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„Der f/Fliegende Robert“ - LehrplanPLUS · wenn zwei Gedichte in der Aufgabe nebeneinander...

Date post: 25-Oct-2019
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Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS Gymnasium, Deutsch, Jahrgangsstufen 11/12 Seite 1 von 14 „Der f/Fliegende Robert“ (Aufgabe zur Illustration von Strategien für das Verständnis literarischer Texte durch Kontextualisierung) Stand: 31.07.17 Jahrgangsstufen 11/12 Fach/Fächer Deutsch Übergreifende Bildungs- und Erziehungsziele Sprachliche Bildung, Kulturelle Bildung, Interkulturelle Bildung, Medienbildung / Digitale Bildung, Werteerziehung, Soziales Lernen Zeitrahmen 2 Doppelstunden Benötigtes Material Texte: Heinrich Hoffmann, Die Geschichte vom fliegenden Robert (1847) / Hans Magnus Enzensberger, Der Fliegende Robert (1980) Kurzbeschreibung Literaturunterricht ist im LehrplanPLUS wie bisher auch nach literaturgeschichtlichen Epochen gegliedert. Es geht dabei aber weniger um die Auseinandersetzung mit vorgegebenen Werken oder um ein Abarbeiten von Epochenmerkmalen, sondern grundsätzlich um ein vertieftes Verstehen von literarischen Werken, das auf möglichst alle Texte, auch unbekannte, angewandt werden kann. Bis zum Eintritt in die Qualifikationsphase haben die Schülerinnen und Schüler dafür Kategorien und Gestaltungsmittel erarbeitet (im Lehrplan werden u. a. genannt: Thema/Konflikt, Erzählperspektive, Erzähl-/Sprechhaltung, Gesprächsverhalten, Figuren- gestaltung, Handlungsstruktur, Raum- und Zeitgestaltung, sprachlich-stilistische und formale Gestaltung) und im Rahmen der drei Gattungen betrachtet. Diese Kategorien sind wichtig für die Textbeschreibung. Die Textdeutung, die über Struktur und Inhalt der literarischen Werke hinausgeht, soll durch Kontextualisierungen gestützt werden. Schülerinnen und Schüler untersuchen bereits in der 9. Jgst. z. B. geschichtliche und biografische Informationen, um Texte aus dem Zeitalter des Barock besser zu verstehen. Ab der 10. Jgst. sollen die Lernenden in die Lage versetzt werden, dass sie Texte als (bewusste oder unbewusste) Antworten/Reak- tionen auf andere Texte verstehen und so das Konzept der Intertextualität nachvollziehen. Enzensbergers Auseinandersetzung mit der bekannten Geschichte vom „Fliegenden Robert“ fordert und fördert diese intertextuelle Analysestrategie und ist gleichzeitig eine gute Gelegen- heit, Heranwachsenden die Interdependenz von Deutungsansätzen nahezubringen.
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Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS

Gymnasium, Deutsch, Jahrgangsstufen 11/12

Seite 1 von 14

„Der f/Fliegende Robert“

(Aufgabe zur Illustration von Strategien für das Verständnis

literarischer Texte durch Kontextualisierung)

Stand: 31.07.17

Jahrgangsstufen 11/12

Fach/Fächer Deutsch

Übergreifende

Bildungs- und

Erziehungsziele

Sprachliche Bildung, Kulturelle Bildung, Interkulturelle Bildung,

Medienbildung / Digitale Bildung, Werteerziehung, Soziales Lernen

Zeitrahmen 2 Doppelstunden

Benötigtes Material Texte: Heinrich Hoffmann, Die Geschichte vom fliegenden Robert

(1847) / Hans Magnus Enzensberger, Der Fliegende Robert (1980)

Kurzbeschreibung

Literaturunterricht ist im LehrplanPLUS wie bisher auch nach literaturgeschichtlichen Epochen

gegliedert. Es geht dabei aber weniger um die Auseinandersetzung mit vorgegebenen Werken

oder um ein Abarbeiten von Epochenmerkmalen, sondern grundsätzlich um ein vertieftes

Verstehen von literarischen Werken, das auf möglichst alle Texte, auch unbekannte, angewandt

werden kann. Bis zum Eintritt in die Qualifikationsphase haben die Schülerinnen und Schüler

dafür Kategorien und Gestaltungsmittel erarbeitet (im Lehrplan werden u. a. genannt:

Thema/Konflikt, Erzählperspektive, Erzähl-/Sprechhaltung, Gesprächsverhalten, Figuren-

gestaltung, Handlungsstruktur, Raum- und Zeitgestaltung, sprachlich-stilistische und formale

Gestaltung) und im Rahmen der drei Gattungen betrachtet. Diese Kategorien sind wichtig für

die Textbeschreibung. Die Textdeutung, die über Struktur und Inhalt der literarischen Werke

hinausgeht, soll durch Kontextualisierungen gestützt werden. Schülerinnen und Schüler

untersuchen bereits in der 9. Jgst. z. B. geschichtliche und biografische Informationen, um

Texte aus dem Zeitalter des Barock besser zu verstehen. Ab der 10. Jgst. sollen die Lernenden

in die Lage versetzt werden, dass sie Texte als (bewusste oder unbewusste) Antworten/Reak-

tionen auf andere Texte verstehen und so das Konzept der Intertextualität nachvollziehen.

