Date post: | 28-Aug-2019 |
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Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des
Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln
www.uni-koeln.de/med-fak/kjp
ADHS und Straffälligkeit junger
Menschen
PD Dr. med. Kathrin Sevecke
GAP
1902:
George Still
beschreibt ADHS
Symptome
1955:
Markteinführung
Methylphenidat
1960:
minimale cerebrale
Dysfunktion (MCD)
1980:
DSM III - ADHS
mit oder ohne
Hyperaktivität
1847:
Heinrich Hoffmann
beschreibt Symptome in
„Der Struwwelpeter“
GAPADHS: Geschichtliche Entwicklung
F 90.0 EinfacheAufmerksamkeits-und Hyperaktivitäts-störung
F 90.1 Hyper-kinetische Störungdes Sozialverhaltens
Störung des Sozialverhaltens
Aufmerk-samkeits-störung
Hyper-aktivität
Impul-sivität
situationsübergreifend
+
+ +
Diagnosekriterien nach ICD-10GAP
ca. 3-6 % der Kinder im schulpflichtigen Alter
• Jungen: ca. 9%• Mädchen: ca. 3%
ADHS Subtypen
• Mischtypus (50–75%)
• vorwiegend unaufmerksamer Typus (20-30%)
• vorwiegend hyperaktiver/impulsiver Typus (<15%)
Jungen-Mädchen-Relation: 2:1 bis 10:1
Pärvalenz -1-GAP
• Persistenz der charakteristischen Symptome im
Erwachsenenalter
• ca. 60% weisen auch im Erwachsenenalter weiterhin
Einschränkungen auf
• Prävalenzrate bei Erwachsenen von 2-4%
• Männer-Frauen-Relation: 2:1 bis 4:1
• Ähnliche Prävalenzen in verschiedenen Kulturen
Weiss & Weiss, J Clin Psychiatriy 2004; 65 (Suppl.3):27-37
Pärvalenz -2-GAP
… ist nicht wie Masern oder Mumps
(kategorial)
… sondern wie Bluthochdruck oder
Übergewicht (dimensional)
Man kann mehr oder weniger davon haben!
Die Grenzen sind fließend
GAPADHS
GAP
Autor N Population/Land Prävalenz ADHS
(%)
Hollander & Turner (1985) 185 Inhaftierte/USA 19
Milin et al. (1991) 111 Inhaftierte/CAN 19
Haapasalo & Hamalainen
(1996)
89 Inhaftierte/SF 50
Timmons-Mitchell et al.
(1997)
50 Inhaftierte/USA 72
Ulzen & Hamilton (1998) 49 Inhaftierte/CAN 27
Doreleijers et al. (2000) 108 Begutachtungsfälle/NL 14
Pliszka et al. (2000) 50 Inhaftierte/USA 18
Vermeiren et al. (2000) 72 Begutachtungsfälle/B 19
Rösler et al. (2004) 129 Inhaftierte/D 22
Prävalenz von ADHS in forensischen
Populationen
ADHS-Prävalenz: GAP-Studie
Mädchen / Jungen
JVA
ADHS jetzt 40% / 24%
p = .02
Subskala: Hyperaktivität jetzt 57% / 40%
p= .02
Subskala: Impulsivität jetzt 36% / 23%
p = .05
ADHS früher 51% / 34%
p = .01
GAP
Personality Disorders: GAP-Study
Antisocial PD 85%*** 48%
Borderline PD 8% 26%**
Paranoid PD 7%* -
Narcissistic PD 13%* 3%
1 PD 71%*** 37%
GAP
Boys Girls
ADHS
alleinOppositionelles
Trotzverhalten
40%
Angststörungen
affektive Störungen
38%
Störungen des
Sozialverhaltens
14%
Tic-
Störung 11%
ADHS
31%
GAPADHS und Komorbiditäten
GAP Die häufigsten komorbiden Leiden bei Personen
mit ADHS in verschiedenen Lebensaltern
Kindesalter Prävalenz
(%)
Erwachsenenalter Prävalenz
(%)
Störungen des
Sozialverhaltens
50 Antisoziale
Persönlichkeitsstörungen
25
Lernstörungen 50 Emotional instabile
Persönlichkeitsstörung
20
Angststörungen 25 Drogenmissbrauch,
Alkoholismus
60
Affektive Störungen 35 Affektive Störungen 35
Tic, Tourette Syndrom 5 Angststörungen 25
Neurologische
Entwicklungsstörungen
20
GAP Einfluss psychischer Störungen auf die
Entwicklung von Delinquenz
Aggression
Delinquenz
Umschrieb.
