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Alemannen und Franken () || Die Bestattungssitte

Date post: 19-Dec-2016
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Die Bestattungssitte Nach der allmählichen Herausbildung der Reihengräbersitte im späten 4. und 5. Jahrhundert ist im Untersuchungsraum während des 6. und 7. Jahrhunderts die Bestattung der Toten in west-ost-orientierten Körpergräbern weithin üblich 1 . Markante Abweichungen von dieser Sitte sind relativ selten und räumlich spezifisch, was im folgenden dargestellt werden soll. Süd-Nord-ausgerichtete Körpergräber, im 5. Jahrhundert noch relativ häu- fig, sind im Zeitschnitt Β und C selten 2 . Wie ein entsprechendes Histogramm zeigt, kommen Anteile von über 10 Prozent kaum vor (Abb. 23). Die Gräber- felder mit einer solchermaßen erhöhten Frequenz von Süd-Nord-Gräbern sind, wie die Verbreitungskarte Abb. 24 zeigt, auf den Norden des Arbeits- gebietes beschränkt. In ganz ähnlicher Weise ist die Verbrennung der Toten im 6. und 7. Jahrhundert weithin ungewöhnlich; Brandgräber kommen zwar überall als Ausnahmen gelegentlich vor 3 , doch Anteile von Brandgräbern über 10 Prozent sind selten (Abb. 26). Auch hier zeigt die Verbreitungskarte (Abb. 25), daß die fraglichen Gräberfelder vorwiegend im Norden liegen. Neben diesen beiden sehr einschneidenden Unterschieden in der Bestattungs- sitte könnte eine Vielzahl weiterer, subtilerer Differenzen diskutiert werden 4 . Diese erfordern jedoch durchgehend gute, moderne Befundbeobachtungen, die nur zu vergleichsweise wenigen Nekropolen vorliegen, vor allem jedoch scheinen sich dort nach dem derzeitigen Forschungsstand keine im Sinne der Fragestellung interessanten Phänomene abzuzeichnen. Daneben sind einige besondere Bestattungssitten bekannt wie etwa die .Kammergräber vom Typ Morken', die vorwiegend auf eine soziale Führungsschicht begrenzt sind und hier entsprechend der oben diskutierten Vorgehensweise zunächst ausge- Z us ammenfassende Übersichten zuletzt: Halsall, Introduction 5-30; Koch, Grabformen; Stork, Jenseits. Dazu ζ. B. Siegmund, Niederrhein 233; Theune-Großkopf, Endingen 32 ff. Für den Westen zuletzt: Siegmund, Niederrhein 232; für den Süden: Pescheck, Kleinlang- heim 7 f.; Haas-Gebhard, Dittenheim 102 ff. Abweichende Ausrichtungen, abweichende Skelettlagen (Hocker, Bauchlage etc.); dazu ζ. B. Haas-Gebhard, Dittenheim 106 ff. - Eine gute Übersicht über das Phänomen der Mehr- fachbelegungen nun bei: Lüdemann, Doppelbestattungen; vgl. Martin, Kaiseraugst, 229 ff. Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 93.180.53.211 Download Date | 1/22/14 8:30 AM
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Page 1: Alemannen und Franken () || Die Bestattungssitte

Die Bestattungssitte

Nach der allmählichen Herausbildung der Reihengräbersitte im späten 4. und 5. Jahrhundert ist im Untersuchungsraum während des 6. und 7. Jahrhunderts die Bestattung der Toten in west-ost-orientierten Körpergräbern weithin üblich1. Markante Abweichungen von dieser Sitte sind relativ selten und räumlich spezifisch, was im folgenden dargestellt werden soll.

