Ergebnisbericht des Ausschusses Investment
Abbildung spezieller Kapitalanlageprodukte
unter der Solvency-II-Standardformel
Köln, 21. Februar 2019
2
Präambel
Der Ausschuss Investment der Deutschen Aktuarvereinigung e. V. hat den vor-
liegenden Ergebnisbericht erstellt. 1
Zusammenfassung
Der vorliegende Ergebnisbericht soll als Hilfestellung für Aktuare bei der Bewer-
tung spezieller Kapitalanlageprodukte (z. B. Derivate, strukturierte Produkte,
etc.) unter der Standardformel für Solvency II – insbesondere in den Stresssze-
narien – dienen.
Der Ergebnisbericht ist an die Mitglieder und Gremien der DAV zur Information
über den Stand der Diskussion und die erzielten Erkenntnisse gerichtet und stellt
keine berufsständisch legitimierte Position der DAV dar.2
Verabschiedung
Dieser Ergebnisbericht ist durch den Ausschuss Investment am 21. Februar
2019 verabschiedet worden.
1 Der Ausschuss dankt der Arbeitsgruppe Abbildung spezieller Kapitalanlageprodukte unter der
Solvency-II-Standard-formel ausdrücklich für die geleistete Arbeit, namentlich Benjamin Beck,
Miglena Gavrilova, Dr. Barbara Götz, Dr. Holger Hebben, Dr. Oleksandr Khomenko, Florian Reibis, Alexander Schalk (Ltg.), Olaf Schmitz, Dr. Filip Uzelac, Dr. Marcus Wrede.
2 Die sachgemäße Anwendung des Ergebnisberichts erfordert aktuarielle Fachkenntnisse. Dieser
Ergebnisbericht stellt deshalb keinen Ersatz für entsprechende professionelle aktuarielle Dienst-leistungen dar. Aktuarielle Entscheidungen mit Auswirkungen auf persönliche Vorsorge und Absi-cherung, Kapitalanlage oder geschäftliche Aktivitäten sollten ausschließlich auf Basis der Beurtei-lung durch eine(n) qualifizierte(n) „Aktuar DAV“ / „Aktuarin DAV“ getroffen werden.
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Inhalt
Einleitung ...................................................................................... 5
Risiken von Kapitalanlagen in der Standardformel......................... 6
2.1 Risikokategorien unter Solvency II ..................................................... 6
2.2 Gegenparteiausfall-Risikomodul ......................................................... 6
2.3 Definition der zu modellierenden Marktrisiken ...................................... 7
2.4 Discounted Cashflow Verfahren für Zinsrisiken und Freiheitsgrade .......... 8
Abbildung von ausgewählten Instrumenten im Standardmodell .. 11
3.1 Bonds / Anleihen (Plain Vanilla) ....................................................... 11
3.1.1 Definition ............................................................................. 11
3.1.2 Bewertung ........................................................................... 11
3.1.3 Betroffene Risikokategorien .................................................... 12
3.1.4 Kalibrierungsparameter .......................................................... 13
3.2 (Zins)Floater ................................................................................. 14
3.2.1 Definition ............................................................................. 14
3.2.2 Bewertung ........................................................................... 14
3.2.3 Betroffene Risikokategorien .................................................... 14
3.2.4 Kalibrierungsparameter .......................................................... 15
3.3 (Zins)Swap ................................................................................... 15
3.3.1 Definition ............................................................................. 15
3.3.2 Bewertung ........................................................................... 16
3.3.3 Betroffene Risikokategorien .................................................... 16
3.3.4 Kalibrierungsparameter .......................................................... 16
3.4 Swaption ....................................................................................... 17
3.4.1 Definition ............................................................................. 17
3.4.2 Bewertung ........................................................................... 19
3.4.3 Betroffene Risikokategorien .................................................... 20
3.4.4 Kalibrierungsparameter .......................................................... 21
3.5 Callable Bond ................................................................................ 21
3.5.1 Definition ............................................................................. 21
3.5.2 Bewertung ........................................................................... 21
4
3.5.3 Betroffene Risikokategorien .................................................... 22
3.5.4 Kalibrierungsparameter .......................................................... 22
3.6 Wandelanleihe ............................................................................... 23
3.6.1 Definition ............................................................................. 23
3.6.2 Bewertung ........................................................................... 23
3.6.3 Betroffene Risikokategorien .................................................... 23
3.6.4 Kalibrierungsparameter .......................................................... 24
Beispielberechnungen von ausgewählten Instrumenten im
Standardmodell ........................................................................... 25
4.1 Bonds / Anleihen (Plain Vanilla) ....................................................... 25
Risikominderungstechniken durch Kapitalmarktinstrumente ....... 28
5.1 Allgemeine Hinweise zu Risikominderungstechniken ........................... 28
5.2 Wesentliche Anforderungen (DRA - Artikel 209-212) .......................... 29
5.3 Laufzeit und Substitution der Risikominderungstechnik (DRA - Artikel
209) ............................................................................................. 30
5.4 Bonität der Gegenpartei (DRA - Artikel 212/213) ............................... 31
5.5 Basisrisiko (DRA - Artikel 210 und Leitlinie Basisrisiko) ....................... 31
Literaturverzeichnis ..................................................................... 33
5
Einleitung
Das Anliegen dieser Ausarbeitung ist es, einen Überblick über die derzeit im
aktuariellen Bereich verwendeten Modelle zur Bewertung von speziellen Kapi-
talanlageprodukten im Basis- und im Stressfall und deren Einbindung in die
Standardformel zu geben.
Die Modellierung erfolgt zur Abbildung der finanziellen Risiken, die sich aus der
Möglichkeit von verschiedenen Berechnungsansätzen, im Besonderen bei Zins-
trägern, ergeben.
Die in dieser Ausarbeitung beschriebenen Modelle widmen sich unter anderem
dem ökonomisch getriebenen Zinsrisiko und dessen Auswirkungen auf spezielle
Kapitalanlagen. Der Anwender sollte vor Einsatz dieser Modelle kritisch hinter-
fragen, welche Finanzinstrumente er mit dem jeweiligen Modell abdecken
möchte und in wie weit das jeweilige Modell hierfür geeignet ist.
Im folgenden Kapitel 2 werden die grundsätzlichen Risiken der Standardformel
zusammengefasst und die Anwendung auf ein allgemeines Formelbeispiel ver-
anschaulicht. In Kapitel 3 wird auf dieser Basis die Abbildung von ausgewählten
Finanzinstrumenten in der Standardformel beleuchtet und in Kapitel 4 dazuge-
hörige Beispielberechnungen beschrieben. Dabei wird auf eine relativ ausführli-
che Darstellung Wert gelegt, die dem Leser ermöglicht, die durchgeführten Be-
rechnungen nachzuvollziehen. Kapitel 5 beschreibt in kurzer Form mögliche Ri-
sikominderungstechniken durch Kapitalmarktinstrumente und die entsprechen-
den rechtlichen Anforderungen an die Dokumentation.
6
Risiken von Kapitalanlagen in der Standardformel
In diesem Kapitel fassen wir für die Kapitalanlagen relevante Aspekte der Risi-
komessung im Standardmodell zusammen. Dabei orientieren wir uns an [1].
2.1 Risikokategorien unter Solvency II
Für die Risikoabbildung der Kapitalanlagen in Solvency II Standardformel sind
nur das Markt- und Ausfall-Risikomodul relevant.
2.2 Gegenparteiausfall-Risikomodul
In den Anwendungsbereich des Gegenparteiausfallrisiko-Moduls fallen risiko-
mindernde Verträge wie Rückversicherungsvereinbarungen, Verbriefungen und
Derivate sowie Forderungen gegenüber Vermittlern und alle sonstigen Kreditri-
siken, die vom Untermodul für Spread-Risiko nicht abgedeckt werden.
Dazu gehören unter anderem:
a) risikomindernde Verträge, einschließlich Rückversicherungsvereinbar-un-
gen, Versicherungsverbriefungen und Derivate;
b) Guthaben bei Banken und
c) Hypothekendarlehen.
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Die folgenden Kreditrisiken werden nicht im Gegenparteiausfall-Risikomodul er-
fasst:
d) durch ein Kreditderivat übertragene Kreditrisiken;
e) Kreditrisiken in Verbindung mit der Emission von Schuldtiteln durch
Zweckgesellschaften, gleich ob im Sinne von Artikel 13 Absatz 26 der
Richtlinie 2009/138/EG oder nicht;
f) versicherungstechnische Risiken von Kredit- und Kautionsversicherungen
oder -rückversicherungen;
g) Kreditrisiken in Verbindung mit Hypothekendarlehen, die die Anforderun-
gen für Hypothekendarlehen nicht erfüllen (siehe Artikel 105 Absatz 6 der
Richtlinie 2009/138/EG).
