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Algebra || Grundlagen der Körpertheorie

Date post: 08-Dec-2016
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20 Grundlagen der Körpertheorie Übersicht 20.1 Körpererweiterungen ................................................ 235 20.2 Ring- und Körperadjunktion ......................................... 241 20.3 Algebraische Elemente. Minimalpolynome ............................. 242 Körper wurden bereits im Abschnitt 13.7 eingeführt. Eigentlich kennt man auch schon aus der linearen Algebra den Begriff eines Körpers. In diesem ersten Kapitel zur Kör- pertheorie beginnen wir von Neuem: Wir definieren Körper, bringen zahlreiche Bei- spiele und führen die wichtigsten Begriffe wie Charakteristik, Primkörper, Grad einer Körpererweiterung, Körperadjunktion und algebraische Elemente ein. Mit diesen Be- griffen ausgerüstet können wir uns dann in einem weiteren Kapitel daran machen, die einfachsten Körpererweiterungen genauer zu untersuchen. 20.1 Körpererweiterungen 20.1.1 Definition und Beispiele Ein kommutativer Ring K mit 1(= 0), in dem jedes von null verschiedene Element invertierbar ist, heißt Körper. Eine Auflistung aller Axiome findet man auf Seite 377. Beispiel 20.1 Es sind Q, R, C Körper. Es ist Q[i] = {a +i b | a, b Q} mit + und · aus C ein Körper. Allgemeiner ist Q[ d] für jedes quadratfreie d Z ein Körper (siehe Aufgabe 13.11). Ist R ein kommutativer Ring mit 1, so ist für jedes maximale Ideal M von R der Faktorring R/M nach Korollar 15.17 ein Körper; die zwei wichtigsten Sonderfälle: Für jede Primzahl p ist Z p = Z/p Z = { 0,..., p 1} ein Körper mit p Elementen. Zur Erinnerung: Addition und Multiplikation sind gegeben durch k + l = k + l, k · l = kl ( k, l Z p ); und es gilt k = k genau dann, wenn ein m Z existiert mit k = k + mp. C. Karpfinger, K. Meyberg, Algebra, DOI 10.1007/978-3-8274-3012-0_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
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Page 1: Algebra || Grundlagen der Körpertheorie

20 Grundlagen der Körpertheorie

Übersicht20.1 Körpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

20.2 Ring- und Körperadjunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

20.3 Algebraische Elemente. Minimalpolynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Körper wurden bereits im Abschnitt 13.7 eingeführt. Eigentlich kennt man auch schonaus der linearen Algebra den Begriff eines Körpers. In diesem ersten Kapitel zur Kör-pertheorie beginnen wir von Neuem: Wir definieren Körper, bringen zahlreiche Bei-spiele und führen die wichtigsten Begriffe wie Charakteristik, Primkörper, Grad einerKörpererweiterung, Körperadjunktion und algebraische Elemente ein. Mit diesen Be-griffen ausgerüstet können wir uns dann in einem weiteren Kapitel daran machen, dieeinfachsten Körpererweiterungen genauer zu untersuchen.

20.1 Körpererweiterungen

20.1.1 Definition und Beispiele

Ein kommutativer Ring K mit 1 ( = 0), in dem jedes von null verschiedene Elementinvertierbar ist, heißt Körper. Eine Auflistung aller Axiome findet man auf Seite 377.

Beispiel 20.1Es sind Q, R, C Körper.Es ist Q[i] = {a + i b | a, b ∈ Q} mit + und · aus C ein Körper. Allgemeiner istQ[

√d] für jedes quadratfreie d ∈ Z ein Körper (siehe Aufgabe 13.11).

Ist R ein kommutativer Ring mit 1, so ist für jedes maximale Ideal M von R derFaktorring R/M nach Korollar 15.17 ein Körper; die zwei wichtigsten Sonderfälle:

• Für jede Primzahl p ist Zp = Z/pZ = {0, . . . , p− 1} ein Körper mit p Elementen.Zur Erinnerung: Addition und Multiplikation sind gegeben durch

k + l = k + l , k · l = k l (k, l ∈ Zp) ;

und es gilt k = k′ genau dann, wenn ein m ∈ Z existiert mit k = k′ +mp.