Süd-Nord-ausgerichtete Körpergräber, im 5. Jahrhundert noch relativ häu-fig, sind im Zeitschnitt Β und C selten2. Wie ein entsprechendes Histogramm zeigt, kommen Anteile von über 10 Prozent kaum vor (Abb. 23). Die Gräber-felder mit einer solchermaßen erhöhten Frequenz von Süd-Nord-Gräbern sind, wie die Verbreitungskarte Abb. 24 zeigt, auf den Norden des Arbeits-gebietes beschränkt. In ganz ähnlicher Weise ist die Verbrennung der Toten im 6. und 7. Jahrhundert weithin ungewöhnlich; Brandgräber kommen zwar überall als Ausnahmen gelegentlich vor3, doch Anteile von Brandgräbern über 10 Prozent sind selten (Abb. 26). Auch hier zeigt die Verbreitungskarte (Abb. 25), daß die fraglichen Gräberfelder vorwiegend im Norden liegen.

Neben diesen beiden sehr einschneidenden Unterschieden in der Bestattungs-sitte könnte eine Vielzahl weiterer, subtilerer Differenzen diskutiert werden4. Diese erfordern jedoch durchgehend gute, moderne Befundbeobachtungen, die nur zu vergleichsweise wenigen Nekropolen vorliegen, vor allem jedoch scheinen sich dort nach dem derzeitigen Forschungsstand keine im Sinne der Fragestellung interessanten Phänomene abzuzeichnen. Daneben sind einige besondere Bestattungssitten bekannt wie etwa die .Kammergräber vom Typ Morken', die vorwiegend auf eine soziale Führungsschicht begrenzt sind und hier entsprechend der oben diskutierten Vorgehensweise zunächst ausge-

Z us ammenfassende Übersichten zuletzt: Halsall, Introduction 5-30; Koch, Grabformen; Stork, Jenseits. Dazu ζ. B. Siegmund, Niederrhein 233; Theune-Großkopf, Endingen 32 ff. Für den Westen zuletzt: Siegmund, Niederrhein 232; für den Süden: Pescheck, Kleinlang-heim 7 f.; Haas-Gebhard, Dittenheim 102 ff. Abweichende Ausrichtungen, abweichende Skelettlagen (Hocker, Bauchlage etc.); dazu ζ. B. Haas-Gebhard, Dittenheim 106 ff. - Eine gute Übersicht über das Phänomen der Mehr-fachbelegungen nun bei: Lüdemann, Doppelbestattungen; vgl. Martin, Kaiseraugst, 229 ff.

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klammert bleiben sollen5. Aufgegriffen werden soll hier lediglich die Sitte der Pferdebestattung. Auf frühmittelalterlichen Gräberfeldern findet man gele-gentlich neben menschlichen Toten auch Tierbestattungen; unter diesen dominieren die Pferdebestattungen, die als Opfer oder - plausibler - als be-sondere Form der Grabbeigabe gedeutet werden6. Sie liegen üblicherweise in eigenen Gruben und sind nicht immer eindeutig einer konkreten mensch-lichen Bestattung zuzuordnen. Gelegentliche Pferdebestattungen sind ein im

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Abb. 23. Anteil an Süd-Nord-ausgerichteten Gräbern tinter den Körperbestattungen in den Zeitschnitten Β und C. - Insgesamt 183 Fundorte.

gesamten Untersuchungsraum weit verbreitetes Phänomen7. Wie das Histo-gramm Abb. 27 zeigt, treten jedoch üblicherweise nur recht wenige Pferde-gräber auf; mehr als 10 Pferde auf 100 menschliche Bestattungen kommen kaum vor. Diese Seltenheit entspricht den Erwartungen, denn die Mitgabe von Pferden ist sicherlich ebenfalls zunächst ein soziales Phänomen und weist einen Bestatteten, ähnlich wie die direkte Beigabe von Pferdegeschirr, Sätteln, Steigbügeln oder Sporen8, als Reiter und damit letztlich auch Mitglied einer

