Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU)
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter
Praxishilfe
März 2013 Projekt A-691, V1.0
Lehmann Hydrologie-Wasserbau
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 2
Impressum
Auftraggeber
Bundesamt für Umwelt (BAFU) Abteilungen Wasser, Gefahrenprävention, Hydrologie Papiermühlestrasse 172 3003 Bern Das BAFU ist ein Amt des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)
Auftragnehmer
Teil B: Teil C:
Hunziker, Zarn & Partner AG Ingenieurbüro für Fluss- und Wasserbau Schachenallee 29 5000 Aarau
Dr. Christoph Lehmann Hydrologie – Wasserbau Moosstrasse 8a 3322 Urtenen – Schönbühl
belop gmbh Ingenieure und Naturgefahrenfachleute Tulpenweg 2 CH-6060 Sarnen
Autoren
Teil B:
Teil C:
Kontaktperson: Dr. Roni Hunziker Tel.: 062 - 823 94 61 Mail: [email protected]
Projektleitung
Kontaktperson: Dr. Christoph Lehmann Tel.: 031 - 859 46 81 Mail: [email protected] Kontaktperson: Dr. Eva Gertsch Tel.: 041 - 661 02 70 Mail: [email protected]
Georg Heim, Abteilung Wasser, Bundesamt für Umwelt, Tel.: 031 - 324 07 05, Mail: [email protected]
Begleitgruppe
Manuel Epprecht, Abteilung Gefahrenprävention, Bundesamt für Umwelt Dr. Alessandro Grasso, Abteilung Hydrologie, Bundesamt für Umwelt Manfred Kummer, Abteilung Wasser, Bundesamt für Umwelt PD Dr. Martin Jäggi, Hydraulik und Flussmorphologie Dr. Christian Marti, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft, Zürich Prof. Dr. Dieter Rickenmann, eidg. Forschungsinstitut für Wald, Schnee, Landschaft WSL Prof. Dr. Manfred Spreafico, Abteilung Hydrologie, Bundesamt für Umwelt
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 3
Hinweis
Diese Studie/dieser Bericht wurde im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) verfasst. Für den Inhalt ist allein der Auftragnehmer verantwortlich.
Gliederung des Berichtes
Teil A Auswahl der relevanten Seitenbäche
Teil B Methode der Transportkapazität
Teil C Methode Geschiebeabschätzung in steilen Bächen
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 4
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 6
1.1 Relevanz der Praxishilfe 6
1.2 Was beabsichtigt die Praxishilfe? 6
1.3 Zielgruppen 7
1.4 Aufbau der Praxishilfe 7
2 Auswahl der relevanten Seitenbäche 8
3 Methodenwahl für die Geschiebeabschätzung 9
4 Einleitung zur Methode der Transportkapazität 10
5 Entwicklung der Methode 11
6 Anleitung zur Methode der Transportkapazität 13
6.1 Übersicht 13
6.2 Schritt 1: Festlegung der Referenzstrecke 14
6.3 Schritt 2a: Bestimmung der Charakteristiken der Referenzstrecke 14
6.4 Schritt 2b: Bestimmung der Dauerkurven 22
6.5 Schritt 3: Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebefracht 26
7 Verifikation der Methode 27
8 Schlussfolgerungen 30
9 Einleitung zur Methode Geschiebeabschätzung in steilen Bächen 31
10 Entwicklung der Methode 31
10.1 Prozesse häufiger Ereignisse bis zum Kegelhals 31
10.2 Prozesse vom Kegelhals bis zum Vorfluter 33
11 Anleitung zur Methode Geschiebeabschätzung in steilen Bächen 35
11.1 Übersicht 35
11.2 Erhebung der Geschiebefrachten 36
11.3 Verluste auf Kegel oder auf einer Flachstrecke 45
11.4 Bilanzierung bis Vorfluter 49
11.5 Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebefracht Gm in den Vorfluter 49
12 Validierung und Schlussfolgerungen 50
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 5
Anhang
Anhang A Literaturverzeichnis 52
Anhang B Abbildungsverzeichnis 54
Anhang C Berechnungsformeln 56
Anhang D Generierung von Dauerkurven 58
Anhang E Anwendungsbeispiel der Methode der Transportkapazität 70
Anhang F Sensitivität der Ergebnisse auf die Eingabeparameter 78
Anhang G Datentabellen der Berechnungen 82
Anhang H Darstellung von Längsprofilen zur Definition von Referenzstrecken 84
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 6
1 Einführung
1.1 Relevanz der Praxishilfe
Die Geschiebeführung in den Schweizer Fliessgewässern wird durch Anlagen wie Kraftwerke, Kiesentnahmen und Gewässerverbauungen vielerorts beeinträchtigt, was zu Defiziten in den Bereichen Ökologie, Grundwasser- und Hochwasserschutz führt.
Durch das revidierte Gewässerschutzgesetz (GSchG) werden die Inhaber dieser Anlagen verpflichtet, den Geschiebehaushalt zu sanieren. Die Kantone sind angehalten, im Rahmen von strategischen Sanierungs-planungen wesentliche Beeinträchtigungen der Geschiebeführung und die verursachenden Anlagen zu definieren. Die Kantone werden dabei vom Bund durch die Vollzugshilfe „Renaturierung der Gewässer“ mit dem Modul „Strategische Planung Sanierung Geschiebehaushalt“ unterstützt.
Das Bundesgesetz über den Wasserbau (WBG) bezweckt den Schutz von Menschen und erheblichen Sachwerten vor schädlichen Auswirkungen des Wassers, insbesondere vor Überschwemmungen. Diese können durch Geschiebeverlagerungsprozesse mit verursacht werden. Anlagenbedingte Veränderungen der Geschiebeführung können durch Erosions- und Auflandungsprozesse Hochwasserschutzdefizite generieren oder diese verschärfen.
Im Hinblick auf eine künftige Sanierung des Geschiebehaushaltes sind Kenntnisse der mittleren jährlichen Geschiebeeinträge von Seitenbächen in Vorfluter notwendig, sowohl für den naturnahen Zustand1
Das BAFU (Abteilungen Wasser, Hydrologie, Gefahrenprävention) hat aus diesem Grund zusammen mit privaten Ingenieurbüros, Forschungsvertretern und kantonalen Fachkräften die vorliegende Praxishilfe entwickelt.
wie für den IST-Zustand mit geschiebebeeinflussenden Anlagen.
1.2 Was beabsichtigt die Praxishilfe?
Es existieren etablierte feld- und schreibtisch-basierte Methoden zur Ab-schätzung des Geschiebepotenzials in Einzugsgebieten und zur
1 Der naturnahe Zustand umfasst die Geschiebeführung und die Flussmorphologie vor den bedeutenden anthropogenen Eingriffen (Stand ca. 1900) unter Betrachtung der heutigen klimatischen und topographischen Bedingungen. Ausnahmen sind historische, unveränderliche Gewässerverbauungen (z.B. Kander-Durchstich). Die Praxishilfe konzentriert sich aber ausschliesslich auf den aktuellen Zustand.
Gewässerschutz-gesetz
Wasserbaugesetz
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 7
Bestimmung ereignisbezogener Geschiebefrachten am Kegelhals. Für die Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in einen Vorfluter, welche zur Erfüllung der Forderungen der Wasserbau- und der Gewässerschutzverordnung bekannt sein muss, existieren aber keine entsprechenden Methoden.
Diese Praxishilfe umfasst eine Anleitung, um mittels Auswertung verfügbarer Geodaten und einer punktuellen Geländebegehung mit verhältnismässigem Aufwand die Grössenordnung von mittleren jährlichen Geschiebelieferungen in Vorfluter abschätzen zu können. Die Resultate sollen zudem zur Plausi-bilisierung von Geschiebeabschätzungen im Rahmen von Geschiebe-haushaltsstudien herangezogen werden können.
1.3 Zielgruppen
Die Methodik richtet sich an Fachkräfte, welche mit der Abschätzung von Geschiebefrachten vertraut sind, sei es im Rahmen von Gefahren-beurteilungen oder ökologischen Fragestellungen.
1.4 Aufbau der Praxishilfe
In der vorliegenden Praxishilfe werden das Vorgehen zur Definition geschieberelevanter Bäche (Teil A) sowie zwei Methoden zur Bestimmung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung der Seitenbäche in Vorfluter vorgeschlagen (Teile B und C).
Der Teil B stellt die Methode der Transportkapazität vor, welche bei Gefällsverhältnissen bis 10% vorgeschlagen wird. Der Teil C beinhaltet das Verfahren "Geschiebeabschätzung in steilen Bächen", welche bei Gefällsverhältnissen über 10 % Anwendung findet. Nach einer kurzen Einführung in die jeweilige Methodik wird der Berechnungsablauf erläutert, ohne auf alle Details der einzelnen Parameter einzugehen. Teil B beinhaltet einen Anhang, in welchem Grundlagen, Berechnungsvorgehen und Anwendungsbeispiele vorgestellt werden.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 8
Relevanz im Gelände prüfen
Seitenbach nicht relevant
Seitenbach relevant
ist der Bach bei der Mündung in den Vorfluter und allenfalls oberhalb auf dem Luftbild erkennbar ?
Deutlichkeit und Art der Spuren von aktivem Geschiebetransport
Spuren von aktivem Geschiebetransport
sind undeutlich
ja
nein
deutlich keineSpuren bis in den Vorfluter sichtbar
deutliche aktive Spuren bis in den Vorfluter sichtbar
Seitenbach nicht relevant Seitenbach relevant
Keine Geschiebespuren im Mündungsbereich zum Vorfluter
Kein Delta im Vorfluter
Deutliche Gefällsverflachung im Kegelbereich
See vor Einmündung in den Vorfluter
Aktive Geschiebespuren im Gerinne
Delta im Vorfluter, allenfalls Abdrängen des Vorfluters
Keine deutliche Gefällsverflachung im Kegelbereich
Kegelbildung des Bachs
Teil A
2 Auswahl der relevanten Seitenbäche
Um die Geschiebeführung eines Vorfluters ermitteln zu können, müssen die relevanten Geschiebezulieferer bekannt sein. Bäche ohne relevante Geschiebelieferung werden in die Untersuchungen nicht einbezogen. Die Triage relevanter Seitengerinne kann mittels Karten und Orthofotos (z.B. auf map.admin.ch) erfolgen.
Abb. 1: Bewertung der Relevanz von Seitenbächen für den Geschiebeeintrag in Vorfluter inkl. Kriterien für die Relevanzbeurteilung
In einem ersten Schritt (vgl. Abb. 1) wird abgeklärt, ob eine Beurteilung im Büro ab Orthofoto oder Karte überhaupt möglich ist. Falls die Sicht auf den Mündungsbereich des Seitengerinnes in den Vorfluter (z.B. durch Wald oder Unschärfe des Bildes) für eine Beurteilung ungenügend ist, muss die Relevanz im Gelände abgeklärt werden. Falls trotz guter Einsehbarkeit ins Gerinne keine Spuren von aktivem Geschiebetransport bis in den Vorfluter sichtbar sind, wird das Seitengerinne als NICHT RELEVANT identifiziert. Wenn die Spuren deutlich für aktiven Geschiebetransport sprechen, wird das Gerinne als RELEVANT beurteilt. Bei Unsicherheiten ist die Relevanz im Gelände (Mündungsbereich in Vorfluter) zu beurteilen.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 9
3 Methodenwahl für die Geschiebeabschätzung
Für jeden geschieberelevanten Seitenbach muss entschieden werden, welche Methode zur Bestimmung der mittleren jährlichen Geschiebefrachten angewendet werden soll. Der Entscheid für die Methode wird primär aufgrund des Gefälles getroffen. Bei Bächen mit Längsgefällen im Mündungsbereich zum Vorfluter von < 10 % wird in der Regel die Methode der Transportkapazität angewendet, bei Bächen > 10 % Gefälle das Verfahren "Geschiebeabschätzung in steilen Bächen". Sollte sich aufgrund der Eigenheiten des Einzugsgebietes die jeweils andere Methode als besser geeignet erweisen, ist dem Bearbeiter die Methodenwahl freigestellt. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn bei einem Gewässer mit flachem Gefälle nicht die Transportkapazität, sondern die Geschiebelieferung aus dem Einzugsgebiet massgebend ist. Eine Kombination beider Methoden ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn die erstgewählte Methode nicht zufriedenstellende Ergebnisse liefert.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 10
Teil B Methode der Transportkapazität 4 Einleitung zur Methode der Transportkapazität
Die Geschiebefrachten in einem Fliessgewässer werden entweder durch die Transportkapazität oder durch den Geschiebeeintrag definiert. Die Transportkapazität kann mit Geschiebetransportformeln rechnerisch gut erfasst werden. Wenn sich das Gewässer in einem Gleichgewichtszustand befindet und genügend Geschiebe zugeliefert wird, kann mit einer Transportberechnung auf die gesuchte Geschiebefracht geschlossen werden. In diesem Fall handelt es sich beim betrachteten Gewässer-abschnitt um eine sogenannte Schlüsselstrecke.
Die in einer Schlüsselstrecke bestimmte Transportkapazität entspricht derjenigen Fracht, welche das Gewässer an dieser Stelle aufgrund der hydraulischen und sedimentologischen Verhältnisse maximal transportieren kann (maximale Fracht). Die Schlüsselstrecke limitiert den Geschiebe-transport flussabwärts. Sollte die Geschiebelieferung aus dem Einzugsgebiet grösser sein, ist mit einer Auflandung und einer daraus resultierenden Zunahme der Transportkapazität zu rechnen. Bei einer Geschiebezulieferung kleiner als die Transportkapazität resultiert eine Deckschichtbildung mit reduziertem Transport. Unterschreitet die Geschiebezulieferung jene Fracht, welche bei Aufreissen der Deckschicht mobilisiert werden kann, so treten Sohlenerosionen auf. Die dabei transportierten Geschiebemengen entsprechen der minimalen Fracht.
Viele Bäche und Flüsse weisen ein mehr oder weniger stabiles Gerinne auf und die Jahresfrachten liegen zwischen der minimalen und der maximalen Fracht. Eine Schlüsselstrecke, in welcher die maximale Fracht erreicht wird, ist normalerweise nicht vorhanden. In der Praxis wird der Bearbeiter für eine gewählte Referenzstrecke also die effektive Fracht zwischen der minimalen und der maximalen Fracht bestimmen müssen.
Die Methode der Transportkapazität erlaubt es, in Referenzstrecken auf Basis von Transportformeln die effektive Fracht zu bestimmen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, welches mit verhältnismässig geringem Aufwand ein akzeptables Ergebnis liefert.
Prinzip
Schlüsselstrecke
Referenzstrecke
Methodik der Transportkapazität
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 11
5 Entwicklung der Methode
Zur Entwicklung der Methode der Transportkapazität wurden an ver-schiedenen Flüssen mit bestehenden Referenzwerten für die mittlere jährliche Geschiebefracht (Tab. 1), Geschiebefrachten auf Stufe Normalabfluss berechnet. Durch den Vergleich der berechneten Frachten mit den Referenzwerten konnte dann die beste Kombination aus Einflussgrössen (Gefälle, Korndurchmesser, Abflusstiefe, etc.) und Berechnungsansätzen (Formeln) evaluiert werden.
Aufgrund der Berechnungsresultate wurden die einzelnen Seitenbäche klassifiziert und für jede Klasse ein Vorschlag für die Wahl der Einflussgrössen und der Berechnungsansätze erarbeitet (sogenanntes Setup). Dieses Setup stellt den Kern der Methode dar.
Bei den Referenzwerten handelt es sich um erwartete mittlere jährliche Geschiebefrachten, welche im Rahmen von Geschiebehaushaltstudien ermittelt wurden. Bei solchen Studien wird der Geschiebehaushalt eines Vorfluters mit Hilfe eines Geschiebetransportmodells grossräumig untersucht, wobei die verschiedenen Parameter wie die Geschiebeeinträge der Seitenbäche oder die Kornverteilung des Sohlenmaterials so lange variiert werden, bis eine gute Übereinstimmung zwischen gemessenen und berechneten Sohlenlagen erreicht wird. Diese Geschiebestudien bieten den Vorteil, dass die Geschiebelieferung aus den Seitenbächen auf ein ganzes morphologisches System abgestützt ist. Zwar weisen auch die so ermittelten Referenzwerte eine gewisse Unsicherheit auf, diese ist jedoch geringer als die Unsicherheit bei rein lokalen Untersuchungen. Die Referenzwerte dürfen aber nicht als wahre Grössen angenommen werden.
Bei der Wahl der untersuchten Flüsse wurde darauf geachtet, dass die Vorfluter-Seitenbach-Systeme unterschiedliche Eigenschaften in Bezug auf Gefälle, Breite, geografische Lage und Abflussregime aufweisen. Insgesamt wurde an sieben Vorflutern mit total 22 Seitenbächen (Tab. 2) die mittlere jährliche Geschiebefracht berechnet und daraus das Setup abgeleitet.
Grundsätzlich wurden nur Berechnungsansätze verwendet, welche in der Praxis und in der Theorie anerkannt sind. Alle verwendeten Daten sind allgemein zugänglich oder können im Feld erhoben werden.
Übersicht
Referenzwerte
Untersuchte Flüsse
Grundsätze
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 12
Tab. 1: Verwendete Studien mit Referenzwerten (alle von Hunziker, Zarn und Partner)
Vorfluter Quelle
Aare Augstbach Balsthal, A-209, Januar 2004
Emme Hochwasserschutz und Revitalisierung Emme, A-596, 2012
Kleine Emme Geschiebemodell Kleine Emme/Reuss, A-381, 2008
Landquart Schraubach, A-1000.18, 2002; Taschinasbach, A-083, 2000-2002 Transportbeginn Furnerbach und Arieschbach, A-452, 2008 UVB Kraftwerk Chlus, A-464, 2008-2009
Rhône Rhonekorrektion, A-236, in Bearbeitung
Saaser Vispa Geschiebehaushalt Saastal; A-147, Juni 2003
Thur Thur, Grüneck bis Ror, A-067, 2001
Tab. 2: Untersuchte Vorfluter-Seitenbach-Systeme, anhand welcher die
Methode der Transportkapazität entwickelt wurde.
Vorfluter-Typ
Charakteristik in Bezug auf den Geschiebehaushalt
Vorfluter Untersuchte Seitenbäche
Gro
sser
M
ittel
land
fluss
Eintrag durch Seitenbäche gering, grosse Zuflüsse sind relevant, Abflussmessstationen im Seitenbach teilweise vorhanden
Aare Mümliswilerbach und Siggern
Thur Murg
Emme Emme ob Emmenmatt, Grüene und Ilfis
Gro
sser
Alp
enflu
ss
Eintrag durch grosse und kleine Seitenbäche, Abflussmessstationen teilweise vorhanden
Kleine Emme Grosse Entle, grosse und kleine Fontanne, Rümlig
Landquart Arieschbach, Furnerbach, Schranggabach, Schraubach und Taschinasbach
Rhône Vispa, Lonza, Sionne, Navisence und Morge
Kle
iner
A
lpen
fluss
Eintrag durch kleine Seitenbäche, mehrheitlich keine Abflussmess-stationen vorhanden
Saaser Vispa Almagellerbach und Fee-Vispa
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 13
Schritt 2b
Bestimmung der Abflusswerte
Schritt 2a
Bestimmung der Charakteristiken der Referenzstrecke
Büro
G
elän
de /
Büro
Abzuklären:
• Verifikation der Referenzstrecke • Gefälle • Breite • Gerinnemorphologie
o verzweigt o ebene Sohle
• Kornverteilung • Makrorauigkeit • Minimale oder maximale Fracht
Kriterien:
• Abflussmessung vorhanden
• Generierung Dauerkurve unter Berücksichtigung
o Lage / Grösse EZG
o Niederschläge, etc.