C. Karpfinger, K. Meyberg, Algebra, DOI 10.1007/978-3-8274-3012-0_21,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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236 20 Grundlagen der Körpertheorie

• Für jedes irreduzible Polynom P ∈ K[X], dem Polynomring über einem KörperK, ist K[X]/(P ) ein Körper.

Für jeden Körper K ist der Quotientenkörper K(X) des Polynomrings K[X] einKörper – der Körper der rationalen Funktionen (vgl. Abschnitt 14.3.6).

Voraussetzung. Im Folgenden bezeichnetK = (K,+, ·) immer einen Körper mit Eins-element 1 = 1K . Es ist K× = K \ {0}.

20.1.2 Die Charakteristik eines Körpers

Zu jedem a ∈ K sind in üblicher Weise die ganzzahligen Vielfachen k a, k ∈ Z, durch

0a = 0 , n a = a+ · · ·+ a︸ ︷︷ ︸n Summanden

, (−n) a = n (−a) für n ∈ N

erklärt. Speziell für a = 1K = 1 gilt entweder

n 1 = 0 für alle n ∈ N oderes gibt ein n ∈ N mit n 1 = 0.

Im ersten Fall sagt man, K hat die Charakteristik 0 und schreibt CharK = 0, imanderen Fall ist die Charakteristik von K gleich der Ordnung der 1 in der additivenGruppe (K,+),

p = CharK = min{n ∈ N |n 1 = 0} .

Es ist p in diesem Fall eine Primzahl, weiter gilt p a = 0 für alle a ∈ K (vgl. Lemma13.4), und die Frobeniusabbildung

Φ :

⎧⎨⎩ K → K

a �→ ap

ist ein Ringmonomorphismus – wir nennen Φ in diesem Fall auch Frobeniusmono-morphismus (vgl. Lemma 13.5).Im Fall CharK = 0 ist mit a ∈ K, a = 0, auch n a = 0 für alle n ∈ N. Es folgtsomit na = n′ a für alle natürlichen Zahlen n = n′, insbesondere besitzt der KörperK unendlich viele Elemente.

Vorsicht. Im Fall CharK = p mit einer Primzahl p ist der Körper nicht zwangsläufigendlich, so enthält Z2 zwar nur zwei Elemente 0 und 1, aber der Körper der rationalenFunktionen Z2(X) =

{PQ |P, Q ∈ Z2[X], Q = 0

}unendlich viele Elemente – z.B. die

Monome 1, X, X2, . . . Wegen 1 + 1 = 0 in Z2(X) gilt CharZ2(X) = 2.

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20.1 Körpererweiterungen 237

20.1.3 Teilkörper, Körpererweiterungen

Man nennt K ⊆ E einen Teilkörper von E und E einen Erweiterungskörper vonK sowie E/K eine Körpererweiterung, wenn K ein Teilring von E und als solcherein Körper ist, d. h. wenn gilt:

a, b, c ∈ K , c = 0 ⇒ a− b , a b , c−1 ∈ K .

Nach Lemma 2.7 gilt dann 1K = 1E, also auch CharK = CharE. Es heißt F einZwischenkörper von E/K, wenn F ein K umfassender Teilkörper von E ist. Esist dann K ⊆ F ⊆ E ein Körperturm, d. h. eine Familie ineinandergeschachtelterKörper.

Beispiel 20.2Es ist C/Q eine Körpererweiterung, Q also ein Teilkörper von C und C ein Erwei-terungskörper von Q, und R bzw. Q[

√19] ist ein Zwischenkörper von C/Q.

Es ist K(X)/K eine Körpererweiterung, und K(X2) (siehe Beispiel 14.3 auf Seite173) ist ein Zwischenkörper von K(X)/K.

