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Aktuelle Judikatur zur Haftpflichtversicherung
Entscheidungen des OGH
Jänner 2017 – September 2019
6. November 2019
Dr. Ilse Huber
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Inhalt
I. Privathaftpflichtversicherung
1. Gefahr des täglichen Lebens:
7 Ob 192/16k - Motorrad auf Rennstrecke; Auslegung von Risikoausschlüssen
7 Ob 18/17y - Tätlichkeit
7 Ob 37/17t - Zünden eines Böllers; Obliegenheiten nach Versicherungsfall
7 Ob 126/17f - Schweißarbeiten
7 Ob 142/17h - Tätlichkeit
7 Ob 145/17z - Messerattacke einer Unzurechnungsfähigen; Verhältnis Haftpflichtprozess zu
Deckungsprozess
7 Ob 13/18i - Wasserbombenschleuder
7 Ob 125/18k - Tätlichkeit; keine Bindung an Freispruch; Verhältnis Haftpflichtprozess zu
Deckungsprozess
7 Ob 243/18p - Tätlichkeit; grob fahrlässige Tötung in vermeintlicher Notwehr
7 Ob 86/19a -Raufhandel; Fußtritt gegen den Kopf
2. Weitere Entscheidungen zur Privathaftpflichtversicherung:
7 Ob 17/17a – Rettungspflicht
7 Ob 180/17x - Hemmung der Verjährung durch Vergleichsgespräche
7 Ob 142/18k - Verhältnis Haftpflichtprozess -Deckungsprozess
7 Ob 39/19i - Mitversichertes Kind; regelmäßiges Einkommen
II. Betriebshaftpflichtversicherung
7 Ob 165/16i - Doppelversicherung des Spitalsarztes
7 Ob 190/16s - Abgrenzung Vertragserfüllung zu Mangelfolgeschaden
7 Ob 13/17p - Ausländisches Recht; direktes Klagerecht; PHG
7 Ob 214/17x - Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des
Schädigers; Gefahrenerhöhung; Kettenschuss bei Holzerntemaschine
7 Ob 227/17y - Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat
7 Ob 8/18d - Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des
Schädigers; Personenbeförderung mit Gabelstapler
7 Ob 14/18m - Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften; Fehler des Bauleiters
7 Ob 30/18i - Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat
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7 Ob 41/18g – Abgrenzung Vertragserfüllung zu Mangelfolgeschaden
7 Ob 60/18a - Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften; grobe Fahrlässigkeit
7 Ob 105/18v - Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des
Schädigers; Absturz bei Dachdeckerarbeiten
7 Ob 81/19s - Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat
III. Berufshaftpflichtversicherung
7 Ob 204/16z - Nachhaftung; Ausschlussfrist
7 Ob127/17b - Verhältnis Haftpflichtprozess zu Deckungsprozess
7 Ob 164/17v - Obliegenheiten nach Versicherungsfall; Aufklärungsobliegenheit
7 Ob 177/17f - Direktanspruch nach KAKuG
7 Ob 182/17s - vertraglicher Direktanspruch; claims-made-Prinzip
7 Ob 212/17b - Erfüllungssurrogat in der Pflicht-Haftpflichtversicherung der Ärzte
7 Ob 34/18b - Umfang der Auskunftspflicht des Notars über seine Haftpflichtversicherung
7 Ob 158/18p - Fehlberatung durch Versicherungsangestellten
7 Ob 218/18m - Auslandsklausel
7 Ob 228/18g - Forderung des Versicherungsnehmers zugunsten des Geschädigten
7 Ob 14/19p - Angehörigenausschluss
7 Ob 88/19w - Anerkenntnis des Ersatzanspruchs ohne offenbare Unbilligkeit
7 Ob 139/18v - Fehlende Gewerbeberechtigung des Versicherungsmaklers für
Kreditvermittlung
IV. Bauherrn-Haftpflichtversicherung
7 Ob 195/17b - Schaden am Nachbargrundstück
7 Ob 174/18s - Haftung aus Nachbarrecht oder aus Vertrag?
V. KFZ-Haftpflichtversicherung
7 Ob 49/17g - Haltereigenschaft nach § 2 Abs 2 KHVG
7 Ob 159/18k - Führerscheinklausel
7 Ob 35/19a – Geisterfahrer
7 Ob 137/19w – Verwendung eines Teleskoparmstaplers als Arbeitsmaschine
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I. Privathaftpflichtversicherung
1. Gefahr des täglichen Lebens
Allgemeine Ausführungen des OGH
Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ ist nach ständiger
Rechtsprechung so auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des
Versicherungsnehmers jene Gefahren umfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines
Menschen gerechnet werden muss. Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines
Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die
Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen
schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Damit sind aber nicht alle
ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt. Für das Vorliegen einer „Gefahr des
täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es,
wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch
seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei
Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren
noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen
aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich eine Fehlleistung
oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers. Plant der Versicherungsnehmer
allerdings die Schadenszufügung von vornherein, so ist dies nicht vom versicherten Risiko
umfasst.
Entscheidungen zur Gefahr des täglichen Lebens
7 Ob 192/16k
Thema: 1. Gefahr des täglichen Lebens
2. Auslegung von Risikoausschlüssen
AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des
Versicherungsnehmers … als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit
Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit auf
Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes,
insbesonders …
aus der nicht berufsmäßigen Sportausübung, ausgenommen die Jagd …
Nicht versichert sind …
Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die der Versicherungsnehmer oder die
mitversicherten Personen verursachen durch Haltung oder Verwendung … von
Kraftfahrzeugen oder Anhängern, die ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder
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tatsächlich tragen im Sinne des Kraftfahrgesetzes (BGBl 267/1967) in der jeweiligen
Fassung…
von Pocket-Bikes…“
Der Kläger nahm mit seinem nicht (mehr) zum Verkehr zugelassenen Motorrad (180 PS, bis
270 km/h) am „Freien Fahren“ auf einer Rennstrecke teil. Alle Teilnehmer mussten einen
Haftungsausschluss gegenüber dem Veranstalter unterschreiben. Bei einer Geschwindigkeit
von 150 km/h fuhr er wegen Bremsproblemen auf den Vordermann auf. Dieser wurde verletzt,
sein Motorrad beschädigt.
Die Deckungsklage wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen, weil Gefahr des täglichen
Lebens verneint wurde. Der OGH hob diese Urteile zur Prüfung der Klagsansprüche auf.
OGH:
1. Gefahr des täglichen Lebens bejaht:
Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer geht davon aus, dass – schon wegen der
Aufzählung nach „insbesonders“ – die nicht berufsmäßige Sportausübung als zu den Gefahren
des täglichen Lebens gehörend definiert ist. Da zudem vom Versicherungsschutz bei der nicht
berufsmäßigen Sportausübung nur die Jagd ausdrücklich ausgenommen ist, muss darauf
geschlossen werden, dass alle anderen Tätigkeiten, die von einem durchschnittlichen
Versicherungsnehmer als Sport betrachtet werden, vom Versicherungsschutz umfasst sind. Das
Motorradfahren ist in Österreich beliebt; demgemäß ist auch der Motorradrennsport eine
gebräuchliche Sportart. Dieser kann zulässigerweise auf abgeschlossenen Rennstrecken
ausgeübt werden. Dass dem Kläger allenfalls ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist,
begründet für sich allein noch nicht eine ungewöhnliche Gefahr.
2. Auslegung von Risikoausschlüssen:
Ausschlüsse sind eng auszulegen. Sie dürfen nicht weiter ausgelegt werden als es ihr Sinn unter
Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise sowie des
Regelungszusammenhanges erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses
als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen.
Pocket-Bikes werden nicht ausschließlich zu Rennsportzwecken eingesetzt. Ein vom Wortlaut
nicht gedeckter Risikoausschluss kann hier nicht durch eine – noch dazu nicht zwingende –
Verallgemeinerung aus anderen Risikoausschlüssen abgeleitet werden.
7 Ob 18/17y
Thema: Gefahr des täglichen Lebens
AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des
Versicherungsnehmers und der … mitversicherten Personen als Privatperson aus den Gefahren
des täglichen Lebens …“
Der bei seiner Lebensgefährtin mitversicherte Kläger mischte sich in Handgreiflichkeiten ein.
Er gab einem Kontrahenten einen „Schupfer“, dieser stieß gegen einen Dritten, der dadurch
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schwer verletzt wurde. Der Deckung begehrende Kläger berief sich auf einen „natürlichen
Reflex“.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.
OGH:
Keine Gefahr des täglichen Lebens: Keine Gefahr des täglichen Lebens liegt vor, wenn der
Versicherte aktiv in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt war, auch wenn ein
Unbeteiligter verletzt wurde. Ein vernünftiger Durchschnittsmensch gerät üblicherweise gerade
nicht als aktiv Beteiligter in einen Raufhandel, bei dem bewusste Angriffe gegen die körperliche
Unversehrtheit anderer Personen erfolgen. Die Gefahren, die solchen nach allgemeinem
Bewusstsein nicht zu tolerierenden Akten entspringen, gehören nicht zum täglichen Leben.
Der „Schupfer“ war weder Abwehrreaktion noch Reflexhandlung oder Schlichtungsversuch.
7 Ob 37/17t
Thema: 1. Gefahr des täglichen Lebens
2. § 6 Abs 3 VersVG - Obliegenheiten nach Versicherungsfall - Beweislast
3. Prozessuales: 3.1. Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht bekämpfbar
3.2. Berichtigung des Klagebegehrens im Urteil?
Während eines „Brautsingens“ zündete der Kläger mitten unter den Gästen einen Böller, der
ihm von einem Gastgegeben worden war. Der Kläger glaubte, dass es sich um einen
handelsüblichen Böller der Klasse F2 handelte, tatsächlich war es ein Böller der Klasse F3 oder
F4. Es erfolgte keine unverzügliche Schadensmeldung. Die Böllerreste wurden nicht
aufgehoben. Der Kläger begehrte Deckung für den “Schadensfall vom 11. Mai“.
Der Deckungsklage wurde (mit der Formulierung: „in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai“)
stattgegeben. Der OGH wies die Revision zurück.
OGH:
1. Gefahr des täglichen Lebens bejaht:
Das bewusste Schaffen einer Situation, die eine Brandgefahr oder Explosionsgefahr mit sich
bringt, aus bloßem Mutwillen gehört bei Erwachsenen nicht zur Gefahr des täglichen Lebens.
Hier hat aber der Kläger (lediglich) fahrlässig nicht erkannt, dass es sich um einen Böller der
hohen Kategorie handelte.
2. § 6 Abs 3 VersVG - Obliegenheiten nach Versicherungsfall - Beweislast:
Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor
vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit
Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln
ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu.
Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung
nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen,
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dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig
begangen habe.
Dass – bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder
auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem
Versicherer obliegenden Leistung einen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im
Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen. Dem Versicherungsnehmer steht also
der Kausalitätsgegenbeweis offen.
Dass dem Kläger der strikt zu führende Kausalitätsgegenbeweis gelungen ist, weil trotz
Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalls (Schadensmeldung)
und des Unterlassens der Sicherung der Böllerreste dennoch objektiv bewiesen werden konnte,
dass der Kläger mit einem Feuerwerkskörper der Klasse F3 oder F4 hantierte, worauf sich die
Beklagte stützt, ist noch vertretbar.
3.1. Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht bekämpfbar:
Selbst eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren
nicht angefochten werden. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist
mängelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts
überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in
seinem Urteil festhält.
3. 1. Berichtigung des Klagebegehrens im Urteil:
Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom
Kläger gemeint ist. Das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren
richtig zu fassen. Eine in diesem Rahmen geänderte Formulierung ist keine Überschreitung des
Begehrens.
7 Ob 126/17f
Thema: Gefahr des täglichen Lebens
AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des
Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme
der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit …“
Der Kläger wollte seinen PKW selbst reparieren. Er benützte dazu die Lagerhalle seines Onkels.
Dort begann er mit Schweißarbeiten am Unterboden des PKWs. PKW und Halle gerieten in
Brand. Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.
OGH:
Keine Gefahr des täglichen Lebens: Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer
Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt
von den Umständen des Einzelfalls ab.
Schweißarbeiten sind grundsätzlich gefährlich. „Dem Kläger ist durchaus zuzugestehen, dass
insbesondere im ländlichen Bereich ein Teil der Bevölkerung in seiner Freizeit auch (kleinere)
Reparaturen an Fahrzeugen vornimmt. Ausdrücklich festgestellt hat das Erstgericht aber, dass
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es sich bei Schweißarbeiten an einem PKW hingegen um keine Freizeitbeschäftigung handelt,
der üblicherweise männliche Landbewohner zwischen 16 und 30 Jahren regelmäßig
nachgehen“.
Solche Arbeiten werden gewöhnlich in einer KFZ-Werkstätte von dazu ausgebildeten und
befugten Fachleuten vorgenommen. Es handelt sich daher um Arbeiten, die in Art und Umfang
einer betrieblichen Tätigkeit gleichkommen und – auch von Bastlern – in der Regel nicht in
Eigenregie vorgenommen werden. Mit der Durchführung von Schweißarbeiten in einem
derartigen Ausmaß muss vielmehr im Privatleben eines Menschen üblicherweise nicht
gerechnet werden.
7 Ob 142/17h
Thema: Gefahr des täglichen Lebens
Der alkoholisierte Kläger belästigte bei einer Bus-Ausflugsfahrt immer wieder mitreisende
Frauen. Nach dem Aussteigen kam es zu einem „Gerangel“ mit einem Ehemann einer der
belästigten Frauen, dann ging der Kläger auf eine um Schlichtung bemühte Frau los er drückte
sie gegen einen Zaun. Dabei stolperte er und fiel auf die Frau, die beim Sturz verletzt wurde.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.
OGH: Keine Gefahr des täglichen Lebens
7 Ob 145/17z
Thema: 1. Gefahr des täglichen Lebens
2. Verhältnis Haftpflichtprozess zu Deckungsprozess
AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des
Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme
der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit, insbesondere …
6. aus dem erlaubten Besitz von Hieb-, Stich- und Schusswaffen und aus deren Verwendung als
Sportgerät und für Zwecke der Selbstverteidigung …“
Die Klägerin leidet an einer schizoaffektiven Störung mit akut psychotischem Zustandsbild. Sie
versuchte in unzurechnungsfähigem Zustand (§ 11 StGB), einen Dritten mit einem Messer
umzubringen. Dies wäre als versuchter Mord nach §§ 15, 75 StGB zu qualifizieren, wäre die
Klägerin zurechnungsfähig gewesen; sie wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB in einer Anstalt für
geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht. Die Klägerin wurde vom erheblich verletzten
Opfer unter Berufung auf § 1310 letzter Halbsatz ABGB auf Schadenersatz und Feststellung
der Haftung für künftige Schäden geklagt (in der Folge: Haftpflichtprozess). Die
Haftpflichtversicherung stelle Vermögen der Klägerin dar. Es habe sich eine Gefahr des
täglichen Lebens verwirklicht, wofür der Haftpflichtversicherer (die nunmehrige Beklagte)
einzustehen habe. Die Klägerin begehrte die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten
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zur Abwehr des vom Opfer im Haftpflichtprozess erhobenen Anspruchs. Der
Haftpflichtprozess war während des Deckungsprozesses noch nicht rechtskräftig beendet.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren
ab. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.