Schritt 3
Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebefracht Bü
ro
Kriterien:
• Klassifizierung nach Gefälle
• Visuelle Beurteilung
• Vergleich mit anderen Seitenbächen
Schritt 1
Festlegung der Referenzstrecke Bü
ro
Kriterien:
• Geringes Gefälle • Lage im Unterlauf • Grosse Breite • laufendes Geschiebe sichtbar
6 Anleitung zur Methode der Transportkapazität
6.1 Übersicht
Die Methode umfasst folgende drei Hauptarbeitsschritte:
Abb. 2: Vorgehen bei der Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebe-frachten mit der Methode der Transportkapazität
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 14
6.2 Schritt 1: Festlegung der Referenzstrecke
Der erste Schritt zur Festlegung der Referenzstrecke erfolgt im Büro. Dabei wird ein Längenprofil des zu untersuchenden Gewässers basierend auf den Datensätzen Swiss TLM3D und swissALTI3D erstellt (Anhang H). Ausgewählt wird ein Abschnitt2, welcher im Unterlauf liegt und ein verhältnismässig geringes Gefälle3
6.3 Schritt 2a: Bestimmung der Charakteristiken der Referenzstrecke
aufweist. Anschliessend wird in diesem Abschnitt mittels Orthofoto die Gewässerbreite bestimmt und geprüft, ob laufendes Geschiebe sichtbar ist. Schritt 1 ist abgeschlossen, wenn die Lage und Ausdehnung der Referenzstrecke eindeutig definiert sind.
Die Charakteristiken der Referenzstrecke werden im Gelände aufgenommen und anschliessend im Büro ausgewertet. Falls sich aufgrund der Begehung herausstellen sollte, dass sich die vorgesehene Referenzstrecke nicht als solche eignet, ist ein anderer Abschnitt zu wählen.
Die Berechnungsansätze basieren auf der Annahme, dass sich in der
untersuchten Strecke Normalabfluss einstellt. Aus diesem Grund kann das
Gefälle durch das Globalgefälle der Sohle beschrieben werden.
Das Bruttogefälle (ohne Abstürze) wird vor der Begehung anhand des
Längenprofils bestimmt. Im Gelände werden anschliessend die Absturz-
höhen und deren Abstände ermittelt. Daraus kann dann das Nettogefälle
(mit Abstürzen) ermittelt werden. Die Berechnung der Transportkapazität
erfolgt aufgrund des Nettogefälles.
Da die Flussachse des amtlichen Gewässernetzes vor allem bei kleinen
Bächen nicht ganz genau mit dem Geländemodell übereinstimmt, kann das
Längenprofil Höhenunregelmässigkeiten aufweisen. Das Gefälle sollte
darum nicht anhand einer automatischen Regression (Trendlinie) bestimmt
werden. Stattdessen wird empfohlen, per Hand eine Gerade zu definieren,
welche das gemessene Längenprofil gut repräsentiert und offensichtliche
Ungenauigkeiten ignoriert (Abb. 3).
2 Die Referenzstrecke sollte im Idealfall folgende Bedingungen erfüllen: • mindestens 100 m lang sein • die Länge sollte ca. 10-20 mal die Gerinnebreite betragen • es muss sich Normalabfluss einstellen • die Sohlenveränderungen bei Hochwasser müssen gering sein • die Sohlenbreite sollte im Vergleich zur mittleren Bettbreite möglichst gross sein • Spuren (Bänke, etc.) von aktivem Geschiebetransport müssen vorhanden sein
3 Im Vergleich zum Pauschalgefälle des Baches
Gefälle
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 15
Höh
e de
r Soh
le [m
ü.M
.]
Distanz [m]
Referenzstrecke
Abb. 3: Einpassung einer Ausgleichgeraden in das Längenprofil
Bei einer Flussbettbreite kleiner als 15 m und angrenzender, dichter Be-
waldung wird eine Aufnahme der Breite im Gelände mit anschliessender
Überprüfung im Büro empfohlen. Weist das Gerinne eine grössere Breite
auf, reicht die Genauigkeit der Breitenbestimmung mittels Orthofoto.
Für die Berechnung der Transportkapazität wird empfohlen, die
Gerinnegeometrie durch ein Trapezprofil mit einer Böschungsneigung von
2:3 anzunähern. Falls das Gerinne Inseln aufweist, ist die Summe der
Teilgerinne (BF) massgebend (Abb. 4).
Abb. 4: Bettbreite bei Teilgerinnen
Gerinne links TeilgerinneTeilgerinne
BF = effektive Bettbreite = Summe der Teilgerinne
Breite
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 16
Je nach Flusscharakteristik werden zudem folgende beiden Fälle unter-
schieden:
Typ I: Gleichmässige Breite Typ II: Gerinne mit Schwellen
Abb. 5: Breite bei unterschiedlichen Gerinneformen
Falls die Breite über den gesamten Abschnitt konstant ist, wird die Bettbreite
durch die mittlere Bettbreite beschrieben (Typ I). Bei unregelmässigen
Gerinnen mit stark variierender Breite ist ein Mittelwert zu wählen. Falls das
Gewässer Schwellen mit kurzen Schwellenabständen aufweist, deren
Überfallbreite schmäler ist als die Bettbreite in den Schwellenfeldern (Typ II),
ist die Überfallbreite massgebend. Dabei wird angenommen, dass sich die
Strömung bei kurzen Schellenfeldern nicht über die gesamte Breite
ausdehnen kann.
Die Gerinnemorphologie beschreibt die Strukturvielfalt der Sohle. Bei
grossen Flussbettbreiten können sich Sohlenstrukturen ausbilden (Abb. 6),
sodass sich Nieder- und Mittelwasser auf mehrere Gerinne aufteilen. Bei
eingewachsenen Gerinnen ist nicht die gesamte Gewässerbreite, sondern
die effektive Breite (vgl. Abb. 4) massgebend. Diese Teilgerinne führen
dazu, dass die Transportkapazität grösser ist, als sie aufgrund der
Transportformeln für ein breites Einzelgerinne zu erwarten wäre. Zur
Berücksichtigung verzweigter Gerinne wird bei steilen Verhältnissen (> 2 %)
der Ansatz von Marti [9] empfohlen. Dieser reduziert die abfluss- und
transportwirksame Gewässerbreite für jeden Abflusszustand4
[18]
. Anstelle des
Ansatzes von Marti kann bei flachen Verhältnissen (< 2 %) auch derjenige
von Zarn verwendet werden.
4 Bemerkung: Beim Ansatz von Marti [9] wird auf die Reduktion des Gefälles zur Berücksichtigung der Sinuosität verzichtet.
Gerinnemorphologie
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 17
a) Verzweigtes Gerinne ohne Bewuchs am Furnerbach (GR)
b) Verzweigtes Gerinne mit Bewuchs an der grossen Entle (LU)
Abb. 6: Zwei Beispiele für verzweigte Gerinne (Quelle: Swissimage)
Der charakteristische Korndurchmesser einer Kornverteilung definiert
die Rauigkeit der Sohle sowie die Mobilität des Sohlmaterials und
beeinflusst wesentlich die Transportkapazität. Die Ermittlung der Korn-
verteilung erfolgt anhand einer Linienzahlanalyse. Dazu wird empfohlen,
mindestens drei Linienproben an verschiedenen Stellen auf einer Bank
aufzunehmen und für jede Probe das dm5 und d90
6 zu bestimmen. Aus den
drei Proben werden die Mittelwerte7
[2]
gebildet, welche in die Berechnung der
Geschiebefracht eingehen. Wird eine eindeutige Deckschicht identifiziert, so
wird diese gemäss dem Ansatz von Fehr in das Unterschichtmaterial
umgerechnet. Eine Alternative stellt das von der Versuchsanstalt für
Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) entwickelte Verfahren
BASEGRAIN8
5 Der dm bezeichnet den massgebenden mittleren Korndurchmesser nach Meyer-Peter und Müller (1948).
dar. Dieses MATLAB-basierte Programm ermöglicht die
Auswertung des Sohlmaterials anhand von Fotoaufnahmen und bietet damit
eine deutliche Verringerung des Aufwands bei den Geländeaufnahmen. Das
Programm befindet sich aber aktuell noch in der Testphase und wurde
deshalb im Rahmen des vorliegenden Projektes nicht berücksichtigt.
6 Der charakteristische Korndurchmesser d90 ist derjenige Korndurchmesser, bei welchem 90% (Gewichtsanteil) der Körner feiner sind.
7 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen wurde auch geprüft, ob die Sohlproben zuerst gemischt und erst anschliessend die charakteristischen Werte bestimmt werden sollten. Die resultierenden dm und d90 unterschieden sich jedoch nicht wesentlich.
8 BASEGRAIN kann kostenlos unter http://www.basement.ethz.ch/services/Tools/basegrain heruntergeladen werden.
Kornverteilung
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 18
Geschiebefrachten reagieren vor allem bei flachen Verhältnissen sehr sensitiv auf die Wahl des dm. Im Anhang F wird darum die Sensitivität der Geschiebefracht bezüglich des Korndurchmessers diskutiert.
Bei steileren Verhältnissen befinden sich oft grosse Einzelblöcke in der Sohle, welche Clusterstrukturen (u.a. Riegel-, Abstürze, etc.) bilden. Diese erhöhen den Fliesswiderstand, verursachen Energieverluste und übernehmen einen Teil der wirkenden Schubspannungen, wodurch die Belastung auf die Sohle reduziert wird. Je grösser das Gefälle ist, desto grösser sind die durch die Makrorauigkeit induzierten Verluste. Grosse Blöcke, welche nicht Teil des Sohlenmaterials sind9
[13]
, oder Becken-Absturz-Sequenzen geben Hinweise darauf, dass Makrorauigkeiten berücksichtigt werden müssen. Sie können durch den Ansatz von Rickenmann erfasst werden10
Abb. 7. Die Berücksichtigung der Intensität der Makrorauigkeit erfolgt
durch die Wahl des Exponenten a. zeigt anhand von sechs Beispielen, bei welchen Verhältnissen Makrorauigkeiten berücksichtigt und welche Werte für a gewählt werden müssen. Es wird davon ausgegangen, dass Makrorauigkeiten bei Gefällen über 2 % zu erwarten sind. Bei verzweigten, tendenziell auflandenden Gerinnen wird ein Wert a=0 vorgeschlagen, bei steilen, schmalen Einzelgerinnen ein solcher von 1.0 bis 1.5.
9 Die im Flussbett vorhandenen Blöcke müssen sich in der Grösse vom Sohlmaterial unterscheiden. Grobes Sohlmaterial allein impliziert nicht, dass eine Makrorauigkeit berücksichtigt werden muss.
10 Der von Rickenmann (2011) neu entwickelte Ansatz zur Bestimmung der
Makrorauigkeit wurde ebenfalls geprüft. Da aber keine besseren Resultate (Vergleich Referenzwerte mit berechneten Frachten) erzielt werden konnten, wurde der Ansatz von 2005 beibehalten. Weitere Untersuchungen mit dem Ansatz von 2011 sind vorgesehen.
Makrorauigkeit
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 19
Gef
älle
< 2
.0 %
Keine Makrorauigkeit, a=0 Gleichförmiges Flussbett, mit ebener Kiessohle und ungestörter Strömung.
Grüene (BE)
Murg (TG)
2.0
% <
Gef
älle
Keine Makrorauigkeit, a=0 Das Sohlmaterial ist im Allgemeinen grob, es sind aber keine überdurchschnittlich grossen Steine erkennbar.
Keine Makrorauigkeit a=0.0 Verzweigtes Gerinne, Sohlenmaterial sehr grob, Auflandungszustand.
Rümlig (LU)
Entle (LU)
Mittlere Makrorauigkeit a=1.0 Grössere Einzelblöcke sowie kleinere Stufen-Becken-Systeme sichtbar.
Grosse Makrorauigkeit a=1.5 Viele Einzelblöcke im Flussbett vorhanden und grosse Stufen-Becken-Systeme sichtbar.
Lonza (VS) Almagellerbach (VS)
Abb. 7: Beispiele zur Beurteilung der Makrorauigkeit
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 20
Mit den empfohlenen Berechnungsansätzen wird die Transportkapazität für einen Gleichgewichtszustand berechnet. In der Mehrheit der Fälle wird jedoch eine vom Geschiebeeintrag abhängige Geschiebefracht (Abb. 8) vorhanden sein. In diesem Fall ist von einem reduzierten Transport innerhalb der Bandbreite zwischen der minimalen und der maximalen Fracht auszugehen11
Es werden folgende drei Fälle unterschieden:
.
Maximale Fracht12 Die Referenzstrecke befindet sich im Gleichgewichtszustand (Idealfall) oder die Geschiebezulieferung in die Referenzstrecke ist leicht grösser als die Transportkapazität. Massgebend ist die maximale Fracht. Indizien für die maximale Fracht: Feines, helles, transportiertes Sohlsubstrat, gut strukturierte Sohle.
Effektive Fracht An der Sohle ist eine leichte Deckschichtbildung (mobile Deckschicht) feststellbar. Die mittlere jährliche Geschiebefracht liegt zwischen der minimalen und der maximalen Fracht. Eine "gutachterliche" Wahl ist notwendig.
Minimale Fracht13 Die Transportkapazität ist wesentlich grösser als die Geschiebezufuhr. Ohne Deckschichtbildung wäre mit einer Sohlenerosion zu rechnen. Die Sohle weist eine deutliche Deckschichtbildung auf. Indizien für die minimale Fracht: Grobes, eher dunkles, moosiges Sohlsubstrat, ausgeprägte Deckschichtbildung.
11 Im Anhang F wird die Sensitivität der mittleren jährlichen Geschiebefracht auf die Beurteilung des transportlimitierenden Faktors diskutiert.
12 Bei der Berechnung der maximalen Fracht wird davon ausgegangen, dass die transportierte Fracht bei jedem Abflusszustand der Transportkapazität entspricht.
13 Die minimale Fracht berücksichtig, dass bei Abflüssen bis QD (Aufreissen der Deckschicht) kein Geschiebe transportiert wird.
Minimale und maximale Fracht
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 21
a) Maximale Fracht – Die Transportkapazität limitiert den Transport Aufgrund des verhältnismässig grossen Geschiebeeintrages landet der Fluss leicht auf. Bänke und viel laufendes Geschiebe sind sichtbar.
Entle (LU)
Kleine Fontannen (LU) b) Zwischen maximaler und minimaler Fracht Es sind Bänke mit einer leichten Vergröberungstendenz erkennbar. Laufendes Geschiebe ist sichtbar.
Grüene (BE)
Ilfis (BE) c) Minimale Fracht – Der Transport wird durch den Geschiebeeintrag limitiert Die Transportkapazität übersteigt den Geschiebeeintrag. Wenig laufendes Geschiebe ist sichtbar, Ausbildung von Rinnen. Das Sohlenmaterial ist grob und teilweise mit Moos bewachsen.
Fee-Vispa (VS)
Mümliswilerbach (SO)
Abb. 8: Beispiele zur Beurteilung, ob die Geschiebefracht durch den Transport oder den Geschiebeeintrag limitiert wird.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 22
6.4 Schritt 2b: Bestimmung der Dauerkurven
Für Frachtberechnungen sind neben der Hydraulik und der Geschiebe-zusammensetzung auch die Abflüsse resp. deren Häufigkeit und Dauer entscheidend. Das Abflussverhalten wird im Rahmen der vorliegenden Methodik über eine mittlere14
Häufig werden an den zu untersuchenden Gewässern keine Abfluss-messungen vorliegen. Für diesen Fall wurde ein Vorgehen entwickelt, um repräsentative mittlere Abflussdauerkurven zu generieren (vgl. Anhang D). Dabei wurde Wert auf eine einfache Anwendung, auf die Verwendung allgemein zugänglicher Daten und auf die Berücksichtigung einzugsgebiets-spezifischer Charakteristiken gelegt.
jährliche Dauerkurve erfasst.
Beim anzuwendenden Verfahren wird die Form der Dauerkurve mit einer Näherungsfunktion abgebildet. Anhand von vier Parametern werden wesent-liche einzugsgebietsspezifische Charakteristiken (u.a. Niederschlagsverhält-nisse, Einzugsgebietsfläche, mittlere Höhenlage, Vergletscherung, etc.) erfasst.
Falls langjährige Abflussmessungen vorliegen, sollten diese Eingang in die Bestimmung der Dauerkurven finden. Die Jahresdauerkurven sollten dabei mindestens auf Stundenmittelwerten basieren. Bei Tagesmittelwerten werden kurzzeitige und für den Geschiebetransport massgebende Abfluss-spitzen unterschätzt.
Prinzip der Methodenentwicklung
Mittlere Überschreitungsdauerkurven (vgl. Abb. 9) lassen sich durch zwei wesentliche Informationen charakterisieren:
• Die Form der Dauerkurve beschreibt die Häufigkeitsverteilung der Abflüsse und definiert u.a. das Verhältnis von Abflüssen unterschiedlicher Überschreitungsdauer (z.B. Q30/Q347).
• Der Mittelwasserabfluss (MQ) definiert das Abflussniveau.
14 Für jede Überschreitungsdauer wird das arithmetische Mittel der entsprechenden Werte der Einzeljahre gewählt.
Definition
Generierte Dauerkurven
Ansatz
Messwerte
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 23
Die Form der Dauerkurve wird mittels einer Normierung der absoluten Dauerkurve durch MQ erhalten. Das Ergebnis ist eine dimensionslose Dauerkurve, welche nicht absolute Abflusswerte, sondern jeweils das Verhältnis der Abflüsse Qi zum MQ angibt.
Der MQ-Wert dient somit als Skalierfaktor zur Umrechnung der dimensionslosen Dauerkurve in absolute Werte (und umgekehrt).
Abb. 9: Abflussdauerkurve und gebietsspezifischer MQ-Wert. Durch
Normierung mit dem MQ-Wert wird eine dimensionslose Formfunktion generiert.
Anwendung
Zur Generierung von mittleren jährlichen Dauerkurven in Einzugsgebieten ohne Abflussmessung müssen das MQ und die Form der MQ-normierten Dauerkurve bestimmt werden.
Für die Bestimmung des MQ wird auf das Vorgehen von Pfaundler und Zappa (200615
15 Pfaundler M., Zappa M. 2006: Die mittleren Abflüsse über die ganze Schweiz. Ein optimierter Datensatz im 500 x 500 m Raster. In: Wasser, Energie, Luft, Heft 4/2006. S. 291–298. (Datensätze verfügbar unter www.bafu.admin.ch > Themen > Hydrologische Daten > Mittlere monatliche und jährliche Abflusshöhen).
) zurückgegriffen. Mit Hilfe eines frei erhältlichen raster-basierten Datensatzes (verfügbar unter http://gewiss.admin.ch) kann für
MQ
Abfluss (MQ)
Form Dauerkurve
Absolute Dauerkurve
Normierung durchMQ
Methodik ist vorhanden
Form
MQ
Bestimmung MQ
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 24
jedes Einzugsgebiet der Schweiz der langjährige natürliche16
Für die dimensionslose Dauerkurve wird folgende Formfunktion gewählt:
Mittelwasserabfluss bestimmt werden.