Enzensbergers Auseinandersetzung mit der bekannten Geschichte vom „Fliegenden Robert“

fordert und fördert diese intertextuelle Analysestrategie und ist gleichzeitig eine gute Gelegen-

heit, Heranwachsenden die Interdependenz von Deutungsansätzen nahezubringen.

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Kontextualisierungen werden zudem durch die mögliche Beschäftigung mit dem Thema

Erziehung im 19. Jahrhundert (im Vergleich zu heute) angeboten. In der vorliegenden Aufgabe

geht es konkret um die Frage, was ein Autor der Gegenwart mit einer Textvorlage aus dem 19.

Jahrhundert macht und welche Gründe es für seinen spezifischen Umgang damit gibt. Auch

wenn zwei Gedichte in der Aufgabe nebeneinander stehen, soll kein Gedichtvergleich im

klassischen Sinn durchgeführt werden. Es geht viel eher um die grundsätzliche Frage, ob und

wie die Kenntnis eines Textes sich auf das Verstehen eines anderen Textes auswirkt.

Die Aufgabe kann an sehr unterschiedlichen Stellen des Jahresplans eingebaut werden

(Auseinandersetzung mit Lyrik; Verstehensprozesse; Literatur nach 1945). Denkbar wäre auch

die Integration der Aufgabe in thematische Unterrichtssequenzen wie z. B. die Lektüre von „Effi

Briest“ (Jgst. 11) (schwarze Pädagogik; scheiternde Selbstverwirklichung). In Jahrgangsstufe

12 kann die Aufgabe konkret auch zur Abiturvorbereitung genutzt werden, denn die sogenannte

b-Aufgabe beim Interpretieren literarischer Texte fordert ja notwendig die Fähigkeit, inter-

textuelle Bezüge herzustellen.

Die Teilaufgaben sind in jedem Fall auch Trainingsaufgaben für die Bearbeitung lyrischer Texte.

Insofern sind sie von einer Leistungsaufgabe zu unterscheiden, die von den Schülerinnen und

Schülern eine selbständige Erschließung und Interpretation der Texte verlangen muss und –

anders als in der vorliegenden Lernaufgabe – einen geschlossenen Aufsatz verlangt.

Die illustrierende Aufgabe gliedert sich in zwei Lernbereiche: Zunächst werden ausgewählte

Analyseinstrumente eingesetzt, die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen sollen,

das Gedicht von Enzensberger als Antwort auf die Vorlage aus dem 19. Jahrhundert zu

begreifen. Das Konzept der Intertextualität wird in der zweiten Teilaufgabe erarbeitet. Eine

Überprüfung des Kompetenzzuwachses kann erfolgen, wenn die Schülerinnen und Schüler

z. B. frühere Abituraufgaben bearbeiten, die intertextuelle Vergleiche fordern. (Bsp.

Abiturprüfung 2012, Aufgabe 1: a) Erschließen und interpretieren Sie das Gedicht Am Walde

(Text A) von Eduard Mörike! b) Untersuchen Sie, inwieweit sich die Verbundenheit des

modernen Dichters Hermann Lenz mit Eduard Mörike in den vorliegenden Texten B und C

niederschlägt!)

Kompetenzerwartungen

Die Schülerinnen und Schüler

• D 11/12 2.1 verfügen über ein Repertoire an Texten und Themen und ermitteln auf dieser

Basis beim Lesen diachrone und synchrone Zusammenhänge zwischen Texten.

• D 11/12 2.1 entwickeln und überprüfen im Leseprozess Verstehensentwürfe und Deutungs-

hypothesen zu anspruchsvollen literarischen und pragmatischen Texten, reflektieren

Mehrdeutigkeit und überwinden Verständnisprobleme u. a. durch das Heranziehen von

Kontextwissen (zu Form, Gattung, Motiven, Themen oder Textsorten).

• Sie erkennen dabei, dass z. B. literaturgeschichtliche, biografische, gesellschaftliche,

politische oder philosophische Kontextualisierungen zum Verständnis literarischer Texte,

Themen und Motive beitragen. (vgl. D 11/12 2.2)

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Aufgabe

Text 1: Heinrich Hoffmann

Die Geschichte vom fliegenden Robert

(1847)

Wenn der Regen niederbraust,

Wenn der Sturm das Feld durchsaust,

Bleiben Mädchen oder Buben

Hübsch daheim in ihren Stuben. —

Robert aber dachte: Nein!

Das muss draußen herrlich sein! —

Und im Felde patschet er

Mit dem Regenschirm umher.

Hui, wie pfeift der Sturm und keucht,

Dass der Baum sich niederbeugt!

