dich, vor Tompkins etwa?« »Vormann, an Tompkins habe ich mich gewöhnt«,

klang es rauh zurück, und bei diesen Worten ritt er wieder an. Er war ein alter, gebrochener Mann, dem niemand mehr helfen konnte, und der auch jede Hilfe abgeschlagen hatte. Dean ließ ihn in Frieden reiten. Er sah dem Alten nach, bis die Nacht ihn verschlungen hatte. Dann erst nahm er die Zügel auf und trieb seinen Rappen weiter.

Als er eine Stunde vor Mitternacht müde aus dem Sattel stieg und abzäumen und absatteln wollte, sah er zu seinem Erstaunen, daß Dix Lonnigan auf ihn gewartet hatte und sich aus dem Schlagschatten des Mondlichtes von dem Stallgebäude der Geteilter-Topf löste.

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»Ich mache das für dich, Dean!« sagte Dix. »Ich habe auf dich gewartet.«

»Jeder sollte seine Zeit gut nutzen, Dix.« »Yea«, nickte Dix unberührt. »Die Kunde von

Forsters Tod und dem Überfall auf Apache Kids Siedlung kam schon vor dir hier an. Wie schnell doch dieses Land in der Nachrichtenübermittlung ist. Der Wind trägt die Nachrichten in alle Richtungen. Die Apachen nannten es Mokassintelegraf. Als erster erfuhr es Slim. Jetzt hat er seine Erklärung für gewisse Vorkommnisse, aber er scheint unzufriedener denn je zu sein.«

»Du strahlst auch nicht die Stimmung eines zufriedenen Mannes aus, Dix!«

»Zum Teufel auch!« explodierte Dix. »Während du dich krumm reitest, raspelt Clear Süßholz. Es knistert im Gebälk, man kann es über Meilen hören.«

»Das hat dich noch nie sonderlich erregt. Was ist es also?«

»Clear sollte sich nicht mehr abseits stellen. Aber geh nur und schau nach, er ist bei Petra.«

»Jetzt noch?« staunte Dean. »Mabel Rothurn ist zu Besuch.« Beide Männer sahen sich an. »Sie wird über Nacht bleiben wollen.« »Wenn es so wäre, wäre ich beruhigt«, sagte Dix

erregt. »Ich bin wahrhaftig kein Mann, der anderer Leute Gespräche ein Interesse abgewinnt, aber zufällig weiß ich, daß sie die Einladung von Petra abschlug.«

»Dann wirst du sie nach Hause bringen, Dix, und das ist doch etwas, was dir Freude bereiten muß.«

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»Sie hat an einen anderen gedacht«, sagte Dix. »Es ist wohl so, daß sie es darauf anlegt, mit Clear heimzureiten. Sie liebt ihn noch und will es nicht wahrhaben, daß er sich einer anderen zuwandte. Vielleicht ist es ein letzter verzweifelter Versuch von ihr, ihn zur Umkehr zu bewegen. By Gosh, yea, sie ist tapfer genug, um sich nicht vor Petra zu verraten, aber auch Frau genug, um für ihre Sache zu kämpfen.«

»Ich werde Clear sagen, daß du Mabel heimbringst, genügt dir das?«

»Nein!« entgegnete Dix und schob sich den Stetson weit in den Nacken hinein. »Sie hat ein Recht darauf.«

»Dann weißt du mehr, als alle anderen«, erwiderte Dean wütend. »Was willst du also, daß sie bleibt oder von dir heimgebracht wird, oder daß Clear ihr den Gefallen erweist? Was also möchtest du?«

»Daß du zu Bett kommst und dich gründlich ausschläfst«, entgegnete ihm Dix. »Geh nicht zu den anderen!«

»Jetzt erst recht!« sagte Dean entschlossen. »Bevor ich es tue, will ich von dir wissen, was sich in der Stadt abspielte?«

»Nichts!« »Das ist nicht viel.« »Daß Sam verkaufen will, ist wohl keine große

Neuigkeit.« »Nein, er wollte den Apachensaloon schon vor

zwei Jahren abgeben. Vielleicht ist die Sehnsucht nach einer wilden Weide stärker in ihm, als die Gewißheit, ein gutes Geschäft zu führen. Manche Menschen brauchen Aufregung in ihrem Dasein. Zu

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dieser Sorte Menschen gehört unser Freund Sam Hopkins. Die Aufregung im Saloon ist ihm nicht groß genug, vielleicht will er Longhorns an den Hörnern nehmen, anstatt Betrunkene in die Gosse zu setzen. Sam hatte von jeher einen starken Betätigungsdrang. Hat er einen Käufer gefunden?«

»Yea, einen Mister Harrison aus Albuquerque. Er kam gestern mit der Stagecoach hier an und brachte eine Tanzgruppe netter Mädchen mit. Außerdem soll er sich im Crystal-Hotel eingenistet haben. Es scheint so, als wäre er mit Sam ins Geschäft gekommen. Es ist doch auffallend, nicht wahr?«

Überrascht hob Dean den Kopf. Sein starkes Kinn streckte sich vor. In seinen Augen wetterleuchtete es heftig.

»Ich will dir etwas sagen, Dix. Spiele nicht weiter den wilden Mann. Zuerst tatest du es bei Clear, jetzt tust du es bei Sam. Morgen wirst du mich und übermorgen dich selbst mit Mißtrauen überschütten. Sam hat uns allen immer wieder gesagt, daß er eines Tages mit der Rinderzucht anfangen will. Er hat immer wieder betont, daß ihm der Whiskygeruch von Tag zu Tag mehr das Leben vergällt, daß er sich danach sehnt, wieder im Sattel zu sitzen und richtige Weideluft zu atmen. Ein Mann, der es einmal tat, kann es nicht vergessen. Warum also sollte er es nicht tun? Weil es auf der Weide im Augenblick raucht?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er Dix stehen und ging steifbeinig auf die Veranda zu. Er hörte noch, wie Dix hinter ihm das Pferd in den Stall führte, dann vernahm er Stimmen von der Veranda her.

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»Clear, geh doch endlich und begrüße Dean!« Man konnte Dean nicht sehen. Er blieb stehen

und war versucht, sich durch ein Räuspern bemerkbar zu machen. In diesem Augenblick hörte er Clear sagen:

»Wir wissen, was er hinter sich hat. Ich werde ihn nicht stören. Er wird froh sein, wenn ihm niemand in den Weg tritt. Mabel, es wäre vielleicht doch besser, wenn Sie zur Nacht bleiben würden.«

»Yea, es ist spät geworden, bleibe doch!« »Tut mir leid, Petra, ich muß morgen früh hinter

der Ladentheke stehen. Ich möchte wirklich nicht zur Last fallen. Ich kann auch allein reiten, ich fürchte mich nicht«

»Clear wird dich begleiten«, hörte er Petra sagen. »Weder Dean noch Dix können das tun, beide sind heute lange geritten, allein aber wirst du auf keinen Fall reiten, Mabel. Die Gegend ist zu unsicher geworden. Clear, es ist eine Bitte!«

»Ich erfülle sie gern«, war Clears galante Antwort. »Aber so unsicher ist die Gegend nicht, wenn ein

Mann es fertigbringt, eine richtige Tanzgruppe herzubringen. Ihr habt davon gehört?«

»Nachrichten sind sehr schnell.« »Es sieht so aus, als hätte Sam Hopkins

tatsächlich abgeschlossen, und das begreife ich nicht«, sagte Clear. »Noch vor wenigen Tagen sagte er mir, daß er nie verkaufen würde und eingesehen hätte, daß ein Mann nicht jünger, sondern älter wird und sich beizeiten einen sicheren Lebensabend sichern sollte. Außerdem beklagte er sich über seine rheumatischen Beschwerden. Aber er muß es selbst wissen. Vielleicht hat ihn die hübsche Tanzgruppe so verstört, daß er aus dem

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Geschäft stieg.« Clears volles Lachen tönte durch die Nacht. »Kommen Sie, Mabel, reiten wir heim!«

Noch immer bewegte sich Dean nicht. Er hörte, wie sich die Freunde auf der Veranda verabschiedeten. Dann sah er durch die Zweige des vor ihm stehenden Baumes die hohe Silhouette Clears und die Mabel Rothurns für Sekunden im Lichtschein der Karbidlaterne. Mabel trug ihr langes, schwarzes Haar offen. Der Wind spielte damit. Sie war sehr ernst und bleich und wartete auf der Veranda, bis Clear die Pferde losgebunden hatte und Petra sich ins Haus zurückzog.

Langsam kam Mabel die Stiegen herunter. Die Pferde befanden sich außerhalb von Deans Blickwinkel. Ein klatschendes Geräusch wurde laut, und dann waren Mabels erregte Worte hörbar: »Tu es nie wieder, Clear!«

Was Clear entgegnete, war für Dean unverständlich, doch hörte er Mabels Antwort: »Reiten wir! – Diesmal wirst du mir zuhören, Clear!«

»Ich bin gespannt darauf«, erwiderte er jetzt mit fester Stimme. Zwei Pferde schoben sich gleich riesigen Schatten an Dean vorbei. Der Hufschlag der Tiere verhallte. Langsam ging Dean weiter. Er prallte zurück, als er Petra auf der Veranda stehen sah. Sie war bleicher als sonst. Sie stand vor ihm und zog fröstelnd ihren Schal enger. Sie redete ihn nicht an, sondern schaute nur zu ihm auf. Plötzlich warf sie beide Arme um seinen Nacken und sank gegen ihn. Er hörte sie weinen. Etwas in ihm verhärtete sich.

»Dean, es ist gut, daß du da bist«, hörte er sie wie aus weiter Ferne sagen.

»Geh schlafen, Petra!«

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»Nein, noch nicht! Vielleicht war es nicht recht, daß ich Clear aufforderte.«

»Es war recht. Wenn du anders denkst, taugt eure Liebe nichts, und du kannst sie gleich auf der Stelle begraben. Dann ist sie tot, bevor sie richtig zum Leben erwachte.«

Sie löste sich augenblicklich von ihm und sah ihn mit großen Augen an. »Was denkst du eigentlich, Dean?«

»Du bist kein Kind mehr, Petra.« »Es war immer gut zwischen uns, es sollte immer

so sein, hörst du, immer!« »Es ist alles anders geworden. Wir sind keine

Kinder mehr. Seit ich von Elephant Butte kam, wußte ich, daß du erwachsen bist.«

»Dean, es kam selbst für mich überraschend. In Atlanta beim Tanz kam es über mich. Er nahm mich in seine Arme und küßte mich. Das war bisher alles!«

»Du wirst ihn heiraten?« »Yea, er ist doch auch dein Freund.« »Sicher, aber das ändert nichts. Wenn alles

vorbei ist, wirst du mit ihm allein zurechtkommen müssen. Wenn ich bleiben würde, wäre es für mich unerträglich.«

»Dean, rede nicht so. Die Ranch kann nicht ohne dich sein. Dad hat dir alles angehängt. Du bist seit langem die Ranch. Du kannst gar nicht fort!«

»Doch!« Ihre Augen wurden größer, sie flüsterte fast, als

sie sagte: »Das ist nicht dein Ernst?« »Doch!« erwiderte er heiser. »Du wirst eines Tages

vergessen, daß ich jemals hier gewesen bin. Ich bleibe noch, weil ich nie eine Sache abbreche. Aber

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nur Gott allein weiß, wie sie für uns alle enden wird. Vielleicht gewinne ich. Dann kannst du sorgenfrei mit Clear leben. Verliere ich ... Yea, du kannst es daselbst ausrechnen. Clear könnte statt meiner kämpfen. Er zog sich zurück. Nun, vielleicht fühlt er sich doch nicht so sehr mit der Geteilter-Topf-Ranch verbunden, um es auf beide Schultern zu nehmen. Eines Tages aber wird er nicht daran vorbeikommen, und dann wird es sich zeigen, ob er ein wirklicher Freund ist.«

»Dean«, stieß sie unter Tränen hervor, »ich dachte immer, deine Härte könnte nur die Männer und deine Umgebung beeinflussen. Nun aber weiß ich, daß sie auch vor mir nicht haltmacht.«

Ihre Stimme erstickte fast. In diesem Augenblick kam es wie eine Sturmflut über ihn. Er packte sie rauh bei den Schultern, zog sie heftig an sich und küßte sie stürmisch, wild und leidenschaftlich, daß ihr der Atem ausging. Dann erst ließ er sie los.

»Jetzt weißt du es, Petra! Vergiß es nicht! Anders konnte ich es dir nicht sagen!« Bei diesen Worten drehte er sich auf dem Absatz um und ließ sie stehen. Er ging ohne sich umzublicken. Er hätte das längst tun sollen, bevor er nach Elephant Butte geritten war. Clear war ihm zuvorgekommen. Der siegreiche, leichtsinnige Clear hatte zur rechten Stunde seine Chance erkannt. Es war bitter, aber Dean konnte ihm nicht böse sein. Unter Freunden durfte es keinen Neid geben.

»Dean!« hörte er ihre Stimme. Er drehte sich nicht um, sondern sagte über die Schulter: »Merke dir eines, Mädel: Schau nie auf den alten Trail zurück, sondern nur auf den Weg vor dir. Vergiß es!«

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»Nie!« hörte er sie sagen. »Es ist schlimm für alle. Der Streit auf der Weide

macht es noch schlimmer.« »Dad hat also recht, Dean?« Seine Brust wollte zerspringen. »Achte auf ihn,

Mädel! Wenn er geht, wird es einsam sein und sehr kalt auf dieser Ranch werden.«

Er hörte ihre Schritte hinter sich auf dem Korridor. »Bleib stehen!« sagte er rauh. »Mach es nicht noch schlimmer! Es ist schon arg genug, daß ich noch unter diesem Dach schlafe, aber ich kann von nun an auch auf dem Heuboden kampieren.«

Ihre Schritte hielten an. Ihre Stimme schwang heiser zu ihm hin:

»Ich weiß es selbst nicht, was mit mir ist. Aber eins sollst du wissen: Ich werde den Kuß nicht vergessen, und ich bin dir nicht böse. Du sollst nichts mit dir herumschleppen, wenn du reitest.«

»Ich habe dich nicht geküßt, wie ein Bruder eine Schwester küssen darf. Mir kannst du nichts abnehmen! Ich möchte es auch nicht! Du mußt, so wie ich, damit zurechtkommen, und Clear auch.«

»Es geht Clear nichts an!« Er glaubte nicht recht zu verstehen. Im Klang

ihrer Stimme schwang ein harter Ton mit, den er nicht überhören konnte. Kein Mann hätte es überhört! Es riß ihn förmlich herum; aber leichtfüßig sah er sie davonhuschen, eine flüchtige Gestalt, die vor seinen Blicken verschwand.

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5.�

Ein sanfter Wind bewegte die Gräser und spielte mit Mähnen- und Schweifhaaren der Pferde, hob die wundervolle schwarze Haarflut Mabel Rothurns und ließ sie wie einen Schleier hinter der Reiterin wehen. Am Himmel standen kalt und fern die Sterne. Das Schweigen der Nacht wurde nur vom stetigen Hufschlag der beiden Pferde unterbrochen. Ab und zu war das dumpfe Gebrüll eines Rindes irgendwo auf der Weide zu hören, das unwillig aus dem Schlummer gekommen war.

Außer Sichtweite der Geteilter-Topf verringerte Mabel sogleich das Tempo des Pferdes, so daß ihr bisher stummer Begleiter sein Tier ebenfalls verhalten mußte.

Er schrak sichtlich zusammen, lachte in sich hinein und sagte vom Sattel her zu seiner Begleiterin:

»Ich dulde es nicht mehr, daß du es auf diese Weise versuchst!«

»So? Nun, ich denke, du treibst es schlimmer. Du kommst zu mir, wann es dir gefällt. Mein Ruf ist dir gleichgültig. Ich habe viel zu verlieren, Clear! Man spricht über mich vor allem deshalb, weil du deine Besuche auch jetzt nicht einstellst. Du kannst nicht zwei Frauen besuchen.«

»Ich verstehe, du suchst eine Entscheidung?« »Da sie von dir nicht kommt, muß ich damit

anfangen«, erwiderte sie. »Ich stehe allein, bin jeden Tag im Laden und vielen Blicken ausgesetzt. Ich brauche nur in die Gesichter meiner Kunden zu blicken, um allerlei daraus lesen zu können.«

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»Du läßt dich zu sehr vom Klatsch beeinflussen«, unterbrach er sie heftig. »Wir sind Freunde, weiter nichts!«

Ihr bleiches Gesicht wandte sich ihm zu. Es zuckte, als wäre es von einem Peitschenhieb getroffen worden.

»Freundschaft nennt man das also neuerdings, was zwischen uns beiden ist? So einfach willst du es abtun, Clear? Das nimmt dir niemand ab! Mit den Fingern wird man auf mich weisen! Du willst freie Bahn haben, um Petra zu bekommen, wie? Sie bringt mehr in die Ehe: eine große Ranch, und dir damit eine große Stellung, Macht und Einfluß auf der Weide und in der Stadt. Es bewahrt dich davon, deine eigene kleine Ranch zu erweitern und durch harte Arbeit groß zu machen.«

»Ich habe das Glück zwingen wollen.« »Ich weiß, durch das Spiel mit Karten und mit

Herzen. Bei den Karten hast du immer verloren und jetzt bist du dabei, auch die Herzen zu verlieren. Ich habe dich beobachtet, Clear. Du hast mehr verloren, als du durch deine Ranch aufbringen kannst. Wer etwas achtgibt, findet es schnell heraus. Ist das der Grund, warum du Petra in deine Pläne eingeschlossen hast?«

Sie hielt ihr Pferd an, und er tat es ebenfalls. »Wir beide sind Freunde«, wiederholte er, »nichts

anderes kann zwischen uns sein. Mach deine Augen weit auf, und dann wirst du einen Mann sehen, der dich haben will.«

»Ich weiß, Dix Lonnigan«, unterbrach sie ihn erregt. »Und das mutest ausgerechnet du mir zu?« Sie lachte schallend. Ihre Brust hob und senkte sich. »Clear, du solltest mich besser kennen!«

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»Dix ist ein vortrefflicher Mann.« »Mein Gott, rede nicht weiter so«, keuchte sie.

»Ich wußte es immer schon, daß du ein Schuft bist. Trotzdem liebe ich dich. Yea, wäre ich an dich gebunden, so würde ich hoffen, aus dir einen besseren Menschen machen zu können. Wenn du mir jetzt nicht zuhörst, wird es schlimm für dich werden. Deine eigenen Freunde ahnen nichts von dem Spiel, das du treibst. Glaubst du, ich habe auf der Veranda nicht bemerkt, daß du absichtlich Sam Hopkins in ein zweifelhaftes Licht stelltest?«

»Zum Teufel, warum sollte ich es getan haben?« »Nicht Petras wegen«, fiel sie ihm ins Wort,

»sondern weil Dean Dutley uns zuhörte.« »Woher willst du das wissen?« »Ich bin durch dich darauf aufmerksam

geworden, Clear. Ich kenne dich so gut, daß es leicht war, das herauszufinden. Dean Dutley stand hinter dem Baum. Sein Schatten war am Boden deutlich zu sehen.«

»Warum sollte ich Sam in ein schiefes Licht stellen?«

Sie gab nicht sogleich Antwort, sondern sah ihm nur fest in die Augen. Auf diese Aussprache hatte sie hingearbeitet. Nächtelang hatte sie gegen ihre unglückliche Liebe angekämpft und war ihr immer wieder verfallen, wenn er sie leichtsinnig und strahlend besucht hatte. Sie war seinem Bann erlegen und kam erst wieder zur Besinnung, wenn er fort war. Nein, jetzt wirkte seine Persönlichkeit nicht mehr auf sie! Mit Entsetzen stellte sie es fest. Ein Fremder war er, ein egoistischer, von krankhaften Impulsen geleiteter Mann, der nicht

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danach fragte, wer auf seinem Trail am Wege zurückblieb.

Der weiche Klang war aus seiner Stimme fortgeweht. Sie klang eisig, fast schrill, als er sagte:

»Ich beginne zu begreifen. Du willst einen Druck auf mich ausüben.«

»Nein, ich möchte dich vor Schaden bewahren und dich daran erinnern, daß du gute Freunde hast, die du nicht täuschen und auch nicht gegeneinander ausspielen sollst.«

»Weshalb sollte ich so etwas tun?« fuhr er auf, wobei sein Blick sie festhielt.

»Das weißt du selbst am besten, Clear«, erwiderte sie ruhig. »Vielleicht sind die guten alten Zeiten vorbei.«

»Rede gerade heraus und sage, was du weißt!« »Mehr als du annimmst«, gab sie ihm zu

verstehen. »Aber ich reiße dich nicht hinein, Clear. Ich liebe dich immer noch! Wir könnten das Land verlassen und irgendwo neu beginnen, ein neues Leben anfangen. Ich hoffe nur, daß du nicht zu weit gegangen bist. Ich hoffe es für dich, Clear.«

Sein Lachen klang abgehackt und so, daß sie erbebte, sich die Ohren zuhielt und ihn entsetzt anblickte, ihn heftig anschrie: »Höre auf zu lachen, Clear! Du weißt genau, wovon ich rede: von deinen heimlichen Zusammenkünften mit Tompkins! Es ist leicht, weiter zu kombinieren, und leicht zu erklären, woher du das Geld zum Spiel bekommst und vieles andere mehr. Clear, du hast keinen Grund zu lachen. Du bist auf der schiefen Bahn, und du rutschst immer tiefer. Du mußt anhalten und die Konsequenzen ziehen, oder du wirst in einen Abgrund stürzen, aus dem es kein Entrinnen

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gibt. Ich bin immer noch bereit, an deiner Seite zu bleiben, wie ich es dir versprach. Ich bin bereit, mein Wort zu halten. Löse du dein Versprechen auch ein!«

Sein Lachen klang noch schriller. Er trieb sein Pferd an, wollte sie offenbar allein ihren Weg zur Stadt reiten lassen. Sie ritt hinter ihm her.