Gl. D1 Dt
CtBtAMQtQ +⋅+⋅+⋅=1)ln()/)(log(
Die Gleichung D1 kann für Überschreitungsdauern zwischen einer Stunde und 300 Tagen angewendet werden. Mit der verwendeten logarithmierten Form können auch die grossen Gradienten bei Überschreitungsdauern von nur wenigen Stunden oder Tagen abgebildet werden. Die Herleitung der Funktion sowie die Bestimmung der vier Parameter A bis D ist ausführlich im Anhang D beschrieben.
Die vier Parameter A bis D berücksichtigen wesentliche Gebietseigen-schaften und werden nach folgendem Vorgehen bestimmt:
Der Parameter D wird in Abhängigkeit des Abflussregimetyps ermittelt.
Gl. D6
glazial
422.1)/ln(120.0 , +⋅= JahrtkGebiet PNiD
Gl. D7
nival
807.1)/ln(123.0 , +⋅= JahrtkGebiet PNiD
Gl. D8
pluvial
367.2)/ln(251.0 , +⋅= JahrtkGebiet PNiD
Zwischen den Parametern A und D besteht eine enge Korrelation. Der Parameter A kann deshalb mit Gleichung D9 bestimmt werden.
Gl. D9 114.0280.0 +⋅−= DA
Der Parameter B wirkt sich erst bei grösseren Überschreitungsdauern auf den Funktionsverlauf aus. Für geschiebetechnische Berechnungen kann vereinfachend ein pauschaler Wert gewählt werden.
002.0−=B
16 Anthropogene Eingriffe (Kraftwerke, Speicher etc.) werden nicht berücksichtigt
Bestimmung der Formfunktion
Parameter D
Parameter A
Parameter B
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 25
Der Funktionsterm DtA +⋅ )ln( ergibt bei sehr geringen Überschreitungs-dauern von nur wenigen Stunden zu grosse Werte. Aus diesem Grund wurde der Parameter C zur Korrektur eingeführt. Zur Bestimmung von C muss vorgängig das mittlere jährliche Hochwasser MHQ abgeschätzt wer-den und anschliessend mit Kenntnis von A und D anhand der Gleichung D1 der Parameter C rückgerechnet werden. Die Bestimmung des MHQ erfolgt über drei Ansätze:
• Anhand des Verhältnisses des MHQ zum Q1d (Tab. 5, S. 67)
• Anhand des Verhältnisses des MHQ zum HQ100 (Tab. 6, S. 68)
• und anhand einzugsgebietsspezifischer Näherungskurven (Abb. 25, S. 69)
Parameter C
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 26
6.5 Schritt 3: Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebefracht
Zur Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebefracht werden zwei Gefällsbereiche (<2 % und >2 %) unterschieden. In jedem dieser Gefälls-bereiche wird eine spezifische Kombination von Berechnungsparametern und -verfahren vorgeschlagen17
Für Gewässer mit einem Gefälle kleiner als 2 % erfolgt die Berechnung der Transportkapazität nach der Formel von Meyer-Peter und Müller
(sogenanntes Setup).
[10], wobei die Konstante18 [7] 8 durch 5 ersetzt wird . Die Fliessgeschwindigkeit wird nach Strickler [17] berechnet und als transportwirksame Tiefe wird die Fliesstiefe h eingesetzt. Die Formel von Meyer-Peter und Müller [10] wird bei verzweigten Gerinnen mit dem Ansatz von Zarn [18] korrigiert.
Bei Gerinnen mit einem Gefälle > 2.0 % wird die Transportkapazität mit dem Ansatz von Smart und Jäggi [16] berechnet. Die Fliessgeschwindigkeit wird in diesem Fall durch Rickenmann [12] bestimmt. Als transportwirksame Tiefe wird ebenfalls die Fliesstiefe h gewählt. Bei verzweigten Gerinnen wird die Formel von Smart und Jäggi [16] mit dem Ansatz von Marti [9] korrigiert.
Um die maximale und minimale Geschiebefracht pro Jahr zu ermitteln, muss die Transportkapazitätsrate von kg/s in m3/s umgerechnet und für alle Abflüsse der Dauerkurve integriert werden. Das Ergebnis dieses Schrittes ist dann die gesuchte maximale mittlere jährliche Geschiebefracht. Die minimale Fracht ergibt sich unter Berücksichtigung der Deckschichtbildung bei Abflüssen > QD (Aufreissen der Deckschicht).
Die Festlegung der effektiven Fracht (Wert zwischen der minimalen und der maximalen Fracht) erfolgt aufgrund einer Beurteilung der morphologischen Verhältnisse sowie der visuellen Beurteilung des Sohlenmaterials und der Sohlenstrukturen in der Referenzstrecke. Zudem kann die effektive Fracht mittels dem Verfahren „Geschiebeabschätzung in steilen Bächen“ ermittelt werden.
17 Im Anhang C sind alle erwähnten Berechnungsformeln aufgeführt. Die ausgewählten Formeln berücksichtigen in jedem Gefällsbereich den entsprechenden Gültigkeitsbereich.
18 Hunziker (1995) schlägt nach einer Neuauswertung der Daten von Meyer-Peter und Müller eine Reduktion der Konstanten 8 auf 5 vor.
Setup
Transportkapazität
Max. und min. Fracht
Effektive Fracht
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 27
Gefälle
Kornverteilung
Gerinnegeometrie
Breite
Gefälle -
Makrorauigkeit
Transportgesetz
Fliessgesetz
Transportw irksame Tiefe
Fracht Minimal Maximal Minimal Maximal
Geschiebe-eintrag
massgebend
effektive Fracht
--
Visuelle Beurteilung Visuelle Beurteilung
Keine eindeutige Zuordnung
Transport-kapazität
massgebend
effektive Fracht
Geschiebe-eintrag
massgebend
Transport-kapazität
massgebend
Keine eindeutige Zuordnung
Abmindern nach Zarn (1997)
Rickenmann (2005) a=0.0
Visuelle Beurteilung
Rickenmann (2005) a=0.0
Zusä
tzlic
he F
akto
ren
Flusscharakteristik
Limitierender Faktor
Bere
chnu
ngPa
ram
eter
verzw eigt Einzelgerinne
Abmindern nach Marti (2006)
a.) Gerinnebreite
b.) Schw ellenbreiteb.) Schw ellenbreiteAbmindern nach Zarn
(1997) a.) Gerinnebreite
verzw eigt Einzelgerinne
> 2%< 2%
Repräsentative Kornverteilung
Trapez
Visuelle Beurteilung Visuelle Beurteilung
Trapez
Repräsentative Kornverteilung
Smart und Jäggi (1983)Meyer-Peter und Müller (1948)
Strickler (1923)
h
Rickenmann (1996)
h
Rickenmann (2005) a=1.0 bis 1.5
Abb. 10: Setup für die Eingabeparameter und die Berechnungsansätze bei der Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebefrachten nach der Methode der Transportkapazität.
7 Verifikation der Methode
Für das Setup wurden für unterschiedliche Parameter-Kombinationen die berechneten mittleren jährlichen Geschiebefrachten mit den Referenzwerten verglichen (Anhang G). Die Kombinationen wurden solange angepasst, bis eine möglichst geringe Abweichung zwischen den gemessenen und den erwarteten Geschiebefrachten resultierte. Insgesamt wurden so die Frachten von 22 Referenzstrecken verglichen.
Bei insgesamt zwölf Bächen wird eine Abweichung von einem Faktor kleiner 2 erreicht, bei weiteren vier Bächen liegt das Resultat im Bereich eines Faktors 3. Der Rest weist Abweichungen grösser als einen Faktor 3 auf.
Dabei ist zu beachten, dass die erwarteten Geschiebefrachten mehrheitlich in Geschiebestudien ermittelt wurden. Zwar weisen diese Werte eine
Vorgehen
Fazit
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 28
verhältnismässig hohe Genauigkeit auf, sie dürfen jedoch nicht als absolut wahre Werte verstanden werden.
Bei Flüssen, welche ein Gefälle in der Nähe der Bereichsgrenze aufweisen, sollte jeweils das Setup für beide Gefällsbereiche angewendet werden. Die Grenzen sind als Richtwert zu verstehen. Beispielsweise weist die Navisence in der untersuchten Strecke ein Gefälle von 1.85% auf. Die Berechnung mit dem Setup für Gefälle > 2 % ergibt ein vergleichbares Ergebnis wie das Setup mit Gefällen < 2% (18'800 m3/Jahr, Smart und Jäggi und 18'200 m3/Jahr Meyer-Peter und Müller), wobei die erwartete mittlere jährliche Geschiebefracht bei 13'600 m3/Jahr liegt.
Die Methode der Transportkapazität wird für Seitenbäche mit einem Gefälle kleiner als 10 % empfohlen (vgl. Bericht Teil A). Drei der untersuchten Seitenbäche (Sionne (VS), Almagellerbach (VS) und Arieschbach (GR)) weisen ein Gefälle grösser als 10 % auf (Anhang G). Während die vorgeschlagene Methodik für den Almagellerbach mit 300 m3/Jahr einen plausiblen Wert für die mittlere jährliche Geschiebefracht ergibt (Referenzwert: 300 m3/Jahr), werden die Frachten an der Sionne und dem Arieschbach unterschätzt. Bei diesen Seitenbächen werden mittlere jährliche Geschiebefrachten von 0 (null) m3/Jahr berechnet. Der Grund für die zu geringen Werte dürften die kleinen relativen Abflusstiefen (h/d90) bei MHQ sein19
. Diese führen unter Berücksichtigung der Makrorauigkeit zu sehr geringen Gefällen.
19 Verhältnis h/ d90 = 1.8, bzw. 1.4
Bereichsgrenzen
Grenzen der Anwendbarkeit
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 29
Abb. 11: Doppellogarithmischer Vergleich der berechneten mittleren jährlichen Geschiebefrachten mit den erwarteten Geschiebefrachten. Die durchgezogene Linie entspricht einer perfekten Übereinstimmung, die gestrichelten Linien stellen das Intervall mit einer Abweichung um einen Faktor 2 dar.
Abb. 12: Linearer Vergleich der berechneten mittleren jährlichen Geschiebefrachten mit den erwarteten Geschiebefrachten. Die durchgezogene Linie entspricht einer perfekten Übereinstimmung, die gestrichelten Linien stellen das Intervall mit einer Abweichung um einen Faktor 2 dar.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 30
8 Schlussfolgerungen
Die vorliegende Methode der Transportkapazität basiert auf einem bekannten Verfahren zur Ermittlung von Geschiebefrachten. Neu an der vorgeschlagenen Methode sind
• die Vorgabe konkreter und auf verschiedene Gefällsverhältnisse optimierter Eingabeparameter und Formeln
• die Verwendung mittlerer jährlicher Abflussdauerkurven und die Berechnung mittlerer jährlicher Frachten anstelle von Ereignisfrachten. Die Umrechnung von Ereignisfrachten auf Jahresfrachten entfällt.
Die Methode bietet die Möglichkeit, mit wenig Feldarbeit sowie mit Hilfe von GIS-basierten Daten die Geschiebefrachten in den Seitenbächen und in den Vorflutern zu ermitteln.
Die Methode wurde anhand des Vergleichs von berechneten Frachten zu "erwarteten" Frachten (Referenzwerte) verifiziert. Die Resultate zeigen, dass mit der Methode die Frachten sehr gut prognostiziert werden können. Die Mehrheit der Vergleichswerte (ca. 57 %) weist Abweichungen zum Erwartungswert von einem Faktor kleiner als 2 auf und 75 % eine Abweichung kleiner als 3. Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit der Methode ist zu berücksichtigen, dass bei Geschiebefrachtberechnungen immer von einer grossen Bandbreite ausgegangen werden muss und dass auch die Erwartungswerte keine absolut wahren Werte darstellen. Die mit der Methode erreichbare Genauigkeit ist für die Fragestellungen im Rahmen der strategischen Planung in der Regel genügend.
Um die Genauigkeit der in einem Seitenbach berechneten Geschiebefracht zu erhöhen, muss diese mit den berechneten Frachten in den anderen Seitenbächen verglichen werden. Die berechneten Frachten müssen zudem auf den Geschiebehaushalt im Vorfluter abgestimmt werden. Insgesamt kann so in einem iterativen Prozess ein plausibles Bild des Geschiebe-haushalts des Gesamtsystems entworfen werden. Wenn immer möglich müssen die berechneten Frachten anhand von Sohlenveränderungen oder Kiesentnahmen verifiziert werden.
Bei der Entwicklung der Methode wurde darauf geachtet, dass die Eingabeparameter möglichst eindeutig definiert werden. Im Verlaufe der Bearbeitung zeigte sich jedoch, dass eine gutachterliche Beurteilung der jeweiligen lokalen Verhältnisse unumgänglich ist. Dies betrifft vor allem die Parameter Makrorauigkeit und die minimale oder maximale Fracht. Die Methode eignet sich darum nur für Fachleute, welche mit den Fragestellungen im Bereich des Geschiebetransports vertraut sind.
Methode
Genauigkeit
Vernetzung
Zielgruppe
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 31
Teil C
Methode Geschiebeabschätzung in steilen Bächen
9 Einleitung zur Methode Geschiebeabschätzung in steilen Bächen
Mit der Methode "Geschiebeabschätzung in steilen Bächen" werden für den aktuellen Zustand des Gewässers Ereignisfrachten verschiedener Wiederkehrperioden (GF1, GF10, GF30, GF100, GF300) ermittelt und daraus die mittlere jährliche Geschiebefracht abgeleitet. Das Verfahren beinhaltet neue methodische Ansätze zur Abschätzung häufiger Ereignisfrachten (GF1, GF10) sowie die Erfassung von Geschiebeverlagerungsprozessen im Kegelbereich und schlussendlich die Ableitung der mittleren jährlichen Geschiebefracht in den Vorfluter. Die Anwendung des Abschätzverfahrens erfordert fundierte Kenntnisse im Bereich der Geschiebeabschätzung.
Die Methode " Geschiebeabschätzung in steilen Bächen " ist durchführbar in Bächen mit einem Einzugsgebiet < 20 km2 und einem mittleren Gefälle des Hauptgerinnes von > 10 %.
10 Entwicklung der Methode
10.1 Prozesse häufiger Ereignisse bis zum Kegelhals
Zur Methodenentwicklung wurden die dokumentierten Leerungskubaturen der Geschiebesammler inkl. der Ereigniskataster von 75 Einzugsgebieten des Geschiebemessnetzes der Gruppe für operationelle Hydrologie GHO (SOLID-Datenbank des BAFU) ausgewertet.
Anhand der Messreihen konnten Extremwertstatistiken für Ereignisse hoher Wiederkehrperioden (1-jährlich, 10-jährlich) berechnet werden. Diese dienten zur Eichung und Validierung des Abschätzverfahrens für die Bestimmung der 1-jährlichen und 10-jährlichen Geschiebefracht am Kegelhals. Ferner konnte eine mittlere jährliche Geschiebefracht in Bezug auf die vorhandenen Daten berechnet werden.
Auswertungen SOLID-Datenbank
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 32
Um die Prozesse von sehr häufigen Ereignissen (1-jährlich) zu verstehen, wurden Geländeanalysen und Abflussabschätzungen basierend auf Daten von Niederschlagsmessstationen (IMIS) durchgeführt:
Dabei konnte Folgendes festgestellt resp. abgeleitet werden:
• Die 1-jährliche Geschiebefracht setzt sich aus mehreren Ereignissen zusammen. Im Schnitt dürften es zwischen 3 und 6 Ereignisse sein.
• Die Abflüsse, welche jährlich mehrmals auftreten, erreichen bei kleinen Bächen (bis ca. 2 km2) höchstens 0.5-1 m3/s. Bei grösseren Bächen können 1 m3/s auch überschritten werden, jedoch dürfte der spezifische Abfluss jeweils deutlich kleiner als 1 m3 / s*km2 sein.
• In breiten Gerinnen aus Lockermaterial ab ca. 3 m Breite bilden sich mäandrierende Sekundärgerinne mit kleinen step-pool-Sequenzen, in welchen der Geschiebetransport erfolgt. Die Sekundärgerinne weisen ein kleineres Gefälle als jenes des entsprechenden Gerinneabschnitts auf.
• Die transportierte Kornfraktion ist kleiner als bei Grossereignissen und wird folglich durch die vorhandenen Kornverteilungskurven nicht zufriedenstellend abgedeckt. Die grössten transportierten Komponenten dürften sich im Bereich von ca. 5-8 cm bewegen und sind damit deutlich kleiner als die grössten im Bach vorgefundenen Komponenten.
• Bei den kleinen Ereignissen sind die Rauigkeitselemente grösser als bei Grossereignissen. Grössere Hindernisse und Blöcke ab ca. 30 cm werden umflossen und nicht mittransportiert, sie können aber zu kleineren lokalen Geschiebeablagerungen führen.
• Tiefen- und Böschungserosion spielen praktisch keine Rolle. Das transportierte Geschiebe stammt aus den unverfestigten Geschiebebänken und dem laufenden Geschiebe entlang der Sohle. Ein Aufreissen der Sohle findet nicht statt. Allerdings können in den kleinen Sekundärgerinnen temporäre, feinkörnige Pflästerungserscheinungen auftreten.
• Die Transportwege sind bei den kleinen Ereignissen generell kurz und beschränken sich bis auf wenige 100 m.
Geländeaufnahmen für Prozessverständnis
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 33
10.2 Prozesse vom Kegelhals bis zum Vorfluter
Es kann davon ausgegangen werden, dass der Gerinnequerschnitt auf dem Kegel eines Seitengerinnes natürlicherweise eine Kapazität aufweist, die nur für kleinere, häufige Ereignisse ausreicht, so dass seltenere Ereignisse meist ausbrechen, auf dem Kegel grösstenteils zur Ablagerung kommen und daher nur bedingten Einfluss für den Vorfluter haben.
Bei steilen Gerinnen ohne Schwemmkegel kann sämtliches Geschiebe in den Vorfluter gelangen. Bei flacheren Gerinnen ohne Schwemmkegel bestimmt die Transportkapazität die Menge des Geschiebeflusses in den Vorfluter.
Durch Absenkung des Vorfluters kann der Seitenbach seine Sohle im Kegel erodieren, so dass die natürliche Kegelfunktion als Ablagerungsgebiet nicht mehr gewährleistet ist. In diesem Fall können die Geschiebefrachten sämtlicher Ereignisse in den Vorfluter gelangen.
Durch die Besiedlung der Kegel wurden künstliche Fliesshindernisse wie Brücken, Durchlässe und Eindolungen geschaffen. Wo diese eine zu geringe Durchflusskapazität aufweisen, bricht das Geschiebe auf den Kegel aus. Für den Vorfluter sind diese ausgetretenen Geschiebemengen nicht mehr relevant.
Zum Schutz vor Hochwasser und Übersarungen wurden in der Vergangenheit einerseits Geschiebe-Rückhalte-Massnahmen am Kegelhals errichtet. Die Geschiebefracht in den Vorfluter entspricht somit der Geschiebemenge, welche den Geschiebesammler passieren kann, sowie allfälliger Erosionen im Unterlauf. Andererseits wurden Längsverbauungen zur Erhöhung der Transportkapazität errichtet, wodurch die Geschiebelieferung in den Vorfluter gegenüber dem naturnahen Zustand erhöht wurde.