OGH:
1. Keine Gefahr des täglichen Lebens:
Es liegt auch dann keine Gefahr des täglichen Lebens vor, wenn eine schwere Körperverletzung
im Zustand der vollen Berauschung verübt wird, weil ein Durchschnittsmensch – auch wenn er
erheblich alkoholisiert ist – nicht in die Situation gerät, dass er als aktiv Beteiligter eine schwere
Körperverletzung oder ein Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im
Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1) StGB begeht.
Auch eine infolge psychischer Erkrankung erfolgte Messerattacke ist keine vom gedeckten
Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens, in die ein Durchschnittsmensch im normalen
Lebensverlauf üblicherweise gerät.
2. Verhältnis Haftpflichtprozess - Deckungsprozess:
Der Haftpflichtversicherungsanspruch wird fällig, wenn der Versicherungsnehmer (oder ein
Mitversicherter) vom geschädigten Dritten ernstlich auf Schadenersatz in Anspruch genommen
wird
Im Deckungsprozess sind Feststellungen über Tatfragen, die Gegenstand des
Haftpflichtprozesses sind, für den Haftpflichtprozess nicht bindend, daher überflüssig und,
soweit sie getroffen wurden, für die Frage der Deckungspflicht unbeachtlich. Im
Deckungsprozess kommt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und des Ergebnisses des
Haftpflichtprozesses bei Beurteilung der Deckungspflicht grundsätzlich nicht in Betracht.
Im vorliegenden Deckungsprozess ist keine dem Haftpflichtprozess vorbehaltene Tatfrage
strittig, sondern die Frage, wie ein unstrittiger Sachverhalt rechtlich zu werten ist. Die rechtliche
Beurteilung, ob sich im unstrittigen Geschehen eine Gefahr des täglichen Lebens verwirklichte,
ist zwar (auch) für die materielle Berechtigung des vom Opfer im Haftpflichtprozess geltend
gemachten Anspruchsgrundes - das Bestehen einer Haftpflichtversicherung - relevant, ebenso
jedoch für die Frage der Verwirklichung des primären Risikos und damit des
Deckungsanspruchs.
Die für die Frage des Inhalts des Versicherungsvertrags, der Verwirklichung des primären
Risikos und damit des Eintritts des Versicherungsfalls der Haftpflichtversicherung
erforderliche rechtliche Beurteilung, ob sich in einem bestimmten Geschehen eine Gefahr des
täglichen Lebens verwirklichte, hat auch dann im Deckungsprozess zu erfolgen, wenn dieselbe
Frage auch für die materielle Berechtigung des von einem Dritten gegen den Versicherten im
Haftpflichtprozess erhobenen Anspruchs (etwa nach § 1310 letzter Halbsatz ABGB) relevant
ist.
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7 Ob 13/18i
Thema: Gefahr des täglichen Lebens - „Wasserbombenschleuder“
AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des
Versicherungsnehmers und der … mitversicherten Personen als Privatperson aus den Gefahren
des täglichen Lebens …“
Der Kläger hat auf einem Festgelände mit zwei Freunden eine „3-Mann-
Wasserbombenschleuder“ in einer „Wasserbombenschlacht“ eingesetzt. Dabei wurde eine
unbeteiligte Frau verletzt.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.
OGH:
Keine Gefahr des täglichen Lebens: Die Warnhinweise im Verkaufsportal, die
Bedienungsanleitung sowie das äußere Erscheinungsbild und die Mechanik der Verwendung
der Schleuder weisen das Gerät im Einsatz gegen Personen wegen der absehbaren Energie und
Geschwindigkeit der abgefeuerten Geschosse als offenkundig gefährlich aus. Der vom Kläger
in seiner Revision betonte Umstand, dass mit der Schleuder nicht gezielt geschossen werden
könne, macht das Gerät nicht harmloser, sondern unberechenbarer und daher gefährlicher. Dass
dabei an der Schlacht unbeteiligte und daher auf das Geschehen nicht fokussierte Personen in
Mitleidenschaft gezogen werden können, liegt beim Einsatz einer solchen Schleuder auf einem
Festivalgelände ebenfalls auf der Hand.
7 Ob 125/18k
Thema: 1. Gefahr des täglichen Lebens - Angriff auf Fußgänger
2. Keine Bindungswirkung eines Freispruchs, aber Bindungswirkung des
Haftpflichtprozesses
AVB: „Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des
Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens …“
Der Kläger (VN) lief bei einer Auseinandersetzung mit erhobener Axt auf zwei Fußgänger zu,
ließ dann die Axt zwar fallen, drängte aber den einen Spaziergänger mit seinem Oberkörper
immer weiter nach hinten, wobei dieser verletzt wurde, und bedrohte ihn zudem mit dem
Umbringen. Im Strafverfahren wurde der Kläger freigesprochen.
Die Deckungsklage des Versicherungsnehmers wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision
zurück.
OGH:
1. Keine Gefahr des täglichen Lebens
Es liegt auch dann keine Gefahr des täglichen Lebens vor, wenn eine schwere Körperverletzung
im Zustand der vollen Berauschung verübt wird, weil ein Durchschnittsmensch – auch wenn er
erheblich alkoholisiert ist – nicht in die Situation gerät, dass er als aktiv Beteiligter eine schwere
Körperverletzung oder ein Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im
11
Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1) StGB begeht. Auch eine
infolge psychischer Erkrankung erfolgte Messerattacke ist keine solche vom gedeckten Risiko
umfasste Gefahr des täglichen Lebens, in die ein Durchschnittsmensch im normalen
Lebensverlauf üblicherweise gerät.
2. Keine Bindungswirkung eines Freispruchs, aber Bindungswirkung des
Haftpflichtprozesses
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gibt es keine Bindung des
Zivilrichters an ein freisprechendes Strafurteil. Dies gilt sogar dann, wenn aufgrund des
Beweisverfahrens vom Strafgericht festgestellt wurde, dass der Beschuldigte die ihm zur Last
gelegte Tat gar nicht begangen hat.
Jedoch das im Haftpflichtprozess ergangene Urteil hat die Bindungswirkung, dass die
Ersatzpflicht des Versicherten nach Bestand und Betrag im Deckungsprozess gegen den
Versicherer nicht nachgeprüft werden darf, sofern dieser sich am Haftpflichtprozess beteiligt
hatte oder wenn er – wie hier – von diesem Verfahren verständigt wurde und ihm Gelegenheit
zur Nebenintervention geboten worden ist.
Wird der Versicherungsnehmer zum Schadenersatz verurteilt, dann ist der Versicherungsfall
abgeschlossen. Die Feststellung im Haftpflichtprozess, dass der Versicherungsnehmer den
Schaden in einer bestimmten Eigenschaft oder Tätigkeit verursacht hat, kann im
Deckungsprozess nicht mehr nachgeprüft werden.
Im Haftpflichtprozess zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer wird über
sein schädigendes Verhalten und seine Verantwortung dem Geschädigten gegenüber
abgesprochen. Das ergehende Urteil ist die Grundlage für die Frage, ob dem Geschädigten
überhaupt ein Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer wegen des von ihm
gesetzten Verhaltens zusteht, den der Versicherer allenfalls decken muss.
Auch die die Rechtsposition des Versicherungsnehmers belastenden Tatsachenfeststellungen
im Urteil des Haftpflichtprozesses sind im Deckungsprozess zu beachten.
7 Ob 243/18p
Thema: Gefahr des täglichen Lebens - vermeintliche Notwehr
Der Kläger drückte mit Knien und Ellbogen längere Zeit auf den Rücken des von ihm auf den
Boden geworfenen Vaters, der dadurch erstickte. Das Strafgericht ging von einer
Notwehrüberschreitung aus.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück
OGH:
Keine Gefahr des täglichen Lebens: Eine grob fahrlässige Tötung unter Anwendung derart
massiver Gewalt ist keine Gefahr des täglichen Lebens, auch wenn der Kläger in einer
vermeintlichen Notwehrsituation handelte.
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7 Ob 86/19a
Thema: Gefahr des täglichen Lebens - Fußtritt auf den Kopf
Vor einem Lokal kam es zwischen dem Kläger und einer Gruppe von vier Personen zu
wechselseitigen Beleidigungen und schließlich zu Tätlichkeiten. Dabei versetzte der Kläger,
der am Fuß festgehalten wurde, mit dem anderen Fuß dem am Boden Liegenden einen Fußtritt
auf den Kopf.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.
OGH:
Keine Gefahr des täglichen Lebens: Selbst eine in einer vermeintlichen Notwehrsituation aus
Furcht vorgenommene unangemessene Körperverletzung, nach aktiver Beteiligung an
Provokationen, ist keine Gefahr des Lebens.
2. Weitere Entscheidungen zur Privathaftpflichtversicherung
7 Ob 17/17a
Thema: Rettungspflicht
§ 62 VersVG: „(1) Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, beim Eintritt des
Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu
sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen; er hat, wenn die Umstände es
gestatten, solche Weisungen einzuholen. Sind mehrere Versicherer beteiligt und haben diese
entgegenstehende Weisungen gegeben, so hat der Versicherungsnehmer nach eigenem
pflichtgemäßen Ermessen zu handeln.
(2) Hat der Versicherungsnehmer diese Verpflichtungen verletzt, so ist der Versicherer von der
Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, dass die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf
grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grobfahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur
Leistung insoweit verpflichtet, als der Umfang des Schadens auch bei gehöriger Erfüllung der
Verpflichtungen nicht geringer gewesen wäre“.
Die nunmehrige Klägerin war Beklagte in einem Haftpflichtprozess, an dem der
Haftpflichtversicherer als Nebenintervenient beteiligt war. Weder sie noch der
Haftpflichtversicherer haben im Haftpflichtprozess eine Berufung gegen das für sie negative
Urteil erhoben. Der Haftpflichtversicherer lehnt die Deckung ab, weil die Klägerin keine
Berufung erhoben und dadurch gegen ihre Rettungspflicht verstoßen habe.
Der Deckungsklage wurde stattgegeben. Der OGH wies die Revision zurück.
OGH:
Dass das Berufungsgericht (die Kenntnis der wesentlichen Umstände des Haftpflichtprozesses
bei der beklagten Versicherungsnehmerin unterstellend und unter Zugrundelegung der offenbar
von der Beklagten ohnedies geplanten Erhebung einer eigenen Berufung) die der Beklagten
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auch angekündigte Entscheidung der Klägerin, keine eigene Berufung einbringen zu wollen,
nicht als auf Vorsatz oder groben Verschulden beruhend beurteilte, zumal sie damit rechnen
konnte, dass die Beklagte ihr in dieser Situation eine entsprechende Weisung erteilen würde,
ist jedenfalls vertretbar. Es ist nämlich keinesfalls offensichtlich oder auch nur zu vermuten,
dass der beklagte Versicherer ein (gesondertes) Interesse an der Erhebung eines Rechtsmittels
durch die Klägerin als Versicherungsnehmerin (hier als Versicherte) selbst haben könnte, wenn
er als deren Nebenintervenient ohnehin unbeschränkt die Möglichkeit hat, seinen
Rechtsstandpunkt im eigenen angekündigten und auch eingebrachten Rechtsmittel Rechnung
zu tragen.
7 Ob 180/17x
Thema: Hemmung der Verjährung durch Vergleichsgespräche
Die Klägerin wurde im Jahr 1999 im Alter von 2 Jahren vom Hund des beklagten
Versicherungsnehmers gebissen. Der Haftpflichtversicherer hat eine Regulierungsvollmacht.
Er verzichtete auf die Einrede der Verjährung bis Ende 2006, dann noch weiter bis zur
Volljährigkeit der Klägerin am 4.3.2015. Auch danach wurden Regulierungsverhandlungen
durch den Haftpflichtversicherer mit der Klägerin geführt. Am 31.8.2015 lehnte der
Haftpflichtversicherer weitere Zahlungen ab, weil mit 4.3.2015 Verjährung eingetreten sei.
Das Erstgericht wies die Klage der Verletzten gegen den Versicherungsnehmer ab. Das
Berufungsgericht verneinte mit Zwischenurteil die Verjährung. Der OGH wies die Revision
zurück.
OGH:
Den österreichischen Gesetzen ist keine allgemeine Regulierungsvollmacht des
Haftpflichtversicherers zu entnehmen. Es entscheidet sich nach der dem Versicherungsvertrag
zugrunde liegende Bedingungslage, ob der Versicherer die Befugnis hat, eine Erklärung des
Verjährungsverzichts für den Versicherungsnehmer abzugeben.
Der Beklagte hat seinem Haftpflichtversicherer eine Regulierungsvollmacht im Sinn des Art
8.2. AHVB 1993 erteilt. Diese umfasst im „Rahmen seiner Verpflichtung zur Leistung alle ihm
zweckmäßig erscheinenden Erklärungen“ des Versicherers. Einer zustimmenden Erklärung des
Versicherungsnehmers zur Ausübung der Regulierungsvollmacht durch den Versicherer bedarf
es nicht. Vielmehr kann der Versicherer die Regulierungsvollmacht etwa auch dann wirksam
wahrnehmen, wenn der Versicherte der mehrfachen außergerichtlichen Aufforderung des
Geschädigten, ein Haftungsanerkenntnis für zukünftige Unfallfolgen abzugeben, nicht
nachkommt.
Das Führen von Vergleichsgesprächen des Versicherers im Rahmen seiner
Regulierungsvollmacht nach Art 8.2. AHVB kann die Hemmung der Verjährungsfrist
bewirken. Die Verjährung tritt nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen
unverzüglich, dh in angemessener Frist, die Klage eingebracht wird. Dies ist hier zu bejahen.
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7 Ob 142/18k
Thema: Risikoausschluss Vorsatz; Verhältnis Haftpflichtprozess – Deckungsprozess
Die Klägerin (VN) und war auf einem Dorffest in Tätlichkeiten mit einer alkoholisierten Frau
verwickelt, die schließlich stürzte und sich dabei verletzte. Die Verletzte begehrt deshalb in
einem Schreiben ihres Rechtsanwalts Schadenersatz, wobei sie behauptet, die Klägerin habe
sie angegriffen. Ein Haftpflichtprozess war (noch) nicht anhängig, als die Klägerin die
Deckungsklage einbrachte. Darin behauptete sie, sie habe die sehr aggressive Geschädigte in
Notwehr von sich gestoßen.