»Clear«, rief sie, »ich liebe dich, ich gebe dich nicht an eine andere ab! Ich will nur dich, und wenn du bettelarm wärest, es wäre mir gleich! Zusammen werden wir durchs Leben kommen. Laß ab von deinen Plänen, zerbrich das, was dich an Tompkins kettet. Ich bin bereit, noch diese Nacht mit dir außer Landes zu gehen. Denke an deine Freunde, vor allem an Dean! Du wirst vor ihm nicht bestehen können! Du darfst das Spiel nicht weiterspielen! Es geht um dich, Clear!«

»Verschwinde!« sagte er, ohne sich umzublicken. »Laß mich allein!«

»Jetzt nicht, Clear!« sagte sie fest. »Ich habe dir noch nicht alles gesagt«

»Nicht?« fuhr er fort. »Clear, ich habe alles, was ich herausbrachte,

aufgeschrieben und in meiner Wohnung versteckt«, log sie ihn an, um einen noch stärkeren Druck auf ihn auszuüben. Die Wirkung sah sie sogleich. Er duckte sich, als hätte eine unsichtbare Faust ihn getroffen.

»Wie weit willst du noch gehen?« keuchte er böse heraus. »Wie weit, Mabel?«

»Bis du einsiehst, daß es nur eine Rettung für dich gibt: die Flucht mit mir!« Ihre Erregung wurde größer, je mehr sie die Abwehr des Mannes spürte. »Und Clear, sobald die Leute sehen, daß ich ein

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Kind von dir erwarte, brauche ich nicht einmal zu sagen, wer der Vater ist«, stieß sie schrill hervor.

Es riß ihn förmlich im Sattel hoch. Mit weit geöffneten Augen sah er sie an. Sein bleiches Gesicht zuckte. Was mochte in ihm vorgehen, was empfand er bei ihren Worten?

Ein kurze Zeit hockte er wie betäubt im Sattel, dann schrie er sie an:

»Es kann nicht sein, Mabel!« »Dann warte es ab!« »Das werde ich!« schrie er vor Zorn geschüttelt

und traf sie damit so hart, daß sie alle Beherrschung verlor und plötzlich einen kurzläufigen Derringer hervorzog und die Waffe in Anschlag brachte.

»Du bist wirklich der größte Schuft auf dieser Welt. Du bist nicht wert, daß man dich anspuckt. Ich habe es immer geahnt, habe es aber nie wahrhaben wollen. Ich habe nie auf meine innere Stimme gehört, die mich vor dir warnte. Ich fiel auf dich herein, und nur der Himmel oder die Hölle wissen, wie viele Frauen sonst noch. Jede hast du unglücklich gemacht, jede ausgenützt und sie dann fallen lassen. Du wirst keine Frau mehr unglücklich machen, keine!« schrie sie ihn unbeherrscht an, wobei sich der Lauf der Waffe auf seine Brust richtete und ihr Finger am Abzug spielte.

Es gab keinen Zweifel, in ihrer Aufregung würde sie abdrücken. Sie hatte die Kontrolle über sich verloren, ihre Nerven gingen mit ihr durch. Er warf sich gegen sie, wollte ihr den Derringer aus der Hand schlagen.

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Die kurzläufige Waffe brüllte auf. Ihr Körper bäumte sich im Sattel auf und fiel dann gegen ihn. Beide Pferde sprangen auseinander, und so fiel er mit ihr zu Boden. Clear lag glücklicherweise so, daß er aus den Steigbügeln kam und den Sturz abfing. Mabels Körper war schlaff. Sein Herzschlag drohte auszusetzen, als er den dunklen Fleck auf ihrer Bluse sah, der sich rasch vergrößerte. By Gosh, das hatte er nicht gewollt!

Die kalte Ernüchterung packte ihn wie eine Zange im Nacken, ließ seinen Blick wie irr hin und her wandern. Die Pferde standen abseits, sie waren nicht weit gelaufen. Er fror, obwohl es eine warme Nacht war. Seine Zähne schlugen zusammen. Eine Sterbende hielt er. Er bettete sie in seinen Armen, achtete nicht darauf, daß sein Hemd blutig wurde. Nein, in dieser Situation mochte in seinem Wesen noch einmal etwas aufbrechen, was bereits verschüttet war. Das, nein, das hatte er nicht gewollt!

Sie atmete, doch ihre Augen waren fest geschlossen. By Gosh, sie war schön, und sie hatte ihn geliebt. Ihre Liebe und ihre Schönheit würden nun versinken, für immer. Zu spät kam jede Hilfe!

»Clear«, sagte sie weich, ganz weich, und ihre Augen öffneten sich, strahlten noch einmal hell auf. »Ich liebe dich wirklich, Clear. Reite fort, noch heute, ohne mich! Jetzt bist du frei.«

»Mabel, das habe ich nicht gewollt!« »Doch, du hast mich zur Verzweiflung getrieben.

Davon kannst du dich nie freisprechen. Ich war dumm und närrisch, ich hätte meinen Verstand dem Gefühl vorziehen und Dix Lonnigan heiraten

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sollen. Clear, was willst du ihm sagen, wenn er nach mir fragt?«

Er brauchte ihr nicht mehr zu antworten, der Tod war schneller. Und immer noch hielt er sie in den Armen. Er brauchte lange Zeit, um aus der Erstarrung herauszukommen. Leise sagte er: »Ich bleibe! Was auch kommen wird, ich bleibe in diesem verteufelten Land. Es kann alles wieder gut werden. Sicher, man wird mir Fragen stellen, aber ich werde antworten, daß ich nicht weiß, wohin du geritten bist.« Er bettete sie ins Gras, stand auf und ging zu den Pferden, schwang sich in den Sattel, ließ Mabels Pferd, wo es war, und ritt an. Dann suchte er nach einer Stelle, die Mabels Grab sein würde. Als er sie gefunden hatte, ritt er zurück. Wenig später wälzte er Steine über die Erdspalte, fing ihr Pferd ein und ritt im schnellen Galopp in südlicher Richtung davon.

Zwei Stunden nach Mitternacht ließ er Mabels Pferd in einer unwirtlichen Gegend laufen und ritt in gerader Richtung auf die Stadt zu. Er hatte es sehr eilig, glaubte er doch, ihre Spur genügend verdeckt zu haben und alles getan zu haben, um einen Unfall vorzutäuschen. Mabels Pferd würde man dort finden, wo tiefe Erdrisse schon manches Unglück heraufbeschworen hatten. Jetzt galt es für ihn, jene Papiere zu finden, die ihm gefährlich werden konnten.

Der Morgen graute bereits, als er sein schweißnasses Pferd in einer Seitengasse abstellte und zu Fuß den Weg zu Mabels Store antrat.

Er prallte fast auf die Gestalt, die in der dunklen Toreinfahrt vor Mabels Haus gegen die Wand gelehnt stand.

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»Newton? Mach keine Dummheiten«, klang es ihm spöttisch entgegen. »Laß die Hand vom Eisen. Ich bin es nur, Tompkins.«

Wie vom Donner gerührt stand Clear. Es war ihm, als griffe eine eiskalte Hand nach seinem Herzen. Der andere stand ganz ruhig, er brauchte auch nicht zu sagen, was ihn hergeführt hatte. Es strahlte ohne Worte von ihm aus. »Ich weiß alles!« bedeutete das.

»Du hast mir nachspioniert, Tompkins?« Der riesige Mann schob seinen sandfarbenen

Stetson aus der Stirn. Er nickte nur und kaute weiter auf einem Strohhalm.

»Und?« schrie ihn Clear Newton an. »Verliere die Nerven nicht«, erwiderte Tompkins

kühl und gelassen. »Wenn du sie jetzt verlierst, verlieren wir die Partie. Du wirst jetzt höllisch aufpassen müssen. Hoffentlich hat dich niemand auf dem Weg hierher gesehen. Es war ein großer Fehler von dir, herzukommen.«

»Ich habe nicht gewußt, daß du ...« »... daß ich Apachenblut in den Adern habe.

Nein, niemand sieht es mir an. Ich habe die Haut des weißen Mannes, aber ich bin dennoch ein Apache. Mein Vater war ein Apache, das ganze Land gehörte ihm, dem Häuptling. Ich werde es zurückerobern, und du wirst einen Teil davon abbekommen, so wie es ausgemacht war. Sie hat dich belogen. Es gibt keine Aufzeichnungen über dich.«

»Auch das hast du gehört?« zischte Clear heiser heraus.

Tompkins nickte, antwortete ihm nicht sogleich und fuhr nach einer Pause fort: »Ich kann durch

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einen Mann hindurchsehen. Du bist ein Apache, wenn du auch kein Indianerblut in dir hast. Irgendwie sind wir innerlich verwandt. Hast du wirklich niemanden gesehen?«

»Doch, den Schatten eines Mannes und dann dich.«

»Es ist wichtig, erinnere dich!« »Für mich ist nichts mehr wichtig, Tompkins.

Vielleicht steige ich jetzt aus dem Sattel.« »Zu spät für dich, viel zu spät! Du wirst alles tun,

was ich dir sage. Es gibt nur einen Mann, den man überwachen muß, Dean Dutley. Das wirst du jetzt tun!«

»Glaubst du das?« »Du hast keine andere Wahl. Sei froh, daß wir

mit der Geteilter-Topf angefangen haben, daß wir dir vorerst Dean vom Leibe halten. Er wird eine Menge zu tun haben. Wenn es dir auch schwer wird, ihn zu überwachen, bleibe immer auf seiner Fährte!«

Ganz starr stand Clear Newton. Es hämmerte in seinen Schläfen, es dröhnte in seinem Kopf. Tompkins löste sich von der Toreinfahrt und berührte ihn an der Schulter.

»Verschwinde jetzt und verbrenne dein Hemd und deine Jacke. Reite zu deiner Ranch zurück, der Boden hier ist zu heiß für dich.«

Obwohl Tompkins ihn nur ganz sanft berührt hatte, wich Clear vor dem anderen so heftig zurück, als hätte eine Faust ihn gerammt. Er atmete schwer, drehte sich auf dem Absatz um. Wie betäubt war er, als er zu seinem Pferd kam und sich in den Sattel schwang.

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Er jagte davon, aber es half ihm nichts. Es war, als ob ein grauer Schatten sich an ihn geheftet hätte. Der kalte Atem des Todes wehte ihn an.

6.

Um die gleiche Zeit weckte Lud Dean Dutley auf der Geteilter-Topf-Ranch. Dean fuhr benommen von seiner Lagerstatt empor und starrte den Cowboy an, der schweißnaß vor seinem Lager stand.

»Es ist also soweit?« »Um das zu melden, kam ich hierher, Vormann«,

erwiderte Lud grimmig. »Wir haben uns nach deinen Anweisungen zurückgezogen, ohne uns in einen Kampf einzulassen. Die Rustlermannschaft war zu stark.« Er wagte es nicht, Dean anzublicken. Sein Gesicht war grau.

»Vormann, Apache Kid führt sie an«, sagte er, als Dean keine Antwort gab und sich vom Lager erhob. »Wir wären nicht zum Zug gekommen.«

»Es macht nichts, Lud. Jetzt wird sich die letzte Beweislücke schließen. Geh in die Küche und laß dir zu essen geben. Ich komme gleich nach.«

»All right!« murmelte Lud und verließ bedrückt den Raum.

Dean hörte, wie seine Schritte sich entfernten. Für einen Moment saß er auf dem Bett und

schaute aus dem Fenster in die regenverhangene Landschaft. Dann stand er auf und ging hinaus, um sich zu waschen. Als er in seine Kammer zurückkam, erwartete ihn Slim Hallerman. Die hellen Augen des alten Mannes richteten sich fest auf ihn. Er sagte:

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»Der Koch hat den Proviantpacken bereitgelegt. Wie ich dich kenne, wirst du allein reiten. Auf diesem Ritt wirst du einsamer als jemals zuvor sein. Du bist sehr gründlich, und das ist deine Stärke.«

»Slim, du kannst Gedanken lesen!« »Nein, wir kennen uns nur zu gut«, unterbrach

ihn der alte Mann. »Wir kennen die Menschen und ihre Pläne gut. Solange die Geteilter-Topf nicht in die Rinderdiebstähle verwickelt war, wagten die Rancher, denen man Vieh abgetrieben hatte, nichts zu unternehmen. Das hat sich jetzt geändert. Sie werden ihre Hilfe anbieten und werden bereit sein, dir zu folgen, wohin immer du sie in den Kampf führen wirst.«

»Wenn ich zurückkomme, nehme ich diese Hilfe an, Slim«, erwiderte Dean leise.

»Es muß wohl so sein; ohne dich wird es sonst bitter. Es ist sonst niemand da, der die Befehle geben kann. Ich möchte den Ausgang des Kampfes erleben.«

Ehe er fortfahren konnte, wurde rasch näherkommender Hufschlag laut. Man hörte, wie ein Reiter auf dem Ranchhof anhielt, hörte Petras Stimme:

»Sam Hopkins! Was um Himmels willen führt Sie hierher?«

Die dunkelschwingende Stimme Sams war laut vernehmlich:

»Madam, vielleicht stellt diese Ranch noch einen stellungslosen Cowboy ein?«

Ihr Lachen klang etwas gezwungen. »Es muß weit mit Ihnen gekommen sein, daß Sie

den Apache-Saloon, diese Goldgrube, aufgaben. Es

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ist ziemlich ungewöhnlich, daß Sie den Morgen mit einem Scherz beginnen.«

»Es ist kein Scherz, Madam. Mister Harrison aus Albuquerque hat den Saloon übernommen«, war die ruhig klingende Erwiderung. »Mein Geld habe ich für meine alten Tage auf die Bank gebracht, und durchschlagen will ich mich nun als Cowboy.«

»Sam Hopkins, ich begreife das nicht!« »Dann wird es Ihnen Dean erklären.« Dean und Slim Hallerman hatten sich bereits in

Bewegung gesetzt. Sie trafen auf Sam, als dieser sich vor Petra verbeugte und seinen Stetson zog. Er schaute ernst zu den beiden Männern hin. »Da bin ich nun und will mit euch reiten«, sagte er gelassen. »Ich habe den Schwur, den wir vier Freunde uns vor vielen Jahren gaben, nicht vergessen.«

»Sam, du denkst noch immer an den Schwur von damals?«

»Hast du etwas anderes erwartet?« klang es fast spöttisch zurück. »Damals schwuren wir, daß einer dem anderen in Gefahr beistehen würde, selbst wenn er Heimat, Familie und Besitztum aufgeben müßte. Nun, Dix ist bereits an deiner Seite. Clear wird nachziehen. Ich möchte nicht der letzte sein. Außerdem fiel es mir nicht schwer, den Saloon zu verkaufen. Ich konnte den Whiskygeruch nicht mehr vertragen. Bin ich nun eingestellt?«

»Trage dich nur gleich selbst in die Lohnliste ein«, erwiderte Dean rauh, »und dann sorge dafür, daß du deine Sachen auf die Ranch holst. Von jetzt an wird dir ein anderer Wind um die Nase wehen, mein Junge.«

Sam nickte tiefernst. »Genauso hatte ich es mir gewünscht, Vormann«, gab er zur Antwort. Dann

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lachten beide Männer ein befreiendes Lachen. Sie brauchten sich nicht weiter zu verständigen.

*

Regenschauer trieben Dean ins Gesicht. Diesmal ritt er das beste Reitpferd der Ranch. Er hatte es selbst großgezogen und eingeritten. Es gab keinen prächtigeren Renner auf der Apachenweide, kein Tier, das so mutig und ausdauernd war und eine so hervorragende Lunge hatte wie der Apfelschimmel. Er ging gegen den Sturm an, trug Deans Gewicht und den schweren Sattel und Packen mühelos.

In dichten Böen kam der Regen herunter. Dean konnte sich für sein Unternehmen kein besseres Wetter wünschen. So ritt er also einsam in seine Gedanken verstrickt. Er ritt einen langgestreckten Trab, eine Gangart, die jedes Pferd durchhalten konnte, ohne allzuschnell zu ermüden.

Bald lag die Apachenweide hinter ihm, die Ein-Baum-Ranch und Apache Kids Siedlung. Durch den Regen bedingt, dämmerte es sehr früh. Das war zu dem Zeitpunkt, als er in ein ihm völlig fremdes Gebiet einritt. Er folgte der Fährte der breiten Rinderspur, die er nur dann verließ, wenn er ein Hindernis vermutete. Dann war er auf seinen sechsten Sinn angewiesen, der ihn bald wieder auf den Rindertrailweg zurückführte.

Nur einmal hörte er das Wiehern eines Pferdes hinter sich und wußte, daß er nahe an einem Wachposten vorbeigeritten war, dessen Pferd die Witterung des Apfelschimmels aufgenommen hatte. Er hielt die Nüstern seines Pferdes zu und verhinderte damit, daß das Wiehern erwidert

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wurde. Er bekam weder von dem Reiter noch von dessen Pferd etwas zu sehen und konnte vermuten, daß der Hufschlag des Apfelschimmels im trommelnden Regen untergegangen war.

Nach zwei weiteren Meilen war er fest davon überzeugt, mit viel Glück ein noch gefährlicheres Hindernis hinter sich gebracht zu haben. Er lachte leise in sich hinein. Durch die Regenböen hindurch sah er die grau aufragenden Wände der Schlucht, durch die ihn die Rinderfährte führte. Es war das wildeste Land, das er jemals gesehen hatte. Es bestand aus einem Gewirr von Canyons und Schluchten, das die Regenböen immer wieder verhüllten. Nur dann, wenn der Wind die Böen zerriß, trat etwas von der Wucht dieser wilden Szenerie offen und trutzig hervor. In diesem Lande hatten sich die Apachen lange Zeit halten können.

Die Nacht sank wie ein Tuch herab, so daß Dean jeden Kontakt mit der Spur verlor und sein Pferd sich durch die tiefe Dunkelheit vorsichtig weitertasten mußte.

Er übte keinen Zwang auf den Apfelschimmel aus. Solange das Tier sich frei bewegte, würde es feinfühlig jedes Hindernis rechtzeitig wahrnehmen. Es war so dunkel, daß er oftmals die eigene Hand nicht vor den Augen sehen konnte. Seine Augen schmerzten bereits. Die Kälte der Nacht und der Regen setzten ihm zu.

Plötzlich hörte er durch das Heulen des Sturmes das seltsam zerfetzte Gebrüll eines Rindes. Der Apfelschimmel blieb ganz von allein stehen. Weit beugte Dean sich im Sattel vor.

Nochmals tönte es durch den Sturm: Rindergebrüll! Es war nur für scharfe Ohren

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vernehmbar. Dean spürte, wie sich alles in ihm anspannte, wie es ihm die Kehle zuschnürte.

Das war es also! Die Ranch in den Zunibergen! Dorthin wurden die Rinder geschafft! Von dort aus wurden sie nach dem Umbränden zu ganz normalen Preisen weiterverkauft. Yea, er war sicher, daß es eine Ranch war. Vielleicht eine prächtige Ranch oder aber auch nur eine Art Weidehütte.

Mit dem Schenkel trieb er sein Pferd weiter. Rindergeruch schlug ihm entgegen, wurde mit jedem Hufschlag stärker. Ein Zaun tauchte vor ihm auf, ein Gatter, das geschlossen war, und dahinter ein dunkler Wald spitzer Hörner. Er ritt ganz nahe an den Zaun heran. Er sah auf dem Fell eines etwa zweijährigen Stieres, undeutlich zwar, aber doch erkennbar, das Brandzeichen der Geteilter-Topf. Den roten Stier aber hätte er unter vielen tausend anderen in jeder fremden Herde erkannt. Es wurde ihm heiß und kalt. Obgleich er es vorher geahnt hatte, war die Bestätigung etwas, was durch und durch ging. Ganz still saß er im Sattel, aufgewühlt und von wildem Zorn erfüllt. Jedes einzelne Glied der Kette zog vor seinen Augen vorbei.

Die Ein-Baum-Ranch – Apache-Kids Siedlung – nun das, was er mit eigenen Augen sah! Nein, er wußte nicht, wie lange er, vom Zorn überwältigt, ruhig im Sattel gesessen hatte.

Der Sturm kam jetzt in Intervallen, heulte mal laut und dann leise. In einem dieser Intervalle klang es hart und fordernd: »Keine Bewegung! Von drei Seiten bist du gedeckt! Wir schießen, wenn du nur mit der Wimper zuckst.«

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Dean bewegte sich wirklich nicht, obgleich der Schreck ihm so in die Glieder fuhr, daß er nur mit aller Kraft seinen Abwehrimpuls unterdrücken konnte und die Hände von den Kolben ließ.