Auch der Vorfluter hat aufgrund seiner heutigen Lage und Breite in der Talebene einen Einfluss auf den Geschiebeeintrag aus den Seitengerinnen. Waren die Vorfluter in früheren Zeiten noch auf der ganzen Talbreite aktiv, sind die Gerinne heute meistens kanalisiert und fliessen entweder in der Talmitte oder entlang einer Talseite. Die Erreichbarkeit des Vorfluters für das Geschiebe des Seitengerinnes ist dadurch nur noch beschränkt gegeben.
Aus obigem Gedankenmodell wurden nachfolgende Geschiebe-limitierende Elemente (GLE, s. auch Kapitel 11.3) für den Kegelabschnitt definiert, welche eine Reduktion der Geschiebefracht in den Vorfluter bewirken.
- Geschiebesammler
Aktiver Kegel
Inaktiver Kegel (natürlich und Kulturlandschaft)
Einfluss von Verbauungen
Bedeutung des Vorfluters
Geschiebe-limitierende Elemente
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 34
- Eindolungen
- Durchlässe und Brücken
- Ungenügendes Querprofil
- Gefällsverflachung
Je nach Ausprägung des Gerinnes können im Unterlauf des Baches, auf dem Kegel oder unterhalb von Geschiebesammlern erneut Erosionen auftreten, welche die Geschiebefracht wiederum erhöhen.
Die Erosionen werden durch folgende Faktoren beeinflusst:
• Menge des verfügbaren Geschiebes beim betreffenden Szenarium
• Wassermenge und –sättigung durch bereits mitgeführte Feststoffe
• Gerinnegeometrie
• Sohlenbeschaffenheit (Kornverteilung)
• Gefällsverhältnisse (gestreckt, step-pool, usw.)
Erosionen unterhalb von Geschiebe-ablagerungsplätzen
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 35
BÜ
RO
Bach nicht relevant
keine weitere Untersuchung
Bach relevant
Wahl der Methode
Transportkapazität Geschiebeabschätzung steile Bäche
zuverlässige Geschiebedaten
vorhanden?
Abschätzung Ereignisfrachten (G1, G10,
G30, G100, G300) bis Kegelhals
GE
LÄN
DE
BÜ
RO
Bei Bedarf Durchführung des Verfahrens für den naturnahen Zustand
Bestimmung der Geschieberelevanz
Relevanz unklar
Prüfung der Geschieberelevanz
Bestimmung der Geschiebeverluste im
Kegelbereich pro Szenario
ja
nein
Für relevante Szenarien: Geschiebefracht minus
Verluste berechnen
ja
nein
Erhebung der Geschiebeverluste
notwendig?
Ableitung von Ereignisfrachten auf mittlere jährliche Geschiebelieferung
in Vorfluter
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 11.2
Kapitel 11.3
Kapitel 11.4
Kapitel 11.5
11 Anleitung zur Methode Geschiebeabschätzung in steilen Bächen
11.1 Übersicht
Abb. 13: Ablaufschema für die Methode „Geschiebeabschätzung in steilen Bächen“
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 36
11.2 Erhebung der Geschiebefrachten
Bei der Ermittlung von Ereignisfrachten für Seitenbäche mit grosser Geschieberelevanz empfiehlt sich eine umfassende Beurteilung im Gelände nach den Verfahren Lehmann [8] und Gertsch [4]. Die übrigen Seitenbäche können mit dem nachfolgend beschriebenen Verfahren beurteilt werden.
Als Basis für die Abschätzung von Ereignisfrachten dient das 100-jährliche Ereignis. Daraus erfolgen Ableitungen für die anderen Szenarien. Die Geschiebefrachten der sehr häufigen Ereignisse (1-jährlich) werden mit einem speziellen Vorgehen abgeschätzt.
Die Abschätzung der Geschiebefracht für ein 100-jährliches Ereignis kann anhand von Luftbildern und Karten gemäss den Abb. 14 und Abb. 15 erfolgen. Die einzelnen Kriterien in Abb. 14 werden wie folgt abgearbeitet:
1. Zuerst wird die Murfähigkeit des Wildbaches gemäss GHO [5] beurteilt:
• Hangneigung, bzw. Gerinnegefälle: > 27° im Hangbereich, bzw. 25 % im Gerinne können als Kriterien für die Entstehung von Murgängen herangezogen werden
• Ein Gefälle von > 20 % ermöglicht die Fortbewegung von Murgängen
• Längere Strecken mit geringem Gefälle (deutlich < 20 %) können einen Murgang „verhungern“ lassen
• Für die Entstehung von Murgängen ist eine minimale Einzugsgebietsgrösse von einigen Hektaren nötig
• Prüfung früherer Murgangspuren (Levées, Murköpfe, unregelmässiges Relief des Kegels, …)
2. In zweiter Linie werden Faktoren bestimmt, welche die Geschiebefracht beeinflussen können:
• Grosse Geschiebeherde: die Geschiebeherde sind deutlich erkennbar und / oder als potenzielle Geschiebeherde mit hohem Feststoffaufkommen bekannt.
• Längere Felsstrecken: 200-300 m lange Felsstrecken, zusammenhängend oder über eine längere Strecke verteilt. Bei grösseren Einzugsgebieten beträgt die Summe der Felsstrecken mindestens 20 % der Hauptgerinnelänge.
• Grössere Retentionsmöglichkeiten: Bedeutende Anteile des Geschiebes (voraussichtlich >20 %) werden zurückgehalten. Das Gefälle der betreffenden Gerinneabschnitte ist kleiner als das Durchschnittsgefälle des Hauptgerinnes und / oder deren Bachbreite
Abschätzung der 100-jährlichen Geschiebefracht (GF100)
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 37
ist grösser als der Durchschnitt des Baches (soweit auf dem Luftbild erkennbar).
Abb. 14: Grobbestimmung der 100-jährlichen Feststofffracht in kleinen Einzugsgebieten (Quelle: GHO [5])
Spez. Fracht Molasse Flysch Kalk Kristallin
m3/km2 10 km2- 1 km2 10 km2- 1 km2 10 km2- 1 km2
sehr klein 20 – 100 150 200 – 800 400 – 3‘000
klein 50 – 200 1‘500 500 – 1‘000 800 – 5‘000
mittel 150 – 500 5‘000 1‘000 5‘000 1‘500 – 15‘000
gross 500 – 1‘500 10‘000 2‘000 – 10‘000 3‘000 – 30‘000
sehr gross (800 – 3‘000) 20‘000 3‘000 – 30‘000 8‘000 – 80‘000
Abb. 15: Spezifische Feststofffracht (m3/km2) in Abhängigkeit der Geologie und Einzugsgebietsgrösse. Die spezifische Feststofffracht nimmt mit zunehmender Einzugsgebietsgrösse ab (Ausnahme Flyschgebiete). Quelle: GHO [5]
Die aus Abb. 14 ermittelte Grössenklasse (klein bis sehr gross) dient als Basis für die Bestimmung der Geschiebefracht. In den Kategorien Molasse, Kalk und Kristallin gilt die jeweils kleine Zahl für ca. 10 km2 grosse Einzugsgebiete, die grosse Zahl für solche von etwa 1 km2. Für dazwischenliegende Einzugsgebietsgrössen muss interpoliert werden, für grössere wird eine entsprechende Extrapolation vorgeschlagen.
Einzugsgebiet
Methodisches Vorgehen Zur Bestimmung der Feststofffracht
Sehr klein klein mittel gross Sehr gross
Nicht murfähig
n j
n n
n
n
nn n
n
n n n
n n n n n n n
j j
j j j
j j
j j j j
j j j j j j j j
Voraussichtliche Spezifische Feststofffracht
Entstehung eines Murganges möglich
Gerinneabschnitte mit deutlich unter 20 %
vorhanden
Voraussichtlicher Wildbach-Typ bezüglich des
Verlagerungsprozesses
Grosse Geschiebeherdeim unmittelbaren
Gerinnebereich vorhanden
Längere Felsstrecken vorhanden
Grössere Retentions-möglichkeiten für
Feststoffe vorhanden
Durchschnittsgefälle des Hauptgerinnes über 20 %
murfähigEventuell murfähig4
1 1 1 1 1 1 1
Nicht murfähiger WildbachBerechnungsvorgang für
Geschiebetransport
2 2 2 23 3 3 3n
1
Murfähiger Wildbachmit Ablagerungsmöglichkeiten
Abschätzung des Feststoff- und des Ablagerungspotenzials
Murfähiger Wildbach ohne AblagerungsmöglichkeitenAbschätzung des Feststoff-
potenzials
Eventuell murfähiger Wildbach
Vorgehen für 1 und 2 durchführen
1
2
3
4
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 38
Anwendungsbeispiel: Die Bestimmung anhand Abb. 14 hat eine „kleine“ spezifische Fracht ergeben. Das Einzugsgebiet liegt in den Kalkalpen und ist 5 km2 gross. Anhand der Spalte „Kalk“ (Abb. 15) ergibt sich in der Zeile „klein“ ein Wert von ca. 750 m3/km2, für die 5 km2 sind dies gerundet knapp 4000 m3 .
Für die Kategorie Flysch wurden anhand der zur Verfügung stehenden Daten keine Beziehung zwischen der Feststofffracht und der Einzugsgebietsgrösse gefunden. Bei grösseren Einzugsgebieten könnte dies deshalb zu einer Überschätzung der Frachten führen.
Für die Abschätzung der 30- und 300-jährlichen Geschiebefracht wird von der 100-jährlichen Geschiebefracht GF100 mittels eines Multiplikations-faktors auf eine 300-jährliche Geschiebefracht geschlossen. Ebenso wird mittels eines Faktors eine 30-jährliche Geschiebefracht berechnet. Für den gutachterlichen Entscheid, welche Faktoren jeweils verwendet werden sollen, wurde eine Entscheidungshilfe erstellt (vgl. Tab. 3). Dabei wird für jede Zeile ein entsprechender Faktor für das GF300 und das GF30 gewählt. Die Bandbreiten der vorgegebenen Faktoren sollen die Unsicherheiten zeigen und dem Bearbeiter einen gewissen Spielraum lassen:
• Vorherrschender Transportprozess:
Es wird angenommen, dass bei murfähigen Einzugs-gebieten das Spektrum zwischen der 30-, 100- und 300-jährlichen Geschiebefracht grösser sein kann als bei Bächen mit fluvialem Geschiebetrieb.
• Einzugsgebiets-flächen:
Es wird davon ausgegangen, dass sich die 30- und 300-jährlichen Geschiebefrachten umso weniger von der 100-jährlichen Geschiebefracht unterscheiden, je kleiner das Einzugsgebiet ist. Je grösser das Einzugsgebiet, umso höher wird somit der Faktor für das 300-jährliche Ereignis gewählt, beim 30-jährlichen Ereignis entsprechend tiefer.
• Längere Felsstrecken:
Je mehr Felsabschnitte vorhanden sind, umso kleiner werden voraussichtlich die Unterschiede zwischen dem 30-, 100- und dem 300-jährlichen Ereignis sein, da für alle diese Szenarien nur ein beschränktes Geschiebepotential vorhanden ist. Die Faktoren nähern sich somit umso mehr an 1 an, je mehr Felsstrecken vorhanden sind.
• Grosse Die Geschiebemobilisation aus grossen Geschiebe-herden ist beim 300-jährlichen Ereignis mit hoher
Abschätzung der 300-jährlichen (GF300) und 30-jährlichen (GF30) Geschiebefracht
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 39
Geschiebeherde: Wahrscheinlichkeit höher als beim 100-jährlichen Ereignis. Beim 30-jährlichen Ereignis ist die anfallende Geschiebefracht kleiner. Somit ist der Faktor umso höher bei 300-jährlichen Ereignissen (umso tiefer bei 30-jährlichen Ereignissen), je mehr grosse Geschiebeherde vorhanden sind.
• Retentions-möglichkeiten:
Es wird davon ausgegangen, dass Retentions-möglichkeiten im Einzugsgebiet einen ausgleichen-den Charakter haben. Je mehr Retentionsmöglichkeiten bestehen, desto näher an 1 liegen die Faktoren.
• Schwellen-prozesse:
Bei seltenen Ereignissen können sog. Schwellenprozesse eintreten, welche Abflüsse und Geschiebefrachten um eine Grössenordnung erhöhen können. Solche Schwellenprozesse werden vor allem beim 300-jährlichen Ereignis aktiviert. Beispielhaft zu nennen sind z.B. Ausbrüche von Flutwellen nach Verklausungen oder aus Wassertaschen im Gletscher, konzentrierte Austritte von Karstwasser, Abgänge von Grossrutschungen, Mobilisierung von grossen Geschiebeherden im Periglazialbereich, usw. Beim 300-jährlichen Ereignis ist eine grosse Bandbreite eines Faktors möglich, beim 30-jährlichen fällt der Faktor eher marginal ins Gewicht.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 40
Tab. 3: Multiplikationsfaktoren zur Berechnung der GF30 und GF300 aus GF100
Berechnung GF300 und GF30 aus GF100 Multiplikationsfaktoren
für GF300 für GF30
Vorherrschender Transportprozess im Einzugsgebiet
fluvialer Geschiebetrieb
1.0 - 1.2 0.6 - 0.7
Murgang 1.8 - 2.0 0.3 - 0.5
Einzugsgebietsfläche 0-0.5 km2 0.5-5 km2
>5 km2
1.0 - 1.2 1.2 - 1.7 1.5 - 2.0
0.6 - 0.7 0.4 - 0.6 0.3 - 0.4
Längere Felsstrecken vorhanden?
Ja Nein
1.0 - 1.2 1.5 - 2.0
0.7 - 0.9 0.3 - 0.5
Grosse Geschiebeherde vorhanden?
Ja Nein
1.5 - 2.0 1.0 - 1.2
0.3 - 0.5 0.7 - 0.9
Retentionsmöglichkeiten vorhanden?
Ja Nein
1.0 - 1.2 1.5 - 2.0
0.7 - 0.9 0.3 - 0.5
Schwellenprozesse nicht möglich
möglich 1.0
2.0 - 5.0 1.0 1.0
Endgültiger
Faktor
Mittelwert bilden
= Faktor f300
Mittelwert bilden
= Faktor f30
Berechnung GF300 =GF100*f300
GF30 =GF100*f30
Bei der Bearbeitung ist bei jedem der 6 Kriterien sowohl für das 30-jährliche als auch für das 300-jährliche Ereignis ein Faktor festzulegen. Danach wird aus den 6 Faktoren ein Mittelwert gebildet, der anschliessend als massgeblicher Multiplikationsfaktor mit der 100-jährlichen Geschiebefracht multipliziert wird.
Falls detailliertere Informationen zu den Szenarien bestehen, können die einzelnen Faktoren vorgängig auch gewichtet oder einzelne Faktoren weggelassen werden.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 41
Anwendungsbeispiel
Annahme: vergletschertes, murfähiges, 2.8 km2 grosses Einzugsgebiet mit einer Schlucht im Mittellauf, keine Retentionsmöglichkeiten. Abgeschätzte 100-jährliche Geschiebefracht 8‘000 m3.
Das hier vorgestellte Verfahren basiert auf der Annahme, dass bei einem 10-jährlichen Ereignis in einem Seitengerinne die gesamte Sohlenbreite vom Abfluss betroffen ist und somit Geschiebe aus der Gerinnesohle mobilisiert werden kann. Vereinfachend wird zusätzlich davon ausgegangen, dass weder Böschungserosion noch Geschiebeeintrag aus den angrenzenden Hängen erfolgt. Die gesamte Geschiebeherkunft stammt somit aus der Sohle.
In einem ersten Schritt wird das geschieberelevante Gerinnesystem nach dem Kriterium „Gerinnebreite“ in homogene Abschnitte aufgeteilt. Die Geschiebefracht GF10 aus der Sohle wird für alle homogenen Gerinneabschnitte durch eine Multiplikation der Sohlenbreite (SB) mit einer vordefinierten mittleren Erosionsmächtigkeit von 6.5% der Sohlenbreite und der Länge des Gerinneabschnitts (LGA) berechnet. Die Ergebnisse aller homogenen Gerinneabschnitte werden als Zwischenresultat zu einer Geschiebefracht am Kegelhals aufaddiert.
GF10 = (�(SBi ∗ 0.065 ∗ SBi ∗ LGA) ∗ Korrekturfaktoreni
k=1
Für das Schlussresultat wird das Ergebnis mit verschiedenen Korrekturfaktoren multipliziert. Für die Bestimmung der Korrekturfaktoren wurde eine Hilfstabelle erstellt (Abb. 16). Für die Abschätzungen der Korrekturfaktoren sind Kenntnisse aus dem Gelände unbedingt erwünscht.
Kriterium: Faktoren für GF300:
Faktoren für GF30
Transportprozess murfähig 2.0 0.5
Einzugsgebietsfläche 2.8 km2 1.5 0.5
Längere Felsstrecken ja 1.2 0.8
grosse Geschiebeherde nein 1.2 0.8
Retentionsmöglichkeit nein 1.7 0.4
Schwellenprozesse (bei 300-j ja) 3.0 1.0
Mittelwerte, Faktor f300, f30: 1.76 0.66
GF300 und GF30 8000 m3 * 1.76 = 14‘080 m3
8000 m3 * 0.66 = 5280 m3
runden GF300 = 14‘000 m3 GF30 = 5‘000 m3
Abschätzung der 10-jährlichen Geschiebefracht (GF10)
Korrekturfaktor GF10
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 42
Notfalls können die meisten Informationen aus Orthofotos und topographischen Karten entnommen werden, falls genügend Einsicht in den Gerinnebereich besteht.
Abb. 16: Erhöhende und reduzierende Korrekturfaktoren für die Abschätzung des GF10
Erhöhende Faktoren führen dazu, dass das Zwischenresultat der 10-jährlichen Geschiebefracht mit Faktoren >1 multipliziert werden, reduzierende Faktoren weisen Werte <1 auf. Für jedes erhöhende oder reduzierende Kriterium wird der Faktor bestimmt und anschliessend fortlaufend mit den Zwischenresultaten multipliziert.
Mit Ausnahme der nachfolgend aufgeführten Punkte sind die Korrekturfaktoren selbsterklärend.
• Felsanteile in Sohle: Für auf Fels verlaufende Gerinneanteile wird der entsprechende Anteil mittels Korrekturfaktor berücksichtigt. Bei einer Felssohle auf 30% der Gerinnestrecke wird entsprechend ein Faktor 0.7 multipliziert.
• Rauigkeitselemente: Falls von Geländeaufnahmen die Formrauigkeiten im Gerinne bekannt sind, können diese hier als reduzierende Faktoren einbezogen werden. Je länger diese Abschnitte sind, umso tiefer wird der reduzierende Faktor gewählt.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 43
• Entkoppelung von Teilen des Einzugsgebiets:
Sind Teile des Einzugsgebiets geschiebemässig durch z.B. eine Flachstrecke oder Geschiebesammler im Einzugsgebiet abgekoppelt, kann der entsprechende Anteil durch einen Faktor reduziert werden. Dabei wird gleich vorgegangen wie bei den Felsstrecken. Wenn 40 % des Einzugsgebiets abgekoppelt sind, wird ein Faktor von 0.6 gewählt.