20.1.4 Primkörper

Der Durchschnitt von Teilkörpern von K ist offenbar ein Teilkörper von K. Insbeson-dere ist der Durchschnitt P aller Teilkörper von K der kleinste Teilkörper von K. Erwird der Primkörper von K genannt:

P =⋂

{U |U ist ein Teilkörper von K} .

Der Isomorphietyp von P hängt nur von der Charakteristik von K ab:

Lemma 20.1Für den Primkörper P des Körpers K gilt:

(a) CharK = 0 ⇒ P = {(r 1) (s 1)−1 | r, s ∈ Z, s = 0} ∼= Q.

(b) CharK = p = 0 ⇒ P = {n 1 | 0 ≤ n < p} ∼= Zp.

Mit Worten heißt dies: Hat K die Charakteristik 0, so ist der Primkörper von K zu Qisomorph; ist die Charakteristik p = 0, so ist er zu Zp isomorph.

Beweis: Mit 1 liegen auch alle Vielfachen n 1 in P . Und die Abbildung

τ :

⎧⎨⎩ Z → P

n �→ n 1

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238 20 Grundlagen der Körpertheorie

ist nach den Aussagen in 1.5 und 13.1 (d) ein Ringhomomorphismus.(a) Im Fall CharK = 0 gilt Kern τ = {0}, sodass Z ∼= τ(Z) = {n 1 |n ∈ Z} nach demMonomorphiekriterium in 13.3. Mit dem Satz 13.9 zur universellen Eigenschaft folgt

Q = Q(Z) ∼= {(r 1) (s 1)−1 | r, s ∈ Z, s = 0} ⊆ P .

Da jedoch P definitionsgemäß in allen Teilkörpern liegt, folgt Q = P .(b) Hier gilt Kern τ = pZ nach Lemma 5.1. Mit dem Homomorphiesatz 15.12 folgt

τ(Z) = {n 1 |n ∈ Z} ∼= Z/pZ = Zp ;

und Zp ist nach Satz 5.14 ein Körper. Demnach ist τ(Z) = {n 1 | 0 ≤ n < p} bereitsein Körper, enthalten in P , τ(Z) ⊆ P . Wie im Teil (a) folgt hieraus die Gleichheitτ(Z) = P .

20.1.5 Der Grad einer Körpererweiterung

Es sei L/K eine Körpererweiterung, d. h., K und L sind Körper und K ⊆ L. Diefolgende einfache Beobachtung ist grundlegend für die gesamte Körpertheorie: Es ist Lein Vektorraum über K. Die additive Gruppe (L,+) ist nämlich eine abelsche Gruppe,und es ist eine Multiplikation von Elementen aus Lmit Skalaren ausK erklärt, nämlichdie gegebene Multiplikation in L:

· :

⎧⎨⎩ K × L → L

(λ, a) �→ λa.

Aus den Körperaxiomen für L folgen unmittelbar die Vektorraumaxiome, denn fürλ, μ ∈ K, a, b ∈ L gilt

λ (a+ b) = λa+ λ b , (λ+ μ) a = λ a+ μa , (λμ) a = λ (μa) , 1 a = a .

Die Dimension dimK L des Vektorraums L über dem Grundkörper K bezeichnet manmit [L : K] und nennt sie denGrad von L/K; und die Erweiterung L/K heißt endlich,wenn [L : K] endlich ist, d. h. [L : K] ∈ N. Im Fall [L : K] = 2 spricht man von einerquadratischen Erweiterung. Man beachte

[L : K] = 1 ⇔ dimK L = 1 ⇔ L = K .

Bemerkung. Ist B ⊆ L eine Basis des Vektorraums L über K, so lässt sich jedesElement a ∈ L auf genau eine Weise in der Form

a = λ1 b1 + · · · + λn bn

mit λ1, . . . , λn ∈ K, b1, . . . , bn ∈ B und n ∈ N darstellen.