Drei Schatten wuchsen aus dem Dunkel. Zwei hielten Winchester in den Händen, der dritte einen langläufigen Revolver. Alle Mündungen waren drohend auf ihn gerichtet.

»Fangt an!« sagte er, und die Ruhe in seiner Stimme kam ihm selbst fremd und unheimlich vor. Wie von selbst kam ein hartes Lachen über seine Lippen, das jäh abbrach, als ihm eine Winchestermündung in die Rippen gestoßen wurde.

7.

Zwei Reiter kamen rasch durch die Dämmerung der Mainstreet näher. Vor dem Apache-Saloon hielten sie an, schwangen sich aus den Sätteln und ließen die Pferde vor den Holmen stehen.

Mister Harrison ging dem alten Besitzer entgegen. »Hopkins«, lachte er Sam an, der mit Dix durch die Schwingtür trat. »Jetzt kann ich es Ihnen sagen: Sie haben einen Fehler gemacht, als Sie diese Goldgrube verkauften! Ich wäre auch sehr zufrieden gewesen, wenn Sie mir den Saloon auf einige Jahre vermietet hätten. Ich habe das beste Geschäft meines Lebens gemacht. Sie werden es noch erleben, Hopkins!«

»Nur zu, Harrison! Wir haben wohl beide ein Geschäft gemacht!«

»Daß Sie es so ansehen, freut mich besonders. Darf ich euch zu einem Drink einladen?«

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»Wir könnten einen vertragen, bevor wir die Sachen packen und weiterreiten«, wandte sich Dix an Sam.

In diesem Augenblick starrte Harrison an den beiden Gästen vorbei auf die Mainstreet. Seine Haltung ließ Sam und Dix herumwirbeln. Beide taten es gleich schnell, beide zauberten dabei ihre Eisen aus den Halftern.

Es gab jedoch keinen Gegner, der sie bedrohte. Nur ein Pferd bewegte sich in der Schlammbahn der Mainstreet. Es hatte seinen Kopf tief gesenkt wie ein Hund, der einer heißen Fährte folgte. Es trug Zaumzeug, dessen Zügel herunterschleiften, und einen Frauensattel, der – leer war, dessen Steigbügel hin und her flappten.

Nur zu gut kannte Dix dieses Pferd. Das Fell des Tieres war klatschnaß und dunkel. Das mochte auch der Grund sein, weshalb Dix zweimal hinschaute, als würde er von einem grausigen Spuk genarrt. Doch dann kam ein heiserer Laut von seinen Lippen. Er rannte hinaus und fiel dem reiterlosen Pferd in die Zügel.

»Komm heraus, Sam!« rief er. Auch andere Männer schlossen sich an. Plötzlich

sagte jemand: »Das Pferd dort ist Mabel Rothurns Stute!« Es kam keine Entgegnung, es schien, als hätte

sich ein schwarzer Schatten über alle gesenkt. Selbst Harrison empfand, daß eine eigenartige, unbeschreibliche Stimmung allen an den Nerven riß. Gebannt schaute er hinaus. Man konnte nur die Schatten der Männer und des Pferdes mitten auf der Fahrbahn erkennen.

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Braunrote Lehmspuren fand Dix Lonnigan an und unter den Hufen des Tieres, dazu dunkle Flecken am Sattel, die nicht einmal der Regen abgespült hatte. Als Sam herankam, deutete er auf diese merkwürdigen Spuren. Sein Gesicht war von Düsternis erfüllt. Es hatte sich so stark verändert, daß Sam wie angewurzelt neben dem Partner stehenblieb und in die Richtung schaute, aus der das Pferd gekommen war. Sie brauchten sich beide nicht zu verständigen, um zu wissen, daß die Stute von allein den Weg zur Stadt angetreten hatte, um in den Stall an die Futterkrippe zu kommen.

»Die Stute muß seit Stunden unterwegs sein. Braunroten Lehmboden gibt es nur im Süden des Landes. Sam, gestern nacht ritt Mabel auf dieser Stute von der Geteilter-Topf in Begleitung Clears zur Stadt.«

»Allmächtiger«, kam es leise über Sams Lippen, dann folgte er Dix, der das Tier am Zügel führte und bereits in Richtung Mabel Rothurns Store davonschritt.

Beide Männer schienen weder vom Sturm noch von den Regenböen etwas zu spüren, die gegen sie ansprangen. Verbissenheit zeigte sich in ihren Gesichtern. Am schlimmsten hatte es Dix Lonnigan getroffen.

Den kleinen Stall hinter dem Store fanden sie unverschlossen. Einen Moment später tastete Sam nach der Petroleumlampe. Sie stellten die Stute ein, nahmen sich die Zeit, ihr das Zaumzeug abzunehmen. Später wollten sie das Tier abreiben. Im Augenblick genügte es, daß Futter in die Krippe kam.

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Schweigend verließen sie den Stall, versuchten die Tür zur Privatwohnung zu öffnen und zu ihrer Verblüffung fanden sie die Tür unverschlossen.

Dix, der Sam auf dem Fuß folgte, stand in der Tür des kleinen Raumes, der eine echt weibliche Atmosphäre ausstrahlte. Dix schien weder die Blumen noch die gemütliche Einrichtung zu sehen. Sein bleiches Gesicht wirkte erschreckend müde. Es war ein Anblick, der Sam durch und durch ging und in ihm eine Ahnung aufkommen ließ, wie tief die hoffnungslose Liebe gewesen war, die der zweite Vormann der Geteilter-Topf für Mabel Rothurn empfunden hatte. Nur der Himmel mochte wissen, was in Dix vorging, welche Gedanken sich hinter seiner Stirn jagten. Seine Lippen öffneten sich ein wenig. Er schaute zu den aufgerissenen durchwühlten Schubladen hin, deren Inhalt auf dem Boden zerstreut lag. Ein heiserer unwirklicher Laut kam von seinen Lippen.

Sam entgegnete nichts. Seine Kehle war ihm wie zugeschnürt. Er brauchte drei volle Minuten, bis er heiser und gequält sagte:

»Was denkst du?« Dix regte sich nicht, er starrte auf Mabels Bild,

das auf dem Kaminsims stand und sie in strahlender Schönheit zeigte. Er konnte den Blick nicht von diesem Bild nehmen. Langsam ging er darauf zu, nahm das Bild in die Hand, dann stellte er es wieder an seinen alten Platz zurück, machte kehrt und verließ den Raum. Er rief Sam über die Schulter zu: »Warte hier!«

Der Sturm knallte hinter ihm die Tür zu. Am Nachbarhaus klopfte Dix so heftig, bis sich

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schlurfende Schritte näherten und ein alter Mann ihm die Tür öffnete und sagte:

»Dix, komm nur herein!« Die Tür wurde aufgemacht. Dix trat ein. Der Alte musterte ihn eigenartig, sagte dann: »Um mir Gesellschaft zu leisten, bist du bestimmt nicht gekommen!«

»Nein, ich möchte nur einige Fragen stellen.« »Nur zu, ich habe nichts zu verheimlichen. Wenn

ich etwas für die Geteilter-Topf tun kann, bin ich gern bereit dazu. Ich bin ihr immer noch verpflichtet, denn sie zahlt mir meinen Lebensunterhalt für die alten Tage. Sie hat einen alten Cowboy nicht vergessen.«

»Sem, du hältst dich doch nur in deiner Wohnung auf?«

»Sicher, wenn man so alt ist, daß man vor Gicht und Rheuma nicht mehr in den Sattel kann, so alt, daß die Finger starr und krumm werden und man nicht mehr weit sehen kann, taugt man nur noch dazu, sich in die Sonne zu setzen.«

»Sem, hat Mabel Rothurn heute im Store gearbeitet?«

»Mabel«, wiederholte Sem. »Nun sie ist so hübsch, daß sie es einfach nicht nötig hat, Tag um Tag im Store hinter dem Ladentisch zu stehen. Sie hat nicht einmal geöffnet. Ich habe viele Kunden beobachtet, die verärgert weiter zur Konkurrenz abziehen mußten.«

»Danke, Sem, hast du in der Nacht etwas bemerkt?«

»Ich schlafe schlecht«, sagte Sem. »In dieser Nacht war ich einmal auf der Gasse und sah einen Mann, der in ihrer Privatwohnung verschwand.«

»Sem, weißt du, wer es war?«

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Der Alte sah ihn ernst an. »Ich weiß, daß es dir weh tut, wenn ich es sage. Schon die Tatsache, daß Clear bei Mabel aus- und einging, hat dich irgendwie getroffen und wild gemacht.«

»Es war diesmal nicht Clear?« »Nein! Aber ich kann dir wirklich nicht sagen,

wer es war. Clear hätten meine schlechten Augen gewiß erkannt. Dix, laß dir von einem alten Mann etwas sagen: Die Liebe kann man nicht zwingen, sie kommt und geht und macht die seltsamsten Kapriolen. Es ist ganz selten, daß sie zwei Menschen zu gleicher Zeit richtig trifft.«

Dix hörte nicht weiter zu. Als er zu Sam zurückkam, sagte er:

»Du wirst allein packen müssen, Buddy!« »Hast du etwas herausgebracht, Dix?« »Nur das eine, daß Clear mir Antwort geben

muß.« »Clear steckt hinter dieser Sache?« fragte Sam

ungläubig. »Man kann noch nichts Bestimmtes sagen.

Jemand war hier gewesen. Wie Sem sagte, war es nicht Clear. Aber Clear war in der Nacht der Mann, der in den letzten Stunden bei ihr war.«

»Sonny, du nimmst das Schlimmste für Mabel an?«

»Yea!« »Reiten wir zusammen?« fragte Sam. »Nein, das ist meine Sache, Sam! Pack du, wir

sehen uns später auf der Ranch. Ein Mann genügt. Clear gehört zum Kleeblatt, für ihn gilt unser Gesetz.«

Sam schluckte heftig und nickte. Dann blies er das Licht aus. Die Dunkelheit fiel in den Raum.

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Draußen trennten sie sich. Sam blieb im Stall, um nach der Laterne zu suchen und die Stute abzureiben. Dix aber holte sich vom Apache-Saloon sein Pferd.

Es war eine Stunde vor Mitternacht, als Dix sich der kleinen Ein-Mann-Ranch Clears näherte. Der Mast des Schwingbrunnens ragte wie ein schwarzer mahnender Finger gen Himmel, wo sich dunkle Wolken ballten. Dix ritt ganz nahe an den vernachlässigt wirkenden Corral heran und stutzte. Nur wenige Schritte von ihm entfernt, unter dem Laubdach eines Baumes, bewegte sich Clears Reittier. Es war noch gezäumt und gesattelt. Den ganzen Tag über mußte das Tier so im Corral verbracht haben. Diese Entdeckung krampfte ihm den Magen zusammen, ließ sie doch sofort die Frage offen, warum Clear seinem Tier keine Erleichterung gegönnt hatte. Kein Reiter, der etwas auf sich hielt, handelte so.

Etwas stimmte nicht! Dix zog die Augen schmal, tastete nach seiner Waffe und hob sie ein wenig im Futteral an. Langsam und schwerfällig, wie es schien, bewegte er sich auf die Ranch zu. Es war ihm, als hätte er Bleigewichte an den Füßen. Dann war er vor der Tür, riß sie auf und sprang hinein.

Irgend etwas polterte zu Boden. »Clear!« schrie Dix Lonnigan zu dem Schatten des

Mannes hin, der aufgerichtet auf dem Lager saß. »Bevor du anlüftest und wir es austragen – was geschah Mabel Rothurn?«

Ein schrilles Lachen schallte ihm entgegen. Yea, es war nicht Clear Newtons Stimme, es war das dunkle Lachen eines fremden Mannes, das Dix in

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die Ohren gellte. In diesem Moment schlug der Wind die Tür zu. Gleichzeitig verebbte das Lachen.

Dix starrte über den Lauf seiner Waffe zu dem verschwommen wirkenden Schatten des Mannes hin. »Du ... Chalhoun?« schrie er aufgewühlt

»Komm und lös mir die Fesseln«, klang es abgerissen. »Komm nur, bevor meine Glieder vollkommen abgestorben sind. Newton sagte mir, daß du kommen würdest, aber ich habe verteufelt lange warten müssen. Mir ist ganz übel davon.«

»Wo ist Clear?« »Auf meinem Pferd seit dem frühen Morgen auf

und davon«, klang es abgehackt. »Sicherlich ist er Dean Dutley auf der Spur.«

»Um ihm zu helfen?« »Himmel, Dix, du bist ein noch größerer Narr als

der Erste Vormann!« »Was ist geschehen, Oldman?« »Befreie mich erst einmal von den Fesseln!« klang

es ungeduldig. Dix glitt näher, riß ein Streichholz an und sah

beim Aufleuchten des Feuerscheines den Rancher der Ein-Baum-Crew auf grausame Weise gefesselt.

Beim Schein des zweiten Zündholzes suchte und fand er die Petroleumlampe. Mit dem nächsten Zündholz steckte er die Lampe an. Dix zog ein Messer aus der Hülle und schnitt die Fesseln durch.

Der Rancher Chalhoun sackte ein wenig zusammen, rieb sich dann die Handgelenke, um das Blut wieder in Wallung zu bekommen. Sein bleiches, verrunzeltes Gesicht wirkte erschreckend müde.

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»Auf meiner eigenen Ranch bin ich nun erledigt«, sagte er rauh. »Nun, das hatte so kommen müssen! Tompkins traute mir schon lange nicht mehr. Nur Clear gab mir eine Chance. Ich weiß nicht, warum er es tat und mich am Leben ließ. Tompkins hätte es nicht getan. Er hätte unter mein Leben einen Schlußstrich mit dem Colt gezogen. Aber vielleicht ließ mir Clear die Chance, weil für ihn selbst alles verloren ist.«

»Verloren?« »Sicher, denn es gibt kein Zurück mehr für ihn.

Tompkins hat ihn völlig in der Gewalt.« »By Jove, dann steht Clear also auf der anderen

Seite?« »Es war nur für euch ein Geheimnis, nicht für

uns. Clear und Tompkins arbeiteten Hand in Hand. Als Clear nicht mehr wollte, machte ihn Tompkins auf die rauhe Art gefügig. Für Clear gab es kein Zurück mehr.«

»Tompkins hatte Clear unter Druck?« Chalhoun rieb sich immer noch die Handgelenke.

»Tompkins hält alle unter Druck«, erwiderte er düster. »Nur mich konnte er nicht ewig darunter halten. Ich bin zu alt, zu entmutigt. Ich habe meine Ranch verloren und kann nicht mehr zurück. Aber das macht nichts! Ich kann jetzt wenigstens aufatmen. Meine Alleinritte wurden Tompkins und seiner raunen Crew bereits unbequem.« Er atmete schwer, schaute Dix fest an und fuhr mit harter Stimme fort: »Ich paßte nicht mehr in sein System. Solange er mich für einen teilnahmslosen alten Mann hielt, duldete er mich, um den Schein aufrechtzuerhalten.«

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»By Gosh, dann mußt du allerhand durchgemacht haben!«

»Ich lebe noch, und das ist aber auch alles!« klang es bitter zurück.

»Was trieb dich hierher?« »Das gleiche wie dich, Dix«, erwiderte der alte

Mann heiser. »In der Nacht habe ich ein Gespräch belauscht, das zwischen Clear und Tompkins vor Mabel Rothurns Haus geführt wurde. Ich wollte herausbringen, was Tompkins gesehen hatte.«

Er schwieg. Dix atmete schwer. Er wagte nicht zu fragen, fühlte wohl, daß der alte Mann etwas Ungeheuerliches herausgebracht hatte.

»Und ...?« fragte er abgerissen. Chalhoun antwortete nicht sofort, sondern zog

mit der Stiefelspitze einen Stuhl herbei, ließ sich darauf nieder, umklammerte mit beiden Händen die Stuhllehne und sah, wie Dix seinen Colt ins Halfter zurückgleiten ließ. »Nimm Platz!« forderte er Dix auf. »Ich habe dir eine Menge zu sagen, Cowboy. Was die Rustlerorganisation anbelangt, hat Dean Dutley, euer Vormann, ganze Arbeit geleistet. Dir aber will ich sagen, wo ich Mabel fand.«

»Mabel?« »Ganz recht! Um dies zu erfahren, kamst du doch

hierher? Dir hätte es Clear nicht gesagt. Ich aber konnte ihm auf den Kopf zusagen, wo er sie verscharrt hatte. Ein Zufall und der Sturm ließen mich sein Geheimnis aufspüren.«

»Allmächtiger, Mabel ist tot?« »Yea, erschossen mit ihrem eigenen Derringer,

den sie auf Clear gerichtet hatte. Clear stellte es als einen Unfall hin. Vielleicht war es einer, vielleicht

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auch nicht. Fest steht, daß Clear sich auf Tompkins’ Befehl an Petra heranmachte und Mabel ihm lästig wurde, daß er seine Ranch verließ, um nicht mehr zurückzukehren, und die letzte Brücke hinter sich abbrach.«

»Sprich weiter!« keuchte Dix heiser. Der Oldtimer erhob sich und legte ihm beide

Hände auf die Schultern. »Du hast sie geliebt. Es ist besonders schlimm für dich. Clear hätte dich angelogen. Er hätte sein schauerliches Geheimnis allein mit sich herumgeschleppt und hätte weiter den Spion für Tompkins gemacht. Ich, Dix, war es, der seine letzte Hoffnung zertrümmerte. Und so überwältigte er mich, nahm mein Pferd und ritt davon. Jetzt weißt du alles! Newton hätte mich niederschießen können, doch er tat es nicht. Vielleicht war er völlig durcheinander.« Der alte Mann lachte ein bitteres, abgehacktes Lachen. »Nie habe ich einen Mann so verstört gesehen wie Clear Newton. Er trug die Hölle in sich.«

»Die Hölle kommt über uns alle. Verschwinden wir! Reiten wir zur Geteilter-Topf.«

»Nur ein Mann glaubt noch an Newtons Treue, nämlich Dean Dutley. Es wird ihm das Herz zerreißen, wenn er es erfährt. Für Dean war der Begriff Freundschaft über alles erhaben. Das Wichtigste habe ich dir nicht gesagt, daß Clear von Tompkins den Auftrag bekam, Dean Dutley zu überwachen.«

»Hoh, auch das noch!« keuchte Dix. »Nach allem, was geschah, halte ich Clear für einen Schuft, der keinerlei Hemmungen hat.«

»Dean ist also unterwegs, um etwas Bestimmtes herauszufinden?«

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»Yea!« »Er hätte es sich ersparen können«, klang es

heiser von Chalhouns Lippen. »Hast du jemals etwas von Judas Ischariot

gehört?« »Yea«, erwiderte Dix rauh. »Reiten wir!« Dix half Chalhoun in den Sattel. Als er sich dann

selbst auf das Pferd schwang, fragte er: »Wirst du durchhalten, Chalhoun?« »Ich habe stundenlang in Fesseln durchgehalten

und werde es jetzt erst recht können. Mach dir nur keine Sorgen um mich.«

»All right!« schrie Dix und trieb die Pferde vorwärts.

8.

Es war zu dunkel, um die drei feindlichen Gestalten zu erkennen. Der Mann, der Dean die Winchestermündung in den Rücken gestoßen hatte, sagte heiser: »Steig ab, Freund, aber ganzlangsam und vorsichtig! Wir möchten keinen Ärger mit dir haben!«

»Ihr könnt ihn euch ersparen, wenn ihr es gleich hinter euch bringt«, entgegnete Dean.

»Vorwärts!« sagte der Kerl hinter ihm und stieß so heftig zu, daß Dean stolperte. Der dritte Mann hielt sich seitlich, als sie alle drei am Stacheldrahtzaun entlang in die Nacht hineinmarschierten.

Auch er ließ Dean nicht aus den Augen. Der Sturm heulte immer noch. »Versuche es nicht!« klang es hinter Dean.

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Umrisse einer langgestreckten Hütte kamen rasch näher. Eine Tür wurde aufgestoßen. Wieder bekam Dean einen Stoß in den Rücken, daß er fast über die Schwelle stolperte und gegen einen Vorhang fiel, der sich unter seinem Gewicht teilte. Die Wucht des Stoßes war so stark, daß er sich erst mitten im Raum fangen und halten konnte. Geblendet blieb er stehen.

Eine Petroleumlampe brannte in dem Raum. Die Fenster waren mit Vorhängen abgedichtet. Ein schwarzbärtiger Kerl mit dunklen Augen schob sich an ihm vorbei. Jemand griff von hinten nach seinen Eisen und zog sie aus den Halftern.

Der Schwarzbart hielt die Winchester auf ihn gerichtet und sagte laut:

»Ich täusche mich wohl nicht, wenn ich annehme, daß du Dean Dutley bist?«

»Du hast mir eines voraus, du kennst mich. Ich aber habe dich in meinem ganzen Leben nie gesehen.«

Der Schwarzbart grinste. »Ich mache nicht gern Bekanntschaften«, sagte er trocken. »Auf deine lege ich überhaupt keinen Wert. Setz dich!« Er deutete auf einen Stuhl recht primitiver Bauart. Dean ließ sich nieder. Dieser überhitzte Raum war nach der Kälte und dem Regen draußen eine Qual.