• Verbauung/Sperre im Einzugsgebiet:
Weist das Hauptgerinne Sperrenbauten auf, welche Geschiebe zurückhalten, kann dieser reduzierende Effekt mit einem Korrekturfaktor zwischen 0.5 und 1 berücksichtigt werden.
Anwendungsbeispiel 10-jährliche Geschiebefracht:
Ein Gerinnesystem besteht aus 3 homogenen Gerinneabschnitten (GA) mit folgender Sohlenbreite und Gerinnelänge:
GA1, 2 m breit, 180 m lang GA2, 5 m breit, 650 m lang GA3, 7 m breit, 230 m lang
Berechnung Schritt 1, Zwischenresultat
GA Sohlenbreite [m] Mächtigkeit [m] Länge [m] Geschiebefracht [m3] GA1 2 * (2*0.065) * 180 = 47 GA2 5 * (5*0.065) * 650 = 1056 GA3 7 * (7*0.065) * 230 = 732 Geschiebefracht Zwischenresultat 1835
Anwendung Korrekturfaktor
Erhöhende Korrekturfaktoren: Murfähigkeit bis zum Kegelhals: Annahme evtl. Faktor 3 1835 * 3 = 5505 Mittleres Gefälle Hauptgerinne: 25 % Faktor 1.2 5506 * 1.2 = 6606
Reduzierende Faktoren: Einzugsgebietsfläche: 2.8 km2 kein red. Faktor überdurchschn. Sohlenbreite: nicht vorhanden kein red. Faktor
Felsanteile in Sohle: 30% Felssohle Faktor 0.7 6608 * 0.7=4624 Rauigkeitselemente: streckenweise Faktor 0.8 4625 * 0.8=3699
Entkoppelung Teile Einzugsgebiet: nein kein red. Faktor Verbauungen: nein kein red. Faktor
Schlussresultat 10-jährliche Geschiebefracht: 3‘700 m3
Die Abschätzung der 1-jährlichen Geschiebefracht erfolgt aufgrund der in Kapitel 10.1 genannten Prozessbetrachtungen.
Vorgehensvorschlag:
1. Der Bach wird auf den untersten ca. 300 – 400 m begangen.
2. Sind Hindernisse wie Felsen, grosse Blöcke im Bereich von Sekundärgerinnen usw. vorhanden, sind diese für die spätere Bestimmung des Korrekturfaktors (Tab. 4) zu berücksichtigen.
3. Festlegung der Grössenordnung des Abflusses: In kleinen Einzugsgebieten bis ca. 2 km2 höchstens 0.5-1 m3/s, bei grösseren Einzugsgebieten < 2 m3/s.
Abschätzung der 1-jährlichen Geschiebefracht (GF1)
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 44
4. Festlegung der Breite eines Sekundärgerinnes im Lockermaterial (1-3 m, je nach Bachgrösse).
5. Abschätzung der transportierbaren grössten Geschiebe-komponenten, möglichst anhand vorhandener Ablagerungen in bestehenden Sekundärgerinnen. Andernfalls ist aufgrund von Erfahrungen mit einem transportierbaren d90 von etwa 5 – 8 cm auszugehen.
6. Festlegung der Länge der Transportstrecke (ca. 100 m für kleine Einzugsgebiete bis ca. 2 km2; 300 - 400 m für grössere Einzugsgebiete).
7. Berechnung wie folgt (Korrekturfaktoren in Tab. 4):
GF1 = LTS * BSG * ET * k
LTS = Länge der Transportstrecke (m)
BSG = Breite Sekundärgerinne (m)
ET = „Erosionstiefe“ des transportierbaren Geschiebes d90
k = Korrekturfaktor (0.2 – 0.5)
8. Ergebnis mit 5 (5 Ereignisse pro Jahr als angenommener Durchschnittswert) multiplizieren.
9. Plausibilitätskontrolle. Pro Ereignis sollte im Normalfall eine Geschiebefracht von <100 m3 transportiert werden. Abschätzung: ist mein Ergebnis realistisch ?
10. Bei kleinen Gerinnen v. a. des Mittellandes sind oft keine Sekundärgerinne erkennbar. Hier ist die Geschiebefracht anhand vom Volumen temporärer Ablagerungen innerhalb der definierten Transportstrecke zu erfassen. Es werden aber nur die Ablagerungen berücksichtigt, welche bei den kleinen Abflüssen erodiert werden (Abb. 17).
Abb. 17: Gerinne mit temporären Ablagerungen
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 45
Tab. 4: Korrekturfaktoren für Lockermaterialgerinne. Die beiden Korrekturfaktoren stellen Alternativen dar.
Beobachtung Einfluss Korrektur-faktor
Bemerkung
Step-pool Sequenzen vorhanden Erosion auf der Hälfte der Strecke
0.5
Viele Hindernisse zusätzlich im step-pool Bereich
Erhöhung des Anteils Ablagerung
0.2 – 0.4 0.4 gilt für wenig Hindernisse
11.3 Verluste auf Kegel oder auf einer Flachstrecke
Auf Kegeln mit grösserem Schadenpotenzial wurden vielerorts Geschiebesammler gebaut. Diese stellen oft das wichtigste Element für Geschiebeablagerungen bis zum Vorfluter dar. Dabei kann unterschieden werden zwischen offenen und geschlossenen Geschiebesammlern (Abb. 18).
Bei geschlossenen Geschiebesammlern wird von einem vollständigen Geschieberückhalt ausgegangen. Diese Vereinfachung trifft beim Eintritt des Überlastfalls nicht zu. Ein Teil der Geschiebefracht überfliesst das Abschlussbauwerk und gelangt unterhalb davon in oder neben das Gerinne. Nur in Fällen, in denen der überwiegende Anteil der Geschiebefracht in das Gerinne gelangen kann, sollte der Überlastfall berücksichtigt werden. Im andern Fall sind die Auswirkungen auf die mittlere jährliche Geschiebefracht marginal20
Bei offenen Geschiebesammlern kann Geschiebe durch das Auslaufbauwerk in den untenliegenden Gerinneabschnitt gelangen. Aber auch hier kann die gesamte Geschiebefracht infolge Verstopfung des Auslaufbauwerks beispielsweise durch Holz zurückgehalten werden.
.
20 Eine Weiterverlagerung von 5000 m3 im Gerinne als Teil einer 100-jährlichen Geschiebefracht von 20‘000 m3 bewirkt eine mittlere jährliche Frachterhöhung von 50 m3. Dies liegt im Fehlerbereich der Abschätzung.
Einfluss Geschiebesammler
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 46
Abb. 18: Geschlossener (links) und offener (rechts) Geschiebesammler. Als geschlossene Sammler gelten auch Konstruktionen mit kleinen Öffnungen.
Konkret wird für die Beurteilung von Geschiebesammlern das Vorgehen gemäss Abb. 19 vorgeschlagen:
• Unterscheidung zwischen geschlossenem und offenem Geschiebesammler
• Bei geschlossenen Bauwerken bleibt trotz möglichem Überlastfall (siehe oben) alles Geschiebe liegen. Die Beurteilung erfolgt anschliessend, ob Erosionen unterhalb des Geschiebeablagerungs-platzes möglich sind (siehe unten).
• Bei offenen Geschiebeablagerungsplätzen sind die Szenarien für die Durchlässigkeit des Abschlussbauwerks zu definieren. Die Durchflussszenarien sind abhängig von der Lichtweite der einzelnen Balkenschlitze:
o „kein Geschiebe“: die Schlitzweiten sind klein und werden bereits bei kleinen Ereignissen verstopft (durch Holz / Geschiebe). Der Geschiebefluss aus dem Bauwerk ist vernachlässigbar klein oder inexistent.
o „<1-jährliche Ereignisse“: die Schlitzweiten sind gross genug für den Durchfluss kleiner Geschiebemengen. Eine Verstopfung der Balkenschlitze ist bei kleinen Ereignissen nicht zu erwarten.
o „10-jährliche Ereignisse“ oder 30-jährliche Ereignisse: Die Konfiguration des Abschlussbauwerkes erlaubt den Durchfluss grösserer Geschiebemengen.
Es wird davon ausgegangen, dass seltene Ereignisfrachten partiell im Sammler zurückgehalten werden und der Austrag maximal einem 30-jährlichen Ereignis entspricht.
Unterhalb des Geschiebeablagerungsplatzes können zusätzliche Erosionen für eine Zunahme der Geschiebefracht sorgen. Die zusätzliche Fracht ist im Gelände oder gemäss den Vorgaben in diesem Kapitel zu bestimmen. Dabei
Erosion unterhalb von Geschiebesammlern
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 47
Geschiebesammler
offengeschlossen
Abschätzung Erosionskubatur unterhalb Sammler pro Szenario
pro Szenario: Eintrag in Vorfluter = Austrag aus Sammler
falls notwendig: Erhebung der GLE im Kegelbereich
kein Geschiebeeintrag in Vorfluter
Geschiebeszenarien durch das Abschlussbauwerk des Sammlers
kein Geschiebe 1-jährlich 10-jährlich 30-jährlich
Erosion unterhalb Sammler möglich?
pro Szenario: Eintrag in Vorfluter = Austrag aus Sammler plus
Erosionen unterhalb
Erosion unterhalb Sammler möglich?
ja
neinnein
ja
sind die höheren Wassermengen bei seltenen Ereignissen im Vergleich zu den kleinen Ereignissen zu berücksichtigen (höhere Erosionsbeträge).
Sind keine Geschiebe-limitierenden Elemente (GLE) gemäss Abb. 20 vorhanden, entspricht der Geschiebeeintrag in den Vorfluter dem Austrag aus dem Geschiebeablagerungsplatz plus den Erosionen unterhalb davon.
Abb. 19: Beurteilung des Einflusses von Geschiebesammlern21
Bei Existenz von Geschiebe-limitierenden Elementen wie Brücken, Durchlässe usw. ist die entsprechende Kriterienliste (
Abb. 20) zusätzlich zu verwenden. Dabei ist die Kriterienliste jeweils für jedes einzelne Element hintereinander anzuwenden.
Als Geschiebe-limitierende Elemente sind in der Kriterienliste aufgeführt:
• Eindolung Die Fassung eines Baches in ein Röhrensystem unterbindet in der Regel den Geschiebefluss beim Einlauf in die Röhre. Kein Geschiebe gelangt in den Vorfluter resp. zum nächstunteren
21 Bei offenen Geschiebesammlern ist zudem zu prüfen, ob die Fracht kleiner Ereignisse überhaupt bis zum Abschlussbauwerk gelangen kann.
Geschiebe-limitierende Elemente GLE
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 48
Durchlass BrückeAbnahme Transport-kapazität
Ungenü-gendes
QuerprofilKein GLE
Geschiebeeintrag zum nächsten GLE bzw. Eintrag in den Vorfluter
Geschiebelimitierende Elemente (GLE)
10-j. Ereignis
30-j. Ereignis
100-j. Ereignis
Es gehen durch im Gerinne
Alles Geschiebe
<1-j. Ereignis
Eindolung
Kein Geschiebe
Geschiebe-limitierenden Element. Mögliche relevante Erosionen unterhalb der Eindolung sind fallweise zu prüfen.
• Durchlass Durchlässe sind häufig ein Engnis. Möglicher-weise passiert nur ein Teil der Geschiebefracht den Durchlass.
• Bei den anderen Geschiebe-limitierenden Elementen wie Brücken, Abnahme der Transportkapazität (z. B. durch Gefällsknick oder Verbreiterung des Gerinnes oder der Sohlenrauigkeit) sowie bei ungenügendem Querprofil für den Weitertransport des Geschiebes wird ebenfalls gutachterlich festgelegt, für welches Geschiebeszenarium ein Durchfluss möglich ist.
Abb. 20: Beurteilung der Geschiebe-limitierenden Elemente zwischen dem Schätzpunkte der Geschiebefrachten und der Mündung in den Vorfluter
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 49
11.4 Bilanzierung bis Vorfluter
Für jedes der Szenarien wird nun eine Geschiebebilanz erstellt, welche sich durch die Geschiebefracht minus der Geschiebereduktionen im Kegelbereich ergibt.
Als Veranschaulichung dient das folgende Beispiel.
Für die einzelnen Geschiebefrachtszenarien wurden folgende Werte bis zum Kegelhals geschätzt:
300-jährliche Geschiebefracht: 20'000 m3 100-jährliche Geschiebefracht: 10'000 m3
30-jährliche Geschiebefracht: 2'000 m3 10-jährliche Geschiebefracht: 500 m3 1-jährliche Geschiebefracht: 100 m3
Auf dem Kegel befindet sich oben ein Geschiebeablagerungsplatz mit offenem Abschlussbauwerk. Es wurde festgestellt, dass das Abschlussbauwerk des Sammlers bis zu 3000 m3 durchlässt, womit die Fracht eines ca. 30-jährlichen Ereignisses in die unteren Gerinneabschnitte gelangt.
Unterhalb des Sammlers befinden sich 2 kleine Brücken sowie zuunterst ein markanter Gefällsknick. Die Kapazität für die obere Brücke beträgt 5000 m3. Somit stellt diese für die antransportierte Geschiebefracht kein Hindernis dar.
Die untere Brücke lässt 1000 m3 durch, beim Gefällsknick bleiben 500 m3 liegen. Insgesamt können maximal 500 m3 in den Vorfluter gelangen. Dies entspricht einem 10-jährlichen Ereignis. Die Fracht der Grossereignisse wird vom Kegelhals bis zur Mündung auf ein 10-jährliches Ereignis reduziert.
11.5 Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebefracht Gm in den Vorfluter
Die Bestimmung der mittleren jährlichen Geschiebefracht (Gm) erfolgt über eine Wertereihe:
Gm = ((1+300y)+(2*100y)+(7*30y)+(20*10y)+(270*1y))/ 300
Wobei z.B. 300y die Fracht eines 300-jährlichen Ereignisses bei Einmündung in den Vorfluter bedeutet.
Wendet man das obige Beispiel für die Berechnung der mittleren jährlichen Geschiebefracht in den Vorfluter an, ergibt sich:
Gm= ((1+500 m3)+(2*500 m3)+(7*500 m3)+(20*500 m3)+(270*100 m3)) / 300
Gm= 140 m3.
Ableitung von Ereignisfrachten in mittlere jährliche Frachten
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 50
12 Validierung und Schlussfolgerungen
Aufgrund knapper Ressourcen war eine umfassende Validierung der vorliegenden Methodik durch z.B. ein unabhängiges Büro nicht möglich. Das Verfahren wurde jedoch in der Endphase der Arbeiten von Fachkräften der beiden verfassenden Büros an sechs Seitengerinnen getestet. Als Fazit des sehr rudimentären Validierungsdurchgangs können folgende Punkte festgehalten werden:
Bezüglich der Abschätzungen der Ereignisfrachten am Kegelhals ergaben sich zwischen den Fachkräften Unterschiede. Die Differenz lag jedoch immer bei einem Faktor unterhalb 2. Als Fazit kann somit festgehalten werden, dass die Resultate innerhalb einer akzeptablen Bandbreite liegen. Allerdings gilt festzuhalten, dass es sich bei den Fachkräften um jene Personen handelt, welche das Verfahren entwickelt haben.
Das Verfahren eignet sich für eine Pauschalbeurteilung der Seitenbäche. Für eine Einzelbetrachtung und Fragestellungen in detaillierterem Ausmass müssen weiterführende Untersuchungen und Berechnungen durchgeführt werden.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 52
Anhang A. Literaturverzeichnis
[1] Ferugson, R. (2007): Flow resistance equations for gravel and
boulder bed streams. Water Resources Research, 43, W05427, doi:10.1029/2006WR005422 .
[2] Fehr, R. (1987): Einfache Bestimmung der Korngrössenverteilung von Geschiebematerial mit Hilfe der Linienzahlanalyse. Schweizer Ingenieur und Architekt, Sonderdruck aus Heft 38.
[3] Gertsch, E., Lehmann, Ch., Spreafico, M., 2012: Methods for the Estimation of Erosion, Sediment Transport and Deposition in Steep Mountain Catchments. A contribution to the International Sediment Initiative of UNESCO / International Hydrological Programme. Internationale Kommission für die Hydrologie des Rheingebiets. Report No II-21 of the CHR.
[4] Gertsch, E., 2009: Geschliebelieferung alpiner Wildbachsysteme bei Grossereignissen - Ereignisanalysen und Entwicklung eines Abschätzverfahrens. Inauguraldissertation am Geographischen Institut der Universität Bern. Bern.
[5] GHO (Arbeitsgruppe für operationelle Hydrologie), 1996: Empfehlung zur Abschätzung von Feststofffrachten in Wildbächen. Arbeitsgruppe für operationelle Hydrologie GHO, Mitteilung Nr. 4. Bern.
[6] Günter, A. (1971): Die kritische mittlere Sohlenschubspannung bei Geschiebemischungen unter Berücksichtigung der Deckschichtbildung und der turbulenzbedingten Sohlenschubspannungsschwankungen, Mitteilung Nr. 3 der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich.
[7] Hunziker, R.P. (1995): Fraktionsweiser Geschiebetransport. Mitteilungen Nr. 138 der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich.
[8] Lehmann, Ch., 1993: Zur Abschätzung der Feststofffracht in Wildbächen – Grundlagen und Anleitung. Geographica Bernensia G42. Bern.
[9] Marti, C. (2006): Morphologie von verzweigten Gerinnen. Mitteilungen Nr. 199 der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 53
[10] Meyer-Peter, E., & Müller, R. (1948): Formulas for bedload transport. Conference of the International Association of Hydraulic Research. Stockholm.
[11] Pfaundler, M., & Zappa, M. (2006): Die mittleren Abflüsse über die ganze Schweiz. Ein optimierter Datensatz im 500 x 500 m Raster. Wasser, Energie und Luft, Heft 4/2006 , S. 291-298.
[12] Rickenmann, D. (1996): Fliessgeschwindigkeiten in Wildbächen und Gebirgsflüssen. Wasser, Energie, Luft, Heft 88 .
[13] Rickenmann, D. (2005): Geschiebetransport bei steilen Gefällen. Tagungspublikation zu VAW 75 Jahre, Festkolloquium 7. Oktober 2005, Mitteilungen Nr. 190 der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich.
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[15] Rickenmann, D., Chiari, M., & Friedl, K. (2006): SETRAC - A sediment routing model for steep torrent channels. Proceedings of River Flow - conference. Lisbon.
[16] Smart, G., & Jäggi, M. (1983): Sedimenttransport in steilen Gerinnen. Mitteilungen Nr. 64 der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich.
[17] Strickler, A. (1923): Beiträge zur Frage der Geschwindigkeitsformel und der Rauigkeitszahl für Ströme, Kanäle und geschlossenen Leitungen. Mitteilungen des Eidgenössichen Amest für Wasserwirtschaft. Bern.
