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Antiseptische Prävention und Therapie von ... - IWC 2018 · Antiseptische Prävention und Therapie...

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Antiseptische Prävention und Therapie von Wundinfektionen – Gradwanderung zwischen Evidenz, Konsens und Ritual Axel Kramer Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universität Greifswald
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Antiseptische Prävention und Therapie von Wundinfektionen – Gradwanderung zwischen

Evidenz, Konsens und Ritual

Axel Kramer

Institut für Hygiene und Umweltmedizin der

Universität Greifswald

Der Hygieniker ist der liebevolle Mahnerder die Risikoanalyse Mensch Naturim kritischen Dialog mit dem Lebentäglich aus Neue herausfordertum die Harmonie des Lebendigen zu bewahren

Axel Kramer

Zielsetzung der Wundbehandlung aus hygienischer Sicht

Verhinderung von Kolonisation oder Infektion einer Wunde

durch

MRE andere Pathogene

Distanzierung + aseptische Arbeitsweise bei der Wundreinigung, beim Wechsel von Wundauflagen und ggf. durch präventive Antiseptik

+ ggf. antiseptische Therapie infizierter oder kritisch kolonisierter Wunden

Konsensusempfehlungen� Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden. 2007.http://www.dnqp.de/ExpertenstandardChronischeWunden.pdf

� Kramer A. Daeschlein G, Kammerlander G et al. Konsensusempfehlung zur Auswahl von Wirkstoffen für die Wundantiseptik. Hyg Med. 2004;5: 147–57; ZfW 2004;3:110–20.

� Dissemond J, Gerber V, Kramer A et al.: Praxisorientierte Expertenempfehlung zur Behandlung kritisch kolonisierter und lokal infizierter Wunden mit Polihexanid. ZfW2009; 14: 20–26.

� Leaper D, McBain AJ, Kramer A, et al. Healthcare associated infection: novel strategies and antimicrobial implants to prevent surgical site infection. Ann R CollSurg Engl 2010; 92(6) 453-8.

Konsensusempfehlungen

� Kramer A, Assadian O, Frank M et al. Working Section for Clinical Antiseptic of the German Society for Hospital Hygiene: Prävention postoperativer Wundinfektionen im Rahmen der chirurgischen Versorgung von Bissverletzungen. GMS KrankenhaushygInterdiszip 2010; 5(2):Doc12 (20100921).

� Dissemond J, Gerber V, Kramer A et al. Einstufung von Risikowunden (Wounds At Risk; W.A.R. Score) und deren antimikrobielle Behandlung mit Polihexanid– eine praxisorientierte Experten-empfehlung. Skin pharm, in review.

Expertenstandard: Wundversorgung

Die Pflegekraft gewährleistet die hygienische und fachgerechte Wundversorgung unter Einbeziehung des Patienten und der Angehörigen mit folgenden Schwerpunkten� Schutzkleidung � keimarme Einmalhandschuhe� Händedesinfektion� Non-Touch-Technik� Einsatz steriler Instrumente (Pinzetten, Scheren)� sterile Wundauflagen + sterile Spülflüssigkeiten� korrekter Umgang mit Einmalprodukten

Sollte die ärztliche Verordnung dem zuwider laufen, ist die Pflegefachkraft zur Remonstration verpflichtet, z.B. falls� Anwendung unsteriler Materalien� mehrmaliger Gebrauch von Einmalmaterial ohne Aufbereitung

Falsche Aussage im Expertenstandard

� „Durch Händewaschen vor und nach dem Verbandwechsel kann das Infektionsrisiko reduziert werden“

� 2 Absätze tiefer wird allerdings die RKI-Empfehlung mit Händedesinfektion richtig interpretiert, d.h. Händedesinfektion vor und nach aseptischer Tätigkeit (z.B. Verbandwechsel), vor und nach Kontakt mit Körperbereichen, die vor Kontamination geschützt werden müssen (z.B. Wunden) sowie nach Kontamination (z.B. durch Wundsekret). Dann allerdings: zur Infektionsvermeidung werden saubere Handschuhe + anschließendes Händewaschen empfohlen – wieder falsch!