Aufmerksam sah er sich den Schwarzbärtigen an. Er hatte ihn wirklich noch nie gesehen. Er schien aber ebenso eiskalt wie Tompkins oder Apache Kid. Seine kühle Überlegenheit verriet, daß er nicht planlos handelte, sondern alles scharf durchdachte. Irgend etwas störte ihn. Er sah an Dean vorbei zu dem Mann hin, der sich seitlich niedergelassen hatte und die Tür bewachte. Dieser

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Mann war noch jung, er hatte eine krankhaft gelbe Gesichtsfarbe, rotumränderte Augen und einen herausfordernden Blick. Er hielt sich ganz still, blieb es auch, als der dritte Kerl hereinkam.

Auch dieser Mann war jung und sah kränklich aus, doch er hatte ein sympathischeres Äußeres und helle Augen, in denen eine verlorene Traurigkeit stand.

»Er ist wirklich Dean Dutley«, wandte sich der Junge an den breitschultrigen Riesen. »Ich habe ihn einige Male gesehen und täusche mich nicht.«

»Halt den Mund, du bist nicht gefragt«, klang es böse zurück. »Denke lieber nach!«

»Yea«, mehr sagte der Bursche nicht. Eingeschüchtert hockte er sich neben den Kamin nieder, zog einen Tabakbeutel, rollte zwei Zigaretten und warf Dean eine zu, die dieser geschickt auffing.

Zu spät sagte der Bärtige: »Laß das!« Eine rote Zornwelle überschattete sein breites Gesicht, welches von Narben gezeichnet war und in dem die Nase schief stand. Er stand plötzlich auf und schlug Dean die Zigarette aus der Hand, wirbelte herum und schlug dem jungen Kerl den Tabakbeutel zur Seite, trat mit dem Stiefel darauf und fauchte:

»Dir geht es wohl zu gut, wie?« »Gönne ihm die letzte Zigarette, Onkel!« »Mit deinem Neffen hast du wenig Spaß,

Harrison«, sagte der andere. »Er ähnelt deinem Bruder, der uns die harte Arbeit tun läßt und in Atlanta den großen Mann macht. Schick ihn zum Teufel und sage deinem Bruder, daß sein Sohn für keine Arbeit taugt. Mit Schwächlingen können wir hier nichts anfangen.«

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»Solange er bei uns ist, habe ich auch meinen Bruder unter Druck«, klang es rauh. »Schon einmal wollte er aus dem Geschäft aussteigen und seine Verbindungen zu uns abbrechen. Es gibt aber keinen Mann, der wie er nach allen Richtungen seine Fäden gesponnen hat und die Rinder besser an den Mann bringt als er. Darum nehme ich seinen Sohn, diesen Schwächling, in Kauf. Er selbst möchte nur zu gern zu seinem Vater zurück.«

Er drehte sich Dean zu und lachte ihn höhnisch an. »Jetzt weißt du es, Dutley.«

»Yea, jetzt weiß ich es.« Schweigen senkte sich nieder. Sie beobachteten

ihn und ließen keinen Blick von ihm. »Wie habt ihr nur Tompkins für diese Sache

gewinnen können?« fragte wenig später Dean, der genau wußte, daß man ihm jetzt jede Auskunft geben würde. Denn ein Mann, der sterben mußte, konnte nichts mehr mit der Wahrheit anfangen.

»Tompkins ...? Höh, der hat einen besonderen Tick und glaubt, daß er das Zeug in sich hat, das Land seiner Väter für sich zurückzugewinnen. Man sieht ihm nicht an, daß er ein Mestize ist, daß er Apachenblut in den Adern hat und in seiner Ahnengalerie eine Menge roter Schufte zu finden sind. Ihm geht’s nicht allein um das Geschäft, sondern um eine Idee, und diese verrückte Idee haben wir richtig in unsere Sache eingeschaltet. Wir brauchten für dich ein starkes Gegengewicht, Dean Dutley. Aber das ist jetzt vorbei. Bisher hast du unwahrscheinliches Glück gehabt.«

»Kommt Tompkins oft?«

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»Nicht zu oft, nur wenn er Geld braucht. Er braucht es, um seine Leute zu bezahlen. Er bringt uns die Rinder.«

»Jeder arbeitet für sich?« »So gut er es versteht«, grinste der

Schwarzbärtige gelassen. Doch im nächsten Augenblick sah er sich wieder unruhig um.

»Ich verstehe nicht, daß das trotz Newtons Warnung geschehen konnte«, wandte er sich an den gelbgesichtigen Kerl an der Tür.

»Soll ich nachsehen?« »Warte noch damit!« sagte der Schwarzbart böse.

»Vielleicht sagt es uns Dutley?« »Findet es selbst heraus, Freunde!« meldete sich

Dean, so ruhig er es vermochte, und bemerkte, daß er sie wirklich bluffen konnte. Der Junge am Kamin bekam ängstliche Augen. Der Mann an der Tür ließ einen Pfiff hören. Nur der Schwarzbärtige hatte sich in der Gewalt. Von ihm konnte man nicht wissen, was er dachte.

»Sicherlich kam er nicht allein!« sagte der junge Mann.

»Dummkopf!« grinste sein Onkel wütend. »Dir wäre wahrscheinlich wohler, wenn er niemals hergekommen und von uns geschnappt worden wäre. Was glaubst du wohl, würden seine Freunde in der Nacht da draußen beginnen? Es ist so dunkel draußen, daß man nicht die Hand vor den Augen sieht.«

»Wenn nun ein Lichtstrahl nach draußen fällt? Mir war so, als hätte ich es bemerkt.«

Das war ein Einwurf, der auch den Schwarzbart traf und ihn das Kinn vorstrecken ließ.

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»Schau nach!« gab er dem Mann an der Tür den Befehl. »Eigentlich müßte Clear Newton eingetroffen sein. Daß er nicht hier ist, gefällt mir verteufelt wenig.«

»Vielleicht möchte er nicht Dean Dutley in die Augen blicken«, sagte der Mann an der Tür voller Hohn. »Es wäre doch ein zu seltsames Treffen unter Freunden. Ich hätte es mir gern angesehen.«

»Was ist mit Newton?« sprang es Dean kalt von den Lippen. Es war, als hätte er alle Gefahr vergessen. Seine Augen flammten auf.

»Es trifft dich schwer, nicht wahr?« grinste der Schwarzbart mit ätzendem Hohn. »Aber du kannst es ruhig wissen. Newton steht auf unserer Seite. Er wollte herkommen, wenn du allein bist. Im anderen Falle wollte er dazu beitragen, die Hindernisse beiseite zu fegen. Dein Leben ist in dem Augenblick beendet, sobald Newton kommt. Oder willst du noch mit ihm sprechen?«

»Harrison«, meldete sich wieder der Kerl an der Tür. »Natürlich möchte er das, und Newton den Rat geben, wie er zweckmäßig die Geteilter-Topf-Ranch weiter leitet und führt. Ein mündliches Testament wäre etwas, was ich mir gern anhören würde. Es muß einen Heidenspaß geben, wenn Newton und Dutley Aussprache halten werden. Dieses Vergnügen möchte ich mir nicht nehmen lassen. Vielleicht bittet Dutley Newton, ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen und ihn als Trauzeuge zu nehmen. By Gosh, wäre das ein Spaß!« Sein aufreizendes Lachen gellte Dean in den Ohren.

Harrison sagte hart: »Wir werden es erleben. Jetzt aber schau nach, Jim!«

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Jim stand auf und sah den Schwarzbart trotzig an. »Vielleicht ist das ein Fehler.«

»Geh und halt den Mund, Jim!« »Nun gut!« erwidert Jim wütend. »Du hast es

befohlen!« »Wenn du Angst hast, nimm Juan mit.« Wie lange arbeitete Clear Newton schon für die

andere Seite, fragte sich Dean, der jetzt nicht mehr nur an eine bösartige Verleumdung seines Freundes glauben konnte. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Die Kälte im Herzen wuchs. Wie tief war Clear gesunken, daß er sich an Tompkins angeschlossen hatte.

Das Wissen um Clears Treuebruch kam ihm wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel. Jetzt noch versuchte Dean, sich Clears Versagen zu erklären. War es seine leichtsinnige Art, die Clear Newton mit Tompkins eine Verbindung hatte eingehen lassen? Waren es seine immer mehr wachsenden Schulden? Oder war es Clears Sucht, schnell reich und unabhängig zu werden?

»Schau sorgfältig nach, Jim!« drängte der Bärtige den zögernden Jim, der sich nun endlich einen Ruck gab und die Außentür aufstieß. Sofort fegten Sturm und Regen herein. Der Wind wirbelte durch den Raum, drückte auf die Petroleumlampe, daß ihr Lichtstrahl zu verlöschen drohte.

Dean bewegte sich nicht. Er blieb ganz ruhig sitzen. Er wußte, daß der Bärtige ihn kalt und aufmerksam beobachtete und nur darauf wartete, daß er jetzt etwas unternehmen würde. Juans Augen warnten ihn ebenfalls. Seltsam, der Junge am Kamin wurde Dean von Minute zu Minute sympathischer. Als Gegner fiel er aus. Dean mußte

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nur mit dem Bärtigen und Jim rechnen. Es mochte sein, daß noch mehr Reiter zu dieser Ranch gehörten, aber irgendwo durch das Wetter festgehalten wurden.

Die Tür schlug krachend zu. Die Lampe brannte wieder hell. Der Bärtige lachte dunkel in sich hinein, stand auf und stellte die Winchester in den Gewehrständer.

Einen Augenblick schien es, als betrachtete er die Lampe nachdenklich, dann sagte er rauh zu Juan: »Steh auf und geh ins Nebenzimmer.«

»Es ist dunkel drinnen«, sagte Juan heiser, »kann ich die Lampe mitnehmen?«

»Die Angst sitzt dir in den Knochen. Der Himmel nur weiß, was mit dir los ist. Man hätte dir eine Amme mitgeben sollen. Du bist zu nichts zu gebrauchen. Ich schaue selbst nach.«

Seine buschigen Brauen schoben sich finster zusammen. »Zieh deinen Colt und gib auf ihn acht! Schieß ihn nieder, wenn er sich bewegt.« Seine Stimme hob sich befehlend. Seine Augen bekamen einen stählernen Glanz. »Ich reiße dir sonst den Kopf ab!« drohte er dem Jungen.

Der nickte und zog, starrte über den Lauf seiner Waffe hinweg Dean an.

»So ist es recht! Wenn du ihn gut triffst, Juan, beteilige ich dich an dem Unternehmen. Vielleicht wird aus dir noch einmal ein richtiger Mann.«

»Sicher!« klang es heiser vom Kamin her. »Aus allen machst du richtige Männer, aus meinem Vater, aus mir ...«

»Halt deinen Mund!« unterbrach ihn der Bärtige böse. Er sah von einem zum anderen, dann grinste er dem Jungen zu:

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»Überleg es dir, Juan! Dein Leben hier wäre dann besser zu ertragen. Keiner würde dich dann mehr schief über die Schulter ansehen. Der Ruf eines Revolvermannes würde dich umgeben, und jeder würde in dir einen Mann sehen, dem man aus dem Wege geht.« Sein Grinsen wurde breiter. Langsam schob er sich an Dean vorbei, öffnete die Tür zu den Nebenräumen und betrat den dunklen Korridor. Die Tür schlug hinter ihm zu.

Dean wollte aufspringen, doch Juan schüttelte den Kopf. Das war die zweite Warnung. Tatsächlich! Die Tür wurde im nächsten Moment weit aufgerissen. Der Bärtige rief erfreut: »So ist es recht, Juan! Nur weiter so!« Er schloß die Tür zum zweitenmal. Man hörte keine sich entfernenden Schritte.

Dean schob sich mit seinem Hocker näher an die Kommode heran. Diesmal warnte ihn Juan nicht, sondern saß wie sprungbereit mit dem angeschlagenen Colt am Kamin. Sicherlich konnte Juan recht gut beurteilen, weshalb Dean in die Nähe der Kommode rückte. Seine Coltmündung zeigte jetzt nicht mehr auf Dean, sondern visierte die Lampe an. Jetzt wußte Dean es ganz sicher, er wußte, daß er einen Helfer gefunden hatte in dieser schier ausweglosen Situation. Alles in ihm spannte sich. Als die Tür wieder aufgerissen wurde, ließ er sich schräg zur Seite fallen. Seine rechte ausgestreckte Hand erwischte den Kolben seiner Waffe und riß sie von der Kommode. Im gleichen Moment dröhnte vom Kamin her Juans Schuß.

Der Junge hatte lange genug Zeit gehabt, um richtig zu zielen. So löschte sein Schuß die Lampe aus, ohne sie zur Explosion zu bringen. Aber auch

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der Bärtige schoß. Jetzt zeigte es sich, wie schnell er reagierte und daß Dean ihn nicht falsch eingeschätzt hatte. Seine erste Kugel streifte Deans rechten Oberschenkel. Im Blitzlicht der Feuersäule mußte der Bärtige den Gegner genau ausmachen, um seinen zweiten Schuß zu korrigieren. Vom Boden her schoß Dean zurück. Das Mündungslicht des gegnerischen Colts genügte ihm. Von der Tür her flammte es abermals auf. Die Todeslichter stachen durch den Raum. Neben Dean grub sich eine Kugel in den harten Lehmboden. Ein Stöhnen kam vom Kamin her, und die Stimme des Jungen drang leise zu Dean in die wie lähmend einsetzende Stille hin.

»Er hat mich erwischt. Er ist im Gang und versucht zu entkommen. Lassen Sie es nicht zu!«

Die Stimme des Jungen verlöschte. Vom Gang her grollte des Bärtigen abgehacktes Lachen. Es verstummte gleich wieder. Sicherlich wollte er seine Position nicht verraten.

Dean schnellte hoch, ein Stuhl kippte um. Trotz der Dunkelheit erwischte er seinen zweiten Colt von der Kommode und steckte ihn griffbereit in das linke Halfter.

Jeden Moment konnte, von den Schüssen angelockt, sich Jim, der zweite Mann, einmischen. Es war also unmöglich, dem Jungen im Augenblick zu helfen, Licht zu machen und nach seiner Verwundung zu sehen. Der Kampf mußte jetzt schnell und auf die rauhe Art entschieden werden.

Dean sagte hastig: »Ich helfe dir, bleib still, Freund. Nur einige Minuten Geduld!«

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»Laß dich nicht aufhalten!« klang es heiser vom Kamin her. »Laß dich nicht in die Zange nehmen, trag es draußen aus.«

In Dean war alles in wildem Aufruhr. Er tastete nach der Tür, die hinausführte, öffnete sie mit einem Ruck und sprang in die stürmische Nacht. Eine Feuersäule schlug an ihm vorbei, eine Kugel splitterte in die Tür hinein. Er schoß von der Hüfte aus zurück, auf den hageren Schatten Jims, der in den Regenböen nur wenige Schritte von ihm entfernt wie aus dem Erdboden wuchs. Lautlos sackte die Gestalt zusammen und wurde eins mit dem Boden. Der Sturm riß Dean den Stetson vom Kopf. Er achtete nicht darauf, sondern hastete mit schnellen Schritten auf jene Stelle zu, wo Jim versunken war. Er stolperte fast über den Mann, der langausgestreckt am Boden lag. Er bückte sich, so tief, daß er sein Ohr auf die Brust des Regungslosen legen konnte. Jims Herzschlag war nicht mehr zu vernehmen, er war tot.

Dean ließ ihn liegen. Er duckte sich, als er die breite Gestalt des Bärtigen um die Hütte herumkommen sah. Der Mann ging geduckt, wachsam wie ein sprungbereiter Tiger.

Sicherlich hatte er das Haus durch eine Hintertür oder ein Fenster verlassen, um sich mit Jim zu vereinen. Er suchte in einer falschen Richtung, kam näher und schlich an der Hüttenwand in einem Abstand von zehn Yards vorbei.

»Dreh dich um!« rief Dean. Der breitschultrige, schwere Mann sauste

unwahrscheinlich schnell herum und schoß sofort. Die Kugel streifte Dean am linken Oberarm. Er

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hatte ein wenig zu schnell geschossen. Dean schoß ruhiger und war dabei von einer eisigen Kälte erfüllt. Im Niedersinken schoß Deans Gegner noch einmal. Diese Kugel bohrte sich vor Deans Stiefelspitze in den aufgeweichten Boden.

Die Waffe entfiel dem Bärtigen. Dumpf schlug er der Länge nach hin. Er lebte noch, als Dean sich über ihn beugte, aber er grinste nur. Wahrhaftig! Er grinste und fluchte und nahm beides mit sich in eine andere Welt. Dean trat wieder in die Hütte.

»Bist du es, Dutley?« klang es schwach vom Kamin her.

»Keine Sorge, Juan, es ist alles vorbei!« »Ich habe das Schießen gehört. Für mich wird

wohl auch alles vorbei sein.« »Halt den Kopf hoch, Junge! Ich helfe dir!« »Wenn du eine neue Lampe suchst, dann nimm

die Stallaterne. Sie hängt an der Wand rechts im Korridor.«

»Ich hole sie«, erwiderte Dean und tastete sich dorthin, wo die Laterne an der Wand hing. Er machte Licht, kehrte mit der brennenden Lampe zu Juan zurück. Nur einen Blick brauchte Dean auf den Jungen zu werfen, um zu wissen, daß jede menschliche Hilfe für Juan zu spät kam.

Vielleicht nur noch Minuten hatte Juan zu leben, und die wollte Dean bei ihm bleiben.

»Es wird alles wieder gut, Juan«, sagte er und riß von dem Lager an der Wand das Bettuch herunter. Dean wollte es zerreißen, doch Juan winkte matt ab.

»Wenn man mich auch als Greenhorn hingestellt hat, so war ich doch lange in seinem Camp, um genau zu wissen, was eine Kugel ausrichtet, wenn

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sie in die Brust dringt. Ich weiß, daß ich innerlich verblute und daß es aus ist. Ich habe immer gewußt, daß er es einmal tun würde. Er haßte mich, wie er meinen Vater haßte. Dabei war er nicht mein richtiger Onkel, sondern wurde von meinem Großvater an Kindes Statt angenommen. Der Name Harrison stand ihm nicht zu. Solange ich mich erinnern kann, hat er meinen Vater immer wieder in die Enge getrieben und ihm Schwierigkeiten gemacht. Sein böser Einfluß auf Dad nahm immer mehr zu. Dad versuchte sich dagegen zu wehren, aber es nützte ihm nichts. Er zwang mich, mit ihm zu reiten. Er wollte so seinen Druck auf Dad erhöhen. Dutley, mein Vater ist in Atlanta. Stelle ihn nicht vor deinen Revolver. Er hat nur unter Zwang mitgemacht.«

»Juan, ich habe dir mein Leben zu verdanken. Ich verspreche, daß ich ihm nichts tun werde.«

Die dunklen Jungenaugen in dem blassen Gesicht schimmerten feucht. »Bringe ihm meine letzten Grüße und reite, laß mich allein! Wenn ich auch feige im Leben war, so will ich doch tapfer sterben.«

»Du hast mehr Mut als der Bärtige und Jim. Du bist schon in Ordnung, Juan!«

»Nimm meinen Talisman und gib ihm Dad zurück. Er hat weder ihm noch mir helfen können«, klang es heiser. – Die erschütternde Wahrheit dieser Worte stand in den Augen des Jungen.

»Ich bringe dich zu ihm, mein Junge. Ob tot oder lebendig, ich lasse dich in diesem Sumpf nicht zurück.«

Ein helles Leuchten kam in Juans Augen. »Sie haßten sich, weil auch der Bärtige meine Mutter

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liebte, weil mein Vater eine glücklichere Hand in seinen Unternehmungen hatte. Es ist jetzt alles vorbei. Es ist kalt geworden, Dutley.«

Dean nahm eine Wolldecke und legte sie über Juan. Der schloß die Augen und atmete ruhig. Er schien keine Schmerzen zu haben.

»Der Bärtige rechnete mit deinem Besuch. Newton hat ihm immer wieder gesagt, daß du eines Tages kommen würdest. Newton hatte recht. Er kannte dich gut?«

»Er nannte sich mein Freund!« »Oh, das wußte ich nicht. Er war ein schlechter

Freund, Dean Dutley.« Seine Stimme verlöschte. Das Gesicht wurde

bleicher. Noch einmal versuchte er sich aufzubäumen, doch es gelang ihm nicht mehr. Ganz still, friedlich und ruhig lag er nun, mit einem letzten Lächeln, das der Tod ihm selbst aufgedrückt hatte.

Dean beugte sich nieder und schloß ihm die gebrochenen Augen, strich sich müde die verklebten Haare aus der Stirn. Den schwachen Körper hüllte er sorgfältig in Decken ein, nahm den Toten auf die Arme und öffnete mit einem Stiefeltritt die Tür. Die Lampe kippte, vom Sturm erfaßt, um. Eine Feuerzunge fraß sich nach allen Seiten über den Boden. Dean kümmerte sich nicht darum. Mit seiner traurigen Last auf den Armen kam er zum Corral. Ein wenig später hatte er nicht nur seinen Apfelschimmel herausgeholt, sondern noch ein zweites Pferd gezäumt und gesattelt. Er band den Toten im Sattel des zweiten Pferdes fest, schlang eine Longe von Sattelhorn zu Sattelhorn und führte die Pferde aus dem Corral, dessen

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Gatter er offen ließ. Beim Rinder-Corral hielt er abermals an und öffnete auch hier das Gatter. Dann erst schwang er sich in den Sattel. Bevor er anritt, blickte er noch einmal zu dem langgestreckten Bau zurück. Dunkler Rauch drang aus der Tür hervor. Er trieb über die Rinder und machte sie augenblicklich rebellisch. Dean ritt in die Nacht.