[18] Zarn, B. (1997): Einfluss der Flussbettbreite auf die Wechselwirkung zwischen Abfluss, Morphologie und Geschiebetransportkapazität. Mitteilungen Nr. 64 der Versuchsanstaltfür Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich. Zürich.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 54
Anhang B. Abkürzungsverzeichnis
𝐚 (-) Exponent zur Berücksichtigung der Makrorauigkeit nach
Rickenmann (2005)
𝐀𝐓𝐫𝐚𝐩𝐞𝐳 (m2) Querschnittfläche
𝐁 (m) Bettbreite
𝐁𝐠𝐞𝐬𝐚𝐦𝐭 (m) Gesamte Bettbreite
%𝐁𝐞𝐰𝐮𝐜𝐡𝐬 (-) Anteil Bewuchs an der gesamten Bettbreite
𝐁𝐅 (m) effektive Bettbreite
𝐁𝐖,𝐌𝐚𝐫𝐭𝐢 (m) Reduzierte Wasserspiegelbreite für verzweigte Gerinne nach
Marti (2006)
𝐁𝐅,𝐌𝐚𝐫𝐭𝐢 (m) Reduzierte Bettbreite für verzweigte Gerinne nach Marti (2006)
𝐁𝐖,𝐙𝐚𝐫𝐧 (m) Reduzierte Breite für verzweigte Gerinne nach Zarn (1997)
𝐝𝟑𝟎 (m) Charakteristischer Korndurchmesser, 30% Gewichtsanteile des
Geschiebes sind feiner
𝐝𝐦 (m) Charakteristischer mittlerer Korndurchmesser einer Mischung
nach Meyer-Peter und Müller
𝐝𝟗𝟎 (m) Charakteristischer Korndurchmesser, 90% Gewichtsanteile des
Geschiebes sind feiner
𝐠 (m/s2) Erdbeschleunigung (9.81 m/s2)
𝐆𝐁 (kg/s) Geschiebetransportkapazität
𝐆𝐅𝐦𝐚𝐱,𝐤𝐠 (kg/Jahr) maximale mittlere jährliche Geschiebefracht
𝐆𝐅𝐦𝐢𝐧,𝐤𝐠 (kg/Jahr) minimale mittlere jährliche Geschiebefracht
𝐆𝐅𝐦𝐚𝐱,𝐦𝟑 (m3/Jahr) maximale mittlere jährliche Geschiebefracht
𝐆𝐅𝐦𝐢𝐧,𝐦𝟑 (m3/Jahr) minimale mittlere jährliche Geschiebefracht
𝐡 (m) Fliesstiefe
𝐉 (-) Sohlgefälle
𝐉𝐫𝐞𝐝 (-) Reduziertes Sohlgefälle
𝐉𝐫𝐞𝐝,𝐑.
Reduziertes Gefälle durch Berücksichtigung der Makrorauigkeit
nach Rickenmann 2005
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 55
𝐉𝐫𝐞𝐝,𝐙𝐚𝐫𝐧 (-) Reduziertes Gefälle für verzweigte Gerinne nach Zarn (1997)
𝐤𝐬𝐭 (m1/3/s) Strickler-Beiwert der Sohle
𝐦𝐛 (-) Böschungsneigung
𝐌𝐁𝐖 (-) Korrekturfaktor Breite für verzweigte Gerinne nach Marti (2006)
𝐤𝐫 (m1/3/s) Strickler-Beiwert für die Kornrauigkeit
𝐧𝐫𝐧𝐭𝐨𝐭
Verhältnis der Kornrauigkeit zur Gesamtrauigkeit des Gerinnes
𝐐 (m3/s) Abfluss
𝐐𝟎 (m3/s) Abfluss bei Transportbeginn
𝐐𝐃 (m3/s) Abfluss, bei dem die Deckschicht aufreisst
𝐑𝐡𝐲𝐝 (m) Hydraulischer Radius
𝐬 =𝛒𝐬𝛒
(-) relative Feststoffdichte
𝐒𝐙𝐚𝐫𝐧 (-) Korrekturfaktor Gefälle für verzweigte Gerinne nach Zarn (1997)
𝛒𝐬 (kg/m3) Feststoffdichte
𝛒 (kg/m3) Dichte des Wassers
𝐯𝐦 (m/s) Mittlere Fliessgeschwindigkeit
𝐯𝐦,𝐌𝐚𝐧𝐧𝐢𝐧𝐠 (m/s) Mittlere Fliessgeschwindigkeit nach Strickler (1923)
𝐯𝐦,𝐑𝐢𝐜𝐤𝐞𝐧𝐦𝐚𝐧𝐧 (m/s) Mittlere Fliessgeschwindigkeit nach Rickenmann (1996)
YZarn (-) Verhältnis zwischen effektiver Breite und Fliesstiefe,
Kontrollvariable zur Reduktion der Breite verzweigter Gerinne
nach Zarn (1997)
𝚯𝐜 (m/s) Kritische dimensionslose Schubspannung nach Shields, Ansatz
Meyer-Peter und Müller (1948) 𝚯𝐜 (dm) =0.047
𝚯D (m/s) Kritische dimensionslose Schubspannung der Deckschicht nach
Günter (1971)
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 56
Anhang C. Berechnungsformeln
Fliessgesetz nach Strickler (1923)
(Gl. C1) Mittlere Fliessgeschwindigkeit vm,Strickler = kst ∙ Rhyd2/3 ∙ J1/2
Fliessgesetz nach Rickenmann (1996)
(Gl. C2) Mittlere Fliessgeschwindigkeit vm,Rickenmann =0.37 ∙ g0.33 ∙ Q ∙ J0.2
d900.35
Geschiebetransportkapazität nach Meyer-Peter und Müller (1948)
(Gl. C3) Geschiebetransportkapazität
GB = 5 ∙�g ∙ ρs ∙ B
s − 1[h ∙ Jred − Θc ∙ (s − 1) ∙ dm]3 2�
Geschiebetransportkapazität nach Smart und Jäggi (1983)
(Gl. C4) Vereinfachung: �d90d30
�0.2
= 1.05
(Gl. C5) Geschiebetransportkapazität
GB = 4 ∙ B ∙ρs
s − 1�
d90d30
�0.2
∙ Jred1.6 ∙ h ∙ vm ∙ �1 −Θc ∙ (s − 1) ∙ dm
h ∙ Jred�
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 57
Reduktion der Breite nach Marti (2006)
(Gl. C6) Korrekturfaktor Breite MBW =BF0.65 ∙ dm0.25 ∙ J0.3 ∙ g0.18
Q0.36
(Gl. C7) Korrektur Breite BW,Marti = BF ∙ 1.19 ∙ e−0.6∙MBW
Reduktion von Gefälle und Breite nach Zarn (1997)
(Gl. C8) Kontrolle ob Korrektur nötig ist YZarn =BFh
YZarn < 30 → Keine Abminderung nötig
YZarn > 400 → YZarn = 400
30 < YZarn < 400 → Korrektur
(Gl. C9) Korrektur Gefälle SZarn = 1.087− 0.087 ∙ e−0.011∙YZarn
JRed,Zarn =J
SZarn
(Gl. C10) Korrektur Breite BW,Zarn = 1.05 ∙ BF ∙ e−0.0016∙Y
Makrorauigkeit nach Rickenmann (2005)
(Gl. C11) Verhältnis der Kornrauigkeit zur Gesamtrauigkeit
nrntot
=0.083 ∙ � h
d90�0.33
J0.35
(Gl. C12) Reduktion des Gefälles Jred,R. = J ∙ �nr
ntot�a
(Gl. C13) Deckschichtbildung nach Günter (1971)
𝜃𝐷 = 𝜃𝑐 �𝑑90𝑑𝑚
�2/3
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 58
Anhang D. Generierung von Dauerkurven
1 Verwendete Abkürzungen
In der nachfolgenden Herleitung werden folgende Abkürzungen verwendet:
A, B, C und D (-) Parameter zur Annäherung der Form einer dimensionslosen Abflussdauerkurve
AEZG (km²) Fläche des Einzugsgebiets
HQ100 (m³/s) Hundertjährlicher Hochwasserabfluss
LK (m) Distanz von der Wasserscheide bis zum Gebietsauslass des Einzugsgebiets
MHQ (m³/s) Mittlerer jährlicher Hochwasserabfluss
MQ (m³/s) Mittelwasserabfluss
NGebiet,tK (mm) Mittlere Gebietsniederschlagshöhe eines 2.33 jährlichen Niederschlagsereignisses der Dauer tK in einem Einzugsgebiet der Fläche AEZG
NPunkt,tK (mm) Punktniederschlagshöhe eines 2.33 jährlichen Niederschlagsereignisses der Dauer tK
Ni (mm/h) Niederschlagsintensität
NiGebiet,tk (mm/h) Mittlere Gebietsniederschlagsintensität eines 2.33 jährlichen Niederschlagsereignisses der Dauer tK in einem Einzugsgebiet der Fläche AEZG
PJahr (mm) Mittlere jährliche Gebietsniederschlagshöhe
tK (h) Konzentrationszeit
Qi (m³/s) Abfluss, welcher jährlich über eine Zeitspanne i erreicht oder überschritten wird (z.B. Q1d).
vm (m/s) Mittlere Fliessgeschwindigkeit von der Wasserscheide bis zum Gebietsauslass des Einzugsgebiets
ψ (-) Abflusskoeffizient nach Rickli
ω, ξ (-) Parameter zur Gebietsabminderung nach Lorenz und Skoda (2000)
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 59
2 Funktion
Mit folgendem Ansatz einer dimensionslosen Funktion (Abb. 21) konnte eine sehr gute Abbildung von verschiedenen gemessenen Dauerkurven im Gültigkeitsbereich von 1 h bis zu 300 d erreicht werden22
(Gl. D1)
:
Dt
CtBtAMQtQ +⋅+⋅+⋅=1)ln()/)(log(
Bei der Bestimmung der Funktion musste berücksichtigt werden, dass bei niedrigen Überschreitungsdauern sehr grosse Gradienten auftreten können. Mit der gewählten logarithmisierten Funktion gelang es, auch die grossen Gradienten bei Überschreitungsdauern von nur wenigen Tagen abzubilden. Die vier enthaltenen Parameter A, B, C und D bewirken folgendes Funktionsverhalten:
• Die Grundfunktion DtA +⋅ )ln( mit den Parametern A und D definiert
über den gesamten Überschreitungsdauerbereich den generellen Funk-tionsverlauf. Der Parameter A gibt dabei die Gradienten (Verhältnis zwischen seltenen und häufigen Abflüssen) vor. Der Parameter D 'verschiebt' die Funktion in der Höhe.
• Der Parameter B korrigiert den Funktionsverlauf bei grösseren Über-schreitungsdauern und führt zu einer Reduktion mittlerer und kleinerer Abflüsse. Der Einfluss ist erst bei Überschreitungsdauern > 50 Tage wesentlich.
• Bei sehr geringen Überschreitungsdauern (< 1 Tag) führt die Grund-funktion DtA +⋅ )ln( mit den Parametern A und D zu sehr hohen Abflusswerten. Der Parameter C dient dazu, diese Werte zu reduzieren. Der Einfluss des Parameters C ist bei Überschreitungsdauern > 1 Tag vernachlässigbar.
22 Für den Geschiebetransport sind in der Regel die Spitzenabflüsse, welche nur an wenigen Tagen im Jahr erreicht oder überschritten werden, entscheidend. Mit dem vorgeschlagen Ansatz und dem grossen Gültigkeitsbereich können aber auch Dauerlinien für andere Fragestellungen bestimmt werden. Der deutliche Abfall der Abflüsse bei Überschreitungsdauern >300 Tage kann mit der gewählten Formfunktion jedoch nicht abgebildet werden.
Formfunktion
(Gl. D1)
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 60
Abb. 21: Logarithmierte Funktion und Einfluss der vier Parameter
3 Auswertung von Messstationen zur Ermittlung der Parameter A bis D
Zur Bestimmung der Parameter A bis D wurden von insgesamt 48 Abfluss-messstationen des BAFU die Abflussdaten des Zeitraums 2000 bis 2009 untersucht:
• neun Stationen mussten aufgrund einer starken Beeinträchtigung durch Kraftwerke/Speicher ausgeschlossen werden.
• die Einzugsgebietsflächen AEZG der verbleibenden 39 Messstationen betragen zwischen 20 km² und 800 km².
• Die mittlere Höhenlage der betrachteten Einzugsgebiete liegt zwischen 480 und 2660 m ü. M.
• Der Vergletscherungsgrad liegt zwischen 0 % und 36 %.
Für die verbleibenden 39 Stationen wurde anhand der Stundenmittelwerte die mittlere jährliche Überschreitungsdauerkurve pro Messstation bestimmt. Nachdem diese durch den gemessenen Mittelwasserabfluss MQ normiert wurde, konnte die erhaltene Form jeweils mit der gewählten Funktion (Gl. D1) angenähert und die Parameter A bis D bestimmt werden. Insgesamt wurden für die ausgewählten 39 Stationen die vier Formparameter sowie die Eigenschaften der Einzugsgebiete bestimmt.
A und D
B
C
Bestimmung der Parameter
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 61
Nach Auswertung der Abflussdaten wurden die Abhängigkeiten zwischen den vier Parametern A bis D und den Eigenschaften der zugehörigen Einzugsgebiete gesucht.
1. Parameter D
Sehr hilfreich ist die Tatsache, dass für eine Überschreitungsdauer von t = 1d der Einfluss sämtlicher Parameter - bis auf D - verschwindet resp. vernachlässigt werden kann23
(Gl. D2)
. Bei der Bestimmung des Parameters D können deshalb die drei anderen Parameter A, B und C vernachlässigt werden. Es ergibt sich:
DMQQ d ≈)/log( 1
Es besteht dementsprechend ein enger Zusammenhang zwischen dem normierten Wert eines übers Jahr gesehen relativ seltenen Abflusses log(Q1d/MQ) und dem Parameter D. Der Parameter D wird dement-sprechend durch die gleichen Faktoren beeinflusst, welche auch zu hohen normierten Abflusswerten (Q1d/MQ) führen. Es sind dies im Wesentlichen folgende Faktoren:
• die Niederschlagsverhältnisse
• die Fläche und Form des Einzugsgebiets
• die mittlere Höhenlage
• die Vergletscherung
• die Bodenverhältnisse
Hinsichtlich der Niederschlagsverhältnisse sind einerseits die Intensitäten der Starkniederschläge24 als auch der mittlere jährliche Gebietsnieder-schlag25
Der mittlere jährliche Gebietsniederschlag PJahr (in mm) kann aus der HADES-Karte 2.2 entnommen werden.
von Bedeutung.
23 0)1ln( =⋅A , 310−≈B und
210−≈C
24 Einfluss auf hohe, seltene Abflüsse wie z.B. Q1d 25 Einfluss aufs Mittelwasser MQ
Parameter-bestimmung
Einflussgrössen
Niederschlags-verhältnisse
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 62
Für die Bestimmung repräsentativer Intensitäten der Starkniederschläge wird folgendes Vorgehen gewählt, welches auf gewissen vereinfachenden Annahmen beruht:
a) Aus den HADES-Karten 2.4 resp. 2.42 werden die maximalen Punkt-niederschläge im Einzugsgebiet für Ereignisse mit einer Jährlichkeit von 2.33 Jahren entnommen26
b) Es wird vereinfachend davon ausgegangen, dass bei den interessierten hohen und relativ seltenen Abflüssen tendenziell das gesamte Einzugsgebiet, oder zumindest ein Grossteil davon, an der Abflussbildung beteiligt ist. Die Niederschlagsereignisse müssen somit eine Dauer von mindestens der Konzentrationszeit tK aufweisen. Die Konzentrationszeit (in h) wird vereinfachend anhand der Distanz LK (von der entferntesten Wasserscheide bis zum Gebietsauslass) und einer mittleren Fliessgeschwindigkeit von vm = 1 m/s bestimmt. Zusätzlich wird eine Benetzungszeit von 0.5 h addiert Gl. D3.
.
(Gl. D3) 5.03600
1+⋅=
m
KK v
Lt
c) Aus den Punktniederschlagswerten für Regendauern von 1 h und 24 h wird anhand der Extremalverteilung (vgl. HADES-Erläute-rungen zur Karte 2.4) die Niederschlaghöhe NPunkt,tk (in mm) eines 2.33 jährlichen Punktniederschlages der Dauer tK bestimmt.
d) Anschliessend wird der Punktniederschlag NPunkt,tk in einen mittleren Gebietsniederschlag NGebiet,tk (in mm) abgemindert. Mit der Formel nach Lorenz und Skoda27
(Gl. D4)
(2000) werden hierbei die Einzugsgebiets-fläche AEZG (km²) und die Niederschlagsdauer (im vorliegenden Fall tK) berücksichtigt (Gl. D4 und Gl. D5).
ζω EZGAtkPunkttkGebiet eNN −⋅= ,,
26 Die Jährlichkeit 2.33 a wurde gewählt, da die Niederschlagshöhen im HADES direkt verfügbar sind und diese Eintretenswahrscheinlichkeit gross genug ist, um in guter Näherung geringe Überschreitungsdauern der Dauerkurve zu repräsentieren.
27 Lorenz, P. & Skoda, G. 2000. Bemessungsniederschläge kurzer Dauerstufen (D ≤ 12 Stunden) mit inadäquaten Daten. Mitt. Hydr. Dienst in Österr. 80: 1-24. In modifizierter Form im hydrologischen Atlas Österreichs HAÖ, Erläuterungs-blatt 2.5
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 63
(Gl. D5) 0026.0
600447.0 , +⋅= tkGebietNi
ω
Ni (in mm/h) bezeichnet den Erwartungswert der Niederschlagsintensität des betrachteten Ereignisses; ξ wird gleich 0.59 gesetzt. Die Lösung der beiden Gleichungen muss iterativ erfolgen:
i. Zunächst wird eine Annahme für NiGebiet,tk getroffen und mit Gl. D5 der Wert für ω ermittelt.
ii. Anschliessend wird mit Gl. D4 der Gebietsniederschlag NGebiet,tk be-rechnet und daraus die zugehörige Intensität NiGebiet,tk = NGebiet,tk/tk (in mm/h) bestimmt.
iii. Der Schritt i. wird mit der beim Schritt ii. berechneten Intensität solange wiederholt, bis die Abweichung der Intensität zwischen der Annahme (i) und dem Ergebnis (ii) vernachlässigbar wird.
Die Fläche und die Form des Einzugsgebiets werden indirekt bei der Bestimmung der Starkniederschlagswerte berücksichtigt:
• Je grösser das Gebiet ist, umso stärker ist die Gebietsabminderung ausgeprägt.
• Langgestreckte Einzugsgebiete weisen eine längere Konzentrations-zeit auf28
.
Die mittlere Höhenlage und die Vergletscherung werden berücksichtigt, in dem das Einzugsgebiet einer der drei folgenden Gruppen zugeordnet wird (vgl. Abb. 23)29
• glazial geprägte Einzugsgebiete: Abflussregimetypen 1 - 6 und 13
.
• nival geprägte Einzugsgebiete: Abflussregimetypen 7 - 8 und 14
• pluvial geprägte Einzugsgebiete: Abflussregimetypen 9 - 12 und 15
Die Bodenverhältnisse sind flächendeckend nur mit grösserem Aufwand erfassbar (beispielsweise anhand der Bodeneignungskarte der Schweiz). Im Hinblick auf eine einfache Anwendung wird deshalb im Rahmen der
28 Der komplexe Einfluss des Gerinnenetzes und der Gerinnelänge auf die Konzentrationszeit wird im Rahmen dieses Vorgehens nicht berücksichtigt.
29 Das Entscheidungsdiagramm ist unter http://www.bafu.admin.ch/hydrologie (-> Informationssystem und Methoden -> Grobe Abschätzung hydrologischer Kenngrössen -> Abflussregimetypen) verfügbar.