Händedesinfektion versus Händewaschung

Die CDC-guideline Händehygiene favorisiert den Einsatzalkoholbasierter Händedesinfektionsmittel, weilantimikrobielle Seifen signifikante Nachteile haben wie� geringere Wirksamkeit in längerer Zeit (100-1000fach)

� schlechtere Hautverträglichkeit (+ ggf. systemischeRisiken)

� höhere Störanfälligkeit bei inkorrekter Durchführung� Notwendigkeit eines Waschbeckens� ökologische Belastung

- Boyce JM, Pittet D. Guideline for hand hygiene in health-care settings. Recommendations of the healthcare infection control practices advisory committee and the HICPAC/SHEA/APIC/IDSA hand hygiene task force. MMWR 2002; 51: 1-45.- Kramer A, Mersch-Sundermann V, Gerdes H, Pitten F-A, Tronnier H. Toxikologische Bewertung für die Händedesinfektion relevanter antimikrobieller Wirkstoffe. In: Kampf G, editor. Hände-Hygiene im Gesundheitswesen. Berlin: Springer, 2003:159-160.- Rotter ML. Hand washing and Hand disinfection. In: Mayhall CG, ed. Hospital Epidemiology and Infection Control, 3rd edn. Philadelphia: Lippincott Williams and Wilkins, 2004, 1727-46

Händewaschung

� nur bei Dienstbeginn, bei sichtbarer Verschmutzung und nach Toilettenbenutzung.

� zum Waschen pH-hautneutrale oder schwach saure Waschlotion (< pH 5,5). Keine gemeinschaftliche Verwendung von Stückseife aus hygienischen Gründen

� sorgfältiges Abtrocknen der Hände nach dem Waschen mit weichen Einmalhandtüchern, besonders auf gutes Trocknen der Fingerzwischenräume achten.

� Bei jeder infektionsrelevanten Tätigkeit ist Tragen von Schmuck an Händen und Unterarmen untersagt. Darunter sammeln sich Feuchtigkeit und Erreger und das Perforationshäufigkeit getragener Handschuhe steigt an.

Präventionspotential durch Hygiene + Händedesinfektion

� 1/3 der nosokomialenInfektionen gelten als vermeidbar, davon werden ~ 90% via Hände übertragen

� Senkung der Rate nosokomialerInfektionen durch verbesserte Händedesinfektion um bis zu 50 %

Indikationen

5 prinzipielle Notwendigkeiten zur

Händedesinfektion

vor jedem Patienten

nach jedem Patienten

vor aseptischen Tätigkeiten

vor Betreten von Risikobereichen

nach Kontamination

Expertenstandard: VerbandwechselHändedesinfektion →→→→ keimarme Einmalhandschuhe →→→→ Entfernen festsitzender Wundauflage mit steriler Pinzette →→→→ Handschuhe entsorgen →→→→ Händedesinfektion, sterile Handschuhe oder non touch mit sterilen Instrumenten →→→→ Wundreinigung, falls Wundspülung, sterile Lösungen (Haltbarkeit beachten) →→→→Instrumente entsorgen →→→→ Entsorgung angebrochener Sterilverpackungen nach VerbandwechselErgänzungen� Luftzug vermeiden, ggf. Bettschutz einlegen� ggf. Anlegen von Mund-Nasen-Schutz und Schutzkittel (bei MRSA-Kolonisation) � alten Verband entfernen und ohne Zwischenlagerung direkt in Abwurf entsorgen� Inspektion des alten Verbands (Durchfeuchtung?, Blut-, Eiterauflagerungen?)� Wundinspektion, ggf. Wundabstrich� Handschuhe ausziehen, direkt in Abwurf geben� benutztes Instrumentarium unmittelbar nach Gebrauch in Behälter entsorgen, der abseits steht

Einrichtung ist verpflichtet, Voraussetzungen für den hygienischen Verbandwechsel zu gewährleisten:� Desinfektionsmittel� Schutzkleidung� steriles Instrumentarium

Expertenstandard: nur Aussagen zum Hautschutz beim Patienten, nicht für Personal

Hautpflege entsprechend allgemein anerkannten Regeln, unnötige Waschungen sind zu vermeiden

↓↓↓↓

mazerierte Haut verliert ihre Schutzfunktion und wird zur Eintrittspforte von Pathogenen

Der beste Schutz ist � saubere + trockene Haut� Hautschutz der Wundumgebung� fein Durchnässen der Wunde, d.h. regelmäßiger Wechsel der Wundauflagen (Exsudatmanagement)

Es gibt keine Evidenz für bestimmte Hautschutz und –pflegeprodukte.