Wenig später hörte er das Bersten und Krachen und das Donnergrollen vieler Hufe. Er brauchte seinem Pferd nicht erst die Sporen zu geben und auch nicht das zweite Pferd anzufeuern. Beide Tiere witterten mit ihrem sicheren Instinkt das Losbrechen der Rinderstampede. Zum Glück für Dean brauste das Donnern der Hufe in die entgegengesetzte Richtung.

Zwei Stunden nach Mitternacht flaute der Sturm ab, und nur der Regen strömte weiter. Er war es, der Dean schützte und ihn aus dem wilden Land kommen ließ, ohne daß es eine weitere schreckliche Begegnung gab.

Als der Morgen grau heraufdämmerte, sah Dean an den Landmarken, daß er bereits über die Geteilter-Topf-Weide ritt. Trotz des Regenumhangs war er naß bis auf die Haut. Er kämpfte gegen die Kälte an, die ihn von innen her aushöhlen wollte.

Höh, es war nicht die Erschöpfung und die Kälte allein, die ihm zu schaffen machten. Es war die innerliche Qual, die mehr und mehr Besitz von ihm ergriff.

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9.�

Aus dem Regendunst tauchte die Silhouette des Küchenwagens der Geteilter-Topf auf, dahinter erhob sich die schwarze Wand der Bäume. Ein scharfer Anruf erreichte Dean jäh.

»Halt an!« Es war Luds Stimme. Einen Augenblick später

kam er aus dem Dunst heraus. Ihm nach folgten Benjamin, Amb, Peer und Stuart. Der Koch erschien am Küchenwagen. Auch er war bewaffnet und hielt eine Schrotflinte in der Hand.

Lud baute sich vor Dean auf und sah ihn aufmerksam an. Dann glitt sein Blick zu dem in die Decke gehüllten Toten hin. Lud fragte nicht, sondern griff nach den Zügeln des Apfelschimmels und hielt das Tier fest. Ohne ein Wort zu sagen, schwang sich Dean aus dem Sattel und war im nächsten Moment von den Freunden der Geteilter-Topf umringt.

»Dean, wen hast du mitgebracht?« fragte Lud endlich.

In seiner Frage kam zum Ausdruck, daß keiner den Toten kannte.

»Einen guten Jungen, den ich nicht zurücklassen wollte. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier«, erwiderte er ruhig. »Nehmt ihn vom Pferd und bettet ihn im Einspänner. Schirrt ein frisches Pferd an. Ich fahre gleich weiter nach Atlanta. Ihr aber gebt das Camp auf und brecht mitsamt dem Küchenwagen und der Pferderemuda zur Ranch auf. Es ist soweit, Boys.«

»Der Kreis hat sich geschlossen?«

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»Yea, und dabei gingen drei Männer auf den langen Trail. Ich habe die Ranch entdeckt, auf der die Rinder gesammelt und umgebrändet werden. Sie ging in Flammen auf, und die Rinder verstreuten sich so, daß wir beginnen können, die harte Arbeit durchzuführen.« Etwas schwerfällig wandte er sich ab, und ohne sich umzublicken ging er zum Koch. Der nickte nur und sagte:

»Man braucht dich nur anzublicken, Dean. Der Kaffee wird dir gut tun. Übereile jetzt nichts und nimm dir Zeit. Ein Mann sollte nicht mit hungrigem Magen reiten. Komm in den Wagen und lege dich ein wenig aufs Ohr. Wenn du so weitermachst, fällst du bald vor Müdigkeit um.«

Das war der Rat eines erfahrenen Mannes. Dean nickte und kletterte in den Küchenwagen. Ein wenig später bekam er seinen Kaffee und ein Frühstück. Die Wärme des Ofens lullte ihn ein. Im Sitzen sank er in einen traumlosen Schlaf, aus dem er erst nachmittags erwachte.

Man hatte ihm im Wagen ein Lager bereitet und eine Decke über ihn gelegt. Der Koch rüttelte an seinen Schultern.

»Vormann, wir sind zum Aufbruch bereit«, hörte Dean ihn sagen. »Wir brechen auf!«

Dean erhob sich sofort. Niemand hatte ihn danach gefragt, was er gefunden und was er erlebt hatte.

Den Apfelschimmel ließ Dean bei der Crew. Er nahm auf dem Bock des Einspänners Platz, nahm die Zügel und fuhr los. Es hörte auf zu regnen. Ein kühler Wind kam aus dem Norden. Die Räder rollten durch Morast und Regenpfützen. Er blickte

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sich nicht um. Die Crew setzte sich in Bewegung und würde direkt in Richtung Ranch vorstoßen.

Yea, bei ihrem Eintreffen auf der Ranch würden Boten nach allen Richtungen reiten und die Rancher benachrichtigen. Aus allen Himmelsrichtungen würden sich Cowboys in Marsch setzen. Das Startzeichen war gegeben worden. Man hatte überall im Lande darauf gewartet. Die Hölle würde losbrechen und noch über viele Menschen kommen.

Dean schluckte schwer. Am späten Nachmittag hielt er an einem Creek,

tränkte das Geschirrpferd und band ihm den Futtersack um. Er stand neben dem Tier. Mit der Winchester in der Armbeuge beobachtete er wachsam und mißtrauisch die Umgebung. Doch es geschah nichts.

Es dämmerte bereits, als Dean die Stadt erreichte. Menschengruppen standen zusammen und unterhielten sich leise. Man spürte, daß die Stadt irgendwie unter einem mächtigen Druck stand.

Dean konnte nicht wissen, daß es Mabel Rothurns reiterloses Pferd war, das man gefunden hatte; und daß sich die Gespräche um das Mädel drehten.

Er hielt den Einspänner vor dem Apachen-Saloon an, band die Zügel um den Peitschenstiel und legte die Winchester auf dem Bock ab, rückte sich seine 45er Colts zurecht. Noch ahnte niemand, was unter den Decken im Einspänner verborgen lag.

Auch Harrison, der auf der Veranda stand und lange Zeit schon die Bewegungen auf der Straße beobachtete, ahnte es nicht.

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Dean schwang sich über die Radnabe hinweg auf den Bohlensteig, blieb stehen und sagte hart zu dem Mann auf der Veranda:

»Mister Harrison?« »Der bin ich, Cowboy«, erwiderte Harrison. Ihre

Blicke trafen sich, saugten sich fest. Unruhe überfiel Harrison. Er spürte sicherlich

etwas, aber es gelang ihm, diese Unruhe zu verbergen und einen leichten Ton anzuschlagen.

»Wenn Sie sich meine Tanzgruppe anschauen wollen, Cowboy, müssen Sie noch eine Stunde warten, die Eröffnungsvorstellung wurde bereits um einen Tag verschoben. Heute wird sie jedoch stattfinden, und vielleicht wird es ein Erfolg. Sicherlich wird Mabel Rothurns Verschwinden eine überraschende Erklärung finden. Wahrscheinlich blieb sie bei einer Freundin und wird bald heil und gesund wieder hinter ihrer Ladentheke stehen.«

»Harrison, gerade Sie müßten doch wissen, daß man in diesem County nichts auf die leichte Schulter nehmen sollte. Was ist mit Mabel Rothurn?« schnappte Dean. Er ließ keinen Blick von Harrison, der kurz zusammengezuckt war, sich aber schnell wieder in der Gewalt hatte.

»Die ganze Stadt spricht davon, Sir«, sagte Harrison. »Gestern nacht fand man ihr reiterloses Pferd, und das hat einen unheimlichen Wirbel ausgelöst. Warum nur erregen sich die Leute so sehr? Sie sollten lieber zu ihrer Sicherheit einen Stadtrat bilden und eine Bürgerversammlung einberufen, um einen Sheriff zu wählen. Es geht nicht mehr ohne einen Vertreter des Gesetzes. Einen Sheriff hätte man auf Mabels Spur setzen können, und das Gesetz hätte Licht in die düstere

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Sache gebracht So aber wartet man darauf, was Dix Lonnigan und Sam Hopkins herausbekommen werden. Doch beide Männer sind nicht geschult. Vielleicht eignen sie sich nicht, um Licht in die Sache zu bringen.«

Er brach ab und wischte sich über seine Stirn. Er sah deutlich, wie sich die Augen seines Gegenübers verdüsterten und sich tiefe Kerben um Dean Dutleys Mundwinkel gruben. Dann bemerkte er, daß Dean an ihm vorbei zu einer Männergruppe sah, die sich seitlich vom Store in der Nähe des Hotels aufhielt und aus Männern der Ein-Baum-Crew bestand.

Deans Herz schlug schneller, automatisch legten sich seine Hände hinter den Kolben. Langsam drehte er sich zu Tompkins herum. Der rothaarige Riese hielt sich inmitten der Gruppe auf, die etwa fünfzehn Mann stark war. Alle Männer sahen aufmerksam zum Apache-Saloon hin, als wären sie durch irgend etwas magnetisch angezogen worden.

Tompkins kam jedoch nicht aus seiner Gruppe, sondern gab seinen Männern jetzt einen Wink. Sie setzten sich daraufhin in Bewegung und gingen quer über die Straße, taten so, als wäre Dean nicht vorhanden, und verschwanden in eine schmale Gasse.

Dean war wie gelähmt von der Dreistigkeit, dieTompkins mit seinen Leuten gezeigt hatte. Überall, nur nicht in der Stadt hatte er Tompkins vermutet. Es zog Dean förmlich herum und den Kerlen nach. Im Augenblick war ihm Harrison nebensächlich geworden. Er hatte nur den Wunsch, Tompkins hier zu stellen.

Ein alter Mann trat auf ihn zu und sagte:

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»Dutley, was ist mit Mabel Rothurn? Hat man sie gefunden? Dix Lonnigan und Sam Hopkins wollten sich darum kümmern, doch keiner von den beiden ließ sich hier blicken.«

»Ich kann dir keine Auskunft geben, denn ich weiß noch weniger als du, Oldman.«

»Das verstehe ich nicht. Jeder wartet darauf, daß Mabel Rothurns mysteriöses Verschwinden geklärt wird. Sie ist beliebt in der Stadt, und man macht sich Sorgen. Man hat Tompkins angehalten und ihm Fragen vorgelegt. Sicher ist, daß er damit nichts zu tun hat. Er nicht und die Leute der Ein-Baum-Crew ebenfalls nicht. Solange Mabels Verschwinden nicht geklärt ist, wird sich kein Bürger in den Weidekrieg mischen.«

»Sage diesen Hohlköpfen, sie sollen sich auf jeden Fall heraushalten, Oldman«, erwiderte Dean bissig. Einen Moment später stieß er die Schwingtür des Apache-Saloons auf. Harrison fuhr böse herum.

»Was zum Teufel wollen Sie schon wieder, Vormann? Tompkins hat Ihnen wohl den Gefallen nicht getan und sich gestellt?«

»Harrison, endlich geben Sie zu, daß Sie über die Verhältnisse auf dieser Weide genau orientiert sind, mehr noch als jeder andere, und das ist wahrhaftig kein Wunder.«

»Dutley, beleidigen lasse ich mich nicht, auch von Ihnen nicht!« Seine Hand schnellte zum Colt. Bevor er jedoch ziehen konnte, lüftete Dean beide Eisen und starrte Harrison über die Läufe seiner Colts an.

»Sie wissen ganz genau, was ich meine, Harrison, versuchen Sie kein Theater zu spielen.«

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»Ich verstehe Sie immer weniger, Vormann«, keuchte Harrison heraus, und sein Gesicht zuckte verräterisch. »Ich bin ein Geschäftsmann und fremd hier. Daß ich die Ohren und Augen offenhalte, kann kein Verbrechen sein.« Ganz langsam nahm er seine Hand aus der Nähe seines Colts und gewann seine Sicherheit merklich wieder. »Ich lasse mich nicht bluffen, Dutley! Wenn Sie mit Sam gegen mich ein Spiel zugange bringen, wehre ich mich. Der Saloon gehört mir! Ich sehe hier eine Möglichkeit, mein Geld zu verdienen.«

»Lassen wir es, Harrison. Gehen Sie zu meinem Einspänner, heben Sie die Decken hoch und dann verschwinden Sie mitsamt Ihrer Tanzgruppe. Hier werden Sie nicht mehr auf Juan warten brauchen!«

»Juan?« Harrison schrie den Namen. Mit einem Schlag fiel er zusammen. Er flog, bebte am ganzen Körper, und seine Augen quollen fast aus den Höhlen.

»Sie haben meinen Sohn Juan gebracht?« »Yea«, erwiderte Dean heiser. »Der Bärtige nahm

Juans Leben. Aber auch er lebt nicht mehr. Es gibt keinen Mann mehr, der Sie in schlimme Dinge pressen kann. Sie können wieder frei aufatmen. Ihr Sohn, Harrison, hat mit seinem Leben dafür bezahlt. Verschwinden Sie und fangen Sie irgendwo neu an. Sie werden so viel Zeit haben, um Juan nach Christenart zu beerdigen. Dann wird eine Lawine rollen, die man nicht aufhalten kann.«

»Ich verstehe«, kam es abgerissen zurück. »Aber das ist sicherlich nicht der einzige Grund. Sie wollen auch noch Newton aus dem Spiel haben und ihn schonen. Sie wollen auch Clear Newton vor dieser Lawine retten?«

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»Vielleicht wissen Sie, wo ich ihn finden kann. Das würde mir eine Menge Arbeit ersparen.«

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Harrison, »aber er wird nicht davonlaufen wie ich. Tompkins, Apache Kid und Newton sind aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Sie haben diesen Tag erwartet und sind bereit. Sie werden nicht kampflos abziehen.«

»Sie hatten damit gerechnet, daß Tompkins gewinnen wird?«

»Yea«, gab Harrison unumwunden zu. »Von der Stunde an sollte Juan frei sein und ich ihn zurückhaben. Es kam anders. Ich bin fertig mit allem. Weil ich Juan liebte, duldete ich das Unrecht und ließ mich erpressen.«

Langsam ging Harrison hinaus zu seinem toten Sohn.

Dean trat zur Theke, bediente sich selbst und trank einen scharfen Whisky.

Durch die Schwingtür kam ein Mann, der sich an die Theke stellte und leise zu ihm sagte:

»Dutley, was hat der Tote zu bedeuten, und was hat Harrison damit zu tun?«

»Frage ihn doch selbst!« erwiderte Dean dem Reiter von der Radnaben-Ranch.

»Man sollte es wahrhaftig tun, Vormann.« »Warte damit, Buddy! – Eine Frage: Was treibt

euch in die Stadt?« »Der Boß! Es gibt keinen Rancher mehr auf der

Apachenweide, der es noch länger hinnehmen will. Wir sind seit dem Morgengrauen hier und haben einen Boten zur Geteilter-Topf-Ranch geschickt. Worauf wartest du noch? Du kamst aus den Zunibergen zurück und hast die letzte Spur gefunden. Man wundert sich über dein Zögern!

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Oder ist es Mabel Rothurns wegen? Willst du erst abwarten, bis man sie findet?«

»Sicher, Buddy! Mabel muß gefunden werden.« Die Dämmerung tastete sich bereits von draußen

her in den Saloon. Harrison kehrte nicht zurück. Dafür hörte man seine Stimme dumpf aus den nach hinten gelegenen Räumen dringen.

Wieder bewegten sich Stiefel über den Boden, Türen schlugen auf und zu. Durch das Fenster blickend sah Dean einige Männer mit einem kleinen Leiterwagen in Richtung des Stiefelhügels davonfahren. Harrison ritt einsam hinterher. Auf seinem Sattel war ein Packen aufgeschnallt. Niemand hielt Harrison auf. Man ließ ihn passieren und reiten.

Vielleicht ahnte man, wen er zum Stiefelhügel fahren ließ, vor wessen Grabe er sein letztes Gebet sprach.

Dean verließ den Saloon. Als er auf die Veranda trat, hörte er einen Mann sagen:

»Reddy, Harrison hat die Tanzgruppe ausgezahlt und aufgelöst. Was steckt dahinter?«

»Die Luft ist ihm zu bleihaltig geworden«, klang es zurück. »Man sagt, daß er seinen Leuten den Rat gab, mit der nächsten Stagecoach nach Albuquerque zurückzufahren. Die ganze Gruppe macht einen verschüchterten Eindruck. Sicherlich wird ihnen Harrison gesagt haben, daß es in diesem County eine ganz andere Art von Tanz gibt.«

Die beiden Männer gingen vorbei, und Dean hörte weiter nichts mehr. Der Einspänner stand noch dort, wo er ihn abgestellt hatte. Er ging hin und prüfte das Geschirr. Als er sich auf den Bock schwingen wollte, fiel sein Blick zufällig auf die

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andere Straßenseite. Starr blieb er auf einem Mann haften, der ihm über die Straße zurief:

»Dean ...!« »Clear!« fetzte es über Deans Lippen. Yea, dort, nur durch die Straße getrennt, stand

Clear Newton und spähte herüber. Er stand etwas geduckt und schief. Man erkannte trotz der Dämmerung deutlich sein bleiches Gesicht. Dean löste sich von seinem Pferd und setzte sich im nächsten Augenblick in Bewegung. Clear erwartete ihn. Neun Schritte von Clear entfernt blieb Dean plötzlich stehen.

»Ich brauche dir wohl keine Fragen zu stellen?« »Nein, Dean!« fauchte Clear heraus. »Jetzt weißt

du es! Du hast die Ranch entdeckt, du hast den Ring geschlossen und Harrisons Jungen gebracht. Man hat also nicht auf mich warten wollen. Nun, ich konnte nicht kommen. Tompkins hielt mich zurück. Er mißtraute mir und glaubte, daß ich dir helfen und beistehen würde. Er hat mich auf die rauhe Art zurückgehalten.«

»Clear, du bist zu lange im Lande geblieben. Die Zeit ist verteufelt knapp!«

»Ich weiß, aber ich war nie feige. Ich bin am Ende, seit heute nacht. Mabel versuchte auf mich zu schießen. Sie drückte auch ab, aber die Kugel beendete ihr Leben. Ich habe das nicht gewollt, aber sie war wie von Sinnen. Du hättest das alles von Sam und Dix erfahren können. Sie suchen nach Mabel. Ich habe sie aus dem Versteck geholt und zum Stiefelhügel gebracht. Ich hatte keine Ruhe.«

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Dean schaute den früheren Freund an, als stünde ein Fremder vor ihm. Kalt kam seine Frage über die Lippen:

»Hatte Mabel ein Recht, die Waffe auf dich zu richten?«

»Nein, sie war wie von Sinnen! Ich begriff das nicht«, log Newton, ohne eine Miene zu verziehen. »Sie hatte keine Veranlassung, mir eine Eifersuchtsszene zu machen. Es war schrecklich genug in der letzten Nacht für mich. Aber ich konnte nicht aus dem Lande reiten, ohne es dir zu sagen. Ich wollte keinen Schatten auf meiner Fährte haben.«

»Clear ... reite sofort!« klang es heiser und fremd über Deans Lippen.

Clear bewegte sich nicht. Nur seine buschigen Brauen schoben sich enger zusammen. »Ich habe mich treiben lassen, Dean«, keuchte er. »Ich war immer in Schwierigkeiten, und Tompkins nützte das aus. Aber als ich aus dem Geschäft steigen wollte, war ich zu tief verwickelt und mußte erleben, daß es kein Aussteigen gab.«

»Newton ... und trotzdem wagtest du es, mir vor die Augen zu treten?«

»Petras wegen! Die Bahn ist jetzt frei für dich. Ich habe sie gefragt, ob sie mit mir in ein anderes Land reiten würde. Sie lehnte ab. Vielleicht liebte sie immer nur dich und war mir nur gut, weil ich dein Freund war. Das war die letzte und größte Enttäuschung für mich.«

»Geh mir aus den Augen ... für immer!« »Du hättest allen Grund, das mit ganz anderen

Augen anzusehen«, war die böse Erwiderung. »Wenn du mich niederschießt, wird dir Petra das

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übel anrechnen. Außerdem ist noch nicht sicher, wer von uns beiden die schnellere Hand hat. Es wäre doch zu schade, wenn sie dir nicht ein letztes ›so long‹ nachrufen könnte und du jetzt schon sterben müßtest. Aber mir kann es recht sein. Fangen wir an und bringen es hinter uns!«

Weiter kam er nicht. Dean zog – schneller als jemals zuvor! Ein heiserer Laut kam von seinen Lippen, als er zornig sagte:

»Vielleicht hätte ich jetzt abdrücken und mich nicht durch eine alte Erinnerung weich machen lassen sollen. Geh voran. Zu deinem Pferd!«

Deans Erregung war stärker als sein Feingefühl für Warnungen. Er konnte nicht ahnen, daß Tompkins und seine Leute nur scheinbar durch die Gärten Atlanta mit ihren Pferden verlassen hatten.