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20.1 Körpererweiterungen 239

Beispiel 20.3[C : R] = 2. Das gilt wegen C = R+ R i, es ist also {1, i} eine R-Basis von (C,+).[Q[

√2] : Q] = 2. Wegen Q[

√2] = Q+Q

√2 ist {1,

√2} eine Q-Basis von (Q[

√2],+).

[K(X) : K] ∈ N; denn die Elemente 1, X, X2, . . . aus K(X) sind K-linear unab-hängig: Aus anXn+· · ·+a1 X+a0 = 0 mit a1, . . . , an ∈ K folgt an = · · · = a0 = 0.[K(X) : K(X2)] = 2, da {1, X} eine K(X2)-Basis von K(X) ist (man vgl. auchBeispiel 21.1 auf Seite 249).[R : Q] = |R| (siehe Aufgabe 20.3). Jede Q-Basis von (R,+) wird eine Hamelbasisgenannt. Eine solche ist nicht konstruktiv angebbar.

Bemerkung. Die einfache Beobachtung, dass L ein K-Vektorraum ist, ist fundamen-tal, weil so die Methoden der linearen Algebra genutzt werden können. Diese soge-nannte Linearisierung der Algebra (R. Dedekind, E. Noether, E. Artin) ist einer dermarkantesten Züge der modernen Algebra.

Wir bringen sogleich eine Anwendung dieses Konzepts für endliche Körper:

Lemma 20.2Jeder endliche Körper K ist eine endliche Erweiterung über seinem Primkörper P ∼=Zp, p = CharK. Falls [K : P ] = n, so hat K genau pn Elemente; ferner gilt ap

n

= a

für alle a ∈ K.

Beweis: Der Körper K ist eine Erweiterung seines Primkörpers P . Da K endlichist, kann es auch nur endlich viele über P linear unabhängige Elemente geben; alsogilt [K : P ] = n ∈ N. Ist (b1, . . . , bn) eine Basis von K über P , so lässt sich jedesa ∈ K eindeutig darstellen als a = λ1b1 + · · · + λnbn mit λ1, . . . , λn ∈ P , und es ista �→ (λ1, . . . , λn) ein P -Vektorraumisomorphismus von K auf Pn. Folglich gilt

|K| = |Pn| = |P |n = pn .

Bezüglich der Multiplikation istK× = K\{0} eine Gruppe der Ordnung pn−1, deshalbgilt ap

n−1 = 1 für alle a = 0 (nach dem kleinen Satz 3.11 von Fermat). Multiplikationdieser Gleichung mit a zeigt ap

n

= a für alle a ∈ K.

20.1.6 Der Gradsatz

Der folgende Gradsatz beherrscht die ganze Körpertheorie.

Satz 20.3 (Gradsatz)Für jeden Zwischenkörper E der Körpererweiterung L/K, K ⊆ E ⊆ L, gilt:

[L : K] = [L : E] · [E : K] .

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240 20 Grundlagen der Körpertheorie

Genauer: Sind (vi)i∈I eine Basis von L/E und (wj)j∈J eine Basis von E/K, so ist

(wj vi)(j,i)∈J×I

eine Basis von L/K.

Beweis: Alle auftretenden Summen haben nur endlich viele Summanden = 0: Jedesa ∈ L hat die Form a =

∑i∈I ei vi mit ei ∈ E und jedes ei wiederum die Gestalt

ei =∑

j∈J ki jwj mit ki j ∈ K, sodass

a =∑

(i,j)∈I×J

ki j wj vi .

Somit ist (wj vi)(j,i)∈J×I ein K-Erzeugendensystem von (L,+). Aus

∑(i,j)∈I×J

ki j wj vi = 0 (ki j ∈ K) , d. h.∑i∈I

⎛⎝∑

j∈J

ki j wj

⎞⎠ vi = 0 , folgt

∑j∈J

ki jwj = 0

für jedes i ∈ I und damit ki j = 0 für alle i, j. Somit ist (wj vi)(j,i)∈J×I linear unab-hängig über K. Wegen |I| = [L : E], |J | = [E : K] und |J × I| = |I| · |J | gilt die imSatz angegebene Gradformel.