2.3 Definition der zu modellierenden Marktrisiken
Das Marktrisiko ergibt sich aus der Höhe oder Volatilität der Marktpreise von
Finanzinstrumenten. Das Marktrisiko, dem das Unternehmen ausgesetzt ist,
wird anhand der Auswirkung von Veränderungen finanzieller Variablen wie risi-
koloser Zins, Aktienkurse, Immobilienpreise, Kreditspreads, und Wechselkurse
gemessen. Zusätzlich werden die Risiken erfasst, die aus der Konzentration der
Exposure gegenüber einer Gegenpartei entstehen (Konzentrationsrisiken).
Für die Quantifizierung der Zins-, Aktien-, Immobilien-, Spread- und Wechsel-
kursrisiken werden regulatorische Stresse vorgegeben, die im Folgenden näher
erläutert werden. Es wird die Bewertung der Kapitalanlagen vor und nach Durch-
führung des jeweiligen Stresses verglichen. Für die Abbildung der Zinsinstru-
mente wird eine Referenzkurve vorgegeben, die als risikolos zu behandeln ist
(EIOPA-Kurve). Da die Diskontierung der Cashflows von Zinsinstrumenten mit
der EIOPA-Kurve in der Regel nicht die quotierten Marktpreise ergibt, stellt die
Abbildung der Zinsinstrumente im Standardmodell eine zusätzliche Herausfor-
derung dar, um die beobachtbare Marktpreise in Einklang mit den Modell-Be-
wertungen zu bringen.
In den Anwendungsbereich des Untermoduls Konzentrationsrisiko fallen Vermö-
genswerte, die in den Untermodulen Aktienrisiko, Spreadrisiko und Immobilien-
risiko berücksichtigt werden. Ausgenommen sind im Gegenparteiausfall-Risi-
komodul erfasste Vermögenswerte, um Überschneidungen zwischen den beiden
Elementen der Standardberechnung des SCR zu vermeiden. Beispielsweise wer-
den Risiken, die sich aus der Konzentration von Barguthaben bei einer Bank
ergeben, im Gegenparteiausfall-Risikomodul erfasst, während Risiken, die sich
auf die Konzentration anderer Vermögenswerte bei Banken beziehen, im Unter-
modul Konzentrationsrisiko erfasst werden sollten. Die Abbildung der Kapitalan-
lagen in Konzentrationsrisiko-Submodul ist unabhängig von der Art der Kapital-
anlage. In diesem Paper werden wir es nicht weiter thematisieren.
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Im nächsten Abschnitt diskutieren wir die Abbildung der einzelnen Kapitalanla-
gen nach Kapitalanlageart. Dabei werden wir die Marktrisiken in den Zins-, Ak-
tien-, Immobilien-, Spread- und Währungssubmodulen quantifizieren. Bei den
Zinsinstrumenten werden wir zusätzlich noch darauf eingehen, wie man die vor-
gegebenen realen Marktpreise mit der EIOPA-Diskontierung in Einklang bringen
kann. Dieser Aspekt wird im Weiteren als Kalibrierung bezeichnet.
2.4 Discounted Cashflow Verfahren für Zinsrisiken und Freiheitsgrade
Ein grundsätzlich sehr geeignetes Verfahren zur Ermittlung des Zinsrisikos ge-
mäß Standardformel für ein Finanzinstrument mit bekannten Cashflows ist die
Discounted Cashflow Methode: Der aktuelle Marktwert des Instruments wird als
Barwert der zukünftigen Zahlungen aufgefasst, welche jeweils unter dem zuge-
hörigen risiko- und laufzeitkongruenten Zins diskontiert werden. Dieser setzt
sich aus einem währungsspezifischen risikofreien Markt-Basiszins und einem
Spread zusammen, welcher hauptsächlich als instrumentspezifischer Credit
Spread zuzüglich Liquiditätsspread angesehen werden kann:
Marktwert = ∑ Cashflow C(t)
(1 + zMarkt(Instrument, t))t
Zeitdauer t bis zum Cashflow C(t)
mit risiko- und laufzeitkongruenten Zinssätzen:
zMarkt (Instrument, t) = zBasis, Markt(t) + zSpread, Markt(Instrument, t).
Zur Ermittlung der Wertänderung unter den Zinsstressen „Zins Up“ und „Zins
Down“ steht man nun vor der Aufgabe, zunächst einmal die risikofreie Basis-
zinskurve von EIOPA ins Spiel zu bringen, welche sich von der risikofreien Markt-
zinskurve durchaus unterscheiden kann. Ein simples Ersetzen des risiko- und
laufzeitkongruenten Diskontierungszinses durch den entsprechenden risiko-
freien EIOPA-Basiszins alleine würde bei risikobehafteten Cashflows in der Regel
zu einer Fehlbewertung des Instrumentes führen, da der risiko- und laufzeit-
kongruente Zins jeweils größer sein dürfte als der risikofreie Basiszins von EI-
OPA. Um diese Fehlbewertung zu vermeiden, ist also bei der Diskontierung unter
Einbeziehung der EIOPA-Basiszinskurve eine entsprechende Erhöhung der Ba-
siszinssätze um geeignete Spreads vorzunehmen, um den Marktwert des In-
strumentes wieder zu treffen. Hierbei ergeben sich bereits erste Freiheitsgrade
aufgrund von verschiedenen Alternativen, von denen die folgenden zwei ge-
nannt seien:
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A1: Annahme eines instrumentenspezifischen aber laufzeitunabhängigen fes-
ten Spreads oberhalb der EIOPA Basiszinskurve, welcher so gewählt wird,
dass mittels Discounted Cashflow Verfahren wieder der Marktwert des In-
struments getroffen wird, also
zSolvency II (Instrument, t) = zBasis, EIOPA(t) + zSpread. Solvency II(Instrument)
mit der Bestimmungsgleichung
Ermittelter Marktwert = ∑ Cashflow C(t)
(1 + zSolvency II(Instrument, t))t
Zeitdauer t bis zum Cashflow C(t)
A2: Annahme eines laufzeit- und instrumentabhängigen Spreads oberhalb der
EIOPA Basiszinskurve, welcher so gewählt wird, dass in Summe wieder die
risiko- und laufzeitkongruenten Marktzinsen getroffen werden:
zSolvency II (Instrument, t)= zBasis, EIOPA(t) + zSpread, Solvency II (Instrument, t)
mit der Bestimmungsgleichung
zBasis, EIOPA(t) + zSpread, Solvency II (Instrument, t) = zMarkt (Instrument, t).
Die Alternativen unterscheiden sich entsprechend in der Frage, ob ein laufzeit-
unabhängiger fester Spread oder eine Spreadkurve auf die risikofreie Basiszins-
kurve gemäß EIOPA gelegt wird, damit unter der Discounted Cashflow Bewer-
tung wieder der ermittelte tatsächliche Marktwert des Instruments getroffen
wird.
Bei beiden Alternativen kann anschließend die seitens EIOPA vorgegebene risi-
kofreie Basiszinskurve gemäß den Vorgaben des „Zins Up“ und „Zins Down“ Sze-
narios ausgelenkt werden. Mittels Discounted Cashflow unter Verwendung der
resultierenden neuen Gesamtzinskurven kann abschließend der Marktwert des
Instrumentes unter den Stressszenarien berechnet werden.
Weitere Freiheitsgrade in der Ermittlung der Stresswerte ergeben sich bei der
Behandlung unterjähriger Cashflows, da seitens EIOPA „nur“ die Stützstellen der
risikofreien Basiszinskurve in Ein-Jahres-Abständen angegeben werden, und
sich aus diesen auch „nur“ die Stützstellen der gestressten Zinskurven in Ein-
Jahres-Abständen ergeben.
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Eine erste denkbare Möglichkeit für den Umgang mit unterjährigen Cashflows
besteht darin, ihre Fälligkeit auf die nächstgrößere Jahresscheibe zu verschie-
ben, für die die benötigten Ausprägungen der risikofreien Basiszinsen im unge-
stressten und gestressten Fall fest vorgegeben sind.
Als weitere Möglichkeit kann die risikofreie Basiszinskurve von EIOPA interpo-
liert werden, sei es durch lineare Interpolation zwischen den Stützstellen als
einfachster Ansatz oder durch komplexere Verfahren wie zum Beispiel Smith-
Wilson.
Die unterjährigen Ausprägungen der gestressten Zinskurven können entspre-
chend ebenfalls durch lineare oder komplexere Interpolation der Stützstellen-
werte der gestressten Basiszinskurve ermittelt werden, oder alternativ durch
lineare Interpolation der Stressparameter, welche dann auf eine interpolierte
risikofreie Basiszinskurve angewendet werden.
Dadurch ergibt sich hier eine Vielzahl von Freiheitsgraden bei der Umsetzung
der Zinsrisikostresse, deren Ausgestaltung in entsprechender Detailtiefe weder
in der Rahmenrichtlinie noch im Delegated Act geregelt ist. Eine Auswirkungs-
analyse der verschiedenen Ansätze auf die Marktwerte nach Stress bei einem
Plain Vanilla Bond befinden sich im nachfolgenden Kapitel.