Die Vorinstanzen gaben der Deckungsklage statt. Der OGH wies die Deckungsklage ab.
OGH:
Die Frage der zivilrechtlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers ist im Haftpflichtprozess
zwischen ihm und dem Geschädigten zu klären, während der Befreiungsanspruch des
Versicherungsnehmers, wenn er strittig ist, zwischen ihm und dem Versicherer im
Deckungsprozess geprüft werden muss. Die Frage, ob der Versicherer Versicherungsschutz zu
gewähren hat, ist also von jener zu trennen, ob der Versicherungsnehmer dem Dritten
Schadenersatz schuldet. Im Deckungsprozess sind deshalb Feststellungen über Tatfragen, die
Gegenstand des Haftpflichtprozesses sind, für den Haftpflichtprozess nicht bindend, daher
überflüssig und, soweit sie getroffen wurden, für die Frage der Deckungspflicht unbeachtlich.
Im Deckungsprozess kommt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und des Ergebnisses
des Haftpflichtprozesses bei Beurteilung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht in Betracht.
Einen Sonderfall bilden Tatsachen, die für die Beurteilung sowohl der Berechtigung des
Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers als auch dessen Haftung entscheidungsrelevant
sind. Zu entscheidungsrelevanten Tatsachen sind im jeweiligen Prozess Feststellungen zu
treffen. Im Deckungsprozess ist das Bestehen des Deckungsanspruchs zu prüfen und es bedarf
der dafür notwendigen Feststellungen, so etwa zur Beurteilung des Vorliegens der Gefahr des
täglichen Lebens.
Grundsätzlich ist nach bisheriger Rechtsprechung der Deckungsanspruch des
Haftpflichtversicherten durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom
Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig, dh unter Zugrundelegung des vom Geschädigten
behaupteten Sachverhalts. Von diesem Grundsatz ist (auch beim vorweggenommenen
Deckungsprozess) nicht abzugehen, andernfalls hätte es der Versicherungsnehmer in der Hand
durch bloße, dem Anspruch des Geschädigten widersprechende, Behauptungen Deckung zu
erlangen.
Grundlage für die Prüfung, ob ein gedeckter Versicherungsfall vorliegt, ist daher der geltend
gemachte Anspruch ausgehend von den vom Geschädigten behaupteten Sachverhalt.
Da die Geschädigte ihren Schmerzengeldanspruch auf eine der Klägerin vorgeworfene
Vorsatztat stützt, ist die Deckung nach Art 7.2 AHVB 2012 ausgeschlossen.
Sollte in einem späteren Haftpflichtprozess die Geschädigte ihren Anspruch abweichend davon
auf fahrlässige Körperverletzung stützen oder wäre dies das Ergebnis des Haftpflichtprozesses,
so ist dies als neue (gesonderte) Anspruchserhebung gegenüber dem Haftpflichtversicherten zu
werten, die vom Versicherer ohne Bindung an den vorliegenden Deckungsprozess zu prüfen
ist. Im vorliegenden Verfahren wird nämlich nur die Deckung des von der Geschädigten
15
erhobenen Anspruchs formal, ohne den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt, geprüft. Ergibt
die Prüfung des Lebenssachverhalts im Haftpflichtprozess einen anderen Anspruch, so steht
diesem der Ausgang des vorweggenommenen Deckungsprozesses nicht entgegen.
7 Ob 39/19i
Thema: Mitversichertes Kind - eigenes regelmäßiges Einkommen
Nach den AHVB/EHVB 1993 sind mitversichert die „minderjährigen Kinder des
Versicherungsnehmers … diese Kinder bleiben darüber hinaus bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahres mitversichert, soferne und solange sie über keinen eigenen Haushalt und kein
eigenes regelmäßiges Einkommen verfügen.“
Die 18-jährige Tochter des Klägers verletzte bei einem Schiunfall eine Schifahrerin und wurde
von deren Sozialversicherer auf den Ersatz der Sozialversicherungsleistungen geklagt. Die
Tochter des Klägers wohnte damals bei den Eltern und bezog eine Lehrlingsentschädigung von
860 EUR im Monat.
Das Erstgericht gab der Deckungsklage statt, das Berufungsgericht wies die Klage ab. Der OGH
bestätigte die Klageabweisung.
OGH:
Die drei Voraussetzungen - Alter nicht über 25 Jahre, kein eigener Haushalt und kein eigenes
regelmäßiges Einkommen – müssen kumulativ vorliegen. Einkünfte aus einer
Lehrlingsentschädigung im letzten Lehrjahr (hier von 860 EUR pro Monat) sind jedenfalls als
eigenes regelmäßiges Einkommen iSd AHVB 1993 und EHVB 1993 anzusehen.
16
II. Betriebshaftpflichtversicherung
7 Ob 165/16i
Thema: Doppelversicherung des Spitalsarztes; Verhältnis § 59 zu § 67 VersVG
Die Klägerin war Haftpflichtversicherer des Trägers eines Krankenhauses. Mitversichert waren
auch die im Krankenhaus angestellten Ärzte, darunter ein Facharzt für Unfallchirurgie, der auch
selbst haftpflichtversichert war. Durch eine Fehlbehandlung während einer Operation erlitt ein
Patient schwere gesundheitliche Schäden. Deshalb leistete die Klägerin als
Haftpflichtversicherer des Krankenhausträgers an den Patienten Entschädigungszahlungen. Sie
begehrt nun vom Haftpflichtversicherer des Facharztes (=Beklagte) die Zahlung der Hälfte ihrer
bisherigen Zahlungen und die Feststellung, dass die beklagte Partei verpflichtet sei, der
klagenden Partei die Hälfte aller zukünftigen Schadenersatzzahlungen und Regressforderungen
zu ersetzen. Das Risiko der Tätigkeit Facharztes sei gemäß § 59 VersVG doppelt versichert
gewesen. Die Beklagte wendete ein, dass die Doppelversicherung höchstens in jenem
Schadensausmaß vorliege, das vom behandelnden Arzt persönlich zu vertreten wäre. Der
Regressanspruch des Krankenhausträgers sei um eine Mitverschuldensquote
(Organisationsverschulden, Verschulden anderer Mitarbeiter) zu kürzen. Auf den Rest sei das
Dienstnehmerhaftungsprivileg anzuwenden. Es bestehe kein Vorrang des § 59 Abs 2 VersVG
gegenüber § 67 VersVG.
Dem Klagebegehren wurde (im Wesentlichen) stattgegeben. Der OGH bestätigte die
Klagsstattgebung.
OGH:
Dasselbe Interesse und dieselbe Gefahr sind hier doppelt versichert. Beide Versicherer sind
dem Arzt gegenüber aus den Versicherungsverträgen verpflichtet, Haftpflichtansprüche des
von ihm geschädigten Patienten zu ersetzen. Die Klägerin hat die Ansprüche des Patienten bis
jetzt befriedigt. Da die klagende von der beklagten Versicherung im Hinblick auf den gleich
großen Haftungsrahmen zu Recht den Ersatz der Hälfte der von ihr geleisteten Ersatzbeträge
fordert, kann der Hinweis auf ein Organisationsverschulden des Krankenhauses den
Rückgriffsanspruch nicht schmälern.
Soweit der beklagte Haftpflichtversicherer des Spitalsarztes im Fall seiner Inanspruchnahme
Regressmöglichkeiten behauptet und in diesem Zusammenhang auch auf die §§ 2, 3 und 6 DHG
verweist, setzt er sich darüber hinweg, dass im Fall der Doppelversicherung § 59 Abs 2 VersVG
als Sonderregelung jeder anderen Regressregelung, insbesondere auch dem § 67 Abs 1 Satz 1
VersVG nach hM jedenfalls dann vorgeht, wenn der Schädiger – wie hier – der
Versicherungsnehmer eines Vertrags ist, durch den die Doppelversicherung entstanden ist.
Damit wird vermieden, dass ein Versicherer etwa über eine Legalzession nach § 67 Abs 1
Satz 1 VersVG etwas erlangt, was er nach § 59 Abs 2 VersVG im Wege des Ausgleichs wieder
erstatten müsste. Demnach erwirbt der nach § 59 Abs 2 VersVG regressberechtigte Versicherer
nicht den vertraglichen Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den anderen
Versicherer, sondern hat nur den Ausgleichsanspruch nach der zitierten Bestimmung.
17
Dementsprechend kann sich der andere Versicherer nicht auf Haftungsprivilegien nach dem
DHG berufen.
Der konkreten schadenersatzrechtlichen Beurteilung und damit der konkreten Belastung eines
Versicherers gegenüber dem anderen (mit oder ohne Anspruchsübergang nach § 67 VersVG)
kommt keine Bedeutung zu, weil sie weder mit dem versicherten Interesse noch mit der
versicherten Gefahr zu tun hat und so vom Gesetz nicht vorgesehen ist. Es kommt bei der
Bestimmung der Anteile nur darauf an, welche konkreten Beträge (wenn auch der Höhe nach
mit den jeweils vereinbarten Versicherungssummen begrenzt) von den einzelnen Versicherern
vertragsgemäß ohne Vorliegen einer Doppelversicherung – als wären die anderen Verträge
nicht vorhanden – zu zahlen wären. Die Versicherer hier haben den Schaden je zur Hälfte zu
tragen. Auf das Verhältnis der jeweiligen Versicherungssummen kommt es nicht an.
7 Ob 190/16s
Thema: Abgrenzung Vertragserfüllung/Gewährleistung / Erfüllungssurrogat zu
Mangelfolgeschaden
AVB: „Was ist nicht versichert (Risikoausschlüsse)
1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 AHVB fallen insbesondere nicht
1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel …
1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung ...
9. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die
an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder seine Rechnung von Dritten)
hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung, Lieferung
oder Montage liegenden Ursache entstehen.
10. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an
…
10.5 jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung,
Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind.“
Die Versicherungsnehmerin (Bauunternehmen) wurde mit der Errichtung einer Betondecke und
Bauarbeiten an einem darunter liegenden Keller beauftragt. Der Keller sollte vermietet und als
Musikproberaum untervermietet werden. Bei der Ausführung der übernommenen Arbeiten
wurde keine - dem damaligen Stand der Technik entsprechende - Wärmedämmung außen
angebracht. Nach Fertigstellung, Vermietung und Untervermietung kam es wegen der
fehlenden Wärmeisolierung zu einem Wassereintritt in die Kellerräume. Die nachträgliche
Anbringung einer Wärmedämmung außen wäre nur mit einem enormen Aufwand möglich
gewesen. Die Mieterin ließ schließlich eine (fast ebenso wirksame) Wärmedämmung innen
anbringen und die durch den Wassereinbruch verursachten Schäden in den Kellerräumen
sanieren. Die Versicherungsnehmerin wurde zur Haftung für sämtliche Schäden verurteilt. Ihr
Betriebshaftpflichtversicherer lehnte die Deckung ab.
Das Erstgericht wies die Deckungsklage ab, das Berufungsgericht gab ihr teilweise statt. Der
OGH hob die Urteile zur Verfahrensergänzung auf.
18
OGH:
In der Haftpflichtversicherung soll das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer übertragen
werden. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die den Gläubiger in den
Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Gedeckt sind hingegen Schäden aus
mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden, Begleitschäden), die jenseits des
Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen. Erfüllungsansprüche oder Ansprüche auf
Erfüllungssurrogate sind auch Ansprüche auf die Kosten der Mängelbehebung. Darüber hinaus
gehende Schäden gehören dann dazu, wenn sie zwangsläufig mit der Verbesserung verbunden
sind. Durch die Anbringung der inneren Wärmedämmung wurde dasselbe generelle Ziel wie
durch die von der Klägerin geschuldete Herstellung der äußeren Wärmedämmung verfolgt und
auch – nahezu – erreicht.
Die von der Mieterin durchgeführten Arbeiten dienten damit letztlich der Herstellung der von
der Klägerin mangelhaft erbrachten Leistungen. Die dafür aufgewendeten Kosten stellen
„Mängelnebenkosten“ dar, die als Erfüllungssurrogat anzusehen sind.
Bei den Maßnahmen, die zugleich der Beseitigung des Mangels des vom Versicherungsnehmer
geschuldeten Werks und der Behebung eines Folgeschadens dienen, handelt es sich um
Maßnahmen mit Doppelcharakter. Daher ist hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten, die
versicherungsrechtlich der Gewährleistung und dem Erfüllungssurrogat zugeschlagen werden,
eine Differenzierung vorzunehmen. Ausgeschlossen sind jene Kosten, die ausschließlich der
Verbesserung der bedungenen Werkleistung dienen. Hat die mangelhafte Werkleistung des
Versicherungsnehmers hingegen bereits Folgeschäden an anderen Sachen angerichtet, dann
sind diese Schäden gedeckt und nur jene Kosten ausgeschlossen, die für die Beseitigung des
Mangels selbst aufgewendet werden. Mangels ausreichender Feststellungen ist eine
Differenzierung zwischen Erfüllungssurrogat und Mangelfolgeschäden derzeit nicht möglich,
die Feststellungen sind entsprechend zu ergänzen.
7 Ob 13/17p
Thema: 1. Anwendung von ausländischem Recht
2. direktes Klagerecht nach deutschem § 115 VVG nur bei Pflicht-
Haftpflichtversicherung
3. keine Pflicht-Haftpflichtversicherung nach dem PHG
Die durch ein Produkt geschädigten Kläger klagten den deutschen
Betriebshaftpflichtversicherer eines Herstellers. Strittig ist das direkte Klagerecht der
Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer.
Die Direktklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.
OGH:
1. Anwendung von ausländischem Recht:
Fremdes Recht ist wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden und es kommt
in erster Linie auf die Anwendungspraxis nach der Rechtsprechung des betreffenden
Auslandsstaats an. Wenn dieser Lösungsansatz keine eindeutige Antwort ergibt, ist der
19
herrschenden fremden Lehre zu folgen. Das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten
Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO ohne Bedeutung
Es ist auch nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, einen Beitrag zur Auslegung
ausländischen Rechts zu liefern.