Korollar 20.4Für jeden Zwischenkörper E einer endlichen Körpererweiterung L/K, K ⊆ E ⊆ L,gilt:

(a) [L : E] und [E : K] sind Teiler von [L : K].

(b) [L : E] = [L : K] ⇒ E = K.

Das Korollar schränkt die Möglichkeiten für Zwischenkörper E einer endlichen Kör-pererweiterung L/K stark ein. So besitzt z. B. eine Körpererweiterung vom Prim-zahlgrad keine echten Zwischenkörper, d. h., jeder Zwischenkörper E einer solchenErweiterung L/K erfüllt E = L oder E = K.

Beispiel 20.4Die Körpererweiterung C/R hat keine echten Zwischenkörper.Für einen Körperturm K1 ⊆ K2 ⊆ · · · ⊆ Kn von Körpern K1, . . . , Kn folgt induk-tiv:

[Kn : K1] =

n−1∏i=1

[Ki+1 : Ki] .

Obwohl C = R, gilt [C : Q] = [C : R] · [R : Q] = [R : Q] (vgl. Abschnitt A.3.2).

Page 7: Algebra || Grundlagen der Körpertheorie

20.2 Ring- und Körperadjunktion 241

20.2 Ring- und Körperadjunktion

Will man im Rahmen der Körpertheorie in einer Erweiterung L/K Aussagen übereine Teilmenge S ⊆ L machen, so beschränkt man sich oft zweckmäßigerweise auf dieUntersuchung des kleinsten Zwischenkörpers von L/K, der S umfasst. Es seien L/K

eine Körpererweiterung und S ⊆ L. Dann bezeichnet

K[S] den kleinsten Teilring von L, der K und S umfasst undK(S) den kleinsten Teilkörper von L, der K und S umfasst.

Diese Bezeichnung ist konsistent mit den bereits eingeführten BezeichnungenK[X], K(X), K[X2], K(X2), . . .. Man sagt, der Ring K[S] bzw. der Körper K(S)

entsteht aus K durch Adjunktion von S. Für S = {a1, . . . , an} schreibt manK(a1, . . . , an) anstelle von K({a1, . . . , an}), insbesondere K(a), falls S = {a}.

20.2.1 Einfache Körpererweiterungen

Gilt L = K(a) für ein a ∈ L, so heißen L/K eine einfache Körperweiterung und a

ein primitives Element von L/K.

Beispiel 20.5C/R ist einfach: C = R + R z = R[z] = R(z) für jedes z ∈ C \ R – jedes nichtreellez ∈ C ist also ein primitives Element.Für den Körper der rationalen Funktionen K(X) über K ist K(X)/K eine einfacheKörpererweiterung und X ein primitives Element.R/Q ist nicht einfach, da |Q(a)| = |Q| für jedes a ∈ R nach der Aussage (c) desfolgenden Lemmas 20.5 gilt; und bekanntlich gilt |Q| < |R|.Jede endliche Erweiterung L/K eines endlichen Körpers K ist einfach. Denn imFall [L : K] = n ∈ N besteht die K-Vektorraumisomorphie L ∼= Kn, insbesonderegilt |L| = |K|n, sodass L wieder endlich ist. Nach dem Korollar 14.9 ist die multi-plikative Gruppe L× zyklisch, d. h., es gibt a ∈ L, sodass L = {0, a, a2, . . . , am};insbesondere gilt L = K(a).

20.2.2 Darstellungen von K[S] und K(S)

Wir zeigen, wie sich die Elemente von K[S] und K(S) darstellen lassen – dies istmithilfe von Polynomen möglich:

Lemma 20.5Für jede Körpererweiterung L/K und beliebige s, s1, . . . , sn ∈ L und S, T ⊆ L gilt:

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242 20 Grundlagen der Körpertheorie

(a) K(S) = {a b−1 | a, b ∈ K[S], b = 0} ∼= Q(K[S]).