Tompkins hatte seinen Leuten schon bald befohlen anzuhalten und die Pferde außerhalb der Stadt stehen zu lassen. Beim Rückmarsch war er auf Clear getroffen.

»Wir haben dich vorhin beobachtet, Newton«, hatte Tompkins rauh gesagt. »Wo hast du die abgesägte Schrotflinte gelassen?«

»Solange ich euch damit in Schach halten und verhindern konnte, daß ihr Dean angreift, war sie wertvoll, jetzt nicht mehr.«

»Du weißt wohl immer noch nicht, auf welcher Seite des Zaunes du stehst? Du hast es uns schwer gemacht, Dutley zu stellen.«

»Ich habe ihm noch etwas Wichtiges zu sagen.« unterbrach ihn Clear.

»Wenn du uns hereinlegen willst, lebst du nicht mehr lange«, sagte Tompkins böse. »Lange genug hast du Zeit gehabt, dich richtig zu entscheiden.«

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»Ich tat es heute nacht«, erwiderte Clear rauh. Er sah an Tompkins vorbei und zu dessen Leuten hin, sah das böse Glitzern ihrer Augen und spürte die eiskalte Bereitschaft dieser Mannschaft.

»Wir suchen die Entscheidung«, sagte Tompkins. »Hier ist sie leicht zu erzwingen.«

»Nun gut ... auch ich suche eine Entscheidung«, erwiderte Clear. »In dieser Nacht ist zu viel geschehen. Mein Traum ist zu Ende geträumt. Man weiß, mit wem ich zusammenarbeite. Dean Dutley war in den Zuni Mountains.«

»Das stört mich wenig«, erwiderte Tompkins, »mir geht es um das Land. Die Rinder habe ich als Nebenbeschäftigung abgetrieben. Wir alle haben gut dabei verdient. Jetzt geht es um mehr!«

Clear sah ihn fest an. Er entgegnete trocken: »Du hast zu große Pläne, Tompkins. Chalhoun

verließ dich. Er hat sicherlich geplaudert« »Ein alter Narr ging. Wir haben dadurch nichts

verloren. Du aber hast in einer Nacht gleich zwei Frauen verloren.«

Clear Newton gab keine Antwort. Seine Lippen preßten sich zu schmalen Strichen zusammen. Er machte kehrt und ging. Er sah noch, wie die Ein-Baum-Crew sich auf einen Wink von Tompkins hin zerstreute.

»Sitz auf!« befahl Dean. »Hoffentlich kreuzt du nie wieder meinen Weg.«

»Das kann man niemals voraussagen«, warf ihm Clear über die Schulter zu. »Vielleicht kommt es ganz anders, als du denkst.«

Zum zweitenmal überhörte Dean die Warnung. Zum zweitenmal machte er einen Fehler.

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»Ich würde es dir nicht raten. Es gibt nichts mehr zwischen uns! Ist das klar?«

»Ich höre es«, grinste Clear höhnisch. Sein Gesicht war nur ein bleicher Fleck in der Dunkelheit. Für einen Moment konnte Dean seine Bewegungen nicht richtig übersehen.

»Dutley!« klang es schneidend hinter ihm. Er gab keine Antwort. Er konnte nichts erkennen, wurde sich aber augenblicklich seiner Lage bewußt. Heiser zischte er Clear an:

»Das ist es also, du Schuft! Noch im letzten Moment bleibst du der Verräter!«

Clear schoß sofort. Von seiner Hüfte brach das Todeslicht auf und hieb dicht an Dean vorbei.

Dean sprang und schoß im Springen weiter. Er wußte sogleich, daß Clear sich hinter dem Pferd in Deckung gebracht hatte und seine Kugel ihn nicht getroffen hatte.

Noch ahnte er nicht, daß Clears Warnschuß ihn aus einer ausweglosen Situation befreien sollte. Er schoß nochmals, stand dann geduckt und lauschte. Clears Pferd war nicht sonderlich durch die Schießerei erregt. Irgend jemand stieß rechts von ihm mit dem Fuß an die Blechtonne, die man als Regenfänger aufgestellt hatte. Von links klang Tompkins’ rauhe Stimme:

»Wir haben dich in der Zange, Dutley, hier kommst du nicht lebend raus!«

Im nächsten Moment krachte ein Revolver. Die Kugel klatschte gegen eine Holzwand. Ringsum flammte es auf. Schüsse rasten auf, als ob endlich das Signal für Tod und Vernichtung gegeben wäre. Nur einer schoß nicht – Clear Newton. Er stand immer noch hinter seinem Pferd, das er

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losgebunden hatte, in Deckung. Er versuchte mit seinem Pferd, das er als lebenden Schutzwall gebrauchte, sich zurückzuziehen. Dean wich bis zum Schuppen zurück. Für einen Moment sah er Clears Silhouette frei vor sich und hätte schießen können, aber er tat es nicht. Er ließ Clear passieren, wußte er doch jetzt, daß Clear mit seinen Warnschüssen die Bande gehindert hatte, ihn, Dean, mit ihren Kugeln einzudecken.

Sicherlich würde Clear jetzt reiten und seine Chance nützen. Es ging ihm nur darum, sein eigenes Leben in Sicherheit zu bringen. Endgültig war das Band zwischen ihnen zerrissen.

Dean schoß und bewegte sich schnell. Ringsum klatschten die Kugeln in die Wände. Eine schlug durch den Stetson, eine andere sengte die Haut über dem Rücken. Der Schmerz brannte wild in ihm. Einen Augenblick später erreichte er die Schuppentür. Sie bot nur wenig Deckung. Von hier aus feuerte er auf ein Mündungslicht, das gefährlich vor seinen Augen aufleuchtete. Er schoß, durchtobt von bitteren Gefühlen.

Eine Stimme schrie gellend auf; ein dumpfer Fall. Weiter rechts krachten Schüsse. Gebrüll wurde laut. Jemand schrie:

»Die Pfeil- und die Radnaben-Cowboys kommen!« Flüche schallten. Eine schattenhafte Bewegung war vor Dean. Er schoß. Ringsum brüllten Männer, Kugeln klatschten ins Holz, hieben gegen Eisenverschalungen. Dean wechselte den Standort nicht mehr. Seine Gegner hatten alle Hände voll zu tun und versuchten in der Dunkelheit durchzubrechen. Wieder schrie jemand getroffen auf.

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Dean hob zuerst die rechte, dann die linke Waffe. Er hatte beide Eisen leergeschossen, und ihm blieb keine andere Wahl, als zu bleiben. Er wußte nicht, ob die Gefahr vorbei war oder nicht.

»Dutley!« schrie jemand laut in die Stille hinein, die nach dem Aufrasen der Schüsse aufgekommen war. »Lebst du?« rief ein anderer. »Dean, hier ist Sam! Melde dich, Dean! Die Ein-Baum-Crew ist durch die Gärten geflüchtet.«

»Kommt nur!« erwiderte Dean müde und heiser, wobei er sich den kalten Schweiß aus der Stirn wischte. »Die Schufte sind wohl abgezogen?«

Aus einem der Häuser hinter dem Schuppen kam ein Mann mit einer Laterne, deren bleicher Schein auf Sam Hopkins fiel, der in Begleitung von Pfeil-und Radnaben-Cowboys herankam.

Einer der Männer sagte: »Genauso schlimm wie in der Apachenzeit, als unsere alte Ranch niederbrannte. Es stinkt hier nach Blei, nach Pulver und Coyoten.«

Sam legte Dean die Hand auf die Schulter und drehte ihn langsam um die eigene Achse.

»Das war knapp!« stieß er böse durch die Zähne und betrachtete Deans Verletzung am Rücken.

Dean sagte trocken: »Es ist gut gegangen, nur eine kleine Schramme.«

10.

Man nahm die Verfolgung auf, doch die Reiter verloren schon bald die Fährte und kehrten zum Apachen-Saloon zurück, wo sich die Rancher und Cowboys trafen. Trotz der vorgeschrittenen Stunde

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war Atlanta ein Ort, in dem es sehr lebendig war. Man spürte den Aufruhr, der nach der Schießerei um sich gegriffen hatte. Man sah es den Bürgern an, daß sie in Spannung lebten, denn viele Menschen warteten vor dem Apachen-Saloon.

Sam hatte den Saloon wieder übernommen. Lächelnd erklärte er: »Das viele Geld, das mir Harrison zahlte, wird sicherlich zur Herstellung eines Asyls für Cowboys reichen. Vielleicht kann man sogar eine Schule oder Kirche bauen. Harrison hat den Vertrag zerrissen. Ich fand ihn im Papierkorb. Er versuchte erst gar nicht, sein Geld von mir zurückzubekommen. Sicherlich ist es in seinem Sinne, wenn das Geld einem guten Zweck dient.«

»Im Sinne seines toten Jungen, Juan Harrison«, unterbrach ihn Dean. »Wenn wir alles hinter uns haben und die Apachenweide frei von Raubzeug ist, beginnen wir ein neues Leben.«

»Fangen wir gleich an mit der Arbeit, das Raubzeug zu jagen«, sagte einer der Männer drängend. »Worauf warten wir noch?«

»Auf Dix Lonnigan und Rancher Chalhoun«, erwiderte Sam Hopkins. »Es beunruhigt mich, daß beide noch nicht eingetroffen sind. Sie wollten in einem Einspänner Mabel auf der letzten Fahrt begleiten.«

Unruhig schaute er durch das Fenster. Dean trat neben ihn und fragte:

»Was hat Chalhoun damit zu tun?« »Der Oldtimer hat alles mitangesehen, was in der

Nacht zwischen Clear und Mabel geschah.« »Auch, daß Mabel mit ihrem Derringer Clear

bedrohte?«

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Sam hob den Kopf und antwortete: »Was ist dir darüber bekannt?«

»Das, was mir Clear darüber berichtet hat, Sam.« »Er wagte es? Himmel, wie tief mag der Schuft

gesunken sein, daß er sich dir stellte und sich nicht vor Scham verkroch! Sicherlich wird er dir gesagt haben, daß er es nicht gewollt hat. Mabel muß schon sehr erregt gewesen sein, daß sie zur Waffe griff. Wie es auch immer gewesen sein mag, Clear ist schuldig. Er hat sie dazu getrieben. Er gab es auch zu, als Chalhoun ihn auf der eigenen Ranch stellte.«

»Das hat der Oldtimer gewagt?« »Clear dankte es ihm, indem er ihn überrumpelte

und fesselte und mit Chalhouns Pferd davonbrauste. Dix befreite Chalhoun und brachte den Oldtimer zur Ranch. Durch einen Boten übermittelte er mir alles, was geschah, und daß er mit Chalhoun Mabel holen wollte. Was schaust du mich so an, Dean? Gefällt dir etwas nicht?«

»Mabel wird von Dix und Chalhoun nicht gefunden werden, Clear brachte sie bereits zum Friedhof vor der Stadt. Es ließ ihm keine Ruhe. Vielleicht besaß er noch etwas, was nach Gewissen aussah, und handelte wie unter einem Zwang. Clear ist ein Mensch, der jeden Halt verloren hat. Ich hoffe nur, daß er seine Chance wie Harrison nützte. Fragen wir doch den Leichenbestatter, ob Clear uns die Wahrheit sagte.«

Wenig später erfuhren sie die Wahrheit. Der Leichenbestatter konnte es bestätigen. Mit gezogener Waffe hatte ihn Clear gezwungen, die Beerdigung vorzunehmen. Er sagte folgendes: »Clear Newton drohte mir an, wiederzukommen,

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wenn ich etwas verraten würde. Ich bin kein Held und möchte keine Schwierigkeiten haben. Das ganze Land ist in einer unheimlichen Erregung. Von Tag zu Tag mehr spürt man, daß der Tod mit Meilenschritten heranrückt. Ich aber will leben.«

»Niemand wird dir ein Haar krümmen«, sagte Sam zu ihm.

Schweigend kehrten sie zum Saloon zurück. Noch immer warteten die Leute davor.

Aus der Cowboygruppe, die sich im Saloon aufhielt, fragte einer der Männer unruhig:

»Ist es nun soweit, Vormann?« »Wir reiten!« antwortete Dean entschlossen. Die Cowboys gingen zu ihren Pferden und zogen

sich in die Sättel. Sam blieb nicht zurück. Er verschloß den Apachen-Saloon und nahm in dem Einspänner Platz, den Dean vorgefahren hatte. Vom Bock des Gefährtes aus blickte Dean auf die Mannschaft. Zehn Reiter waren es, harte, entschlossene Männer, die genau wußten, worum es ging. Gut ausgerüstet und schwer bewaffnet, folgten sie dem Einspänner.

Etwa nach fünf Meilen tauchten zwei Reiter vor ihnen aus der Nacht auf. Sie versuchten zu fliehen. Im letzten Augenblick wurden sie erkannt, und auch sie erkannten die Kavalkade. Dean stoppte den Einspänner, beugte sich vor und sah Dix Lonnigan und Chalhoun, die ihre Pferde nebeneinander hielten.

»Freunde, erspart euch die Suche«, sagte Dean, »ihr kommt zu spät!«

»Das, Dean, haben wir mittlerweile herausbekommen«, stieß Dix mürrisch hervor. In den Augen des Mannes tanzten gelbe Lichter.

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»Vormann, von jetzt an werde ich ein Schatten auf Clears Fährte sein, und wohin er sich auch wendet, ich werde ihm folgen, bis ich ihm vor die Stiefel springen kann.«

»Dix, das ist deine Sache! Wenn es dir keine Ruhe läßt, kannst du damit gleich anfangen.«

»Nein, ich kann warten. Seine Fährte kann nicht verlöschen.«

Seine Stimme brach plötzlich ab. Er nahm sein Pferd herum. Chalhoun tat es ihm nach. Beide schlossen sich der Kavalkade an.

Dean fuhr den Einspänner weiter. Er hörte hinter sich Sam Hopkins leise, nur für ihn verständlich, sagen: »Dix gehört zu jenen Männern, die nur einmal lieben und nie von dieser Liebe loskönnen, gleich, ob es eine glückliche war oder nicht. Er ist das Gegenteil von Clear, dem die Herzen zuflogen und der keine Gewissensbisse hatte, wenn er eine Frau verließ. Petra wird die gnadenlose Wahrheit einen unheimlichen Schock versetzen.«

»Kaum!« »Hölle, du solltest sie besser kennen, Dean!«

entgegnete Sam Hopkins. »Petra weiß sicherlich nichts.«

»Clear war bei ihr und hat versucht, sie dazu zu überreden, mit ihm das Land zu verlassen. Sie hat es abgelehnt. Sicherlich war das ein Schlag, der seine Hoffnung zertrümmerte und ihm den Halt nahm. Vielleicht versuchte er deshalb eine letzte Aussprache mit mir.«

»Du lieber Himmel! Er kam, um dir die Wahrheit zu sagen?«

»Yea!« Eine ganze Weile blieb es hinter Dean still.

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Weiter ging es in die Nacht hinein, Meile um Meile, bis die Geteilter-Topf-Ranch sichtbar wurde. Auf dem Hof wimmelte es von Pferden. Aus allen Richtungen der Apachenweide waren die Männer gekommen. Die Geteilter-Topf- Ranch glich einem kleinen Heerlager. Es herrschte eine eigenartig gespannte Stimmung. Plötzlich sagte jemand zu Dean:

»Der Boß erwartet dich, Vormann, geh am besten gleich zu ihm auf sein Zimmer.«

»All right«, erwiderte Dean. Er sprang vom Bock. Chalhoun legte Dean die Hand auf die Schulter.

»Ich hätte es dir sagen sollen. Slim Hallerman geht es nicht gut. Ohne die Kugel, die man aus dem Hinterhalt in der vergangenen Nacht auf ihn abfeuerte, hätte er noch einige Jahre leben können«, erwiderte Chalhoun heiser.

Dean atmete schwer. Es war ihm, als setzte sein Herzschlag aus.

»Wie konnte das nur geschehen?« »Slim wollte zur Stadt reiten. Einige Meilen von

der Ranch entfernt geschah es dann. Die Kugel traf ihn in den Rücken. Es war noch ein Glück, daß man den Schuß von der Ranch her gehört hatte und sofort aufbrach. Man fand den Rancher neben seinem Pferd liegen. Er war ohne Besinnung und blieb es, bis sie ihn auf der Ranch in sein Bett gelegt hatten. Der Doc war gleich zur Stelle, doch er hat alle Hoffnung aufgegeben. Jetzt wartet er nur noch auf dich, Vormann.«

Dean ging gleich einem Schlafwandler. Seine innerliche Erregung war so stark, daß er zusammenfuhr, als aus einer Ecke der

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Wohnzimmerdiele Petras Gestalt auf ihn zutrat und vor ihm stehenblieb.

»Dean«, sagte sie mit fast bebender Stimme. »Chalhoun hat es dir bereits gesagt?«

»Yea«, gab er zur Antwort, »Wie konnte es geschehen?«

»Dad hatte immer seine eigenen Ideen. Es ließ ihm keine Ruhe. Als du allein davongeritten warst, war er von einer unheimlichen Unruhe und Erregung gepackt. Vielleicht wollte er sich nur Bewegung verschaffen und seine Unruhe durch einen Ritt durch die Nacht abreagieren. Vielleicht traute er Clear nicht und hoffte, etwas herauszufinden. Er hat es mir nicht gesagt, weil er mir nicht weh tun wollte.«

»Clear war hier?« »Er kam am Morgen, um eine sofortige

Entscheidung von mir zu erzwingen. Er war nicht wie sonst, und noch nie hatte ich ihn so zerstreut und in einer derartig schlechten Verfassung gesehen. Er wollte, daß ich sofort alles aufgeben und mit ihm reiten sollte. Er verlangte es, obwohl ich ihm erklärte, wie ernst es um Dad stand. Ich begriff ihn nicht Zum erstenmal wurde ich mir klar, daß wir uns nichts mehr zu sagen hatten und er ein Fremder für mich war. Als er vor mir stand, wußte ich es plötzlich, daß wir nicht zueinanderfinden würden und nicht füreinander bestimmt waren.«

»Überlege es dir richtig!« »Ich brauche es nicht mehr«, sagte sie fest. Ihre

Augen leuchteten ihn an. »Schon seit einigen Tagen war es mir, als stimmte etwas nicht mit Clear, und je mehr ich Dix und Sam beobachtete, um so fester

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wurde ich davon überzeugt, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Vielleicht sagst du es mir!«

»Petra, das kannst du nicht von mir verlangen!« »Ich habe Ohren und Augen, Dean, es ist mir

nicht entgangen, worüber die Männer auf der Ranch flüsterten«, entgegnete sie erregt. »Es stimmt also, daß Mabel ...«

»Yea, Mabel ist tot. Es war ein Unglücksfall, in den Clear verwickelt wurde.«

»O Gott, vielleicht hatte Dad etwas geahnt und wollte es verhindern, Dean. Vielleicht war es kein Unglücksfall, vielleicht, o Gott ...« Sie schluchzte auf und hob beide Hände vor ihr Gesicht. Er trat an sie heran und zog sie eng an sich.

Er wartete, bis die Erregung abklang und sie sich fand. Dann sagte er: »Mädel, irgendein guter Engel hat dich vor einer großen Torheit bewahrt. Laß dir Zeit und komm erst innerlich zur Ruhe. Wer auch immer der Mann ist, auf den du deinen Blick jetzt gerichtet hast, nimm dir Zeit!«

»Dean ... begreifst du es immer noch nicht?« »Nein!« stieß er hervor. »Du bist es, du!« schrie sie leidenschaftlich auf,

wirbelte im nächsten Augenblick herum und verschwand in das kleine Nebengemach. Die Tür flog hinter ihr ins Schloß.

Aufgewühlt stand Dean da. Schwerfällig setzte er sich in Bewegung. Aus der offenstehenden Tür des Krankenzimmers tönte Slim Hallermans Stimme:

»Es tut meinen Ohren gut, das zu hören. Es stirbt sich leichter, wenn der Traum eines Mannes in Erfüllung geht. Komm nur herein, Dean.«

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Dean trat ein. Heiß brannte es in seinen Augen, als er den alten Mann hochaufgerichtet im Bette sitzen sah.

Slims bleiches Gesicht wurde von dunklen Schatten durchzogen.