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Abbildung von ausgewählten Instrumenten im Standardmodell
Im Folgenden werden die häufigsten Formen der Kapitalanlagen bei deutschen
Versicherungsunternehmen kurz erläutert. Daraufhin werden die Bewertungs-
modelle beschrieben, die am meisten im aktuariellen Bereich Anwendung fin-
den. Auf die explizite und ausführliche Beschreibung der „echten“ Marktbewer-
tung der einzelnen Instrumente wird verzichtet, da dies zu komplex wäre und
den Umfang dieses Papers sprengen würde. Für unsere Zwecke werden die
Marktpreise als gegeben betrachtet und die Bewertungsmodelle werden an diese
Marktpreise kalibriert.
3.1 Bonds / Anleihen (Plain Vanilla)
Zum Einstieg starten wir mit der Abbildung von Bonds unter der Standardformel
für Solvency II, um eine allgemeine Vorgehensweise zu illustrieren.
3.1.1 Definition
Eine Anleihe (Bond) ist ein zinstragendes Wertpapier. Es handelt sich also um
ein Forderungspapier, das dem Gläubiger das Recht auf Rückzahlung sowie auf
Zahlung vereinbarter Zinsen (Kupons) einräumt. Die häufigsten Anleiheformen
haben einen fixen oder variablen (sog. Floater siehe 3.2) Zins. Eine auch nicht
selten auftretende Form ist die Nullkuponanleihe. Bei solchen Anleihen werden
keine laufenden Zinsen gezahlt. Die Rendite ergibt sich aus der Differenz zwi-
schen dem Ausgabepreis und der zu pari erfolgenden Rückzahlung. Es sind aber
durchaus auch andere Variationen von Anleihen möglich, wie z.B. bei einer Stu-
fenzinsanleihe – der Kupon steigt oder fällt während der Laufzeit. Es ist auch
nicht unüblich den Kupon während der Laufzeit in Abhängigkeit von anderen
Kennzahlen (z. B. Inflation) festzulegen.
Im Allgemein kann man Anleihen hinsichtlich des Kreditrisikos in risikofreie und
risikobehaftete Anleihen aufteilen. In der ersten Gruppe sind – gemäß Stan-
dardformel - bestimmte Staatsanleihen, Anleihen der öffentlichen Hand o.ä.,
während in die zweite Gruppe z. B. Unternehmensanleihen oder besicherte ver-
zinsliche Wertpapiere fallen.
3.1.2 Bewertung
Als Marktwert einer kreditrisikofreien verzinslichen Anleihe gilt der Barwert aller
in der Zukunft erwarteten Zahlungen (d. h. Kuponzahlungen und Nennwertrück-
zahlungen). Die Diskontierung der Cashflows erfolgt dabei grundsätzlich mit ei-
ner am Markt üblichen risikofreien Zinskurve (Swap oder EONIA). Jedoch wird
auf diese Weise der am Markt quotierte Bondpreis in der Regel nicht getroffen,
insbesondere wenn die Anleihe Kreditrisiken enthält. Dieses Phänomen wird
ausführlich in [2] diskutiert. Die Ursachen dafür sind möglicher Ausfall des Emit-
tenten und/oder Liquiditätsengpässe. Beim Ausfall bekommt der Investor nur
ein Teil der Cashflows zurück. Bei der Veräußerung von illiquiden Titel können
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größere Abschläge auf den quotierten Marktpreis zustande kommen. Für die
Übernahme der genannten Risiken verlangen die Investoren eine Risikoprämie.
In [2] werden zwei Ansätze skizziert, um die quotierten Marktpreise im Model
wiederzugeben. Entweder werden die Cashflows des Bonds unter Berücksichti-
gung von Ausfällen ausgerollt und risikolos diskontiert, oder die vertraglichen
Cashflows werden mit einem Spread diskontiert. Im ersten Fall wird eine bond-
individuelle konstante zeitunabhängige Ausfallwahrscheinlichkeit so ermittelt,
dass der Barwert der mit der risikolosen Zinskurve diskontierten Cashflows un-
ter Berücksichtigung der möglichen Ausfälle genau den beobachteten Bondpreis
ergibt. Im zweiten Fall wird ein bondindividueller Spread so ermittelt, dass sich
bei Diskontierung der vertraglichen vereinbarten Cashflows mit der um den
Spread verschobenen risikolosen Zinskurve genau der beobachtete Bondpreis
ergibt. Bei der Abbildung der Kapitalanlagen im Standardmodell werden wir in
der Regel die zweite Variante (Diskontierung mit bondindividuellen Spread) be-
vorzugen.
3.1.3 Betroffene Risikokategorien
Zinsrisiko
Für die Ermittlung des Zinsrisikos werden die in Abschnitt 2.4 vorgestellten An-
sätze durchgerechnet. Es werden Marktwertverluste des Bonds unter Einbezie-
hung der seitens EIOPA vorgegebenen Zinskurven und Zinsstresse ermittelt.
Hierzu werden die vertragsmäßigen Cashflows mit der jeweiligen Zinskurve und
dem unveränderten bondindividuellen Spread (bzw. der individuellen Spread-
kurve) diskontiert. Das Marktrisiko im Zinssubmodul ist dann der Marktwertver-
lust im für das Unternehmen entscheidenden Szenario.
Aktien- und Immobilienrisiko
Der Wert eines Plain Vanilla Bonds unterliegt weder einem Aktien- noch einem
Immobilien-risiko.
Spreadrisiko
Bei der Ermittlung des Spreadrisikos eines Bonds wird zwischen Staatsanleihen,
Pfandbriefen, Unternehmensanleihen, Krediten, Verbriefungen und Hypothe-
ken-darlehen für Wohnimmobilien unterschieden. Für jede Kategorie wird an-
hand der in [1] vorgegebenen Tabellen in Abhängigkeit von Duration und Boni-
täts-einstufung ein Spread-Risikofaktor 𝐹𝑢𝑝 ermittelt. Das Spreadrisiko eines
Bonds ist dann das Produkt aus Marktwert und Risikofaktor 𝐹𝑢𝑝. Auf die Beson-
derheiten bei Verbriefungen und Hypothekendarlehen für Wohnimmobilien wer-
den wir in entsprechenden Unterkapiteln eingehen.
Währungsrisiko
Der Wert eines Plain Vanilla Bonds kann zusätzlich einem Währungsrisiko un-
terliegen.
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3.1.4 Kalibrierungsparameter
Als Marktdaten werden grundsätzlich die aktuellen, stichtagsbezogenen Zinss-
ätze benötigt. Für risikobehaftete Anleihen wird oft auch eine Spreadkurve für
ein bestimmtes Rating aus dem Markt abgelesen. Weitere Daten für die Bewer-
tung des Instruments können im Prinzip dem so genannten Term Sheet ent-
nommen werden.
Im Folgenden werden die am häufigsten verwendeten Gattungsdaten für Bonds
aufgelistet (i. A. das Minimum an Daten für eine Bewertung):
Nennwert
Kuponhöhe
Kuponhäufigkeit
Laufzeit
Zusätzliche Parameter für kreditrisikobehaftete Anleihen:
Rating
Übergangswahrscheinlichkeiten
Recovery rate etc.
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3.2 (Zins)Floater
3.2.1 Definition
Als Floater werden hier Bonds bezeichnet, die variabel verzinst werden, d.h.
deren Kupon nicht bei der Emission festgelegt wird, sondern während der Lauf-
zeit rollierend anhand der aktuellen Zinskurve jeweils für die kommende Zins-
periode ermittelt wird. Am Ende der Laufzeit findet die Nominalrückzahlung
statt. Beispiele davon sind Floating Rate Notes, die z.B. halbjährlich einen 6-Mo-
nats LIBOR- oder EURIBOR-Zinssatz zahlen. Falls der Floater kreditrisikolos ist
(ohne erwartete Ausfälle) und die Diskontierungs-Zinskurve mit der Referenz-
kurve für Kuponermittlung übereinstimmt, so ist der Preis eines Floaters unmit-
telbar nach der Zinszahlung gleich dem Nominal. Ähnlich wie bei Plain Vanilla
Bonds weichen aber in der Realität die so ermittelten Floater-Preise von quo-
tierten Marktpreisen ab. Dieser Unterschied wird durch Möglichkeit eines Kredi-
tereignisses und ggf. Liquiditätsengpässen erklärt. Um den Preis eines Floaters
mit EIOPA-Diskontierung zu reproduzieren, wird analog zu Plain Vanilla Bonds
ein individueller Spread ermittelt. Dabei werden als erstes die Forwardsätze der
Referenzzinskurve unter Annahme der EIOPA-Diskontierung ermittelt (analog
z.B. zu Bootstrapping von EURIBOR-Forwards mit EIONIA-Diskontierung). Es
wird unterstellt, dass für die jeweilige Zinsperiode der Kupon in Höhe des ent-
sprechenden Forwardsatzes gezahlt wird. Danach wird ein Spread ermittelt, so
dass die Diskontierung der eben ermittelten Cashflows auf Forwardbasis genau
der Preis des Floaters ergibt.