(b) K(S ∪ T ) = (K(S))(T ).

(c) K[s1, . . . , sn] = {P (s1, . . . , sn) |P ∈ K[X1, . . . , Xn]}, insbesondere gilt

K[s] = {P (s) |P ∈ K[X]}.

(d) K[S] =⋃

V⊆S

V endlich

K[V ], K(S) =⋃

V⊆S

V endlich

K(V ).

Beweis: (a) Die Isomorphie von Q(K[S]) mit der Menge W := {a b−1 | a, b ∈K[S], b = 0} folgt aus dem Satz 13.9 zur universellen Eigenschaft: Man wähle dortϕ : K[S] → L, a �→ a. Daher ist W ein K ∪ S umfassender Körper, sodass K(S) ⊆ W

gilt. Offenbar gilt W ⊆ K(S).(b) folgt direkt aus den Definitionen.(c) Die rechte Seite der ersten (behaupteten) Gleichung ist nach Satz 14.13 (a), (c) einTeilring von L und enthält alle s1, . . . , sn. Daraus folgt die Gleichheit.(d) Offenbar liegen die rechten Seiten C :=

⋃V⊆S

V endlich

K[V ] und D :=⋃

V⊆S

V endlich

K(V )

in den linken. Zu a, b ∈ C existieren endliche V, V ′ ⊆ S mit a ∈ K[V ], b ∈ K[V ′].Es folgt a, b ∈ K[V ∪ V ′], also a ± b, a b ∈ K[V ∪ V ′] ⊆ C. Somit ist C ein K und S

umfassender Ring, sodass K[S] ⊆ C. Analog begründet man K(S) ⊆ D.

20.3 Algebraische Elemente. Minimalpolynome

Ist L/K eine Körpererweiterung, so ist ein Element a ∈ L über K algebraisch odertranszendent.

20.3.1 Algebraische und transzendente Elemente

Es sei L/K eine Körpererweiterung. Ein Element a ∈ L heißt

algebraisch über K, wenn es ein von null verschiedenes Polynom P ∈ K[X] gibtmit P (a) = 0.transzendent über K, wenn es nicht algebraisch ist, d. h., für P ∈ K[X] giltP (a) = 0 nur für das Nullpolynom P = 0.

Beispiel 20.6Jedes a ∈ K ist algebraisch über K, nämlich Nullstelle von X − a ∈ K[X].Die Unbestimmte X ∈ K(X) ist transzendent über K, denn für jedes Polynom P ∈K[X] mit P (X) = 0 folgt P = 0 (es gilt P (X) = P ). Die Unbestimmte X ist aberalgebraisch über K(X), X ist nämlich Nullstelle des Polynoms Y −X ∈ K(X)[Y ].

Page 9: Algebra || Grundlagen der Körpertheorie

20.3 Algebraische Elemente. Minimalpolynome 243

Es sind π und e aus R transzendent über Q. Dies bewiesen Lindemann (1882) undHermite (1873). Die Beweise sind nicht einfach, wir verzichten darauf.Es ist i ∈ C algebraisch über R, nämlich Nullstelle von X2 + 1 ∈ R[X].Es ist 3

√2 ∈ R algebraisch über Q, denn P = X3 − 2 ∈ Q[X] erfüllt P ( 3

√2) = 0.

Für a =√2 + 3

√2 gilt (a2 − 2)3 = 2. Also ist a ∈ R algebraisch über Q, a ist

Nullstelle von X6 − 6X4 + 12X2 − 10 ∈ Q[X].Für a =

√3 + 5

√3 gilt

3 = (a−√3)5 = a5 − 5

√3 a4 + 10 · 3 a3 − 10 · 3

√3 a2 + 5 · 9 a− 9

√3 .