Seht! den Schirm erfasst der Wind,

Und der Robert fliegt geschwind

Durch die Luft so hoch, so weit;

Niemand hört ihn, wenn er schreit.

An die Wolken stößt er schon,

Und der Hut fliegt auch davon.

Schirm und Robert fliegen dort

Durch die Wolken immerfort.

Und der Hut fliegt weit voran,

Stößt zuletzt am Himmel an.

Wo der Wind sie hingetragen,

Ja! das weiß kein Mensch zu sagen.

Text 2: Hans Magnus Enzensberger

Der Fliegende Robert (1980)

Eskapismus, ruft ihr mir zu,

vorwurfsvoll.

Was denn sonst, antworte ich,

bei diesem Sauwetter! –,

spanne den Regenschirm auf

und erhebe mich in die Lüfte.

Von euch aus gesehen,

werde ich immer kleiner und kleiner,

bis ich verschwunden bin.

Ich hinterlasse nichts weiter

als eine Legende,

mit der ihr Neidhammel,

wenn es draußen stürmt,

euern Kindern in den Ohren liegt,

damit sie euch nicht davonfliegen.

Hans Magnus Enzensberger, Der Fliegende Robert.

Gedichte Szenen Essays. S. 337 © Suhrkamp Verlag

Frankfurt am Main 1992. Alle Rechte bei und vorbehalten

durch Suhrkamp Verlag Berlin

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Teilaufgabe 1: Aufgaben zum Textverstehen

Zu Text 1

1. „Die Geschichte vom fliegenden Robert“ ist dem berühmten Bilderbuch „Der Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann entnommen. Tragen Sie in Ihrer Lerngruppe zusammen, was Sie über dieses Buch wissen (eigene Erfahrungen), und recherchieren Sie anschließend, z. B. im Internet, grundlegende Informationen zum Autor und zum Buch (z. B. Lebensdaten, Erscheinungsjahr, zeitgeschichtlicher Hintergrund, Intention des Werkes).

2. Charakterisieren Sie die Figur des Robert.

TIPP: Stellen Sie fest, wogegen sich Robert auflehnt und wieso er das tut.

3. Überlegen Sie in Ihrer Lerngruppe, welche Absichten der Autor Hoffmann mit seinem Gedicht verfolgt.

TIPP: Klären Sie folgende Verszeilen und gehen Sie dabei v. a. auf die Bedeutung des Wortes „hübsch“ ein: „Wenn der Sturm das Feld durchsaust, / Bleiben Mädchen oder Buben / Hübsch daheim in ihren Stuben“. Suchen Sie weitere Textstellen, die die Intention des Autors deutlich unterstreichen.

4. In der Originalausgabe sind dem Gedicht drei Bilder beigegeben. Vergleichen Sie Text und Bilder und diskutieren Sie, ob die Bilderfolge den Text illustriert oder interpretiert. (https://de.wikisource.org/wiki/Der_Struwwelpeter/Die_Geschichte_vom_fliegenden_Robert)

5. „Wo der Wind sie hingetragen, / Ja, das weiß kein Mensch zu sagen.“ Ein Mitschüler wirft ein, dass die beschriebene Situation physikalisch gar nicht möglich sei. Nehmen Sie dazu mit der Think-Pair-Share-Methode Stellung.

Infokasten zu Think-Pair-Share: Methode des kooperativen Lernens in drei Phasen

1. Think: Jeder setzt sich in Einzelarbeit mit der Aufgabe auseinander. (Hier: Die beiden Verse verstehen; physikalische Grundlage erklären; in Bezug setzen.)

2. Pair: Die Ergebnisse aus Phase 1 werden mit einem Lernpartner besprochen. (Hier: Zunächst abgleichen, ob beide auf einer Linie liegen; evtl. Unterschiede diskutieren.)

3. Share: Die Ergebnisse aus 1 und 2 werden abschließend in einer größeren Gruppe diskutiert.

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Zu Text 2

6. Drei zentrale Nomen des Textes sind „Eskapismus“, „Legende“ und „Neidhammel“.

Klären Sie zunächst mithilfe eines Lexikons die allgemeine Bedeutung der Begriffe. Deuten Sie anschließend die Verse 1/2, 10/11 und 12-14.

7. Überprüfen Sie, ob die folgenden Aussagen mit dem Inhalt des Textes übereinstimmen. Begründen Sie Ihre Meinung am Text. o Im Gedicht spricht der Fliegende Robert.

o Die Angesprochenen beneiden Robert, weil er fliegen kann.

o Robert ist neidisch auf die Angesprochenen, weil sie ein sicheres Heim haben.

o Robert fühlt sich den Angesprochenen überlegen.

