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„Ich lade gern mir Gäste ein…“* - von Schilgen · im Alter von sieben bis 19 Jahren. Neuer...

Date post: 22-May-2020
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80 | SOCIETY 3_10 N icht umsonst hat Johann Strauss Sohn in seiner wohl bekanntesten Operette, der 1874 uraufgeführten „Fleder- maus“, die Figur des Prinzen Orlofsky als „Hosenrolle“ für einen Mezzosopran ange- legt, denn viele bedeutende Gastgeber der Geschichte waren Frauen. So konnte die Schriftstellerin und Journalistin Berta Zu- ckerkandl-Szeps (1864-1945), die Ende des 19. Jahrhunderts bis 1938 in Wien einen li- terarischen Zirkel führte, mit Recht von sich behaupten: „In meinem Salon ist Österreich.“ Da verkehrten Gustav Klimt und Gustav Mahler, der hier seine Alma kennen lernte, oder Max Reinhardt, der hier das erste Mal den „Jedermann“ las, Ar- thur Schnitzler, Johann Strauss jun. und viele, viele mehr. *** „…man lebt bei mir recht fein…“ Aber auch in Salzburg wahrt man die Tradition der gepflegten Einladungen. Ma- rianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn war 36 Jahre lang während der Festspiel- zeit im Sommer die wichtigste Protagoni- stin auf dem gesellschaftlichen Parkett. Manni, wie ihre Freunde sie liebevoll nen- nen, wird 1919 als erstes von neun Kindern von Friedrich Baron Mayr-Melnhof und sei- ner Frau Maria Anna Gräfin von Meran, ei- ner Urenkelin der Kaiserin Maria Theresia, in Salzburg geboren. Als Zehnjährige begei- stern sie die Fotos der Indienreise ihrer LIFE UND STYLE SALZBURG Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn war 36 Jahre lang die wichtigste Protagonis- tin auf dem Gesellschaftsparkett Salzburgs. Kürzlich lud die Fürstin anlässlich der Präsentation ihres Fotobandes „Mannifeste“ zum letzten Mal ein. Journalisten und Foto- grafen aus aller Welt kamen angereist. Von EVA VON SCHILGEN Legendäre Salzburger Einladungen „Ich lade gern mir Gäste ein…“* Gunter Sachs, Manni Fürstin Sayn-Wittgenstein-Sayn, Thomas Gottschalk, Helga Rabl-Stadler, Ben Becker * ARIE DES PRINZEN ORLOFSKY AUS DER OPERETTE „DIE FLEDERMAUS“ VON JOHANN STRAUSS SOHN
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Page 1: „Ich lade gern mir Gäste ein…“* - von Schilgen · im Alter von sieben bis 19 Jahren. Neuer Le-bensmittelpunkt wird jetzt das von ihrem Mann und ihr gebaute kleine Haus in Fuschl

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Nicht umsonst hat Johann Strauss Sohnin seiner wohl bekanntesten Operette,der 1874 uraufgeführten „Fleder-

maus“, die Figur des Prinzen Orlofsky als„Hosenrolle“ für einen Mezzosopran ange-legt, denn viele bedeutende Gastgeber derGeschichte waren Frauen. So konnte dieSchriftstellerin und Journalistin Berta Zu-ckerkandl-Szeps (1864-1945), die Ende des19. Jahrhunderts bis 1938 in Wien einen li-terarischen Zirkel führte, mit Recht von

sich behaupten: „In meinem Salon istÖsterreich.“ Da verkehrten Gustav Klimtund Gustav Mahler, der hier seine Almakennen lernte, oder Max Reinhardt, derhier das erste Mal den „Jedermann“ las, Ar-thur Schnitzler, Johann Strauss jun. undviele, viele mehr.

***„…man lebt bei mir recht fein…“

Aber auch in Salzburg wahrt man dieTradition der gepflegten Einladungen. Ma-

rianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Saynwar 36 Jahre lang während der Festspiel-zeit im Sommer die wichtigste Protagoni-stin auf dem gesellschaftlichen Parkett.Manni, wie ihre Freunde sie liebevoll nen-nen, wird 1919 als erstes von neun Kindernvon Friedrich Baron Mayr-Melnhof und sei-ner Frau Maria Anna Gräfin von Meran, ei-ner Urenkelin der Kaiserin Maria Theresia,in Salzburg geboren. Als Zehnjährige begei-stern sie die Fotos der Indienreise ihrer

LIFE UND STYLESALZBURG

Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn war 36 Jahre lang die wichtigste Protagonis-tin auf dem Gesellschaftsparkett Salzburgs. Kürzlich lud die Fürstin anlässlich der Präsentation ihres Fotobandes „Mannifeste“ zum letzten Mal ein. Journalisten und Foto-grafen aus aller Welt kamen angereist. Von EVA VON SCHILGEN