Keine Aussage zum Hautschutz des Personals -Merkblatt Hautschutz und Hautpflege

� zu Dienstbeginn kurze Händewaschung mit gründlicher Trocknung, danach Hautschutzcreme über gesamte Hand verteilen

� nach größeren Arbeitsunterbrechungen, z.B. Mittagspause, erneut Hautschutzcreme

Für die Wirksamkeit von Hautschutz und Hautpflege erwies sich die regelmäßige, häufige und korrekte Anwendung rückfettender Externa als entscheidend, weniger der zeitliche Bezug zur Wasser- und Desinfektionsmittelexposition� zwischenzeitlich Hautpflegecreme bei individuellem Bedürfnis, z.B. Gefühl

trockener Hände� am Arbeitsende Hautpflegecreme� bei Kontamination, vor Patientenversorgung usw. stets Händedesinfektion

anstatt Händewaschung - bei beginnenden Hautschäden Betriebsarztkonsultieren

� Durchführung der hygienischen Händedesinfektion bei Indikation, unabhängig davon, ob vorher Hautschutzpräparat angewendet wurde

� bei Umgang mit irrititativen Noxen (z.B. Flächendesinfektion, Instrumentenaufbereitung) Schutzhandschuhe

Hautschutzplan

Produktwahl

� Produkte ohne Duft- und ohne Konservierungsstoffe. Diese Zusatzstoffe können Ihre Haut reizen und Allergien hervorrufen.

� Harnstoffgehalt < 3 %

� möglichst anstelle von Mineralöl-derivaten pflanzliche Öle

Die 6 Kardinalfehler beim Hautschutz bzw. der hygienischen Händedesinfektion

� unnötiges häufiges Händewaschen� Auswahl ungeeigneter Handwaschpräparate mit Förderung der Austrocknung und Quellung der Haut

� kein ausreichendes Entfernen von Rückständen durch flüchtiges Abtrocknen oder Einsatz von Heißlufttrockner

� Handschuhanlegen bei noch feuchter Hand� Belastungen im Freizeitbereich� mangelhafter Hautschutz (präexpositionell) und/oder unzureichende oder nicht dem Hauttyp angepasste Hautpflege (postexpositionell)

Expertenstandard: Wundreinigung

schließt sich RKI-Empfehlung zur Verwendung steriler Wundspüllösungen an

Bewertung von Leitungswasser

� Risiko der Kontamination

� undefinierter Gehalt an Endotoxinen

� osmotisch unphysiologische Effekte

NaCl oder Ringer oder Wasser?

� Bei ausgiebiger Anwendung von NaCl besteht Risiko der Elektrolytverschiebung im Wundgebiet.

� Bezüglich Zytotoxizität unterscheiden sich NaCl versusRinger nicht.

� Es wurden auch mit Wasser günstige klinische Ergebnisse erzielt.

Welche Substanz sowohl zur Reinigung als auch zur Wundinfektionsprophylaxe die Geeignetste ist, kann auf Grund des fehlenden klinischen Vergleichs mit einheitlichen Studiendesign nicht beantwortet werden.

Expertenstandard: lokale Wundbehandlung

nach der Reinigung folgten die Schritte

� Debridement +

� Wundauflage

keine Aussagen zu antiseptischen

Indikationen und zur Wirkstoffauswahl,

daher soll das jetzt vertieft behandelt

werden

Wechselbeziehungen Bakterium – Wirt und Konsequenzen für die Antiseptik

� Kontamination → Attachment ohne Vermehrung →Reinigung, für große traumatische Wunden 1x antiseptische Spülung

� Kolonisation → Vermehrung auf der Wunde ohne klinische Wirtsreaktion (keine Entzündung) → keine Antiseptik (außer bei MRE)

� Kritische Kolonisation → chron. Wunden: keine invasiveInfektion, ohne immunol. Reaktion

→ durch Toxinabgabe verzögerte Wundheilung → milde“ Antiseptik

� lokale Infektion/Biofilmbildung → typ. Infektionszeichen →therapeutische Antiseptik

� generalisierte Infektion → lokale + systemische Infektion→→→→ Antiseptik + Chemotherapie

Globale antiseptische Indikationen

1. Prävention von Wundinfektionen

2. Prävention von SSI

3. Therapie infizierter Wunden

1. Prävention von Wundinfektionen –notwendige antiseptische Indikationen

• Verschmutzte, kontaminierte Wunden (insbes. Biss-, Stich, Schusswunden)

⇒⇒⇒⇒ einmalige Reinigung + Antiseptik

• große Weichteilverletzungen ⇒⇒⇒⇒ Debridement + einmalige Antiseptik

• Verbrennungswunde ⇒⇒⇒⇒ nach Abtragung nekrotischer und

infizierter Gewebeanteile Antiseptik bis zur Transplantation, bei Meshgraft Fortsetzung bis Epithelisierung

keine Indikation zur Wundantiseptik

• saubere begrenzte Bagatellverletzung, heilende Gelegenheitswunde

• Wundkolonisation ohne klinische Entzündungszeichen

• abgetrocknete Op-Wunde (2. Tag)