Damit gilt (5 a4+30 a2+9)√3 = a5+30 a3+45 a−3 und es folgt duch Quadrieren

a10 − 15 a8 + 90 a6 − 6 a5 − 270 a4 − 180a3 + 405 a2 − 270 a− 234 = 0 .

Folglich ist a ∈ R algebraisch über Q.

20.3.2 Das Minimalpolynom algebraischer Elemente

Nun seien L/K eine Körpererweiterung und a ∈ L algebraisch über K. Der Kern desEinsetzhomomorphismus

εa :

⎧⎨⎩ K[X] → L

P �→ P (a)

(vgl. Satz 14.5) ist nach Lemma 15.1 (a) ein Ideal Ia von K[X]. Da a algebraisch überK ist, gilt Ia = (0). Nach dem Homomorphiesatz 15.12 gilt

εa(K[X]) ∼= K[X]/Ia .

Da εa(K[X]) ⊆ L nullteilerfrei ist, ist auch der Ring K[X]/Ia nullteilerfrei. Somit istIa ein Primideal (vgl. Lemma 15.15). Da K[X] ein Hauptidealring ist, wird Ia voneinem Primelement, d. h. irreduziblen Element, P ∈ K[X] erzeugt: Ia = (P ) (vgl.die Aussagen in Lemma 18.2 und Korollar 18.5). Infolge K[X]× = K× und Lemma16.5 (b) gibt es genau ein – notwendig irreduzibles – normiertes Polynom ma,K mitIa = (ma,K). Man nenntma,K das Minimalpolynom von a über K. Begründet sind(a) und (b) von

Lemma 20.6Es sei a ∈ L algebraisch über K.

(a) Es ist ma,K normiert und irreduzibel, und a ist Nullstelle von ma,K .

(b) Für P ∈ K[X] gilt: P (a) = 0 ⇔ ma,K | P .

(c) ma,K ist durch die in (a) formulierten Eigenschaften eindeutig festgelegt undunter allen normierten Polynomen mit Nullstelle a dasjenige mit kleinstem Grad.

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244 20 Grundlagen der Körpertheorie

(d) Es ist a über jedem Zwischenkörper E von L/K algebraisch, und ma,K ist inE[X] durch ma, E teilbar.

Beweis: (c) Es sei P ∈ K[X] irreduzibel und normiert, und es gelte P (a) = 0. Mit(b) folgt ma,K | P , sodass ma,K ∼ P . Wegen der Normiertheit folgt P = ma,K . Auchdie zweite Aussage folgt mit (b). (d) folgt ebenfalls mit (b).

Beispiel 20.7Für jedes a ∈ K gilt ma,K = X − a.Es ist X2 + 1 ∈ R[X] das Minimalpolynom von i ∈ C über R, d. h. mi,R = X2 + 1.Es ist a := 1√

2(1 + i) Nullstelle des normierten Polynoms X4 + 1 ∈ Q[X]. Mit

dem Reduktionssatz 19.8 – man reduziere modulo 3 – folgt, dass X4 + 1 in Z[X]

irreduzibel ist. Folglich ist X4 + 1 nach Lemma 19.4 (b) auch in Q[X] irreduzibel,sodass ma,Q = X4 + 1.Wegen

X4 + 1 = (X2 +√2X + 1) (X2 −

√2X + 1)

über Q(√2) bzw. R ist X4 + 1 hier zerlegbar. Es gilt

ma,Q(√

2) = ma,R = (X2 −√2X + 1) | ma,Q .

Es ist X2 − 2 ∈ Q[X] das Minimalpolynom von√2 ∈ R, d. h. m√

2,Q = X2 − 2.

Oftmals ist es durchaus schwierig, das Minimalpolynom eines über K algebraischenElementes zu bestimmen. In den folgenden Aufgaben findet man Beispiele, an denenman sich versuchen sollte.

Aufgaben

20.1 Es seien K ein Körper der Charaktistik p �= 0 und a �= 0 ein Element aus K. ZeigenSie: Für ganze Zahlen m, n gilt ma = na genau dann, wenn m ≡ n (mod p).