Schreiben Sie anschließend einen kurzen Text, der die Sprechsituation, den Inhalt und das Thema des Gedichts zusammenfasst. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse dann mit denen Ihres Lernpartners. Besprechen Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede Ihrer Lösungen. ____________________________________________________________________________

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8. Enzensberger nimmt in seinem Gedicht eindeutig Bezug auf die Vorlage aus dem 19. Jahrhundert. Arbeiten Sie heraus, wie der Autor auf das Gedicht Hoffmanns reagiert. TIPP: Vergleichen Sie die beiden Titel genau! Achten Sie auf die Unterschiede. Überlegen Sie, welche Szene Enzensberger aus der Vorlage aufgreift.

9. Erarbeiten Sie mit Ihrem Lernpartner, in welcher Beziehung die Gedichte zueinander stehen. TIPP: Beantworten Sie folgende Fragen: Was kritisiert Enzensberger? Welche Perspektive nimmt der lyrische Sprecher ein? Wie hoch ist der Grad der Zustimmung bzw. Ablehnung (auf einer Skala von 1-10)?

10. Diskutieren Sie mit Ihrem Lernpartner, wie die drei Bilder zum Gedicht Hoffmanns (vgl.

Aufgabe 2) verändert werden müssten, um die Aussagen bzw. die Intention des Gedichts von H. M. Enzensberger zu erfassen. TIPP: Überlegen Sie, welche Perspektive der Zeichner darstellen müsste.

11. Diskutieren Sie anschließend in der Kleingruppe die Bedeutung der Formulierung

„Ich hinterlasse nichts weiter / als eine Legende“ (V. 10/11).

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Umberto Eco

Teilaufgabe 2: Aufgaben zur Intertextualität

12. Beschreiben Sie in Ihrer Lerngruppe, wie Sie die beiden Zitate der bekannten Literaturwissenschaftler Genette und Eco verstehen. Gehen Sie dabei von eigenen (Lese)Erfahrungen aus.

13. ***Optional zur Differenzierung: Sie können die Aussagen von Genette und Eco auf andere

Bereiche übertragen, indem Sie z. B. „Text“ (Eco) oder „literarisches Werk“ (Genette) ersetzen z. B. durch Film, Musik, Modeaccessoire, Spielzug (Schach, Fußball ...). Suchen Sie Beispiele hierfür im Internet.

Gerard

Genette

Unter intertextuellem Dialog

verstehe ich das Phänomen,

dass ein gegebener Text

Echos vorhergehender Texte

enthält.

Es gibt kein literarisches

Werk, das nicht, in einem

bestimmten Maß und je nach

Lekture, an ein anderes

erinnert; in diesem Sinne sind

alle Werke Hypertexte. Aber

[...] manche sind es mehr

(oder offensichtlicher,

massiver und expliziter) als

andere.

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14. Diskutieren Sie in Ihrer Lerngruppe unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Aufgaben 1-10, wie offensichtlich, massiv und explizit der Bezug Enzensbergers auf Text 1 ist. Sie können die Untersuchung mit einem „Vergleichsbarometer“ vorbereiten, indem Sie Übereinstimmungen von 1 bis 10 zuordnen:

Übereinstimmung sehr hoch

hoch mittel gering überhaupt

nicht

Ort, Zeit, Figur

lyrischer Sprecher

Adressat

Intention

Atmosphäre

zentrales Geschehen

Sprachebene

15. ***Optional zur Differenzierung: Kann man den Enzensberger-Text auch ohne Hoffmanns Gedicht verstehen? Nehmen Sie dazu Stellung und berücksichtigen Sie bei Ihrer Antwort biografische Informationen, die Sie z. B. in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten recherchieren können:

http://www.ardmediathek.de („Armin Kratzert im Gespräch mit Hans Magnus Enzensberger“,

2009)

http://www.ardmediathek.de/tv/SWR2-Forum/Zum-85-Geburtstag-von-Hans-Magnus-Enzen/SWR2/Audio-Podcast?bcastId=3046&documentId=24592334

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Erweiterungsaufgaben zur historischen Kontextualisierung

Text 3

Da sich der Erzieher mit seinen Maaßregeln den Kräften des Zöglings anzubequemen hat, so

könnte Mancher verleitet werden, eine sittliche Laxheit in der Erziehung zu gestatten, eine

Anbequemlichkeit an den Zeitgeist, wobei nur die groben Uebertretungen des göttlichen Gesetzes

verurtheilt würden. In diesem Sinne ist aber die Stufenmäßigkeit und Natürlichkeit der Erziehung

keineswegs gemeint. Auch die Kinder müssen wissen, dass wir allzumal Sünder sind und des 5 Ruhms ermangeln, den wir vor Gott haben sollen, obwohl man es ihnen nicht alle Tage und nicht in

bestimmter Formel vorzutragen braucht. Aber so wie sie sich ihrer körperlichen Schwäche

unmittelbar bewußt sind, so soll ihnen auch ihre intellektuelle und moralische Schwäche zu

Gemüthe geführt werden. Gelegenheit bietet sich täglich bei ihren leichtsinnigen Uebertretungen, so

wie auch bei Erzählungen von den Thaten frommer und tugendhafter Menschen. Insbesondere wird 10 man sie nicht oft genug auf die günstige Lage aufmerksam machen können, worin sie sich im

Vergleiche mit Anderen befinden, und wie viel leichter ihnen das Gute gemacht ist, als denjenigen,

welche mit den Versuchungen der Armuth, des Hungers u.s.w. zu kämpfen haben. (...)