Entw.störungSchulversagen
Intelligenz-
minderung
neuropsychol.
Auffälligkeiten
Stör. d. Sozial-
verhaltens ADHS
Alkohol-/
Drogenabh.
Depressive
Störungen
Angststörungen
Persönlichk.-
störungenSchizophrenie
• Probleme in Schule/ Beruf
– 42% Klasse mind. einmal wiederholt (USA)
– 5 Fehltage/Jahr mehr als der Durchschnitt bei Arbeitnehmern
(USA)
• Familiäre Probleme
– Vermehrte Erziehungsprobleme der Eltern von ADHS-Kindern
– Mütter häufiger depressiv, Partnerschaftsprobleme
• Soziale Probleme
– Mangelnde soziale Fähigkeiten / soziale Isolation
– Schwieriges Verhältnis zu Geschwistern und Kameraden
⇒ Vermindertes Selbstwertgefühl
ADHS berührt zahlreiche Lebensbereiche:GAP
*
Barkley, J Clin Psychiatry 2002; 63
Schul-verweis
Mindestens1 x Schuljahr
wiederholt
Mindestens1 x vom Unterricht ausgeschlossen
kein High-School
Abschluss erreicht
Milwaukee Young Adult Outcome Study
0
10
20
30
40
50
60
70
% d
er
Sc
hü
ler/
Stu
de
nte
n m
it A
DH
S
GAP Schulleistungsprobleme nicht behandelter
ADHS-Patienten
ADHS
Neuroanatomisch/
neurochemisch
Hirnorganische
SchädigungenUmweltfaktoren
Genetische
Ursachen
GAPADHS: Heterogene Ätiologie
Ätiologische Faktoren
Genetik/
Erblichkeit
Persönlichkeits
-störungen
Motorische Unruhe
Aufmerksamkeit
Impulsivität
Biologische
Einflussfaktoren
(prä & perinatal)
Umwelteinflüsse (Risiko- & Schutzfaktoren)
Alter Kindheit Jugendalter
GAP
• Bis heute kein eindeutiges neuronales
pathophysiologisches Korrelat der ADHS bekannt
• Strukturelle Veränderungen in fronto-striatalen
Regionen dokumentiert
• Dysregulation der inhibitorischen Aktivität im frontalen
Kortex (vorwiegend noradrenerg) und in striatalen
Regionen (vorwiegend dopaminerg).
GAPPathophysiologie
GAPMorphologische Auffälligkeiten
• Gehirn kleiner (~4%): Frontallappen rechts (~8%)
• Basalganglien kleiner (~6%)
• Cerebellum kleiner (~12%); vor allem Posterior-inferiorer
Vermis (~5%)
• Fehlende Asymmetrie
*
• ADHS genetisch heterogene Erkrankung
• ADHS und SSV besitzen eine gemeinsame genetische
Basis (Thapar et al. 2001)
Unterschiedliche Ausprägungsvarianten der gleichen
Grundstörung ??