20.2 Bestimmen Sie (bis auf Isomorphie) alle Körper mit 3 und 4 Elementen.

20.3 Begründen Sie: [R : Q] = |R|.20.4 Man zeige: Die Charakteristik eines Körpers mit pn Elementen (p Primzahl) ist p.

20.5 Es sei P ∈ R[X] ein Polynom vom Grad 3. Begründen Sie: R[X]/(P ) ist kein Körper.

20.6 Es sei ϕ : K → K ein Automorphismus eines Körpers K. Zeigen Sie, dass F := {a ∈K |ϕ(a) = a} ein Teilkörper von K ist. Begründen Sie auch, dass für alle a aus demPrimkörper P von K gilt: ϕ(a) = a.

20.7 Es seien E und F Zwischenkörper einer Körpererweiterung L/K, und es bezeichne E Fden kleinsten Teilkörper von L, der E und F enthält. Für r := [E : K], s := [F : K]und t := [EF : K] beweise man die folgenden Aussagen:

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20.3 Algebraische Elemente. Minimalpolynome 245

(a) t ∈ N ⇔ r ∈ N und s ∈ N.

(b) t ∈ N ⇒ r | t und s | t.(c) r, s ∈ N und ggT(r, s) = 1 ⇒ t = r s.

(d) r, s ∈ N und t = r s ⇒ E ∩ F = K.

(e) Es besitzt X3 − 2 ∈ Q[X] genau eine reelle Nullstelle 3√2 und zwei nichtreelle

Nullstellen α, α ∈ C. Für K := Q, E := K( 3√2) und F := K(α) zeige man:

E ∩ F = K, r = s = 3 und t < 9.

20.8 Bestimmen Sie den Grad der folgenden Teilkörper K von C über Q und jeweils eineQ-Basis von K:

(a) K := Q(√2,√3),

(b) K := Q(√18, 10

√2),

(c) K := Q(√2, i

√5,

√2 +

√7),

(d) K := Q(√8, 3 +

√50),

(e) K := Q( 3√2, u), wobei u4 + 6u+ 2 = 0,

(f) K := Q(√3, i).

20.9 Bestimmen Sie die Minimalpolynome ma, Q der folgenden reellen Zahlen a über Q:

(a) a := 12(1 +

√5),

(b) a :=√2 +

√3,

(c) a := 3√2 + 3

√4,

(d) a :=√

2 + 3√2.

20.10 Es seien p, q Primzahlen, p �= q, L = Q(√p, 3

√q). Man zeige:

(a) L = Q(√p 3√q).

(b) [L : Q] = 6.

20.11 Man zeige, dass für a, b ∈ Q gilt: Q(√a,

√b) = Q(

√a+

√b).

20.12 Es sei K := Q(√3, i, ε), wobei i, ε ∈ C mit i2 = −1 und ε3 = 1, ε �= 1 gelte.

(a) Bestimmen Sie [K : Q] und eine Q-Basis von K.

(b) Zeigen Sie, dass√3+ i ein primitives Element von K/Q ist und geben Sie dessen

Minimalpolynom über Q an.

20.13 Es sei a ∈ C eine Wurzel von P = X5 − 2X4 + 6X + 10 ∈ Q[X].

(a) Man bestimme [Q(a) : Q].

(b) Zu jedem r ∈ Q gebe man das Minimalpolynom von a+ r über Q an.

20.14 Eine Zahl a ∈ C heißt ganz algebraisch, wenn a Wurzel eines Polynoms P aus Z[X]mit höchstem Koeffizienten 1 ist. Man zeige:

(a) Zu jeder über Q algebraischen Zahl z gibt es ein a ∈ Z, sodass a z ganz algebraischist.

(b) Ist a ∈ Q ganz algebraisch, so ist bereits a ∈ Z.

(c) Ist a ∈ C ganz algebraisch, so sind auch a+m, ma mit m ∈ Z ganz algebraisch.


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