2. Direktes Klagerecht nach deutschem § 115 VVG nur bei Pflicht-
Haftpflichtversicherung:
Es entspricht der herrschenden deutschen Rechtsprechung und Lehre, dass ein direktes
Klagerecht nach § 115 Abs 1 Z 2 VVG nicht schon dann besteht, wenn der
Versicherungsnehmer in Insolvenz verfällt, sondern nur dann, wenn eine Pflichtversicherung
vorliegt und keine bloß freiwillige Haftpflichtversicherung. Es entspricht ebenfalls der
herrschenden deutschen (und österreichischen: § 158b VersVG) Lehre, dass eine bloße Pflicht
zur Deckungsvorsorge, die dem Versicherungsnehmer Handlungsalternativen eröffnet und
auch durch andere geeignete Vorkehrungen als den Abschluss einer Haftpflichtversicherung
erfüllt werden kann, einer Pflichtversicherung nicht gleichzuhalten ist.
3. Keine Pflicht-Haftpflichtversicherung nach dem PHG:
Nach § 16 PHG sind Hersteller und Importeure von Produkten verpflichtet, in einer Art und in
einem Ausmaß, wie sie im redlichen Geschäftsverkehr üblich sind, durch das Eingehen einer
Versicherung oder in anderer geeigneter Weise dafür Vorsorge zu treffen, dass
Schadenersatzpflichten nach diesem Bundesgesetz befriedigt werden können. Schon aus dem
völlig eindeutigen Gesetzeswortlaut folgt, dass § 16 PHG keine Versicherungspflicht anordnet,
steht es doch den betreffenden Unternehmern frei, auch andere Vorsorgemaßnahmen zu
ergreifen. Dies entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers.
7 Ob 214/17x
Thema: Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des
Schädigers (dazu auch 7 Ob 8/18d und 7 Ob 105/18v); Gefahrenerhöhung; Kettenschuss
bei Holzerntemaschine
Der Inhaber eines Forstbetriebs ließ einen Radbagger zu einer Holzerntemaschine umbauen.
Die Verglasung der Fahrerkabine wurde dabei nicht geändert. Der Austausch mit einer
stärkeren Kunststoffverglasung unterblieb, weil das Risiko eines Unfalls durch einen
Kettenschuss gegen die Fahrerkabine, die beim Hersteller des Umbaus debattiert wurde,
allgemein für gering gehalten wurde. Nach einer ÖNORM wäre aber eine solche stärkere
Verglasung einzubauen gewesen. Diese ÖNORM war niemandem bekannt. Auch das
Arbeitsinspektorat bemängelte die Verglasung nicht.
In der Folge kam es zu einem Kettenschuss, Teile der gerissenen Kettensäge drangen in die
Fahrerkabine ein und verletzten den Fahrer schwer. Die stärkere Kunststoffverglasung hätte die
Wirkung wesentlich abgeschwächt.
Die Sozialversicherer des verletzten Arbeiters erhoben eine Klage zur Feststellung der
Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers des Arbeitgebers.
20
Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen des Vorliegens einer Gefahrenerhöhung ab. Der
OGH hob die Urteile zur Ergänzung des Verfahrens durch weitere Feststellungen zur Frage der
Gefahrenerhöhung und zum Risikoausschluss der vorsätzlichen Schadensherbeiführung auf.
OGH:
Die Möglichkeit der Sozialversicherer zur Erhebung einer derartigen Deckungsklage wurde mit
der zu 7 Ob 8/18d und 7 Ob 105/18v wiedergegebenen Begründung bejaht.
Das Vorliegen des Risikoausschlusses des bewussten Verstoßes gegen Rechtsvorschriften
wurde vom OGH verneint, weil dem Versicherungsnehmer die einschlägige ÖNORM nicht
bekannt war.
Zur Frage der Gefahrenerhöhung führte der OGH aus:
Die Vorinstanzen waren rechtlich der Meinung, die Beklagte sei nach § 23 Abs 1, § 25 Abs 1
VersVG leistungsfrei. Diese Ansicht kann auf Basis der vom Erstgericht getroffenen
Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden:
Eine Gefahrenerhöhung nach § 23 Abs 1 VersVG ist eine nachträgliche Änderung der bei
Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des
Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den
Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder
nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen. Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der
seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen,
dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs bilden kann und damit den
Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist. Die Gefahrenerhöhung setzt –
mit der Einschränkung, dass es sich nicht nur um einen Zustand handeln darf, der plötzlich
aufgetreten ist und in Kürze wieder behoben sein sollte – immer einen gewissen Dauerzustand
voraus. Dem Versicherungsnehmer muss klar sein, dass seine Verhaltensweise geeignet ist, die
Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls zu vergrößern. Es muss ihm zumindest ein der
positiven Kenntnis gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen um die
Gefahrenerhöhung anzulasten sein. Auch das Unterlassen der Beseitigung einer (unabhängig
vom Willen des Versicherungsnehmers eingetretenen) Gefahrenerhöhung ist „Vornahme“
derselben im Sinn des § 23 Abs 1 VersVG. Zu einer Gefahrenerhöhung im Sinn des § 23 Abs
1 VersVG kann es auch durch den Einsatz gefahrenträchtiger Fahrzeuge kommen.
7 Ob 227/17y
Thema: nicht gedecktes Erfüllungssurrogat
AVB: „Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht1.1. Ansprüche aus
Gewährleistung für Mängel; 1.2. Ansprüche soweit sie (…) über den Umfang der gesetzlichen
Schadenersatzpflicht hinausgehen; 1.3. die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der
Erfüllung tretende Ersatzleistung“.
Die Klägerin war beauftragt, mit einer Folie ein Ausgleichsbecken wasserdicht auszukleiden.
Die Klägerin hat diese Arbeiten mangelhaft ausgeführt, sodass es zu Wasseraustritten kam. Die
Klägerin begehrt den Ersatz der Kosten für die Leckortung und die Errichtung eines
21
provisorischen Ausgleichsbeckens, das zur Aufrechterhaltung der Bademöglichkeit für Gäste
des Hotels der Aufraggeberin erforderlich war.
Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück.
OGH:
In der Betriebshaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen
Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich daher nicht auf Erfüllungssurrogate. Der
Versicherungsschutz umfasst nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten
an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht. Unter „Ansprüche aus der
Gewährleistung für Mängel“ fallen nicht nur die Kosten der Behebung des Mangels an sich,
sondern auch jene der vorbereitenden Maßnahmen, die zur Mängelbehebung erforderlich sind.
Demnach ist hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten, die versicherungsrechtlich der
Gewährleistung und dem Erfüllungssurrogat zuzuschlagen sind, wie folgt zu differenzieren:
Ausgeschlossen sind jene Kosten, die ausschließlich der Verbesserung der bedungenen
Werkleistung dienen. Hat die mangelhafte Werkleistung des Versicherungsnehmers hingegen
bereits Folgeschäden an anderen Sachen angerichtet, dann sind diese Schäden gedeckt und nur
jene Kosten ausgeschlossen, die für die Beseitigung des Mangels selbst aufgewendet werden.
Bei der Leckortung handelte es sich um eine (vorbereitende) Maßnahme der Mängelbehebung.
Das provisorische Ausgleichsbecken ersetzte vorläufig die ursprünglich mangelhafte Leistung
der Klägerin und ist daher Erfüllungssurrogat.
7 Ob 8/18d
Thema: Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des
Schädigers (dazu auch 7 Ob 214/17x und 7 Ob 105/18v); Personenbeförderung mit
Gabelstapler
AVB: „Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen,
die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig
und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleichgehalten
eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadeneintritt mit Wahrscheinlichkeit
erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde (zB im Hinblick auf die Wahl einer
kosten- und/oder zeitsparenden Arbeitsweise)“
Ein in seinem Betrieb mitversicherter Lagerleiter sollte auf Anordnung des Produktionsleiters
Schaumstoffteile vom obersten Regal einer Lagerhalle holen. Der Lagerleiter ließ einen
Lagerarbeiter auf die Gabel eines Staplers steigen und hob ihn damit etwa 5 m in die Höhe,
obwohl er wusste, dass dies verboten ist. Im Bereich der Dachbalken wurde die Hand, mit der
sich der Lagerarbeiter festhielt, zerquetscht.
Die Sozialversicherer des Arbeiters erhoben Klage gegen den Haftpflichtversicherer des
Arbeitgebers, mit der sie die Feststellung begehrten, der Haftpflichtversicherer sei gegenüber
22
dem Arbeitgeber aus dem Fehlverhalten des mitversicherten Lagerleiters schuldig,
Deckungsschutz für ihre Regressansprüche zu gewähren.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.
OGH:
Zur Rechtsfrage, ob der Sozialversicherer zu einer solchen direkten Klage gegen den
Haftpflichtversicherer überhaupt berechtigt ist, führte der OGH aus wie in der zeitlich kurz
davor ergangenen Entscheidung 7 Ob 105/18v, die im Folgenden dargestellt wird. Der OGH
fasste dazu zusammen: Der Sozialversicherungsträger, der den Schädiger nach § 334 ASVG in
Anspruch nehmen und damit einen eigenständigen Rückgriffsanspruch geltend machen will, ist
in Bezug auf die Haftpflichtversicherung geschädigter Dritter im Sinn der §§ 156, 157 VersVG.
Sein Feststellungsinteresse ist (ua) dann zu bejahen, wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht
verneint und der Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt. Diese Voraussetzungen sind
im vorliegenden Fall erfüllt.
Dennoch ist die Klage wegen des vorliegenden Risikoausschlusses abzuweisen:
Der Lagerleiter, der sich entgegen mehrfachen Verhaltenshinweisen bewusst über
Betriebsvorschriften betreffend die Verwendung eines Gabelstaplers hinwegsetzt und damit
eine Person zum Zweck einer Warenmanipulation anhebt, handelt vorsätzlich im Sinn des
Risikoausschlusses nach Art 6.2 AHVB 2004, weshalb die Deckungspflicht des
Haftpflichtversicherers entfällt.
7 Ob 14/18m
Thema: 1. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften;
2. Fehler des Bauleiters
AVB: „Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall
grob fahrlässig herbeigeführt wurde und bewusst – insbesondere im Hinblick auf die Wahl
einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise – den für den versicherten Betrieb oder Beruf
geltenden Gesetzen, Verordnungen oder behördlichen Vorschriften zuwidergehandelt wurde,
und zwar durch einen Versicherungsnehmer oder dessen gesetzlichen Vertreter oder dessen
Entscheidungsträger im Sinn des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (BGBl Nr 151/2005) in
der jeweils geltenden Fassung bzw über Veranlassung oder mit Einverständnis einer dieser
Personen“.
Die Klägerin wurde mit Revisionsarbeiten im Druckschacht eines Kraftwerks beauftragt. Es
sollte dabei der Innenanstrich der rund 4 m breiten Stahl-Rohrleitung, die im Inneren des Bergs
talwärts führt, mittels Strahlgut entfernt werden. Die Geschäftsführung setzte dafür einen
Angestellten als Bauleiter ein. Zur Durchführung dieser Strahlarbeiten wurde ein für die
Baustelle angefertigten Strahl- und Bedienerwagen verwendet. Die Stromversorgung im
unmittelbaren Arbeitsbereich erfolgte über einen Baustromverteiler, der sich am Strahlwagen
befand. Während der Arbeiten kam es zu einem Ausfall der für die Revisionsarbeiten eigens
23
errichteten Entstaubungsanlage, sodass das vorhandene Staubgemisch nicht mehr abgesaugt
werden konnte. Es entwickelte sich ein Brand, wodurch die Rohre im Druckrohrleitungssystem
verformt wurden.
Der auf Deckung geklagte Versicherer behauptete, Ursache des Ausfalls der
Entstaubungsanlage sei ein Kurzschluss im Baustromverteiler gewesen, der auf eine bewusste
Verletzung der Pflicht der Klägerin zu wöchentlichen und zu sechsmonatigen Kontrollen des
von der Klägerin eingesetzten Geräts der grob fahrlässig handelnden Klägerin zurückzuführen
sei.
Das Erstgericht gab der Deckungslage statt. Das Berufungsgericht hob das Urteil zur
Verfahrensergänzung, ob eine wöchentliche Überprüfung stattgefunden habe, auf. Der OGH
gab der Deckungsklage statt.
OGH:
1. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften:
Beide Voraussetzungen - grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls und bewusster
Verstoß gegen Rechtsvorschriften - müssen kumulativ vorhanden sein. Die Leistungsfreiheit
des Versicherers setzt nicht (bloß) das Kennenmüssen, das heißt einen grob fahrlässigen
Verstoß gegen Vorschriften voraus, sondern einen bewussten, das heißt vorsätzlichen Verstoß.
Der Versicherungsnehmer muss die Verbotsvorschrift zwar nicht in ihrem Wortlaut und in
ihrem ganzen Umfang kennen, er muss sich aber bei seiner Vorgangsweise bewusst sein, dass
er damit gegen Vorschriften verstößt, muss also das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seiner
Handlungsweise haben.
2. Fehler des Bauleiters:
Der Bauleiter ist zweifellos weder Versicherungsnehmer noch gesetzlicher Vertreter der
Versicherungsnehmerin. Dass er maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des
Verbands ausübte, sohin Entscheidungsträger nach der hier allein allenfalls in Betracht
kommenden Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 3 VbVG war, ist weder behauptet noch festgestellt.
Nach der ständigen Rechtsprechung führen Fehlhandlungen, die vom Erfüllungsgehilfen des
Versicherungsnehmers gesetzt werden, dem nicht eine im Sinn des Abschnitt A Z 3 EHVB
genannte Funktion zukommt, nicht zum Wegfall des Versicherungsschutzes, selbst wenn der
Erfüllungsgehilfe einen Auftrag selbständig ausführt.
Selbst wenn es zutreffen würde, dass der Bauleiter eine wöchentliche Kontrolle des Verteilers
unterlassen hätte, wäre dies der Klägerin nicht zuzurechnen.
7 Ob 30/18i
Thema: Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat
AVB: „Unter die Versicherung fallen insbesondere nicht
24
Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;
Ansprüche, soweit sie aufgrund eines Vertrages oder einer besonderen Zusage über den
Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehen;
die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung …“
Es geht um eine Pflicht-Haftpflichtversicherung im Baumeistergewerbe.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.
OGH:
In der Betriebshaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen
Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich daher auch nicht auf Erfüllungssurrogate.
Die Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung der mangelhaften Leistung
des Versicherten fallen daher ebenfalls nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung. Als
Erfüllungssurrogat werden dabei diejenigen Schadenersatzansprüche bezeichnet, durch die ein
unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags
geltend gemacht wird. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die den
Gläubiger in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Gedeckt sind hingegen
Schäden aus mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden, Begleitschäden), die
jenseits des Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen. Der Begriff „Erfüllungssurrogat“ deckt
sich nicht mit dem haftungsrechtlichen Begriff des Schadenersatzrechts wegen Nichterfüllung,
sondern ist eine eigenständige versicherungsrechtliche Rechtsfigur.