• einheilendes Mesh-graft-Transplantat bzw. frisches Hauttransplantat

• intraoperativ bei kurzdauernden Eingriffen mit geringem Kontaminationsrisiko und aseptischen Wundverhältnissen

2. Prävention von SSI

� Präoperativ bei kontaminiertertraumatischer Wunde – einmaligeantiseptische Spülung

� intraoperativ nach Wundkontamination(z.B. während Colonchirurgie), langer OP-Feld-Präparation oder nach Exzisionchronischer Herde – einmaligeantiseptische Spülung

� Wundkolonisation mit MRE (z.B. MRSA, VRE) – bis zur Eradikation

� intra+postoperativ durch antiseptischimprägniertes Nahtmaterial

Die kolonisierte reizlose Wunde als Infektionsquelle

Kolonisation mit MRSA und VRE

� bei hospitalisierten Patienten antiseptische Eradikation anstreben

� vor planbaren operativem Eingriff erfolgreiche Eradikation abwarten

Ermittlung idealerweise durch

Screening

MRSA - Screening bei Patienten mit einem der Risikofaktoren

� chronische Pflegebedürftigkeit � liegender Katheter (z. B. Harnblase, PEG-Sonde) � Dialysepflichtigkeit � Hautulcus/Gangrän/chronische Wunden/tiefe Weichteilinfektion

� Beatmung bzw. Kanülenträger� im Ausland dialysierte, chirurgisch behandelte oder > 24 h hospitali-sierte bzw. mit Drainage oder Katheter versorgte Patienten (außer Dänemark, Niederlande, Slovenien)

� Verlegung aus Krankenhäusern/Einrichtungen mit wahrscheinlichem endemischen MRSA-Vorkommen

� stationäre Aufenthalte des Patienten innerhalb der letzten 3 Monate in anderen Krankenhäusern (sofern kein Negativtest)

� Patienten aus Ländern mit hoher MRSA-Prävalenz� Wiederaufnahme mit bekannter MRSA-Anamnese(Cave-Feld)

� Beschäftigte in SchweinemastanlagenRKI empfiehlt Screening erst bei Vorliegen von zwei Risikofaktoren

Antiseptik nach verschmutzten Weichteiltraumen

Landwirtschaftliche schwere verschmutzte Weichteilverletzungen

� Design: Retrospektive offen kontr., monozentr. , randomisierte Kohortenstudie

� standardisierte Dokumentation für jeden Patienten- Ursache und Charakteristik der Verletzung- Intervall zwischen Verletzung und chir. Intervention- Ausschlusskriterium: vorherige systemische oder lokale

Antibiotikaanwendung� nach chir. Versorgung vor Wundverschluss Spülung mit- 0.04 % Polihexanid- 10 % PVP-Iod- H2O2 4 % - Ringer solution (Placebo) für 3 min

Prävention von SSI durch Wundspülung vor dem Wundverschluss

3.4*692067PVP-I 10 %

0.91*353849Polihexanide 0.04 %

4.4*/**24551Ringer

8.7*/**44504H2O2 4 %

Patienten mit SSI

all n %

Spüllösung

* corresp. p < 0.000 ** corresp. p < 0.002

Kramer et al. GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc58

Kritische Kolonisation chronischer Wunden

� Merkmal: keine invasive Infektion, aber durch Toxinabgabe verzögerte Wundheilung bzw. Übergang in chronische Wunde

� Klinik: häufig nur verändertes Granulationsgewebe, erhöhte Blutungsneigung, Wundgeruch, Exsudation

� Mikrobiologie: > 5 lg Erreger/g Wundgewebe (wird kaum in praxi als diagnostische Merkmal genutzt)

„milde“ Antiseptik innerhalb eines Gesamtkonzepts der Wundbehandlung!

Resultate mikrobiologischer Abstriche von chronischen Ulcera cruris bei 230 Patienten

069221397 d nach Antiseptik

010553723 d nach Antiseptik

38155352vor Antiseptik

3-421

Anzahl der Erregerspecies im Wundabstrich

kein Erreger-nachweis

Zeitpunkt

antiseptische Behandlung mit Polihexanid getränkten Auflagen erwies sich als wichtiges Adjuvans zur chirurgischen Basistherapie

Aktuelle Situation

� Nach wie vor fehlen klinische repräsentative Studien zur Wundantiseptik mit den Merkmalen

� vergleichbare Wunden + Randbedingungen� randomisiert� doppelblind� (placebokontrolliert oder) direkter Vergleich 2er

Verfahren� allgemein anerkannte Zielparameter

� Konsequenz →→→→ im wesentlichen nur Analogieschlüsse

Wirksamkeitin vitro, tierexp.