Der Mensch kann nicht Mehr thun, als seine P f l i c h t, das Kind natürlich auch nicht. Aber es ist

schwer, diese Wahrheit zum Bewusstsein zu bringen, weil sie dem natürlichen Selbstgefühl 15 widerstrebt. Und nur allzu leicht schlägt die äußerliche Demuth in innerlichen Hochmuth um.

Deshalb verfahre man schonend und vorsichtig, entwickle mehr die Selbsterkenntnis, als dass man

das Gesetz der Demuth äußerlich aufdringt. Man erinnere an Christi Verdienst um uns, und wie

wenig wir noch seinem Muster nachgelebt haben. Das hält wenigsten die Selbstüberschätzung in

Schranken. Aber man schrecke auch nicht in geeigneten Fällen vor harten Strafen mit allen ihren 20 Konsequenzen von R e u e und B u ß e zurück. Ein Kind, welches niemals Buße gethan hat, ist fast

unbewußt ein hochmüthiges Kind, weil es sein Leben über diese Demüthigung erhaben glaubt.

Darum halte man bisweilen Rechnung im Großen und weise an Thatsachen nach, wie wenig noch

von Dem, was erreicht werden sollte, erreicht ist. Ferner sei man grundsätzlich dem E n t s c h u l-

d i g e n und R e c h t f e r t i g e n und B e s c h ö n i g e n entgegen. Lieber einmal unschuldig 25 leiden, als sich durch Worte von wirklicher Schuld rein waschen.

(Wilhelm J.G. Curtmann, Lehrbuch der Erziehung, Leipzig und Heidelberg 1855, S. 201 f.; Rechtschreibung nach dieser Ausgabe)

16. Literarische Texte sind immer auch eingebettet in die Vorstellungen, Ideen und Konzeptionen ihrer jeweiligen Entstehungszeit. Text 3 zum Thema „Erziehung“ stammt aus einem verbreiteten Ratgeber aus dem Jahr 1855. Arbeiten Sie die hier geäußerten Grundsätze der Erziehung heraus. Zitieren Sie dazu mindestens zwei Aussagen und kommentieren Sie diese Aussagen in Ihrer Lerngruppe mit eigenen Worten.

17. Diskutieren Sie, inwieweit sich in Hoffmanns „Geschichte vom fliegenden Robert“ die Erzie-hungsgrundsätze des Ratgebers widerspiegeln. Gehen Sie dabei auf weitere Textbelege ein.

18. Im Zuge der antiautoritären Bewegung der 1960er Jahre wurden Texte wie der Struwwelpeter der sogenannten „Schwarzen Pädagogik“ zugerechnet. Erziehung, so der Vorwurf, werde in dieser Ausprägung der Pädagogik verbunden mit Angst und Gewalt. So sollte der kindliche Eigensinn gebrochen werden. Die Vertreter der antiautoritären Bewe-gung wollten dagegen den Spieß umdrehen und Maßnahmen der Unterdrückung eher gegen Erwachsene wenden. 1970 veröffentlichte der Zeichner F. K. Waechter deshalb einen „Anti-Struwwelpeter“. Bestraft werden hier nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen (Bilder dazu können Sie im Internet schnell finden). Klären Sie in der Kleingruppe, inwieweit es sich bei Enzensbergers Text um einen „Anti-Robert“ handelt.

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Hinweise zum Unterricht

Der Bezug zu Hoffmanns Struwwelpeter ist u. U. für Schülerinnen und Schüler mit Migrations-

hintergrund ohne Hilfestellung nicht herzustellen. Aber auch für Muttersprachler kann nicht

davon ausgegangen werden, dass sie den Struwwelpeter kennen. Deshalb kann es sinnvoll

sein, Informationen zum Kinderbuch vorzuschalten. Zunächst sollten die Informationen zu

Entstehung und Erfolg des Buches vorgestellt werden (vgl. dazu die Ausführungen in: Heinrich

Pleticha und Christoph Lauer, Was sie gerne lasen, Würzburg 1999):

„Zum Abschluss der Biedermeierzeit erschien dann … jenes Bilderbuch, das eine neue Zeit

ankündigte und bis heute noch nichts von seiner Bedeutung eingebüßt und die sensationelle

Zahl von mehr als 500 Auflagen erzielt hat. Es ist der 1845 erschienene Struwwelpeter des

Frankfurter Arztes Heinrich Hoffmann (1809-1894). … (W)eil er in der Vorweihnachtszeit 1844

kein geeignetes Buch für sein vierjähriges Söhnchen auftreiben konnte, entschloss er sich,

selbst eines zu schreiben und zu zeichnen. … (W)eil es eben Kinder auf völlig neue Art

ansprach, (erregte das Buch) überall Aufmerksamkeit. Schon 1847 erschien die 5. Auflage,

ergänzt um einige neue Versgeschichten.“ (Pleticha/Launer, 1999, S. 120 f). Die Geschichte

vom fliegenden Robert wurde erstmals in dieser fünften Auflage abgedruckt.