Legendäre Salzburger Einladungen

„Ich lade gern mir Gäste ein…“*

Gunter Sachs, Manni FürstinSayn-Wittgenstein-Sayn,Thomas Gottschalk, HelgaRabl-Stadler, Ben Becker

* ARIE DES PRINZEN ORLOFSKY AUS DER OPERETTE „DIE FLEDERMAUS“ VON JOHANN STRAUSS SOHN

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Tante Marie, einer geborenen PrinzessinHohenlohe, derart, dass die Eltern ihr ei-nen Fotoapparat schenken. Nach dem Ab-itur studiert die junge Baronesse an derMünchner Blocherer Kunstakademie. Dortlernt sie Ludwig Prinz zu Sayn-Wittgen-stein kennen, der auf Heimaturlaub vonder Front kommt. Schon nach wenigenTagen verlobt man sich, Anfang 1942 fin-det die Hochzeit in Salzburg statt. Die ers-ten Ehejahre verbringt die Prinzessin aufSchloss Sayn, dort werden auch die zwei er-sten Kinder geboren. Bei Kriegsende zerstö-ren die Deutschen auf dem Rückzug Teileder Schlossanlage. 1946 kehrt ihr Mannaus englischer Gefangenschaft zurück.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse sindalles andere als glücklich. Das junge Ehe-paar gründet eine Handelsgärtnerei undverdient so den Unterhalt für sich und dieindessen auf vier angewachsene Kinder-schar. Trotzdem führt die Prinzessin eingastfreundliches Haus. Der sportlichePrinz Ludwig begeistert seine Familie fürden Motorsport und Prinzessin Mariannehält die zahlreichen Besuche auf den Renn-strecken im In- und Ausland mit der Kame-ra fest. Als 1958 der Onkel ihres Mannes,Fürst Stanislaus, kinderlos stirbt, wirdPrinz Ludwig Chef des Hauses und über-nimmt Schloss Sayn. Nur fünf Jahre späterwird er durch einen betrunkenen Lastwa-genfahrer bei einem Verkehrsunfall getö-tet. Die Fürstin ist 42 Jahre alt, die Kinderim Alter von sieben bis 19 Jahren. Neuer Le-bensmittelpunkt wird jetzt das von ihremMann und ihr gebaute kleine Haus inFuschl bei Salzburg. Eine ihrer bestenFreundinnen, die Schauspielerin Lilli Pal-mer, rät ihr, ihr Hobby, die Fotografie,zum Beruf zu machen und so arbeitet die

Fürstin ab 1970 als Fotografin für einigeZeitschriften unter anderen für die„Bunte“..

***„…so pack ich ihn ganz ungeniert…“Im Palace Hotel im schweizerischen St.

Moritz trifft sie den deutschen Playboyund Millionenerben Gunter Sachs und sei-ne Frau Mirja – es ist der Anfang einer le-benslangen Freundschaft. Als die beiden

sie in Fuschl besuchen, sind sie von derherzlichen und ungezwungenen Art ihrerGastgeberin fasziniert, die ihre respekta-blen Gäste auch manchmal resolut in dieKüche an den Herd holt. Die Idee der fünfMal stattfindenden sonntäglichen Som-merfestspiel-Mittagsessen entsteht. Alles,was in Salzburg Rang und Namen hat,reißt sich um die fürstlichen Einladungen.Aber auch neue Freunde, welche die Für-stin auf ihren zahlreichen Auslandsreisennach London, Paris oder New York trifft,geben sich in Fuschl ein Stelldichein. Undso wächst die Schar der sonntäglichenGäste im Laufe der Jahrzehnte auf hundertund mehr.

***„…man unterhält sich, wie man mag…“

Vieles trug zum Charme der Einladun-gen bei: Da war die humorvolle, weltge-wandte und fürsorgliche Gastgeberin, dieaus einfachen Zutaten Köstliches zaubernlässt. Legendär ist ihr Hirschgulasch mitNockerln oder der selbstgemachte Holler-saft. Da ließ die ländliche Idylle auf derWiese vor dem hölzernen Stadl, das gemüt-lich-elegante Ambiente und der stilvolleRahmen es zu, sich zwanglos zu unterhal-ten. Da trafen Menschen unterschiedlichs-ter Herkunft und Interessen aufeinanderund entdeckten einander. Schauspieler,Sänger und Komödianten wurden nebenWirtschaftsbosse platziert, Aristokratenneben Graffiti-Künstler und Modeschöpferneben Politiker. Viele dieser Gäste sind indem 2010 erschienen Buch, an dem dieFürstin und ihr Sohn Fürst Peter mitgear-beitet haben, mit ganz persönlichen Fotosvertreten. Das Archiv der fürstlichen Foto-grafin ist in dessen auf mehr als 250.000Bilder angewachsen und ein fotografisches

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Gunther Sachs, Fürstin Manni,Helga Rabl-Stadler, ThomasGottschalk, Thaddaeus Ropac