Fläche und Form des Einzugsgebiets
Gebietsverhältnisse
Bodenverhältnisse
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 64
vorliegenden Methode auf eine Berücksichtigung der Bodenverhältnisse verzichtet30
Für den Parameter D wurde eine klare Abhängigkeit vom Abflussregimetyp sowie den Niederschlagsverhältnissen gefunden (vgl.
.
Abb. 22).
In guter Näherung können folgende drei Näherungsfunktionen31
(Gl. D6)
verwendet werden:
glazial 422.1)/ln(120.0 , +⋅= JahrtkGebiet PNiD
(Gl. D7) nival 807.1)/ln(123.0 , +⋅= JahrtkGebiet PNiD
(Gl. D8) pluvial 367.2)/ln(251.0 , +⋅= JahrtkGebiet PNiD
Abb. 22: Bestimmung von D anhand der Gebietseigenschaften und der Nieder-
schlagsverhältnisse
30 Die Berücksichtigung der Bodenverhältnisse könnte unter Umständen die Genauigkeit des Verfahrens erhöhen.
31 diese entsprechen den durchgezogenen Linien in Abb. 22
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
1.4
0.0000 0.0010 0.0020 0.0030 0.0040 0.0050 0.0060 0.0070 0.0080 0.0090
D (-
)
NiGebiet,tk/PJahr (h-1)
Abflussregimetypen 1 - 6 & 13
Abflussregimetypen 7 - 8 & 14
Abflussregimetypen 9 - 12 & 15
Ergebnis für D
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 65
Abb. 23: Entscheidungsdiagramm zur Bestimmung des Abflussregimetyps29
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 66
2. Parameter A
Zwischen den Parametern A und D besteht eine enge Korrelation (vgl. Abb. 24). Der Parameter A kann deshalb mit Gl. D9 bestimmt werden.
(Gl. D9) 114.0280.0 +⋅−= DA
Abb. 24: Korrelation zwischen D und A
3. Parameter B
Der Parameter B dient der Korrektur von Abflüssen mit grösseren Über-schreitungsdauern. Ein wesentlicher Einfluss auf die Dauerkurve ergibt sich tendenziell erst bei Niedrigwasserabflüssen, welche im Rahmen der vorliegenden Methodik jedoch unbedeutend sind.
Aus diesem Grund wird für B pauschal der Wert -0.002 angesetzt. Dieser Wert entspricht dem Mittelwert von B aller 39 Messstationen.
y = -0.280x + 0.114
-0.25
-0.20
-0.15
-0.10
-0.05
0.00
0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 1.1 1.2 1.3 1.4
A (-)
D (-)
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 67
4. Parameter C
Der Parameter C dient der Korrektur der Abflüsse mit sehr kurzen Überschreitungsdauern (< 12 h). Weil keine eindeutige Korrelation zwischen C einerseits und den Parametern A und D sowie anderen Einflussgrössen gefunden wurde, musste ein indirektes Vorgehen gewählt werden.
Anstatt C zu bestimmen und daraus die Spitzenabflüsse zu berechnen, wird ein Erwartungswert für den absoluten Wert des Spitzenabflusses berechnet und daraus der erforderliche Wert für C, unter Berücksichtigung der zuvor bestimmten Werte für A und D, rückgerechnet.
Der Spitzenwert der Dauerkurve (Überschreitungsdauer = 1 h) stellt den mittleren jährlichen Hochwasserabfluss (MHQ in m³/s) dar. Der Erwartungs-wert für das MHQ kann anhand von drei unterschiedlichen Ansätzen bestimmt werden.
a) Bei gegebenem Parameter D kann MQQ Dd ⋅=101 berechnet und
anhand der Bandbreite des Verhältnisses MHQ/Q1d ein Erwartungs-wert für das MHQ bestimmt werden kann. Die Auswertung zeigt, dass das Verhältnis zwischen MHQ und dem Abfluss Q1d eine relativ geringe Bandbreite aufweist (Tab. 5).
Tab. 5: Bandbreite des Verhältnisses MHQ/Q1d
b) Auch für das Verhältnis von MHQ/HQ100 lässt sich eine gewisse Bandbreite angeben32 Tab. 6(vgl. ). Mit Kenntnis des HQ100 kann daraus ein Erwartungswert für das MHQ ermittelt werden. Das HQ100 lässt sich vereinfachend mit der Formel nach Kürsteiner oder mit HQx_meso_CH (AEZG > 10 km²) resp. HAKESCH (< 10 km²) ermitteln.
32 Bei der Auswertung wurde das HQ100 der BAFU-Statistik entnommen.
Indirektes Vorgehen
Erwartungswert MHQ
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 68
Tab. 6: Bandbreite des Verhältnisses MHQ/HQ100
c) Ähnlich wie bei der Bestimmung von D wurde für den absoluten Wert des MHQ eine Abhängigkeit von verschiedenen Einfluss-grössen gefunden (vgl. Abb. 25).
(Gl. D10) glazial xxMHQ ⋅+⋅= 2391.00023.0 2
(Gl. D11) nival xxMHQ ⋅+⋅= 8486.10037.0 2
(Gl. D12) pluvial xxMHQ ⋅+⋅= 0071.10014.0 2
mit: ψ⋅⋅= EZGtkGebiet ANix ,
• tkGebietNi , : repräsentative Starkniederschlagsintensität (vgl. Bestimmung des Parameters D)
• AEZG: Fläche des Einzugsgebiets in km²
• ψ : Abflusskoeffizient nach Rickli; für ψ kann vereinfachend bei glazialen Gebieten 0.39, bei nivalen Gebieten 0.30 und bei pluvialen Gebieten 0.22 angesetzt werden33
.
Es empfiehlt sich, jeweils alle drei Methoden anzuwenden und einen plausiblen Wert für das MHQ festzulegen. Anschliessend kann daraus der zugehörige Parameter C berechnet werden.
33 Bei der Erarbeitung der Methodik wurde anhand der Bodeneignungskarte für die 39 berücksichtigten Einzugsgebiete der jeweilige Abflusskoeffizient ψ ermittelt. Die angegebenen ψ -Werte entsprechen den Mittelwerten der jeweiligen Abflussregimegruppe.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 69
Abb. 25: Abhängigkeit des MHQ von verschiedenen Einflussgrössen
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 50 100 150 200 250 300
MH
Q (m
³/s)
NiGebiet,tk · AEZG · ψ (m³/s)
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 70
Anhang E. Anwendungsbeispiel der Methode der Transportkapazität
1 Einleitung
Am Beispiel der grossen Entle (Abb. 26) im Kanton Luzern soll Schritt für Schritt aufgezeigt werden, wie die Methode der Transportkapazität angewendet wird.
Abb. 26: Geografische Lage der Grossen Entle (LU) (Quelle: swissALTI3D, Hillshade)
Die mittlere jährliche Geschiebefracht wird nach der Methode der Transportkapazität bestimmt, da die Grosse Entle ein Einzugsgebiet von ca. 60 km² entwässert und Strecken mit einem Gefälle < 10 % aufweist (Teil A). Sie mündet bei Entlebuch (LU) in die kleine Emme. Es ist keine Abfluss-messstation vorhanden.
2 Schritt 1: Festlegen der Referenzstrecke
Zur Festlegung der Referenzstrecke wird ein Längenprofil auf Basis der Datensätze Swiss TLM3D und swissALTI3D (Abb. 27) erstellt.
Die Analyse des Längenprofils ergibt, dass sich ein Abschnitt im unteren Teil der Grossen Entle, ca. 2 km vor der Mündung in die Kleine Emme, als Referenzstrecke eignet. Bei Gewiss-km 2.06 befindet sich ein Absturz. Oberhalb dieses Absturzes ist das Gerinne verhältnismässig flach (Abb. 28) und breit (Abb. 30). Unterhalb des Absturzes verläuft der Fluss im Fels und das zugeführte Material wird durchtransportiert. Die blau markierte Flach-strecke oberhalb des Absturzes (vgl.Abb. 28) eignet sich als Referenz-strecke.
Auswahl der Referenzstrecke
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 71
Abb. 27: Längenprofil der Grossen Entle. Grün markiert ist der flachere Unterlauf, wobei in blau der Abschnitt für eine mögliche Referenzstrecke hervorgehoben ist.
Zur Festlegung der Breite wird das Orthofoto (Abb. 28) verwendet.
Abb. 28: Orthofoto der möglichen Referenzstrecke an der grossen Entle. (Quelle: Swissimage). Orange: Kleine Emme, Weiss: grosse Entle.
Kriterium: Gefälle
Kriterium: Breite
Entlebuch
Kleine Emme
Grosse Entle
Gewiss-km 2.06-2.30
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 72
3 Schritt 2a: Bestimmung der Charakteristiken der Referenzstrecke
Bei der Begehung werden verschiedene Parameter aufgenommen und die
lokalen gewässerspezifischen Verhältnisse beurteilt (Protokoll Abb. 29).
Wichtige Merkmale bei der Bestimmung von Referenzstrecken
Fluss:
Grosse Entle
Datum:
14.09.2012
LPNr.:
01-04
Beobachter:
Hans Muster
Zeit: Begründung für die Wahl der Strecke als Referenzstrecke:
Lage im Längenprofil x Unterlauf Mittellauf Oberlauf
Gefälle x flach mittel steil Breite (im Vergleich zu anderen Streckenabschnitten)
x breiter
durchschnittlich
schmal
Auffälligkeiten bezüglich des Standorts Breite
Gesamtgewässerbreite:
im Orthofoto bestimmt m
% Anteil Bewuchs:
etwa 40 % % Regimebreite erreicht:
ja
Schwellen Gibt es Schwellen? ja x nein
(Falls Schwellen vorhanden muss das Nettogefälle ermittelt werden)
Wenn ja, Höhe der Abstürze
m (vom WSP gemessen)
Abstand zwischen den Schwellen:
m
Beurteilung der Transportkapazität
Deckschicht vorhanden ja x nein (sortierte Schicht oder gut durchmischt?)
Viele hellen Steine x ja nein
Sandanteil gross x klein
Schwemmholzanteil gross x klein
Transportkapazität minimal x maximal (Falls sich eine Deckschicht gebildet hat, kann von der minimalen Transportkapazität ausgegangen
werden und bei der Aufnahme der Linienprobe sollte ein repräsentativer Abschnitt mit Deckschichtbildung aufgenommen werden) Beurteilung Makrorauigkeit
Sehr grosse Blöcke im Gerinne x ja nein Stufen-Becken-Systeme erkennbar ja x nein
Abb. 29: Protokoll der Begehung
Aufgrund der Begehung und der Auswertung des Orthofotos wird ein verzweigtes Gerinne mit 40 % Bewuchs angenommen.
Begehung
Gerinnegeometrie
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 73
Abb. 30: Beurteilung der Breite. Blick flussaufwärts in Richtung des untersuchten Abschnitts. Zwei Teilgerinne sind sichtbar. Die Mittelbänke sind bewachsen.
Zur Bestimmung der Kornverteilung werden 3 Linienproben aufgenommen (Tab. 7 und Abb. 31).
Abb. 31: Aufnahme der Linienproben: Links: Blick flussaufwärts, Probe I. Mitte: Blick flussabwärts, Probe II, rechts: Blick flussaufwärts, Probe III.
Tab. 7: Berechnete charakteristische Korndurchmesser an der Grossen Entle
Probe dm (cm)
d90 (cm)
I 9.8 20
II 12.5 25
III 11.3 24
Mittelwert (I, II, III) 11 23
Kornverteilung
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 74
Mit einem Gefälle von 2.1 % gehört die Grosse Entle in die Klasse der Gefälle > 2 %. Für diese Gruppe wird ein Wert des Exponenten a zur Berücksichtigung der Makrorauigkeit von 0.0 für verzweigte Gerinne vorgeschlagen.
Abb. 32: Beurteilung der Makrorauigkeit an der Grossen Entle. Grosse Blöcke sind im Gerinne vorhanden (Pfeil 1); jedoch sind diese repräsentativ für das gesamte Sohlmaterial (vgl.Tab. 8). Deutliche Stufen-Becken-Systeme sind nicht vorhanden.
Da in der Sohle keine Stufen-Becken-Systeme festgestellt werden und sich der Fluss im Auflandungszustand befindet, wird für den Exponenten a der Wert 0.0, d.h. keine spezifische Makrorauigkeit, gewählt.
Zur Berechnung der Transportkapazität wird von folgenden charakteristischen Grössen ausgegangen:
Tab. 8: Eingabeparameter an der Grossen Entle
Gefälle aus (Abb. 27) J = 2.1 %
Gesamte Gerinnebreite Bgesamt = 55 m
Anteil Bewuchs %Bewuchs = 40 %
Gerinnemorphologie verzweigt
Mittlerer Korndurchmesser dm = 0.11 m
Korndurchmesser d90 d90 = 0.23 m
Makrorauigkeit (Parameter a) 0
Aufgrund des Gefälles ist der Bereich > 2.0 % (Abb. 10) massgebend für die Berechnung.
Makrorauigkeit
Eingabeparameter
grobe Blöcke
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 75
4 Berechnungsvorgang
Die Berechnung der Transportkapazität muss für diskretisierte Werte der Dauerkurve durchgeführt werden. Es folgt beispielhaft eine Berechnung für einen Abfluss Q= 65 m3/s.
Schritt Zielgrösse Beziehung
I. Flussbettbreite Bgesamt − %Bewuchs ∙ Bgesamt = BF
55 − 0.4 ∙ 55 m = 33 m
Abmindern der Breite nach Marti (2006)
II. Gl. C6 Korrekturfaktor Breite MBW =
BF0.65 ∙ dm0.25 ∙ J0.3 ∙ g0.18
Q0.36 = 0.59
III. Gl. C7 Korrektur BW,Marti = BF ∙ 1.19 ∙ e−0.6∙MBW = 27.6 m
Fliessgesetz nach Rickenmann (2005)
(Iterativ oder mit Zielwertsuche)
IV. Gl. C2 Fliessgeschwindigkeit nach
Rickenmann vm =
0.37 ∙ g0.33 ∙ Q ∙ J0.2
d900.35 = 2.51 m/s
V. Querschnittfläche ATrapez =Q
vm= 25.90 m2
VI. Annahme h: h = 0.5 m
VII. Reduzierte Bettbreite: BF,Marti = BW,Marti − 2 ∙ mb ∙ h = 26 m
VIII. Wassertiefe h:
h = ±�ATrapez ∙ m + 1
4 ∙ BF,Marti2 − 1
2 ∙ BF,Marti
m= 0.97m
IX. Iteration bis Annahme h = Wassertiefe h
h = 1.03 m
BF;Marti = 24.4 m
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 76
X. Gl. C11 Verhältnis der Kornrauigkeit zur Gesamtrauigkeit
nrntot
=0.083 ∙ � h
d90�0.33
J0.35 = 0.5
XI. Gl. C12 Reduktion des Gefälles a=0 Jred,R. = J ∙ �nr
ntot�a
= 2.1%
XII. Gl. C5 Transportkapazität
(Smart und Jäggi) Bemerkung: �
d90d30
�0.2
= 1.05
Gb = 4 ∙ BF,Marti ∙ρs
s − 1�
d90d30
�0.2
∙ Jred,R&𝑅,20111.6 ∙ h ∙ vm ∙ �1−
Θc ∙ (s − 1) ∙ dmh ∙ Jred,R&𝑅,2011 �
= 97.6 kg/s
XIII. Gl. C5 Deckschichtbildung nach
Günter 𝜃𝐷 = 𝜃𝑐 �
𝑑90𝑑𝑚
�2/3
XIV. Maximale Geschiebefracht to → Q > Q0
GFMax,kg = ∫ GbdttJahrto
XV. Minimale Geschiebefracht tD → Q > QD
GFMax,kg = � GbdttJahr
tD
XVI. Umrechnung in GFm3 = GFkg/1.8 = m3/Jahr
Dies ergibt für die Grosse Entle:
Tab. 9: Berechnete mittlere jährliche Geschiebefracht
𝐆𝐅𝐦𝐚𝐱,𝐦𝟑 𝐆𝐅𝐦𝐢𝐧,𝐦𝟑
3'800 2'500
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 77
Bei der ausgewählten Referenzstrecke handelt es sich um eine deutliche Flachstrecke, in welcher Material abgelagert wird. Aufgrund dieser Beurteilung wird die maximale Fracht als wahrscheinlicher Wert angenommen.
Die Rechnung ergibt eine maximale mittlere jährliche Geschiebefracht von 3'800 m3/Jahr. Weil die Referenzstrecke mit 2.1 % am unteren Rand des Gefällsbereichs liegt, wurde zusätzlich die Geschiebefracht mit einer Parameterkombination für Gefälle < 2 % (mit Berücksichtigung des verzweigten Gerinnes nach Zarn) berechnet. Die Berechnungen ergeben mittlere jährliche Geschiebefrachten von rund 5'700 m3/Jahr. Die effektive Fracht ist also zwischen 3'800 m3/Jahr und 5'700 m3/Jahr zu erwarten. Der Referenzwert liegt bei 3'000 m3/Jahr.
Beurteilung minimale und maximale Transportkapazität
Vergleich mit Gefällsbereich <2%
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 78
Anhang F. Sensitivität der Ergebnisse auf die Eingabeparameter
1 Charakteristischer Korndurchmesser
Die Sensitivität der mittleren jährlichen Geschiebefracht auf die charak-teristischen Korndurchmesser wird am Beispiel der Emme oberhalb Emmenmatt (BE) und der Morge (VS) diskutiert. Die beiden Flüsse unterscheiden sich einerseits im Gefälle, anderseits in der Bandbreite der vorgefundenen Kornverteilungen.
Während das Sohlmaterial an der Emme homogen ist und die charakteristischen Korndurchmesser nur gering variieren, findet man an der Morge eine sehr inhomogene Kornverteilung (Abb. 33) und (Abb. 34).
a) Probe I
b) Probe II
Abb. 33: Sohlmaterial an der Emme (BE): Die Emme weist in diesem Abschnitt ein Gefälle von 0.89 % und eine Breite von 37 Metern auf. Die Linienproben ergeben ein dm von 5.27 cm (Probe I) resp. 5.06 cm (Probe II).
a) Probe I
b) Probe II
c) Probe III
Abb. 34: Sohlmaterial an der Morge: Die Morge weist in diesem Abschnitt ein Gefälle von 2.97 % und eine Breite von 15 Metern auf. Die grossen Unterschiede im Sohlenmaterial sind typisch und werden bei allen untersuchten Flüssen mit steilen Gefällen beobachtet.
Je nach Wahl des Korndurchmessers zur Berechnung der Transport-kapazität resultieren sehr unterschiedliche Frachten. Tab. 10 zeigt die Sensitivität der berechneten jährlichen Geschiebefracht am Beispiel der Morge (VS). Die erwartete Fracht liegt bei ca. 6'500 m3/Jahr. Die Aus-wertung ergibt, dass je nach Wahl des Korndurchmessers die berechneten Frachten bis zu einem Faktor 15 vom Erwartungswert abweichen.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 79
Tab. 10: Berechnete charakteristische Korndurchmesser für die in Abb. 34 dargestellten Linienproben und die resultierenden mittleren jährlichen Geschiebefrachten der Morge (Mittelwert zwischen minimaler und maximaler Fracht, ohne Berücksichtigung einer Makrorauigkeit, a=0.0).