Die Lehrkraft muss entscheiden, ob die Kontroverse zum Erziehungskonzept des „Struwwel-

peter“ (autoritär vs. liberal) thematisiert werden soll. Für die Aufgabe zur Intertextualität ist dies

allerdings nicht notwendig.

Die Zusatzaufgabe 15 stellt eine mögliche Ergänzung dar, die über die Frage nach der

Intertextualität hinausgeht. Natürlich kann Enzensbergers Gedicht als Selbstcharakterisierung

gelesen werden (vgl. das Interview im BR), denn den Dichter verbindet viel mit dem

ungehorsamen Robert, der sich in die Lüfte erhebt und verschwindet. Dass hier auch der

bekannte Eskapismusvorwurf mitschwingt und eine angebliche Abkehr vom politischen Gedicht

verhandelt wird, werden aber nur sehr engagierte Schülerinnen und Schüler herausfinden

können. Hinzu kommt, dass Enzensberger von diesen Zuschreibungen nie etwas wissen wollte.

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Hinweise zu den Lösungen der Schülerinnen und Schüler

Aufgaben zum Textverstehen

Zu 1:

Wer den Namen des Autors bei einer Suchmaske eingibt, landet häufig beim gleichnamigen Fotografen Heinrich Hoffmann, der in den 1930er-Jahren Adolf Hitler porträtierte. Hier sollte die Lehrkraft helfend eingreifen: Zum Suchbegriff „Heinrich Hoffmann“ setzt man den Begriff „Struwwelpeter“ hinzu.

Zu 2:

äußere Merkmale: grüner Hut, roter Regenschirm, gelber (Regen?)Mantel; Denken/Handeln: neugierig, unvorsichtig, kindlich-verspielt; rebellisch (hört nicht auf die Warnungen der Erwachsenen, möchte lieber in der freien Natur sein (naturverbunden); später: Angst vor der Naturgewalt, hilflos

Zu 3:

Es geht um eine Handlungsanweisung und um Erziehungsgrundsätze für Kinder und Jugendliche; mit dem Wort „hubsch“ wird das erwartete Verhalten charakterisiert: Kinder sollen sich so benehmen, wie es der bürgerlichen Vorstellung entspricht. Weitere Textstellen, die herangezogen werden können: V. 5 (Ausruf: Nein!); V. 9 ff. (Darstellung der Naturgewalten durch Personifikationen: keuchender Sturm, sich niederbeugender Baum, tragender Wind)

Zur genaueren Auseinandersetzung mit dem Adverb kann der Eintrag im Grimm´schen Wörterbuch herangezogen werden („c) häufig ist hübsch in adverbialer stellung und in dem sinne geziemend, wie sichs schickt, doch oft so dasz die bedeutung nicht mehr in voller schärfe gefühlt wird; ungefähr wie das adv. fein (th. 3, 1455) steht, mit dem hübsch auch verwechselt werden kann: es war ein bal en masque vergangenen freitag .. aber ich sahe ihn nicht, ging hübsch nach bett. Elis. Charl. v. Orleans (1867) 438; man musz, auch in der gelehrten welt, hübsch leben und leben lassen. Lessing 9, 228; es wär doch gut in der welt, wenn jeder so an seinem plätzchen blieb, leben lernte, und hübsch um sich bebaute. Klinger theater 4, 274; hättest du alter esel den bullen hübsch bullen sein lassen, so könntest du nun auch hübsch in heiler haut schlafen. Siegfried v. Lindenb. 3, 87; anstatt hübsch frisch zu rudern, lassen sie den kahn treiben. Göthe 11, 95; wenn er sich aber endlich entdecken müszte, so solle er hübsch artig und galant sein. 18, 305; hegte mein vater eine neue sorgfalt, dasz auch das englische hübsch in der reihe der übrigen sprachbeschäftigungen bliebe. 24, 195; gott erhalte uns alle hübsch

gesund. briefw. mit Zelter 416;“ zit. nach: http://woerterbuchnetz.de

Zu 4:

Wie im Gesamtwerk Hoffmanns dienen die Bilder der Illustration seiner Intention: Der Betrachter soll sehen, was mit Kindern geschieht, die sich nicht an die Anweisungen halten.

Zu 5:

Um Menschen mit Hilfe eines Schirmes in die Luft zu katapultieren, müsste die Fläche wesentlich größer sein. Rein physikalisch wird also eine Unmöglichkeit dargestellt. Literatur ist aber nicht dem Realismus verpflichtet, vielmehr werden Bilder geprägt, die eine Aussage, Intention oder eine These illustrieren sollen. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass die Darstellung bei den jugendlichen Lesern in gewisser Weise eine abschreckende Funktion haben soll.