KulturministerinClaudia Schmied,

Fürstin Manni, LH Stv.Wilfried Haslauer

Prinz Sadruddin Aga Khan, Ben Becker, Arndt von Bohlen

und Halbach, Leonard Bernstein, Aenne Burda, Sean Con-

nery, Rosemarie Fendel, Henry Ford II., Prinzessin Ira Für-

stenberg, Hans-Dieter Genscher, Thomas und Thea Gott-

schalk, Elisabeth Gürtler, Alfonso Prinz Hohenlohe, Curd

Jürgens, Alice & Ellen Kessler, Ronald Lauder, Erbprinz Hans

Adam von Lichtenstein, Prinz und Prinzessin Michael von

Kent, Julia Migenes, Rudolf Mooshammer, Stavros Niarchos,

Lilli Palmer, Eric de Rothschild, Gunter und Mirja Sachs, Ma-

ria-Pia Prinzessin Savoyen, Walter Scheel, Maximilian

Schell, Arnold Schwarzenegger, Steve Martin, Georg Tabo-

ri, Margaret Thatcher, Kurt Waldheim, Georg Weidenfeld,

Michael York und viele, viele mehr.

AUSZUG AUS DER GÄSTELISTE

Fürstin Manni beim Signieren

Page 3: „Ich lade gern mir Gäste ein…“* - von Schilgen · im Alter von sieben bis 19 Jahren. Neuer Le-bensmittelpunkt wird jetzt das von ihrem Mann und ihr gebaute kleine Haus in Fuschl

Eldorado der internationalen High-Societydes 20. Jahrhunderts. Zahlreiche Ausstel-lungen u. a. in Berlin, Frankfurt, Mün-chen, New York, Salzburg und Wien doku-mentieren ihre fotografischen Erfolge.Dass auch die Republik Österreich mit derFürstin keine Berührungsängste hat, be-weisen die vielen ihr verliehenen Auszeich-nungen. Erst kürzlich erhielt die Fotogra-fin und Kulturvermittlerin das GroßeEhrenzeichen für Verdienste um die Repu-blik Österreich von Kulturministerin Clau-dia Schmied überreicht.

***„…und fragen Sie, ich bitte, warum ich

das denn tu‘?...“Als im letzten Jahr die Fürstin das Ende

ihrer sommerlichen Mittagsessen bekanntgab und dies mit ihrem Alter von neunzigJahren begründete, konnten es ihre mehr

als 500 Freunde kaum fassen. Ihre letzteEinladung gab sie diesen Sommer anläss-lich der Vorstellung des letzten Fotobandes„Mannifeste“ für die Journalisten und Foto-grafen, die sie ein halbes Leben lang beglei-teten. Auch ein Teil ihrer engsten Freundewaren erschienen, Gunter und MirjaSachs, Thomas Gottschalk, die Festspielprä-sidentin Helga Rabl-Stadler, der GaleristThaddaeus Ropac und der SchauspielerBen Becker. Mehr als sechzig Reporter ka-men, alle wichtigen deutschen Fernsehan-stalten waren vertreten Dieser Medien-Hy-pe verleitete die Fürstin zu dem Ausspruch:„Fast bereue ich meinen Abschied. Aber ichdenke schon wieder an kleine Gesellschaf-ten, vielleicht nur mit acht Gästen oderzwölf oder auch…?“ Sie wird es wohl nichtlassen können/dürfen! Denn „…S’IST MALBEI IHR SO SITTE! CHACUN À SON GOUT!“

LIFE UND STYLESALZBURG

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„Private Gartenkunst in Deutschland“, Busse + Seewald

1986, ISBN 3512007554, zusammen mit Ursula Gräfin zu

Dohna, Philipp Graf Schönborn

„MAMARAZZA – Gesellschaftsfotografie von 1950-2000“,

Steidl Göttingen 1999, ISBN 3882436417

„SAYNERZEIT“, Kulturverlag Polzer 2005, ISBN 3950138811

„SAYN-WITTGENSTEIN COLLECTION, Photographs by Prin-

cess Marianne Sayn-Wittgenstein-Sayn“, 5-sprachig, Vor-

worte von Gunter Sachs, Sir Sean Connery und Dr. Beate

Reifenscheid (Ludwig Museum Koblenz), teNeues Buchver-

lag, 2006, 256 Seiten, ISBN 3832791280

„MANNIFESTE,

Fuschler Mittages-

sen 1974 bis 2009“,

Vorworte von Gun-

ter Sachs, Helga

Rabl-Stadler, Thad-

daeus Ropac, 2010

Kunstverlag Polzer

GmbH ISBN: 978-3-

902658-23-4

FOTOWERKE

Arnold und Maria Schwarze-negger

Mit Premierministerin Mar-garet Thatcher

Steve Martin mit seinen Kin-dern

Die Fürstin mit Gunter undMirja Sachs

Manni Fürstin Sayn-Wittgenstein-Sayn im„Stadl“


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