Verträglichkeit

Chirurgischer Aphorismus

Gib nichts in die Wundewas Du nichts ins Auge geben kannst.

Trifft zu für:� Polihexanid 0,04 % (2004 Einführung zur präop. Augenantiseptik)

Hansmann F, Kramer A, Ohgke H, Strobel H, Geerling G (2004) Polyhexamethylbiguanid (PHMB) as preoperativeantiseptic for cataract surgery . Ophthalmol 101: 377-383.

Hansmann F; Kramer A; Ohgke H; Strobel H; Muller M; Geerling G (2005) Lavasept as an alternative to PVP-iodineas a preoperative antiseptic in ophthalmic surgery. Randomized, controlled, prospective double-blind trial. Ophthalmol 2005, 102(11):1043-6, 1048-1050.

� Octenidin < 0,05 % (Schweineauge)� PVP-Iod 1 % (Anwendungskonz. auf Wunden 10 %)� Chlorhexidine <0,006 %Trifft nicht zu für:� Silbersulfadiazin

Zweite Prämisse

Wende keine Wirkstoffe auf Wunden an,die in Quantitäten resorbiert werden, die mit dem Risiko von Nebenwirkungen verbunden sein können

trifft zu für:� PVP-Iod� Silberverbindungen

bzw. die zu kritischen Verbindungen gegiftet werden könnentrifft zu für:� Chlorhexidin (p-Chloranilin)

Kriterien zur Wirkstoffauswahl

Schädigung durch Infektion

Toxizität des Antiseptikums

risk benefitBalance

Biokompatibilitätsindex (BI)

Quotient aus IC50 und RF >lg 3, getestet in FBS

L929/ S. aureusL929/E. coli

2.11

1.36

0.98

0.68

0.46

0.11

nicht kalkulierbar

1.73

1.51

0.83

0.68

0.23

0.22

nicht kalkulierbar

Octenidin

Polihexanid

Chlorhexidindigluconat

PVP-I (bezogen auf I2)

Triclosan

Ag-Protein (bezogen auf Ag)

Ag(I)-Sulfadiazin,AgNO3

BI [30 min]Wirkstoff

Müller G, Kramer A. J Antimicr Chemother 2008; 61(5)

Merkmale von Octenidin

� kein Einbringen

unter Druck in

Stichverletzungen

� knorpeltoxisch

� Wirkungsbereich A (+Biofilme), z.T.

viruzid, rasch wirksam (> 30 s)

� Remanenz + postantisept. Effekt

� kein Eiweiß- und Blutfehler

� keine Resistenzentwicklung

� keine Resorption

� keine allergischen, toxischen +

ökotoxischen Risiken

� Stimulation von Phagocytose und PDGF

Anwendungs-einschränkungen/

Nachteile

Merkmale

Koburger, Hübner, Braun, Siebert, Kramer. Standardized comparison of antiseptic efficacy of triclosan, PVP–iodine, octenidine dihydrochloride, polyhexanide and chlorhexidine digluconate. JAC 2010; 65: 1712–1719

Wechselwirkung von Octenidin (OCT) und Chlorhexidin (CHX) mit Säugerzellen

� Bindung an Zellen neutralisiert mikrobiozide Wirkung von OCT nicht

� mikrobiozide Wirkung von zellgebundenem OCT ist der von CHX bei vergleichbaren Konzentrationen weit überlegen

� 5-6 log-Stufen Reduktion bei Zell-OCT-Kombinationen mit 0,01% OCT nach 120 min Kontaktzeit, nicht erreichbar mit 0,1% CHX; mikrobiozide Wirkung von Zell-CHX-Kombinationen mit 0,01% CHX << 1 log

Müller G, Kramer A. GMS Krankenhaushyg Interdiszip2007; 2(2):Doc46 (20071228)

Fazit

� im Vergleich mit OCT besitzt CHX keine postantiseptische Wirkung (Remanenz)� irreversible Bindung von CHX in der

Zellmembran, unlöslicher und damit inaktiver Wirkstoff CHX

� OCT bleibt bioverfügbar auch nach Denaturierung von Säugerzellen

Hypothese für gute klinische Verträglichkeit:- Bindung an Zellen auf der Wundoberfläche- von hier aus kontinuierliche Freisetzung in nicht zytotoxischen Quantitäten

Octenidin/Indikationen

� Wirkstoff der Wahl für akute kontaminierte traumatische Wunden: Octenisept enthält 0,1 % Octenidin

� für empfindliche Wunden (chronische Wunden): Octenilin enthält 0,05 % Octenidin

Hübner, Siebert, Kramer. Octenidine dihydrochloride, a modern antiseptic for skin, mucous membranesand wounds. Skin Pharmacol 2010;23:244–58

Vor- und Nachteile von Polihexanid

� langsamer

Wirkungseintritt

(5-20 min)

� Herabsetzung der

Mikrozirkulation

tierexp.