3.2.2 Bewertung
Da ein Floater zu einem Zeitpunkt unmittelbar nach einer Kuponzahlung zu ei-
nem Marktzinssatz notiert und somit einen „fairen“ Zinssatz ausweist, muss er
zu diesem Zeitpunkt zu seinem Nominalwert notieren. Unterschiede sind dann
lediglich auf eine abweichende Bonität des Emittenten zurückzuführen.
Die modifizierte Duration eines Floaters, als Maß für die Zinssensitivität des Pa-
piers, ist ungefähr der Zeitraum bis zum nächsten Kupon. Die Laufzeit der An-
leihe kann deutlich länger sein. Für unterschiedliche Zwecke können angepasste
Formen der modifizierten Duration benutzt werden (z. B. für Spreadrisiko nach
Solvency II, siehe [3], Art. 176 Absatz 2).
3.2.3 Betroffene Risikokategorien
Zinsrisiko
Ähnlich wie bei Plain Vanilla Bonds wird für die Ermittlung des Zinsrisikos unter-
stellt, dass der individuelle Spread unverändert bleibt. Die Marktwerte des Floa-
ters werden mit von EIOPA vorgegebenen Zinskurven für die Zinsstresse ermit-
telt. Dabei wird unterstellt, dass die Differenz zwischen Referenzzinskurve des
Floaters und der EIOPA-Kurve konstant bleibt. Danach ermittelt man die Cash-
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flows des Floaters auf Forwardbasis unter Annahme der Diskontierung mit je-
weilige EIOPA-Stresskurve. Diese werden dann mit der EIOPA-Stresskurve und
individuellen Spread diskontiert. Das Marktrisiko im Zinssubmodul ist dann der
Marktwertverlust in für das Unternehmen entscheidendem Szenario.
Aktien- und Immobilienrisiko
Der Wert eines Floater unterliegt weder einem Aktien- noch einem Immobi-
lien-risiko.
Spreadrisiko
Bei der Ermittlung des Spreadrisikos eines Floaters geht man konsistent zum
Spreadrisiko eines Bonds vom selben Emittenten vor. Für die Duration wird al-
lerdings die Spread-Duration eingesetzt. Diese ist definiert als die Duration der
Cashflows, die auf Basis der Forward-Kurve gezahlt werden.
Währungsrisiko
Der Wert eines Floater kann zusätzlich einem Währungsrisiko unterliegen.
3.2.4 Kalibrierungsparameter
Anhand von Marktdaten werden die aktuellen Zinssätze sowie, falls notwendig
für das Modell, die Spreadkurve für ein gewisses Rating bestimmt. Weitere Da-
ten für die Bewertung eines Floaters können im Prinzip dem so genannten Term
Sheet entnommen werden. Im Folgenden werden die am häufigsten verwende-
ten Gattungsdaten für Floater aufgelistet:
Nennwert
Kuponhöhe
Laufzeit
Referenzzinssätze (Libor/Euribor etc.)
Ggf. Rating
3.3 (Zins)Swap
3.3.1 Definition
Ein (Zins)Swap ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Parteien zu-
künftige Zinszahlungen zu festgelegte Zeitpunkten auszutauschen. Die Zinszah-
lungen werden auf Basis eines fiktiven Nominalvolumens, welches nicht ausge-
tauscht wird, berechnet. Die Zinszahlungen werden so festgesetzt, dass eine
Partei einen fixierten Zinssatz zahlt, die andere Partei hingegen einen variablen
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Zinssatz, der sich an einem Referenzzinssatz wie bspw. Libor oder Euribor ori-
entiert, zahlt. Je nachdem, ob man den fixen Zinssatz bekommt oder bezahlt,
entspricht der Swap einem Receiver oder Payer Swap. Swaps werden außer-
börslich (over-the-counter) gehandelt.
3.3.2 Bewertung
Ein (Zins)Swap kann bewertet werden indem man ihn in zwei Instrumente zer-
legt – einen Plain Vanilla Bond mit dem fixen Zinssatzes als Kupon und auf der
anderen Seite der Barwert der variablen Cashflows, die sich aus der Entwicklung
des Referenzzinssatzes bis zum Ende der Laufzeit ergeben. Der Wert des Swaps
ist dann die Differenz des Wertes dieser beiden Instrumente. Ein Swap hat zum
Abschlusszeitpunkt immer einen Wert von Null. Mit der Entwicklung des Refe-
renzzinses verändert sich der Wert und kann sowohl positiv als auch negativ
werden.
3.3.3 Betroffene Risikokategorien
Zinsrisiko
Siehe hierzu 3.1.3 und 3.2.3.
Aktien- und Immobilienrisiko
Der Wert eines (Zins)Swaps unterliegt weder einem Aktien- noch einem Im-
mobilienrisiko.
Spreadrisiko
Siehe hierzu 3.1.3 und 3.2.3.
Währungsrisiko
Der Wert eines (Zins)Swaps kann zusätzlich einem Währungsrisiko unterlie-
gen.
3.3.4 Kalibrierungsparameter
Für die Modellierung werden die jeweils gültigen Zinssätze aus Marktdaten be-
nötigt. Zusätzlich, je nach Spezifikation im Term Sheet, werden noch mindes-
tens die folgenden Daten für einen bestimmten Swap benötigt:
Laufzeit
Nominalvolumen
Fixer Zinssatz
Variabler Zinssatz (Referenzzinssatz)
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3.4 Swaption
3.4.1 Definition
Eine Swaption ist eine Option in einen Zinsswap einzutreten. Die Option hat eine
gewisse Laufzeit. Bei europäischen Swaptions kann man die Option nur zu einem
festgelegten Zeitpunkt ausüben, bei amerikanischen kann die Option zu belie-
bigen Zeitpunkten bis zur finalen Fälligkeit ausgeübt werden. Eine Variation
dazu ist die Bermuda-Swaption, wenn die Option zu mehreren vorher festgeleg-
ten Zeitpunkten ausgeübt werden kann. Eine Bermuda Swaption kann als
Summe/Portfolio von europäischen Swaptions dargestellt werden. Je nachdem,
ob man den fixen Swapsatz bekommt oder bezahlt, wird das entsprechend eine
Receiver oder Payer Swaption genannt.
Für die Bewertung von Swaptions gibt es verschiedene Modelle. Um den Effekt
aus der jeweiligen Modell-Auswahl zu verdeutlichen, werden wir hier zwei ver-
gleichsweise einfache Modelle betrachten: Black-76 und Bachelier. Historisch
wurde für die Bewertung von Swaptions und für die Quotierung der Swaptions-
Volatilitäten das Modell von Black herangezogen (Black-76). Dieses Modell kann
allerdings keine negativen Zinssätze (Forwards) berücksichtigen. Deshalb haben
viele Marktteilnehmer in letzten Jahren die Bewertung und Quotierung der
Swaptions auf das Modell von Bachelier umgestellt. Diese ist weitestgehend
analog zu Black-76. Der wesentliche Unterschied liegt in der Verteilungs-annah-
men für die Forwardsätze. Im Black-76 Modell wird angenommen, dass die For-
wards lognormalverteilt sind. Im Bachelier Modell geht man von normalverteil-
ten Forwards aus.
Um die Formeln in den beiden Modellen zu skizzieren, benötigen wir einige No-
tationen und Vereinfachungen. Sei 𝑆 der Strike (vereinbarte Festsatz) und 𝑇 die
Laufzeit der Option. Wir nehmen weiter an, dass die Cashflows des zugrunde-
liegenden Swaps zu den Zeitpunkten 𝑇 + 1, … , 𝑇 + 𝑁 stattfinden. 𝑍(𝑡) bezeich-
net den Preis eines Null-Kupon Bonds mit Fälligkeit 𝑡.
Es sei:
𝐴 = ∑ 𝑍
𝑁
𝑖=1
(𝑇 + 𝑖)
𝐹 =𝑍(𝑇) − 𝑍(𝑇 + 𝑁)
𝐴
Die Größe 𝐹 ist der risikolose Forward Zinssatz, der anhand der risikolosen Dis-
kontkurve ermittelt werden kann. Wenn 𝜎𝐵 die implizite Black Volatilität be-
zeichnet, so ist der Preis einer Receiver 𝑝 bzw. Payer 𝑐 Swaption im Black-76
Modell gegeben durch:
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𝑝 = 𝐴 (𝑆 Φ (−𝑑2) − 𝐹 Φ(−𝑑1)) bzw.