»Setz dich, Dean! Daß ich den heutigen Tag noch erlebe, war das schönste Geschenk in meinem Leben. Der Himmel hat es noch einmal gut mit mir gemeint. Nimm Platz, Dean!«

»Du hast alles mit angehört, Slim?« »Nicht nur das, was ihr beiden euch im

Nebenraum zu sagen hattet, Dean«, erwiderte Slim, »sondern auch, was sich inzwischen alles ereignet hat. Ich bin stolz auf dich. Wenn du es hinter dir hast, wirst du wissen, daß Petra zu dir gehört. Das wird gut sein. Die Ranch braucht nicht geteilt zu werden. Meine Lebensarbeit wird von dir fortgesetzt. Ich habe es immer gewußt, daß du kämpfen kannst.«

»Mir ist jetzt nicht danach zumute, Slim.« Slim Hallerman nickte. »Eine andere Antwort habe ich nicht erwartet. Du

wirst nie zu jenen gehören, die sich an der eigenen Macht berauschen und Dinge tun, die sie später nicht verantworten können. Der Kreis hat sich geschlossen, die Gegner sind erkannt. Jetzt liegt es nur noch an deiner Führung.«

»Yea, Slim! Ich werde versuchen, ein guter Reitboß zu sein, und tun, was in meinen Kräften steht.«

»Denke immer daran und mach jetzt keine Unterschiede.«

»Slim, du hast einen bestimmten Gedanken?«

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Der Oldtimer lächelte. »Wir beide haben uns immer gut verstanden. Nun gut, alles soll klar liegen. Du hast Clear eine Chance gegeben. Er wird sie in den Wind schlagen und bei den anderen sein.«

»Wenn er das tut, so hat er sich selbst gerichtet, Slim.«

»All right, vergiß, daß er dein Freund war. An einem bestimmten Punkt hört alle Freundschaft auf.« Er brach ab und wurde von einem Hustenanfall erschüttert. Nach einer kurzen Pause sagte er dann: »Wir haben uns noch einiges zu sagen, Dean. Mein Leben war abenteuerlich und rauh gewesen. Nun, das alles liegt jetzt hinter mir. Gib mir einen Platz in der Nähe der Ranch, Dean. Das ist alles, was ich noch erbitte, und sei gut zu Petra.«

»Slim, wer hat dich aus dem Sattel geschossen?« wollte Dean wissen.

Der Ranchboß sah Dean aufmerksam und lange an, dann sagte er ganz ruhig: »Ich habe ihn genau erkannt, als er davonritt und mich für tot liegen ließ. An der Art, wie er sich im Sattel bewegte, war er leicht zu erkennen.«

»Wer war es?« »Apache Kid«, erwiderte der Oldtimer ruhig. »Er

hielt mich für Chalhoun, dessen Spur er folgte, und schoß mich kaltblütig nieder. Ich wollte Clear beschatten, als er Mabel nach Atlanta begleitete. Ich traute ihm nicht und hatte heimlich ein Pferd gesattelt. Dabei stieß ich auf Chalhouns Fährte, und da Chalhoun und ich uns ähneln, bekam ich die Kugel, die für ihn bestimmt war. Chalhoun aber konnte somit Zeuge der Auseinandersetzung

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zwischen Mabel und Clear werden. Ich nehme an, daß Apache Kid den Auftrag hatte, Clear nicht aus den Augen zu lassen. Auf der anderen Seite mißtraute man ihm und wußte nicht, wie weit er gehen würde.«

Slim schwieg. Beide Männer fühlten das eisige Schweigen, das der Tod als Vorbote sandte.

Der Schatten eines Mannes tauchte an der Tür auf. Dean erkannte den Doc, der besorgt auf seinen Patienten blickte.

»Doc«, sagte Slim, »nur etwas Geduld, es geht nicht alles so, wie man es sich wünscht. Schickt mir Petra herein!«

»Sie überanstrengen sich, Slim!« »Danach habe ich mein Leben lang nicht gefragt,

Doc«, erwiderte Slim mit einem bitteren Lächeln. »Zu gewissen Zeiten darf man Müdigkeit nicht kennen. – Ich möchte jetzt Petra sprechen.«

Dean wandte sich an Slim Hallerman: »Slim, ich hole sie«, sagte er leise.

Der Kranke schüttelte den Kopf. »Laß es den Doc machen. Bleibe du! Was ich zu sagen habe, geht nur dich und Petra an.«

Der Doc warf einen langen Blick auf Slim Hallerman, dann schaute er Dean an, und seine Lippen zuckten, doch er sagte nichts, sondern wandte sich schweigsam um und ging aus dem Raum. Einen Moment später kam Petra herein. Sie setzte sich neben ihren Vater auf das Bett und ergriff seine Hand.

Sie war so erregt, daß sie kaum sprechen konnte. »Ich habe mir immer gewünscht, aufrecht zu

sterben«, sagte Slim. »Jetzt ist es soweit. Ich möchte von euch kein Versprechen, denn ein Versprechen

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belastet immer. Ich will euch nur noch einmal ansehen, dich, Petra, und dich, Dean.« Seine Stimme wurde leiser. Sie hatte keine Kraft mehr und verlosch fast völlig.

Es war Dean, als wäre alles plötzlich um ihn herum in rauchige Nebel getaucht. Er fühlte, daß Petra an seiner Brust in ein schreckliches Weinen ausbrach und sich fest an ihn klammerte.

»Doc, was ist?« »Slim ist erlöst, Dean«, erwiderte der Doc ruhig.

Seine Stimme klang wie aus weiter Ferne. »Er hat schrecklich leiden müssen. Gönnt ihm die Ruhe. Er war ein tapferer Mann, der endlich seinen Frieden fand.« Der Doc nahm seinen Stetson ab und verließ den Raum. Es war ganz still.

»Schau, Petra«, kam es leise von Deans Lippen, als der erste Ansturm der Gefühle sich gelegt hatte, »schau dir Vater an, er lächelt.«

Es war so, auf dem bleichen Gesicht des Toten lag der Schimmer eines weichen Lächelns, als hätte der Tod es ihm selbst aufgedrückt.

11.

Noch in der gleichen Nacht wurde Slim Hallerman seinem Wunsch gemäß in Ranchnähe beerdigt. Nur eine Stunde später führte Dean die Kavalkade des Aufgebotes von der Ranch. Dreißig Mann stark war die kleine Truppe, und jeder der Reiter war entschlossen, seinen Mann bis zum Letzten zu stehen. Des Ranchers Beerdigung hatte die Männer alle gleichermaßen aufgewühlt. Jeder wußte, daß

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dieser Ritt alles andere war als ein Erkundungsritt und daß der Tod mit ihnen Bügel an Bügel war.

Eine Meile vor der Siedlung Apache Kids hielt Dean die Reiter an und teilte sie in drei Gruppen auf. Er beauftragte Dix und Sam mit der Führung je einer Gruppe und erklärte kurz seinen Plan.

Von drei Seiten wollten sie die Siedlung umzingeln. Auf einen Signalschuß hin sollte der Tanz losgehen. Jede Fluchtmöglichkeit sollte Apache Kid und seinen Leuten genommen werden.

Sam nickte: »Dieser Plan ist gut, Dean. Halten wir uns nicht mehr auf und führen es zu Ende. Deine Gruppe wird also vom Schluchtrand her den Feuerreigen beginnen.«

»Yea, reitet vorsichtig!« »Nur keine Sorge«, rief Dix eigenartig zu Dean

hin. Dix hatte die Leute der Geteilter-Topf hinter sich. Seine Gruppe war mit ihm acht Mann stark. Es war die kleinste Gruppe, aber auch die wendigste.

Absichtlich hatte Dean den Männern der Geteilter-Topf mit Dix den weitesten Weg gegeben. Das sollte die Ungeduld der Männer ein wenig bremsen. Beide Gruppen entfernten sich rasch.

Dean brach mit seiner Mannschaft, der auch Chalhoun angehörte, ebenfalls auf. Hügelschatten tauchten auf und blieben zurück, Geröllhalden wurden überquert. Höher stiegen die Pferde. Der Wind packte die Reiter, als sie auf dem Kamm anlangten.

»Wir halten und gehen die letzte Strecke zu Fuß«, ordnete er an und wandte sich dann an Chalhoun. »Dick bleibt bei den Pferden.«

»Zum Teufel, ich ...«

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»Jemand muß es tun, Dick«, unterbrach er den Alten, der ihn böse anblickte. »Man kann nie wissen, von welcher Seite jetzt die Überraschungen kommen.«

»Wenn es so ist, gebe ich mich mit dem Posten zufrieden.«

»All right, Dick.« Die Männer saßen ab und brachen zu Fuß auf.

Als Dean mit seiner Gruppe weit genug von Chalhoun entfernt war, sagte einer der Männer:

»Du hast es ihm ersparen wollen, daß er auf seine früheren Freunde zu schießen hat?«

»Es ist für einen Mann schlimm, wenn er es tun muß«, entgegnete Dean bitter. Ein Cowboy vor ihm kroch bereits auf den Schluchtrand zu. Er meldete leise:

»Sie müssen da sein. In allen Hütten brennt Licht.«

Dean schob sich vorwärts. Neben ihm krochen die Männer zum Schluchtrand. Dort angelangt, schoben sie ihre Winchester vor, so daß die Mündungen in die Tiefe zeigten.

»Ich glaube nicht, daß die Schüsse bis zur Ein-Baum-Ranch gehört werden können«, sagte Dean, der den Wind prüfte. »Warten wir ab, bis Dix das Zeichen gibt.«

Irgendwo unten wieherte ein Pferd. Das war aber auch das einzige Geräusch, das aus der Schlucht herausdrang. Zehn Männer warteten auf das Feuersignal. Sie warteten geduldig eine Viertelstunde. Jetzt mußte Sam Hopkins mit seiner Gruppe angekommen sein und irgendwo versteckt in Bereitschaft stehen. Nicht einen Mann der Gruppe hatte man zu sehen bekommen. Nicht ein

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Stein rollte, kein verräterisches Geräusch kam aus der Tiefe. Doch dann sah man vom Schluchtrand her einen Mann, der aus dem Dunkel trat, hinauf winkte und gleich wieder verschwand.

»Das ging glatt«, sagte der Mann neben Dean heiser, wobei er tief den Atem einzog und seine Hand sich fester um die Winchester legte. »Wie die Apachen sind sie angeschlichen. Jetzt müßte Dix Lonnigan eintreffen.«

»Nur Geduld!« Jemand stieß heiser durch die Zähne: »Wo, zum

Donner, bleibt Dix mit seinen Männern?« Man unterhielt sich leise. Es brauchte nicht

befürchtet zu werden, daß man in der Schlucht oder gar in den Hütten gehört würde. Man sprach sicherlich nur, um ein Ventil für die Nervenbelastung zu haben. In dem Moment, als Dean beruhigend auf seine Leute einreden wollte, dröhnten Schüsse vom Norden her. Nein, es war nicht, wie verabredet, ein Signalschuß aus der Schlucht. Der Detonationslärm kam aus den Wäldern und klang so, als ob zwei feindliche Gruppen aufeinandergestoßen wären. Es war, als streifte ein eiskalter Hauch die Männer am Schluchtrand. Sie blieben für Augenblicke in kalter Starre unbewegt hinter ihren Winchestern liegen.

»Dix!« schrie plötzlich jemand den Namen des Mannes heraus, der mit seiner kleinen Gruppe auf unerwarteten Widerstand gestoßen war.

Der Name Dix war wie ein Signal und entfachte im nächsten Moment die Hölle. Dean brauchte keine Befehle zu geben. Die Winchester der Männer am Schluchtrand brüllten auf. Sie spien ihre Geschosse in die Hütten hinein. Gleichzeitig griff

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Sam Hopkins mit seiner Gruppe von der Südflanke die Siedlung an.

Die Lichter erloschen. Einige Kugeln wurden zurückgefeuert. Sie schlugen ins Gestein oder hieben gegen die Schluchtwand, prallten ab und sausten als Querschläger weiter. Ein Schrei übertönte den Lärm. Die dunklen Silhouetten von drei Pferden jagten nach Norden. Bevor die Pferde jedoch um die Schluchtbiegung verschwanden, war ein Sattel plötzlich leer. Das reiterlose Pferd jagte weiter.

Von unten her drang Sam Hopkins’ Stimme: »Das Nest ist leer! Nur drei Kerle haben uns ein

wenig Widerstand geleistet. Sie haben die Hütten angezündet. Was nun?«

»Reitet die Schlucht nach Norden hinauf. Wir bringen Dix Lonnigan Ersatz.«

»All right, Dean!« klang es aus der Schlucht. Dean wandte sich sofort an seine Männer, die aufsprangen und zu den Pferden wollten, und brüllte sie an: »Nachladen, Gents!«

Jemand lachte scharf auf. »Du denkst an alles, Vormann.«

Während Dean mit seinen Leuten, so schnell es ging, zu den Pferden rannte, flammten die Hütten in der Schlucht auf. Der Hufschlag der Reitergruppe von Sam Hopkins entfernte sich nach Norden.

Irgend etwas war schiefgegangen. Es galt, so schnell wie möglich Dix Lonnigan zu helfen. Nach einer Viertelstunde trafen sie im Buschgebiet auf die ersten versprengten Reiter von Dix Lonnigans Gruppe.

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»Ihr kommt ein wenig zu spät«, sagte Lud kehlig, als Dean vor ihm sein Pferd mit einem scharfen Ruck zum Stehen brachte. »Sie haben uns wie die Hasen auseinandergetrieben, daß wir nach allen Seiten ausbrechen und flüchten mußten. Wir trafen auf Tompkins’ Hauptmacht, als wir im Norden zur Schlucht einbogen. Sie kamen uns in den Rücken und schlugen hart zu. Benjamin und Peer sind tot. Alle anderen haben sich durch die Flucht retten können. Nur der Himmel weiß, wo sie stecken. Tompkins hat mehr Leute bei sich, als wir annehmen.«

»Sie blieben euch nicht auf den Fersen?« »Tompkins durchschaute unseren Trick und

hätte seine Leute in viele Einzeltrupps auseinanderreißen müssen. Auf ein solches Risiko ließ er sich nicht ein, seine Truppe schwenkte nach Norden. Das erste Treffen hat er gewonnen«, klang es bitter.

»Der Kampf ist noch nicht verloren«, erwiderte Dean rauh. Er gab das Zeichen zum Weiterritt. Wenig später kam Amb aus seinem Versteck geritten und sagte:

»Ich habe Peer retten wollen, doch er starb. Suchen wir Benjamin!«

»Wir kümmern uns später darum, Amb«, entschied Dean, »später auf dem Rückmarsch. Jetzt geht es weiter. Wir können uns keinen Fehler erlauben.«

Das war eine harte Entscheidung, doch keiner der Reiter lehnte sich gegen Deans Worte auf. Jeder spürte, daß es dem Vormann darum ging, keine zweite Niederlage hinzunehmen.

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Dix Lonnigan fehlte. Alle andern hatten sich eingefunden. Man rief nach ihm, aber es kam keine Antwort. Dix blieb verschollen.

»Was denkst du?« wollte Dean von Sam wissen. Hopkins bewegte die breiten Schultern. »Er lebt«,

gab er kurz zur Antwort. »Er muß einen Mann gesehen haben, der ihn vergessen ließ, was er unserer Streitmacht schuldig ist.«

»Clear?« »Yea!« klang es hart zurück. »Clear bleibt in

diesem verteufelten Land, weil er sterben will! Er hat die Chance nicht wahrgenommen. Vielleicht weiß er nichts mehr mit sich anzufangen, und alles ist in ihm zerbrochen. Die gute alte Zeit wird nie wiederkommen, Dean.«

*

Als Dix Lonnigan sich mit seiner Reitergruppe von der Hauptkavalkade löste, schaute er nach einer Meile zurück und nickte befriedigt. Dicht hinter ihm ritten sie, die Männer von der Nordweide der Geteilter-Topf-Ranch, hinter ihm Lud, dann Amb, Stuart, Red, John, Peer. Benjamin, der Jüngste, ritt am Schluß.

»Wir biegen jetzt ab«, sagte Dix endlich. »In wenigen Minuten beginnt der Tanz.«

Niemand schien etwas dagegen zu haben. Sie folgten Dix Lonnigan, der sein Pferd nach rechts herum nahm. Gerade als sie an einer Baumgruppe vorbeireiten wollten, um in die vor ihnen dunkel sichtbare Nordschluchtmündung einzureiten, geschah es.

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Es krachte, donnerte und barst. Im Grollen der Kettendetonationen wirbelte Dix mit seinem Pferd herum und riß die Winchester in die Höhe. Er feuerte auf die aufleuchtenden Mündungslichter, die vom Waldrand her aufblitzten und seine kleine Mannschaft durcheinanderbrachten, als hätte der Teufel mit der Faust zwischen die Reiter geschlagen. Benjamin sackte lautlos aus dem Sattel. Der dunkle Boden nahm ihn auf. Der Jüngste der Mannschaft war nicht einmal zum Schuß gekommen. Sein junges Leben verlosch in dieser Nacht für immer. Dann traf es Benjamins Pferd.

Die Reiter taten instinktiv das Richtige. Sie stoben auseinander. Amb stieß mit Peer nach rechts, die anderen versuchten, in verschiedenen Richtungen zu entkommen. Dix schoß verzweifelt, um seinen Boys Feuerschutz zu geben. Die Kugeln der Gegner pfiffen um ihn herum.

Dix jagte sein Blei zum Waldrand, um die Gegner aufzuhalten, um wenige Minuten für seine Cowboys herauszuschinden. Er wußte, daß die Gegner jeden Moment heranstürmen konnten.

Der Beschuß war jetzt fast ausschließlich auf ihn allein gerichtet. Für ihn war das ein Zeichen, daß Stuart, Red und John der Ausbruch gelungen war. Nur Peer und Amb, die die Hügelflanke genommen hatten, waren noch im Schußbereich der Gegner.

Peer warf plötzlich die Arme hoch und sackte im Sattel zusammen. Amb lenkte sein Tier nach links und riß im Reiten Peer aus dem Sattel heraus. Beide Männer verschwanden hinter dem Kamm.

Dix riß sein Pferd herum. Er floh als letzter, jagte an Peers reiterlosem Tier vorbei. Hinter sich hörte

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er die starke Reiterkavalkade der Gegner aus dem Wald brechen.

Eine Kugel schlug ihm den Stetson vom Kopf, eine andere streifte die Hinterhand des Pferdes, das mit einem schrillen Wiehern die Schnelligkeit erhöhte. Im nächsten Moment war Dix hinter dem Kamm des Hügels verschwunden. Er hielt an und lud die Winchester nach. Sein Herz schlug zum Zerspringen, das Blut dröhnte in seinen Ohren. In diesem Moment hörte er aus dem Süden her das Krachen von Winchestern und wußte, daß der Angriff auf die Siedlung durch den Überfall ohne ihn und seine Reiter stattfand.

Tompkins brüllte von der anderen Seite des Hügels: »Komm zurück, Kid! Wir tun ihnen den Gefallen nicht und lassen uns in Gruppen aufteilen. Ich wette, es war nur ein Trick, daß sie mit einer kleinen Mannschaft kamen. Ähnlich haben es die Apachen gemacht, wenn sie ihre Feinde in einen Hinterhalt locken wollten. Man sandte immer eine kleine Abteilung voraus und ließ sie fliehen. Der Verfolger wurde so in eine Falle gelockt, die hinter ihnen zuschlug.«

Drei Reitersilhouetten hoben sich auf dem Hügelkamm ab.

Keiner von ihnen sah Dix. »Nun, Kid, siehst du etwas?« »Nichts, Tompkins«, erwiderte Apache Kid böse. »Um so schlimmer! Komm nur, Kid!« »Sollten wir nicht auf Clear Newton warten?« »Wozu? Er hat es sich gewünscht, in einer deiner

Hütten auf seine Freunde zu warten. Die Begrüßungsschüsse hast du gehört. Komm jetzt! Newton ist uninteressant geworden. Komm, damit

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wir die zweite Abfuhr vorbereiten. Newton hat es vielleicht erwischt.«

Die drei verschwanden vom Hügelkamm. Dix überlegte: Jetzt konnte, nein, durfte er nicht

reiten. Die Kavalkade der Gegner tauchte bereits wieder auf. Die dunklen Schatten der Reiter zogen rasch vorbei. Die Nacht saugte sie auf. Sie ritten nach Norden, in die Richtung, wo die Ein-Baum-Ranch lag, zu Tompkins’ Hauptquartier.

Dix schwang sich in den Sattel und jagte der Schluchtmündung zu. Als er auf hundert Schritte herangekommen war, sah er zwei Reiter im scharfen Galopp aus der Schlucht kommen.

»Newton!« brüllte Dix auf. »Halt an, Newton!« Daß Newton weiter floh, raubte Dix die klare

Überlegung. Er folgte den Reitern wie ein Wolf, der eine heiße Fährte aufgespürt hat.

Wenn er auch sein Pferd zu neuer Kraftanstrengung trieb, ritten auch die beiden Reiter vor ihm schneller und hielten den Abstand. Aber Dix gab nicht auf, er folgte, Meile um Meile. Schließlich wurde das Gelände so schwierig, daß er die beiden Reiter aus den Augen verlor. Er konnte sich nur noch nach den hinterlassenen Spuren richten.

Plötzlich jedoch teilte sich diese Fährte, und Dix hielt an. Ein grimmiger Laut kam über seine Lippen. Während er noch dabei war, die Fährte zu prüfen, hörte er Clears Stimme:

»Ich möchte nicht, daß du Bud Daniels folgst, Dix. Bud soll eine Chance haben. Er wird das Land verlassen.«

»Es ging dir um Daniels?« sagte Dix heiser, sich langsam aufrichtend. Er sah Newton an einen

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Baum gelehnt, mit verschränkten Armen vor der Brust, mit einem Lächeln, das ihn einst in einer besseren Zeit als guten Kameraden auszeichnete.