Zu den Kammergräbern vom Typ Morken: Martin, Basel-Bernerring 22 ff.; ergänzend: Theune-Großkopf, Endingen 23 ff. - Zu Kreisgräben: Hinz, Eick 61 ff.; Martin, Basel-Bernerring 20 f. u. 25 f. Anm. 34, Abb. 11; ergänzend: Freeden, Moos-Burgstall 510 ff.; Theune-Großkopf, Endingen 28 ff. und Liste 1. Oexle, Pferdebestattungen. Vgl. Werner, Childerichs Pferde; M. Müller-Wille, Königtum und Adel im Spiegel der Grabfunde. In: Die Franken 206-221. - Zu den seltenen Bestattun-gen anderer Tiere (Hunde, Hirsche): Hornig, Rullstorf 84 ff. Zeitlich differenzierte Kartierungen bei: Oexle, Pferdebestattungen 132 ff. Abb. 5-8. Zu diesen Fundgattungen: Freeden, Moos-Burgstall 523 ff. (Steigbügel); Oexle, Trensen; Quast, Sattel; Rettner, Sporen.

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Abb. 24. Kartierung zum Anteil an Süd-Nord-ausgerichteten Gräbern. - Offenes Quadrat: bis 10 %; gefüllter Kreis: über 10 %. Die beigeschriebene Zahl gibt den tatsächlichen Anteil an.

sozialen Führungsschicht aus. Die Verbreitungskarte Abb. 28 läßt erkennen, daß die Gräberfelder mit ungewöhnlich hohen Anteilen von Pferdegräbern räumlich konzentriert im Norden des Untersuchungsgebietes liegen. Da si-cherlich auszuschließen ist, daß dort realiter weitaus mehr Reiterkrieger, Für-sten o. ä. lebten als im Süden, ist eine allein soziale Interpretation des Phäno-mens auszuschließen; im Norden war die Sitte der Pferdebestattung allgemei-ner üblich und offenbar weniger auf eine soziale Führungsschicht begrenzt.

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Abb. 25. Kartierung zum Anteil an Brandbestattungen. - Offenes Quadrat: keine Brandgräber; kleiner gefüllter Kreis: bis 20 %; großer gefüllter Kreis: über 20 %. Die beigeschriebene Zahl gibt

den tatsächlichen Anteil an.

Insgesamt weisen die Kartierungen drei Phänomene als im Norden auffallend gehäuft auftretend aus: Brandgräber, Süd-Nord-ausgerichtete Körperbestat-tungen und Pferdebestattungen. Unter weitgehender Ausklammerung Thü-ringens fallen nahezu alle Gräberfelder nördlich des Rheins in Westfalen und Niedersachsen in diese Kategorie, wobei allerdings nur wenige dieser Nekro-polen alle drei Merkmale aufweisen. Nach der oben skizzierten gängigen

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Abb. 26. Anteil an Brandgräbern unter den Bestattungen in den Zeitschnitten Β und C. - Ins-gesamt 185 Fundorte.

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Anteil an Pferdegnäbem

Abb. 27. Zahl der Pferdegräber auf 100 menschliche Bestattungen in den Zeitschnitten Β und C. - Insgesamt 185 Fundorte.

archäologischen Interpretation könnte hieran das Siedlungsgebiet der Sachsen greifbar werden. Diese Deutung soll jedoch zurückgestellt werden. Es genügt die Feststellung, daß die beschriebenen Erscheinungen im Süden und Westen des Untersuchungsgebietes ausnehmend ungewöhnlich sind, weshalb die frag-lichen Gräberfelder in den folgenden Untersuchungsschritten unter dem Ter-minus »Gruppe Nord' jeweils gesondert betrachtet werden9.

Achtzehn Gräberfelder mit ungewöhnlichen Häufungen von mindestens einem der drei

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Die Bestattungssitte

Abb. 28. Kartierung zur Häufigkeit von Pferdebestattungen. - Offenes Quadrat: keine Pferde-gräber; kleiner gefüllter Kreis: bis 10 %; großer gefüllter Kreis: über 10 %. Die beigeschriebene

Zahl gibt den tatsächlichen Anteil an.

Phänomene: Alach, Alsum, Beckum I, Beuchte, Deersheim, Dörverden, Giengen, Gießen-Trieb, Kleinlangheim, Liebenau, Mahndorf, Mittelhausen, Ockenburg, Ossendorf, Pader-born, Troisdorf, Wageningen, Wünnenberg.

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