𝑐 = 𝐴 (𝐹 Φ(𝑑1) − 𝑆 Φ(𝑑2))
mit
𝑑1 =ln(
𝐹
𝑆)+(
𝜎𝐵2
2)𝑇
𝜎𝐵√𝑇 und
𝑑2 = 𝑑1 − 𝜎𝐵√𝑇 .
Wenn 𝜎𝑁 die implizite Normal-Volatilität bezeichnet, so ist der Preis einer Recei-
ver 𝑝 bzw. Payer 𝑐 Swaption in Bachellier Modell gegeben durch:
𝑝 = 𝐴 ((𝑆 − 𝐹) Φ(−𝑑) + 𝜎𝑁√𝑇 Φ′(𝑑)) bzw.
𝑐 = 𝐴 ((𝐹 − 𝑆) Φ(𝑑) + 𝜎𝑁√𝑇 Φ′(𝑑))
mit
𝑑 =𝐹 − 𝑆
𝜎𝑁√𝑇
Um die Marktpreise der Swaptions mit diesen vereinfachten Modellen zu treffen
wird jeweils die implizite Volatilität 𝜎𝐵 bzw. 𝜎𝑁 ermittelt, so dass der Marktpreis
der Swaptions sich mit der jeweiligen Formel ergibt. Für die Bewertung der
Swaptions am Markt wird in der Regel eine risikofreie Marktzinskurve verwendet
(Swap, EONIA o. a.) ggf. mit Adjustierungen bzgl. Kreditqualität und Finanzie-
rungskosten der Gegenparteien. Die EIOPA-Zinskurve, die in Solvency II für
risikolose Diskontierung verwendet wird, könnte bei längeren Laufzeiten von der
jeweiligen risikofreien Marktzinskurve erheblich abweichen. Insbesondere die
mit der EIOPA-Kurve ermittelten Forwardsätze können stark von den Markt-
Forwards abweichen. Bei der Kalibrierung der impliziten Volatilitäten an Markt-
19
preise mit der EIOPA-Kurve, könnten somit die Risikosensitivitäten der Swapti-
ons signifikant verzerrt werden, falls die Moneyness3 der Swaptions auf die EI-
OPA-Kurve stark von der Moneyness der Swaptions am Markt abweicht. Bei
langlaufenden Receiver Swaptions könnte es sogar passieren, dass der innere
Wert der Option auf die EIOPA Kurve größer als der Marktpreis der Swaption
und somit die Kalibrierung der impliziten Volatilität nicht möglich ist.
Es gibt zwei Möglichkeiten die Modelle so zu kalibrieren, dass die Risikosensiti-
vitäten der Swaptions erhalten bleiben:
Ansatz 1: Verwendung der risikofreien Marktzinskurve (Swap bzw. EONIA) zur
Diskontierung
Die implizite Volatilität wird so ermittelt, dass der Marktpreis der Swaption im
jeweiligen Modell reproduziert wird. Für die Risikorechnung werden die Stresse
von der EIOPA-Kurve auf die risikofreie Marktzinskurve übertragen (additiv oder
multiplikativ).
Ansatz 2: Verwendung der EIOPA-Zinskurve für die Diskontierung und Addition
eines konstanten Spreads auf die variablen Kupons des zugrundeliegenden
Swaps, so dass die Moneyness der Swaption mit der EIOPA-Kurve der Money-
ness der Swaption mit der risikofreien Marktzinskurve entspricht.
Da die Moneyness der Differenz zwischen Forwardsatz und Strike der Option
entspricht, ergibt sich der Spread als Differenz des EIOPA-Forwards und des
Marktzins-Forwards. Im Anschluss wird die implizite Volatilität ermittelt, die die
Marktpreise der Swaptions im jeweiligen Modell reproduziert.
3.4.2 Bewertung
Für die Bewertung einer Swaption benötigt man grundsätzlich ein Zinsmodell.
Das bekannteste und am weitesten verbreitete Modell für Swaptions - vor der
Niedrigzinsphase - war das Black’76 Modell. In diesem Modell folgt der Zins einer
geometrischen Brownschen Bewegung und ist somit lognormal verteilt. Im
Grunde genommen bewertet man die Swaption als eine europäische Option, die
als Auszahlung den Barwert der zukünftigen Cashflows zum Zeitpunkt der Aus-
übung hat.
In der in letzter Zeit vorherrschenden Niedrigzinsphase, hat das Black‘76 Modell
jedoch einige Nachteile. Beispielsweise misst es die zum Zinsniveau relative
Volatilität und dadurch erhält man sehr hohe Volatilitäten oder – im Falle nega-
tiver Zinsen - gar keine Quoten (bzw. Bewertungen). Vor diesem Hintergrund
wurde ein zweites Modell immer populärer, das Bachelier Modell. Hier nimmt
3 Die Moneyness ist eine Kennzahl für Optionsscheine, die Aufschluss darüber gibt, wie weit ein Options-schein im, am oder aus dem Geld notiert. Die Moneyness ergibt sich aus der Division des aktuellen Kurswerts des Basiswerts durch den Basispreis des Optionsscheins. (s. https://www.bo-erse.de/boersenlexikon/Moneyness)
20
man eine Normalverteilung des Zinses an. Die Bewertung folgt der gleichen Lo-
gik wie beim Black‘76 Modell, nur eben mit leicht anderem Ergebnis.
Es ist immer noch üblich, die Swaption Preise nicht in Euro etc., sondern als
implizite Volatilitäten zu quotieren. Da die implizite Volatilität eine wesentliche
Annahme für das Modell ist, sieht man direkt die Sicht des Marktes bereinigt
von den anderen Komponenten, die den Preis bilden (wie Laufzeiten, Strikes
usw.). Aufgrund der jüngsten Zinsentwicklungen jedoch geben Banken mittler-
weile immer häufiger doch die Swaption Preise an, anstatt der impliziten Vola-
tilitäten.
Grundsätzlich kann man mit jedem Zinsmodell Swaptions bewerten, nicht jedes
Modell hat jedoch eine schöne geschlossene Lösung, die man einfach in andere
Bewertungsalgorithmen einbauen kann.
3.4.3 Betroffene Risikokategorien
Zinsrisiko
Die Vorgehensweise bei der Berechnung des Zinsrisikos hängt von dem gewähl-
ten Kalibrierungsansatz ab.
Ansatz 1: Die Stresse aus der EIOPA-Kurve werden additiv oder multiplikativ in
die Stresse der jeweiligen risikofreien Kurve übertragen.
Ansatz 2: Bei der Berechnungen mit gestressten EIOPA Kurve wird der Spread
auf den variablen Kupon konstant gehalten.
Der Marktwert der Swaption in Stressszenarien wird dann mit dem jeweiligen
Modell unter Verwendung der bei der Kalibrierung ermittelter impliziten Volati-
lität berechnet.
Aktien- und Immobilienrisiko
Der Wert von Swaptions unterliegt weder einem Aktien- noch einem Immobi-
lien-risiko.
Spreadrisiko
Siehe oben bzw. vorangegangene Kapitel.
Währungsrisiko
Der Wert einer Swaption kann zusätzlich einem Währungsrisiko unterliegen.
21
3.4.4 Kalibrierungsparameter
Für die Modellierung werden die jeweils gültigen Zinssätze sowie die impliziten
Volatilitäten der quotierten Swaptions aus Marktdaten benötigt. Zusätzlich, je
nach Spezifikation im Term Sheet, werden noch mindestens die folgenden Daten
für eine bestimmte Swaption benötigt:
Laufzeit der Option
Laufzeit des Swaps
der Strike → fixer Zinssatz für den Swap; kann in % angegeben werden,
z.B. 3 % oder in Abhängigkeit vom zukünftigen Forwardsatz angegeben
werden, z. B. 100 % vom Forwardswapsatz
3.5 Callable Bond
3.5.1 Definition
Ein Callable Bond ist ein Bond, bei welchem der Emittent die Möglichkeit hat,
den Bond zu einem bestimmten Zeitpunkt (call date) vor Ende der Laufzeit zu-
rückzukaufen. Der Rückkaufpreis ist normalerweise der Nominalwert. In man-
chen Fällen wird es allerdings mit einem Abschlag zurückgekauft, z.B. 98 % vom
Nominalwert.
Wenn die Marktzinsen zum call date gefallen sind, kann der Emittent seine
Bonds zurückerwerben und sich dann zu besseren Bedingungen refinanzieren.
Der Investor profitiert von den vergleichsweise höheren Kuponzahlungen, so-
lange keine Kündigung erfolgt ist. Da die Anleihen eben dann gekündigt werden,
wenn die Zinsen niedriger sind, tragen die Kapitalanleger wie z. B. Versiche-
rungsunternehmen das Wiederanlagerisiko im Niedrigzinsumfeld bei gleichzeiti-
gem Verlust von hohen Kuponzahlungen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die
korrekte Bewertung dieser Art von Anleihen und deren Risiken unter Solvency
II sehr wichtig.