Der Haftungsausschluss nach Art 7.1.1 und Art 7.1.3 AHVB 2004 entspricht ganz allgemein
dem Grundsatz der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer
zu übertragen; aus ihm geht klar hervor, dass unter die Versicherung weder die Erfüllung noch
Erfüllungssurrogate fallen. Derartige Ausschlussklauseln sind auch in der Baubranche üblich;
Bedenken gegen die Bedingungen in Richtung § 879 Abs 3 ABGB (oder § 864a ABGB, § 6
Abs 3 KSchG) bestehen nicht.
7 Ob 41/18g
Thema: Abgrenzung Gewährleistung - Mangelfolgeschaden
Die VN = Klägerin stellte in einem Haus einen Bodenbelag her, der mangelhaft war. Nach dem
dritten Verbesserungsversuch der VN beauftragten die Hauseigentümer einen
Sachverständigen zur Prüfung, ob der Belag nun in Ordnung ist. Nach dem Gutachten war der
Belag weiterhin mangelhaft. Dadurch verlängerte sich die Fertigstellung des gesamten
Bauvorhabens, was wiederum Mehrkosten für die Bauaufsicht verursachte. Außerdem fielen
Kosten für die Abwicklung der Schadenersatzansprüche durch einen Rechtsanwalt an.
Die Klägerin begehrte Deckung für die von ihr zu ersetzenden Beträge, nämlich den Ersatz der
Mängelbehebungskosten, der Sachverständigengebühren, des Aufwands für die Bauaufsicht
und der Anwaltskosten.
25
Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt, das Berufungsgericht wies die Klage zur Gänze
ab. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.
OGH:
Die Betriebshaftpflichtversicherung deckt keine Ansprüche auf Gewährleistung für Mängel,
keine Ansprüche auf die Erfüllung von Verträgen und auch nicht die an die Stelle der Erfüllung
tretende Ersatzleistung. In der Betriebshaftpflichtversicherung ist demnach grundsätzlich nicht
die Ausführung der bedungenen Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich auch nicht
auf Erfüllungssurrogate. Daher ist der Ersatz der Mängelbehebungskosten nicht gedeckt.
Bei den Sachverständigenkosten und den Aufwand für die Bauaufsicht handelt es sich um einen
Teil des Erfüllungsvorgangs und um einen nicht gedeckten Vermögensschaden.
Nach Art 5.2. AHVB/EHVB 2005 umfasst die Versicherung zwar auch die den Umständen
nach gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer
von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht, und zwar auch dann, wenn sich der
Anspruch als unberechtigt erweist. Die Auslegung dieser Klausel nach dem Maßstab des
durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers ergibt jedoch, dass dieser
Versicherungsschutz nicht die Kosten der Feststellung und Abwehr jeglicher Ansprüche
umfasst, sondern nur jener, die grundsätzlich von der Deckungspflicht des Versicherers umfasst
sind. Die Kostendeckung für die Anspruchsfeststellung und -abwehr soll nicht weiter reichen
als das materiell gedeckte Risiko.
7 Ob 60/18a
Thema: 1. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften
2. Grobe Fahrlässigkeit
AVB: „Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall
grob fahrlässig herbeigeführt wurde und bewusst – insbesondere in Hinblick auf die Wahl einer
kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise – den für den versicherten Betrieb oder Beruf
geltenden Gesetzen, Verordnungen oder behördlichen Vorschriften zuwidergehandelt wurde“
Der Kläger verwendete jahrelang einen Hubkorb zur Beförderung von Personen, obwohl er
schon bei der Abnahme der Anlage wusste, dass die Personenbeförderung verboten ist und er
darüber hinaus von dem die jährlichen Überprüfungen durchführenden Ziviltechniker laufend
auf diesen Umstand hingewiesen wurde.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.
OGH:
1. Bewusstes Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften:
Beide Voraussetzungen - grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls und bewusster
Verstoß gegen Rechtsvorschriften - müssen kumulativ vorhanden sein. Der
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Versicherungsnehmer muss die Verbotsvorschrift zwar nicht in ihrem Wortlaut und in ihrem
genauen Umfang kennen, er muss sich aber bei seiner Vorgangsweise bewusst sein, dass er
damit gegen Vorschriften verstößt, muss also das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seiner
Handlungsweise haben. Eine behördliche Vorschrift liegt auch dann vor, wenn es sich um eine
individuelle Anordnung der Behörde durch Bescheid handelt.
2. Grobe Fahrlässigkeit:
Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn sich das Handeln des Schädigers auffallend aus
der Menge der unvermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens heraushebt.
Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste,
dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit
muss offenkundig so groß sein, dass es naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes
Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Zur Annahme grober Fahrlässigkeit
ist es erforderlich, dass bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Kläger dies auch
subjektiv schwer vorwerfbar sein muss. Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die
Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu
einer Sorgfaltsanspannung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des
Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des
Handelnden in Betracht. In diesem Sinn ist für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass
grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste naheliegende Überlegungen nicht
angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen.
7 Ob 105/18v
Thema: Deckungsklage des Sozialversicherers aus der Haftpflichtversicherung des
Schädigers (dazu auch 7 Ob 214/17x und 7 Ob 8/18d); Absturz bei Dachdeckerarbeiten
Bei Dachdeckerarbeiten stürzte ein Arbeiter vom Dach und verletzte sich schwer. Der
Sozialversicherer des Arbeiters erhob Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Arbeitgebers
des verletzten Arbeiters, mit der sie die Feststellung begehrte, der Haftpflichtversicherer sei
gegenüber dem Arbeitgeber und dem Vorarbeiter schuldig, Deckungsschutz für ihre
Regressansprüche zu gewähren. Sie behauptete, der Arbeiter sei völlig ungesichert gewesen,
wovon der Vorarbeiter gewusst habe.
Wesentlich war auch hier zunächst die Rechtsfrage, ob der Sozialversicherer zu einer solchen
direkten Klage gegen den Haftpflichtversicherer überhaupt berechtigt ist.
Das Erstgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht hob das Urteil auf. Der OGH bestätigte
die Urteilsaufhebung wegen verschiedener noch offener Fragen.
OGH:
Der am Versicherungsvertrag nicht beteiligte geschädigte Dritte kann den Versicherer
grundsätzlich nicht direkt in Anspruch nehmen. Dennoch kann er eine Klage auf Feststellung
der Deckungspflicht des Versicherers – bezogen auf den Versicherungsnehmer – erheben; vor
27
allem dann, wenn dem geschädigten Dritten der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt
entzogen zu werden droht; etwa durch Verjährung oder durch Ablauf der Frist des § 12 Abs 3
VersVG, die auch durch die Klage des Dritten gewahrt werden kann, oder wenn der Versicherer
seine Eintrittspflicht verneint und der Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt.
Der Sozialversicherer, der den Schädiger nach § 334 ASVG in Anspruch nimmt, macht damit
einen eigenständigen Rückgriffsanspruch geltend. Er ist in Bezug auf die
Haftpflichtversicherung geschädigter Dritter iSd §§ 156, 157 VersVG. Sein
Feststellungsinteresse besteht - wie ausgeführt -vor allem dann, wenn dem geschädigten Dritten
der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt entzogen zu werden droht, etwa durch
Verjährung oder durch Ablauf der Frist des § 12 Abs 3 VersVG, die auch durch die Klage des
Dritten gewahrt werden kann, oder wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht verneint und der
Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt.
7 Ob 81/19s
Thema: Nicht gedecktes Erfüllungssurrogat
Art 7 AHVB: „Ausschlüsse vom Versicherungsschutz:
Unter die Versicherung … fallen insbesondere nicht
Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel …
Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung …“
Nach dem Versicherungsvertrag besteht auch ein „erweiterter Versicherungsschutz für das
Produktehaftpflichtrisiko“; die Regelungen dazu sind teils im Vertragstext selbst, teils in den
EHVB enthalten.
Die Klägerin stellt Fassadenbeschichtungen und Anstriche her. Sie ist Mitversicherte in der
Betriebs- und Produktehaftpflichtversicherung ihrer Muttergesellschaft.
Die von ihr auf den Markt gebrachten Produkte NanoporTop und NanoporColor entsprachen
nicht den von ihr beschriebenen Eigenschaften wie Selbstreinigungseffekte durch Fotokatalyse.
Es kam bei sämtlichen damit hergestellten Hausfassaden und Anstrichen binnen weniger
Wochen zu einer Veralgung und zu Pilzbefall. Infolge dieser Beeinträchtigungen der Fassaden
wurden die verarbeitenden und an den Endverkäufer abgebenden Unternehmen, die
NanoporColor und NanoporTop angeboten hatten, gegenüber ihren Kunden
gewährleistungspflichtig. Sie wandten sich diesbezüglich an ihre Distributoren, die die
Beanstandungen an die Klägerin weitergaben. Diese veranlasste, dass die verschmutzten
Fassaden mit Hochdruckstrahl abgestrahlt und in der Folge mit von der Klägerin beigestelltem
Biozid behandelt wurden. Dann wurde ein Anstrich mit NanoporColor aufgebracht. Diese
Arbeiten wurden von Drittunternehmen ausgeführt.
Die Klägerin begehrte Deckung ihrer damit verbundenen Aufwendungen.
Das Erstgericht gab im Wesentlichen der Klage statt, das Berufungsgericht wies die Klage ab.
Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.
28
OGH:
Die von der Klägerin auf den Markt gebrachten Endbeschichtungen für Fassaden verfügten
nicht über die von ihr zugesicherten Eigenschaften (fotokatalytische Wirkung). Die Kosten der
letztlich von der Klägerin veranlassten Sanierung (Abstrahlen der Fassade mit Hochdruck,
Behandlung mit Biozid und Anstrich mit NanoporColor) durch von ihr beauftragte
Unternehmen wurden ausschließlich zur Mängelbeseitigung und ordnungsgemäßen
Herstellung der von der Klägerin geschuldeten funktionsfähigen Oberflächenbeschichtung
aufgewendet. Sie liegen innerhalb des Erfüllungsinteresses und sind damit von der
Basisdeckung der Betriebshaftpflichtversicherung nach Art 7.1 AHVB ausgeschlossen, worauf
bereits das Berufungsgericht zutreffend verwies.
Die Auslegung der Vereinbarung des Erweiterten Produktehaftpflichtrisikos (Abschnitt A, Z 2,
Pkt 4.1 EHVB) ergibt im Zusammenhang mit den Vertragsregeln, dass die Kosten der
Nachbesserung auch nicht unter den Versicherungsschutz der erweiterten Produktehaftpflicht
fallen. Das geltend gemachte Erfüllungssurrogat ist insgesamt nicht in den Versicherungsschutz
eingeschlossen.
29
III. Berufshaftpflichtversicherung
7 Ob 204/16z
Thema: 1. Nachhaftungsfrist ist Ausschlussfrist
2. claims-made-Prinzip
AVB: „Art 2. Zeitliche Begrenzung der Haftung
(1) Der Versicherer haftet nur für solche Schäden, die während der Wirksamkeit des
Versicherungsschutzes erstmals schriftlich geltend gemacht werden …
(2) Der Versicherer haftet auch für solche Verstöße, die während der Wirksamkeit des
laufenden Vertrages oder der vereinbarten Rückwirkungsdauer eingetreten sind und während
dem in der Police bestimmten Nachhaftungszeitraum angezeigt werden.
(3) Verlängert sich das Versicherungsverhältnis über den im Versicherungsschein genannten
Zeitpunkt hinaus nicht, so sind auch solche Schadenersatzansprüche versichert, welche
innerhalb der im Versicherungsschein vereinbarten Nachhaftungsperiode nach Vertragsablauf
geltend gemacht werden, jedoch nur, sofern sich der Verstoß während der Versicherungsdauer
oder der vereinbarten Rückwirkungsdauer ereignet hat … .
Art 5.
1. Versicherungsfall
Versicherungsfall ist die erstmalige schriftliche Anspruchserhebung des tatsächlich oder
vermeintlich Geschädigten gegenüber dem Versicherungsnehmer im direkten Zusammenhang
mit dem versicherten Risiko, aufgrund eines Vermögensschadens als Folge von Verstößen
gegen gesetzliche Bestimmungen privatrechtlichen Inhalts, wobei nur solche
Versicherungsfälle gedeckt sind, die im zeitlichen Geltungsbereich gemäß Artikel 2 dieser
Bestimmungen liegen.
2. Schadensanzeige …“
Ein Vermögensberater war vom 1.12.2002 bis 1.3.2006 beim beklagten Versicherer
haftpflichtversichert. Der Kläger brachte 2014 eine auf Schadenersatz wegen Fehlberatung im
Jahr 2005 gestützte Klage gegen den Vermögensberater (=Versicherungsnehmer) ein. Der
Haftpflichtversicherer wurde davon Ende 2014 verständigt. Anfang 2015 brachte der Kläger
auch eine Klage gegen den Haftpflichtversicherer ein, mit der er (unter anderem) die
Feststellung der Deckungspflicht des Versicherers gegenüber dem Vermögensberater
(=Versicherungsnehmer) begehrte.
Die Klage gegen den Haftpflichtversicherer wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die
Klagsabweisung.
OGH:
Ausschlussfristen sind grundsätzlich nicht objektiv ungewöhnlich, sondern zur
Risikobegrenzung üblich. Bloß wenn der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist
keine wie immer gearteten Hinweise darauf haben kann, dass sich ein Versicherungsfall
während der Vertragszeit ereignet haben könnte, ist der Anspruchsverlust auch im Fall der
30
unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich
nach § 864a ABGB zu beurteilen Im Gegensatz zur Rechtsansicht der Revision liegt hier aber
keine damit vergleichbare Fallgestaltung vor:
Bei Zusammenschau der einschlägigen AVB-Bestimmungen ergibt sich, dass der
Versicherungsfall (erst) mit der erstmaligen schriftlichen Anspruchserhebung eintritt und
nicht etwa bereits mit einem davor liegenden Ereignis/Verstoß. Ein gedeckter Versicherungsfall
während der Vertragszeit liegt auch dann vor, wenn er zwar erst nach Vertragslaufzeitende,
aber noch während der Nachhaftungszeit eintritt, soweit der Verstoß während des aufrechten
Vertrags gesetzt wurde. Tritt aber – wie hier – schon der Versicherungsfall (Inanspruchnahme
durch Dritte) außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs nach Art 2 AVBV („während der
Wirksamkeit des Versicherungsschutzes“) ein, nämlich erst nach Ablauf der Nachhaftungsfrist,
dann besteht nach dieser Bedingungslage keine Deckung.