Probe dm (cm)
d90 (cm)
Berechnete Fracht (m3/Jahr)
I, a=0 2.8 5.2 98'700
II, a=0 8.5 17.1 59'750
III, a=0 33.6 66.5 1'550
III, Unterschicht34 21.4 52.6 13'000
Mittelwert (I, II, III) 14.5 29.6 25'700
34 Mit Umrechnung von einer Deckschicht in eine Unterschicht
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 80
2 Makrorauigkeit
Da die Beurteilung der Makrorauigkeit ab einem Gefälle grösser als 2 % relevant wird, wurden zwei Bäche mit steileren Gefällen ausgewählt. Für eine visuelle Beurteilung wird auf Abb. 7 verwiesen. Beim Rümlig wird eine mittlere jährliche Geschiebefracht von ca. 4'000 m³/Jahr erwartet, beim Almagellerbach eine solche von 300 m3/J.
Tab. 11: Sensitivität der mittleren jährlichen Geschiebefracht bezüglich der Makrorauigkeit am Beispiel des Rümlig (LU) und des Almagellerbachs (VS)
Seitenbach Rümlig (LU)
Almagellerbach (VS)
Gefälle (%) 2.8 11.5
Geschiebefracht Mittelwert Minimal
Erwartete Geschiebefracht (m3/Jahr): 4'000 300
Berechnete mittlere jährliche Geschiebefracht (m3/ Jahr)
a=0
a=1.0
a=1.5
8'100
100
0
1'196'500
6'700
300
Bei kleineren Gefällen sind die Auswirkungen von unterschiedlichen Annahmen bezüglich der Makrorauigkeit wesentlich geringer. Bei grösseren Gefällen nimmt die Transportkapazität rechnerisch überproportional zu. Die Berücksichtigung der Makrorauigkeit ist in diesen Fällen wesentlich, um keine unrealistisch grossen Transportkapazitäten zu berechnen.
3 Maximale und Minimale Fracht
Der Vergleich zwischen den berechneten mittleren jährlichen Geschiebe-frachten und den erwarteten Frachten in 6 Seitenbächen (Tab. 12) zeigt, dass der Aspekt der minimalen resp. maximalen Fracht in vielen Fällen entscheidend ist. In diesen Fällen sind eine gutachterliche Beurteilung der Transportverhältnisse im Seitenbach und der Vergleich mit den Frachten im Vorfluter unumgänglich.
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 81
Tab. 12: Berechnete mittlere jährliche Geschiebefrachten in sechs untersuchten Seitenbächen. Der gewählte Wert ist fett gekennzeichnet.
Seitenbach Maximale Fracht (m3/ Jahr)
Minimale Fracht (m3/ Jahr)
Mittelwert Fracht (m3/ Jahr)
Erwartete Fracht (m3/ Jahr)
Ilfis 10'200 5'200 7'700 6'500
Navisence 96'100 18'200 57'150 10'500
Morge 38'700 12'700 25'700 6'500
Schranggabach 10'800 2'300 6'550 2'000
Taschinasbach 11'400 2'300 2'900 8'000
Schraubbach 36'500 21'200 28'850 35'000
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 82
Anhang G. Datentabellen der Berechnungen
Tab. 13: Datentabelle der Seitenbäche mit einem Gefälle kleiner als 2 %
Seitenbach Visp
a
Ilfis
Mur
g
Grü
ene
Emm
e ob
Em
men
mat
t
Sigg
ern
Müm
lisw
ilerb
ach
Gro
sse
Font
anne
n
Klei
ne F
onta
nnen
Nav
isen
ce
Geschiebekapazität: max mittel min mittel mittel min min mittel max min
Makrorauigkeit a= 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
MHQ (m3/s) 175 140 61 49 135 16 13 33 17 60
EZG (km2) 788 192 214 81 207 23 36 39 16 256
Breite (m) 32 16 13 14 37 7.5 9 12 16 20
Gefälle (%) 0.28 0.38 0.40 0.80 0.89 1.14 1.26 1.44 1.63 1.85
Dm (cm) 4.0 4.3 4.5 3.5 5.2 5.1 3.9 6.7 4.6 8.4
D90 (cm) 7.9 10.7 8.7 7.jn4 11.0 11.1 7.4 12.8 8.1 18.4
MPM h max 7'000 10'200 2'200 9'500 19'300 3'400 3'100 4'700 800 96'100
MPM h min 1'000 5'200 1'000 6'800 11'000 1'900 1'900 3'100 600 18'200
Mittelwert Min/Max 4'000 7'700 1'600 8'150 15'150 2'650 2'500 3'900 700 57'150
Gewählt (m3/Jahr) 7'000 7'700 1'000 8'150 15'150 1'900 1'900 3'900 800 18'200 Referenzwert (m3/Jahr) 12'000 6'500 500 3'300 6'500 500 400 7'750 13'600
Tab. 14: Datentabelle der Seitenbäche mit einem Gefälle grösser als 2 %
Seitenbach Schr
angg
abac
h
Rüm
lig
Mor
ge
Lonz
a
Sion
ne
Alm
agel
lerb
ach
Arie
schb
ach
Geschiebekapazität: min mittel mittel min min min max
Makrorauigkeit a=? 0 0 0 1 1 1.5 1
MHQ (m3/s) 13 55 30 65 10 14 10
EZG (km2) 27 65 72 162 19 20 27
Breite (m) 8 22 15 17 14 6 18
Gefälle (%) 2.55 2.82 2.97 4.3 11.26 11.45 11.84
Dm (cm) 8.2 11.3 14.5 8.2 10.1 7.1 9.7
D90 (cm) 22.7 22.7 29.6 15.8 19.3 16.6 19.3
SJ Ri (Max) 10'800 9'800 38'700 18'100 0 11'100 0
SJ Ri (Min) 2'300 6'400 12'700 9'800 0 6'700 0
SJ RI (Mittelwert) 6'550 8'100 25'700 13'950 0 8'900 0
Gewählt (m3/Jahr) 2'300 8'100 25'700 9'800 0 300 0
Referenzwert (m3/Jahr) 2'000 4'000 6'500 15'500 2'175 300 20'000
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 83
Tab. 15: Datentabelle der Seitenbäche mit einem verzweigten Gerinne und einem Gefälle grösser als 2 %
Seitenbach Gro
sse
Entle
Tasc
hina
sbac
h
Fee-
Visp
a
Schr
aubb
ach
Furn
erba
ch
Geschiebekapazität: max max min max max
Makrorauigkeit a= 0 0 0 0 0
MHQ (m3/s) 65 25 25 25 20
EZG (km2) 60 65 38 62 37
Breite (m) 33 25 30 38 30
Gefälle (%) 2.10 2.55 4.28 4.99 5.91
Dm (cm) 11.0 10.3 12.1 7.2 8.0
D90 (cm) 23.0 25.7 25.9 14.6 17.2
SJ Ri (Max) 3'800 11'400 7'700 43'900 36'500
SJ Ri (Min) 2'500 2'300 2'900 25'800 21'200
SJ RI (Mittelwert) 3'150 6'850 5'300 34'850 28'850
Gewählt (m3/Jahr) 3'800 11'400 2'900 43'900 36'500
Referenzwert (m3/Jahr) 3'000 8'000 1'000 35'000 50'000
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 84
Anhang H. Darstellung von Längsprofilen zur Definition von Referenzstrecken (GIS-Anleitung)
1 Fragestellung
Auf Basis von GIS-basierten Tools soll das Längsprofil eines Fliessgewässers grafisch dargestellt und das Längsgefälle eines Gewässerabschnittes (z.B. Referenzstrecke) bestimmt werden.
2 Vorgehensvorschlag
Nachfolgend wird ein Software-neutraler Weg aufgezeigt, wie die Fragestellung in möglichst einfacher, standardisierter Weise bearbeitet werden kann:
Schritt 0: Einrichten der Arbeitsumgebung und Beschaffung der Grundlagedaten (vgl. Abschnitt 3).
Schritt 1: Definition des zu untersuchenden Einzugsgebietes. Hierfür wird als nützliches Hilfsmittel die „Einzugsgebietsgliederung Schweiz“ EZGG-CH (BAFU 2012) empfohlen, welche die Schweiz flächendeckend in Teileinzugsgebiete von rund 2 km2 aufteilt. Diese wiederum können in einfachster Weise zu einem Gesamteinzugsgebiet aggregiert werden.
Schritt 2: Je nach Leistung der verwendeten Arbeitsumgebung Ausschneiden der Grundlagedaten auf die Ausdehnung des in Schritt 1 definierten Einzugsgebietes.
Schritt 3: Aufbereitung des zu betrachtenden Gewässerabschnittes. Sofern dieser nicht bereits einer Polylinie des zugrunde liegenden Gewässernetzes entspricht, sind einzelne Polylinien zum Gewässerabschnitt zu verschmelzen. In Einzelfällen kann es auch notwendig sein, den Abschnitt aus einer zu langen Polylinie auszuschneiden.
Schritt 4: Grafische Darstellung des Längenprofils des in Schritt 3 aufbereiteten Gewässerabschnittes auf Grundlage eines digitalen Höhenmodells.
Schritt 5: Visuelle Beurteilung des Längsprofiles und Festlegung der Referenzstrecke mit einer Längengenauigkeit von ca. 20 m.
Schritt 6: Berechnung des Längsgefälles der Referenzstrecke. Hierfür muss die Höhe von Anfangs- und Endpunkt der Strecke (Höhendifferenz 𝛥𝑦) wie auch deren horizontale Länge (𝛥𝑥) bekannt sein. Das Gefälle [%] entspricht sodann
𝐽 = ∆𝑦∆𝑥
× 100.
3 Empfohlene Grundlagedaten
• „Einzugsgebietsgliederung Schweiz“ (BAFU 2012): Frei verfügbarer Geodatensatz im Format ESRI-Shapefile. Dokumentation und Bezug:
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 85
http://www.bafu.admin.ch/hydrologie/01835/11452/index.html?lang=de
• Fliessgewässernetz: swissTLM3D, Topic „Gewässernetz, Wasserläufe und Seeumrisse“. Je nach verwendeter Software ist das geeignete Dateiformat auszuwählen. Dokumentation: http://www.swisstopo.admin.ch/internet/swisstopo/de/home/products/landscape/swissTLM3D.html, Bezug: http://www.toposhop.admin.ch/de/shop/products/landscape/tlm3D_1
• Höhenmodell: swissALTI3D. Die Maschenweite des Rastergitters ist unerheblich (vgl. Abschnitt 4). Je nach verwendeter Software ist das geeignete Dateiformat auszuwählen. Dokumentation: http://www.swisstopo.admin.ch/internet/swisstopo/de/home/products/height/swissALTI3D.html, Bezug: http://www.toposhop.admin.ch/de/shop/products/height/alti3D_1.
• Pixelkarte in beliebigem Massstab zur Orientierung. Je nach verwendeter Software ist das geeignete Dateiformat auszuwählen. Dokumentation: http://www.swisstopo.admin.ch/internet/swisstopo/de/home/products/maps/national/digital.html, Bezug: http://www.toposhop.admin.ch/de/shop/products/maps/national/digital/index.
4 Fehlerquellen
Der Umstand, dass die Geometrien des Gewässernetzes in swissTLM3D heute noch weitgehend denjenigen des kartenbasierten Modelles VECTOR25 entsprechen, das Höhenmodell swissALTI3D jedoch auf präzisen Laserscanning-Daten basiert, führt zu Diskrepanzen zwischen dem Verlauf der Gewässernetz-Geometrien und der Topografie im Höhenmodell. Dadurch kann das Gefälle eines Fliessgewässers mitunter ein negatives Vorzeichen aufweisen, was insbesondere bei grossmassstäblicher Betrachtung des Längsgefälles zu Tage tritt. Es ist indes auch möglich, dass das Fliessgewässer in einem solchen Fall eingedolt verläuft.
Grundsätzlich empfiehlt sich, in Schritt 4 den Betrachtungsmassstab des Längsgefälles nicht zu tief zu wählen.
5 Beispiel mit Quantum GIS
Anhand eines konkreten Beispiels der Starzlen im Muotatal (SZ) wird nachfolgend aufgezeigt, wie der Vorgehensvorschlag gemäss Abschnitt 2 mit dem quelloffenen und plattformunabhängigen Quantum GIS (QGIS) durchgeführt werden kann.
Software und Dokumentation können über http://www.qgis.org bezogen werden.
Zur Standardinstallation sind die QGIS-Python-Erweiterungen „Profile Tool“ und „Profile from Line“ notwendig, die direkt aus dem QGIS Official Repository installiert werden können (http://plugins.qgis.org/plugins).
Schritt 0: Download und Installation von QGIS. Installation der Plugins über [Erweiterungen] > [Python-Erweiterung herunterladen…] > Auswahl eines Plugins im Reiter „Erweiterungen“ > [Erweiterung installieren].
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 86
Laden der Grundlagedaten. Im weiteren werden folgende Layernamen verwendet: EZGG-CH Basisgeometrie: ezggch_bg swissTLM3D Fliessgewässernetz: tlm3d_fgw swissALTI3D Höhenmodell: alti3d_2m_sz Pixelkarte 1:200‘000: pk200
Schritt 1: Selektion des Teileinzugsgebiets mit TEILEZGNR 457 aus dem Layer ezggch_bg. Dieses Teileinzugsgebiet enthält den Gebietsauslass der Starzlen in die Muota und liefert in der Attributtabelle die notwendigen Parameter für die Bestimmung des Gesamteinzugsgebietes der Starzlen, nämlich: EZGNR: 100457 H1: 14237 H2: 14260
Das Gesamteinzugsgebiet wird über eine einfache [Abfrage…] der ezggch_bg mit folgender SQL-Where-Klausel selektiert: „𝐻1“ >= 14237 𝐴𝑁𝐷 „𝐻1“ < 14260. Mit [Testen] kann die Korrektheit der Klausel überprüft und das Abfrageergebnis als neuer Geodatensatz z.B. im Format ESRI Shapefile (ezggch_100457) abgelegt und geladen werden:
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 87
Schritt 2: Das Gesamteinzugsgebiet kann dazu verwendet werden, insbesondere das Höhenmodell auf die relevante Ausdehnung zu beschränken.
Dieser Schritt erfolgt über das Plugin GdalTools (vorinstalliert) mit dem Tool [Raster] > [Extraktion] > [Clipper], wobei als Eingabedatei der alti3d_2m_sz und als Maskenlayer das ezggch_100457 gewählt wird. Der resultierende Ausschnitt nennt sich alti3d_2m_100457.
Um zu gewährleisten, dass das Höhenmodell den zu betrachtenden Gewässerabschnitt vollständig abdeckt, ist das ezggch_100457 allenfalls vorgängig zu puffern ([Vektor] > [Geoverarbeitungswerkzeuge] > [Puffer]).
Schritt 3: Als zu betrachtender Gewässerabschnitt wird vorerst die gesamte Starzlen berücksichtigt. Hierfür werden aus tlm3d_fgw alle Polylinien mit „𝐺𝑊𝐿_𝑁𝑅“ = ‚𝐶𝐻0043340000‘ ausgewählt, in einem neuen Geodatensatz (tlm3d_fgw_CH0043340000) gespeichert, darin im Bearbeitungsstatus selektiert und zu einer einzigen Polylinie verschmolzen. Alternativ können auch nur einzelne Polylinien beispielsweise mit dem Tool [Objekte durch Rechteck wählen] selektiert und mittels [Auswahl speichern als…] in tlm3d_fgw_sel gespeichert werden.
Schritt 4: Zur grafischen Darstellung des Längsprofils wird das Tool „Terrain Profile“ des Plugins „Profile Tool“ verwendet. Zu dessen Aktivierung ist der Layer alti3d_2m_100457 auszuwählen und die entsprechende Schaltfläche (roter Pfeil) zu klicken. Die Selektion ist auf „Selected Polyline“ (grüne Markierung) zu setzen, bevor durch Auswahl des Gewässerabschnittes aus tlm3d_fgw_CH0043340000 bzw. tlm3d_fgw_sel das entsprechende Längenprofil dargestellt werden kann.
Sofern im Reiter „Settings“ (blaue Markierung) die Plot Library „Matplotlib“ gesetzt wird, lassen sich das Längsprofil sehr einfach zoomen bzw. schieben (orange Markierung) und Werte ablesen (gelbe Markierung).
Abschätzung der mittleren jährlichen Geschiebelieferung in Vorfluter 88
Schritt 5: Aufgrund einer visuellen Expertenbeurteilung des Längsprofils wird die Referenzstrecke mit einer Längengenauigkeit von ca. 20 m (gerundet auf 10 m) festgelegt. Hierfür werden die x- und y-Werte von Anfangs- (SA) und Endpunkt (SE) abgelesen und herausgeschrieben.
Beispielhaft werden die folgenden Werte abgelesen:
SAx = 8140 m SAy = 681 m SEx = 8530 m SEy = 663 m
Schritt 6: Die Berechnung des Längsgefälles J [%] der Referenzstrecke erfolgt über die in Schritt 5 herausgeschriebenen Werte:
𝐽 = ∆𝑦∆𝑥
× 100 = 𝑆𝐴𝑦−𝑆𝐸𝑦𝑆𝐸𝑥−𝑆𝐴𝑦
× 100 also 𝐽 = 681−6638530−8140
× 100 = 18390
×
100 = 4.62%
Schritt 7: Bei Bedarf besteht die Möglichkeit, Anfangs- (SA) und Endpunkt (SE) der in Schritt 5 festgelegten Referenzstrecke nicht nur im Längsprofil, sondern auch auf der Karte selbst zu lokalisieren. Hierfür kann das Plugin „Profile from Line“ verwendet werden (vgl. violetter Pfeil in der Abbildung zu Schritt 4). Das Tool setzt entlang des „Lines Layers“ tlm3d_fgw_CH0043340000 ausgehend vom oberliegenden Abschnittsende in einem vordefinierten „Sampling Intervall“ (z.B. 10 m) Punkte und versieht diese basierend auf dem Höhen-Raster alti3d_2m_100457 u.a. mit folgende Attributen:
• accumDist: Distanz vom oberliegenden Abschnittsende
• alti3d_2m_100457: Höhenwert des dem Punkt unterliegenden Rasters
Die Punkte werden in einen temporären Layer mit Namen „temporary_points“ geschrieben, welcher aus unklaren Gründen in der Karte nicht angezeigt wird. Es ist daher notwendig, diesen Layer als neuen Punkt-Geodatensatz abzuspeichern (tlm3d_fgw_CH0043340000_point) und als Layer zu laden, bevor er in der Karte erscheint.
SA und SE können nun entweder manuell per [Einzelnes Objekt selektieren] extrahiert oder aber mittels „𝑎𝑐𝑐𝑢𝑚𝐷𝑠𝑡“ =8140 𝑂𝑅 „𝑎𝑐𝑐𝑢𝑚𝐷𝑠𝑡“ = 8530 ausgewählt werden.
Soll auch die Polyline-Geometrie der Referenzstrecke vorliegen, empfiehlt es sich, tlm3d_fgw_CH0043340000 im Bearbeitungsstatus mit dem Tool [Objekt trennen] bei SA und SE zu schneiden. Die Fangtoleranz von tlm3d_fgw_CH0043340000_point kann unter [Einstellungen] > [Fangoptionen] so eingestellt werden, dass die Trennung genau bei SA bzw. SE gelingt. Die abgetrennten Segmente können gelöscht und die übrigbleibende Referenzstrecke als neuer Geodatensatz tlm3d_fgw_CH0043340000_s abgespeichert werden.