� BI > 1, wirksam gegen Biofilme

und Fibrinplaques

� Remanenz+ postantisept. Effekt

� kein Eiweiß- und Blutfehler

� knorpelverträglich (<0,005%)

� keine allergischen+ toxischen

Risiken, keine Resorption

� Hemmung der Bildung reaktiver

NO- und O-Radikale

� Förderung der Wundheilung

NachteileMerkmale

Hübner, Kramer. Review on the efficacy, safety andclinical applications of polihexanide, a modern woundantiseptic. Skin Pharmacol Physiol 2010;23(suppl 1):17–27

Wirksamkeit gegen P- aeruginosa Biofilm

a Kontrolle b CHX 0,1% c PHMB 0,02% d PHMB 0.04% e TTP f Argon Hübner, Matthes, Koban, Rändler, Müller, Bender, Kindel, Kocher, Kramer. Efficacy of chlorhexidine, polihexanide and Tissue-Tolerable Plasma againstP. aeruginosa biofilms grown on polystyrene and silicone materials. Skin Pharmacol Physiol 2010;23(suppl 1):28–34

Polihexanid/Indikationen

� Wirkstoff der Wahl zur Infektionsprävention ausgedehnter traumatischer kontaminierter Verletzungen (0,04 %)

� Wirkstoff der Wahl für infizierte akute Wunden (initial 0,04 %, fortsetzen mit 0,02 %)

� Wirkstoff der Wahl für infizierte chronische Wunden und für Verbrennungswunden (0,02%)

� 0,005 % knorpelverträglich bei noch vorhandenen Wirksamkeit (> 3 lg/30 min)

� Wirkstoff der Wahl in Wundauflagen wegen Wundheilungsförderung

Kramer, Hübner, Assadian, Mulder. Polihexanide –perspectives on clinical wound antisepsis. Skin Pharmacol Physiol 2010;23(suppl 1):1–3

Vor- und Nachteile von Iodophoren

� für traumatische verschmutzte

Wunden nicht wirksamer als Ringer

� kein postantiseptischer Effekt

� Iodresorption! Kontraindikationen

� hohe Sensibilisierungsrate (bis 20 %)

� fehlende Remanenz

� zytotoxisch, inkompatibel für

Peritoneum

� Blutfehler (ab 20 % unwirksam)

� Wassergefährdungsklasse 2;

darf nicht in Abwasser eingeleitet

werden, sofern polymeres PVP nicht

aus dem Abwasser entfernt wird

� Wirkungsbereich A, z. T.

viruzid

� BI < 1

� nach h bzw. d

Einwirkungszeit

sporozid

� knorpelverträglich

Anwendungseinschränkungen/NachteileMerkmale

PVP-Iod/Indikationen

� entbehrlich zur Wundantiseptik- wegen Resorptionstoxizität + Zytotoxizität- wegen fehlendem Einfluss auf SSI-Rate ungeeignet

zur Erstversorgung verschmutzter traumatischer Wunden

� Mittel der ersten Wahl bei Stich- und Schnitt-verletzungen mit HBV-, HCV- bzw. HIV-Infektionsgefährdung nach Phase des induzierten Blutens - die benötigte virozideWirkung überwiegt das Risiko der Schilddrüsengefährdung

� für Gelenkspülung 1:8 verdünnt geeignet, da beim Gelenkempyem die Schilddrüsengefährdung in den Hintergrund tritt

Vor- und Nachteile von Iodophoren

� für traumatische verschmutzte

Wunden nicht wirksamer als Ringer

� kein postantiseptischer Effekt

� Iodresorption! Kontraindikationen

� hohe Sensibilisierungsrate (bis 20 %)

� fehlende Remanenz

� zytotoxisch, inkompatibel für Peritoneum

� Blutfehler (ab 20 % unwirksam)

� Wassergefährdungsklasse 2

� Wirkungsbereich

A, z. T. viruzid,

BI < 1

� nach h bzw. d

sporozid

� knorpelverträglich

Anwendungseinschränkungen/NachteileMerkmale

Kramer, Reichwagen Heldt, Widulle, Nürnberg. Iod und Iodophore. In: Kramer A, Assadian O (Hrsg) Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung. Thieme: Stuttgart,New York, 2008, 737-43