Die Callable Bonds können in folgende Unterarten aufgeteilt werden:
Kreditrisikofreie oder kreditrisikobehaftete Callables
Callable mit einem Kündigungszeitpunkt oder Multicallable Bonds
3.5.2 Bewertung
Der Wert eines Callable Bonds ist gleich dem Wert eines vergleichbaren Plain-
Vanilla-Bonds abzüglich dem Preis einer Call-Option auf den Bond. Um den Preis
des Callables zu ermitteln, muss man somit in jedem Kündigungszeitpunkt wis-
sen, ob es sich noch lohnt, die Option zu halten oder ob sie lieber ausgeübt
werden sollte. In der Praxis wird hierbei oft ein bekanntes Modell eingesetzt,
22
das Modell von Longstaff-Schwartz. Die Hauptidee hier ist, eine Rückwärts-Re-
gression zu verwenden. Nach dem letzten Kündigungstermin hat ein Callable
den gleichen Marktwert wie ein Plain-Vanilla-Bond mit den gleichen Konditionen.
Für weitere Details siehe [4].
3.5.3 Betroffene Risikokategorien
Zinsrisiko
Siehe oben bzw. vorangegangene Kapitel.
Aktien- und Immobilienrisiko
Der Wert eines Callable Bonds unterliegt weder einem Aktien- noch einem Im-
mobilienrisiko.
Spreadrisiko
Siehe oben bzw. vorangegangene Kapitel.
Währungsrisiko
Der Wert eines Callable Baonds kann zusätzlich einem Währungsrisiko unter-
liegen.
3.5.4 Kalibrierungsparameter
Für die Modellierung werden die jeweils gültigen Zinssätze aus Marktdaten be-
nötigt. Je nach Modell können für kreditrisikobehaftete Callables die zugehöri-
gen Spreadkurven für bestimmte Ratings vom Markt genommen werden. Zu-
sätzlich, je nach Spezifikation im Term Sheet, werden noch die folgenden Daten
für einen bestimmten Callable Bond benötigt:
Nennwert
Kuponhöhe, Kuponhäufigkeit
Laufzeit
Call dates
Call strike (in % vom Nominal)
Ggf. Rating etc.
23
3.6 Wandelanleihe
3.6.1 Definition
Eine Wandelanleihe (convertible bond) ist eine Anleihe, die neben den üblichen
Merkmalen wie Nominalzins, Laufzeit und Nennwert, zusätzlich die Option bein-
haltet, die Anleihe in Aktien zu einem vorher festgelegten Verhältnis umzuwan-
deln. Falls die Anleihe nicht umgewandelt wird, wird sie zum Ende der Laufzeit
getilgt. Wenn dieses Wahlrecht beim Emittenten und nicht beim Inhaber liegt,
wird dies als umgekehrte Wandelanleihe (reverse convertible) bezeichnet.
3.6.2 Bewertung
Die einfachsten Modelle mit denen eine Wandelanleihe bewertet werden kann,
basieren auf dem Black-Scholes und Merton Modell. Demnach kann bewiesen
werden, dass der Wert einer Wandelanleihe identisch ist mit dem Wert eines
Portfolios aus einem Bond und einem europäische Call-Option.
Etwas komplexere, aber auch sehr häufig angewandte Modelle für die Bewer-
tung einer Wandelanleihe sind Binomial- oder Trinomialmodelle. Die Grundidee
dabei ist, die Wandelanleihe in zwei Komponenten zu zerlegen, den Schuldtitel
und die Option auf die Aktie. Bei einem Binomialmodell ist die Entwicklung des
Aktienpreises durch einen Binomialbaum gegeben. In jedem Knoten kann die
Aktie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit um u% steigen oder um d% fallen.
Bei einem Trinomialbaum wird in jedem Zeitschritt neben Kurssteigerung und
Kursrückgang noch ein mittlerer Weg angenommen. Zur Bewertung der Option
geht man rückwärts vor: die bekannten Zahlungsströme am letzten Ausübungs-
tag werden gerollt, um den Knoten im Baum mit dem optimalen Ausübungszeit-
punkt zu finden. Die Modelle können ein oder zwei stochastische Faktoren ha-
ben. Im ersten Fall kommt die Unsicherheit allein von der Aktienentwicklung,
während die festverzinslichen Zahlungsströme mit dem risikofreien Zins und
dem entsprechenden Spread deterministisch zu bewerten sind. Bei Zweifaktor-
modellen wird nicht nur der Aktienkurs, sondern auch der Zins stochastisch mo-
delliert.
3.6.3 Betroffene Risikokategorien
Zinsrisiko
Siehe oben bzw. vorangegangene Kapitel.
Aktien- und Immobilienrisiko
Der Wert einer Wandelanleihe unterliegt zusätzlich einem gewissen Aktienri-
siko jedoch keinem Immobilienrisiko.
Spreadrisiko
Siehe oben bzw. vorangegangene Kapitel.
24
Währungsrisiko
Der Wert einer Wandelanleihe kann zusätzlich einem Währungsrisiko unterlie-
gen.
3.6.4 Kalibrierungsparameter
Für die Modellierung werden die jeweils gültigen Zinssätze aus Marktdaten be-
nötigt. Zusätzlich, je nach Spezifikation im Term Sheet, werden noch die fol-
genden Daten für eine bestimmte Wandelanleihe benötigt:
Nennwert der Anleihe
Kuponhöhe
Rating, Ausfallwahrscheinlichkeit oder Spread
Fälligkeit
Wandlungspreis, um die Aktien-Komponente bewerten zu können, werden
üblicherweise zusätzlich benötigt:
o Aktienkurs (zum Stichtag)
o Volatilität der zu Grunde liegenden Aktie,
o ggf. Dividendenrendite und ggf. Dividendenwachstumsrate,
o eingebetteter Strike Preis,
o Fälligkeit/Ausübungszeitpunkte der Option
25
Beispielberechnungen von ausgewählten Instrumenten im Stan-
dardmodell
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der beispielhaften Bewertung der ers-
ten in Kapitel 3 besprochenen Finanzinstrumente. Dabei werden sowohl ver-
schiedene Verfahren als auch mögliche Bewertungsunterschiede aufgezeigt.
4.1 Bonds / Anleihen (Plain Vanilla)
Als Beispiel wird eine Unternehmensanleihe mit folgenden Eigenschaften (Term
Sheet) verwendet:
Wie in Kapitel 3 beschrieben basiert die Bewertung auf der risikofreien EIOPA
Zinskurve zum Stichtag. Da zweimal pro Jahr Kuponzahlungen stattfinden, wer-
den auch zugehörige (unterjährige) Zinssätze benötigt. Hierfür muss die risiko-
freie Zinskurve von EIOPA entsprechend interpoliert werden. Zur Veranschauli-
chung verwenden wir zwei unterschiedliche Interpolationsverfahren, die gän-
gige lineare Interpolation und die Smith-Wilson Interpolation, die insbesondere
bei der Ermittlung der risikofreien EIOPA-Zinskurve eingesetzt wird.
Bewertung zum Stichtag 30.09.2015
Anleihe Corporate
SII Rating BBB+
Nominal 1.000.000 €
Kupon 4,375%
Fälligkeit 30.09.2025
Anzahl Kupons p.a. 2
Laufzeit 10
Stückzinskonvention Genau/EURO
Marktwert dirty 1.231.493 €
26
Anschließend wird der Corporate Bond mit Hilfe dieser beiden interpolierten
Zinskurven bewertet. Dabei kommt der in Kapitel 3 angesprochene individuelle
Spread (sog. Z-Spread) zum Einsatz, der dafür sorgt, dass der ursprüngliche
Marktwert (dirty) genau getroffen wird:
Obwohl man gewisse Unterschiede bei den beiden risikofreien Zinskurven und
damit auch bei den berechneten Cashflows erkennen kann, ergibt sich auf den
dargestellten Nachkommastellen beim berechneten Z-Spread kein sichtbarer
Unterschied.
Laufzeit
[Jahren]
Risikofreie
Zinskurve
(Original)
Risikofreie
Zinskurve
(linear
interpoliert)
Risikofreie
Zinskurve
(mit Smith-Wilson
interpoliert)
1 2 3 4
0,0
0,5 -0,088% -0,109%
1,0 -0,076% -0,076% -0,076%
1,5 -0,065% -0,068%
2,0 -0,053% -0,053% -0,053%
2,5 -0,017% -0,022%
3,0 0,020% 0,020% 0,020%
3,5 0,073% 0,070%
4,0 0,125% 0,125% 0,125%
4,5 0,187% 0,185%
5,0 0,248% 0,248% 0,248%
5,5 0,315% 0,314%
6,0 0,382% 0,382% 0,382%
6,5 0,450% 0,450%
7,0 0,517% 0,517% 0,517%
7,5 0,583% 0,583%
8,0 0,649% 0,649% 0,649%
8,5 0,710% 0,713%
9,0 0,771% 0,771% 0,771%
9,5 0,826% 0,822%
10,0 0,880% 0,880% 0,880%
Laufzeit
[Jahren]
Risikofreie
Zinskurve
(mit Smith-Wilson
interpoliert)
indiv.