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Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS

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Zu 6:

Eskapismus: Flucht- und Ausweichverhalten; Neigung zur Flucht vor den Anforderungen des Lebens (Wahrig); vgl. auch Eskapismusvorwurf in der Kunst (Vorwurf, dass Dichtung ein Mittel zur Realitätsflucht sei; Rückzug in den Elfenbeinturm)

Neidhammel: umgangssprachlich für einen neidischen Menschen (Wahrig), es steckt auch der Hinweis auf Hass, Groll und feindselige Gesinnung im Wort

Legende: Mit „Legende“ wird ursprünglich eine Textsorte bezeichnet, in der das Leben eines Heiligen geschildert wurde.

Deutung von V. 1 f: Enzensberger zitiert den bekannten Eskapismusvorwurf. Die Gesellschaft wirft dem Dichter vor, dass er sich aus der Verantwortung stiehlt und sich um die Realität nicht kümmert. V. 10/11: Es geht nicht um die Heiligenlegende, sondern um die „Legendenbildung“, um erfundene Geschichten also, die eine bestimmte Funktion erfüllen (Ruhm und Berühmtheit).

V. 12 ff Ausgehend von der zitierten Legendenbildung wird deutlich, dass die Vertreter der Gesellschaft den Künstler um seine Freiheit beneiden. Darüber hinaus kann diskutiert werden, inwieweit Enzensberger mit seinem Text nicht nur einen Perspektivwechsel vornimmt, sondern grundsätzlich über die Bedeutung und Funktion von Literatur nachdenkt. (Wie entstehen „Legenden“, welchen Zweck erfüllen sie?)

Zu 7:

o Im Gedicht spricht der Fliegende Robert. Stimmt; die Geschichte ist aus der Sicht Roberts in Ich-Form verfasst.

o Die Angesprochenen beneiden Robert, weil er fliegen kann. Im Text nicht enthalten.

o Robert ist neidisch auf die Angesprochenen, weil sie ein sicheres Heim haben. Stimmt nicht; es ist eher das Gegenteil der Fall: Robert macht sich lustig über die Daheimgebliebenen (= die Erwachsenen).

o Robert fühlt sich den Angesprochenen überlegen. Stimmt; der Sprecher bezeichnet die Erwachsenen als „Neidhammel“, die sein Handeln nicht verstehen

Stichpunkte zu den Schülerantworten:

Sprechsituation: Der Sprecher ist der fliegende Robert; hier ein selbstbewusster, vom Alter nicht definierter Mann (ein Junge?), der sich über die Erwachsenen lustig macht;

Thema: zum einen begründet der Sprecher seine „Flucht“; zum anderen erklärt er, welche Funktion Legenden haben

Intention: mit der bekannten Geschichte des fliegenden Roberts, die hier aus einer anderen Perspektive gesehen und damit umgedeutet wird, kritisiert der Autor vermutlich die Vorverurteilungen, die Menschen erfahren müssen, wenn sie sich (scheinbar) ohne weitere Erklärungen aus der Gesellschaft zurückziehen.

Zu 8:

Titel: Klein- und Großschreibung des Attributs; während Hoffmann die Narration in den Mittelpunkt stellt, geht es Enzensberger um die Figur. „Die Geschichte vom fliegenden Robert“ schlägt schon als Überschrift einen balladenhaften, erzählenden Ton an. Hier soll eine Beispielgeschichte erzählt werden, die den Leser auf richtiges und falsches Verhalten aufmerksam machen soll. Bei Enzensbergers Gedicht fällt zunächst auf, dass das Partizip großgeschrieben („Der Fliegende Robert“) und damit ein Eigenname angenommen wird. Der titelgebende Robert schildert die Situation aus seiner Sicht.

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Gymnasium, Deutsch, Jahrgangsstufen 11/12

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Szene: Enzensberger konzentriert sich auf Roberts Abheben bis zum endgültigen Unsichtbar-werden. Weil er aus der Sicht Roberts schreibt, wird die Situation aber nicht als Katastrophe, sondern als Befreiung gedeutet.

Zu 9:

Enzensberger nimmt die Vorlage auf, indem er den bei Hoffmann geschilderten Vorgang, der als Strafe erscheint, umdeutet. Aus der Perspektive des Robert stellt sich die Situation konträr dar: Erstens ist das Verschwinden ein aktiv betriebenes Geschehen und zweitens wird der Verlust des ungehorsamen Jungen positiv gewendet. Die Kritik ist bezogen auf die Erziehungs-berechtigten, die strenge Regeln mit grausamen Geschichten durchsetzen wollen.

Zu 10:

Nachdem es um einen Perspektivenwechsel geht, müsste auch die Bildkomposition umgedreht werden: Aus der Sicht Roberts werden die Gebäude (und Menschen) auf der Erde immer kleiner.