PVP-Iod/Indikationen

� entbehrlich zur Wundantiseptik- wegen Resorptionstoxizität + Zytotoxizität- wegen fehlendem Einfluss auf SSI-Rate ungeeignet

zur Erstversorgung verschmutzter traumatischer Wunden

� Mittel der ersten Wahl bei Stich- und Schnitt-verletzungen mit HBV-, HCV- bzw. HIV-Infektionsgefährdung nach Phase des induzierten Blutens - die benötigte virozideWirkung überwiegt das Risiko der Schilddrüsengefährdung

� für Gelenkspülung geeignet, da beim Gelenkempyem die Schilddrüsengefährdung in den Hintergrund tritt

Chlorhexidin

HN NH2

N N

NH2

N NHN

NH2 NH2

Cl

Cl

1,1'-Hexamethylen bis(5-(p-chlorophenyl)biguanid

p-Chloranilinp-Chloranilin

Vor- und Nachteile von Chlorhexidin

�Wirkungsschwäche bei gramnegativen

klinischen Isolaten

�Wirkungsverminderung durch Eiweiß- und

Blut, Inaktivierung durch Cardiolipin

� kein postantiseptischer Effekt

� Resistenzentwicklung

� zytotoxisch: Wundheilungsverzögerung

� mutagen in vitro und vivo

� Bildung von p-Chloranilin in vivo

� anaphylaktische und allergische Reaktionen

� tierexp. neurotoxische Gefährdung

� BI 0,8 – 1,0

� remanente

Wirkung

Anwendungseinschränkungen/NachteileMerkmale

Kramer, Reichwagen, Widulle, Heldt. Guanidine und Biguanide. In: Kramer A, Assadian O (Hrsg) Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung. Thieme: Stuttgart,New York, 2008, 788-98

Mikrobiozide Wirksamkeit von Chlorhexidin

0,0001

0,001

0,01

0,1

1

0,1 1 10 100 1000 10000

exposure (min)

conc.

n Octenidin

Polyhexanid

Chlorhexidin

Koburger, Hübner, Braun, Siebert, Kramer. Standardized comparison of antiseptic efficacy of triclosan, PVP–iodine, octenidine dihydrochloride, polyhexanide and chlorhexidine digluconate. JAC 2010; 65: 1712–1719

Meshgraft-Modell

prosp., monoz., rand., kontroll., klin. Parallelgruppen-StudiePVP-I-hydrogel versus Chx-gaze tape/mesh-graft →→→→

Brandwunde (3 d)

� PVP-I: n = 5 % Abstoßung, ↑↑↑↑ neo-epithelisation� Chx: n = 36 % Abstoßung

Reimer, Vogt, Broegmann, Hauser, Rossbach, Kramer, Rudolph, Bosse, Schreier, Fleischer. An innovative topical drug formulation for wound healing and Infection treatment: in vitro and in vivo investigationsof a povidone-iodine liposome hydrogel.Dermatology2000; 201(3) 235-41

Medline Recherche 2001-2009

Chlorhexidine: wound antisepsis,woundtreatment, wound healing →→→→ nur eineQuelle� Chlorhexidin wird oft zur „Wundversorgung“ eingesetzt, obwohl wenig Evidenz gegeben ist, es zur Wundreingiung einzusetzen

Main RC. Should chlorhexidine gluconate be used in wound cleansing? J Wound Care 2008; 17(3) 112-4

Vor- und Nachteile von Silberverbindungen

� keine antiinfektive Wirkung, aber

Wundheilungsverzögerung� Resorption

� kein postantiseptischer Effekt

� Risiko der Resistenzentwicklung

� in vitro und in vivo mutagen

� fertilitätshemmend

� tumorigen am Applikationsort

� Bioakkumulation + hohe aquat.Toxizität

� BI << 1, d.h.

nahezu kompletter

Wirkungsverlust

durch Eiweiß- und

Blutbelastung

Anwendungseinschränkungen/NachteileMerkmale

Guggdenbichler, Kramer, Reichwagen. Metalle und Metallverbindungen. In: Kramer A, Assadian O (Hrsg) Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung. Thieme: Stuttgart,New York, 2008, 788-98

Schlussfolgerungen für Silberverbindungen

� BI nicht kalkulierbar, da bei Eiweißbelastung nahezu kompletter Wirkungsverlust →→→→ in Verbindung mit Zytotoxizität, Resorptionstoxizität und Langzeitrisiken einschließlich der Umweltbelastung kritisch bzw. entbehrlich zur Wundantiseptik

� bei fester Bindung in der Wundauflage antiseptisch effektiv + Inaktivierung von Endotoxinen →→→→ gute klinische Ergebnisse