GAPGenetische Aspekte
GAPNeuropsychologische Modelle
Kognitiv
- Exekutive Funktionen (Pennington & Ozonoff)
- Inhibitionskontrolle (Barkley)
- Arbeitsgedächtnis (Denney & Rapport)
Motivational
- Abneigung geg. Belohnungsaufschub (Sonuga-Barke)
- Dauer der Verstärkerwirksamkeit (Sagvolden)
• motorisch hyperaktiv
• aggressiv
• schnell frustriert
• impulsiv
• leicht ablenkbar
• unaufmerksam
• verschiebt und verlagert Aufgaben
• leicht gelangweilt
• ungeduldig
• rastlos
Erwachsene
Kinder
Veränderung der ADHS-Symptomatik mit
der Altersentwicklung
GAP
GAPVerlauf - Erwachsenenalter
• Persistenz frühes Erwachsenenalter
• Ausgeprägte Kernsymptomatik (ca. 30%)
• Funktionelle Beeinträchtigung durch einzelne Kernsymptome (50-
70%)
• Häufig funktionelle Beeinträchtigung von
• Schulischer und beruflicher Entwicklung
• Sozialen Beziehungen zu Familie und Gleichaltrigen
• Selbstwert und Persönlichkeitsentwicklung
• Delinquenz & Dissoziale Persönlichkeitsstörung (15-30%)
• Unfallrisiko & Substanzabusus
• Späteres SA-Risiko durch Stimulantientherapie normalisiert
ADHS
Frühe Kindheit Kindheit Jugendalter Erwachsenenalter
Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten
Störung des Sozialverhaltens
Antisoziale PS
GAPExternalisierende Störungen im Lebenslauf
GAP
Hyperaktiv-impulsive Symptomatik
Risiko für Sozialisationsstörungen im Kindesalter
Delinquente Entwicklung
Komorbidität von ADHS und PS
- Prävalenzen - differieren stark
- ADHS und BPS: 25 - 37% (Anckarsäter 2006)
- ADHS und ASPS: 30 – 50%
- Symptomatik ähnlich (Davids & Gastpar, 2005)
- pathophysiologische und neurokognitive Überlappungen
- Inhibitionsdefizit, Hypersensitivität (Herpertz 2001)
GAP
JVA: Antisoziale PS
37%
63%
Früher hyperaktiv
Früher nicht hyperaktiv
GAP
GAPConclusion
• CD and ADHD were both associated with psychopathy
• but influence of CD much stronger than ADHD
• greater independent effect of ADHD in girls (total score, F3,
F4)
• Small independent effect of ADHD for boys (only for F4)
• negative interaction of ADHDxCD only in females
Sex-specific pathways to elevations in
psychopathic traits
GAP
Anzahl ADHS/
Kontrollgruppe
Follow-
up
Ergebnis ADHS/ Kontrollgruppe
Manuzza et
al. (1989)
103/100 (Ø Alter
18 Jahre)
• Festnahme wegen irgendeines
Deliktes: 39 vs. 20%
• Eines schweren Deliktes: 25 vs. 7%
• Verurteilung: 28 vs. 11%
Weiss et al.
(1985)
61/41 (Ø Alter 25
Jahre)
15 Jahre • Vor Gericht: 18 vs. 5%
Barkley et al.
(2004)
147/47 (Ø Alter
21 Jahre)
„Lifetime“ • Festnahme wegen eines schweren
Deliktes: 27 vs. 11%
Satterfield et
al. (2007)
179/75 (Ø Alter
38 Jahre)
30 Jahre • Festnahme wegen irgendeines
Deliktes: 44 vs. 15%
• Eines schweren Deliktes: 39 vs. 13%
• Gefängnisstrafe: 26 vs. 8%
*
GAP§§ 20 / 21
• UK: Körperverletzung, Diebstähle, Vandalismus
•Berufung zurückgewiesen, da ADHS die Steuerungsfähigkeit nicht
mindert (10 Monate Haft, 1999)
• USA, Colorado: Mord
• Verteidigung plädierte auf Schuldunfähigkeit bei MCD. Gericht erkannt
an. Keine Verurteilung (1992)
•USA, Illinois: Mord
• ADHD plus Alkohol, Cannabis, narzisstische PS. Verurteilung (1994)
• USA: 13-Jähriger wegen Kokain-Handelns zu längerer Haftstrafe verurteilt.
• Argumentation: Wegen ADHD bestehe größere Gefährlichkeit und
damit schlechtere Prognose.
• Deutschland:
• Aktuell keinem der vier juristischen Eingangskriterien zugeordnet
*
GAPConclusio: ADHS
• Risikofaktor für soziale Entwicklung & komorbiden Störungen
• Risiko für psychosoziale Fehlentwicklung mit delinquentem
Verhalten durch erhöhte Raten von Komorbiditäten,
insbesondere SSV und ASPS
• Prävalenz:
• Kinder: 3-6%
• Erwachsene: 2-4%
• Forensik: 14-72%
*
• Wirksame Therapien bei ADHS
– Verhaltenstherapie
– Pharmakotherapie
– Pädagogische Therapieansätze
– Psychosoziale Therapie
• Empirisch nicht belegt:
– Diäten und Nahrungsergänzungsmittel
– Ergotherapie, Krankengymnastik u.ä.
DGKJPP u.a. (Hrsg.): Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-,
Kindes- und Jugendalter, 2003
GAPTherapiekonzepte