»Ganz recht!« erwiderte Clear. »Bud war einer von den beiden, die Apache Kid unbequem waren, aber man schoß schlecht, außerdem war der Fluchtweg nach Norden offen. Ich hätte ihn nicht benützt, wenn ich nicht für Bud eine Chance gesehen hätte, diesem Lande Lebewohl zu sagen. Bud wird es schaffen. Es wird ihm eine Lehre sein.«

»Du hast deine eigene Lektion schlecht begriffen, Clear!«

»Ich war immer zu leichtsinnig«, klang es trocken. »Vielleicht erwartete ich zu viel vom Leben. Reichtum, Macht, Glück und eine Frau, um die mich alle beneiden würden.«

»Du hast alles gehabt, beklage dich nicht!« unterbrach Dix ihn. »Du hast mehr bekommen, als dir zustand!«

»Stimmt, ich habe mehr bekommen. Schläge aus dem Nichts. – Jetzt willst du für Mabel abrechnen?«

»Yea«, klang es heiser und abgerissen. Clear nickte und nahm die Hände herunter, so

daß sie über seinen Revolverkolben schwebten. »All right, es muß wohl so sein. Du hast sie

immer geliebt, und du siehst es ganz anders. Du glaubst nicht an einen Unglücksfall?«

»Nein!« entgegnete Dix schroff. »Sie war dir im Wege!«

»Vielleicht hast du sogar recht. Ich habe mir immer die Frage vorgelegt. Ich tauge überhaupt nichts mehr, Dix. Die alte Freundschaft ist zerbrochen. Nimm dein Pferd aus der Schußlinie, Dix. Und noch eins: Falls du schneller bist, sage

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Dean, daß er sich nicht erst die Mühe machen soll, die Ein-Baum-Crew anzugreifen. Sage ihm, daß er die ganze Horde in Seatlevil stellen kann.«

»Willst du uns noch einmal hereinlegen, Clear? Was, zum Teufel, sollte die Horde in Seatlevil?«

»In dem Nest kann ein Mann, der viel verdient hat, jederzeit seine Mannschaft vergrößern. Genau das hat Tompkins vor. Er hat eine Menge durch die Rinderdiebstähle verdient und kann das Geld jetzt an den Mann bringen. Er will das Apache County. Jedes Mittel ist ihm recht.«

»Das saugst du dir aus den Fingern, Clear!« sagte Dix wütend.

Mit der Linken schlug er seinem Pferd auf die Kruppe. Das Tier wich zur Seite aus. Dix verkürzte den Abstand und hielt zehn Schritte vor Clear an.

»Los denn, für Mabel!« rief er Newton zu und zog sogleich.

Clear zog ebenfalls, glatter, schneller. Trotzdem fiel nur ein einziger Schuß. Er löste

sich aus Dix’ Revolverlauf und veränderte in schrecklicher Art das Lächeln in Clears Gesicht.

Über den Lauf seiner Waffe blickte Dix Clear an. Er sah dessen Revolvermündung auf sich gerichtet. Doch Clear schoß nicht. Er brach in die Knie und fiel vornüber. Jetzt war es Dix, als verwischten die dunklen Schatten, die sein Denken umwölkt hatten. Er ließ seinen rauchenden Revolver fallen und rannte zu Clear, drehte ihn herum und beugte sich über ihn, riß ihm schier verzweifelt den Revolver aus der Hand und starrte diesen Revolver erschüttert an.

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Er war ohne Patronen – leer! Nicht ein einziger Schuß war darin. Die Patronen lagen zerstreut am Boden.

»Allmächtiger!« kam es über Dix’ Lippen. Er rüttelte an Clears Schulter, bis der Sterbende die Augen groß und weit aufschlug.

»Clear, das war nicht fair!« »Ich weiß, ich war immer leichtsinnig!« »Du hättest mich damit nicht belasten sollen,

hörst du, Clear?« »Es geschah für Mabel, und das ist recht so«,

kam es leise zurück. »Vergiß es!« »Wie könnte ich das?« »Dann trage es, Dix. Wir haben alle unser Kreuz

zu tragen.« Weiter kam Clear nicht, der Tod war schneller.

Durch seinen Körper ging ein Zittern. Clear würde nie wieder antworten können.

Dix schloß Clears gebrochene Augen, suchte dann sein Pferd und verschwand hinter den Büschen.

Aus dem Dunkel der Nacht kamen drei Reiter genau auf ihn zugeritten. Sie folgten der Fährte, die er bei der Verfolgung von Clear hinterlassen hatte. Er hörte Deans Stimme.

»Bist du es, Dix?« »Komm nur, Vormann!« erwiderte Dix kehlig. »Ich

habe dir eine Nachricht zu übermitteln.« »Eine Nachricht?« »Yea, Clear wollte es so.« »Clear?« klang es aus Sams und Deans Munde. »Wo ist Clear?« wollte Sam wissen. »Er liegt bei den Büschen dort – tot! Meine Kugel

traf ihn«, kam es abgehackt zurück.

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Die drei sahen sich an und schwiegen. Während sich die Männer der Kavalkade um sie

herum gruppierten, sagte Dix: »Er hatte nicht einen Schuß Munition in seiner

Waffe und täuschte mich. Jetzt weiß ich, warum er es tat. Mit seinem Tod wollte er erzwingen, daß wir keine Zeit versäumen und nach Seatlevil reiten sollen. Er sagte, daß Tompkins seine Mannschaft dort vergrößern wollte. Wenn wir jetzt reiten, ersparen wir uns einen Umweg. Sicherlich ritt Tompkins nur zur Ein-Baum-Ranch, um sich mit genügend Geld zu versorgen, das er als Handgeld für seine neue Mannschaft anzahlen will.«

»Männer, nehmt die Kopfbedeckung ab«, sagte Dean Dutley. »Ein Mann starb!«

12.

Drei Männer blieben mit ihren Pferden zurück, um sich der Toten anzunehmen und sie nach Atlanta zu schaffen. Yea, mehr Reiter konnte Dean nicht entbehren. Seine Truppe war kleiner geworden, und somit an Kampfkraft geschwächt. Trotzdem war er froh, als die von ihm ausgesuchten Reiter unter Chalhouns Führung zurückblieben. Dick Chalhoun brauchte jetzt also nicht mehr gegen seine eigene Crew zu kämpfen.

Dean gab den Befehl zum Weiterreiten. Die Männer des Aufgebotes schwangen sich in die Sättel und folgten Dean weiter in die Nacht hinein. Sie überquerten nach etwa einer Meile den Apache-River und wenig später die Fährte der gegnerischen Kavalkade, die schnurstracks nach Norden wies.

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Yea, man erkannte klar Tompkins’ Absicht, den Verfolgern auf den Fersen zu bleiben. Dean folgte dieser Fährte nicht, wie es ursprünglich seine Absicht gewesen war, sondern bog mit seinen Männern nach Nordwesten ab. Eine Stunde vor Morgengrauen lag Seatlevil vor ihnen. Auf einem Hügel hielten die Reiter an und blickten auf die windschiefen Hütten hinab, die einst von Diggern errichtet worden waren und jetzt zwielichtigen Gestalten als Unterschlupf dienten. Viele der Hütten waren eingestürzt und unbewohnt.

Hier, in diesen Elendshütten hatte Tompkins seine Leute rekrutiert, hier hoffte er für den Endkampf Leute zu finden, die ihm für Geld die Apachenweide erkämpfen sollten. In Seatlevil gab es viel lichtscheues Gesindel.

»Männer, es muß schnell durchgeführt werden«, wandte sich Dean an die Leute des Aufgebotes. »Wir reiten an und schwärmen aus, dann treiben wir alles zusammen, was in Seatlevil in Asyl ist.«

»Es ist wohl so, daß du die ganze Bande unter Aufsicht haben willst, bevor Tompkins eintrifft?«

»So ist es! Es darf uns keiner entwischen«, erwiderte Dean. »Vermeidet Härten! Ihr habt mich verstanden?«

»All right, Vormann«, tönte es von allen Seiten. »Reiten wir!«

Die Männer des Aufgebotes setzten sich in Bewegung. Während Dix, Sam und Dean durch die schlammige Fahrbahn ritten und beisammenblieben, schwärmten die Reiter nach allen Seiten aus und warfen sich aus den Sätteln. Scheiben klirrten, Türen wurden eingetreten, Befehle hallten scharf durch die Nacht.

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Die drei Freunde sprangen vor dem einzigen Hotel von den Pferden, lüfteten ihre Colts an und stürmten los.

Die Schwingtür sprang von einem Fußtritt auf, prallte einem Mann an den Kopf, der, vom Lärm geweckt, mit einem Colt bewaffnet, dahinter gestanden hatte. Dix schlug dem Verblüfften den Colt aus der Hand und stürmte an ihm vorbei ins Innere der Behausung.

»Was hat das zu bedeuten?« schnappte der Mann in der Unterhose, wobei er sein Handgelenk rieb.

»Keine Sorge, Rod«, wandte sich Dean an den Mann, den er wohl kannte, »verhalt dich nur ruhig und befiehl es auch deinen Gästen.« Bei diesen Worten wurde er von Dean vorwärtsgeschoben. Rod begriff sofort und brüllte: »Gebt Ruhe, Leute! Es geschieht euch nichts, wir haben Besuch!«

Plötzlich ließ sich eine Stimme vernehmen: »Warum kann man in diesem Rattennest nicht eine Nacht ungestört schlafen, he?«

Aus dem zweiten Stock drang Frauengekreisch, Fluchen und Schimpfen. Dann hörte man Dix’ metallisch klingende Stimme:

»Madam, wir kommen direkt vom Mond und wollen dieses Sündenbabel näher unter die Lupe nehmen. Geht jetzt alle in den ›Prunksaal‹, ganz Seatlevil wird sich heute zum besinnlichen Beisammensein dort versammeln.« Dix trieb eine Anzahl Leute vor sich her die Treppe hinunter. Einen Oldtimer, zwei verkommen aussehende Kerle und eine grellgeschminkte Lady hatte er energisch aus den Betten geholt. By Gosh, yea, eine whiskyumnebelte Gesellschaft hätte nicht toller kostümiert sein können. Es reizte zum Lachen,

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wenn die Situation nicht so verteufelt ernst gewesen wäre.

Yea, es kam noch toller. Während Dix die Hotelgäste mit dem Colt in der Hand zum großen »Prunksaal« trieb, wie er ihn höhnisch nannte, wurden von allen Seiten die braven Bürger dieser Bretterbudenstadt etwas unsanft geweckt. Die Cowboys geleiteten sie jetzt zum Hotel. Wahrhaftig, man hatte eine Extravorstellung und einen Spaß, wie er toller nicht sein konnte. Der »Prunksaal« nahm sie alle auf.

»Ist jemand entkommen?« fragte Dean. »Nein, Vormann«, grinste Sam, wobei er die

ängstlich und geduckt wartenden Menschen im Saal betrachtete. »Ich frage mich nur, was Tompkins sich von dieser Horde versprochen hat? Nicht einer hat sich zur Wehr gesetzt. Die Cowboys haben gute Arbeit geleistet Die Bürger von Seatlevil wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Wir haben es ihnen unmißverständlich klar gemacht. Keiner wird aus der Reihe tanzen.«

»Hoffen wir es«, entgegnete Dean ruhig. »Sie gehören zu den Entrechteten, die weder Himmel noch Hölle fürchten. Tompkins’ Idee, sie für seine Pläne einzusetzen, war nicht schlecht. Es wäre ihm gelungen, sie einzuspannen. Für einige Dollars sind sie zu allem fähig. Sam, sorge dafür, daß die Pferde versteckt werden und alles so hergerichtet wird, daß Tompkins und seine Leute keinen Verdacht schöpfen.«

»All right«, erwiderte Sam. Zwei Männer bewachten den Eingang des Saales.

Die erste Erregung der dort Eingesperrten war

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verflogen. Man hatte sich mit den Gegebenheiten abgefunden.

»Nehmt es hin«, sagte ein alter Mann. »Solange wir nicht das Fell zu Markte tragen, ist es nicht schlimm.«

Dean verließ den Saal. Die Wachposten blieben zurück. Es dämmerte schon, als alle Vorbereitungen durchgeführt waren, und sich alle Männer auf dem Posten befanden.

Der Vorplatz des Hotels lag wie ausgestorben da. Ringsherum hatten sich die Cowboys verteilt und warteten angespannt. Niemand war es gestattet, seine Deckung auch nur für Augenblicke zu verlassen.

Eine halbe Stunde verstrich. Alles blieb ruhig. Nur der Wind bewegte die Kronen der Bäume. Dix regte sich unruhig neben Dean und spähte nach Süden zum Hang hin. Er zuckte plötzlich zusammen und stieß Dean in die Seite.

Dean blickte auf und lächelte. Die Ankömmlinge hielten genau an der gleichen Stelle, an der sein Trupp angehalten und nach Seatlevil geblickt hatte. Die Silhouetten ihrer Pferde hoben sich deutlich gegen den hellen Morgenhimmel ab.

»Sie kommen«, flüsterte Dix. Die gleichen Worte gingen von Mund zu Mund. Es war, als hätte man sie auf dem Hügel gehört, denn die feindliche Streitmacht setzte sich auf Seatlevil zu in Bewegung.

Tompkins und Apache Kid ritten an der Spitze. Die Hufe ihrer Pferde wühlten die Fahrbahn auf. Yea, sie verhielten sich genauso, wie Dean es vorausberechnet hatte. Sie kamen geradewegs zum freien Platz vor dem Hotel geritten. Keiner von

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ihnen ahnte, daß in dem Augenblick, als der letzte von ihnen auf den Platz geritten war, die tödliche Falle hinter ihnen zuschnappte. Nein, sicherlich ahnte keiner, daß es aus dieser Falle kein Entkommen mehr gab.

»Steigt ab, Leute!« befahl Tompkins. »Seatlevil ist eine verteufelt verschlafene Stadt, aber wir werden sie munter machen!« Er klopfte dabei auf die prall gefüllten Satteltaschen seines Pferdes. »Für Dollars wird diese Stadt springen und den Teufel auf der Apachenweide loslassen. Über fünfzig Reiter bekommen wir in die Sättel. Das dürfte genügen.« Er lachte höhnisch auf und sah zur Schwingtür des Hotels. »Es ist wirklich eine verschlafene Stadt«, grinste er zu Apache-Kid hin, der unruhig nach allen Seiten blickte, als wittere er eine Gefahr.

»Mir gefällt es nicht«, stieß Kid durch die Zähne. »Du glaubst immer noch, daß Dutley die Ranch angreifen wird?«

»Genauso wird es sein«, grinste Tompkins. »Soll er sich nur damit beschäftigen, wir werden der Geteilter-Topf einen Gegenbesuch abstatten. Es wird ein mächtiger Spaß werden.«

»Der jetzt ein Ende hat!« klang es laut und dröhnend vom Hoteleingang her. Die Worte trafen Tompkins’ bereits abgesessene Reiter wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel. Apache-Kid ließ sich seitlich vom Pferd gleiten, nur Tompkins selbst saß noch hochaufgerichtet im Sattel. Er sah, wie ringsum Winchesterläufe aus den Deckungen wuchsen.

Der Schreck hatte allen Mut der raunen Horde gelähmt.

»Was hat das zu bedeuten?« keuchte Apache Kid.

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Tompkins gab keine Antwort. Er blickte zum Hoteleingang, wo Deans Silhouette sichtbar wurde und sah dann seitlich Dix und Sam auftauchen und als dunkle Schatten stehenbleiben.

»Fangt an, Leute!« kreischte Tompkins wild heraus, doch niemand regte und rührte sich. Jemand aus dem Rudel sagte:

»Ich weiß, wann ich passen muß!« »Eine vernünftige Einstellung«, hörte man Deans

Stimme. »Haltet euch heraus! Ihr werdet eure Chance bekommen, nur Apache Kid und Tompkins nicht! Ist das klar?«

»Wir sind nicht taub, Dutley«, rief jemand heiser. »Wir wüßten nicht, warum wir uns für fünfundvierzig Dollar Monatslohn Löcher in den Pelz schießen lassen sollten. Wir steigen aus dem Sattel.«

»Legt die Waffen ab und tretet zur Seite. Man wird euch in Empfang nehmen.«

»Hört nicht auf seine Lügen!« schrie Apache Kid. Doch niemand beachtete ihn. Tompkins zischte seinem Kumpanen wild zu:

»Zum Teufel, laß sie gehen, Kid! Wir können sie zu nichts zwingen. Jetzt bleibt es an uns beiden haften. Keiner von den Burschen hatte großes Format, keiner den brennenden Ehrgeiz wie wir. Komm hinter deinem Gaul hervor, Kid!«

»Nein!« entgegnete Kid wild, »ich bleibe! Man muß mich schon auf die harte Art holen.«

Er wartete nicht so lange, bis die Männer abgezogen waren. Er wußte, daß er sich dann nicht mehr verstecken konnte. Kid hatte nicht den unheimlichen Stolz, den Tompkins auch in dieser Lage bewahrte. Er war ein hinterhältiger Charakter.

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Das zeigte sich, als er den Colt zog und zu schießen begann. Deans Silhouette war jedoch vom Eingang des Hotels wie weggewischt. Auch Kids Kugeln schlugen in die Schwingtür, ohne Schaden anzurichten. Aus der rauhen Horde schoß ein Mann, und Apache Kid fiel neben seinem Pferd tot zu Boden.

Tompkins stieß ein schreckliches Gelächter aus, aber er zog nicht. Er saß immer noch im Sattel und blickte sich irr um.

»Dutley, sie würden auch mir in den Rücken fallen, diese Schufte, die für mich arbeiten«, schrie er heraus. »Ich warte bis sie das Feld geräumt haben, dann werden wir weitersehen.«

»Yea, Tompkins! Ich hole dich selbst, ob tot oder lebendig!«

»Danke, Dutley, dein Wort gilt!« Ganz ruhig blieb er im Sattel hocken und sah zu, wie ein Mann nach dem anderen von seiner Horde verschwand, um nicht wieder zurückzukommen. Ihre Waffen hatten sie zu Boden geworfen, ihre Pferde jedoch mitgenommen, die ihnen sofort nach ihrem Eintreffen an der Scheune abgenommen wurden.

Tompkins vermied es, zu Apache Kid hinzusehen. Als der letzte Mann abgezogen war, bewegte er sein hochgebautes Pferd zur Platzmitte hin, saß ab und gab seinem Reittier einen Schlag mit der Hand auf die Kruppe, so daß es beiseite wich, und Tompkins frei dastand. Seine Hände hielt er über die nach außen stehenden Kolben gespreizt.

Er atmete tief auf, als Dean aus der Schwingtür ins Freie trat und stehenblieb.

»Es war eine harte Probe«, sagte Tompkins, »doch meine Nerven sind in Ordnung. Ich habe dich

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immer für einen gefährlichen Mann gehalten, Dutley. Ich hatte recht damit. Ich hätte mehr auf dich achten sollen!«

»Deine Pläne waren zu hoch, Tompkins!« »Oh, nein, man hätte sie in die Tat umsetzen

können. Es lag nicht an meinen Plänen, sondern an einem gewissen Kleeblatt. Ich habe es zu spät begriffen, erst in dieser Minute! Weiter haben wir uns wohl nichts zu sagen?«

»Nein, ich glaube nicht!« »All right, machen wir ein Ende. – Zieh!« gellte

seine Stimme durch die Nacht. Seine Hände flogen zu den Eisen. Wahrhaftig, er

war ein schneller Mann. Aber noch gekonnter, noch glatter, zog Dean, obwohl er seine Hände um Sekundenbruchteile später bewegte.

Seine Eisen brüllten früher auf, Flammenzungen kreuzten sich. Über die rauchenden Colts hinweg sahen sich die Gegner an.

Dann fiel Tompkins wie ein gefällter Baum zu Boden.

Langsam ging Dean auf ihn zu und starrte auf ihn nieder, schob sich mit dem noch rauchenden Colt den Stetson so weit aus der Stirn, daß er zu Boden fiel, doch das schien er nicht zu bemerken. Schweigend stand er da, bis Dix ihm die Rechte auf die Schulter legte.

»Ich kann mir denken, wie dir zumute ist, Amigo«, sagte Dix Lonnigan. »Ich weiß auch, daß ich dich jetzt nicht stören und dir keine Ratschläge erteilen sollte. Eins aber mußt du wissen: Versuche nicht die Apachenweide zu verlassen, es könnte sonst sein, daß Sam und ich dich holen.«

»Wozu braucht ihr mich noch?«

Page 156: Apachenweide

»Narr!« klang es bitter, »warum willst du jetzt noch reiten, wo alles ausgekämpft ist? Mach deine Augen auf! Es hat Leid genug gegeben, und wenn du noch nicht weißt, wer Boß auf der Geteilter-Topf-Ranch und der Reitboß auf der Apachenweide ist, dann wird es dir Petra ins Ohr sagen müssen.«

Dix’ Rechte löste sich von seiner Schulter. Die Männer sahen sich in die Augen.

»Ich bleibe«, sagte Dean ruhig, »aber jetzt muß ich reiten, ich kann nicht anders.«

»Nur zu! Was noch zu regeln ist, wird geregelt. Gib nur acht, daß dein Pferd den richtigen Weg findet.«

»Dix, wir sehen uns später!« »Sicher, das Leben geht weiter. Doch die alte, die

goldene Zeit wird nur noch Erinnerung für uns sein. Versuchen wir, uns eine bessere Zukunft zu bauen. Dir wird es leicht gelingen, auf dich wartet das Glück!«

ENDE


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