Zu 11: s. o. zu 6

Aufgaben zur Intertextualität

Zu 12:

Jedes literarische Werk nimmt Bezug auf andere Werke, die ähnliche Themen verhandeln. Die Verbindung kann dabei auf verschiedenen Ebenen stattfinden: Thema, Motive, Form. Auf andere Bereiche übertragen: Filme zitieren sehr häufig Szenen, Bilder, Konstellationen aus anderen Filmen (oder auch literarischen Vorlagen).

Zu 13:

Die Übertragung auf andere Bereiche soll eine spielerische Annäherung an das texttheoretische Thema ermöglichen: Einzelne Spielzüge bei Sportarten wie z. B. dem Fußballspiel werden häufig als „Kopie“ bezeichnet (Das Tor zum 2:1 war eine Kopie des ersten Tores der Mannschaft X); in der Popmusik gehört das Zitat, das Aufgreifen einer Melodie oder eines Stils zur Grundlage usw.

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Zu 14:

Übereinstimung sehr hoch

hoch mittel gering überhaupt

nicht

Ort, Zeit, Figur X

lyrischer Sprecher X

Adressat X

Intention X

Atmosphäre X

zentrales Geschehen X

Sprachebene X

Zu 15:

Ohne Zweifel hängt das Verstehen des Enzensberger-Textes sehr stark davon ab, ob der Leser

mit der Figur des „Fliegenden Robert“ etwas verbinden kann. Trotzdem wird ein grundlegendes

Textverständnis auch ohne Voraussetzung möglich sein, selbst wenn dann die Entschlüsselung

auf einer anderen Ebene stattfindet. Wer sich näher mit der Biografie Enzensbergers

beschäftigt, wird immer wieder auf den Vorwurf stoßen, dass sein politisches Engagement

wechselhaft war und von Phasen unterbrochen wurde, in denen er sich aus der Politik

zurückzog. Seine Selbstaussagen allerdings zeigen einen Intellektuellen, der sich von Anfang

an gegen eine eindeutige Einordnung gewehrt hat.

Zu 16:

Christliche Erziehungslehre, die vom Grundgedanken des sündigen Menschen ausgeht

(mögliches Zitat: „Auch die Kinder müssen wissen, dass wir allzumal Sünder sind“, Z. 5); (auch)

Kinder sind Mängelwesen in körperlicher wie seelisch-geistiger Hinsicht. Erziehung wird

unterstützt durch positive Beispiele (die Taten frommer Menschen = Legenden; das Leben

Christi) und durch den Hinweis, dass es anderen schlechter gehe. Obwohl grundsätzlich Milde

walten soll bei der Erziehung, muss doch manchmal eine harte Strafe ausgesprochen werden

(mögliches Zitat: „Aber man schrecke auch nicht in geeigneten Fällen vor harten Strafen mit allen

ihren Konsequenzen von R e u e und B u ß e zuruck“ Z. 20 f.).

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Zu 17:

Vergleichbar ist der Beispielcharakter der Geschichte – bei Hoffmann allerdings ein Negativ-

beispiel. Die Strafe ist hier das Verschwinden des Kindes (Abschreckung). Ein Auflehnen gegen

die Normenwelt der Erwachsenen ist gefährlich, belohnt wird das brave Verhalten im sicheren

Zuhause.

Zu 18:

Bei Enzensberger steht eher der Spott über die dummen Erwachsenen im Mittelpunkt, die das

Verschwinden des Robert nicht deuten können. Das kindliche Verhalten der Flucht und der

Gehorsamsverweigerung wird zum Vorbild. Der Versuch der Eltern, durch abschreckende

Beispielgeschichten auf ihre Kinder einzuwirken, wird enttarnt.

Anregung zum weiteren Lernen

Die beiden Ausgangstexte setzen sich mit einem Thema auseinander, das in vielen

Kunstwerken und literarischen Texten eine große Rolle spielt: das Verhältnis von Erwachsenen

zu ihren Kindern bzw. das Verhältnis (von Kindern und Erwachsenen) zur Autorität. Interessant

wäre es, wenn die Schülerinnen und Schüler dazu angeleitet würden, diese Spuren in der

gelesenen Lektüre weiter zu verfolgen: z. B. das Verhältnis von Heranwachsenden zu

Autoritäten im Sturm und Drang (Kabale und Liebe, Emilia Galotti, Prometheus), im Realismus

(Effi Briest) und in der Moderne (Die Verwandlung).

Quellen- und Literaturangaben:

Hans Magnus Enzensberger, Der Fliegende Robert. Gedichte Szenen Essays. S. 337

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1992. Alle Rechte bei und vorbehalten durch Suhrkamp

Verlag Berlin

Audioaufnahme: www.dctp.tv/filme/enzensberger-der-fliegende-robert/

Heinrich Hoffmann, Der fliegende Robert. Der Text folgt der 400. Auflage 1917. Die

Rechtschreibung wurde behutsam angepasst

Umberto Eco, Streit der Interpretationen, Konstanz 1987, S. 53

Gerard Genette, Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe“. Frankfurt/Main 1993, S. 20.

Wilhelm J. G. Curtmann, Lehrbuch der Erziehung, Leipzig und Heidelberg 1855


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