7 Ob 127/17b
Thema: Verhältnis Haftpflichtprozess zu Deckungsprozess
AVB: „Leistungsversprechen: Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen …
3. …Das Leistungsversprechen des Versicherers gemäß Pkt 1 umfasst somit nicht:
3.1 Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende
Ersatzleistung …“
Im vorangehenden Haftpflichtprozess wurde der nunmehrige Kläger und dortige Beklagte als
Treuhänder auf Herausgabe des Treuhandgeldes geklagt und zur entsprechenden Zahlung
verurteilt, weil er schadenersatzpflichtig sei.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.
OGH:
Die rechtliche Qualifikation des im Haftpflichtprozess vom Treugeber gegen den dort beklagten
Treuhänder und nunmehrigen Kläger erhobenen Zahlungsbegehrens als Schadenersatzanspruch
begründet keine Bindungswirkung für die Entscheidung in diesem Verfahren.
Bei dem Herausgabeanspruch des Vollmachtgebers gegenüber dem Vollmachtnehmer nach §
1009 ABGB handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers im Kern um einen
Erfüllungsanspruch. Das Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherers umfasst aber nur die
Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen. Aus dem eindeutigen und klaren Wortlaut des Art
3.3.1 ABHV folgt, dass unter die Versicherung weder die Erfüllung noch Erfüllungssurrogate
fallen.
31
7 Ob 164/17v
Thema: 1. Obliegenheiten nach Versicherungsfall - § 6 Abs 3 VersVG
2. Aufklärungsobliegenheit
Die klagende GmbH ist Mitversicherte bei der von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder für
ihre Mitglieder angeschlossenen Excedenten-Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Sie
hatte Bedenken gegen die 2001 erfolgte Übernahme eines Prüfmandats für zwei
Aktiengesellschaften, unter anderem, weil trotz der Rücknahmeverpflichtung von
Genussscheinen das Genussscheinkapital als Eigenkapital bilanziert war. Diese Bedenken hielt
die Klägerin in einer internen Notiz im Jahr 2001 fest. Dennoch übernahm sie die Prüfung und
erteilte alljährlich einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Die Aktiengesellschaften
gingen 2010 in Konkurs, bei der Klägerin gingen Anspruchsschreiben ein. Die interne Notiz
über die Bedenken tauchte erst 2012 in einem gegen die nunmehrige Klägerin geführten
Haftpflichtprozess als Gutachtensbeilage auf. Die 2015 seitens des Haftpflichtversicherers
gestellte Frage, ob es Bedenken gegen die Übernahme des Prüfmandats gegeben habe, hatte die
Klägerin verneint.
Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision zurück.
OGH:
1. Obliegenheiten nach Versicherungsfall - § 6 Abs 3 VersVG:
Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung
nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen,
dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig
begangen habe.
Für den Vorsatz iSd § 6 Abs 3 VersVG genügt das allgemeine Bewusstsein, dass ein
Haftpflichtversicherter bei der Aufklärung des Sachverhalts nach besten Kräften mitwirken
muss. Dieses Bewusstsein ist bei einem Versicherten in der Regel vorauszusetzen. Es kann
daher nur der Nachweis besonders entschuldbarer Umstände den Vorsatz in Frage stellen.
Grobe Fahrlässigkeit wird allgemein im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben
erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen
nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige
Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gebotenen Umständen hätte
geschehen müssen. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer
Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens
vorzuwerfen ist.
Dass - bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder
auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem
Versicherer obliegenden Leistungen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im
Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen. Eine nur leichte Fahrlässigkeit bleibt
demnach ohne Sanktion. Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten
Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlicht“ vorsätzlicher oder
grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen.
32
Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die
Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die
Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat.
Dies kann für den Gesamtschaden oder einen Teil des Schadens gelingen.
Nur wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die
Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren
(sogenannter „dolus coloratus“), ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen und der
Anspruch verwirkt.
2. Aufklärungsobliegenheit:
Eine in einem wesentlichen Punkt nicht der Wahrheit entsprechende Darstellung des
Schadenereignisses durch den Versicherungsnehmer stellt eine Verletzung der
Aufklärungspflicht dar. Damit sollen nicht nur die nötigen Feststellungen über den Ablauf, die
Verantwortlichkeit der Beteiligten und den Umfang des Schadens ermöglicht, sondern auch die
Klarstellung aller Umstände gewährleistet werden, die für allfällige Regressansprüche des
Versicherers von Bedeutung sein können. Der Versicherer soll ganz allgemein in die Lage
versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu
treffen.
Hier wurde die Aufklärungsobliegenheit grob fahrlässig verletzt, der Kausalitätsgegenbeweis
ist nicht gelungen:
Schon die Nichtoffenlegung der in der Notiz geschilderten Umstände über einen Zeitraum von
mehreren Jahren stellt eine Obliegenheitsverletzung dar. Die Obliegenheit ist auch nicht durch
die Vorlage eines Gutachtens aus einem Gerichtsverfahren erfüllt worden. Die Notiz, die
Aufklärung über die Vorgänge und die vorhandenen Bedenken anlässlich der Auftragserteilung
an die Klägerin gibt, war unter einer Vielzahl von Urkunden dem Gutachten angeschlossen.
Die Klägerin bringt selbst vor, sie habe die Notiz der Beklagten nicht übermittelt, sondern nur
dem Gutachter übergeben. Befindet sich aber ein Beweismittel bloß in einem umfangreichen,
einem Gutachten angeschlossenen Konvolut von einer Vielzahl von Unterlagen ohne näheren
Hinweis auf seinen konkreten Inhalt, musste die Klägerin geradezu damit rechnen, dass diese
Notiz in der Fülle der Unterlagen, insbesondere unter Berücksichtigung der Komplexität der
Sachlage, voraussichtlich vom Versicherer unbemerkt bleiben würde. Dass diese Urkunde für
die Beklagte wesentlich sein würde, war einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer leicht
erkennbar.
7 Ob 177/17f
Thema: Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer nach KAKuG
Der Kläger klagt sowohl eine Stadtgemeinde = Krankenhausträger als auch deren
Haftpflichtversicherer wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers. Aus § 5c Abs 1 KAKuG
ergibt sich, dass für Gebietskörperschaften wie eine Stadtgemeinde keine Pflicht zum
Abschluss einer Haftpflichtversicherung besteht.
33
Die Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Rechtsträgers des Krankenhauses wurde
abgewiesen. Der OGH hob das Urteil zur Verfahrensergänzung auf, bejahte aber den
Direktanspruch.
OGH:
§ 5c KAKuG (Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz) hat wie § 52d ÄrzteG die
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zum Vorbild. Im Kraftfahrzeugbereich sind zwar nach §
59 Abs 2 KFG Fahrzeuge der öffentlichen Hand von der Versicherungspflicht ausgenommen,
nach ständiger Rechtsprechung* besteht bei freiwillig erfolgtem Abschluss einer
Haftpflichtversicherung für ein solches Fahrzeug gleichwohl ein direkter Anspruch des
Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer. Aufgrund der Vorbildfunktion der
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (auch) für die Direktklage nach § 5c Abs 3 KAKuG ist
daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese nicht nur bei für „private“
Krankenanstalten obligatorisch abgeschlossenen, sondern auch bei für „nicht private“
Krankenanstalten freiwillig abgeschlossenen Haftpflichtversicherungen ermöglichen wollte.
(*Das direkte Klagerecht bei freiwilligen Kfz-Haftpflichtversicherungen ergibt sich schon aus
§ 1 KHVG)
7 Ob 182/17s
Thema: 1. Vertraglicher Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer
2. claims-made-Prinzip - Prüfung auf Gesetzwidrigkeit nach § 864a, § 879 ABGB
Automatisierter Polizzenbaustein: „In Abänderung von Art 2 ABHV 2000 ist der
Versicherungsfall die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen den
Versicherungsnehmer und/oder eine versicherte Person durch Dritte aufgrund einer
tatsächlichen oder behaupteten Pflichtverletzung eines Versicherten
(Anspruchserhebungsprinzip)…
Der Versicherungsschutz ist gegeben, wenn die Pflichtverletzung, das Schadenereignis und die
Anspruchserhebung während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes (Laufzeit des
Vertrages unter Beachtung der §§ 38, 39 und 39a VersVG) erfolgen…
Der Versicherer anerkennt ein direktes Klagerecht des geschädigten Dritten gegen den
Versicherer.“
Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen suchte im Jahr 2002 über einen Makler ein auf seine
Geschäftstätigkeit als Wertpapierdienstleister passendes Versicherungsanbot für eine
Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Die Versicherung wurde schließlich beim
beklagten Versicherer geschlossen. Dieser beharrte damals auf der Vereinbarung des claims-
made-Prinzips. Die Versicherung bestand von 2002 bis Ende 2008. Im Jahr 2011 machte eine
(inzwischen verstorbene) Kundin (Anlegerin) des WPDLU Schadenersatzansprüche wegen
Fehlberatung und Fehlverwaltung durch das WPDLU gegen den Versicherer geltend. Die
Kläger als Erben der Kundin des WPDLU klagen den Versicherer auf Deckung der durch Fehler
34
des WPDLU entstandenen Schäden. Die Klauseln betreffend das claims-made-Prinzip
verstießen gegen §§864a, § 879 ABGB und seien daher unwirksam.
Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.
OGH:
1. Vertraglicher Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer:
Die Einräumung eines Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des
Schädigers im Haftpflichtversicherungsvertrag beruht auf einem vertraglichen Schuldbeitritt.
Der Versicherer tritt der Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Geschädigten nach
Maßgabe des Deckungsanspruchs bei. Daraus folgt, dass einerseits der Versicherer alle
Einwände aus dem Deckungsverhältnis auch dem direkt klageberechtigten Geschädigten
gegenüber erheben kann und andererseits steht es auch Letzterem zu, sowohl inhaltlichen
Einwänden des Versicherers aus dem Vertragsverhältnis entgegenzutreten als auch die
Unwirksamkeit von Vertragsklauseln geltend zu machen.
2. claims-made-Prinzip - Prüfung auf Gesetzwidrigkeit nach § 864a, § 879 ABGB:
Die claims-made-Klausel ist (trotz Aufnahme in die Polizze) als eine in den AGB enthaltene
Bestimmung zu werten (standardisierte Klausel, war nicht verhandelbar).
Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in AGB oder
Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie
dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach
dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine
Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen.
Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des
Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise
nicht zu rechnen brauchte. Der Klausel muss also ein Überrumpelungseffekt innewohnen.
Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den
rechtlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht. Der Inhalt der Klausel, auf den es dabei alleine
nicht ankommt, spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des
Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich
insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Die Vereinbarung der claims-made-Klausel war damals nicht ungewöhnlich und auch am
Regelungsort zu erwarten, auch hat die Zweitbeklagte auf deren Geltung besonders
hingewiesen. Sie ist daher nicht nach § 864a ABGB unwirksam.
Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder
Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen
Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände
des Falls einen Teil gröblich benachteiligt.
Hauptleistung ist in Allgemeinen Versicherungsbedingungen jedenfalls die Festlegung der
Versicherungsart und die Prämienhöhe. Die claims-made-Klausel gehört nicht zur
Hauptleistung.
35
Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am
dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu
orientieren. Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche
Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es dafür keine sachliche
Rechtfertigung gibt. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner
zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren
Rechtsposition des anderen steht.
Eine gesetzliche Regelung, die den üblichen Umfang der vom beklagten Versicherer zu
erbringenden Versicherungsleistungen umschrieb, lag seinerzeit für den vorliegenden Fall nicht
vor. Eine Nachhaftung ist erst mehrere Jahre später für die Tätigkeit der
Versicherungsvermittlung infolge einer Richtlinienumsetzung vorzusehen gewesen. Für die
Erstbeklagte bestand insofern also auch kein „Versicherungsnotstand“. Andere Versicherer
waren damals aufgrund der Risikolage überhaupt nicht bereit, der Erstbeklagten
Versicherungsschutz zu gewähren. Die Zweitbeklagte hat überdies ein Direktklagerecht der
Geschädigten anerkannt. Bei einer Gesamtbewertung dieser Umstände ist im vorliegenden
Einzelfall eine gröbliche Benachteiligung der Erstbeklagten nicht zu erkennen.
Die claims-made-Klausel ist daher unter Berücksichtigung der damaligen spezifischen Sach-
und Vertragslage nicht als gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig zu qualifizieren.
7 Ob 212/17b
Thema: Erfüllungssurrogat in der Ärzte-Pflichthaftpflichtversicherung
AVB: „Art 7 AHVB: Unter die Versicherung gemäß Art. 1 fallen insbesondere nicht
1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel …
1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.“
Der Kläger hatte eine Patientin insgesamt viermal an den Brüsten operiert, wobei Implantate
eingesetzt wurden. Die Patientin begehrte von ihm in einem noch nicht abgeschlossenen
Haftpflichtprozess die Kosten der wegen Fehlberatung notwendigen Folgeoperationen zum
Austausch der Implantate.
Die Deckungsklage des Arztes betreffend weitere Operationen zum Austausch der Implantate
wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Arztes zurück.
OGH:
Die Haftpflichtversicherung dient nach ständiger Rechtsprechung zu insofern wortgleichen
Fassungen der AHVB nicht dazu, das Unternehmerrisiko auf den Haftpflichtversicherer zu
übertragen. Das Unternehmerrisiko soll grundsätzlich nicht versicherungsfähig sein. Das von
der Deckungspflicht ausgeschlossene Erfüllungssurrogat ist eine eigene
versicherungsrechtliche Rechtsfigur, die nicht mit dem Schadenersatz wegen Nichterfüllung
übereinstimmt. Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die auf das
Vertragsinteresse gerichtet sind, den Gläubiger also in den Genuss der ordnungsgemäßen
36
Leistung bringen sollen. Die Patientin strebt einen aufgrund der Fehlbehandlung notwendigen
Austausch der Implantate an, der den schmerzfreien Zustand herstellen soll, wie er bei
ursprünglich ordnungsgemäßer kunstfehlerfreier Behandlung durch den Kläger gegeben
gewesen wäre. Die Patientin macht insoweit einen nach Art 7.1.3 AHVB 2004 nicht gedeckten
Anspruch (Erfüllungssurrogat) geltend.
7 Ob 34/18b
Thema: Umfang der Auskunftspflicht des Notars über seine Haftpflichtversicherung
Die Klägerin begehrte in einem Haftpflichtprozess gegen einen Notar Schadenersatz wegen
Fehler bei der Abwicklung eines Treuhandgeschäfts. Der Notar erteilte ihr die gesetzlich
vorgesehenen allgemeinen Auskünfte über seine Pflicht-Haftpflichtversicherung. Die Klägerin
begehrt nun in einem weiteren Prozess vom Notar, dass er sie über den Versicherungsschutz
für die Treuhandvereinbarung durch Vorlage einer Deckungsbestätigung des Pflicht-
Haftpflichtversicherers zu informieren habe.
Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück.
OGH:
Schon aus der Wortfolge des Punktes 16. Satz 1 THR (Richtlinien der Österreichischen
Notariatskammer vom 8. 6. 1999 über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften idF
23. 10. 2014), wonach der Treugeber über „die Art, das Ausmaß und den Umfang des
Versicherungsschutzes“ zu informieren ist, und aus dem Zusammenhalt mit der ähnlich
formulierten Informationspflicht laut Punkt 20. THR folgt klar und unmissverständlich, dass es
sich bei dieser Informationspflicht nur um eine solche zur Bekanntgabe bestimmter allgemeiner
Angaben über den Umfang des Versicherungsschutzes handelt, die der Beklagte durch die von
ihm erteilten Auskünfte jedenfalls erfüllt hat. Der von der Klägerin verwendete Begriff
„Deckungsbestätigung“ ist der Notariatsordnung und dem Versicherungsvertragsgesetz fremd.
Für einen Anspruch auf eine „Deckungsbestätigung“ in dem von der Klägerin gewünschten
Sinn, dass nämlich der Versicherer über Veranlassung des Versicherungsnehmers erklärt, ob in
einem bestimmten Einzelfall bei Sachfälligkeit des Treuhänders Versicherungsdeckung
gewährt wird, besteht schon nach dem klaren Wortlaut der Regelung des Punktes 16. Satz 1
THR keinerlei Anhaltspunkt.
7 Ob 139/18v
Thema: Fehlende Gewerbeberechtigung des Versicherungsmaklers für
Kreditvermittlung
AVB: „In Ergänzung von Art 4 AVBV erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf
Haftpflichtansprüche, die dadurch entstanden sind, dass:
37
die vorgenommenen Rechtsgeschäfte ohne Berechtigung – Konzession zur Ausübung der
Tätigkeit bzw des Gewerbes … oder ohne Berechtigung zur Erbringung der Bank- oder
Finanzdienstleistungen … ausgeübt werden …“
Ein Versicherungsmakler verfügte auch über eine Gewerbeberechtigung zur Vermittlung von
Personalkrediten, Hypothekarkrediten und Vermögensberatung (einschließlich Vermittlung
von Veranlagungen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 3 KMG), eingeschränkt auf die Vermittlung von
Hypothekarkrediten und Vermögensberatung (einschließlich Vermittlung von Veranlagungen
im Sinne des § 1 Abs 2 Z 3 KMG). Er hatte dafür eine entsprechende
Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Zur Vermittlung von anderen Personalkrediten
hatte er keine Gewerbeberechtigung.
Er bot seinen Kunden ein als „Volkspension“ bezeichnetes „Gesamtkonzept“ an, das auf einer
Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern, Renten- und
Lebensversicherungen und einer Berufsunfähigkeitspension beruhte. Die Rentabilität war
entscheidend von der Entwicklung der Fremdwährungskredite und der Zinsentwicklung in den
jeweiligen Währungen sowie der Performance der Tilgungsträger abhängig.
Der Makler wurde wegen Fehlberatung zu Schadenersatz an die Geschädigten verurteilt. Der
Geschädigte zahlte nicht, die Geschädigten brachten daher im Exekutionsweg eine
Drittschuldnerklage gegen den Haftpflichtversicherer des Maklers ein.
Die Drittschuldnerklage wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.
OGH:
Die Haftpflichtversicherung soll der Absicherung von Risken im Zusammenhang mit der
Ausübung eines bestimmten Gewerbes dienen. Die Risikobegrenzung auf genau diese Tätigkeit
(die Risikoausschlüsse dienen der Verdeutlichung) ist damit nicht unüblich und es muss sie der
Dritte gegen sich gelten lassen.
Die vereinbarungsgemäß zu erbringende Leistung beinhaltete die Dienstleistungen der
Vermögensberatung, Kreditvermittlung und Versicherungsvermittlung. Die Rentabilität des
Gesamtkonzepts hängt vom Zusammenspiel der kombinierten Fremdwährungskredite und
Tilgungsträger ab. Wenn – wie hier – ein entscheidender Teil des vom Versicherungsnehmer
zu erbringenden Gesamtkonzepts auf einer nach seiner Gewerbeberechtigung nicht zulässigen
Tätigkeit beruht, besteht nach den vorliegenden Bedingungen kein Versicherungsschutz für
Schadenersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer, deren Gegenstand dieses
Gesamtkonzept ist.
7 Ob 158/18p
Thema: Fehlberatung durch Versicherungsangestellten
Die Klägerin kündigte eine Haftpflichtversicherung mit hoher Deckungssumme und schoss mit
dem nunmehrigen Versicherer aufgrund eines Fehlers des Mitarbeiters des Versicherers eine
38
Haftpflichtversicherung für Immobilienverwalter anstatt für Bauträger ab. Die
Versicherungssumme ist nun wesentlich niedriger, was allerdings dem Wunsch der Klägerin
entsprach. Die Klägerin strebte erklärtermaßen eine Reduktion der Versicherungsprämie im
Verhältnis zum ursprünglichen Versicherungsvertrag an und forderte den Mitarbeiter der
Beklagten auf, ihr jene (Pflicht-)Haftpflichtversicherung anzubieten, die im Verhältnis zum
ursprünglichen Vertrag bloß den gesetzlichen Vorgaben für Bauträger entspricht. In der Folge
verlangten etliche von der Klägerin Geschädigte Schadenersatz. Die Klägerin begehrt die
Feststellung der Haftung des Versicherers für die die Differenz zwischen der Deckungssumme
der nunmehrigen Versicherung zu der aufgekündigten Versicherung.
Das Klagebegehren wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück.
OGH:
Dass die gewünschte Prämienreduktion jedenfalls auch mit einer Reduktion der
Versicherungssumme einhergeht, liegt auf der Hand, war offenkundig und nicht
aufklärungsbedürftig, lag doch keine Fehlvorstellung vor. Soweit die Klägerin meint, es hätte
zumindest die Haftung im Sinn einer „Versicherungssumme von 100.000 EUR pro
geschädigten Vertragspartner“ wie im Gesetz vorgeschrieben ausgesprochen werden müssen,
ist sie darauf hinzuweisen, dass sie ein derartiges Eventualbegehren nicht gestellt hat.
7 Ob 218/18m
Thema: Auslandsklausel
Art 6 AHBA:“ … Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen …
aus sich im Ausland auswirkenden Verstößen … Art 7: … Der Versicherungsschutz bezieht sich
abweichend von Art. 6 … auch auf das europäische Ausland … Voraussetzung ist, dass der
Verstoß in Europa gesetzt wurde, der Schaden in Europa eingetreten ist und die
Geltendmachung in Europa erfolgt“.
Die Klägerin erstellte für ein österreichisches Unternehmen eine fehlerhafte statische
Berechnung für ein Hochregallager, das dieses in Österreich produzieren ließ und das beim
Endkunden in den USA montiert wurde. Die Vertragspartnerin der Klägerin begehrt von ihr
den Ersatz der Sanierungskosten und stellt Schadenersatzforderungen.
Der Klage wurde stattgegeben. Der OGH wies die Revision des beklagten Versicherers zurück.
OGH:
Die sogenannte Auslandsklausel (Ausschluss des Versicherungsschutzes für
„Schadenersatzverpflichtungen aus sich im Ausland auswirkenden Verstößen“) schließt die
Deckungspflicht des Versicherers nicht aus, wenn sich der anspruchsbegründende Sachverhalt
im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Dritten zur Gänze im Inland
verwirklicht hat. Der Ort des Schadenereignisses ist nämlich im Verhältnis zwischen dem
Versicherungsnehmer und dem ihn in Anspruch nehmenden Dritten und nicht aufgrund von
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Rechtsbeziehungen zu ermitteln, an denen ausschließlich spätere Dritte und nicht mehr der
Versicherungsnehmer beteiligt sind. Die fehlerhafte statische Berechnung wurde im Inland
hergestellt. Damit liegt der Ort des Schadenereignisses im Inland.
7 Ob 228/18g
Thema: Keine Klagemöglichkeit des Versicherungsnehmers zugunsten des Geschädigten
Der Kläger ist Vermögensberater. Er klärte seinen Kunden bei Vermittlung einer
Gesellschaftsbeteiligung nicht über die Möglichkeit eines Totalverlusts der Anlage auf und
verstieß damit gegen eine mit dem Pflicht-Haftpflichtversicherer in den AVB (FinanzPl-Ö)
vereinbarte Obliegenheit. Die Anlage erlitt einen Totalverlust. Der Kläger begehrt mit seiner
Deckungsklage gegen den Pflicht-Haftpflichtversicherer (unter anderem) die Zahlung des
Schadensbetrags an den Geschädigten; er beruft sich darauf, dass sich der
Haftpflichtversicherer bei einer Pflichtversicherung nicht auf Obliegenheitsverletzungen des
Versicherungsnehmers berufen könne.
Die Klage wurde abgewiesen. Der OGH bestätigte die Klagsabweisung.
OGH:
Der Versicherungsnehmer kann bei Leistungsfreiheit des Versicherers keine Leistung an den
Geschädigten fordern und auch nicht die Feststellung der Leistungspflicht im Verhältnis zum
Geschädigten begehren. Vielmehr ist es Aufgabe des Geschädigten, diesen Anspruch durch
Pfändung und Überweisung oder im Wege einer allenfalls vorgesehenen Direktklage gegen den
Versicherer geltend zu machen Da § 158c VersVG gerade voraussetzt, dass den Versicherer
dem Versicherungsnehmer gegenüber keine Leistungspflicht trifft, ist dieser selbst auch nicht
aktivlegitimiert, aufgrund des nur zugunsten des Geschädigten fingierten Befreiungsanspruchs
eine Leistung des Versicherers an den Geschädigten zu fordern. Das Begehren des Klägers auf
Feststellung der dem Geschädigten gegenüber bestehenden Deckungspflicht der Beklagten ist
infolge Obliegenheitsverletzung nicht berechtigt. Aus § 158c Abs 1 VersVG kann kein
Anspruch des Versicherungsnehmers auf Leistung an den geschädigten Dritten abgeleitet
werden.
7 Ob 14/19p
Thema: Angehörigenausschluss
Nach den AVBV sind vom Versicherungsschutz Schadenersatzverpflichtungen und
Haftpflichtansprüche ausgeschlossen von: „Angehörigen des Versicherungsnehmers; als
Angehörige gelten … die mit dem Versicherungsnehmer ... in gerader Linie ... Verwandten ...“
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Die Mutter des versicherten Vermögensberaters, der pflichthaftpflichtversichert war, wurde
durch Fehlberatung geschädigt.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.
OGH:
Sowohl bei einer freiwilligen wie auch bei einer Pflicht-Haftpflichtversicherung haftet der
Versicherer nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr, also der örtlichen, zeitlichen
und sachlichen Grenzen der Gefahrenübernahme und der zwischen ihm und dem
Versicherungsnehmer zulässig vereinbarten Ausschlüsse.
Durch einen Angehörigenausschluss wird aus naheliegenden Gründen bezweckt, den
Versicherungsschutz für Schäden, die Angehörigen des Versicherungsnehmers zugefügt
werden, ebenso auszuschließen wie für Schäden des Versicherungsnehmers selbst. Ein solcher
Ausschluss von im engsten Familienkreis (hier die Mutter des Versicherungsnehmers)
verursachten Schäden aus der Berufshaftpflichtversicherung entspricht einem üblichen
Deckungsumfang.
7 Ob 88/19w
Thema: Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs
Art 5.3. c) AVBV 1999: „Der Versicherungsnehmer ist nicht berechtigt, ohne vorherige
Zustimmung des Versicherers einen Haftpflichtanspruch ganz oder zum Teil vergleichsweise
anzuerkennen oder zu befriedigen. Bei Zuwiderhandlung ist der Versicherer von der
Leistungspflicht frei, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer nach den Umständen die
Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte…“
Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, klagte auf Rechtsschutzdeckung für eine Klage gegen ihre
Haftpflichtversicherung, die Regress gegen sie genommen hatte. Ein Klient hatte gegen sie
einen Schadenersatzprozess wegen Fehlberatung geführt, den der Klient kostenpflichtig verlor.
Trotzdem verzichtete die Rechtsanwältin auf den ihr bzw. dem Haftpflichtversicherer
zustehenden Ersatz der Prozesskosten. Der Haftpflichtversicherer nahm nun Regress gegen die
Rechtanwältin hinsichtlich der Prozesskosten. Für das von der Klägerin angestrengte Verfahren
gegen den Haftpflichtversicherer auf Rückersatz der Regresssumme begehrte die Klägerin
Rechtsschutzdeckung.
Die Klage der Rechtsanwältin auf Rechtsschutzdeckung wurde mangels ihrer Erfolgschancen
abgewiesen. Der OGH wies die Revision der Klägerin zurück.
OGH:
Die Bestreitung der Regressklage des Haftpflichtversicherers war nicht durch billige Gründe
gerechtfertigt und daher aussichtslos im Sinn der ARB. Das Begehren auf Erstattung der
Regresssumme ist nicht berechtigt.
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Verursacht ein Rechtsanwalt durch ein Verschulden seinem Klienten einen Schaden, so ist es
nicht nur aus der Sicht der Ehre und des Ansehens des Standes der Rechtsanwaltschaft, sondern
auch aus der Sicht der Rechtsschutz suchenden Bevölkerung geboten, für eine möglichst
umgehende Schadensgutmachung Sorge zu tragen. Ist ein Sachverhalt so weit geklärt, dass sich
daraus zweifelsfrei eine Haftung des Rechtsanwalts gegenüber seinem Klienten ergibt, wäre es
im Hinblick auf die besonderen Berufspflichten des Rechtsanwalts und auch aus der Sicht der
Rechtsschutz suchenden Bevölkerung unbillig, die Anerkennung der Haftung zu verweigern.
Eine solche Weigerung könnte ein Disziplinarvergehen sein. Lehnt der Haftpflichtversicherer
eines Rechtsanwalts trotz dessen zweifelsfreier Haftung für einen seinem Klienten zugefügten
Schaden die Befriedigung des Schadenersatzanspruchs mit einer offensichtlich unrichtigen
Begründung ab, so ist die Verweigerung der Befriedigung dieses Anspruchs durch den
Rechtsanwalt im Hinblick auf seine besonderen Berufspflichten als offenbare Unbilligkeit
anzusehen.