Antiseptische Wundauflagen

� der alleinige Einsatz hydrokolloider Verbände bei kolonisierten Wunden mit klinischen Entzündungszeichen und leichter bis mittelstarker Exsudation bewirkt in der Regel nur eine unzureichende Reinigung, Absorption und Erregerelimination

� für Schutz vor lokaler Kolonisation mit nachfolgender Infektion sind antiseptische Wundauflagen mit Wirkstofffixierung zu bevorzugen

� grundsätzlich feuchte Wundbehandlung

antiseptische Wirkstoffe in Wundauflagen mit Wirkstofffreisetzung

� Polihexanid - Wundheilungsförderung

� Chitosan

� Silbernitrat und nanokristallinesSilber

� Silbersulfadiazin -

� Antibiotika

� Chlorhexidin

� PVP-Iod

Ag+ (Acticoat) vs. Allevyn(Standard ohne Ag+)

Mesh graft; prosp., kontr., matched paired- Studie� > 90 % Reepith. (p = 0.004)

Allevyn nach 9,1 + 1,6 dActicoat nach 14,5 + 6,7 d

� keine Differenz in Kolonisation� nach 1 und 2 Monaten sign. schlechtere Narbenbildung mit Acticoat, nach 3 Monaten Nivellierung

Innes et al., Burns (2001) 621-627

Metanalyse (nur 3 Studien) →→→→ keine ausreichende Evidenz zur Empfehlung von silberhaltigen Wundauflagen oder topischer Anwendung bei infizierten oder kontaminierten chronischen Wunden

→→→→ keine antiinfektive Wirkung, aber Wundheilungsverzögerung

Vermeulen et al. Topical silver for treating infected wounds. Cochrane Database Syst Rev 2007;(1):CD005486

Fazit

� Jede akute Wunde ist so zu behandeln, dass sie ohne nachfolgende Wundinfektion per primam heilt.

� Jede chronische Wunde ist die Herausforderung, sie in eine heilende Wunde zu überführen.

Die Antiseptik kann in beiden Fällen nur zur Unterstützung der chirurgischen Therapie beitragen.

Goldene Regel der Antiseptik

Nicht das wirksamste Antiseptikum

ist am geeignetsten, sondern das geeignetste Antiseptikum

ist am besten.Axel Kramer

Ausblick:Tissue Tolerable Plasma + Polihexanid

Behandlung einer seit 2005 bestehenden bis 2010 sowohl chirurgisch als auch antiseptisch vergeblich behandelten chronischen Wunde mit Tissue Tolerable Plasma (PlasmajetkINPen09)

Komplette Abheilung derselben Wunde im Jahr 2010 11 Wochen nach Plasmatherapie und anschließender Polihexanidapplikation

Die Überzeugung von der Notwendigkeit derindikationsgerechten Wundbehandlung muss jeden

Wundmanmager wie ein Flächenbrand erfassen

Prävention

Prävention ist die Kunst der Abwägung zwischen

gesundem Menschenverstand und leidvoller Erfahrung

vorausschauender Weitsicht und komplizierter oder

banaler Evidenz

Ethik und Politik

Selbstverständlichem und Unerwarteten.

Prävention ist die Balance von Verantwortung Vernunft

Bequemlichkeit Kosten

für die niemand freiwillig die Verantwortung übernimmt.

Prävention ist die Herausforderung

größeres Unheil mit kleineren Anstrengungen zu verhüten

anstatt unter seinen Folgen zu leiden und diese mit

ungleich höherem Aufwand bewältigen.

Leider ist Prävention keine gewinnbringende Aktie.

Für Prävention gibt es keinen Königswegdas macht sie schwierig.

Prävention hat eine qualvolle Latenz mit in ungewisser Ferne liegendem Nutzendas erfordert Überzeugung Geduld mühevolle Analysen Mut den glücklichen Zufall.

Prävention ist selten spektakulär ohne leidenschaftliche Liebe erstickt ihre Vision im vergeblichen Versuch.

Ihre vielfältigen Wege Umwege Ungewissheit provozieren den Meinungsstreit Notwendiges von Unnötigem zu trennenscheinbar Aufwand zu opfern um Leben zu bewahren.

Solange das Bemühen nicht durch den Anspruch der Macht eitle Selbstdarstellung umsichgreifendeInkompetenz gefährdet ist hat es seine Chance.

Der Zeitpunkt wann die neuen Hürden des Fortschritts übersprungen werden müssendarf nicht verpasst werden.

Axel Kramer

Vielen Dank!

Caspar David Friedrich


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