Spread
(Z-Spread)
Zinskurve
inkl.
Z-Spread
Cashflow
des
Bonds
Bewertung
(disk.
Cashflows)
1 2 3 4 5 6
0,0
0,5 -0,109% 1,038% 0,929% 21.875 21.774
1,0 -0,076% 1,038% 0,962% 21.875 21.667
1,5 -0,068% 1,038% 0,970% 21.875 21.560
2,0 -0,053% 1,038% 0,985% 21.875 21.450
2,5 -0,022% 1,038% 1,016% 21.875 21.329
3,0 0,020% 1,038% 1,058% 21.875 21.195
3,5 0,070% 1,038% 1,108% 21.875 21.047
4,0 0,125% 1,038% 1,163% 21.875 20.886
4,5 0,185% 1,038% 1,223% 21.875 20.710
5,0 0,248% 1,038% 1,286% 21.875 20.521
5,5 0,314% 1,038% 1,352% 21.875 20.317
6,0 0,382% 1,038% 1,420% 21.875 20.100
6,5 0,450% 1,038% 1,488% 21.875 19.872
7,0 0,517% 1,038% 1,555% 21.875 19.635
7,5 0,583% 1,038% 1,621% 21.875 19.390
8,0 0,649% 1,038% 1,687% 21.875 19.135
8,5 0,713% 1,038% 1,751% 21.875 18.874
9,0 0,771% 1,038% 1,809% 21.875 18.615
9,5 0,822% 1,038% 1,860% 21.875 18.362
10,0 0,880% 1,038% 1,918% 1.021.875 845.053
1.231.493
Laufzeit
[Jahren]
Risikofreie
Zinskurve
(linear
interpoliert)
indiv.
Spread
(Z-Spread)
Zinskurve
inkl.
Z-Spread
Cashflow
des
Bonds
Bewertung
(disk.
Cashflows)
1 2 3 4 5 6
0,0
0,5 -0,088% 1,038% 0,950% 21.875 21.772
1,0 -0,076% 1,038% 0,962% 21.875 21.667
1,5 -0,065% 1,038% 0,973% 21.875 21.560
2,0 -0,053% 1,038% 0,985% 21.875 21.450
2,5 -0,017% 1,038% 1,021% 21.875 21.326
3,0 0,020% 1,038% 1,058% 21.875 21.195
3,5 0,073% 1,038% 1,111% 21.875 21.045
4,0 0,125% 1,038% 1,163% 21.875 20.886
4,5 0,187% 1,038% 1,225% 21.875 20.709
5,0 0,248% 1,038% 1,286% 21.875 20.521
5,5 0,315% 1,038% 1,353% 21.875 20.316
6,0 0,382% 1,038% 1,420% 21.875 20.100
6,5 0,450% 1,038% 1,488% 21.875 19.873
7,0 0,517% 1,038% 1,555% 21.875 19.635
7,5 0,583% 1,038% 1,621% 21.875 19.390
8,0 0,649% 1,038% 1,687% 21.875 19.135
8,5 0,710% 1,038% 1,748% 21.875 18.879
9,0 0,771% 1,038% 1,809% 21.875 18.615
9,5 0,826% 1,038% 1,864% 21.875 18.355
10,0 0,880% 1,038% 1,918% 1.021.875 845.063
1.231.493
27
Beide Interpolationsverfahren können auch auf die Stressberechnung angewen-
det werden. Hierbei unterscheiden wir einerseits die Interpolation der Stress-
Quoten und deren prozentuale Abbildung auf die verwendete Basis-Zinskurve
sowie andererseits die Interpolation der Original-Stress-Zinskurven von EIOPA.
Die folgende Tabelle vergleicht die berechneten Marktwerte des Bonds im je-
weiligen Stressfall.
Man kann leicht erkennen, dass sich die Auswirkungen der verschiedenen Inter-
polationsverfahren kaum bzw. in der prozentualen Darstellung keine Abwei-
chungen aufzeigen.
Für eine alternative Berechnung des Bonds ohne notwendige Interpolation muss
man die beiden Kuponzahlungen addieren und somit als Jahreszahlungen be-
trachten. Der Z-Spread wird wie im obigen Beispiel berechnet und anschließend
auf die Original-Stresskurven angewendet.
Die absoluten Abweichungen zu den Interpolationsverfahren werden dadurch
deutlicher, aber prozentual nur auf der Nachkommastelle sichtbar.
Linear Smith-Wilson Linear Smith-Wilson
Base Case Basis-Zinskurve inkl. individuellem Z-Spread 1.231.493 € 1.231.493 €
Shock down Basis-Zinskurve abzgl. interpolierte Stress-Quoten 1.257.551 € 1.257.547 € -2,1% -2,1%
Shock down Original-Stress-Zinskurve (interpoliert) 1.257.543 € 1.257.546 € -2,1% -2,1%
Shock up Basis-Zinskurve plus interpolierte Stress-Quoten 1.135.033 € 1.135.034 € 7,8% 7,8%
Shock up Original-Stress-Zinskurve (interpoliert) 1.135.032 € 1.135.028 € 7,8% 7,8%
Wert des Bonds
Interpolation
Szenario Beschreibung %-Wertänderung
Interpolation
Szenario Beschreibung Wert des Bonds %-Wertänderung
Base Case Basis-Zinskurve inkl. individuellem Z-Spread 1.231.493 €
Shock down Original-Stress-Zinskurve mit Z-Spread 1.257.851 € -2,1%
Shock up Original-Stress-Zinskurve mit Z-Spread 1.134.020 € 7,9%
28
Risikominderungstechniken durch Kapitalmarktinstrumente
Verfahren zur Risikominderung müssen bestimmte Anforderungen erfüllen, um
nach Solvency II SCR-reduzierend berücksichtigt zu werden. Solvency II ver-
wendet dafür den Begriff Risikominderungstechnik bzw. Risk Mitigation Techni-
que.
In Artikel 13 der Rahmenrichtlinie wird dieser Begriff definiert als „sämtliche
Techniken, die die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen in die
Lage versetzen, einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Risiken auf eine andere
Partei zu übertragen“. Diese Begrifflichkeiten umfassen also nicht nur die Risi-
kominderung durch Kapitalmarktinstrumente, sondern auch z.B. Rückversiche-
rungen. Die Berechnung erfolgt auf Grundlage der am Stichtag der Solvabili-
tätsbeurteilung bestehenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten sowie der
Risikominderungstechnik.
Die hier getroffenen Aussagen zu Risk Mitigation Techniques beruhen auf fol-
genden Quellen:
Level 1: Richtlinie 2009/138/EG (inkl. Richtlinie 2014/51/EU, Richtlinie
2013/58/EU, Richtlinie 2011/89/EU) [RR]
o Erwägungsgrund 64
o Artikel 13 und 101
Level 2: Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 (inkl. Anpassungen im Rah-
men der Delegierten Verordnung 2016/467) [DRA]
o Erwägungsgrund 70, 72, 73
o Artikel 209-210; 212-213
Level 3: Leitlinie zum Basisrisiko (inkl. Erläuterung zu dieser Leitlinie)
5.1 Allgemeine Hinweise zu Risikominderungstechniken
RR-Artikel 101:
„Bei der Berechnung der Solvenzkapitalanforderung berücksichtigen die
Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen die Auswirkung der Risi-
kominderungstechniken, sofern das Kreditrisiko und andere Risiken, die
sich aus der Verwendung derartiger Techniken ergeben, in der Solvenzkapi-
talanforderung angemessen widergespiegelt sind.“
29
DRA-Erwägungsgrund 70:
Bei der Anerkennung von Risikominderungstechniken im Rahmen der Be-
rechnung der Solvenzkapitalanforderung sollte der wirtschaftlichen Sub-
stanz der angewandten Technik Rechnung getragen werden und sollten
nur Risikominderungstechniken in Frage kommen, die eine wirksame Risiko-
übertragung weg vom Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen be-
wirken.
DRA-Erwägungsgrund 72:
Die szenariogestützten Berechnungen der Solvenzkapitalanforderung nach der
Standardformel basieren auf der Wirkung eines unmittelbaren Stresses, und die
Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen sollten zum Zeitpunkt, zu
dem der Stress eintritt, keine Risikominderungstechniken berücksichti-
gen, die auf künftige Maßnahmen des Versicherungs- oder Rückversi-
cherungsunternehmens, wie auf dynamische Absicherungsstrategien oder
künftige Maßnahmen des Managements, setzen. Dynamische Absicherungs-
strategien und künftige Maßnahmen des Managements sollten von rol-
lierenden Absicherungsvereinbarungen unterschieden werden, bei de-
nen eine Risikominderungstechnik angewandt und bei deren Ablauf un-
geachtet der Solvenz des Unternehmens durch eine vergleichbare Ver-
einbarung ersetzt wird.