Hier war aber der Haftpflichtanspruch bereits aufgrund eines rechtskräftigen Gerichtsurteils
verneint und der Prozessgegner der Klägerin zum Prozesskostenersatz verurteilt worden, diese
hatte aber auf den nach § 67 VersVG dem Haftpflichtversicherer zustehenden Prozesskosten-
ersatzanspruch eigenmächtig verzichtet und der Haftpflichtversicherer hatte Regress wegen
dieses Verzichts angestrengt. Der Anspruch des Geschädigten bestand gerade nicht
offensichtlich zu Recht.
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IV. Bauherrn-Haftpflichtversicherung
7 Ob 195/17b
Thema: Schaden am Nachbargrundstück
AVB (Art 11 EHVB 2007): „Haus- und Grundbesitz
1. Der Versicherungsvertrag erstreckt sich nach Maßgabe des Deckungsumfanges der AHVB
auf Schadenersatzverpflichtungen …
1.2 aus der Durchführung von Abbruch-, Bau-, Reparatur- und Grabarbeiten an der
versicherten Liegenschaft, wenn die Gesamtkosten des Bauvorhabens unter Einrechnung
etwaiger Eigenleistungen EUR 100.000 nicht überschreiten … Für solche Bauvorhaben sind
Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Bauherr mitversichert …“
Die Klägerin ließ auf ihrer Liegenschaft ein Wohnhaus um einen vereinbarten Werklohn von
knapp 1 Mio EUR revitalisieren (Sanierung der allgemeinen Teile, Ausbau des Dachgeschoßes,
Einbau eines Lifts). Zu diesem Zweck wurde auf der Liegenschaft ein Kran aufgestellt, der in
der Nacht umstürzte und auf ein Gebäude des Nachbargrundstücks fiel und dieses schwer
beschädigte.
Die Deckungsklage gegen den Haftpflichtversicherer wurde abgewiesen. Der OGH wies die
Revision zurück.
OGH:
Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 364a ABGB ist eine gesetzliche
Haftpflichtbestimmung privatrechtlichen Inhalts im Sinne der Versicherungsbedingungen. §
364a ABGB wird auch analog herangezogen, um dem Nachbarn Ausgleich für Schäden durch
Bauführung zu bieten. Durch Art 11.1.2 EHVB wird der Versicherungsschutz für
Schadenersatzverpflichtungen aus den dort angeführten Tätigkeiten gesondert und
abschließend geregelt. Dies unabhängig davon, auf welche schadenersatzrechtliche Grundlage
der Geschädigte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer stützt. Aus der
insoweit völlig klaren Bedingungslage folgt daher, dass der Versicherungsschutz für
Schadenersatzverpflichtungen aus der Durchführung der dort genannten Baumaßnahmen
ausschließlich nach dieser Bestimmung zu beurteilen ist. Zu einem Bauvorhaben gehören alle
Maßnahmen, die notwendig sind, um das Bauziel zu erreichen, hier das Aufstellen eines Krans.
Sinn einer Beschränkung des Baukostenrisikos mit einem bestimmten Gesamtkostenbetrag ist
es, die mit Bauvorhaben größeren Umfangs verbundene Vielzahl nicht überschaubarer und für
den Versicherer kaum oder nur schwer kalkulierbarer Risiken vom Versicherungsschutz
auszuschließen. Es handelt sich dabei um einen Risikoausschluss. Die Gesamtkosten des
Umbaus überschreiten die festgelegte Summe bei weitem.
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7 Ob 174/18s
Thema: Haftung aus Nachbarrecht oder aus Vertrag?
Versichert war „im Rahmen der Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für
die Haftpflichtversicherung (AHVB/EHVB 1993) die gesetzliche Haftpflicht des
Versicherungsnehmers aus sämtlichen Aktivitäten, Eigenschaften und Rechtsverhältnisse der
versicherten Unternehmen im Zusammenhang mit dem Bauherrnrisiko“ bei der Errichtung
einer Bahntrasse.
Die Nutzung der Flächen der Grundeigentümerin durch die Bauherrin = VN erfolgte auf
vertraglicher Grundlage, nämlich auf Grund einer Zustimmungserklärung, mit der die
Grundeigentümerin mit der Projektdurchführung einverstanden war und der Klägerin für die
Dauer der Errichtung der Eisenbahnanlage auch einen Arbeitsstreifen zur Verfügung stellte.
Damit wurden auch eine Pauschalentschädigung, die unter anderem sämtliche Flurschäden
umfasste, und die Wiederherstellung des früheren Zustands sämtlicher Einbauten und Anlagen
(zB Drainagen, Wege etc) vereinbart. Bei den Bauarbeiten kam es wegen starker Niederschläge
zu einem Böschungsabbruch parallel zur Bahntrasse.
Die VN = Klägerin begehrte den Ersatz für die Entschädigung, die sie der Grundeigentümerin
für die Sanierung des Böschungsabbruchs geleistet hat. Zu diesem Ersatz sei die VN = Klägerin
wegen der nachbarrechtlichen Haftung nach § 364a ABGB verpflichtet gewesen.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Der OGH wies die Klage ab.
OGH:
Versichert war hier nur die gesetzliche, nicht aber eine vertragliche Haftpflicht der Klägerin.
Eine nachbarrechtliche Haftung kommt nur subsidiär, mangels anderer Rechttitel, in Betracht,
Besteht über die gegenseitigen Rechte und Pflichten unter Nachbarn eine vertragliche
Regelung, ist nur diese für die Ausübung und die Grenze der beiderseitigen Rechte und
Verbindlichkeiten maßgebend.
Eine analoge Anwendung der §§ 364–364b ABGB ist auch nicht auf Fälle vorzunehmen, in
denen die Einwirkung vom Grundstück des Beeinträchtigten selbst und auch ohne dessen
Belastung mit dinglichen Rechten ausgeht. Derlei Einwirkungen sind nämlich entweder
unrechtmäßig, so dass sich der Betroffene dagegen zur Wehr setzen kann, oder sie beruhen auf
seiner Gestattung. Ist letzteres der Fall, so sind die jeweils getroffenen Vereinbarungen und die
wegen deren Verletzung geltenden allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts dafür
maßgebend, ob und in welchem Ausmaß der Beeinträchtigte Ersatz begehren kann.
Die Nutzung der Flächen der Grundeigentümerin erfolgte auf vertraglicher Grundlage, nämlich
auf Basis der Zustimmungserklärung. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der
Grundeigentümerin ein Ersatzanspruch aufgrund des Böschungsbruchs zusteht, ist daher durch
Auslegung der die Klägerin treffenden vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten nach
Vertragsgrundsätzen zu beurteilen, was die (analoge) Anwendung der §§ 364 ff ABGB
ausschließt.
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V. KFZ-Haftpflichtversicherung
7 Ob 49/17g
Thema: Haltereigenschaft nach § 2 Abs 2 KHVG
Die beklagte GmbH borgte sich für einen Tag einen Tieflader zur Beförderung eines Baggers
aus. Es kam zu einem Unfall. Der Haftpflichtversicherer des Tiefladers leistete an den beim
Unfall Geschädigten Zahlungen und nimmt nun Regress gegen die ausleihende GmbH. Strittig
war, ob diese als Halter oder Mithalter mitversichert und daher nicht regresspflichtig ist.
Der Klage wurde stattgegeben. Der OGH wies die Revision der Beklagten zurück.
OGH:
Wer sein Fahrzeug kurzzeitig einem Dritten überlässt, bleibt weiterhin Halter, weil in dieser
Überlassung die Verfügungsgewalt zum Ausdruck kommt; nur bei längerfristiger
Gebrauchsüberlassung endet die Haltereigenschaft und geht auf den Benützer über. Das Drohen
einer allfälligen – im Hinblick auf einen begrenzten Deckungsumfang der
Betriebshaftpflichtversicherung der Beklagten – (individuellen) Deckungslücke kann zu
keinem anderen Ergebnis führen, zumal auch sonst ein Überschneiden der
Versicherungsbereiche oder Deckungslücken nicht jedenfalls verhindert werden müssen.
Überdies kann unter einer Person, die bei der „Verwendung“ eines Fahrzeugs tätig wird, nur
eine natürliche Person verstanden werden.
7 Ob 159/18k
Thema: Führerscheinklausel
Es geht hier um eine Unfallversicherung, der OGH nimmt aber generell zur Führerscheinklausel
Stellung.
Die AVB der Unfallversicherung des Klägers enthalten folgende Führerscheinklausel:
„Als Obliegenheit, deren Verletzung unsere Leistungsfreiheit gemäß den Voraussetzungen und
Bestimmungen des § 6 Abs 2 VersVG (Obliegenheitsverletzung) – siehe Anhang – bewirkt, wird
bestimmt, dass die versicherte Person als Lenker eines Kraftfahrzeugs die jeweils
kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses oder eines typengleichen
Kraftfahrzeugs erforderlich wäre, besitzt; dies gilt auch dann, wenn dieses Fahrzeug nicht auf
Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt wird.“
Der Kläger war als Baggerfahrer beschäftigt. Er arbeitete auf dem Steinbruchgelände seines
Arbeitgebers mit einem Muldenkipper. Der Arbeitgeber hatte ihm dafür eine betriebliche
Fahrbewilligung ausgestellt. Er hatte aber keinen C-Führerschein. Bei einem Unfall mit dem
Muldenkipper wurde der Kläger schwerst verletzt. Ob ein C-Führerschein für das Lenken des
im Unfallszeitpunkt vom Kläger benützen Muldenkipper erforderlich war, wurde von den
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Vorinstanzen nicht geklärt. Der Kläger begehrt von seinem Unfallversicherer umfangreiche
Zahlungen.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt (dem Grunde nach mit Zwischenurteil). Der OGH hob
die Urteile zur Ergänzung des Verfahrens auf, weil noch nicht feststeht, ob der Kläger
unverschuldet oder fahrlässig handelte und ob ein C-Führerschein erforderlich war.
OGH:
Gemäß § 6 Abs 2 VersVG kann sich der Versicherer bei der Verletzung einer Obliegenheit, die
der Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer
Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen hat, auf die vereinbarte
Leistungsfreiheit nicht berufen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Umfang der dem
Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (vorbeugende Obliegenheit).
Der Versicherer muss daher hier die objektive Verletzung der Obliegenheit durch den
Versicherungsnehmer (oder die Person, für die er haftet), der Versicherungsnehmer
mangelndes Verschulden sowie die mangelnde Kausalität beweisen.
Bei der Führerscheinklausel handelt es sich um eine Obliegenheit im Sinn des § 6 Abs 2
VersVG, sodass dem Versicherungsnehmer grundsätzlich der Nachweis offen steht, dass die
Verletzung der Obliegenheit weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls, noch auf die
Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers Einfluss gehabt hat Der
Gegenbeweis der fehlenden Kausalität ist strikt zu führen; an ihn sind hohe Anforderungen zu
stellen und strenge Maßstäbe anzulegen.
Das Vorliegen einer Lenkerberechtigung kann nicht durch den Nachweis tatsächlichen
Fahrkönnens ersetzt werden. Ebenso wenig ist der Nachweis zulässig, dass der Lenker vor dem
Versicherungsfall eine Fahrprüfung bestanden hätte. Für den Fahrer ohne Lenkerberechtigung
bleibt demnach nur ein eingeschränkter Kausalitätsgegenbeweis in der Richtung, dass der
Unfall durch keinerlei Fahrfehler, sondern etwa durch ein technisches Gebrechen oder das
ausschließliche Verschulden eines Dritten verursacht wurde. Unschädlich ist lediglich, wenn
der Formalisierung der Erteilung der Lenkerberechtigung aus besonderen Gründen keine
entscheidende Bedeutung zukommt, also etwa dann, wenn der Lenker die Lenkerprüfung
bereits bestanden hat, und der Führerschein lediglich aus verfahrenstechnischen Gründen noch
nicht ausgehändigt wurde, oder wenn bei ausländischen Führerscheinen im Zeitpunkt des
Versicherungsfalls sämtliche Voraussetzungen für eine „Umschreibung“ auf einen
inländischen Führerschein gegeben waren.
7 Ob 35/19a
Thema: Geisterfahrer
Der Sozialversicherer klagte den KFZ-Haftpflichtversicherer einer Lenkerin, die als
„Geisterfahrerin“ einen Unfall mit Verletzten, die Leistungen vom Sozialversicherer erhielten,
verschuldet hat. Nach den Feststellungen im Prozess steht fest, dass die Lenkerin den
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„Geisterfahrerunfall“ weder in Selbstmordabsicht verursachte noch einen Unfall mit
Verletzungsfolgen ernstlich für möglich hielt und billigend in Kauf nahm; vielmehr erkannte
sie nicht, dass sie auf der falschen Richtungsfahrbahn unterwegs war.
Der Klage wurde stattgegeben. Der OGH wies die Revision des beklagten
Haftpflichtversicherers zurück.
OGH:
Da die Versicherungsnehmerin nicht erkannt hatte, als Geisterfahrerin unterwegs zu sein, fehlt
jede tatsächliche Grundlage für die Annahme, dass sie den Versicherungsfall - auch nur bedingt
- vorsätzlich herbeigeführt hat. Daher liegt kein Fall des § 152 VersVG vor (§ 152 VersVG:
„Der Versicherer haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der
Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat“)
7 Ob 37/19w
Thema: Verwendung eines Teleskoparmstaplers als Arbeitsmaschine zur Kirschernte
Artikel 8.3. AKHB 2015: „Der Versicherungsschutz umfasst nicht … Ersatzansprüche aus der
Verwendung des versicherten Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen
Zwecken“
Der Kläger verwendete zur Kirschernte einen Teleskoparmstapler, an dessen Arm ein
Arbeitskorb montiert war und in dem sich Erntehelfer befanden. Für einen sicheren Stand waren
die Stützen des Staplers ausgefahren, sodass das Fahrzeug nicht mehr fortbewegt werden
konnte. Infolge Kippens stürzte der Arbeitskorb ab, dabei wurden die Erntehelfer verletzt.
Die Deckungsklage wurde abgewiesen. Der OGH wies die Revision des Klägers zurück.
OGH:
Ein Ausschluss der Verwendung eines Fahrzeugs als Arbeitsmaschine aus der Kfz-
Haftpflichtversicherung ist grundsätzlich zulässig, weil § 4 Abs 1 Z 4 KHVG einen solchen
Ausschluss ausdrücklich vorsieht.
Die Verwendung eines Kraftfahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle (Arbeitsmaschine) liegt
vor, wenn - wie hier - seine Fahrbarkeit durch Einrichtungen, etwa Auslegestützen, die seine
Fortbewegung blockieren, vorübergehend aufgehoben wird und es in einer artfremden, mit den
typischen Funktionen des Fahrzeugs in keinem Zusammenhang stehenden Weise eingesetzt
wird.