5.2 Wesentliche Anforderungen (DRA - Artikel 209-212)
Die folgenden Anforderungen müssen erfüllt sein, damit die Risikominderungs-
technik berücksichtigt werden darf:
Die Risikoübertragung muss (rechtlich) wirksam in allen relevanten
Rechtskreisen erfolgen.
Das Versicherungsunternehmen hat alle notwendigen Maßnahmen ergrif-
fen, um die Wirksamkeit der Vereinbarung sicherzustellen und die mit der
Vereinbarung verbundenen Risiken zu adressieren.
Das Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen ist in der Lage,
die Wirksamkeit der Vereinbarung und die damit verbundenen Risiken lau-
fend zu überwachen.
Es muss sichergestellt werden, dass die Risikominderungstechnik nicht bei
SCR und Eigenmitteln doppelt berücksichtigt werden.
Die vertraglichen Vereinbarungen für die Risikominderungstechnik müssen
sicherstellen, dass der Umfang der durch sie erreichten Absicherung und
die Risikoübertragung klar definiert und unanfechtbar sind.
30
Die Feststellung, dass die vertraglichen Vereinbarungen und die Risiko-
über-tragung in allen relevanten Rechtskreisen rechtswirksam und recht-
lich durchsetzbar sind, basieren auf folgenden Faktoren:
o ob die vertragliche Vereinbarung einer Bedingung unterliegt, die
die wirksame Risikoübertragung beeinträchtigen könnte und de-
ren Erfüllung außerhalb des direkten Einflussbereichs des Versi-
cherungsunternehmens liegt;
o ob es damit verbundene Transaktionen gibt, die die wirksame Ri-
siko-übertragung beeinträchtigen könnten.
Jede Risikominderungstechnik muss durch das Versicherungsunternehmen
bewertbar sein.
5.3 Laufzeit und Substitution der Risikominderungstechnik (DRA - Ar-tikel 209)
Risikominderungstechniken werden nur dann in vollem Umfang anerkannt,
wenn die Geltungsdauer mindestens 12 Monate beträgt. Kürzere Geltungsdau-
ern werden nur zeitanteilig berücksichtigt. Wenn das Versicherungsunterneh-
men beabsichtigt, die betreffende risikomindernde Methode nach Ablauf durch
eine ähnliche Vereinbarung zu ersetzen und folgende zusätzliche Kriterien erfüllt
sind, kann auch eine volle Anrechenbarkeit erreicht werden:
Schriftliche Leitlinie zur Ersetzung
Die Ersetzung der Risikominderungstechnik erfolgt nicht häufiger als alle
drei Monate.
Die Ersetzung der Risikominderungstechnik darf dabei nicht von Faktoren
abhängen, die die Versicherung nicht beeinflussen kann.
Außerdem darf das Liquiditätsrisiko nicht wesentlich sein.
Steigende Kosten der Risikominderungstechnik in den nächsten 12 Mona-
ten müssen sich in der Solvenzkapitalanforderung widerspiegeln.
Die Risikominderungstechnik soll im Einklang mit der aktuellen Geschäfts-
praxis und -strategie stehen und die Ersetzung darf nicht im Widerspruch
zu den Anforderungen für künftige Maßnahmen des Managements stehen.
Das heißt, dass steigende Kosten bei Optionen durch steigende implizite Volati-
litäten zu berücksichtigen wären. Die implizite Volatilität ist jedoch im Standard-
modell nicht vorgesehen, wodurch die Anrechenbarkeit fraglich erscheint.
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5.4 Bonität der Gegenpartei (DRA - Artikel 212/213)
Es dürfen bei der Berechnung des SCR nur solche Risikominderungstechniken
angerechnet werden, deren Gegenpartei mindestens einen Credit Quality Step
(CQS) von 3 aufweist. Liegt kein Rating vor, muss das Versicherungs-unterneh-
men nachweisen können, dass die Bonität der Gegenpartei einem CQS von 3
entspricht. Wenn die Risikominderungstechniken allerdings besichert sind, kön-
nen die Sicherheiten bei der Beurteilung der Bonität unter bestimmten Bedin-
gungen einbezogen werden, sodass auch bei schlechteren Ratings eine Anre-
chenbarkeit möglich ist.
Bei Ausfall, Insolvenz oder Konkurs der Gegenpartei der Risikominderungstech-
nik – oder einem anderen in der entsprechenden Vereinbarung genannten Kre-
ditereignis – muss das Instrument zeitnah liquidiert oder einbehalten werden
können. Außerdem muss ein direkter Anspruch gegenüber der Gegenpartei be-
stehen.
5.5 Basisrisiko (DRA - Artikel 210 und Leitlinie Basisrisiko)
DRA - Erwägungsgrund 72:
„Um zu vermeiden, dass die Wirksamkeit einer Risikominderungstechnik durch
das Vorliegen eines Basisrisikos, insbesondere einer Währungsinkongruenz, ge-
schmälert wird, sollten die Unternehmen bei der Berechnung ihrer Solvenzkapi-
talanforderung dem wesentlichen Basisrisiko Rechnung tragen. Bleibt ein we-
sentliches Basisrisiko bei der Berechnung der Solvenzkapitalanforde-
rung unberücksichtigt, sollte die Risikominderungstechnik nicht aner-
kannt werden.“
DRA - Erwägungsgrund 73:
Die Risikominderungstechnik wird nicht anerkannt, wenn das Basisrisiko we-
sentlich ist oder die Risikominderungstechnik zur Entstehung anderer Risiken
führen. Das Basisrisiko ist wesentlich, wenn es zu einer fehlerhaften
Darstellung des risikomindernden Effekts auf die Solvabilitätskapital-
anforderung des Versicherungsunternehmens führt, die Adressaten die-
ser Informationen, einschließlich Aufsichtsbehörden, in ihren Entscheidungen o-
der Beurteilungen beeinflussen könnte.
Risikominderungstechniken ohne wesentliches Basisrisiko haben einen Basis-
wert, der dem zu sichernden Vermögensgegenstand hinreichend ähnlich ist und
die Wertveränderungen beider Risikoexponierungen sind ähnlich unter einer
Vielzahl von Szenarien (inklusive des 99,5 % Value at Risk gemäß der Standard-
formel). Vor Anrechnung des risikomindernden Effektes müssen Versicherungen
Nachweise vorlegen können, die die Erfüllung der Anforderungen belegen. Dabei
gelten folgende Grundsätze:
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Andere Bilanzpositionen werden nur berücksichtigt, wenn eine ständige
und notwendige Verbindung zur Risikoexponierung des Unternehmens be-
steht.
Die Ähnlichkeit der Risikopositionen wird mindestens anhand der Art der
In-strumente, der Regularien der Märkte beurteilt.
Die Beurteilung erfolgt auf Basis einer umfassenden Reihe von Szenarien,
worunter auch die im relevanten Risikomodul betrachteten Szenarien sind.
Außerdem ist Folgendes einzubeziehen:
o Grad der Übereinstimmung zwischen den beiden Risikoexponie-
rungen
o nicht lineare Abhängigkeiten im relevanten Szenario
o relevante Asymmetrie des Verhaltens bei bidirektionalen Szena-
rien
o Ausmaß der Diversifikation der jeweiligen Risikoexponierung
o relevante Risiken, die in der Standardformel nicht ausdrücklich
erfasst werden
o die gesamte für die risikomindernde Methode geltende Auszah-
lungsverteilung
Wenn die Beurteilung zu dem Ergebnis kommt, dass nicht mindestens 90 % der
Wertveränderung der Risikoexponierung durch den Basiswert der Risikominde-
rungstechnik abgebildet werden, weist die Risikominderungstechnik ein wesent-
liches Basisrisiko auf. Eine Risikominderungstechnik hat z. B. kein wesentliches
Basisrisiko, wenn sie mindestens 90 % der Wertveränderung des zu sichernden
Vermögensgegenstandes abdeckt und die verbleibenden 10 % der Wertverän-
derung des Vermögensgegenstandes nicht zu einer Fehldarstellung auf Basis
des gesamten SCRs führen.
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Literaturverzeichnis
[1] EIOPA: Technical specifications for the Solvency II Preparatory Phase Part
I. https://eiopa.europa.eu/regulation-supervision/insurance/solvency-ii-
technical-specifications
[2] Kreditrisikomodellierung von ausfallbehafteten Kapitalanlagen in Versi-
cherungsunternehmen. Ergebnisbericht der Deutschen Aktuarvereini-
gung e.V.
[3] Delegated Acts as of 10 October 2014
[4] Francis A. Longstaff, Eduardo S. Schwartz, “Valuing American Options by
Simulation: A Simple Least-Squares Approach”, The Review of Financial
Studies Spring 2001 Vol. IS. No. I, pp. 113-147